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Das Vierte Kind

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21.08.19 10:51
6 Ab 6 Jahren
Heterosexualität
In Arbeit

Dyskalkulie – ausgeprägte Rechenschwäche. Abzählen statt zu rechnen. Auswendiglernen statt Verstehen. Die Unfähigkeit, eine Transferleistung zwischen bekannten und neuen Aufgaben zu erbringen. Zahlen kennen, ohne sie zu begreifen.

Gaara brütete über seinen Unterlagen. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und seine Finger huschten über die Knöpfe des Taschenrechners. Es war das sechste Mal, dass er das Budget des Dorfes für das kommende Quartal auszurechnen versuchte. Jedes Mal kam ein anderes Ergebnis heraus.
"Kazekage?"
Sein Sekretär, ein Stapel Akten in den Armen, stand in der Tür.
"Sind Sie fertig? Kann ich die Unterlagen mitnehmen?"
"Ja", antwortete Gaara so gelassen wie möglich. Eine Schweißperle rollte seinen Nasenrücken hinab und rann ihm über die Lippen. "Bitte überprüfen Sie die Berechnungen noch einmal. Nur zur Sicherheit."
"Selbstverständlich", sagte sein Sekretär, sammelte die Unterlagen kommentarlos ein und verschwand wieder. Gaara lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und tupfte sich die Stirn ab. Wenigstens war dieser Tag überstanden und in der kommenden Woche kamen seine Buchhalter aus dem Urlaub zurück. Dank ihnen war seine Rechenschwäche bisher unbemerkt geblieben. Da Gaara nur das Nötigste - alles, was mit Zahlen zu tun hatte- an seine Untergebenen delegierte, zerriss man sich über ihn zumindest noch nicht das Maul.

So dachte er. In Wirklichkeit, von ihm unbemerkt, da hinter vorgehaltener Hand geflüstert, machten Gerüchte die Runde. Gerüchte von einem Skandal, der vor den Augen des Dorfes stattfand, schamlos, beinahe obszön. Man fragte sich, was Gaara da eigentlich tat. Was sich dieser junge Kage eigentlich herausnahm. Man sagte, Gaaras Vater selig würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon wüsste. Das Dorf erwartete endlich eine Stellungnahme.
Die Gerüchte hatten mit Gaaras Frau, einer umwerfend schönen Kunoichi aus Tsuchi No Kuni, und ihren gemeinsamen Kindern zu tun. Niedliche Bälger, Anzahl variabel.

Haruka stand im Schlafzimmer und betrachtete sich im Spiegel. Das neue Kleid, das sie heute gekauft hatte, stand ihr lange nicht so gut wie bei der Anprobe im Geschäft. In der Kabine hatte sie es nicht gemerkt, aber der Saum war schief, und der Schnitt betonte ihren Bauch auf unvorteilhafte Weise. Sie drehte und wendete sich, zupfte am Kleid. Vielleicht sollte sie es umtauschen. Ohnehin war Grün nicht ihre Farbe.
"Mama, das Wasser kocht", rief Ichiro aus der Küche.
"Tu die Nudeln rein!", rief Haruka zurück und nahm sich vor, das Kleid zurückzugeben, am besten gleich morgen früh. So etwas wollte sie eindeutig nicht tragen, wenn sie kommende Woche ihren zehnten Hochzeitstag mit Gaara feierte. Sie wollte sich von ihrer besten Seite zeigen. Gerade wegen dieser Kleinigkeit, die Gaara nicht mitbekommen durfte.
Haruka zog das Kleid wieder aus, schlüpfte in ihr hellbraunes, langes Tagesgewand und ging in die Küche. Ichiro, ihr ältester Sohn, schüttete gerade die Nudeln ab. Ihre anderen beiden Söhne saßen am Küchentisch und schnitten Gemüse in kleine Stückchen. Aiko, die einzige Tochter, stellte eine Pfanne auf den Herd und goss Öl zum Anbraten hinein. Haruka strich ihr über den Kopf und nahm ihr die Pfanne ab.
"Gebt mir bitte das Gemüse."
Es zischte, als sie die Auberginen- und Zucchinistückchen in das heiße Öl warf und großzügig würzte. Aiko schaute ihr neugierig zu.
"Wo hast du eigentlich Kochen gelernt, Mama?", fragte sie.
"Hat mir meine Mutter beigebracht. Damals war ich noch ein kleines Mädchen."
Ihre Mutter war ein widerliches Weib gewesen, dachte Haruka, aber sie war dankbar, dass sie ihr früh beigebracht hatte, einen Haushalt zu führen. Kochen, Putzen, Waschen. Der Weg zum Herzen eines Mannes führte durch den Magen, hatte ihre Mutter gesagt. Haruka wusste, der Weg zu Gaaras Herzen war ein völlig anderer. Aber die Kocherei half, ihn von den Dingen abzulenken, über die er nicht nachdenken sollte.

