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Power Rangers: Rose Knights

80
18.06.22 11:15
12 Ab 12 Jahren
Homosexualität
In Arbeit

9 Charaktere

Tyler Hotchner

Ty * 16 Jahre * er/ihm * blauer Ranger

Alex Hunter

Alex * 15 Jahre * transmasc genderfluid * roter Ranger

Joleen Roth

Jo * 15 Jahre * sie/ihr * gelber Ranger

Jackson Oliver

Jacks * 19 Jahre * er/ihm * silberner Ranger

Fred Baxter

Baxter * 35 Jahre * er/ihm * Erfinder und Besitzer der Saftbar "Baxters", die als Versteck der Rangers dient

König Artur

Artur * ca. 1500 Jahre * Geist * König von Camelot

Lord Fynster

Fynster * ca. 1500 Jahre * Lord der Phantombrigade

Jaro

1. General der Phantombrigade * Bruder von Shirina * nennt sich unter den Sterblichen Jasper Foster

Shirina

2. General der Phantombrigade * Schwester von Jaro * nennt sich unter den Sterblichen Shelly Foster

Wo es Dunkelheit gibt, gibt es Licht.
Wo es Licht gibt, gibt es Hoffnung.

* * *

Die Barriere, die ihn in seiner eigenen Dimension festhält, hat angefangen zu bröckeln. Das ist nicht gut. Fynster gewinnt immer mehr an Stärke. Ich kann ihn nicht länger festhalten. Aber das ist auch nicht nötig. Zwei Jahrtausende lang habe ich die Menschen auf der Erde beobachtet, studiert. Immer auf der Suche nach würdigen Nachfolgern.
Es knackt. Die Barriere bekommt weitere Risse. Es geht nicht anders. Wenn ich jetzt nicht loslasse, sterbe ich endgültig, wenn Fynster frei kommt.
Ich suche auf der Erde nach einem würdigen Wirtskörper. Er soll in keiner großen Stadt leben. Noch kann ich beeinflussen, wo sich Fynster niederlassen wird. Und in einer Kleinstadt habe ich eine bessere Chance, ihn ausfindig zu machen.
Weitere Risse. Ich muss mich beeilen.
Da! Camelo City, an der Westküste Amerikas! In der Saftbar ist derjenige, nach dem ich suche. Ein intelligenter Mann mit der Frisur eines bekannten Physikers. Nur kürzer und Silber gefärbt. Wie hieß der Physiker nochmal? Ach, ist nicht so wichtig.
Ich brauch Konzentration.
Mein körperloses Dasein löst sich langsam von der Barriere. Schwerelos, aber schnell, fliege ich auf die Erde zu. Eine schwarze Masse dringt durch die Risse der Barriere, ist mir dicht auf den Fersen. Fynster folgt mir tatsächlich!
Je näher ich der Erde komme, desto schneller fliege ich. Es fühlt sich an, als würde ich aus höchster Höhe stürzen. In der rasanten Schnelligkeit eines herabstürzenden Meteoriten durchdringe ich das flache Dach des Gebäudes, den Boden des Lofts ...
... und plötzlich sehe ich die Welt mit den wachen Augen von Fred Baxter.

Camelo City. Eine idyllische Kleinstadt an der Westküste der USA. Hier gab es vieles, was das jugendliche Herz begehrte: traumhafte Strände, Jugend- und Einkaufszentren, Kinos und Saftbars. Wie es in kalifornischen Städten typisch war, schien in Camelo fast ganzjährig die Sonne. Nur selten trauten sich Regentropfen, den Bodenbelag zu berühren. Heute war es einer dieser Tage. Unheilvoll zogen sich graue Wolken zusammen, verdunkelten den Himmel über der Stadt.
Eine Gänsehaut breitete sich auf Tylers Unterarmen aus, sein Nacken kribbelte. Beim Anblick des Firmaments bekam er das dumpfe Gefühl, dass die Wolken etwas Unheilvolles ankündigten. Etwas, was demnächst über die Stadt hereinbrechen sollte.
»Mir gefällt das nicht«, murmelte er, biss sich auf die Unterlippe. Er stand zwischen seinen Freunden in einer Schlange, die bei einem gelben Schulbus endete. Ihr Geschichtskurs fuhr heute zwecks einer Exkursion zum städtischen Museum.
»Was meinst du, Ty?«, fragte Alex. Er hatte beide Augenbrauen gehoben, die Daumen im Hosenbund gehakt.
»Nicht so wichtig. Vergiss es.«
»Dein Gesichtsausdruck sagt was anderes«, mischte sich Joleen ins Gespräch ein. »Und du reibst dir über den Unterarm, als wäre dir kalt.« Sie stupste Tyler in die Seite. »Sei ehrlich. Du hast doch was.«
»Nein, hab ich nicht.« Tyler ließ von seinen Armen ab, das unbehagliche Gefühl blieb. Alex und Joleen musterten ihn prüfend. Alex drehte dabei seinen kreuzförmigen Ohrring zwischen Zeige- und Mittelfinger. Wie üblich, wenn er nachdachte. Tyler gab sein Bestes die Blicke seiner Freunde zu ignorieren. Er hoffte, sein Gefühl würde sich als Irrtum herausstellen.
»Weißt du, dein Ignorieren tut mir im Herzen weh, Ty«, gab Joleen zu. Unter dem aufmerksamen Blick des Kurslehrers Mr Anderson stieg sie von den dreien als erste in den Bus ein. Über ihre Schulter hinweg warf sie Tyler einen Blick zu, der ihre Worte unterstrich. Schuldbewusst zog er den Kopf ein, stieg hinter ihr ein.
»Tut mir leid, wirklich.« Seufzend fuhr er sich durchs dunkle Haar. »Wenn ich es euch erzähle, haltet ihr mich für dumm.«
»Das tun wir auch so, glaub mir«, neckte Alex und pikte Tyler spielerisch in den unteren Rücken. Tyler zuckte zusammen, grinste jedoch leicht.
»Ich erzähle es, wenn wir losgefahren sind.«
Die drei Freunde gingen den Mittelgang des Busses bis zum Ende. Die Jungen setzten sich auf die hinterste linke Bank, während Joleen es sich auf dem Platz vor ihnen gemütlich machte. Tyler überließ Alex den Fensterplatz. Bis zum Museum wollte er nicht mal in Versuchung geraten, in den Himmel zu blicken. Dabei tat er das durchaus gerne. Insbesondere durch die Linse einer Kamera. Aus dem richtigen Blickwinkel bildeten Wolken die wundervollsten Motive für Fotografien. Graue Gewitterwolken bildeten dabei keine Ausnahme. Zuhause auf seinem Computer besaß Tyler Dutzende abgelichtete Bilder vom wolkenbedeckten Firmament.
Ruckelnd fuhr der Schulbus vom Schulgelände, durchquerte die Kirschblütenallee, die den befahrbaren Weg zur Schule auf beiden Seiten säumte. Ein weiteres Motiv, welches Tyler besonders jetzt im Frühling liebte. Er bereute es fast, seine Kamera nicht mitgenommen zu haben. Nur zu gerne hätte er jetzt einen Schnappschuss von den Bäumen mit den rosafarbenen Blütenblättern geschossen. Bloß gut, dass die Bäume auch noch morgen am Wegesrand standen. So war der Kummer der vergessenen Kamera schnell verflogen.
»Jetzt erzähl schon«, forderte Joleen ungeduldig. Sie legte einen Arm auf der Rückenlehne ihrer Sitzbank ab. Tyler seufzte. Stimmt, da war ja was. Er berichtete seinen Freunden von seinem unbehaglichen Gefühl. Als er endete, blickte er in ungläubige Gesichter. Erneut seufzte er.
»Ihr glaubt mir nicht«, stellte er fest, sank gegen das ungemütliche Rückenpolster der Sitzbank. Er sah seinen Freunden an, dass sie ihn für verrückt hielten.
»Ich glaube dir«, sagte Alex. »Mir ging es ähnlich, als ich den Zwergspitz meiner Nachbarin vor einem Auto rettete. Ich hab es erst nicht gesehen. Da war nur ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Als ich mich umsah, war der Hund dabei ohne sein Frauchen auf die Straße zu rennen und das wegen eines Balles.«
»Uff«, machte Joleen, verzog das Gesicht. »Ging alles gut aus?«
Alex nickte. »Zum Glück ja. Allerdings ist der Zwergspitz ein paar Monate nach dem Vorfall verstorben, zusammen mit der alten Dame.« Aus Respekt senkten er, Tyler und Joleen die Köpfe und schwiegen eine Minute lang. Möge die Seele der freundlichen alten Dame in Frieden ruhen und der Zwergspitz den Weg über die Regenbogenbrücke gefunden haben.
»Wieso sterben die freundlichsten Wesen immer zuerst?«, flüsterte Joleen mit trübem Blick aus dem Fenster. Die Gebäude der Innenstadt zogen an ihnen vorbei – hohe und niedrige Quader, wo entweder Büros oder Apartments untergebracht waren. Tyler entdeckte ein Straßenschild, was ihm bekannt vorkam. Seine Familie bewohnte eine Wohnung in der Nähe. Beide Elternteile übten einen Beruf aus, daher war jetzt niemand zuhause.
»Welche Blume pflückst du aus einer Blumenwiese?«, fragte Alex an Joleen gerichtet. Sie sah zu ihm, runzelte die Stirn.
»Die schönste natürlich«, antwortete sie. Wie in Zeitlupe weiteten sich ihre Augen und ihr Mund formte ein stummes »Oh«. Beschämend über ihre anfängliche Frage legte sie die Stirn auf dem Unterarm ab. Tyler schmunzelte, tätschelte behutsam ihr blondes Haupt.
»Kopf hoch, Jo«, sagte er. »Das fragt sich doch irgendwann jeder mal.«
»Du etwa auch?«, kam es leise von Joleen.
»Meistens, wenn ich einen Blick auf die Todesanzeigen in der Zeitung werfe und mir ein Name bekannt vorkommt.« Was in den letzten fünf Jahren nur einmal vorgekommen war, fügte er in Gedanken hinzu.
Er trauerte immer noch seiner Klassenlehrerin aus der Grundschule hinterher, die der gesamten Klasse gelegentlich belegte Brötchen und frisches Obst mitbrachte. Miss Pace war eine gutherzige Person, die stets das Positive in einem sah und Tyler dazu ermutigte mit Kickboxen und Fotografieren anzufangen. Von ihr erhielt er zum Ende der Grundschule seine erste Kamera geschenkt, die er seitdem wie einen Schatz hütete. Traurig, dass Miss Pace alleinstehend und im Alter von 43 Jahren verstarb. Herzleiden waren eine bescheidene Angelegenheit. Tyler wollte sich nicht vorstellen, wie sich seine ehemalige Lehrerin beim Sterben gefühlt haben musste. Allein beim Gedanken daran schüttelte es ihn unangenehm.
»...bin gespannt, was wir alles in der Ausstellung zu sehen bekommen«, drang die sanfte Stimme von Alex durch Tylers Mantel der Erinnerungen. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie seine Freunde das Thema wechselten. Zum Glück. Noch weiter wollte er nicht über den Tod nachdenken.
Der Schulbus fuhr mittlerweile am Strand entlang. Der graue Himmel spiegelte sich trist auf der Wasseroberfläche wider. Schnell wandte Tyler den Blick ab, ehe das ungute Gefühl zurückkehrte. Um sich abzulenken, mischte er sich ins Gespräch ein.
»Es geht um die Sage von König Artur und seinen Rittern der Tafelrunde. Ich vermute -« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich hoffe auf eine Nachbildung von Excalibur.«

