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Kapitel: | 11 | |
Sätze: | 2.708 | |
Wörter: | 45.590 | |
Zeichen: | 262.283 |
Ich erinnere mich nicht mehr an das genau Datum dieses einen Tages, aber sicher weiß meine Mutter das noch, denn sie hat damals, als ich klein war, über alles Buch geführt, was mich betraf.
Es war im Frühjahr 1985, ich glaube, so im April oder Mai. Mama, Papa und ich lebten damals schon nicht mehr im großen Hauptsitz des Uchiha-Clans, sondern in einem kleineren, zweigeschossigen Haus außerhalb davon, in dem Mama auch ihre Praxis hatte.
Meine Eltern hatten dieses Haus bezogen, während Mama schon schwanger mit mir war, denn sie wollte, dass ich mitten im Dorf aufwuchs, mit vielen verschiedenen Menschen um mich herum, und eben nicht im Hauptsitz, diesem eigenen Viertel unseres Clans hinter dem Fluss. Sie sorgte auch dafür, dass ich mit anderen Kindern zu tun hatte. Ich mochte dieses Haus mitten im Dorf, und auch die Kinder in unserer Nachbarschaft.
Mama ist Medizin-Kunoichi und spezialisiert als Augenärztin und Neurologin, vor allem auf die Behandlung des Sharingan, und sie war damals schon die beste Augenärztin und Neurochirurgin in ganz Konoha Gakure.
Ich wachte morgens auf und irgendwas war anders. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis ich ganz wach war, ich hatte sehr intensiv geträumt und der Traum hing noch in mir fest. Ich hatte von meinem Papa geträumt, davon, wie er und die anderen Shinobi draußen im Krieg kämpften. Papa war stark, und ich wusste, wie stark, doch trotzdem hatte ich Angst um ihn, das ist ganz natürlich und normal.
Ich hob den Kopf und versuchte, mich langsam aufzusetzen, und mein Blick streifte eins der Bücher in dem Regal über meinem Bett. „Shinobi-Grundausbildung, Klasse 1“ stand auf dem Rücken. Mein Schulbuch, schon durchgearbeitet. Daneben ein anderes Buch: „Illusionen schaffen und auflösen, ein Genjutsu-Grundkurs“. Ich musste lächeln. Dieses Buch war ein Geschenk gewesen. Papas Cousin, den ich „Dara“ nannte und der mein Pate und wie ein Onkel für mich war, hatte es mir zu meinem vierten Geburtstag geschenkt.
Ich sah sein lächelndes Gesicht vor mir, seine Stärke ausstrahlende Gestalt in der roten Rüstung, und seine unglaublich dichten, rückenlangen, schwarzen Haare. Selbst, wenn er nur in einem Buchladen stand und mir ein kleines Geschenk machte, Dara war einfach immer der große, starke Shinobi, eine beeindruckende Erscheinung, er war sehr extravertiert und mochte die Aufmerksamkeit.
„Dieses Buch, mein Junge, wird dir auf dem Weg zu großartigen Fähigkeiten die beste Unterstützung bieten, die ein Buch nur geben kann“, hatte er gesagt. „In dir steckt unglaubliches Talent, und wir werden alles tun, damit du es voll entfalten kannst.“
Auch Dara war nicht hier. Er war in derselben Truppeneinheit wie Papa und die beiden kämpften derzeit im Wasser-Reich gegen Shinobi aus Suna Gakure. Ich vermisste Dara. Papa war oft streng, aber Dara als mein Patenonkel war wie ein guter Freund für mich.
Die Gedanken an Dara hatten den Albtraum aus meinem Kopf vertrieben, aber als ich aufstehen wollte, wurde mir schwindlig und ich sank wieder ins Kissen zurück. Was war denn das? Hatte ich mir etwa eine Erkältung eingefangen?
Ich lauschte, ob ich Mama hören konnte, und tatsächlich hörte ich Geräusche aus der Küche unten.
„Mama?“, rief ich laut.
Schritte auf der Treppe, dann schob sie die Tür auf. „Itachi? Alles in Ordnung bei dir?“
„Ich weiß nicht …“, antwortete ich. „Mir ist auf einmal so schwindlig.“
Mama sah mich besorgt an, kam auf mich zu und setzte sich an mein Bett. Sie strich meinen Pony beiseite, berührte meine Stirn, fühlte, ob ich Fieber hatte, und sagte dann: „Deine Temperatur ist tatsächlich etwas erhöht.“
„Gestern Abend gings mir gut“, sagte ich.
Mama sah mich an, schien einen Moment lang nachzudenken, dann legte sie eine Hand auf meinen Kopf und ließ blau leuchtendes Chakra aus ihrer Hand fließen.
„Mach die Augen zu, mein Kind“, sagte sie und lächelte.
Ich schloss die Augen, spürte Mamas Chakra im Kontakt mit meinem, und auf einmal … tat sich in mir ein Loch auf, aber kein tiefes, dunkles, sondern ein helles Licht, in das ich hineinzufallen fühlte.
Ich riss die Augen wieder auf und blickte in Mamas Gesicht, und so, wie sie mich anschaute, schien sie zu wissen, was mit mir los war.
„Itachi …“, sagte sie leise, und dann: „Dass es jetzt schon so weit ist …“
„Was ist los mit mir, Mama? Fehlt mir was?“, fragte ich ängstlich, dieses Licht eben war doch ganz schön unheimlich gewesen.
„Nein, dir fehlt nichts, keine Angst. Es ist nur … nun ja, es sieht so aus, als ob du etwas bekommen hast … Ich bin noch nicht sicher, ob es das wirklich ist. Dara kennt sich auch gut damit aus, er müsste hier sein …“
„Aber Dara ist im Krieg …“, sagte ich.
„Er kommt ja bald wieder, in ein, zwei Wochen hat er Urlaub. Dann schauen wir uns das zusammen an. Und bis dahin … wenn es das ist, was ich vermute, dann musst du keine Angst davor haben. Es ist nichts Böses.“
„Da war so ein helles Licht …“
Mama strich mir durchs Haar, beugte sich vor und drückte einen Kuss auf meine Stirn. Als ich ihre Augen wieder sah, hatte sie ihre Sharingan aktiviert.
„Es sind deine Augen, Itachi. Deine Fähigkeiten wachsen, und manchmal macht einem so etwas Angst. Aber wir sind alle da und wir helfen dir.“
„Kann ich dann … auch so was wie du, Mama? Kann ich dann Menschen heilen?“, fragte ich.
„Vielleicht, ja. Du könntest ein guter Medizin-Ninja werden, wenn du das möchtest …“ Mama lächelte, und ich wusste, sie wünschte sich das für mich. Wir waren uns so nahe, dass wir einander kaum etwas erklären mussten, und wir wussten beide, dass wir die Freude daran, anderen zu helfen, gemeinsam hatten.
Eine Woche später kamen Papa und Dara tatsächlich von der Front zurück. Papa war leicht verletzt und ging erst einmal ins Krankenhaus, aber Dara kam danach gleich zu uns nach Hause.
„Hallo, Ikue!“, rief er laut, und Mama antwortete: „Madara! Ihr seid wieder da?“
„Yoshio ist noch im Krankenhaus, aber mir geht’s gut.“ Er legte klappernd seine Rüstung ab, dann setzte er sich an den Küchentisch, nahm sich eine Dose Limonade und trank sie in zwei Zügen leer. „Und? Wie ist die Lage hier?“, fragte er dann.
Ich saß oben an der Treppe und sah, wie Mama sich zu Dara an den Tisch setzte. Sie sprach leise, aber ich konnte jedes Wort verstehen: „Madara, wir brauchen deine Hilfe. Es geht um Itachi … Er entwickelt gerade etwas … und ich glaube, er hat das Tsukuyomi geerbt …“
„Tsukuyomi?!“, wiederholte Madara laut. „Echt jetzt?“
„Dara!“, zischte Mama, „Nicht so laut!“
Ich stand auf, ging die Treppe hinunter.
„Ich möchte nicht, dass Oma Yoneko gleich davon erfährt“, sagte Mama. „Madara, du weißt ja, wie sie ist. Sie wird Itachi ins schwere Training nehmen, wenn sie erfährt, dass er schon so weit ist.“
„Ikue …“ Madara seufzte. „Dein Sohn ist eines der begabtesten Kinder in der Geschichte Konohas! Du kannst ihn nicht vom Training fern halten.“
Mama stand auf, ging zum Fenster und schaute hinaus, während sie sagte: „Itachi kommt in seinem Wesen so sehr nach mir. Er ist nicht für ein Leben als Ninja gemacht. Wenn er Mediziner werden könnte, ja, aber ich will nicht, dass Yoneko versucht, aus ihm einen Kämpfer zu machen. Ich hab Yonekos Training doch selbst mitgemacht, als ich klein war, und ich will nicht, dass Itachi dasselbe durchmachen muss!“
„Wenn ich dir verspreche, dass ich mit Yoneko rede?“, fragte Dara. „Auf mich hört sie … manchmal.“
Mama drehte sich wieder um, sah mich an, und sagte dann: „Itachi, ich möchte, dass du mit Madara auf den Übungsplatz gehst. Fragt am besten jemanden vom Hyuuga-Clan, ob ihr deren Platz benutzen dürft, dann kriegt Yoneko das nicht gleich so mit.“
„Ist gut, Mama“, sagte ich und nickte.
Auf dem Weg zum Übungsplatz der Hyuuga-Familie fragte Madara: „Wie fühlt sich das denn so an? Also, dieses Neue in deinem Kopf?“
„Wie ein Licht … ein Licht, das ich vielleicht formen könnte … wenn ich wüsste, wie …“, versuchte ich, die seltsamen neuen Dinge in mir zu beschreiben.
„Spürst du darin Raum, Zeit und Masse?“, wollte Dara wissen.
„Ja. Aber es ist irgendwie anders als sonst. Nicht so … fest, irgendwie …“
Dara blieb stehen, lächelte mich an, richtig strahlend. „Itachi, du bist großartig!“
„Ist das dieses … Tsukuyomi?“, fragte ich und meine Stimme zitterte ein wenig.
„So, wie du das beschreibst, ja, das ist Tsukuyomi.“
„Und was ist das?“
Dara blieb stehen, wir hatten den Platz erreicht. „Das Erste, was du lernen musst, ist, dieses Jutsu in dir zu festigen. Zu lernen, wie du damit umgehst, und dazu brauchst du die Sharingan noch nicht. Tsukuyomi ist ein sehr persönliches Jutsu, und du wirst wohl der Einzige sein, der es beherrscht. Vor dir gab es andere, der letzte war dein Urgroßvater Fukuya. Er hat uns einiges an Aufzeichnungen dazu hinterlassen, und das sind mehr oder weniger die einzigen Informationen darüber, die wir haben. Derzeit bist du der einzige lebende Mensch damit. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis du es wirklich anwenden kannst, denn noch sind deine Sharingan nicht erwacht, aber du wirst die Zeit bis dahin gut nutzen können, denn um es sicher anwenden zu können, musst du dieses Jutsu und seine Ausgestaltung in dir selbst vollkommen kennen. Und ich weiß genug darüber, um dir dabei zu helfen.“
Ein persönliches Jutsu. Ich wusste ungefähr, was das war, ich kannte mehrere Shinobi, die solche Jutsus beherrschten, die sie selbst entwickelt hatten. Aber ein persönliches Jutsu, das auf Vererbung beruhte, das war noch mal etwas anderes, und so, wie Madara es sagte, ahnte ich schon, dass dieses Tsukuyomi etwas ganz Besonderes war.
Dara öffnete eine große Schriftrolle mit einem starken Siegel, schloss mehrere Fingerzeichen und aktivierte seine Kaleidoskop-Sharingan, dann schlug er mit der flachen Hand auf die geöffnete Rolle. Daraufhin entstanden aus der schwarzen Tinte winzige, pechschwarze Flammen. Ich kannte diese Flammen nur aus dem Jutsu-Verzeichnis unseres Clans, dieses Jutsu hieß Amaterasu und galt als eines der stärksten und gefährlichsten Jutsus überhaupt. Dass Dara es so einfach beherrschte, zeigte einmal mehr, wie unglaublich stark er war.
„Das ist Amaterasu, mein eigenes Erbjutsu“, sagte Dara. „Der Unterschied zum Tsukuyomi besteht allerdings darin, dass dieses Jutsu von mehr als nur einer Person angewandt werden kann. Wer über das Kaleidoskop-Sharingan verfügt, kann Amaterasu beherrschen lernen, also irgendwann auch du. Im Unterschied dazu wirst du vielleicht dein Leben lang der einzige Anwender des Tsukuyomi sein.“
„Wie kann mir denn dann jemand beibringen, wie ich das Tsukuyomi richtig anwende?“, fragte ich.
„Genau genommen kann das niemand. Obwohl beispielsweise deine Mutter ebenfalls die Anlagen dazu hat, kann sie es nicht anwenden. Tsukuyomi kommt nicht in jeder Generation vor, es ist, wie du siehst, selbst im Uchiha-Clan äußerst selten. Doch Fukuyas Aufzeichnungen zufolge muss es dir auch niemand beibringen. Wenn du dir Amaterasu genau anschaust, siehst du, dass diese Flammen ein eigenes Leben in sich haben, sie sind wie die Vertrauten Geister. Und so ist Tsukuyomi eine eigene Welt in dir, die du nur kennen lernen musst. Es ist nicht einfach nur ein Jutsu, es wird mit der Zeit immer mehr mit dir verwachsen und greift auch in deine Persönlichkeit und dein Seelenleben ein, es wird irgendwann so sehr eins mit dir sein, dass du es dann völlig intuitiv anwenden kannst.“
Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Dieses Jutsu sollte in meine Persönlichkeit eingreifen? Wie sollte ich das verstehen, war das gut oder schlecht?
Madara bemerkte, dass ich Angst hatte, er hockte sich hin, sah mir ins Gesicht und legte mir seine Hand auf die Schulter. „Du musst keine Angst davor haben, Itachi. Dieses besondere Jutsu ist eine so wunderbare Gabe, und das Beste ist, dass du selbst bestimmen kannst, wie du es nutzen willst. Es ist sehr viel mehr als nur eine Kampftechnik, und je besser und genauer du es kennen lernst, umso mehr Möglichkeiten wirst du damit haben.“
„Ich würde gerne Medizin-Ninja werden, wie Mama“, sagte ich.