Eines Abends, zwei Jahre nach der Geburt ihrer beiden ältesten Söhne, Zwillingsjungen, kam Gaara erst spät nach Hause. Haruka stand am Herd. Gaara gähnte, gab ihr einen Kuss, hängte seinen Mantel auf. Er stutzte, als er neben seinen rothaarigen Söhnen ein blondes Mädchen entdeckte.
"Wer ist das?", fragte er. Haruka fuhr zu ihm herum.
"Unsere Älteste", antwortete sie mit einem Gesichtsausdruck, der sagte, reiß dich endlich mal zusammen. "Aiko. Dein kleines Mädchen."
"Bitte?"
"Gaara. Deine Tochter. Unsere Drillinge. Ichiro, Arata, Aiko. Erinnerst du dich?"
Harukas Blick war hart und unnachgiebig. Sie häckselte Zwiebeln, dass die Stückchen nur so flogen. Das Gemüsemesser hinterließ Kerben im Schneidebrettchen.
"Natürlich", sagte Gaara nach einer Weile. Er fuhr sich verlegen durchs Haar. "Wie konnte ich nur. Entschuldige. Ich bin so zerstreut, es war viel zu tun im Büro."
"Seit Wochen warst du kaum zuhause. Du solltest mehr Zeit mit deinen Kindern verbringen", sagte Haruka vorwurfsvoll. "Vielleicht würdest du dich dann erinnern, wie viele du eigentlich hast."
Gaara setzte sich zu den Kindern und las ihnen aus einem Buch vor. Aiko lachte und nannte ihn Papa. An diesem Abend kochte Haruka besser als je zuvor, trank nach dem Abendessen eine Schale Sake mit Gaara, servierte ihm seinen Lieblingsnachtisch und verführte ihn, nachdem er die Kinder ins Bett gebracht hatte. Nach dem Akt bat Gaara sie um Verzeihung, weil ihm Aiko so völlig entfallen war. Haruka verzieh ihm sofort und sagte, Aiko sei tatsächlich sehr still, ein liebes Mädchen, man könne sie leicht übersehen.