Der Bus hielt vor dem städtischen Museum. Mr Anderson stieg als Erster aus, gefolgt von den Schülern des Kurses. Tyler und seine Mitschüler stellten sich im Halbkreis vor ihm auf. Einige gähnten und erhielten prompt einen strafenden Blick des Kurslehrers.
Dieser räusperte sich, sagte: »Hört zu, ich sag das jetzt nur einmal. Wenn wir im Museum sind, zeigt ihr euch bitte von eurer besten Seite. Ihr repräsentiert nicht nur euch selber, sondern auch die Schule. Wer sich nicht benimmt, verlässt das Museum und bekommt einen Eintrag ins Klassenbuch. Habt ihr das alle verstanden?«
»Ja, Mr Anderson«, sagten einige beinah synchron, andere nickten lediglich. Der Rest tat gar nicht, was zeigte, dass sie verstanden. Dem Lehrer war das egal. Er bedachte der Reihe die Teenager mit einem Blick, drehte sich auf dem Absatz um und ging vor. Einer nach dem anderen folgte ihm.
Eine dunkelhaarige Frau begrüßte die Gruppe im Eingangsbereich. Ein Namensschild zeichnete sie als zuständige Kuratorin aus. Sie lächelte nicht, als Mr Anderson ihr die Hand gab.
»Der Geschichtskurs der Camelo High School. Ich bin der Kurslehrer Mr Anderson«, stellte er sich und den Kurs in einem Tonfall vor, als würde er ein wichtiges Geschäft abschließen wollen.
»Willkommen im Museum von Camelo City«, sagte die Kuratorin. »Ich bin Mrs Hughes. Ich werde Sie heute durch unsere Ausstellung führen. Kommen Sie.« Vor ihrem Bauch formte sie mit den Händen ein Dreieck und ging unter einem breiten Türbogen hindurch. Der Kurs beeilte sich, den Anschluss nicht zu verlieren.
Zu Tylers Missfallen waren die Ausstellungsstücke in einem einzigen langen Raum ausgestellt. Dabei hatte er sich auf eine Besichtigung von mindestens zwei Stockwerken eingestellt. Wenigstens waren die ausgestellten Stücke interessant anzusehen. Zumindest interessanter als den Erzählungen der Kuratorin zu folgen. Ihre Tonlage war monoton und langweilig, weshalb Tyler nur mit halbem Ohr zuhörte und stattdessen die Informationstafeln studierte.
Es gab Modelle der Wohngebäude, die es zu der Zeit gegeben haben soll sowie ein Modell vom Schloss des Königs. An Schaufensterpuppen waren detailgetreue Kleidungsstücke ausgestellt – von den Bauern, den Adligen und auch von den Rittern der Tafelrunde. Einige gezeichneten Bilder zeigten, wie die Menschen zu der Zeit gelebt hatten. Die Bilder passten Tylers Meinung nach genauso gut in eine Ausstellung über das Mittelalter.
Tyler spürte einen Ellenbogenstoß in seiner Seite.
»Pass lieber auf, Ty«, raunte Joleen ihm leise zu und nickte zur Kuratorin. Tyler unterdrückte ein Augenrollen.
»Wenn ich ihr zuhöre, schlafe ich noch ein vor Langeweile«, flüsterte er. Sein Blick fiel auf das Ausstellungsstück, neben welchem die Frau stand. Dabei handelte es sich um vier goldene Münzen, die offen in einer länglichen Schatulle zur Schau gestellt wurden. Tyler erkannte nicht, was auf den Münzen zu sehen war.
»Was haben Münzen mit König Artur zu tun?«
»Hättest du aufgepasst, dann wüsstest du das«, sagte Alex und schüttelte den rotgefärbten Haarschopf. »Merlin persönlich hat diese Münzen so verzaubert, dass die Ritter der Tafelrunde übermenschliche Stärke entwickelten.«
»Ernsthaft jetzt?«
Alex zuckte mit den Schultern. »Das hat zumindest Mrs Hughes gesagt und als Kuratorin sollte sie so etwas wissen.«
»Das heißt nicht, dass das, was sie erzählt, wahr ist.«
»Eeh... Leute?«, sagte Joleen. »Ich glaube, wir sollten uns wieder der Gruppe anschließen.« Tyler runzelte die Stirn und folgte mit seinen Augen ihrem Fingerzeig. Während die Freunde in ihrer Unterhaltung vertieft waren, war ihr Kurs längst weitergegangen. Tyler reckte den Hals, um einen Blick auf das Ausstellungsstück zu werfen.
Er keuchte auf, krallte sich aus Reflex in Joleens Schulter. Joleen zischte leise, stieß ein »Au« aus.
»Du tust mir weh, Tyler!«
»Sorry, aber ... da! D-das ist Excalibur!« Den Namen des berühmten Schwertes hauchte Tyler ehrfürchtig. Seine braunen Augen glitzerten beim Anblick des heiligen Schwertes. Ohne Rücksicht auf seine Freunde schloss sich Tyler wieder dem Kurs an, schob sich durch seine Mitschüler nach vorne, um Excalibur genauer in Augenschein zu nehmen. Alex und Joleen gesellten sich wieder an seine Seite.
So wie in der Sage beschrieben, steckte es bis zur weißen Hohlkehle im massiven Gestein. Doch etwas irritierte Tyler. Jede Version, die er kannte, war von einem goldenen Schwert die Rede. Bei diesem Schwert war es komplett anders. Die Parierstange, der Griff als auch der Knauf waren in einem gelben und blauen Farbton gehalten. Bei der Klinge, die zu sehen war, verhielt es sich nicht anders.
Das es sich hierbei um eine Nachbildung handelte, gab es keine Zweifel. Tyler hatte nie die Hoffnung gehabt, das Echte zu Gesicht zu bekommen. Kein Archäologe hatte es bisher gefunden. Die Farben enttäuschten ihn trotzdem. Seiner Meinung nach machte es das heilige Schwert des König Artur so ... einfach. So unheilig. Sogar die Münzen waren in dem Fall spannender.
»Dürfen wir versuchen, es aus dem Stein zu ziehen?«, fragte eine Mitschülerin interessiert.
»Nein!«, sagte Mrs Hughes streng. »Keines der ausgestellten Stücke darf unter kein Umständen -«
Der schrille Ruf eines Mitschülers unterbrach die Kuratorin: »Da kommt was auf uns zu!« Zitternd deutete der Junge aus dem Panoramafenster. Wie die Lemminge stürzte sich der gesamte Kurs zur durchsichtigen Scheibe, um sich das Spektakel anzusehen, was den Jungen so aufgeschreckt hatte.
Mit einem Mal spannten sich Tylers Muskeln an und das Kribbeln im Nacken kehrte zurück. Er schluckte. Der Grund für sein unangenehmes Gefühl kam mit unglaublicher Geschwindigkeit auf das Museum zu. Und genau dieser Grund verfinsterte den gesamten Himmel über Camelo City.

Fred Baxter zu steuern ist schwerfälliger als ich angenommen habe. Er ist nicht gerade der Schlankste. Ich mein, schlimm ist es nicht. In meiner Tafelrunde gab es häufiger füllige Ritter. Sie waren nicht sonderlich wendig deswegen, aber dafür setzten sie auf ihre Stärke.
Ich zapfe die Erinnerungen meines Wirtes ein wenig an, um mich in der Stadt zu orientieren. Zum Glück erlaubt Fred Baxter es mir. Er ist ein wirklich gutherziger Mensch. Ohne Erlaubnis würde ich nicht seinen Körper benutzen wollen.
Ich wage einen Blick nach oben. Wie ich es erwartet habe, überzieht Fynster den gesamten Himmel mit seiner Finsternis. Also hat es somit begonnen. Der Kampf Licht gegen Finsternis. Ich kann spüren, dass die Rosenverwandler aktiviert wurden. Das heißt, sie haben neue Rosenritter auserwählt. Besser ich beeile mich, zu ihnen zu kommen. Ich muss ihnen alles erklären, bevor es zu spät ist.
Bald fange ich an zu rennen. Zum Nachteil von Fred Baxter. Er, beziehungsweise sein Körper, beginnt an zu schnaufen, aber das Tempo darf ich nicht drosseln. Laut seinen Erinnerungen ist es noch ein ganzes Stück bis zum Ziel.
Und die Zeit drängt. Die Finsternis über der Stadt tauchte alles um mich herum in ein tristes schwarz-weißes Farbschema. Die Passanten, die sich draußen aufhalten, stehen oder sitzen mit trostlosem Blick in der Gegend herum. Das ist die Wirkung von Fynsters Finsternis. So lange ich mich im Körper von Fred Baxter befinde, bleibt er davon unberührt. Soweit ich mich erinnere, ist das der erste Schritt, bevor Fynster seine Monsterpatrouille auf die Erde schickt.
Ich biege um eine Ecke, bleibe einen Moment stehen. Mein Ziel – das Museum von Camelo City – liegt genau vor mir!

 