„Auch dabei wird Tsukuyomi dir helfen können.“ Madara stand wieder auf, löste Amaterasu auf und rollte die Schriftrolle wieder zusammen. Dann begann er, seine Rüstung abzulegen.
„Wie wär’s, trainieren wir noch ein bisschen?“, fragte er.
Ich nickte.
Und während Madara mit mir dann über zwei Stunden lang Tai- und Nin-Jutsu übte, dachte ich zwischendurch ein bisschen darüber nach, dass ich wirklich gern Medizin-Ninja werden wollte, wie meine Mama. Kämpfen, auf einer Mission oder im Krieg, das wollte ich eigentlich nicht.
Lieber stellte ich mir vor, wie ich gemeinsam mit Mama in ihrer Praxis verletzte Shinobi versorgte. Oder, und das war für mich eigentlich der wichtigste Grund, überhaupt stark zu werden: Hokage werden, und dann mit diesem Amt für Frieden sorgen.
„Dara?“, sprach ich meinen Patenonkel später auf dem Heimweg an, „… sag mal, glaubst du, ich könnte irgendwann … Hokage werden?“
Madara blieb stehen, wandte sich zu mir um, und ich sah diesen Ausdruck in seinen dunklen Augen, ein eigenartiges Leuchten, das so aussah, als freute er sich sehr, dass ich das fragte. So sah er oft aus, wenn jemand das Wort „Hokage“ aussprach.
„Möchtest du das gern?“, fragte er und hockte sich runter, sah mich an.
„Ja.“ Ich nickte.
Madara lächelte strahlend, es schien ihn wirklich sehr zu freuen, und dann sagte er: „Wenn du hart trainierst und deine Fähigkeiten weiter ausbaust, dann kannst du ganz sicher Hokage werden, Itachi. Aus unserer Familie war noch nie jemand Hokage. Ich … muss ja gestehen, ich wäre es selbst gern. Und vielleicht schaffe ich das sogar. Und wenn nicht ich, dann wirst irgendwann du der erste Hokage aus dem Uchiha-Clan sein, da bin ich ganz sicher.“
„Du magst den Hokage der Ersten Generation sehr, oder?“, fragte ich, denn ich wusste, dass Madara die Kopien aller Schriften und Dokumente von Hashirama Senjuu sammelte und den Gründer unseres Dorfes glühend verehrte.
Dara nickte strahlend. „Ich hab ihn noch kennen gelernt, als ich ganz klein war. Er war der großartigste Shinobi, den man sich nur vorstellen kann.“
Er sah mich einen Moment lang an, dann fragte er: „Itachi, kennst du denn schon den Unterschied zwischen einem Ninja und einem Shinobi?“
„Ein Ninja befolgt bedingungslos die Befehle seiner Vorgesetzten. Ein Shinobi dagegen steht für seine Werte und seine Heimat ein!“, zitierte ich den Unterschied nach den Büchern, die ich dazu kannte.
„Und was ist dir wichtiger?“, fragte Madara.
Ich wusste erst nicht, wie ich es sagen sollte. Ninja und Shinobi … irgendwie sollte ich beides sein. Papa vertrat in seiner Arbeit als Anführer der Dorfpolizei von Konoha eher die Werte eines Ninja und versuchte, mir diese beizubringen, aber ich selbst fühlte mich dem Begriff des Shinobi bedeutend näher.
„Ich glaube … ich möchte lieber ein Shinobi sein …“, sagte ich leise.
Madara lächelte wieder. „Deine Mama hat Recht, du kommst wirklich sehr nach ihr.“
„Ist das gut?“
„Das ist sehr gut. Du denkst mit Kopf und Herz zusammen, und das ist wichtig, um ein guter Shinobi zu sein. Natürlich ist dein Papa auch ein guter Shinobi. Aber es kann sein, dass er dich manchmal nicht versteht. Dann ist es gut, dass du deine Mama hast.“
Madara blieb drei Wochen im Dorf, ehe er und Papa wieder an die Front mussten. In dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit mit ihm, er unterstützte mich beim Training und zeigte mir auch einige Bücher und Schriftrollen des Ersten Hokage. Ich hatte das Gefühl, dass es ihn sehr stolz machte, zu sehen, dass ich auch diesen Wunsch hatte, irgendwann Hokage zu werden.
Während dieser Zeit hatte ich immer wieder Momente, in denen diese Kraft in mir, aus der mein Tsukuyomi wachsen sollte, immer ein bisschen stärker wurde. Es fühlte sich nicht wirklich an wie ein Jutsu, sondern ganz anders, fast so wie eine kleine zweite Welt, die in meinem Innenleben wuchs und meinen Geist weiter und stärker machte.
Einmal, ich saß allein in meinem Zimmer und lernte für die Schule, da spürte ich es wieder. Mama war einkaufen gegangen und ich also allein im Haus, und so musste ich es in diesem Moment alleine aushalten. Es fühlte sich ein bisschen einsam an, weil ich wusste, dass ich der Einzige war mit diesem Jutsu, dieser neuen, seltsamen Welt in mir. Und so musste ich ein bisschen weinen, einfach so, weil es so stark war …
Als Mama wieder kam und mich in die Küche rief, hatte ich noch gerötete Augen und sie fragte mich ganz besorgt, ob mit mir alles okay war.
„Alles gut, Mama“, sagte ich und versuchte zu lächeln. „War nur das Tsukuyomi …“
Mama stellte ihren Korb auf den Tisch, dann kniete sie sich zu mir herunter und sah mich aufmerksam an. „Itachi … manchmal frage ich mich, ob das alles nicht zu viel für dich ist …“
Ich dachte daran, wie es mir manchmal ging, wenn ich von Dingen viel zu stark berührt war oder mir manchmal etwas zu viel wurde und ich weinen musste, und dass Papa und Oma Yoneko mich dann nicht verstanden und sagten, dass ich „viel zu sensibel“ sei.
Ich wusste, was dieses „sensibel“ bedeutete, Mama hatte es mir schon oft gesagt und erklärt, dass sie so war und ich auch, weil ich ihr ähnlich war und so weiter …
„Ich krieg das schon hin, Mama“, sagte ich und lächelte, versuchte, es so zu sagen, dass es wie bei Madara klang: „Ich will doch Hokage werden!“
Ich sah, wie Mamas Augen sich mit Tränen füllten, und auf einmal umarmte sie mich ganz fest.
„Mein kleiner Itachi …!“
…
Es war ungefähr ein halbes Jahr danach, dass Papa auf einmal ohne Madara von der Front heim kam. Er erzählte, dass sie nach der Schlacht von Ame Gakure vor zwei Wochen noch zusammen gewesen waren, und dann war Madara ohne ein Wort einfach weggegangen und nicht mehr wieder aufgetaucht. Papa hatte ihn noch weg gehen sehen und gedacht, er käme gleich zurück, doch seitdem hatte niemand mehr etwas von Dara gesehen oder gehört.
Hokage Sarutobi hatte sehr überrascht reagiert, und nun überlegten alle, ob man Madara als „Deserteur“ bezeichnen sollte oder nicht, wobei die meisten, die ihn kannten, sich absolut keinen Reim darauf machen konnten, wie ein so glühender, treuer Konoha-Shinobi wie Madara Uchiha auf die Idee gekommen sein könnte, zu desertieren. Genau so wenig konnte sich jemand vorstellen, dass er gefallen sein könnte, denn er war so immens stark, dass ihn eigentlich niemand unbemerkt hätte besiegen können.
Ich war inzwischen fünf Jahre alt geworden, und ich vermisste Madara sehr. Ich verstand genau so wenig wie alle anderen, warum er einfach verschwunden war. Zwar kannte ich ihn als jemanden mit einer gewissen impulsiven Ader und einer Art von Eigenwilligkeit, aber dass er Konoha Gakure einfach so verließ, konnte ich mir nicht vorstellen.
Das einzige, was ich mir vielleicht denken konnte, war, dass dort an der Front irgendwas passiert war, was ihm ähnlich wichtig gewesen sein könnte wie unser Dorf. Aber was konnte ihm so extrem wichtig gewesen sein? Ich wusste es nicht, aber diese Vorstellung, dass dort draußen in Ame Gakure irgendwas gewesen war, das für ihn Priorität gehabt hatte, war alles, was wir an Ideen über seinen Verbleib hatten.
Tatsächlich kam Hokage Hiruzen Sarutobi eines Tages auf dem Schulhof auf mich zu, sprach mich an und fragte, ob er mit mir über Madara sprechen könnte. Er ging mit mir zur Schaukel am Rand des Schulhofes und ich setzte mich darauf, während Sarutobi vor mir stand und mich fragte: „Itachi, ich weiß, dass Madara dich sehr gern hat und ihr beiden viel Zeit zusammen verbracht habt. Also frage ich mich, hat er jemals dir gegenüber irgendetwas erwähnt, was uns helfen könnte, herauszufinden, warum er gegangen ist und wohin?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein … ich hab keine Ahnung …“
„Denk bitte ganz genau nach. Wenn wir nicht herausfinden, was passiert ist, muss ich Madara als Deserteur eintragen lassen, und das würde ich nur äußerst ungern tun. Wir wissen beide, was für ein stolzer Konoha-Shinobi er ist … oder war … Selbst die Anbu haben keine Spur von ihm, er hat sein Amaterasu und all seine Waffen mitgenommen und ist seitdem wie vom Erdboden verschluckt.“
„Ich weiß es wirklich nicht …“, sagte ich leise und blickte auf meine Beine, die von der Schaukel nicht mal bis zum Boden reichten. „Er wollte doch Hokage werden …“
Sarutobi nahm einen Zug von seiner Pfeife und blies den Rauch ins dicht belaubte Geäst des Baumes, an dem die Schaukel hing. „Das ist wirklich schade. Dann habe ich wohl keine andere Wahl, dann muss ich ihn als Deserteur eintragen lassen. Auch, wenn es mir das Herz zerreißt, denn ich hätte ihn selbst gern als meinen Nachfolger gesehen …“
„Und wenn er … doch einfach in einem Kampf gefallen ist?“, fragte ich, denn die Vorstellung, dass ausgerechnet Madara, der ein solch glühender Verehrer des Ersten Hokage war, „desertiert“ sein sollte, war doch zu unglaublich. Und die Idee, dass irgendwas passiert war, was für ihn wichtiger gewesen sein könnte … wir wussten ja alle nicht, was ihn dazu bewegt haben konnte, zu gehen …
„Es ist zwar schwer vorstellbar, aber genauso möglich.“ Sarutobi zog wieder an seiner Pfeife. „Aber, da hast du Recht, Itachi, es wäre für Madaras Ehre wesentlich erträglicher. Nun gut … dann tragen wir ihn doch als Gefallenen ein. Sollte er irgendwann doch noch wieder auftauchen, wird er uns ja aufklären können darüber, was wirklich passiert ist.“
Der Hokage verabschiedete sich von mir und ich kehrte ins Schulgebäude zurück, wo die nächste Unterrichtsstunde schon begonnen hatte.
Der Krieg war mit der Schlacht von Ame Gakure entschieden worden und nun vorbei, und das bedeutete, dass Papa wieder öfter zu Hause war.
Entsprechend ging nun meine praktische Ausbildung zum Ninja richtig los. Und weil Madara nicht mehr da war, um sie daran zu hindern, fing nun meine Urgroßmutter Yoneko an, mich in ihr spezielles Trainingsprogramm aufzunehmen, bei dem Papa auch mitmachte.
Mama sprach sich mehrmals dagegen aus und achtete darauf, dass Oma Yoneko, die sehr streng sein konnte, mich nicht überforderte, aber ab und zu kam es doch vor, dass es mir einfach zu viel wurde. Es gab deshalb hin und wieder Streit zwischen Mama und ihr.
Yoneko sprach vor mir offen darüber, dass sie die Ehe meiner Eltern ja arrangiert hatte, damit ein so begabtes Kind wie ich dabei herauskam, und das setzte mich doch ganz schön unter Druck.
Ich war nicht nur einfach ein kleiner Junge von gerade mal fünf Jahren, nein, denn das, was Oma Yoneko über mich und vor mir sagte, wenn sie mich in ihr sehr exklusives Teehaus mitnahm, war immer „Itachi, das hochbegabte Wunderkind“ und „Itachi, der Clan-Erbe“ und so weiter …
Ich wusste, dass ich geplant war, dass meine Uroma die Ehe meiner Eltern, die Cousin und Cousine waren, eben genau dafür arrangiert hatte, dass ihre guten Gene mich zu einem solchen Wunderkind machen sollten, wie ich es nun war, und mir war klar, dass Yoneko sich schon ganz genau vorstellte, was ich alles zu erreichen hatte. Diesen hohen Erwartungsdruck, den spürte ich jetzt.
Mama tat alles, um mir zwischendurch so viele Ruhezeiten wie möglich zu schaffen, und war ich zuvor schon ein echtes „Mamakind“ gewesen und hatte mich bei ihr immer wohler gefühlt als bei Papa, wurde sie in dieser Zeit noch mehr zu meinem Ruhepol.
Die hohe Sensibilität, die ich mit ihr gemeinsam hatte und die Papa oft nicht verstehen konnte, band Mama und mich eng zusammen, und je mehr sich meine Fähigkeiten als Shinobi entwickelten und mehrten, umso mehr hing ich an Mama, erst recht, als ich mit sechs Jahren als mit Abstand jüngster Absolvent die Grundausbildung an der Akademie abschloss, Genin wurde, und mein Training damit noch mal intensiviert wurde.
Meine Ruhezeiten bei Mama waren etwas, das unser Verhältnis noch inniger machte, nach jedem harten Training und jedem meiner „Auftritte“ in Omas Teehaus, vor denen ich meistens beinahe Lampenfieber hatte und hinterher ziemlich erschöpft war. Weil Mamas Praxis sich ja bei uns im Haus befand und sie deshalb meistens zu Hause war, empfing sie mich nach den Teehausbesuchen mit einer Kanne Beruhigungstee und oft ließ sie mir dann ein heißes Bad mit duftendem Badesalz ein, kochte uns schönes Essen und umsorgte mich, ließ mich einfach ihr Kind sein.