In Wahrheit war Aiko weder Gaaras Tochter, noch vor diesem Tag Teil der Familie gewesen. Aiko war ein Jahr älter als die Zwillinge und ein Souvenir aus Harukas kleinem Heimatdorf. Ihre Mutter hatte ihr weder gestattet, abzutreiben, noch die langwierig arrangierte, vielversprechende Ehe mit dem jungen Kazekage durch ein außereheliches Kind aufs Spiel zu setzen. Also brachte Haruka Aiko in Sunagakure bei Freunden ihrer Mutter zur Welt, ließ sie dort und holte sie nach, sobald die Zwillinge alt genug waren, dass der Größenunterschied vielleicht nicht auffiel. Dieser Zeitpunkt kam, als Aiko fast drei Jahre alt war. Zu jung, um Harukas Täuschung auffliegen zu lassen, und gerade jung genug, um als Drillingsschwester durchzugehen. Haruka hatte nie an den Erfolg des Plans geglaubt, den sie zusammen mit den Freunden ihrer Mutter ausgeheckt hatte. Sie hatte fest damit gerechnet, dass sie an diesem Tag den Rückweg nach Hause antreten würde, eine entehrte Frau, drei vaterlose Kinder an der Hand.
Was Haruka rettete, wie sie später herausfand, war ihre Fähigkeit, völlig dreist und ohne mit der Wimper zu zucken zu lügen. Und, dass Gaara nicht rechnen konnte. Tatsächlich schämte sich Gaara so sehr, sich verzählt und seine angebliche Tochter vergessen zu haben, dass er niemals jemand anderes nach Aiko fragte. In den folgenden Jahren versteckte Haruka alle Familienfotos aus den ersten zwei Lebensjahren der Zwillinge. Sie gab sich besondere Mühe beim Kochen, im Haushalt, bei der Kindererziehung. Auch wenn sie und Gaara sich inzwischen tatsächlich liebten, musste er nicht unbedingt die Wahrheit erfahren.

An einem Freitagabend, ihrem zehnten Hochzeitstag, konnte man Haruka, Gaara und ihre vier Kinder beobachten, wie sie die Hauptstraße hinabgingen. Die Sonne war gerade untergegangen, die Straße von Lampions beleuchtet, die Luft angenehm lau.
Gaara war schneidig in seiner Kazekage-Uniform, sein blutrotes Haar säuberlich gescheitelt, wachsame Jadeaugen. Er ging Hand in Hand mit Haruka. Wallende blonde Mähne, bodenlanges, blaues Kleid, das ihre blauen Augen betonte. Das dezente Makeup brachte ihre katzenhaften Gesichtszüge perfekt zur Geltung. Vor ihnen gingen ihre vier Kinder. Die einzige Tochter, als einzige blond und deutlich größer als die Söhne, hielt den niedlichen, rothaarigen Jüngsten bei der Hand. Die älteren Söhne, Zwillinge, trugen das gleiche Outfit, was reizend aussah.
Während sie auf ein beliebtes Restaurant zusteuerten, öffneten sich zahlreiche Fenster in zahlreichen Sandsteinhäusern. Neugierige Köpfe lugten heraus. Geflüsterte Worte wanderten von Mund zu Ohr. Alte Weiber starrten Haruka missbilligend an und spien heimlich in den Staub. 

Haruka hörte das Gewisper. Ein stetiges Summen in ihren Ohren. Sie verzog das Gesicht und drückte Gaaras Hand.
"Ist dir nicht gut, Haruka?", fragte er.
"Doch, alles okay", erwiderte sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Ich bin nur aufgeregt. Unser zehnter Hochzeitstag."
"Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir so viel Zeit miteinander verbringen durften", sagte Gaara. Er küsste ihre Wange. Haruka errötete wie zu ihren Mädchenzeiten.
"Ich liebe dich, und unsere vier wunderbaren Kinder."
"Ja", bestätigte Haruka, "unsere vier wunderbaren Kinder."
"Würdest du bitte nochmal nachzählen?“
„Was?“
„Das Geld, meine ich. Ich weiß nicht, ob ich genug ...", sagte Gaara, nun leiser, verlegen.
"Natürlich, mein Schatz", sagte Haruka.
"Wenn ich dich nicht hätte."
Sie betraten das Restaurant. Das Getuschel verstummte. Die Fenster schlossen sich.

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Kurzbeschreibung

Gaara, der an einer Dyskalkulie leidet, verrechnet sich ständig. Egal ob bei Wechselgeld, dem Budget des Dorfes, oder der Anzahl seiner eigenen Kinder. Seiner Frau, Haruka, kommt das sehr gelegen. (Gaara x OC, Crack)

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Humor, Familie und OneShot getaggt.