Die Welt außerhalb des Museums glich einem alten schwarz-weißen Film des letzten Jahrhunderts. Die triste Stimmung in der Außenwelt und im Ausstellungsraum spiegelte sich auf den Gesichtern von Tyler, Alex und Joleen. Sie waren die Einzigen, die von diesem plötzlichen Stimmungswechsel verschont blieben.
»Wieso reihen wir uns nicht in den Haufen von Depressiven ein?«, fragte Alex. Er ließ seinen Blick über den Geschichtskurs und Mrs Hughes schweifen. »Was ist hier nur los?«
»Das würde ich auch gerne wissen, Mann«, sagte Tyler und fuhr sich seufzend durchs dunkle Haar. Joleen trat auf ihn zu, die Arme vor der Brust gekreuzt.
»Das ist deine Schuld, Ty. Hättest du die böse Vorahnung nicht gehabt, wäre das vielleicht gar nicht passiert!«
»Ganz ruhig, Jo.« Beschwichtigend hob Tyler die Hände. »Gib mir doch nicht gleich die Schuld.«
»Irgendeinem muss ich aber die Schuld geben!«
»Dann such die bei wem anders, aber nicht bei mir, klar?« Es machte Tyler rasend, was Joleen behauptete. Und das nur wegen einer Vorahnung. Sie hätte ebenso unbegründet sein können. Graue Wolken kündigten ansonsten immer einen baldigen Regenschauer an. Dass es dieses Mal anders war, war nun wirklich nicht die Schuld von Tyler.
»Eeh ... Leute?«, sagte Alex.
»Was?«, riefen Tyler und Joleen wie aus einem Munde, was beide zum Grinsen brachte. Zusammen schauten sie zu Alex hinüber. Mit einem Finger deutete er auf die Schatulle mit den Münzen des Merlin.
Überrascht und verwirrt zugleich stand den Freunden der Mund offen. Drei der Münzen schwebten über der Schatulle. Eine farbige Aura umgab sie. Ungläubig rieb sich Tyler die dunklen Augen.
»Was ist hier los?«, wiederholte er die vorherige Frage von Alex. »Das-... Das ist doch unmöglich!« Das Kribbeln in seinem Nacken verstärkte sich mit einem Mal. Dieses Mal auf eine positive Art und Weise. Er hatte das dumpfe Gefühl...
»Die Münzen rufen nach uns«, stellte Alex fest und sprach damit Tylers Gedanken aus. Wie automatisch bewegten sich Tylers Beine auf die Schatulle zu. Ein Blick nach rechts und links verriet ihm bei Alex und Joleen war es nicht anders. Keiner der drei versuchte, gegen die erzwungene Bewegung anzukämpfen. Jeder spürte das Gleiche: Sie benötigten die Münzen. Sie waren die Lösung, um die Finsternis über Camelo City zu bezwingen.
Nur wenige Schritte trennte Tyler von der Münze mit der blauen Aura. Alex und Joleen blieben vor der mit der roten und der gelben Aura stehen. Sie tauschten einen Blick aus, nickten sich zu. Zusammen streckten sie die Arme nach den Münzen aus. Die farbigen Auren strahlten plötzlich stärker. Es war, als spürten sie die Anwesenheit von Tyler und seinen Freunden.
Ihre Finger umschlossen die Münzen des Merlin und das Leuchten erloschen abrupt. Als Tyler seine Faust öffnete und den Blick auf die Münze warf, wirkte sie, als wäre das eben nicht passiert. Aber eines war anders: Die abgebildete Rose hatte sich blau gefärbt.
»Abgefahren«, hauchte Alex ehrfürchtig. Auf seiner Münze war nun eine rote Rose abgebildet. Bei Joleen war sie gelb.
»Machen wir, dass wir hier raus kommen«, schlug Tyler vor.
»Und was dann?« Fragend hob Joleen eine Augenbraue. »Auf gut Glück Leute finden, die ebenfalls von der depressiven Welle verschont geblieben sind? Oder was stellst du dir vor, was wir tun sollen?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht«, gab Tyler zu. Er legte den Kopf schief und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. Joleen seufzte.
»Egal jetzt, gehen wir.«
Im Laufschritt liefen die Freunde durch den Ausstellungsraum, unter dem Türbogen durch und verließen schließlich das Museum. In der Ferne entdeckte Tyler eine Person auf sie zu kommen. Die Silber gefärbten Haare würde er unter Tausenden wieder erkennen.
»Baxter!«, rief er ihm entgegen. Der füllige Besitzer der Saftbar blieb direkt vor ihnen stehen. Schnaufend stützte er die Hände auf den Knien ab.
»Nicht... ganz -«, sagte er außer Atem. Baxter nahm einige tiefe Atemzüge, um Kraft zum Sprechen zu erhalten. »Seid ihr die neuen Träger der Merlinmünzen?« Abschätzend musterte er Tyler und seine Freunde, so als würde er sie das erste Mal sehen.
»Meinst du die hier?« Alex zog seine Rote aus der Hosentasche und zeigte sie Baxter. »Jeder von uns hat eine. Das war eine echt verrückte Sache.«
»Glaube ich euch gerne«, sagte Baxter. »Hört mir gut zu, Träger der Münzen. Mein ehrwürdiger Name lautet Artur. Ich war einst der König von Camelot und Träger des heiligen Schwertes Excalibur. Aus Gründen, die zu lange dauern sie jetzt zu erklären, kann ich nur noch als Geist existieren. Fred Baxter überlässt mir seinen Körper als Wirt und ... Achtung!« Auf seinen plötzlichen Ruf hin wirbelten Tyler, Alex und Joleen herum und standen somit unbekannten Wesen gegenüber. Durch das schwarz-weiße Farbschema waren sie kaum zu erkennen. Glühende gelbe Augen verrieten ihre Anwesenheit. Sofort nahm Tyler eine Kampfstellung ein.
»W-was sind das für Dinger?!«, wollte Joleen wissen. Sie wich einige Schritte nach hinten zurück.
»Ängstige dich nicht, Joleen Roth«, erwiderte Artur mit Baxters Stimme. »Das sind nur Schattenkrieger. Harmlos, wenn man weiß, wie man sie besiegt.«
Hoffnungsvoll fragte Alex: »Ich nehme an, das wirst du uns gleich verraten?«
»Genau. Schnippt die Münzen hoch und ruft ›Zeit zum Verwandeln‹.« Tyler, Alex und Joleen nahmen die Merlinmünzen aus den Taschen, schnippten sie mit den Fingern in die Luft und riefen zusammen den Satz. Genau wie im Museum leuchteten die Münzen auf. Dieses Mal hüllte das Licht die Freunde mit ein. Als das Licht erlosch, fanden sie sich in neuer Kleidung wieder.
Tyler sah an sich hinab, schaute zu Alex und Joleen. Er war der Einzige, der einen weißen Einteiler ohne Rock trug. Bei jedem waren der Gürtel, die Stiefel und die Handschuhe sowie die Helmzier und der Umhang in der entsprechenden Farbe der Münzen. Das Visier des Helmes, dort wo die Augen saßen, war schwarz. Auf der goldenen Brosche, die den Umhang festhielt, prangte das Abbild einer Rose.
Die frischgebackenen Power Rangers hatten jedoch keine Zeit, ihre neuen Klamotten weiter zu begutachten. Die Schattenkrieger griffen an.
Zwei versuchten es bei Tyler frontal. Geschickt duckte er sich unter den Fäusten hindurch und riss die Krieger mit einem Halbkreistritt von den Beinen. Ohne Umschweife sprang er auf und warf sich den nächsten Gegnern entgegen. In Sekundenschnelle verteilte er Stöße mit den Ellbogen und Knien sowie Schläge und Tritte. Kein Schattenkrieger, der es mit ihm aufnahm, hatte eine Chance.
Tyler fühlte sich wie beflügelt. Dieser Kampf war anders als die Turnierkämpfe im Kickboxen. Er nutzte nicht die gleiche Stärke, nicht die gleiche Intuition, die er in den Wettbewerben einsetzte. Das, was Mrs Hughes über die Münzen erzählte, bewahrheitete sich. Sie verliehen einem übermenschliche Kräfte!
Tyler sah sich nach seinen Freunden um, vergewisserte sich, ob sie klar kamen. Mit einem geschickten Schlag des Handballens schickte Joleen einen der Krieger zu Boden und fischte gleich danach einen mit einem Tritt aus der Luft. Alex hechtete zwischen den Beinen eines Kriegers hindurch, drehte sich auf dem Boden liegend um und trat seinem Gegner gegen den Po. Der Krieger taumelte vorwärts, bis er bäuchlings liegen blieb.
»Ja!«, freute sich Alex und bemerkte dabei nicht, wie sich weitere Schattenkrieger von hinten näherten.
»Pass auf!«, schrie Tyler und zog den Degen mit dem blauen Handkorb aus dem Holster. Beherzt sprang er vom Boden ab und landete hinter seinem Freund. Tyler ließ sich von seinem Instinkt steuern, als die Klinge durch die Luft zischte und die Krieger einer nach dem anderen den Boden küssten. Augenblicklich verschmolzen alle Schattenkrieger mit den Schatten in der Umgebung. Der Kampf war vorbei.
»Das war der Wahnsinn!«, rief Joleen und schlug mit den Fäusten in die Luft. »Diese Power ist der Wahnsinn!«
Die Freude über den Sieg war von kurzer Dauer. Am finstren Firmament tauchte eine skelettartige Maske auf. Sie wies dieselben glühenden Augen auf wie die Schattenkrieger.
»Freut euch nicht zu früh, junge Power Rangers!«, sprach die Maske. Die Stimme war tief und ging Tyler durch Mark und Bein. »Meine Monsterpatrouille mögt ihr fürs Erste besiegt haben, aber es werden weitaus stärkere Monster kommen. Einer der Monster wird euch für immer vernichten. Nehmt euch in Acht, Power Rangers! Nimm dich in Acht, König Artur!« Ein tiefes, boshaftes Lachen ließ die Maske verlauten, bis sie mit der Finsternis am Himmel verschmolz.
Joleen schluckte. »Noch mehr Monster?« Von Angst erfüllt, sah sie sich um. Artur schüttelte mit Baxters Kopf.
»Das war lediglich eine Drohung für die Zukunft, gelber Ranger. Noch ist Lord Fynster zu schwach, um stärkere Monster in den Kampf schicken zu können. Wenn es so weit ist, müsst ihr bereit sein den Kampf gegen sie aufzunehmen. Zum Wohle der Menschheit.«
Zustimmend nickte Tyler. »Er hat Recht, Freunde, aber Artur, was machen wir mit der Finsternis da oben?«
Der König verschränkte die Arme hinter Baxters Rücken, sah jeden Ranger einmal kurz an. Dann erklärte er: »Legt die Spitzen der Degen aneinander und findet eure innere Stärke in eurem Herzen. Ihr müsst es als Team bündeln.«
Alex und Joleen zogen ihre Degen mit den roten und gelben Handkörben. Alle zusammen hielten sie die Waffen über die Köpfe, die Spitzen aneinandergelegt. Unter dem Helm schloss Tyler die Augen, horchte tief in sich hinein. Er atmete gleichmäßig, spürte jedes Heben und Senken des Brustkorbes. Dann fand er es. Es war klein, aber strahlte ein helles Blau aus. Instinktiv wusste er, das Leuchten symbolisierte seine innere Stärke.
Er öffnete wieder die Augen und legte den Kopf in Nacken. An der Spitze ihrer Waffen bildete sich ein helles Licht. Je mehr sich jeder von ihnen konzentrierte, desto heller leuchtete es. Und plötzlich schoss es als gebündelter Strahl zum Firmament. Der Strahl explodierte in hellen Funken, als Licht auf Finsternis traf.
Tyler, Alex, Joleen und König Artur beobachteten, wie die Finsternis sich zurückzog und den Blick auf die graue Wolkendecke freigab. Die Decke öffnete sich. Ein Regenschauer fiel auf die Erde hinab. »Als würde sich der Himmel über den Sieg freuen«, kommentierte Alex kichernd.
»Die Münzen haben die Richtigen auserwählt«, sagte Artur. Ein stolzer Glanz lag in Baxters grauen Augen. Er lächelte. »Macht euch keine Sorgen um eure Mitmenschen. In wenigen Minuten sollten sie wieder sie selbst sein.«
Erleichtert atmeten die Rangers auf. »Wenigstens eine gute Nachricht«, sagte Joleen. Sie keuchte mit einem Mal auf, schlug die Faust gegen Tylers Brust. Murrend rieb er sich sie. »Tut mir leid, Ty. Wir müssen wieder ins Museum, bevor noch einer merkt, dass wir weg sind.«
»Dann macht, dass ihr wegkommt, junge Rangers. Wir treffen uns nachher über der Saftbar.«
Tyler nickte. »Geht klar. Bis später!« Im Laufschritt verwandelten sie sich zurück.
 