Meine Eltern waren eigentlich ein gutes Team und ein harmonisches Ehepaar, obwohl sie so verschieden waren, verstanden sie sich meistens gut. Aber damals, als ich sechs Jahre alt war, hörte ich sie manchmal nachts streiten. Und meistens ging es dabei um mich.
„Er ist noch ein Kind, Yoshio! Und auch, wenn er jetzt ein Genin ist: Du kannst ihn nicht wie einen Chuunin von vierzehn oder fünfzehn Jahren behandeln, er ist erst sechs!“
„Itachi ist eine riesige Chance für Konoha! Was meinst du, was er mal alles können wird!“
„Und weißt du, was er noch ist?! Er ist ein Kind, und er ist mein Sohn! Und was bin ich? Ich hab meine Shinobi-Karriere damals an den Nagel gehängt, weil ich einen Sohn habe, der mich braucht! Yoshio, du weißt, ich liebe dich, aber du kannst aus MEINEM Sohn keine Kampfmaschine machen, denn das ist Itachi nun mal einfach nicht!“
„Ikue …“
„Ich werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie du unseren Sohn krank machst, Yoshio! Und jetzt geh bitte, hau ab, ich mag dich gerade nicht mehr sehen.“
Die Tür knallte, Papa lief aus dem Haus und ich hörte Mama in der Küche weinen.
Ich lag oben in meinem Zimmer im Bett und wusste nicht, was tun. Dass Mama so wütend wurde, kam sehr selten vor, sie war sonst ein ruhiger Mensch, und ich fühlte mich schlecht deswegen. Ich war der Grund, warum meine Eltern sich so stritten, und so dachte ich, wie schon öfter mal, an etwas, das ich mir schon lange sehr wünschte: Ich wollte nicht mehr allein sein in meiner Familie. Klar, ich hatte meine Cousins und Cousinen, und dann gab es da ein paar Mädchen und Jungen aus dem Dorf, mit denen ich manchmal zusammen war. Aber mit meinen Eltern war ich immer allein, und deshalb ging es immer um mich.
Was ich mir wünschte, war ein Geschwisterkind. Einen kleinen Bruder oder eine Schwester, jemanden, mit dem ich immer zusammen sein konnte, und durch dessen Existenz der Fokus dann eben nicht immer nur auf mir lag.
Ich mochte es nie, so im Mittelpunkt zu stehen, bei Oma Yoneko im Teehaus nicht, wenn sie mich ihren Freundinnen als „den ganzen Stolz des Uchiha-Clans“ präsentierte, und auch sonst nicht. Ich konnte ja nicht mal einfach im Dorf herumlaufen und spielen, ohne dass von irgendjemandem ein „Da ist ja der Uchiha-Erbe“ oder ähnliche Aufmerksamkeit kam. Es war zwar meistens positiv gemeinte Aufmerksamkeit, doch mir war das immer sehr unangenehm.
Und dann gab es da noch die „Gegenpartei“ zu Uroma Yonekos Teehaus: Koharu Utatane-Hyuuga und deren Anhänger. Soweit ich damals wusste, konnten diese beiden Cliquen einander schon seit ihrer Jugend in der Gründungszeit von Konoha Gakure nicht ausstehen und führten eine Art dorf-internen Krieg gegeneinander.
Und ich, beziehungsweise meine Fähigkeiten und meine Ausbildung, wurden zu einem Teil dieses Kampfes: Yoneko berichtete stolz von jedem Fortschritt, den ich machte, und Koharu schimpfte dagegen an, beschwerte sich laufend, dass es im Uchiha-Clan viel zu viel Talent gab und zu viel Macht ... Als Madara noch da gewesen war, hatte sich Koharus Hass hauptsächlich gegen ihn gerichtet, denn er war Yonekos Liebling gewesen, doch nun regte sie sich über mich auf.
Ich hatte selten persönlich mit ihr zu tun, aber jedes Mal, wenn beispielsweise Papa für mich im Dorfrat eine Ausnahmeregelung durchsetzen wollte, waren es Koharu und ihr Vasall Homura, die dagegen stimmten und stetig behaupteten, dass der Uchiha-Clan viel zu viel zu sagen hatte. Die beiden bildeten außerdem eine lose Allianz mit einem gleichaltrigen Mann namens Danzo, der allerdings oft ziemlich außen vor war, weil er sich auch mit dem Hokage meistens nur stritt.
Mit der Zeit wurde der Umstand, dass ich zu viel Aufmerksamkeit und Auffallen nicht mochte, immer mehr zu einem bewussten Teil von mir. Und ich entdeckte, dass dieser Wesenszug von mir doch ganz gut zum Beruf des Ninja und Shinobi passte: Nicht auffallen, sondern sich verstecken und fast unsichtbar werden.
Ich mochte einfache Kleidung in gedeckten Farben, und ich bemerkte, dass es mir gefiel, schnell und unauffällig zu kämpfen. Zum einen, weil Kämpfen etwas war, was ich immer schnell hinter mich bringen wollte, und zum anderen eben, weil ich nicht auffallen wollte.
Und so fühlte ich mich schon intuitiv mit all jenen Jutsus wohl, die mir ein Agieren im Unsichtbaren und ein indirektes Einwirken auf den Kampf ermöglichten: Genjutsu. Ninjutsu gefielen mir je nach ihrer Art. Und am wenigsten mochte ich Taijutsu, obwohl ich diese ebenfalls gut beherrschte.
Das war auch etwas, was ich über mich herausfand: Ich konnte sehr vieles, es gelang mir einfach, aber ich wollte bestimmte Dinge einfach nicht. Meine Begabungen ermöglichten mir, dass ich fast alles lernte, was es an der Akademie und im Training zu lernen gab, doch wenn ich etwas nicht richtig fand oder es sich für mich nicht gut anfühlte, dann tat ich es entweder sehr ungern, oder manchmal auch einfach gar nicht.
In der Akademie war das Fußballspielen der anderen Jungen so etwas gewesen: Ich hatte es damit versucht, es auch hinbekommen, und dann aber sehr bald gemerkt, dass ich es einfach nicht mochte. Ich war nicht nur immer der Jüngste in der Klasse, ich war auch noch anders als die anderen Jungen. Manche von ihnen nannten mich „Mädchen“, weil ich längeres Haar und zartere Gesichtszüge hatte, und weil ich meistens lieber mit einem Buch auf der Schaukel saß und las, statt eben mit ihnen Fußball oder ähnliches zu spielen.
Und als die Mädchen in der Klasse sich für mich interessierten, weil ich als mit Abstand jüngstes Kind der Klasse ihre Fürsorglichkeit weckte, verstand ich mich mit ihnen deutlich besser. Ich wusste bei Mädchen immer genauer, was sie dachten und wollten, als bei Jungen, auch wenn ich mich selbst eindeutig als Junge identifizierte. Wenn mich jemand fragte, warum ich lieber bei den Mädchen saß als bei den Jungen, sagte ich, dass ich mich wegen meiner engen Bindung zu Mama einfach bei weiblichen Wesen wohl fühlte.
Wenn ich in dieser Zeit aber über meinen Wunsch nach einem Geschwisterkind nachdachte, dann wurde mir immer klarer, dass ich mir am liebsten einen Bruder wünschte, einen Jungen, von dem ich hoffte, dass er, weil er ja mit mir verwandt sein würde, mir vielleicht ähnlicher war als die Jungs in der Schule.
Eigentlich gab es damals nämlich nur einen einzigen Jungen, mit dem ich mich von Anfang an gut verstand, und das war mein Cousin Shisui. Er war zwar ganz anders als ich, lebhafter und lauter, und auch sechs Jahre älter, aber irgendwie fühlte ich mich bei ihm wohl. Vielleicht, weil er der Sohn von Mamas Bruder war, oder einfach, weil er mich nie „Mädchen“ oder dergleichen nannte. Er nahm mich immer ernst, obwohl ich so viel jünger war als er, und mit ihm konnte ich über Bücher reden, weil er selbst gern und viel las.
Für die meisten anderen war ich entweder „der Jüngste“, in der Klasse, im Team, in so ziemlich allem, oder eben „das hochbegabte Wunderkind“. Dass ich mich eigentlich nie wie ein „Kind“ gefühlt hatte, weil ich so früh begonnen hatte, über die großen Dinge in der Welt nachzudenken, und dass ich durch meine Fähigkeiten trotz meiner sehr jungen sechs Jahre meistens schon fühlte und dachte wie ein Erwachsener … bei Shisui konnte ich das zeigen und einfach sein, ohne dafür zu hören zu bekommen, wie „besonders“ ich doch sei. Er behandelte mich einfach … normal.
Shisui war selbst schon ziemlich reif, und auch wenn er längst nicht solche hochpotenzierten Fähigkeiten hatte wie ich, er war ein Uchiha und verstand, was das bedeutete.
Shisui war es dann auch, der mich quasi aufklärte, was Dinge betraf, die so zwischen Männern und Frauen abliefen. Er hatte mit fast dreizehn seine erste feste Freundin, Izumi, die er mir vorstellte und von der ich dann zum ersten Mal hörte, wie das mit den … Bienen und Blumen so funktionierte. Ja, so erklärte sie mir das, und Shisui, der dabei war, sagte dann zu ihr: „Hey, behandele Itachi nicht wie ein kleines Kind! Er ist immerhin Genin! Bienchen und Blümchen, also echt!“
Izumi wurde knallrot und erwiderte: „Wie soll ich das denn sonst sagen? Dass die Erwachsenen diese … Dinge machen, die irgendwie … na ja, komisch sind?“
Woraufhin Shisui ein Buch aus seinem Rucksack holte, auf dem ein rotes Verbotsschildchen klebte und das er einfach vor sich auf den Tisch legte. „Da steht alles drin.“
„Was ist das denn?“, fragte Izumi.
„Hab ich von meinem Paps aus dem Nachttisch geklaut“, sagte Shisui und grinste. „Das ist das hochmysteriöse Flirtparadies, Band 1!“
Was er dann mit gesenkter Stimme aus diesem Buch vorlas, ließ Izumi wiederum erröten. Ich saß einfach da und fragte mich, ob das, was da beschrieben wurde, wirklich so schön und aufregend war, wie es dort stand. Mit meinen sechs Jahren hatte ich noch keine rechte Vorstellung davon, auch wenn ich sonst so viel wusste …
Aber etwas später, ich weiß heute nicht mehr genau, wann, da erfuhr ich dann etwas genauer, worum es dabei ging, bei solcher Liebe …
Ich wachte mitten in der Nacht auf und hörte etwas: Mamas Stimme, aber sie klang ganz anders als sonst. Einen solchen Laut hatte ich noch nie gehört, und zuerst dachte ich, vielleicht weinte sie. Ich setzte mich auf und lauschte. Papas Stimme war auch da, aber nur ganz leise.
Ich stand auf und schlich barfuß bis zu meiner Zimmertür, die ich leise aufschob.
Da, wieder Mama. Aber nicht in der Küche unten, sondern oben, im Schlafzimmer am Ende des Ganges. Und jetzt war deutlich zu hören, dass sie nicht weinte.
Mein Gefühl sagte mir, dass ich ganz leise sein musste, dass sie mich nicht bemerken durften. Und so näherte ich mich, schon intuitiv nach Art eines Ninja, dem Schlafzimmer meiner Eltern. Je näher ich kam, umso klarer wurde mir, dass es Mama gut ging und Papa auch, ich hörte Mama kichern und auch andere Laute sprachen davon, dass meine Eltern da gerade irgendetwas taten, was ihnen hörbare Freude bereitete.
Das Schlafzimmer meiner Eltern lag auf der anderen Seite des Flures und ich wusste, dass eine der Wände von Papas Büro, das sich direkt daneben befand, nur aus einer Holz-und-Reispapier-Wand bestand. Die Tür vom Büro war nicht ganz geschlossen, ich schob sie vorsichtig auf und huschte hinein.
Kaum war ich drinnen, hörte ich Mama im Raum daneben wieder kichern. „Yoshiii … ahh, lass das!“ Und dann: „Wenn du so weiter machst …. hihihihi … dann wecken wir noch Itachi auf …“
„Ich bin schon wach“, dachte ich und kroch unter Papas Schreibtisch, denn dahinter, unten in der Ecke, war das Reispapier etwas lose. Ich feuchtete meinen Finger mit Spucke an und löste das Papier ein wenig von dem hölzernen Rahmen ab, und dann blickte ich durch das entstandene, winzige Fenster:
Viel sah ich nicht, es war ganz dunkel, nicht mal der Mond schien, denn es war Neumond. Aber ich hörte das Rascheln von Bettzeug, Mama kicherte und seufzte genießerisch, und Papa atmete laut. Und irgendwie wusste ich in diesem Moment, dass das, was Shisui mir erzählt hatte und das, was er aus diesem geheimnisvollen Buch vorgelesen hatte, genau das war, was meine Eltern hier gerade taten. Und weil Izumi es so erklärt hatte: „Erwachsene machen das und dann kommen manchmal später Babys zur Welt“, freute ich mich sehr darüber. Denn wenn meine Eltern das auch taten, dann bedeutete das, dass ich möglicherweise ein Geschwisterchen bekommen konnte.
Ich schlich zurück in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und betete zu allen mir bekannten Gottheiten, dass ich mir so, so, so sehr einen kleinen Bruder wünschte. Und ich schwor, schon in dieser Nacht, dass ich der allerbeste große Bruder sein wollte, den man sich nur vorstellen konnte.
Damals war ich sechs. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sich mein Wunsch erfüllte, doch es passierte tatsächlich, ich bekam einen kleinen Bruder.
Ame Gakure, 1986
Der Regen fiel fast lautlos auf die Straße. Es war ein Regen aus winzigen Tropfen, Wasser in der Luft, die stetig diesen Regen in sich hatte. Obwohl es wohl später Nachmittag war, war es fast so dunkel wie in der Nacht. Nur das Licht von ein paar wenigen Laternen warf seinen blauen Schein auf den ehemals recht städtischen, verregneten und nun schwer zerstörten Ort.