Ich bin wahrlich glücklich über die Wahl der neuen Rose Knight Rangers. Auf die Intuition der Rosenverwandler ist weiterhin verlass.
Im Laufschritt mache ich mich zurück zur Saftbar. Der Körper meines Wirtes wird immer schwächer. Lange kann ich nicht mehr in ihm bleiben. Ich möchte es nicht riskieren, aus seinem Körper heraus katapultiert zu werden, so lange wir uns draußen bewegen. Was, wenn er vor Erschöpfung zusammenbricht? Mit meinem Dasein bin ich nicht in der Lage ihn anzuheben. Gerade jetzt, wo es Hunde und Katzen regnet, wäre das fatal! Noch dazu könnte Fred Baxter eine Erkältung davontragen.
Früher, als ich noch Camelot regierte, sagte man mir den Ruf eines besorgten Königs nach. Egal ob Tafelritter oder armer Bauer – wer krank war, wurde an meinem Hof von den besten Heilkundigen versorgt. Dank diesem Angebot bezahlte ein jeder Mann und eine jede Frau gerne Steuern. Sie wussten, wofür ich es ausgab. Zugegeben, es starben zu viele Menschen an ihrer Krankheit, aber das lag schlichtweg am fehlenden Wissen der Heilkundigen.
Aber so, wie ich es die letzten Jahrtausende sehen durfte, hat sich die Medizin immer weiter entwickelt und bahnbrechende Fortschritte erzielt. Das ist wahrlich ein interessantes Berufsfeld.
Endlich erreiche ich das Etablissement, welches den Namen meines Wirtes trägt: Baxter’s Saftbar. Ich habe nur leider keine Zeit, die Einrichtung genauer zu betrachten. So schnell, wie mich Fred Beine tragen, umrunde ich die sitzende Kundschaft und steige die Wendeltreppe hinauf, die zum Loft führt.
Geschwächt stolpere ich über die letzte Stufe und fange mich mit den Handballen ab. Der Körper von Fred Baxter beginnt zu zittern. Irgendwie schaffe ich es, zur Couch zu robben. Nach einigen Fehlversuchen hieve ich den fülligen Körper von Fred auf die Polster.
Gerade rechtzeitig.
Sein Körper bäumt sich plötzlich auf, reißt die Augen und den Mund auf. Die Finger krallen sich in die Couch. Ich spüre, wie mein Geist seinen Körper verlässt. Mit einem Mall schwebe ich über ihm. Ich lege die Stirn in Falten, musterte den Mann
»Alles okay?«, frage ich.
Fred bringt ein erschöpftes Nicken zustande. »Geht schon ... Eine Vorwarnung wäre gut gewesen.«
»Tut mir leid. Das ist auch für mich neu gewesen.«
Fred erwidert darauf nichts. Schwerfällig legt er sich auf die Couch und streckt die Beine aus. Ich entfernte mich schwebend, um ihm seine Ruhe zu lassen. Ich finde es erstaunlich, dass er nicht zusammengebrochen ist, wie ich es erwartet habe. Fred Baxter ist ein tougher Mann, wie die Jugend heutzutage sagen würde.
Aber jetzt heißt es, auf die Power Rangers zu warten.

Tyler fuhr in seinem Oldtimer vom Schulgelände. Mr Anderson hatte den Geschichtskurs direkt in den Schulschluss geschickt, kurz nachdem der Bus wieder an der Schule ankam. Deswegen waren die drei nun auf dem direkten Weg zur Strandpromenade, wo sich Baxter’s Saftbar befand. Jeder von ihnen war scharf drauf zu wissen, was der legendäre König Artur ihnen zu erzählen hatte.
Wenn es sich denn wirklich um den König handelte. Joleen war sich da nicht so sicher. Sie sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob dem ganzen Glauben schenken soll, Leute.«
»Was gibt es da zu zweifeln?«, erwiderte Tyler. »Das mit den Münzen, die uns übermenschliche Stärke verleihen, stimmt schließlich ja auch.«
»Da magst du Recht haben, aber ...« Joleen seufzte tief. »Fast jeder in der Stadt kennt Baxters Vergangenheit mit seinem Konsum von Drogen, sogar unter den Jugendlichen ist das bekannt. Das kann eine Wahnvorstellung gewesen sein.«
»Auf mich machte er nicht den Eindruck, als stände er unter Drogen«, sagte Alex, der sich den Beifahrersitz unter den gerissen hatte. »Außerdem habt ihr nicht in seine Augen gesehen? Da lag ein Glanz in ihnen. Als hätten sie bereits vieles gesehen. Ihr wisst, Baxter ist Mitte dreißig und kommt kaum aus der Stadt raus.«
War das so gewesen? Tyler konzentrierte sich weiter darauf, keinen Unfall zu bauen, während er an den Zeitpunkt zurückdachte, als Baxter auf sie traf. Äußerlich sah er genau so aus, wie immer: kurze, silberne Haare, die einen an Albert Einstein erinnerten, bronzene Haut, Ohren so spitz, als gehörten sie einem Elfen und um den Hals hatte eine Schutzbrille gehangen. Und in den grauen Augen lag ein unbekannter goldener Glanz.
Tyler stimmte seinem Beifahrer zu. Baxter musste einfach als Wirtskörper gedient haben. Seufzend renkte nun auch Joleen ein.
»Ich sag aber nicht, dass ich dem zu hundertprozentig traue«, fügte sie hinzu und lehnte sich im Rücksitz zurück, die Arme kreuzte sie vor der Brust. »Kann dieser Kasten nicht ein wenig schneller fahren, Ty? Wir werden sicher schon erwartet.«
Tyler unterdrückte das Verlangen mit den Augen zu rollen. »Dieser ›Kasten‹, wie du ihn nennst«, sagte er, »ist ein 1987er VW Polo Coupe CL und er fährt so schnell, wie es die Geschwindigkeitsbegrenzung es erlaubt. Verstanden?« Er sah in den Rückspiegel zu ihr, als sie zwar zusammenzuckte, aber schwieg. Es war nicht seine Absicht, bissig zu klingen. Der Unterton war ihm aus Versehen rausgerutscht. Tyler mochte es nicht, wenn andere seinen geliebten Oldtimer als ›Kasten‹ oder Ähnliches bezeichnete. Der Wagen war Teil einer der wenigen schönen Erinnerungen, die ihm von seinem Vater geblieben war.
Zwei Jahre zuvor schenkte Mr Hotchner ihm den Oldtimer zum Geburtstag. Letzten Monat, pünktlich zu seinem sechszehnten Geburtstag, wurde der alte Polo fertig und bekam obendrein eine neue Lackierung in Tylers Lieblingsfarbe spendiert – blau. Er liebte diesen alten Wagen. Generell liebte Tyler Oldtimer jeglicher Automodelle. Eine Leidenschaft, die auch sein Vater teilte. Bis zu seinem plötzlichen Tod teilten sie das als einzige Leidenschaft.
Tyler seufzte tief, als ihn die Erinnerung an die Beerdigung zu übermannen drohte. Während er am Steuer saß, durfte er keine Gefühle zulassen, die ihn vom Fahren ablenkten. Zumal er seinen Führerschein erst seit Kurzem hatte. Allzu schnell wollte er ihn nicht verlieren. Das hieße, er durfte dann auch den Oldtimer nicht mehr fahren.
»Sorry.« Joleens leise Stimme vom Rücksitz holte Tyler aus seinem Gedankenkarussel zurück in das Hier und Jetzt. Durch den Rückspiegel warf er ihr einen schnellen Blick zu. Sie erwiderte ihn. »Ich wollte deinen geliebten Wagen nicht herabsetzen. Tut mir leid.«
Ihre Ehrlichkeit ehrte Tyler aus Tiefstem. Er lächelte. »Schon vergessen.«

Es tat jedes Mal im Herzen weh, wenn Tyler den alten Polo auf einem Parkplatz zurückließ. So musste sich seine Mutter gefühlt haben, nachdem er als kleiner Junge im Kindergarten verschwand. Denn das war der Oldtimer für ihn – sein eigen Fleisch und Blut, nur eben aus Metall. Anfangs mussten Alex und Joleen ihn gemeinsam vom Wagen wegzerren.
Tyler zwang sich die Promenade, auf welcher sie gingen, entlang zu sehen, um nicht an den blauen Polo zu denken. Der Polo, der alleine zwischen all den modernen Automodellen stand und sich vermutlich vernachlässigt fühlte.
Schluss jetzt!, rief sich Tyler gedanklich zur Ordnung und schüttelte zeitgleich den braunen Wuschelkopf. Der Oldtimer war kein Wesen, das zur Atmung fähig war, sondern ein Zusammenbau aus Metall und Elektronik auf vier Rädern. Das Einzige, was dem passieren konnte, waren Kratzer in der Karosserie.
»Wir sind da!« Erleichtert atmete Tyler aus, als Joleens Ausruf ihn aus seinen Gedanken holte. Das zwar jetzt das zweite Mal dicht hintereinander und beide Male war sein Wagen der Fokuspunkt seiner Gedanken. Diese Liebe zu einem unbelebten Gegenstand konnte unmöglich gesund sein!
Aber sei es drum. So schnell änderte sich so etwas nicht.
Die kleine Glocke über der Tür klingelte leise, als Alex die verglaste Tür öffnete. Nach ihm traten Tyler und Joleen in das beschauliche Lokal ein. Tyler ließ seinen wachen Blick durch die Saftbar schweifen.
Hinter der Theke, direkt über der Durchreiche, leuchtete in purpurfarbenen Neonbuchstaben ›Baxters Saftbar‹. Wobei der zweite Teil des Namens etwas zu einfach gehalten ist. Baxter verkaufte weitaus mehr als nur Säfte. Sein Sortiment erstreckte sich sowohl auf verschiedene Smoothiesorten als auch Gerichte, die schnell zubereitet werden können, wie kleine Pizzen, Burger oder Pommes. Eben das perfekte Menü, wenn man vom Strand kam, der sich direkt vor der Tür befand. Deshalb überraschte es keinen, dass die Gäste in Badekleidung an den runden Tischen saßen, plauderten und dabei ihr Essen verschlangen.
»Willkommen, ihr drei«, grüßte Jackson die Freunde. Er räumte benutzte Gläser und Teller von einem unbesetzten Tisch auf ein silbernes Tablett. Er trug die übliche Mitarbeiteruniform des Lokals – eine rote Schürze um die Hüfte und ein purpurfarbenes Polohemd, auf dessen Rücken ebenfalls der Name des Ladens geschrieben stand. Auf der Brusttasche war sein eigener Vorname gestickt. Baxter war es wichtig, dass seine Mitarbeiter per Vornamen angesprochen wurden. Das sollte eine familiäre Atmosphäre schaffen.
Mit Erfolg. Die Leute aßen gerne hier oder trafen sich mit ihren Freunden, bevor es zum Strand ging. Sogar im Winter.
»Ist dein Onkel im Loft?«, fragte Tyler. Jackson nickte, zog aber die Augenbrauen zusammen.
»Ja, aber ich glaube, ihm geht es nicht sonderlich gut.«
»Wieso?«
»Na ja, vor einer Stunde etwa kam er hier rein getorkelt, als wäre er betrunken oder so. Ich wollt ihm helfen, aber da war er bereits die Treppe hoch.« Jackson nickte zur besagten Wendeltreppe, die hoch in das Loft führte. Tyler, Alex und Joleen tauschten besorgte Blicke aus. Seine Zeit als Wirtskörper musste ihn ausgelaugt haben.
»Ich kann hier nicht weg. Könnt ihr bitte nach ihm sehen?« Beinah flehend sah Jackson sie einen nach dem anderen an. Hätte er das volle Tablett nicht in der Hand gehabt, hätte er vermutlich die Hände aneinander gelebt, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Aber seine Bitte kamen ihnen gelegen. Sie wollten so oder so in das Loft.
Tyler lächelte ihn an und legte ihm eine Hand auf die Schulter, drückte sanft zu. »Das machen wir doch gerne. Ich schreib dir dann, wie es ihm geht, ja?«
»Bist der Beste! Danke!«
»Wofür hat man denn Freunde?« Ein letztes Mal schenkten die drei ihm ein warmes Lächeln, ehe sie die Wendeltreppe hochstiegen.
Oben angekommen, blieben sie wie angewurzelt stehen, starrten die durchscheinende Gestalt an, die über dem Boden des offenen Küchen-, Wohn- und Essbereich schwebte. Die Gestalt kam auf die Freunde zu, als er sie bemerkte. Tyler sah ihn von oben bis unten an, zog die Augenbrauen hoch.
Der Geist trug einen langen Mantel über einem Rüschenhemd, dessen Saum im Hosenbund steckte. Die Hose wiederum steckte in hohen Stiefeln. Eine Krone thronte auf seinen Haaren, die ihm über die Schultern fielen. Unter dem Mantel erkannte Tyler eine Schwertscheide. Dort hatte der König zu Lebzeiten wohl das echte Excalibur aufbewahrt.
Ein Lächeln war auf dem Geistergesicht zu sehen, die Arme verschränkte er auf dem Rücken. »Ich freue mich, euch wiederzusehen, meine jungen Rangers«, sagte König Artur und deutete eine leichte Verbeugung an.