Obwohl Ame Gakure seinem Namen - Dorf des Regens - alle Ehre machte und es auf nur wenige Sonnenstunden brachte, konnte man hier eigentlich einigermaßen gut leben. In friedlichen, normalen Zeiten.
Aber es war Krieg. Schon seit fünf Jahren herrschte dieser Krieg in der Shinobi-Welt, der dritte große Krieg seit der Gründung des Dörfer-Machtsystems. Die Großmächte Konoha Gakure, Suna Gakure, Kumo Gakure und Kiri Gakure bekämpften sich um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Vor vier Wochen hatten die Kämpfe der großen Ninja-Armeen dann das kleine, verregnete und recht unbedeutende Ame Gakure erreicht. Für die großen Reiche war Ame nur das graue, dunkle Dorf, das eben in einer unvorteilhaften Lage war, zwischen den mächtigen Ninja-Dörfern. Nach vier sehr langen Wochen, die Ame noch versucht hatte, sich gegen Konoha, Kumo und Kiri zu wehren, war das Dorf geschlagen und nur noch eine Ruinenstadt.
Auf dem von Trümmersteinen übersäten, löchrigen Dorfplatz, inmitten eines Kreises leerer, zerstörter Häuser, hatten sich etwa vierzig Ninjakrieger aus dem siegreichen Konoha-Gakure um ein schwarzes Feuer versammelt, das in einer großen Schriftrolle brannte. Die Schriftrolle gehörte dem Uchiha-Clan und die schwarten Flammen hatten einen Namen: Amaterasu. Es war eine sehr starke Waffe, doch in diesem Moment diente es der Wärme und dem Schärfen und Härten der metallenen Waffen, die darin lagen wie Holzscheite in einem gewöhnlichen Feuer.
Die Ninjakrieger waren müde vom Kämpfen, freuten sich aber auch, denn der Krieg war so gut wie gewonnen. Zwar kämpften vor den eingestürzten Mauern von Ame immer noch Kumo und Kiri gegeneinander, aber Konoha hatte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits gesiegt. Der Krieg war fast vorbei. Nach langen fünf Jahren waren die Machtverhältnisse geklärt.
Zehn der etwa vierzig Konoha-Ninjas standen etwas abseits der anderen, die um das Feuer saßen, in einem Außenbogen nebeneinander. Sie suchten mit ihren Augen wachsam die dunklen Ruinen nach Sprengfallen und feindlichen Ninjas ab. Diese zehn Ninjas hatten alle besondere Suchfähigkeiten: Augen, die durch alles hindurchsehen konnten, ein besonderes Gespür für Chakra oder sie konnten mit ihren scharfen Sinnen Spuren nachverfolgen. Einige von ihnen konnten sogar versiegelte Dinge ausfindig machen.
Die Bewohner von Ame waren längst geflohen, vielleicht bis auf einige wenige, für die Konoha-Ninjas unbedeutende Ausnahmen. Das Dorf schien menschenleer, zumindest von Bewohnern. Die, die geflohen waren, hatten zum Teil auch ihre eigenen Kriegstoten mitgenommen und niemand, keiner von ihnen, leistete mehr Widerstand. Die letzten Bewohner von Ame Gakure waren ein paar Waisenkinder, die vergessen worden waren, die sich versteckten und unter allen möglichen Verletzungen und durch den jahrelangen Dauerregen bedingten Erkältungen litten.
Das bläuliche Licht der Laternen fiel auf einen leuchtend orangen Farbfleck im offenen Türrahmen eines Hauses, das mehr eine Ruine war und früher wohl einmal drei Stockwerke gehabt hatte. Der Farbfleck war das orangene, kurze, stachlig vom Kopf abstehende Haar eines etwa sieben Jahre alten Jungen mit auffallend blasser, ja fast weißer Haut. Er trug eine zerschlissene, graue Regenjacke, eine angerissene Hose und abgenutzte Sandalen. Der schwarze Regenschirm, den er unsicher mit seinem Kinn an seine linke Schulter geklemmt hielt, war ebenfalls angerissen und löchrig und bot kaum Schutz vor dem endlosen Nieselregen.
Der Junge wirkte weit älter als sieben, sein blasses Gesicht mit den weißlosen, lila Augen sah viel älter aus, reifer und hungrig. Es war das Gesicht eines Jungen, der statt zu spielen und zur Schule zu gehen, ohne fremde Hilfe ums Überleben kämpfte und bereits große Verantwortung trug. Nicht nur für sich selbst.
Denn seine Arme stützten, statt des Regenschirmes oder eines Rucksacks, zwei kleine, schneeweiße Beinchen in zerrissenen Socken und alten, etwas zu kleinen, mit winzigen Blümchen bestickten Kleinkinderschuhen. Eine ebenso kleine, schneeweiße Hand tastete unter dem schwarzen Schirm hervor und patschte auf die Wange des Jungen. Der drehte seinen Kopf vorsichtig nach rechts, versuchte dabei, den Schirm festzuhalten und lächelte dem Kleinkind, das er auf dem Rücken trug, ermutigend zu.
„Ha-ha-hatschiii!“ Das kleinere Kind nieste.
Der Schirm verlor durch die ruckartige Kopfbewegung des Kleinkindes den Halt und fiel neben dem Jungen in den Bogen des Türrahmens. Jetzt war auch der Kopf des kleinen Kindes zu sehen. Es war ein Mädchen, etwa zwei oder drei Jahre alt und ebenso blass wie der Junge. sein kleines, weißes Gesicht war recht hübsch, von helllila Locken umrahmt und mit ausdrucksvollen, ockergelben Augen, die jedoch in diesem Moment vom Niesen zugekniffen waren.
Das kleine Mädchen hatte Schnupfen und hätte sich längst mal die Nase putzen müssen, was aber nicht ging, denn weder sie, noch der Junge besaß ein Taschentuch.
„I-ich frier, Nagato!“ Das kleine Mädchen schniefte, „hab Hunger!“ Es beugte sich weit vor, so dass die fast kinnlangen, lila Locken hübsch um ihr weißes Gesicht fielen.
„Ich weiß ja, Konanchen. Aber ich kann nichts machen. Ich hab auch nichts zu essen und kalt ist es hier überall“, erwiderte Nagato traurig.
Die Kleine hörte zwar, was Nagato sagte und sie verstand ihn auch. Aber sie hatte seit über zwei Tagen nichts Rechtes gegessen, fror und hatte Schnupfen. Konan war kein nachgiebiges, einsichtiges Kind. Sie war eigensinnig und wenn etwas nicht so lief, wie sie wollte, konnte sie sehr wütend werden. Jetzt hatte sie allgemein schlechte Laune und fand, dass sie damit vollkommen im Recht war. Das Wetter war wie immer furchtbar, und die fremden Männer auf dem Platz und der Kampflärm vor dem Dorf machten ihr Angst.
Was tut ein Mädchen von zwei Jahren, wenn es schlecht gelaunt ist, Angst hat und friert, außerdem einen riesigen Hunger hat? Wenn sie nicht mehr den Mund halten kann, weil ihr besorgter Beschützer ihr diesen in den letzten Tagen immer wieder zugehalten hatte, damit sie still war und niemand sie beide bemerkte?
„Neeeee! Soll nich mehr regnen! Soll aufhören! Will was essen haben! Ich friert! Konanchen is k-k-kalt!“, schrie sie.
„Konan! Scht, sei bitte leise“, ermahnte Nagato das kleine Mädchen.
„Nein! Will was zum Essen haben! Konanchen hat großen Hu-Hu-Hunger!“ weinte sie und schniefte laut. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die leicht rosa verfärbte Nase, was aber so gut wie nichts brachte.
„Konan, sei bitte still! Sonst bemerken uns die Konoha-Ninjas noch. Das ist gefährlich!“, versuchte Nagato erneut, die Kleine auf seinem Rücken, die die anderen Waisenkinder fälschlicherweise für seine kleine Schwester hielten, zu beruhigen. Sie war nicht mit ihm verwandt, sondern das Kind seiner Nachbarn. Die waren vor einem halben Jahr wie so viele andere einfach spurlos verschwunden und hatten ihre Tochter ohne Erinnerung an ihre Eltern im Haus zurückgelassen. Nagato hatte Konan gefunden, in seinem Zimmer aufgenommen und kümmerte sich seitdem um sie. Seine Eltern waren genau wie ihre längst weg.
Jetzt hatten Nagatos Beruhigungsversuche keinen Erfolg. Konan war sauer. Sie sah nicht ein, warum sie ihrem Unmut über die furchtbare Situation nicht Luft machen sollte und schrie immer lauter.
In der Mitte der Reihe der Konoha-Ninjas, die das Dorf beobachteten, standen zwei der stärksten Ninjas ihres Clans: Madara und Yoshio Uchiha.
Beide hatten endgültig genug von diesem Krieg. Und Madara, der fünfundzwanzig Jahre alt, etwas jünger als Yoshio, war, hatte als einziger das laute Weinen des kleinen Mädchens in der Hausruine registriert. Yoshio hatte Frau und Kind zuhause, er blendete die Kriegskinder aus sehr verständlichen Gründen aus, schließlich konnte sich ein Ninja im Weltkrieg keine Sentimentalitäten erlauben und Yoshio war seine Ninja-Ehre sehr wichtig. Und auch sonst achtete niemand auf den blassen Jungen mit dem kreischenden kleinen Mädchen auf seinem Rücken. Außer Madara.
Und Madara hatte längst begriffen, dass dieser Krieg nichts als Tod und Schmerz brachte. Die Kinder hier in Ame Gakure waren der beste Beweis dafür. Irgendjemand musste irgendwas dagegen tun. Jemand, der der das Schicksal dieser Kinder irgendwie in die Hand nahm.
Madara hatte selbst keine Kinder, nur Yoshios Sohn Itachi, dessen Pate er war. Doch er hatte schon ein paar Mal als Hilfslehrer an der Akademie gearbeitet und liebte es, Kinder um sich zu haben, sie zu unterrichten und in ihren Talenten zu fördern.
In diesem Moment begann es in Madaras Gehirn zu arbeiten. Es dachte nach, entwickelte einen Plan. Madara wusste, dass er derjenige war, der etwas tun musste. Er galt als der talentierteste und stärkste aktive Ninja des Uchiha-Clans, der Familie in Konoha Gakure.
In diesem Clan war so ziemlich jeder irgendwie begabt und die meisten sahen mit ihren dunklen Haaren und schön geschnittenen Gesichtern auch gut aus. Talent und Aussehen vererbten sich im Uchiha-Clan besonders auffällig, genau wie die Blutgruppe AB negativ, die bei ihnen besonders oft vorkam. Diese sonst recht seltene Blutgruppe war in den Genen an das Kekkei Genkai gebunden. Im Uchiha-Clan war es das Sharingan: Die rote Iris mit einem schwarzen, gleichmäßigen Muster um die Pupille herum. Wenn man es aktivierte, verbrauchte es viel Chakra, aber es war sehr stark, eines der stärksten bekannten Kekkei Genkai überhaupt.
Madara hatte seinen Sharingan viele Fähigkeiten angeeignet, sodass seine sonst schwarzen Augen mit den dunklen Wimpern fast immer die rote, schwarz gemusterte Färbung hatten. Es gelang ihm fast immer, genug Chakra aufzubauen. Yoshio, der neben Madara stand, hatte dagegen schwarze Augen. Er aktivierte seine Sharingan nur im Kampf.
Madara war mit Yoshio über die gemeinsame Großmutter Yoneko Uchiha verwandt, ebenso wie Yoshios Frau Ikue. Meist wurde innerhalb des Clans geheiratet, um die Blutlinie zu erhalten und neue, starke Talente hervorzubringen.
Bei Ikues und Yoshios Sohn Itachi war das offensichtlich gelungen, dieser zeigte bereits viele der ersten Anzeichen von ungeheuer vielversprechendem Talent. Das war zu erwarten, denn Ikue hatte viel vom Talent ihrer Großmutter Yoneko geerbt. Yoneko Uchiha, deren Name Freudige Katze bedeutete, war die Matriarchin des Clans, und ihr Talent schien über ihr Tochter Mino und deren Tochter Ikue an Itachi weitervererbt worden zu sein. Der Fünfjährige konnte schon perfekt lesen und schreiben, beherrschte Kunai und Shuriken, hatte sein Chakra bereits voll unter Kontrolle, und zudem zeigte er schon Anzeichen für eins der seltensten und stärksten Jutsus des Clans: Tsukuyomi.
Madara hatte mit fünf Jahren ähnliche Fähigkeiten gehabt. In der Hauptfamilie, die von Yoneko und ihrem Mann Fukuya abstammte, war die Talentdichte an höchsten und brachte Fähigkeiten hervor, die bisher bekannte Ausmaße fast mit Sicherheit überschreiten würden. Niemand konnte genau vorhersagen, welche unglaublichen Fähigkeiten Itachi entwickeln würde, wenn er jetzt mit fünf schon so weit war. Der ganze Clan, sogar das ganze Dorf, beobachtete schon jetzt gespannt und hoffnungsvoll die Entwicklung des Jungen.
Madaras Blick wanderte zu dem Jungen mit den leuchtend orangen Haaren hinüber. Das kleine Mädchen mit den lila Locken schrie noch immer. Es war erkältet, das war ja kein Wunder bei diesem Wetter. Madara fragte sich, ob er so etwas wie ein Taschentuch dabei hatte, und in seinem Kopf ratterten unzählige Gedanken. Er konnte diese Situation nicht auf sich beruhen lassen, er musste irgendetwas tun.
Er hatte Schriftstücke auswendig im Kopf, die er vor seinem inneren Auge lesen konnte und die er immer wieder für seine Entscheidungen heranzog: Schriften des Hokage der Ersten Generation, Hashirama Senjuu, den Gründer des Dorfes, den Madara wie ein Idol glühend verehrte. Madara sah sich selbst als eine Art „Vertretung“ der Ideale des Ersten Hokage für seine eigene Generation. Und diese Ideale beinhalteten, da Hashirama selbst ein enthusiastischer Lehrer gewesen war, der viel Freude an der Förderung der Jugend gehabt hatte, nun eben auch für Madara viele Ideen, die sich um Kinder und deren Förderung und Stärkung drehten.
„Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen und diese Kinder hier ihrem Schicksal überlassen! Der Junge ist noch keine zehn und das Mädchen fast noch ein Baby. Die beiden werden hier nicht überleben, nicht an diesem Ort. Ich muss irgendwas unternehmen.“
Er wandte sich zu Amaterasu um, ging hin und sah nach, ob die Waffen darin schon fertig waren. Nachdem er festgestellt hatte, dass sie Amaterasu nicht mehr brauchten, nahm er die Waffen heraus, die Flammen verschwanden in der Schriftrolle und Madara rollte diese wieder zusammen, nahm sie mit zu dem Punkt, wo Yoshio noch stand.
„Sind wir hier fertig?“, fragte Yoshio.
„Der Kampf ist vorbei“, antwortete Madara.
Konan schniefte. Sie war immer noch hungrig, fror, und das ständige Hochziehen-müssen vom Schnupfen störte sie gewaltig. Es schien ihr völlig unmöglich, auf Nagato oder ihre gemeinsame Sicherheit Rücksicht zu nehmen.
Man hätte vermuten können, dass sie ihre Eltern vermisste. Aber Konan hatte ihre Eltern schon so früh verloren, dass sie sich nicht an sie erinnern konnte. Sie vermisste sie nicht, wusste nicht einmal, dass es für andere Kinder ihres Alters ganz selbstverständlich war, welche zu haben.
„Konan, sei jetzt bitte, bitte still!“ bat Nagato mit einer Mischung aus Sorge und Überforderung. Ihm taten schon die Ohren weh von Konans Geschrei.
Und Konan wurde still. Allerdings nicht, weil Nagato sie so darum gebeten hatte, sondern weil sie auf einmal bemerkte, dass einer der Ninjas sie beide bemerkt hatte und sie seinen Blick spürte. Es war einer derjenigen, die das Dorf beobachteten, ein Mann mit langen, dichten, schwarzen Haaren, einer roten Rüstung und einem großen Fächer mit einer Sensei daran als Waffe. Eben hatte er das schwarze Feuer wieder in eine Schriftrolle zurückgeholt und jetzt stand er da und beobachtete die beiden Kinder.
Den Anblick des schwarzen Feuers waren Konan und Nagato inzwischen gewöhnt, denn in den letzten drei Wochen hatten sie es oft gesehen. Die stärksten Ninjas verwendeten es, um ihre Schwerter darin zu schärfen. Nagato hatte beobachtet, wie der Krieger, der sie jetzt anschaute, dieses Feuer aus er Schriftrolle beschworen hatte. Ein Zweck dieses seltsamen Feuers schien die Herstellung und Härtung von Schwertern, Kunai und Shuriken zu sein, die nach dem Schärfungsprozess eine schwarze, glänzende Farbe annahmen.
Dass Konan auf einmal still war, wunderte Nagato, denn normalerweise brauchte das kleine Mädchen recht lange, um sich nach einem solchen Wutanfall wieder zu beruhigen und meistens fing sie kurz danach wieder an zu schreien. Er folgte dem Blick ihrer erschrocken und erstaunt geweiteten Augen und blickte direkt in die tiefroten Augen dieses Kriegers in glänzender, tiefroter, aus mehreren, aneinandergehängten Platten bestehender Rüstung. Das schwarze Haar des Shinobis war rückenlang und sehr voll und dicht. Nagato hatte noch nie jemanden mit so langem, dichtem Haar gesehen. Aber er sah ihn nicht zum ersten Mal, denn dieser Mann, der am Rande der wachhabenden Ninja stand, war derjenige Shinobi in der Armee, der das Amaterasu-Feuer verwendete und auch der, der es wie einen vertrauten Geist beschwören konnte. Nagato wusste nicht, wie der Mann hieß, aber es war vollkommen klar, dass es sich bei ihm um einen der stärksten Konoha-Ninjas handelte.
Und es war ebenso klar, worauf in diesem Moment der Blick seiner roten Augen lag. Nicht auf dem Haus, in dessen Tür Nagato stand, sondern auf Nagato selbst und auf Konan. Der fast mitleidige Blick des Mannes galt Konans weißem Gesichtchen, das ihn verschnupft und verweint anstarrte.
„Siehst du, Konanchen, jetzt hat er uns bemerkt!“ flüsterte Nagato panisch. Er hatte sich immer verzweifelte Mühe gegeben, den Ninjas nicht aufzufallen. Doch jetzt sah es so aus, als hätte Konans unvernünftiges Geschrei sie beide in Lebensgefahr gebracht.
Ein Blick in die großen, ockergelben Augen des hungrigen, kleinen Mädchens hatte ausgereicht. In diesem Moment brachte dieses Kind das Fass für Madara zum Überlaufen. Der Plan in seinem Kopf nahm mit wahnsinniger, kühner und äußerst wagemutiger Geschwindigkeit feste Formen an. Innerhalb weniger Augenblicke stand es für ihn fest.
Madara Uchiha hatte sich entschieden. Es gab keinen anderen Weg, auch wenn dieser Weg ein aufgebender, schwieriger Weg war. Er musste es tun. Er musste sich dieser beiden Kinder annehmen, sie retten, mitnehmen, in Sicherheit bringen.
Mit ins Dorf nehmen konnte er sie jedoch nicht. Konoha hatte gesiegt und sollte Madara mit zwei Kindern aus Ame Gakure ins Dorf kommen, würden die Anbu die beiden wie Kriegsgefangene behandeln, verhören und dann ins Heim stecken. Menschen wie Homura oder Danzo würden es nicht zulassen, dass zwei Waisenkinder aus Ame in Konoha ausgebildet wurden.
Madara brauchte eine andere Idee, und die nahm in seinem Kopf schon Gestalt an. Er galt zu Recht als begeisterungsfähig, impulsiv und manchmal einzelgängerisch, wenn es um seine Ideale ging, und diese Zusammensetzung seines Wesens zeichnete in diesem Moment seinen Weg vor.
Eigentlich hatte er Hokage werden wollen. Eigentlich hatte er sogar schon mit Sarutobi, dem Hokage der dritten Generation, Absprachen getroffen, das umzusetzen. Eigentlich war Konoha Gakure der einzige Ort, an dem er leben wollte. Und er hätte auch gern zugesehen, wie sein Patensohn Itachi seine großen Talente entfaltete.
Aber er wurde nicht unbedingt gebraucht in Konoha. Es gab im Dorf genug andere starke Kämpfer und auch Menschen, die Hashirama Senjuus Ideale hoch hielten.
Gebraucht wurde er hier. Diese beiden blassen, frierenden Kinder brauchten Hilfe. Und Madara spürte eine seltsame Vertrautheit zu den beiden. Er würde hier und jetzt nicht noch einmal wegsehen und zulassen, dass Kinder litten. Er würde ihnen helfen. Und zwar jetzt und sofort. Bevor er sich zu einem schnellen und möglichst undefinierten Abschied zu Yoshio umwandte, atmete er noch einmal tief durch.
„Yoshio, ich hab da drüben etwas entdeckt. Das haben die aber gut versteckt. Ich geh mal eben da rüber und überprüfe das.“ Es waren keine wirklichen Abschiedsworte. Yoshio sollte schließlich nicht merken, dass Madara nur ein paar Schritte vor der Desertation stand. Ein paar Schritte zwischen dem Punkt, wo er stand, und dem zerstörten Haus, in dessen Tür die Kinder standen.
„In Ordnung. Wenn es Sprengfallen sind, entschärfst du sie. Das dürfte doch kein Problem für dich sein, Madara“, erwiderte Yoshio.
Dann drehte Madara sich um und ging zu dem halbzerstörten Haus hinüber. Er achtete sorgfältig darauf, unauffällig zwischen Yoshios Blickfeld und den Kindern zu gehen, damit Yoshio die beiden nicht als sein wahres Ziel erkannte.
In seiner Gürteltasche suchte Madara schon nach dem Tuch, das er immer dann benutzte, wenn seine Augen nach der häufigen Benutzung der Sharingan tränten.
Am Rand des Lagers stand noch Madaras Armeerucksack. Es fiel wohl nicht auf, wenn er seine Ausrüstung zu einer vermeintlichen Bombenentschärfung mitnahm. Er griff den Rucksack, schulterte den Kampffächer Gunbai und schritt mit dem Tuch in der linken Hand auf die verängstigt erstarrten Kinder zu.
Als der rotäugige Ninja auf sie zukam, tat Konan ihr wütendes Geschrei leid. Sie merkte jetzt doch, dass sie Nagato und sich selbst in Gefahr gebracht hatte. Aber jetzt war es zu spät. Der Mann mit dem dichten, langen, schwarzen Haar kam zielstrebig auf sie zu. Konan war viel zu erschrocken, um zu schreien oder etwas zu sagen. Und auch Nagato schien wie am Boden festgewachsen zu sein. An Flucht war gar nicht zu denken.
„Ich lass nicht zu, dass jemand Konan etwas tut!“, dachte Nagato nur, „ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“
Der Ninja blieb genau einen Schritt vor Nagato und Konan stehen. Erst blickte er sie nur an, dann lächelte er.
„Habt keine Angst. Ich will euch nichts tun“, sagte er und streckte seine linke Hand aus, „Hier, kleines Mädchen, das ist für dich. Du siehst ganz verschnupft aus.“
Konan starrte ihn nur stumm an. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte: Ein feindlicher Ninjakrieger lächelte sie an und bot ihr sein Taschentuch an.
„Ich tu euch nichts“, wiederholte der Ninja. „Ihr könnt mir vertrauen. Und du, Kleine, du siehst doch mit sauberer Nase viel hübscher aus.“
Endlich fand Nagato seine Sprach wieder.
„Was wollen Sie?“ fragte er misstrauisch.
Der Ninja sah sich kurz um, zu einem anderen Kämpfer, der, neben dem er zuvor gestanden hatte. Er hob die Hand, winkte diesem zu und rief: „Alles klar, ich habs gefunden.“ Der andere Kämpfer hob ebenso die Hand und nickte.
„Alles klar, ich habs gefunden“, dachte Madara seine Abschiedsworte noch einmal. Für Yoshio bedeuteten sie in diesem Moment nur, dass er seine Arbeit machte, doch Madara selbst fühlte dabei ein „Ich habe gefunden, was ich tun kann, um das hier zu beenden.“
„Komm“, wandte er sich leise an die beiden Kinder. „Gehen wir hier ins Haus, ihr müsst von dem Platz hier weg.“
Der Junge mit den orangenen Haaren sah ihn skeptisch an, folgte aber der Anweisung.
„Ihr könnt nicht hier bleiben. Das ist viel zu gefährlich und wenn ihr weiter in diesem endlosen Regen lebt, bekommt ihr noch beide eine Lungenentzündung. Außerdem habt ihr doch kaum noch was zum Essen, hab ich Recht?“, sagte Madara, als Yoshio sie nicht mehr sehen konnte.
„Sie wollen uns … helfen?“ fragte Nagato. Er konnte es nicht glauben. Ein feindlicher Ninja aus Konoha Gakure bot ihm und Konan seine Hilfe an?! War das eine Falle?
Der Ninja lächelte wieder. Er hielt Konan das Tuch direkt vor die Nase. Konan sah direkt in seine Augen. Sie wirkten schon etwas unheimlich mit dem seltsamen, schwarzen Muster, aber sie lächelten. Und Konan, das kleine Mädchen von zwei Jahren, war schon überzeugt. Sie griff nach dem weißen Tuch.
„Danke chön.“ flüsterte sie und wischte mit dem Tuch über ihre Augen. Es war so schön weiß, mit einem aufgestickten, rotweißen Blattfächer in einer Ecke. Zum Naseputzen nahm Konan lieber den Ärmel ihres ohnehin schon schmutzigen Kleidchens.
„So, und jetzt müsst ihr hier weg. Nehmt eure Sachen und dann bring ich euch an einen sicheren Ort.“ sagte der Ninja.
„Wissen Sie denn einen?“ wollte Nagato wissen. Er traute dem Fremden noch immer nicht ganz.
„Ja, ich weiß einen Ort. Aber wir müssen schnell weggehen.“ Der Ninja sah sich kurz in der Hausruine um. Auf dem kalten Boden, unter den Resten einer Treppe, dem einzigen Platz im zerstörten Haus, wo es nicht reinregnete, lagen der Futon, den Nagato sich mit Konan teilte und zwei mittelgroße Taschen, die den gesamten Besitz der beiden enthielten.
„Sie haben uns noch nicht mal gesagt, wie Sie heißen“, sagte Nagato, während er Konan auf dem Boden absetzte, um die Taschen und den Futon zu verpacken.
„Mein Name ist Madara Uchiha“, antwortete der Ninjakrieger. „Ihr zwei könnt gern Du zu mir sagen.“
„Hm… du heißt Dara?“ fragte Konan, du inzwischen auf dem Boden saß, und schaute zu Madara auf. Der musste lächeln.
„Ma-da-ra, Konanchen, nicht Dara.“ berichtigte Nagato das kleine Mädchen.
Madara lächelte wieder. „Das ist schon in Ordnung. Dara nennen mich viele.“
„Und du, wie heißt du?“, fragte er dann.
„Ich bin Nagato, und sie heißt Konan.“
Madara half Nagato, den Futon zu verpacken. Jetzt musste alles möglichst schnell gehen. Das Haus hatte einen hinteren Ausgang und von da führte ein Weg durch mehrere Hinterhöfe. Jetzt kam es darauf an, dass niemand sie bemerkte.
Nagato hatte sich die beiden schweren Taschen umgehängt und trug dazu noch den Regenschirm. Wenn er jetzt noch Konan auf seinen Rücken nahm, würde das vielleicht zu schwer für ihn werden.