Einmal, zweimal rieb sich Tyler über die Augen. Nur um sicherzugehen, dass sein Sehnerv ihn nicht betrog und er spontan halluzinierte. Seinen Freunden erging es genauso. Alex beugte sich zu Joleen hinüber, flüsterte ihr ins Ohr: »Siehst du ihn? Von wegen Drogenmissbrauch. Wenn schon leiden wir alle unter der gleichen Halluzinationen.«
»Halt die Klappe«, zischte Joleen ihn leise an, ohne den Blick vom durchsichtigen König zu nehmen, der nur wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. Eine paranormale Erscheinung, die man nur aus dem Fernsehen kannte. Und doch so verdammt real wirkte. Tyler streckte eine Hand nach ihm aus. An der Stelle, wo die Fingerspitzen die Kleidung berühren sollten, durchdrangen sie sie. Eine gespenstische Kälte kroch seinen Arm hinauf, was ihm die Armhaare zu Berge stehen ließ. Schnell zog er die Hand zurück, rieb über die Finger, um die Kälte zu vertreiben.
»Das hier ist unglaublich«, kommentierte Tyler.
»Und verdammt interessant«, fügte Alex hinzu. »Wie kann das nur möglich sein?« Mit interessiertem Blick umkreiste er König Artur, sah ihn von oben bis unten genaustens an. »Also, du hast in Baxter gesteckt? Wie hast du das gemacht und wo ist Baxter jetzt?«
»Ich bin hier!«, rief eine dezent geschwächte Stimme. Baxter lag ausgestreckt auf der Couch, winkte mit einem Arm, um die Aufmerksamkeit der Freunde zu bekommen. Sie joggten zu ihm, während der Geist ihnen schwebend folgte.
»Mann, siehst du scheiße aus«, sagte Alex. »Du bist ja fast so blass wie unser Geisterkönig hier.«
Baxter grunzte. »Danke, Alex, und ich dachte, es läge nur an der Kamera meines Handys.«
»Du reißt Witze. Also geht es dir nicht ganz so beschissen«, sagte Joleen und drehte sich zum König um. »Dann können wir mal zu Alex’ anderen Fragen kommen.«
Artur nickte. »Das sollten wir. Aber um die beantworten zu können, muss ich weit ausholen. Am besten ihr setzt euch hin.«
»Dauert das so lange?«, fragte Tyler.
»Wenn ihr mich in meiner Erzählung nicht unterbrecht, dauert es nicht lange, Junker Tyler.« Artur wartete, bis die Freunde sich auf den Sesseln und der Couch setzten und ihn erwartungsvoll ansahen. Der Geisterkönig räusperte sich. »Beginnen wir ganz am Anfang. Bei der Gründung der Rose Knight Rangern. Besser bekannt als die Ritter der Tafelrunde.«

Lord Fynster hat zu dem Zeitpunkt mein halbes Königreich mit seiner dunklen Magie überzogen. Mit ihrer damaligen Stärke konnten es meine Ritter nicht mit seinen Schattenkriegern aufnehmen. Wir mussten stärker werden. So ging ich mit vier tapferen Tafelrittern auf eine lange Reise, um einen altern Verbündeten aufzusuchen.
Wir überquerten Berge und tiefe Schluchten, Wiesen und Täler, kämpften gegen Banditen und anderes Gesindel. Bis wir in einem kleinen englischen Dorf unsere Suche beendeten. Bei Merlin, dem Zauberer.
Ich denke, ihr wisst, was er uns gegeben hat. Fünf verschiedenfarbige Münzen, die er ›Rosenverwandler‹ taufte. Aber das war nicht alles! Obendrein vermachte er uns gigantische Tiere, die uns im Kampf gegen die Finsternis behilflich sein sollten:
Den mutigen Löwen,
der aufrichtige Dachs,
der treue Hund,
das flinke Frettchen
und das geflügelte Pferd.

Mit neuer Stärke und neuen Verbündeten traten wir schließlich den Rückweg nach Camelot an. Dank den Zords, die uns auf ihren Rücken mitnahmen, verkürzte sich die Reisezeit erheblich um mehrere Tage. Zum Glück, denn als wir ins Königreich zurückkehrten, gab es kaum noch Menschen. Fynster hatte sie in Schattenkrieger verwandelt. Diejenigen, die übrig blieben, waren geflohen oder versteckten sich in ihren Häusern. Es war einfach grauenhaft, was die Finsternis mit meinem Königreich anstellte.
Jedoch stellte sich in den ersten Kämpfen mit der neuen Stärke heraus, dass wir fortan im Vorteil waren. Denn die Rosenverwandler verstärkte das Licht der Hoffnung, welches tief in unseren Herzen verborgen lag und schärfte es zu einer starken Waffe gegen Fynsters Armee. Mit der Hilfe dieses Lichtes und der Zords besiegten wir in nur wenigen Tagen seine Armee.
Die Freude war aber nur von kurzer Dauer. Von einem Tag auf den anderen schickte Fynster größere und mächtigere Monster gegen uns in den Kampf. Wir schlossen unsere Zords zu einem Tafelritter-Ultrazord zusammen und wir besiegten die ersten paar Monster, doch reichte es am Ende nicht aus. Je mehr Monster Fynster erschuf und je mehr Verbündete er für sich gewann, desto mächtige wurde er. Desto mächtiger wurde die Finsternis über meinem Königreich.
Schlussendlich zerstörte Lord Fynster den Ultrazord und die Power der Rosenverwandler erlosch. Ich wusste, es gab nur noch eine Möglichkeit, Fynster zu besiegen. Als König fühlte ich mich dazu verpflichtet, mein Leben für Camelot, das Königreich und alle Bewohner zu opfern.
Ihr könnt euch denken, meine Ritter der Tafelrunde waren nicht sonderlich begeistert von dem Vorschlagen. Aber sie verstanden, dass mir keine andere Wahl blieb. So fand ich mich schließlich im Kreis meiner Ranger-Kollegen wieder, die ihr Licht der Hoffnung auf mich übertrugen, um meines zu verstärken.
Durch die Kraft meiner Gedanken sandte ich meinen Geist aus, um in Fynsters Dimension einzudringen. Mit letzter Kraft erschuf ich ein Netz aus purem Licht. Eine Barriere, die Lord Fynster und seine Schergen in seiner eigenen Dimension hielten. Fynsters Macht verlor immer mehr an Stärke, je mehr er sich gegen die Barriere wehrte. Irgendwann schwand auch sein Widerstand.
Natürlich war mir klar, dass die Lichtbarriere nicht ewig halten sollte. Deswegen beobachtete ich all die Jahrhunderte das Treiben auf der Erde. Beobachtete den Fortschritt, den die Menschheit Tag für Tag machte. Aber insbesondere hielt ich nach den Nachkommen der Rose Knight Rangers Ausschau. Bis zum heutigen Tag ist der Stammbaum der Rose Knight Ranger gewachsen. Das gilt auch für meinen.

Stillschweigend hatten die neuen Power Rangers sowie auch Baxter den Erzählungen des Geisterkönigs gehorcht. Sie hingen ihm die ganze Zeit an den Lippen, keiner fiel ihm ins Wort. Eine ganze Weile warteten sie, ob König Artur weitersprach. Doch anscheinend war das der Schluss. Tyler, Alex und Joleen tauschten Blicke aus. Die verschiedensten Gefühle war in ihren Gesichtern zu lesen – Verwirrung, Unglaube und auch ein Hauch von Faszination.
Langsam drehte sich Tylers Kopf in Arturs Richtung. »Okay, damit ich das richtig verstehe. Wir drei sind Nachkommen von den Rittern der Tafelrunde? Und Baxter ist mit dir verwandt?«
Wie ein Lehrer, der zufrieden mit einer Antwort ist, lächelte und nickte der Geisterkönig. Während der Erzählung war er kein Stück von der Stelle geschwebt. Als wären seine Füße mit unsichtbaren Bindfäden am Boden befestigt.
»Deswegen waren wir von der Finsternis nicht betroffen«, stellte Alex fest. »Und deswegen diente dir Baxter ohne Probleme als Wirt. Was wäre passiert, wenn er nicht würdig gewesen wäre?«
»Mein Tipp: Baxter wäre gestorben oder ins Koma gefallen«, sagte Joleen.
»Ich bin übrigens anwesend und offensichtlich am Leben«, sagte Baxter, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte. »Aber vielen herzlichen Dank für deine Anteilnahme, Jo. Ich fühle mich sehr geliebt.«
»Oh, das freut uns aber alle!« Entweder bemerkte Joleen den Sarkasmus nicht oder sie ignorierte ihn schlichtweg. Tyler tippte auf das Zweitere. Ihm fiel ein Detail, was Artur erwähnte und was mit dem Geschehen im Museum zusammenhing. Er rutschte bis an den Rand des Sessels, auf welchem er saß, und stützte die Hände auf den Knien ab.
»Eines musst du mir erklären, Artur«, sagte er. »In deiner Geschichte war die Rede von fünf Münzen, aber im Museum waren vier und wir haben nur drei aktiviert. Also, was ist mit Münze vier und wo steckt Münze fünf?«
»Ah ...« Artur verschränkte die Arme auf dem Rücken und schwebte von einer Seite zur anderen, bis er wieder vor ihnen stehen blieb. »Die fünfte Münze besitze noch immer ich, Junker Tyler.« Er hielt sich eine Hand über die Brust. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie, aber als ich mich opferte, muss sich die Münze des goldenen Rangers mit meinem Licht verbunden haben. Deshalb ist sie nicht mit den anderen im Museum.«
»Und Münze Nummer vier?«
»Ich vermute, wir müssen darauf bauen, dass sich uns bald der silberne Ranger offenbart. Um ehrlich zu sein, habe ich bei seinen Nachkommen mit der Zeit den Überblick verloren.«
»Ist auch kein Wunder«, sagte Alex. »In hunderten von Jahren können sich Menschen sehr oft fortpflanzen. Dazu kommt, wenn die Familie einen nicht akzeptiert und wegwirft, als wäre man Abfall. Dann wird das Kind dem Staat als Mündel übergeben. Und allein Amerika hat verdammt viele Staaten.« Tyler meinte, leichte Aggression in der Stimme seines Freundes herauszuhören. So als wüsste er ganz genau, wovon er sprach.
Als hätte Baxter seine Gedanken erraten, sprach er diese aus. »Möchtest du der Klasse was mitteilen, Alex? Du scheinst Erfahrung zu haben.«
Alex antwortete nicht. Er legte ein Bein über das andere und drehte den kreuzförmigen Ohrring zwischen Zeige- und Mittelfinger. Wie üblich, wenn er nachdachte oder einem Thema auswich, was ihm unangenehm war. Er brauchte aber auch nichts sagen. Tyler verstand auch so.
Alex war transgender. Er fühlte sich nicht hundertprozentig dem weiblichen Geschlecht zugehörig, mit welchem er geboren wurde. Für viel zu viele Menschen waren ihnen solche Leute ein Dorn im Auge.
Ein Knarzen ließ die Power Rangers und Baxter plötzlich zusammenzucken. Es kam aus der Richtung der Wendeltreppe, die nach unten zur Saftbar führte. Baxter warf einen Blick auf die runde Wanduhr, fluchte leise.
»Jacksons Schicht ist zu Ende. Er kommt hoch, wenn er Artur sieht -«
»Beruhig dich, Baxter«, sagte Joleen. »Es kann sein, dass Jacks ihn nicht sehen kann.«
»Richtig, richtig ...« Um seine Nerven zu beruhigen, holte Baxter einige Male tief Luft und stieß sie wieder aus. Bei der Treppe schob sich eine dunkle Lockenpracht über den Rand, gefolgt vom restlichen Kopf und einem Ober- und Unterkörper, gekleidet in die Mitarbeiteruniform von Baxters Saftbar. Jackson setzte einen Fuß in das Loft und blieb wie erstarrt stehen. Er zog die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf leicht schräg.
»Leute? Warum schwebt da ein Geisterkönig über dem Boden?«