„Da tu ich aber nich mehr zwischenpassen“, bemerkte Konan wahrheitsgemäß und zeigte auf Nagatos Rücken und die schweren Taschen. Sie hatte sich schnell mit dem Gedanken angefreundet, von hier wegzukommen. Vielleicht schien ja da, wo Madara mit ihr und Nagato hinwollte, die Sonne? Sie hatte in ihrem Leben bisher kaum Sonnenschein erlebt, nur ein paar Mal, und das hatte ihr gefallen. Den ganzen Tag Sonne, das musste herrlich sein!
„Das stimmt. Das wäre wirklich zu schwer. Du kannst ja kaum die beiden Taschen tragen“, sagte Madara und befestigte den Futon an seinem Armeerucksack.
„Du kannst mich doch tragen, Dara.“ Konans Augen leuchten bei dem Gedanken, auf Madaras Schultern sitzen zu dürfen und dieses lange, dichte Haar fühlen zu dürfen.
Madara lächelte, schob sein Haar beiseite, hob Konan vorsichtig hoch und setzte sie auf seine Schultern. Er spürte die Verantwortung, die er jetzt mit dem kleinen Mädchen trug und war sich jetzt ganz sicher, das richtige zu tun und sich richtig entschieden zu haben.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Von diesem Moment an war er, Madara Uchiha, aus Konohas Sicht abtrünnig und trug die ganze Verantwortung für die Kinder. Vielleicht hatte er überstützt gehandelt, nicht genug darüber nachgedacht.
Nein, denn er hatte ja schon lange vorher genug vom Kämpfen in diesem Krieg gehabt. Spätestens, als Kumo Gakure einen Bijuu-Geist, die Zweischwänzige Katze, in den Kampf geschickt hatte, war Madara der Krieg endgültig zuwider gewesen. Denn die Zweischwänzige Katze, Nibi genannt, war in einem Menschen versiegelt, der damit zur Jinchu-Kraft gemacht worden war, und diesen Menschen hatte Kumo gezwungen, sich unter größtem eigenen Risiko und Schmerzen immer wieder in Nibi zu verwandeln. Madara hatte alles nach Informationen abgesucht, die helfen könnten, dieses Geschehen zu verhindern und war fündig geworden. An der Idee, die er mithilfe dieser Informationen bekommen hatte, musste er allerdings noch arbeiten. Vielleicht, so hoffte Madara, ließ sich mit dieser Idee die Welt verbessern. Einen kurzen Moment dachte er an seinen jüngeren Halbbruder Izuna, der Konoha vor Jahren im Alter von fünfzehn verlassen hatte und der seitdem irgendwo war, wo ihn bisher niemand gefunden hatte.
„Das ist auch für dich, Izuna. Die Welt muss ein Stück besser werden“, dachte Madara.
Nagato kletterte hinter Madara über Trümmer und Gräben, die sich durch ganz Ame zogen. Die Trageriemen der beiden vollgepackten Taschen schmerzten auf seinen Schultern. Aber sowas machte Nagato schon lange nichts mehr aus. Er wusste zwar, dass er sieben Jahre alt war, aber der Krieg hatte seine Spuren in Nagatos Seele und auf Gesicht und Körper hinterlassen. Seine Züge waren ernst, sein Körper sehnig und ausgehungert, seine Seele hatte die Farbe einer fast sternlosen Nacht. Die Sterne hießen alle Konan.
Er hob den Kopf und warf einen Blick auf Konan, die noch immer auf Madaras Schultern saß und sich müde in dessen dichtes, volles Haar kuschelte, das wie ein langes Fell um sie herumwehte.
Nagato war immer noch misstrauisch, aber solange Madara gut zu Konan war, würde er dem Ninja keine Widerworte geben.
„Wenn Madara sich mein Vertrauen verdient hat“, dachte Nagato, „... dann werde ich ihn vielleicht bitten, mir etwas beizubringen. Dann werde ich auch ein Ninja. Möglicherweise habe ich ja Talent.“
Meine Mama hatte eine beste Freundin: Kushina Uzumaki. Mit ihr war sie bereits seit ihrer beider Schulzeit befreundet, die beiden hatten die Ausbildung zusammen gemacht, Mama als Medizinerin und Kushina als Kämpferin, und beide hatten in einem Team mit einem anderen Mädchen namens Maiya Hatake, die eine entfernte Verwandte von Kakashi Hatake war, gearbeitet. Kushina war entfernt mit der Senjuu-Familie verwandt und war eine Mittelstreckenkämpferin, und ich wusste, dass ihre Teamarbeit daraus bestanden hatte, dass Mama ihr im Kampf meist dann aus der hinteren Reihe den Rücken frei gehalten hatte.
Manchmal trafen die beiden sich noch zum Training, aber eher selten, weil Mama sich eben gegen den Kampf entschieden hatte, als ich unterwegs gewesen war.
Kushina war eine lebhafte, strahlende, unübersehbare Erscheinung mit ihren langen, leuchtend roten Haaren, ihrer lauten, hellen Stimme und ihrem überschwappenden Temperament. Mama war ganz anders, ruhiger und weniger lebhaft, aber dennoch war ihre Freundschaft harmonisch, und ich freute mich immer, wenn Kushina uns besuchte. Sie hatte einfach diese mitreißende Fröhlichkeit, mit der sie sogar ein so stilles Kind, wie ich es war, aus dem Schneckenhaus locken und zu ausgelassenen Spielen ermutigen konnte.
Oft, wenn Kushina uns besuchte, brachte sie jemanden mit, einen Mann, den ich auch kannte: Minato Namikaze. Minato war etwas älter, und auch ruhiger und gelassener als die sprudelnde, laute Kushina, aber die beiden wirkten trotzdem wie ein sehr harmonisches Paar. Ich musste oft an einen leuchtenden Regenbogen denken, weil Kushinas rotes und Minatos blondes Haar und ihrer beider blaue Augen im Vergleich zu den eher gedeckten Farben meiner Eltern so lebendig und bunt aussahen.
Ob ich mich damals schon fragte, wie ein Kind der beiden wohl aussehen und sein würde, weiß ich heute nicht mehr. Aber rückblickend ist Naruto, obwohl er seine Eltern ja nie kennen gelernt hat, so sehr Minatos und Kushinas Sohn, besonders seiner Mama ist er in seinem Wesen so ähnlich!
Im Unterschied zu meiner Mama, die seit meiner Geburt nicht mehr aktiv als Shinobi arbeitete, war Kushina noch im aktiven Dienst.
Und Minato, der sich im Krieg als „Konohas gelber Blitz“ einen Namen gemacht hatte, weil er wirklich unglaublich schnell war, arbeitete zu dieser Zeit schon daran, Hokage zu werden. Als er mitbekam, dass ich später auch gern Hokage werden wollte, sprach er mich darauf an, und in diesem Gespräch erfuhr ich dann, dass Minato auch von Madaras Hokage-Wunsch wusste.
„… Er kommt aber wohl nicht mehr wieder …“, sagte er dann.
Der Gedanke, dass Madara fort war, machte mich immer noch traurig, und ich blickte zu Boden.
Minato hockte sich vor mich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. „Vermisst du Madara?“
Ich nickte nur.
„Es ist seltsam, wenn so jemand wie er einfach verschwindet. Aber … ich muss gestehen, dass es so für mich natürlich einfacher ist … Ich meine, Hokage zu werden. Ich hätte ungern einen Konkurrenzkampf gegen Madara geführt …“
„M-hm …“, machte ich leise. Ja, für Minato war es so sicher einfacher. Er war wirklich richtig, richtig gut, und ich konnte ihn mir auch gut als Hokage vorstellen. Ein Konkurrenzkampf zwischen ihm und Madara um das Amt des Hokage hätte unangenehm werden können, und so war ich da fast ein bisschen froh, dass Dara nicht mehr hier war.
Manchmal fragte ich mich, was Madara wohl gerade machte und ob es ihm wohl gut ging. Auch wenn er nun offiziell als gefallen und tot galt, so richtig glauben konnte ich das nicht. Allein deshalb schon, weil er so enorm stark war. Ich hatte, ohne es erklären zu können, so ein ganz bestimmtes Gefühl, dass er noch am Leben war …
Er war noch irgendwo da draußen, tat irgendwas, was ihm wichtig gewesen sein musste, aber was genau, auf diese Frage hatte niemand in Konoha Gakure eine Antwort.
Ungefähr ein Jahr ging das so, ich ging zum Training mit Papa, begleitete Yoneko ins Teehaus, und zwischendrin half ich Mama in der Praxis mit kleinen Tätigkeiten aus.
Damals hatte ich eine gewisse Scheu vor Spinnen, Spritzen und Hohlnadeln, die mir diese Aufgaben etwas erschwerten, fast so etwas wie eine Phobie. Mama vermutete, dass sich darin meine seelische Überforderung ausdrückte und versuchte, zwischen mir und Yoneko einen Abstand herzustellen. Da sich das als schwierig erwies, passte Mama dann in den Zeiten, in denen ich mit ihr alleine war, umso mehr auf, dass ich mich ausruhen und erholen konnte.
Ich war immer noch dasselbe „Mamakind“, und je stärker ich wurde und je mehr damit auch zum Ninja, umso mehr brauchte ich zum Ausgleich die Nähe zu Mama, das normale, ruhige und vor allem kampffreie Dasein bei ihr. Wenn ich Mama bei der Arbeit im Haus oder in der Praxis zusah, stellte ich mir manchmal vor, dass ich genau so wurde wie sie, und diese Vorstellung gefiel mir sehr.
Im Sommer 1988 war es dann so weit, dass Yoneko und Papa öfter darüber sprachen, dass meine Sharingan „immer noch nicht“ erwacht waren und es dafür nun Zeit wurde.
Es war Mitte August, ich war gerade sieben Jahre alt geworden und damit eigentlich, gemessen an anderen Kindern meines Alters, noch viel zu jung dafür. Aber ich war meinen Altersgenossen schon so weit voraus, dass fast niemand mehr danach fragte, wie jung ich war. Es gab inzwischen eine ganze Menge ‚Sonderregeln‘ für mich, die auch den Kinderschutz in Bezug auf Training und Jutsus in meinem Fall teilweise außer Kraft setzten, sodass ich nun wirklich kaum mehr das Gefühl hatte, ein Kind zu sein. Ich war immer noch Genin, trainierte und arbeitete aber längst wie ein Chuunin, und meine Gedankenwelt hatte kaum noch etwas gemeinsam mit einem Kind.
Das Tsukuyomi war inzwischen ein fester, nicht wegdenkbarer Teil meines Wesens geworden, und ich hatte gelernt, es in mir zu öffnen und hinein zu gehen. Es war wie ein großer Raum in meiner Innenwelt, den ich nicht nur im Training, sondern auch im alltäglichen Leben benutzte, um mich zurück zu ziehen. Dort drinnen war ich allein, hatte meine Ruhe und konnte mich vom Training und von den Missionen, auf die ich inzwischen mitgenommen wurde, erholen.
Ich war inzwischen öfter mit anderen Ninjas unterwegs, in wechselnden Teams mit anderen Ge- und Chuunin, auf Missionen, bei denen ich dem jeweiligen Team meist als Stratege diente. Manchmal musste ich auch mitkämpfen, wobei ich als Langstrecken-Distanzkämpfer meistens Feuerversteck-Ninjutsu und natürlich Genjutsu benutzte. Taijutsu blieben das, was ich am wenigsten mochte, und weil ich aufgrund meines jungen Alters ja kleiner war als meine Teamkameraden, schützten diese mich auch davor, in der ersten Reihe kämpfen zu müssen.
Da meine Sharingan noch nicht erwacht waren, konnte ich, obwohl ich Genjutsu inzwischen intuitiv beherrschte, diese noch nicht in dem Maße anwenden, wie es sein sollte, und so beschloss Papa, dass es nun Zeit wurde, sie zu wecken, damit ich meine Fähigkeiten weiter potenzieren konnte.
Am Abend vorher hatten er und Mama wieder Streit, ich hörte es von meinem Zimmer aus. Mama war nicht dagegen, dass ich meine Sharingan erweckte, aber die Umstände und die Art, wie man für gewöhnlich bei jemandem die Sharingan aktivierte, beunruhigten sie.
„Natürlich braucht Itachi die Sharingan, das weiß ich! Aber wenn du ihn im Training so hart ran nimmst, dass er sie aus Not aktiviert, dann geht in ihm vielleicht was kaputt! Yoshio, unser Sohn ist kein Kämpfertyp, und das weißt du auch!“
„Du packst ihn viel zu sehr in Watte, Ikue!“
„In Watte packen? Falls du es mal wieder vergessen hast, Itachi ist hochsensibel, das ist seine Natur! Du kannst aus ihm nicht auf Biegen und Brechen einen Ninja machen!“
„Aber wir leben nun mal in einer Welt, in der man kämpfen muss! Und besser, er lernt das! Mediziner kann er immer noch werden, aber er hat auch eine Aufgabe für Konoha, und ich werde ihm beibringen, wie er sie erfüllen kann.“
Einen Moment herrschte Stille, dann hörte ich Mama antworten, ihre Stimme klang nach Weinen: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken, oder?!“
Wieder Stille. Dann hörte ich Schritte, die Küchentür wurde mit einem Ruck zugezogen, Mama kam die Treppe rauf. Ich hörte, dass sie weinte, und wagte doch nicht, aufzustehen und zu ihr zu gehen.
Am nächsten Morgen kam Papa in mein Zimmer. Ich saß an meinem Schreibtisch und lernte mit einem Buch über Feuerversteck-Jutsu, und als er die Tür öffnete, drehte ich mich zu ihm um.
„Komm, zieh dir Trainingssachen an, pack deine Waffen zusammen, wir gehen zwei Tage auf Trainingsreise“, sagte er.
Ich dachte an Mama, daran, was ich gestern gehört hatte, und fragte: „Wohin?“
„In den Wald, in Richtung der Berge“, antwortete Papa. „Mama weiß Bescheid, sie hat sich wieder beruhigt.“
Ich stand auf, ging an Papa vorbei die Treppe hinunter in die Küche. Mama saß am Küchentisch und las etwas. Als ich hereinkam, sah sie auf.
„Geh mit deinem Vater mit, Itachi. Und wenn ihr wieder zurück seid, mache ich einen schönen Ausflug mit dir, okay?“, sagte sie.
Ich ging zu ihr hin und sie umarmte mich, strich mir durchs Haar und drückte einen Kuss auf meine Stirn.
„Mama, geht’s dir gut?“, fragte ich.
„Ja, Spatz, es ist alles gut.“ Mama lächelte. „Pass schön auf dich auf, ja?“
Und so packte ich alles Notwendige zusammen, und Papa und ich verließen das Dorf durch das große Haupttor. Der Wächter am Tor begrüßte uns und fragte, wohin wir wollten, und Papa antwortete: „Wir gehen in die Berge zum Training.“
„Viel Erfolg!“, erwiderte der Wächter. „Gebt alles!“
Wir nahmen zuerst die Straße, die rund um das Dorf führte, und am Felsmassiv mit den Hokage-Gesichtern bogen wir in den Wald ab, nahmen den Weg durch die Baumkronen.
Papa voraus, ich hinterher, und während der Wind durch mein Haar fuhr und ich von einem Ast zum nächsten sprang, dachte ich an Mama und hoffte, dass sie sich nicht zu große Sorgen um mich machte. Und wieder kam ich mit den Gedanken darauf, dass ich mir einen kleinen Bruder wünschte, damit ich nicht mehr so allein war.
Nach etwa eineinhalb Stunden kamen wir an ein kleines Gasthaus, in dem wir uns ein Zimmer mieteten. Es gab auch etwas zu essen, Papa aß Reisbällchen und ich ein paar süße Dango mit Sauce.
Nach dem Essen gingen wir wieder ein Stück in den Wald hinein, zu einer Lichtung, die Papa schon kannte. Wir hatten das Reisegepäck im Gasthaus gelassen und nur Waffen mit zu dieser Lichtung genommen, mehrere Kunai, viele Shuriken und zwei Paar Tonfa, und Papa hatte sein Schwert dabei. Aus einer langen, schmalen Tasche an seinem Gürtel zog Papa außerdem ein gerades Kurzschwert, und ich erkannte meinen Namen auf dem Griff.
„Du bist jetzt alt genug für ein kleines Schwert, mein Sohn“, sagte er und reichte es mir.
Ich nahm es mit beiden Händen an. Auf dem Griff war neben meinem Namen auch unser Familienwappen, der rot-weiße Blattfächer, eingraviert, und als ich das Schwert aus der Ummantelung zog, sah ich, dass die Klinge zwar ganz gerade war, aber dennoch das typische Wellenmuster eines edlen Katana-Schwertes hatte.
„Vielen Dank, Papa“, sagte ich und verbeugte mich leicht.
„Fangen wir an!“, gab Papa das Signal, dass ich mein neues Schwert gleich ausprobieren sollte. Er ging in Kampfhaltung, ich ebenso, und im nächsten Moment hatte er seine Sharingan aktiviert und lief auf mich zu.
Ich sprang rückwärts zurück und entschloss mich binnen Millisekunden für das Jutsu der Phönixblume, das ich von allen Feuerversteck-Jutsus am liebsten benutzte. Papa wich den Flammen aus, kaum dass ich sie erschaffen hatte, er hatte das Jutsu längst mit seinen Sharingan vorausgesehen. Ich warf ein Shuriken, auch dem wich er schon im Voraus aus, und als ich versuchte, ihm näher zu kommen, um mein neues Schwert einzusetzen, verschwand er im dicht belaubten Geäst eines Baumes.
Noch war dieses Training genau so, wie wir es schon immer machten, doch ich wusste, das würde nicht so bleiben. Papa wollte, dass meine Sharingan erwachten, und das bedeutete, dass er mich, jetzt oder später, ernsthafter angreifen würde. Einen Moment lang dachte ich an Mama, daran, dass ich sehr froh war, dass es nicht ihre Aufgabe war, mich zu trainieren, sondern Papas. Bei Mama würde ich mich später erholen können.
Zu lange durfte ich dem Gedanken an Zuhause nicht nachgehen, ich musste mich konzentrieren. Ich lauschte auf das Rauschen der Blätter, auf den Wind und jedes Geräusch in meiner Umgebung, wachsam und immer mit der Frage, wo und wann Papa wieder auftauchen und mich angreifen würde. Ich wusste, dass er mich beobachtete und auf einen Schwachpunkt meinerseits wartete.
Meine Hände warteten aufmerksam auf einen Befehl meines Geistes: Shuriken greifen? Fingerzeichen schließen? Und meine Beine waren bereit zum Sprung.
Einen Moment später hörte ich ein ganz leichtes Rascheln über mir, ich sah blitzartig nach oben und sprang gleichzeitig zurück, und eine Sekunde später steckten drei Kunai an dem Punkt, wo ich eben noch gestanden hatte. Ich hatte Papa nicht gesehen, nur gehört, und nach dem Angriff war er wieder verschwunden, nicht auszumachen. Wieder raschelte es irgendwo, und ich sprang zurück, noch einmal und noch einmal, und zum ersten Mal dachte ich: „Gleich bräuchte ich Sharingan. Ich weiß nicht, wo ist er, wann greift er wieder an?“
Ein Gedanke zu viel, zu lang, auf einmal stand er hinter mir und ich spürte ein Kunai unten an meinem Hals, bei meiner Schulter.
Ich spürte mein Herz klopfen, das Adrenalin rauschte durch meinen Körper.
„Was machst du jetzt?“, fragte Papa hinter mir.
Und auf einmal sah ich Mama vor mir stehen. Es konnte nicht sein, es war ein Genjutsu, Mama war zu Hause und wartete auf mich. Und als auch Shisui vor mir auftauchte, wusste ich, was Papa vorhatte.
Papas Schattendoppelgänger griff Shisui an. Mama war wieder verschwunden, ihre Erscheinung sollte mich nur ablenken, und so sah ich zu, wie Shisui vor Papa zurückwich. Shisui war zwar schon dreizehn, aber er sah nicht fit aus, und obwohl ich wusste, dass es ein Genjutsu war, bekam ich Angst um ihn, so direkt und deutlich, wie Papa ihn immer wieder angriff.
Und während Papas Doppelgänger gegen Shisui kämpfte, verwickelte Papa mich wieder selbst in einem Kampf. Oder war es anders herum? Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass Shisui doch wirklich hier war, und dann kam er auf mich zu, griff mich auf einmal an!
Im nächsten Augenblick sah ich mich zwei Gegnern gegenüber, Papa und Shisui! Ich wich zurück, warf zwei Shuriken, Papa kam immer näher, ich sah seine Sharingan und schleuderte ihm noch eine Phönixblume entgegen, doch als ich noch einen Sprung rückwärts machte, prallte ich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
Shisui war schneller als Papa und warf ein Shuriken, dem ich nur geradeso ausweichen konnte, und ich spürte, wie in meiner Innenwelt das Tsukuyomi erwachte und seine Tür öffnete. Ein Teil von mir wollte darin versinken, da hinein fliehen, ein anderer Teil fand einen Punkt darin, wie einen Schalter, an den ich bisher nicht heran gekommen war. War das der Punkt, an dem ich meine Sharingan erwecken sollte?
Eine Sekunde später musste ich wieder ins Außen zurück, denn Papa kam mit gezogenem Schwert auf mich zu, neben ihm Shisui, von dem ich nun wirklich nicht mehr wusste, ob er echt hier war oder nicht, mit je einem Kunai in jeder Hand. Und hinter mir, ich wusste nicht, ob durch den Baumstamm hindurch oder über mir mit Chakra am Stamm stehend, spürte ich zwei Doppelgänger von Papa, keine Schattendoppelgänger, sondern wohl welche aus festem Material, ein Tausch- und Verwandlungsjutsu auf hohem Niveau …!
Ich blickte schnell hinter mich, nur eine Millisekunde zu lange, die Shisui nutzte, um mich anzugreifen, die beiden Kunai landeten links und rechts neben meinem Kopf und mit einem dritten Kunai griff er meinen Kopf direkt an.
„Er ist nicht echt“, versuchte ich mir innerlich zu sagen, aber das Genjutsu und Papas Doppelgänger hinter mir waren so stark, und dann kam Papa von oben, während Shisui mit dem Kunai meine Aufmerksamkeit beanspruchte, einen ganz kurzen und zugleich ewig lang scheinenden Augenblick sah ich alles wie in Zeitlupe und wusste, ich konnte jetzt nicht einfach so ausweichen, ich saß in der Falle!
Intuitiv schloss ich die Augen, spürte eine gewaltige Welle aus Adrenalin und Chakra in mir, und wusste, wenn das hier so weiter ging, würden gleich meine Sharingan erwachen, ich spürte schon ein Kribbeln hinter meinen Augen.
Es war seltsam, wie schaffte Papa es, mich mit diesem einfachen Genjutsu so weit zu bringen? Es war doch nur ein Genjutsu! Oder?
Ich spannte meinen ganzen Körper an, versuchte, das Genjutsu zu lösen, eigentlich konnte ich das doch! Tatsächlich verschwand Shisui endlich, er war wirklich doch nur eine Illusion gewesen, aber Papa blieb, und auch die Doppelgänger hinter meinem Rücken waren noch da.
„Sehr gut“, hörte ich seine Stimme, und dachte, vielleicht machten wir jetzt eine kleine Pause?
Doch einen Moment später war da wieder ein Rascheln über mir, obwohl Papa vor mir stand. Ich spürte und erkannte Papas Chakra, sodass ich wusste, er stand vor mir, ohne dass ich die Augen öffnen musste. Doch das Chakra über mir war nicht Papa. Es gehörte zu jemand anderem, jemandem, den ich nicht kannte!
„Papa?“, fragte ich leise, atemlos.
Er antwortete nicht. Und ich wusste, die andere Person über mir war echt, kein Genjutsu und kein Doppelgänger.
Ich hörte das Zischen von drei wirbelnden Shuriken, wich ihnen blind aus, und griff dann nach meinem neuen Schwert, zog es und versuchte einen ersten Schlag damit in Richtung des Gegners über mir, sah ihn nun auch. Es war jemand in der Uniform der Anbu-Einheit, und er trug eine Tiermaske, wie die meisten Anbu-Mitglieder, die ja meist anonym arbeiteten. Und er hatte ein langes Schwert, eines, gegen das meines wie ein Kinderspielzeug aussah.
Ich wich aus, doch sofort kam der nächste Schlag, den ich parierte und dachte nur, ganz kurz: „Das hier ist verabredet. Der Typ da ist ein Anbu, der kennt uns.“
Es blieb nur ein Schluss: Papa hatte diesen Ninja dazu bestellt, er war in den Plan dieses Trainings eingeweiht. Es war ein Anbu mit dem zusätzlichen Abzeichen der Konoha-Polizei auf der Uniform, also einer von Papas Untergebenen und aus unserem Clan.
Wieder griff der Mann mich an, und er drängte mich tiefer in den Wald, weg von der Lichtung. Vorhin hatte ich gesehen, dass die Lichtung von sehr dichtem Unterholz umgeben war, und in diesem dichten Gestrüpp würde es schwierig werden, Angriffen auszuweichen.
Ich musste nun wirklich aufpassen, denn zwar wusste ich, dass Papa da war und aufpasste, dass ich nicht umkam, aber wenn ich gegen jemanden aus der Polizeiabteilung der Anbu kämpfen sollte, musste ich von diesem auf alles gefasst sein. Anbu-Ninja taten ohne jede Frage nicht mehr und nicht weniger als das, was ihnen befohlen wurde, und dieser Mann hatte offensichtlich den Auftrag, mich an den Rand meiner Kräfte zu bringen, damit am Ende meine Sharingan erwachten.
Ich sprach nicht, rief nicht nach Papa, und auch der Anbu sprach kein einziges Wort. Papa war irgendwo über uns, aber so weit entfernt, dass ich wusste, er würde das jetzt nur noch beobachten, weder eingreifen, noch das Ganze selbst steigern.
Die Schwerthiebe kamen immer schneller, und das Kribbeln hinter meinen Augen würde stärker und stärker, je schneller mein Gegner mich immer wieder angriff und es für meine Augen bald unmöglich wurde, die Bewegungen überhaupt zu erkennen. Ich parierte und wich aus, und es wurde immer klarer, dass ich den Anbu meinerseits angreifen musste.
Ich sah auf seine Beine, versuchte daraus seine Bewegungen zu lesen, und als er mit dem Schwert über mich hinweg rauschte, griff ich sein rechtes Knie an und hoffte, dass er als Rechtshänder auf der rechten Seite seine Kraft hatte.
Doch er zog ein Kunai aus seiner Waffentasche am Gürtel und griff mich nun mit diesem und seinem Schwert an, sodass es für mich langsam aber sicher unmöglich wurde, überhaupt wirklich an ihn heran zu kommen!
Dadurch, dass er nicht sprach, wirkten seine Angriffe bedrohlicher als alles, was ich bisher aus Trainingskämpfen kannte, und ich konnte Papa nicht mehr in meiner Nähe erkennen, ich war jetzt alleine mit diesem Anbu.
Das Kribbeln in meinem Kopf, hinter meinen Augen und durch mein ganzes Gehirn, wurde so stark, dass ich mich zuerst kaum noch auf den Kampf konzentrieren konnte, es sammelte sich Druck, und ich fragte mich einen Augenblick lang, ob es nur diese Situation war, die meine Sharingan weckte, oder ob ich jetzt vielleicht einfach nur alt genug dafür war? Tsukuyomi war ja auch einfach aufgetaucht in mir, ohne dass ich viel dafür getan hatte.
Ich wusste es nicht, da mein körperliches Alter, sieben Jahre, schon lange nichts mehr mit meinem geistigen und seelischen Alter zu tun hatte. Ich war schon lange kein Kind mehr und wusste auch nicht mehr, wie sich so ein echtes Kindsein für mich angefühlt hatte, ja ob ich denn jemals eines gewesen war …
Ich schloss die Augen, wich wieder einem Hieb aus, und in diesem kurzen Augenblick, der sich auf einmal unendlich lang anfühlte, überrollte mich das kribbelnde Gefühl, ich versank in meiner Innenwelt, im Tsukuyomi, das mich aufnahm und dann wieder losließ, und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich das Chakra meines Gegners, seine Kraft und seine Bewegungen, in einer Weise, die ich noch nie erlebt hatte, alle seine Bewegungen, irgendwie langsamer, wie in Zeitlupe, so als läge über jeder Bewegung, die er machte, eine Art Filterbild, das mir zeigte, was er gleich tun würde.