Die Kugel in der Stabeinfassung glühte silbern, als Lord Fynster seinen Feind aus der alten Zeit beobachtete.
Ohne es zu wissen, hatte dieser ihm sein Versteck gezeigt. Es war eine Wohnung mit einer hohen Decke, die sich über einem gastronomischen Betrieb befand.
Fynster vermutete, es sei eine Gastronomie. Während seiner Gefangenschaft in seiner eigenen Dimension hatte er keine Chance gehabt, einen Blick auf die Erde zu werfen. Die Lichtbarriere versperrte ihm die Sicht. Fynster wusste nicht, wie sehr sich die menschliche Bevölkerung und die Kulturen in über tausend Jahren verändert hatte.
In dem Moment, als sich die Finsternis legte, hatte er einen ersten Blick auf die Stadt werfen können. Das, was er sah – die Gebäude, die Wege, die pferdelosen Kutschen – alles an dieser Stadt faszinierte ihn. Vielleicht sollte er die Eroberung der Stadt um ein paar Tage verschieben. Als zukünftiger Herrscher musste er sein neues Königreich kennenlernen.
Fynster lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die glühende Kugel. Die neuen Power Rangers trafen nun im Versteck ein. Drei Halbstarke. Kinder, die vielleicht erst fünfzehn oder sechszehn waren. Trotz ihres jungen Alters würden sie keine allzu große Gefahr darstellen. Ihr Sieg über seine Schattenkrieger war pures Glück.
Der dunkle Lord schnippte mit Daumen und Zeigefinger gegen die Kugel. Das silberne Glühen hörte abrupt auf, die Szenen verschwanden. Artur, der fortan als Geist unterwegs war, begann ihnen die Anfänge der Rangers zu erzählen. Fynster brauchte das nicht zu hören, was er selber kannte.
Stattdessen stützte er sich auf seinem Stab und drehte sich auf dem Absatz um, sah die breite Treppe hinauf. Auf dem Flur oberhalb der Stufen standen zwei Statuen – seine Generäle, die dort seit der Verbannung wie zu Salzsäulen erstarrt standen. So wie auch er selber zur Statue wurde, als die Lichtbarriere sich um seine Dimension schloss. Es war seiner wachsenden Macht zu verdanken, dass er sich eigenständig aus der Erstarrung befreien konnte.
Lord Fynster stieg die breiten Stufen hinauf. Bei jedem einzelnen Schritt schmerzten seine Knie. Er schnaufte.
Wie war das möglich?, dachte er. Bei seiner Niederlage war er ein junger Mann in den Dreißigern. Und jetzt sah er älter aus als Artur! Er wollte nicht wissen, wie sein Gesicht ohne die Skelettmaske aussah.
Endlich erreichte der Lord die obere Treppenstufe, stand zwischen sein beiden Generälen. Beide überragten ihn zwei Köpfe. Beide hatten einen skelettierten Körper über einer roten oder blauen Hautschicht. Dunkle Umhänge lagen um ihre Schultern. Auf den silbernen Broschen, die sie an Ort und Stelle hielten, war ein Skelettkopf abgebildet.
Jaro und Shirina, der erste und zweite General der Phantombrigade.
Seine Arme zitterten, als Fynster mit dem Stab zweimal auf dem Boden klopfte. Die Kugel glühte abermals auf und hüllte seine Generäle in silbernes Licht. Für einige Sekunden pulsierten die Erstarrten in einem regelmäßigen Rhythmus, wie der von einem Herzen.
Und dann hörte das Pulsieren auf. Einen Augenblick lang zweifelte Fynster daran, dass es so funktionierte, wie er glaubte. Aber dann blinzelte Shirina und bewegte ihre steifen Glieder.
»So ein Dreck! Ich bin total steif!«, wetterte sie verärgert und rieb sich über den Nacken. »Was ist passiert? Blödes Licht ...«
»Spar dir deinen Ärger auf, Shirina«, sagte Lord Fynster und erschreckte sich zeitgleich, weil er so alt klang, wie er wirkte. Als er mit den Power Rangers sprach, hatte er nicht darauf geachtet.
Shirina führte die Unterhaltung nicht weiter. Sie trat vor Jaro, der sich bis jetzt nicht einmal bewegt hatte. Er war weitaus muskulöser als Shirina. Die Stabmagie konnte zu schwach gewesen sein. Lord Fynster überlegte, es ein weiteres Mal zu probieren, als sein zweiter General mit einem Arm ausholte.
Es klatschte. Jaros Kopf zuckte zur Seite. Er stöhnte. »Au ...«
»Sei kein Baby, Jaro!«, sagte Shirina und schlug ihm auf den Hinterkopf. »Beweg jetzt deinen Arsch, du Arsch.«
»Ich-... ich kann nicht, auch wenn ich gerne würde, Schwesterherz.«
Shirina schnaubte, was ihre Augen heller glühen ließ, und stellte sich hinter ihren Bruder. Sie knackte mit den Fäusten und dem Nacken. Interessiert beobachtete Fynster, was sein zweiter General nun vor hatte. Er hatte eine gewisse Ahnung.
Sie holte aus. Mit dem Fuß. Wie ein Baum kippte Jaro nach vorne über und rollte die Treppenstufen hinunter.
»Au. Au. Autsch!«, rief er und sprang auf die Füße. »Shirina, was sollte der Dreck?«
»Es hatte den erwünschten Erfolg, Dussel. Sieh dich an.« Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Jaro an sich runter – von seiner Brust bis hin zu seinen Füßen, dessen Sohlen den dunklen Teppich berührten.
Fynster glaubte, die Rädchen in seinem Gehirn rattern zu hören. Jaro hatte schon früher eine lange Leitung gehabt.
Sein Gehirn verarbeitete die Information endlich fertig. Jaro führte einen Stepptanz auf.
»Juchu! Endlich frei! Welches Jahr haben wir?«
Das war eine ausgezeichnete Frage, das musste Lord Fynster zugeben. Für ihn wäre es ein Leichtes das exakte Datum herauszufinden. Dafür musste er lediglich die Kugel befragen. Aber warum es auf die einfache Tour machen, wenn man Handlanger hatte?
»Komm rauf, Jaro. Ich erkläre euch meinen Plan.«

»Alexandria, Frühstück ist fertig!«
Alex zuckte zusammen, als er seinen Deadname durchs Einfamilienhaus schallen hörte. Er seufzte. Mehrmals hatte er seine Mutter darum gebeten, ihn bei seinem selbstgewählten Namen zu rufen. Selbst die Lehrer und Mitschüler schafften das, was aber kein Kunststück war. Alex mochte seinen Deadname noch nie, weshalb er sich seit Kindertagen an als Alex Hunter vorstellte. Alex hoffte, seine Mutter rief ihn spätestens dann so, wenn der Antrag auf Namensänderung endlich durchgewunken wurde. So lange ignorierte er jeden Ruf, der seinen Deadname beinhaltete. Selbst wenn dieser von Personen kam, die ihm nahe standen.
Alex zog sich ein rotes Tanktop über den Longbinder, der die Brüste abband, damit sein Oberkörper flach wurde. Eine dunkle Kapuzenjacke band er sich um die Hüfte. Die rote Merlinmünze verschwand in der hinteren Hosentasche. Erst dann verließ er das Zimmer, um sich seinen Eltern beim Frühstück anzuschließen.
»Steht heute in der Schule etwas an?«, fragte sein Vater. Alex stocherte mit der Gabel in seinem Rührei, drehte den kreuzförmigen Ohrring zwischen den Fingern. Die Frage stellte er fast täglich. Als wäre der Schulunterricht das Spannendste auf der Welt. Er dachte an den gestrigen Museumsbesuch zurück.
»In Geschichte werden wir über das Museum reden«, sagte Alex, zuckte mit den Schultern. »Ansonsten steht nichts an.«
»Bekommt ihr nicht noch eine Mathe-Klausur zurück?«
»Das war letzte Woche, Dad. Wir schreiben nicht jeden Tag eine Klausur.« Alex unterdrückte ein Verdrehen der Augen. Sein Vater konnte nichts für seine Vergesslichkeit. Es lag schlichtweg an seinen Genen. Bei Alex’ Großvater war es nicht anders gewesen.
»Ich werde heute erst spätabends nach Hause kommen. Ich bin mit Tyler und Joleen verabredet.« Und Jackson Oliver, fügte Alex in Gedanken hinzu. Jackson besuchte mit ihnen zwar die High School, doch war er neunzehn – also volljährig. Alex’ Eltern sahen es nicht gern, wenn ihr Kind mit jemandem abhing, der über achtzehn war. Dazu zählten eben auch High School Schüler, die zum zweiten Mal den Abschlussjahrgang wiederholten. Als ob Jackson etwas dafür konnte, wenn seine Eltern oft mit ihm umgezogen waren.
»Bleib aber nicht zu lange fort«, bat Alex’ Mutter und wackelte mit einem Zeigefinger. »Morgen ist wieder Schule.«
»Natürlich nicht, Mum.«

Zwanzig Minuten später saß Alex hinten im Schulbus, einen Arm um seinen Rucksack und die Schuhe auf die Rückenlehne auf dem Sitz vor ihm gelegt. Deutsche Folk-Rock-Musik drang durch die Kopfhörer in seine Ohren. Alex verstand nicht jedes Wort, aber das war ihm nicht wichtig. Ihm gefiel vor allem der Rhythmus der Musik und den Mix aus Gitarre, Geige und Schlagzeug.
Bei einer Straßenecke stiegen ein Junge und ein Mädchen ein, die ihm unbekannt waren. Sie suchten sich ausgerechnet den Sitz vor Alex aus, weshalb er sich gezwungen sah, die Füße runter zu nehmen. Während der weiteren Busfahrt redeten beide miteinander. Wegen der Musik auf seinen Ohren verstand Alex nicht, über was sie sprachen, aber laut der erhobenen Faust des Mädchens schien es kein freundliches Gespräch zu sein. Das Mädchen senkte die Faust, als der Junge den Kopf hängen ließ. Alex sah darin eine Chance sich einzumischen. Er pausierte auf seinem Handy das aktuelle Lied Helden, schob die Kopfhörer in den Nacken und legte das Kinn auf die Sitzlehne zwischen die beiden. Er lächelte und die blauen Augen lächelten mit. »Hallo«, sagte Alex. »Ich kenn euch nicht. Seid ihr neu an der Schule?«
Der Junge und das Mädchen sahen ihn an, als hätten sie einen Geist gesehen. Keiner der beiden machte Anstalten seine Frage zu beantworten, weshalb er sich vorstellte: »Ich bin Alex Hunter. Darf ich auch eure Namen wissen?«
»U-unsere Namen ...«, stammelte der Junge leise und rieb mit einem Daumen über den Kragen des karierten Pullunders. Ein Schweißtropfen rann ihm über die Stirn.
»Das ist mein Zwillingsbruder Jasper und ich bin Shelly. Und ja, heute ist unser erster Tag an eurer ... Schule«, stellte das Mädchen sich und den Jungen vor. Shelly lächelte, was aussah, als würde jemand sie mit einer Pistole bedrohen. Ihr Bruder dagegen lächelte freundlich, wich gleichzeitig Alex’ Blick aus. Er schob Jaspers Nervosität auf den ersten Schultag. Oder er war introvertiert.
»Ihr kommt nicht aus Amerika, oder?«, fragte Alex. »Kommt ihr aus England, wenn ich euren Dialekt richtig deute? Ich hab einen Freund, der aus England kommt. Vielleicht kennt ihr ihn ja, aber vermutlich eher nicht. Er ist uralt. Auch wenn er nicht danach aussieht.«
Jasper blinzelte, als er ihn ansah. Einmal, zweimal. Es war, als müsste sein Gehirn die Worte erst realisieren. Als er den Mund öffnete, sagte Jasper: »Du bist ein Mädchen.«
Von einer Sekunde auf die andere rutschten Alex’ Mundwinkel nach unten. Ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht. Alex hasste es, nur aufgrund seiner Stimme als Mädchen missgendert zu werden. Schnaubend lehnte er sich im Sitz zurück.
»Ich bin transgender, Alter«, erklärte Alex. »Mein Geschlecht ist fließend. Mal bin ich weiblich, mal männlich. Aber zu neunzig Prozent der Zeit identifiziere ich mich als Junge. Also, meine Pronomen sind er und ihm. Verstanden?«
Die Zwillinge nickten langsam – Shelly mit erhobener Augenbraue, Jasper mit gerunzelter Stirn. Alex seufzte.
»Ihr müsst es nicht sofort verstehen. Ich selber brauchte dafür Jahre. Na ja.« Er zuckte mit den Schultern, drehte den Kopf zum Fenster. »Oh, hey, wir sind gleich da!«
Der Schulbus fuhr in einem Bogen um die Statue eines Mannes, der ein Schwert in die Höhe hielt. Seit gestern sah Alex die Statue in einem ganz anderen Licht. Er sah in ihr nicht mehr Schulgründer, sondern König Artur mit seinem heiligen Schwert Excalibur. Das Fahrzeug hielt einige Meter vor dem Eingang. Alex, Jasper und Shelly stiegen als eine der Letzten aus dem Bus.
Alex klopfte beiden auf die Schultern. »Ich denke, ihr müsst zum Sekretariat. Wir sehen uns!« Er trennte sich von den Zwillingen und mischte sich unter die Jugendlichen, die ebenfalls in das Schulgebäude wollten. Alex bahnte sich einen Weg durch sie hindurch, drehte den Kopf von einer Seite zur anderen. In der Nähe der Naturwissenschaftsräume wurde Alex fündig. Seine Freunde – und nun auch Ranger-Kollegen – standen bei den Schließfächern. Jackson hatte Tyler eine Hand an die Taille gelegt. Nachdem er gestern die Rangers, Baxter und Artur zusammen sah, hatten sie Jackson in alles einweihen müssen. Als sein Onkel hatte Baxter für ihn gebürgt, das Jackson zu vertrauen war. Tyler sprang für seinen Freund ebenfalls in die Bresche.
»Ich hab mich im Bus mit einem Zwillingspaar unterhalten«, erzählte Alex. »Heute ist ihr erster Schultag. Nach dem Tag, wo Lord Fynster auftaucht. Das kann unmöglich ein Zufall sein.«
»Du interpretierst zu viel hinein«, sagte Joleen.
Tyler pflichtete ihr bei. »Der Meinung bin ich auch. Aber es ist noch zu früh, um es genau zu sagen. Alex, wenn du wirklich der Meinung bist, da besteht ein Zusammenhang, dann unterstützen wir dich dabei, es herauszufinden.«

Alex zerbrach beinah seinen Bleistift, als Jasper und Shelly Foster im Geschichtskurs auftauchten. Er beugte sich zu Tyler und Joleen und flüsterte: »Das sind sie!«
Die Zwillinge bahnten sich einen Weg durch die Tischreihen, bis sie sich an die einzigen freien Tische setzten – direkt neben Alex. Von der anderen Seite bekam er einen Ellbogenstupser in die Seite.
»Hör auf zu starren«, flüsterte Joleen. Alex blinzelte, drehte den Kopf nach vorne. Seine Wangen fühlten sich heißer an. Er bekam kaum selber mit, wenn er anfing, die Leute anzustarren. Insbesondere, wenn Alex sich in Gedanken vertiefte, hefteten sich seine blauen Augen an das Erstbeste. Dass es Personen traf, war keine Seltenheit. Alex mochte diese Eigenart von sich nicht.
Mr Anderson sprach vorne an der Tafel von dem Museumsbesuch und erinnerte den Kurs in einem Nebensatz an die kommende Klausur nächste Woche. Den Zeitpunkt, wo er und die restlichen Kursteilnehmenden, wie faule Säcke am Boden saßen, wurde von niemandem erwähnt. Nicht einmal vorhin auf den Fluren wurde das Thema aufgegriffen. Es war, als wäre das Ereignis aus den Köpfen der Leute gelöscht wurden.
Tatsächlich waren die Power Rangers, Artur, Baxter und Jackson die Einzigen, die sich erinnerten. Alex linste erneut zu den Zwillingen und tippte sich mit dem Bleistift gegen das Kinn. Er hätte gern gewusst, was ihre Erinnerungen dazu sagten. Logisch gesehen, müssten sie gestern bereits in der Stadt gewesen sein.
Gedanklich beschloss Alex, ihnen einen Zettel zuzuschieben. Er legte Daumen und Zeigefinger an ein Blattpapier seines Blockes an, bereit ein kleines Stück abzureißen – doch tat er es nicht. Er zögerte.
Was, wenn Joleen recht hatte? Was, wenn er sich den Zusammenhang zwischen Lord Fynster und dem Auftauchen der Zwillinge einbildete? Auf dem Zettel sollte stehen, ob sie sich an die plötzliche Finsternis von gestern erinnerten. Wenn Joleen recht behielt, würde er sich zum Idioten machen.
Alex schüttelte entschieden den Kopf. Keine Alleingänge! Bevor er etwas unternahm, sollte er sich mit seinen Freunden kurzschließen. Sie waren ein Team und so sollten sie sich verhalten. Immer.

»Ich hab eine Idee.« So lauteten die ersten Worte von Joleen, als die Rangers den Ausgang der Schule ansteuerten. Sie wartete auf keine Antwort. »Wir laden beide in die Saftbar ein. Dann können wir sie aushorchen.«
»Im Grunde nicht dumm«, sagte Tyler und schnippte mit den Fingern. »Aber zeigen wir ihnen dann nicht, wo sich unser Versteck befindet? Schon mal daran gedacht, Jo?«
»Schon mal daran gedacht, dass sie das eh wissen könnten? Immerhin sind sie auch an unserer Schule.«
»Punkt für Jo«, stimmte Alex ihr zu.
»Ja, Aber-« Tyler seufzte tief. »Egal. Einen bessern Plan fällt mir eh nicht ein.«
Sie fanden die Zwillinge außerhalb des Gebäudes, dort, wo die Mülltonnen standen. Dort, wo die coolen Kids nach Schulschluss abhingen oder den Unterricht schwänzten, um unbeobachtet Zigarette zu rauchen. Jetzt standen die Geschwister dort und redeten leise miteinander.
Shelly Foster blickte auf, als die Rangers näher kamen. Ihre Augen waren leicht zugekniffen, die Lippen gespitzt.
Jasper dagegen lächelte leicht, schüchtern.
»Wollt ihr was von uns?«, fragte seine Schwester.
»Ihr seid doch neu in der Stadt«, sagte Joleen, »und da dachten wir uns, wir zeigen euch einiges und laden euch anschließend in Baxters Saftbar ein. Nicht wahr, Jungs?«
»Es war ihre Idee-... Au! Was sollte das denn, Jo?« Murrend rieb sich Alex die Seite. Er hatte einen Stoß mit Joleens Ellenbogen kassiert.
»Also, was sagt ihr?«, fragte Tyler die Zwillinge, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Thema zu lenken, weswegen sie bei ihnen sind. Jasper und Shelly sahen sich an, schwiegen. Dann zuckte Jasper mit den Schultern und sagte: »Ich komme gerne mit, aber meine Schwester kann nicht.«
»Familiäre Angelegenheiten«, fügte Shelly hinzu.
»Eine, die nur dich betrifft?«, hakte Tyler nach.
»Hat dich nicht zu interessieren.«
»Bin nur neugierig. Tut mir leid.«
»Deine Entschuldigung kannst du dir sonst wo-« Beschwichtigend legte Jasper seiner Schwester eine Hand auf die Schulter. »Wir haben darüber geredet. Nicht ausrasten. Zähl langsam bis zehn.« Doch da riss sich Shelly los und stampfte weg. Ihr Bruder seufzte tief.
Alex sagte: »Sehr temperamentvoll, deine Schwester.«

Camelo City hatte viele wunderbare Orte, die man mindestens einmal als Teenager besuchen sollte – das Museum der Stadtgeschichte, das Planetarium, die Mall und natürlich die Strandpromenade. Die Power Rangers zeigten Jasper alles und Jasper freute sich über jeden Anblick. In seinen dunklen Augen funkelte die kindliche Neugierde, alles auf einmal erkunden zu wollen. Und genau das machte Alex stutzig. Es war, als hätte Jasper solche Gebäude noch nie in seinem Leben zu Gesicht bekommen. Vor Tylers Oldtimer schien er sogar Furcht zu verspüren. Kurz gesagt: Er verhielt sich verdächtig. Alex nahm sich vor, ihn im Auge zu behalten.
Die Tour endete beim Betreten von Baxters Saftbar. Die kleine Glocke über der Tür kündigte ihre Anwesenheit an. Weil Jackson bis um drei im Unterricht saß, liefen seine Kollegen durch die Tischreihen und bedienten die Kundschaft. Trotz der Klimaanlage glänzten Schweißperlen auf ihren Stirnen. Von Fred Baxter war keine Spur zu sehen. Vermutlich bastelte er in seinem Loft an einer neuen Erfindung oder er redete mit dem Geisterkönig. Nur alle paar Tage kam Baxter aus seinem Loft, um in seinem Lokal nach dem Rechten zu sehen. Er hatte viel Vertrauen in seine Mitarbeiter, zumal einer von ihnen sein Neffe war.
Die Rangers setzten sich mit Jasper an einen der Ecktische, wo sie bequem zu viert Platz hatten. Wenige Augenblicke verstrichen und eine brünette Kellnerin erschien an ihrem Tisch, in der Hand ein Notizblock und ein Stift.
»Willkommen bei Baxters«, sagte sie den Standardspruch auf. »Ich heiße Beth und darf euch heute bedienen. Was darf ich euch bringen?«
»Das Übliche und für unseren neuen Kumpel hier«, Alex klopfte Jasper auf die Schulter, »einen Bananen-Smoothie.«
Die Bleistiftmine kratzte über das Papier, als Beth die Bestellung notierte. »Kommt sofort«, sagte sie schließlich und ging zum Kollegen in die Küche.
Tyler sagte zu Alex: »Du hättest Jasper allein entscheiden lassen sollen. Was, wenn er gegen Bananen allergisch ist?«
»Dann geb ich ihm meinen.«
»Und was, wenn er auch gegen Erdbeeren allergisch ist?«
Alex seufzte. »Jasper, hast du irgendwelche Allergien?«
»Nicht, dass ich wüsste«, gab dieser zu. Triumphierend lächelte Alex Tyler an. »Siehst du?«
»Es hätte aber sein können!«, verteidigte sich Tyler. »Und dann trägst du die Schuld!«
»Wieso ich? Jasper hätte was sagen können, was er aber nicht hat.«
»Hast du ihn dir mal angesehen? Er ist eindeutig introvertiert. Selbst wenn er wollte, hätte er nichts gesagt, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden.«
»Jungs!«, mischte sich Joleen lautstark ein, weswegen einige Kunden zu ihnen sahen und miteinander tuschelten. Nach einem bösen Blick von Alex drehten sie die Köpfe weg. Joleen sprach weiter, diesmal leiser: »Streiten ist echt sinnlos. Ihr habt es doch längst geklärt.«
»Trotzdem hätte Alex nicht vorschnell handeln sollen.«
»Du weißt es, ich weiß es und Alex weiß es jetzt auch. Belasse es einfach dabei, Ty.«
»Okay, okay. Sorry, Alex, fürs Anpöbeln.«
»Wieso entschuldigst du dich? Ich hab es provoziert!«
»Das stimmt nicht. Ich hab damit angefangen.«
Jasper sah zwischen den beiden hin und her, fragte: »Streitet ihr jetzt, warum ihr streitet?«
»Ja!«, antworteten Tyler und Alex wie aus einem Munde und brachen kurz darauf in Gelächter aus. Joleen schüttelte grinsend den Kopf. »Ihr seid doof.«
Beth balancierte ein silbernes Tablett auf einer Hand, als sie zum Tisch der Rangers zurückkehrte. Vier hohe Gläser mit verschiedenen Getränken und Glastrinkhalmen thronten auf diesem. »So, dann hätten wir einmal den Blaubeer-Smoothie für Tyler und den Ananassaft für Joleen.« Einer nach dem anderen wurden die bestellten Getränke vor Jasper und die Rangers gestellt. »Lasst es euch schmecken«, sagte sie und ging wieder. Die Power Rangers schoben sich die Trinkhalme zwischen die Lippen, um von ihren Getränken zu trinken. Nach anfänglichem Zögern setzte Jasper ebenfalls zum Trinken. Aus dem Augenwinkel beobachtete Alex ihm dabei.
Er wusste nicht, was er erwartete. Ob der Bananen-Smoothie etwas in Jasper auslöste, wie eine Verwandlung in seine ursprüngliche Form oder dass er sich in Schleim auflöste. Aber eines kam definitiv unerwartet. Als Jasper sein Glas zur Hälfte leerte, rülpste er.
Er wurde rot. »Sorry.«
Joleen öffnete den Mund, um etwas sagen zu wollen, doch auch bei ihr kam nur ein Rülpser zustande. Sie kicherte. Alex zuckte grinsend mit den Schultern. »Tja. Wie meine Oma immer sagt: Alles, was keine Miete zahlt, muss raus!«
»Genau so ist es«, stimmte Joleen ihm zu und hob einen Arm. Alex klatschte mit ihr ab. »Aber jetzt mal Butter bei den Fischen. Jasper, wir haben Fragen. Du und deine Schwester, ihr seid seit gestern in der Stadt, richtig?«
Jasper nickte langsam. »Worauf willst du hinaus?« Joleen beugte sich näher zu ihm und legte die Fingerspitzen aneinander. »Gestern geschah etwas Außergewöhnliches. Mit einigen Ausnahmen verfiel jeder Erwachsener und jedes Kind in eine Art depressive Phase. Weißt du was darüber?«
»Eh...« Kaum merklich schluckte Jasper. Seine Augen huschten unruhig von einem Ranger zum anderen. Er drückte sich gegen die Rückenlehne. Seine Finger klammerten sich an das Glas mit dem Bananen-Smoothie.
Er verbergt etwas, dachte Alex und verengte misstrauisch die Augen. Tyler war anderer Meinung.
»Jetzt bedräng ihn nicht so, Jo.« Er war aufgestanden, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. Es zeigte Wirkung. Joleen seufzte tief und lehnte sich zurück. Ihr Blick ruhte allerdings weiterhin auf Jasper. Tyler lächelte zufrieden.
Die Türglocke bimmelte, als eine ganze Scharr von Strandbesuchern ins Lokal strömte. In allen Gesichtern war Furcht zu lesen. Ein dunkelhaariger Lockenkopf schob sich durch die Leute zum Tisch der Rangers durch. Jackson sah als Einziger nicht verängstigt aus. Eher besorgt. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen.
»Ist irgendwas passiert?«, fragte Alex und beobachtete die Leute. Einige liefen auf und ab, andere drückten sich die Nasen an den Fenstern platt. Jackson beugte sich zu Tyler, der ihm am nächsten stand, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Seinem schwindenden Lächeln nach war es nichts romantisches. Seine Stirn legte sich in Falten.
»Bleib bei Jasper, ja? Wir ... kommen gleich wieder«, sagte Tyler, gab Jackson einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ging vor zur Wendeltreppe. Joleen und Alex folgten ihm.

Fred Baxter und der Geist von König Artur erwarteten die drei Freunde bereits im Loft. Baxter saß vor dem Computer, während Artur hinter ihm schwebte. Seine geisterhafte Erscheinung hatte die Farbe gelb angenommen. Er drehte sich zu ihnen um.  Genau wie Jackson hatte er die Augenbrauen zusammengezogen. »Monsterangriff auf der Strandpromenade«, sagte er. »Ihr müsste euch sofort darum kümmern, Rangers.«
»Aber zu aller erst«, mischte sich Baxter ein und öffnete eine schmale Schatulle. Drei schlichte, schmale und farbige Armbänder lagen in dieser auf einer weichen Unterlage. »Damit könnt ihr jederzeit uns erreichen, auch wenn ihr verwandelt seid. Jackson habe ich auch eines gegeben.«
Ach, richtig. Wegen des plötzlichen Menschenauflaufs in der Saftbar hatte es Alex nicht realisiert. Aber jetzt, wo er sich zurückerinnerte, trug Jackson tatsächlich ein silbernes Armband. Um Baxters Handgelenk lag ein goldenes.
»Cool«, kommentierte Joleen und legte sich das Gelbe an. Alex und Tyler taten es ihr mit dem roten und blauen Armband nach. »Ach so! Wie sollen wir dahin kommen? Durch die Saftbar können wir schlecht.«
»Springt aus dem Fenster auf den Hinterhof. Dort warten eure neuen Fahrzeuge auf euch.«
Bei dem Wort ›Fahrzeuge‹ begannen Tylers braune Augen sofort an zu glitzern. »Welche?«
Baxter schmunzelte. »Werdet ihr gleich sehen. Aber bitte, auch wenn wir uns im zweiten Stock befinden, springt nur verwandelt runter.«
»Sag bloß, du machst dir Sorgen um uns«, sagte Alex.
»Denkst auch nur du. Ich möchte mir bloß keine Ausrede für einen Arzt ausdenken müssen, warum drei Teenager aus meinem Fenster gesprungen sind.« Das sagte er zwar, aber in Baxters grauen Augen war ein Sorgenfunkeln zu erkennen. Dieser Mann spielte einfach nur den Harten. Alex sagte dazu nichts. Er fischte die rote Münze aus der Tasche und stellte sich mit seinen Freunden in einer Reihe auf. Jeder von ihnen schnippte seine Münze in die Luft. Beinah synchron riefen sie: »Zeit zum Verwandeln!« Die Münzen leuchteten auf, hüllten Alex, Tyler und Joleen in ihr Licht ein. Als das Licht erlosch, vergeudeten sie keine weitere Zeit und sprangen als nun verwandelte Power Rangers aus dem geöffneten Fenster.
Leichtfüßig und mit gebeugten Knien landeten sie im Hinterhof, der von allen Seiten von einem hohen Zaun umgeben war, um neugierige Nachbarn vom Spannern abzuhalten. Die drei Motorbikes mit dem Einhornkopf am Lenker stachen ihnen sofort ins Auge.
»Und damit sollen wir uns sehen lassen?« Unsicher schnippte Joleen gegen das Horn ihres Fahrzeugs.
»Was hast du gegen Einhörner?«, fragte Alex, der sich auf das rote Bike schwang. »Die sind doch total cool!«
»Außerdem«, mischte sich Tyler ein, »erkennt uns sowieso keiner, wenn wir als Power Rangers unterwegs sind.«
»Ich finde es trotzdem peinlich, Ty.«
Das Armband an Alex’ Handgelenk vibrierte. Ein goldener Punkt leuchtete auf und dann hörten sie Baxters Stimme: »Könnt ihr mich hören, Rangers?«
»Klar und deutlich, Bax«, antwortete Alex.
»Sehr gut. Ich öffne euch gleich das Tor. Fahrt dann die Promenade runter. Die Schattenkrieger verwüsten den Corndog-Stand vom alten Gonzales.« Wie auf Stichwort schwang ein Teil des Zaunes auf, gerade breit genug, damit die Rangers mit ihren Einhornrädern hindurch fahren konnten.
Während der Fahrt beschäftigte sich Alex’ Unterbewusstsein mit einer Frage: Wann hatte Fred Baxter die Zeit, das alles für sie zu bauen?

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Kapitel: 10
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Wörter: 12.495
Zeichen: 73.983

Kurzbeschreibung

Nach Jahrtausenden bricht Lord Fynster aus seinem Gefängnis aus, was König Artur zum Handeln zwingt. Es müssen die Verwandler aktiviert und geeignete Nachfolger für seine Ritter der Tafelrunde gefunden werden. Doch können die neuen Rose Knight Rangers es mit den Mächten der Finsternis aufnehmen?

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Action, Abenteuer, Freundschaft und Transgender getaggt.