Ich spürte eine unglaubliche Kraft in mir, mit einem Mal waren die Ketten, in denen meine Fähigkeiten gelegen hatten und darin gewachsen waren, gesprengt und zerrissen, und innerhalb eines unendlichen Moments entfalteten sie sich, ich sah mir selbst zu, wie ich sprang, den Kopf des Anbu angriff, seinen Bewegungen jetzt so leicht ausweichen konnte, weil ich sie nun voraussah, und als ich nah genug war, trafen sich mein und sein Blick, und in mir öffnete sich intuitiv mein Tsukuyomi, das viele Üben in meiner Innenwelt zeigte sein Ergebnis und ich nahm meinen Gegner mit hinein, griff ihn dort, in meiner inneren Heimat, in der ich mich auskannte wie nirgends sonst, endlich an, brach seine Verteidigung und hörte ihn überrascht aufkeuchen, ehe ich ihn an der Schulter erwischte und mein neues Schwert auf sein Schlüsselbein niedersausen ließ.
Der Anbu schrie nicht, doch ich sah, dass ich ihn getroffen und verletzt hatte, und im nächsten Moment schloss sich Tsukuyomi und wir waren wieder im Wald. Doch nun war die Situation eine andere, er stand vornübergebeugt vor mir und ich sah Blut aus der Wunde an seiner Schulter in seine Kleider sickern. Ich hatte erst gedacht, ich hätte ihn nur mit dem Rücken der Klinge geschlagen, doch nun hatte ich das Schwert anders herum in der Hand, hatte ihn also mit der Klinge direkt erwischt.
Ich hatte ihn noch nicht besiegt, doch er hatte sein Ziel erreicht, seinen Auftrag erfüllt, und ich wusste, der Kampf war vorbei.
Papa kam von einem der Bäume herunter, stand mit einem Sprung wieder vor mir. Er hatte immer noch seine Sharingan aktiviert, doch er lächelte, schien stolz zu sein.
Ich konnte noch nicht sprechen, atmete schwer und meine Augen fühlten sich ganz seltsam an, irgendwie fremd und sehr erschöpft und müde …
„Gut gemacht, mein Sohn“, sagte Papa und trat vor mich, kniete sich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. Dann zog er ein Tuch aus seiner Tasche, reichte es mir, und ich fuhr mir damit über die Augen, und erst dann bemerkte ich, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Und als ich das Tuch dann ansah, waren meine Tränen darin von Blut durchzogen.
„Keine Angst, das ist normal“, sagte Papa. „Das passiert oft beim ersten Mal.“
Dann wandte er sich zu dem Anbu um. „Danke, du kannst gehen.“
Der Ninja verbeugte sich und verschwand augenblicklich.
„Das hast du sehr gut gemacht“, sagte Papa dann zu mir. „Hast du ein Genjutsu benutzt?“
„Ich hab … Tsukuyomi … benutzt …“, antwortete ich leise.
Papa sah mich überrascht an. „Wirklich?“
Ich nickte. „Es kam irgendwie einfach so …“
„Itachi, du bist wirklich unglaublich! Ich glaube, selbst dein Urgroßvater Fukuya hat das Tsukuyomi nicht so früh und so gut beherrscht wie du!“ Papa erhob sich und wir gingen zu der Lichtung zurück, und als wir wieder dort waren, spürte ich, wie meine Sharingan sich wieder zurückzogen in meine Innenwelt, wo sie von nun an mit dem Tsukuyomi eine Einheit bildeten.
Auf dem Weg zurück zur Gaststätte beruhigten sich meine Augen wieder, ich weinte nicht mehr und es kam auch kein Blut mehr. Papa hielt mich an der Hand und führte mich, und im Zimmer angekommen sagte er mir, ich sollte mich ein wenig hinlegen, während er sich mit dem mobilen Funkgerät zu Hause meldete. Ich lag also auf dem Futon und hörte, wie Papa im Nebenraum zuerst mit Mama sprach, und dann, wie er danach auch Yoneko Bericht erstattete: „Itachi hat jetzt seine Sharingan erweckt, und er hat sogar gleich Tsukuyomi benutzt!“
Ich hörte nicht, was Yoneko antwortete, aber ich konnte mir ihre Reaktion vorstellen. Und ich wusste, dass jetzt noch mehr Training auf mich zu kam. Ich war, wie Papa immer sagte, eine „Riesenchance für Konoha“, und diese Chance durfte nicht ungenutzt sein.
Mir fiel ein, was Mama gestern Abend gesagt hatte, im Streit mit Papa: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken?!“ Mama wollte mich davor schützen, und ich wusste genug über die Anbu, um zu wissen, dass diese Arbeit eigentlich nicht zu mir und meinem Wesen, passte. Aber wenn ich so wichtig für das Dorf war, dann musste ich wohl auch das mitmachen?
Mein eigentlicher Wunsch, mit Mama zusammen in ihrer Praxis zu arbeiten und Menschen zu heilen, statt zu kämpfen, rückte vor diesen Plänen so sehr in den Hintergrund, dass ich dachte, es war vielleicht besser, nicht daran zu glauben … Es tat weh, und als Papa wieder ins Zimmer kam, saß ich auf dem Futon und weinte wieder.
„Was ist los, mein Sohn?“, fragte Papa.
Ich wusste nicht, ob ich ehrlich sein durfte, sagen durfte, dass mich die Aussicht, Anbu-Kämpfer anstatt Medizin-Ninja werden zu müssen, so traurig machte.
„Sag schon.“ Papa setzte sich zu mir.
„Ich will nicht zur Anbu …“, antwortete ich leise. „Ich möchte Medizin studieren.“
Papa sah mich an, und ich spürte, dass er nachdachte. „Du hast Mama gestern gehört?“
Ich nickte.
„Mit sieben Jahren geht niemand zur Anbu, Itachi. Auch Madara hat dort erst mit vierzehn angefangen. Irgendwann wird die Zeit für dich kommen, aber bis dahin ist es noch lange hin.“ Er sah mich wieder einen Moment lang an, dann sagte er: „Wenn du inzwischen eine Ausbildung zum Medizin-Ninja machen möchtest, kannst du das gern tun. Und auch die Anbu kann einen guten Mediziner gebrauchen.“
Ich war erleichtert, dass Papa das so sagte, so sehr, dass ich lächeln musste. Papa erwiderte es, und dann sagte er: „Ich will doch auch nur dein Bestes, Itachi. Weißt du … das ist auch für mich nicht immer einfach. Du bist mein Sohn und ich hab dich lieb, aber zugleich bist du so begabt, ich kann deine Fähigkeiten nicht ungenutzt lassen …“
Es kam selten vor, dass Papa mir so etwas so offen sagte. Er war eben ein echter Ninja, für den Kämpfe und Stärke Priorität hatten, und ich wusste, dass er sich schwer tat damit, über Gefühle zu sprechen. Die einzige Person, von der ich wusste, dass sie sein Innenleben wirklich kannte, war Mama.
Wir packten unsere Sachen wieder zusammen und verließen das Gasthaus, allerdings nicht, um gleich wieder nach Konoha zurück zu gehen.
Stattdessen gingen wir weiter in die Berge, kamen dann in einem weiter entfernten Gasthaus unter, und Papa führte mich zu einem Ort, einem Trainingsplatz, an dem ich eindeutige Spuren von Jutsus erkannte, die zu unserem Clan gehörten.
„Das ist unser Außenposten“, sagte Papa. „Wir sind hier, damit du deine Sharingan noch weiter entdecken und festigen kannst, bevor wir ins Dorf zurück gehen.“
Ich nickte, hatte die Hand schon an meinem neuen Schwert.
Papa aktivierte seine Sharingan und ich tat es ihm gleich, es ging ganz leicht. Zuerst übten wir ganz einfach nur Taijutsu, damit ich Sicherheit darin gewann, die Bewegungen voraus zu sehen. Wir sprachen dabei kein hörbares Wort, doch Papa bewegte die Lippen und ich konnte mit meinen Sharingan die Worte lesen, er gab mir tonlose Anweisungen, die ich sofort umsetzte.
Auf einmal, ich hatte gerade einen Tritt abgewehrt, spürte ich hinter mir etwas, eine Präsenz, eine Person … Ich sprang hoch, sah mich dabei kurz um, und sah jemanden hinter einem Gebüsch am Rand des Platzes stehen.
Papa ließ den nächsten Angriff sein, ich landete wieder auf dem Boden und wandte mich um.
Über dem Gebüsch schaute ein Kopf heraus, ein Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren, er hatte leuchtend orangenes Haar und seine Augen waren von einem etwas eigenartigen Lila. Seine Kleidung war schlicht und ziemlich zerschlissen, sah ärmlich aus.
Ich sah ihn an, er erwiderte den Blick, und in dem Moment spürte ich eine eigenartige Energie, die ich sonst nur bei anderen Kindern meines Clans und bei denen vom Hyuuga-Clan bemerkte.
„Komm raus!“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch der blieb stumm hinter dem Gebüsch stehen.
Papa sah mich an, ich wandte mich wieder zu ihm um, und seine Lippen sagten mir, ohne einen Ton: „Kekkei Genkai, Dojutsu.“
Im Kopf ging ich alle Kekkei Genkai für Dojutsu, die ich kannte, durch, aber ich fand keines, was zu dieser Energie, die der Junge ausstrahlte, passte. Es musste also ein sehr seltenes Erbe sein, eines, das noch niemand aus Konoha Gakure kannte oder erfasst hatte.
„Wie heißt du?“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch dieser antwortete nicht. Er stand einfach nur da und sah zu uns herüber. Ein paar Sekunden verstrichen, dann sagte er doch etwas, aber nur ein einziges Wort: „Sharingan?“
Papa sah mich nur an, sein Blick sagte: „Kein Wort, Itachi.“
Wieder vergingen ein paar Sekunden, in denen ich mich fragte, woher dieser fremde Junge mit dem fremden Kekkei Genkai wissen konnte, dass unseres „Sharingan“ hieß. War er vielleicht ähnlich belesen wie ich und hatte auf diese Weise davon erfahren? Aber er sah so ärmlich und allein aus, dass ich das nicht so recht glauben konnte. Oder kannte er einfach jemanden aus unserem Dorf?
Auf einmal fiel mir jemand ein: Madaras Halbbruder Izuna. Der hatte das Dorf vor langer Zeit schon verlassen und lebte seither irgendwo, niemand aus Konoha hatte ihn je wieder gesehen. War es möglich, dass dieser Junge vielleicht Izuna kannte?
Ich sah Papa an, der blickte fragend zurück, und ich entschloss mich, den Jungen einfach zu fragen: „Izuna Uchiha? Kennst du ihn?“
Doch ich bekam keine Antwort, nur ein Kopfschütteln. Und einen Moment später war der Junge einfach verschwunden. Und erst, als er weg war, dachte ich: „Und Madara? Wenn Madara noch irgendwo ist und lebt, kennt dieser Junge ihn vielleicht?“
Aber wir bekamen auf diese Frage keine Antwort mehr.
Papa fragte, nachdem wir sicher waren, dass der Junge nicht zurückkommen würde: „Wie kamst du eben auf Izuna?“
„Weiß nicht, es fiel mir so ein“, antwortete ich.
„Denkst du manchmal noch an Madara?“
Ich nickte. „Manchmal vermisse ich ihn noch.“
„Ich auch …“, gestand Papa. Es kam selten vor, dass er so etwas sagte, aber in diesem Moment sah ich diese Frage, was wohl mit Madara passiert war, in Papas Augen stehen, und auch, dass es ihn frustrierte, nicht zu wissen, ob Madara noch lebte oder nicht. Was wir beide wussten, war, dass Madara stark war und dass er, wenn er wollte, alle seine Spuren gut zu verwischen verstand. Da blieb nur das „Warum?“.
„Man kennt eben niemanden so ganz von Innen“, sagte Papa leise und sein Blick ging dabei in die Ferne. „Auch wenn wir als Nutzer des Sharingan weiter in die Menschen hineinsehen können als andere, so bleibt dennoch immer etwas, wo auch wir nicht weiter wissen. Ich frage mich auch immer wieder, warum er gegangen ist. Vielleicht wollte er Izuna suchen? Ich habe damals, als er gegangen ist, nichts gesehen oder gehört, wir standen einfach in Ame Gakure auf dem Dorfplatz und auf einmal ist Madara weggegangen.“
„Und wenn Izuna dort gewesen ist?“, fragte ich.
„Vielleicht … Ich dachte erst, das wäre mir doch aufgefallen, den hätte ich bemerkt. Aber, ja, vielleicht war es so …“
„Wirst du … Nachforschungen anstellen?“, fragte ich leise.
„Habe ich schon. Ich habe schon damals, als Izuna gegangen ist, versucht, herauszufinden, wo er sein könnte, aber auch er ist spurlos verschwunden. Nun ja, als Uchiha wissen Izuna und Madara ja beide, wie man unsere Fähigkeiten austrickst, und auch, wie man den Anbu aus dem Weg geht.“
Wir blieben dann doch nicht lange auf diesem Platz. Papa wirkte nachdenklich und ich hatte das Gefühl, dass er über Madara und Izuna nachdachte, und über die Gründe, warum Izuna unser Dorf verlassen hatte. Und so kehrten wir ins Gasthaus zurück.
Izuna war schon als Jugendlicher gegangen, lange vor meiner Geburt, und so hatte ich weder ihn kennen gelernt, noch kannte ich die genauen Gründe, die dazu geführt hatten, das er Konoha verlassen hatte. Ich wusste nur, Izuna hatte sich mit Yoneko nicht gut verstanden und war nach einem Streit mit ihr über Nacht aus dem Dorf verschwunden, hatte nur einen kurzen Brief zurück gelassen, in dem er Yoneko als Grund für sein Weggehen benannte.
Zurück im Gasthaus ging ich auf mein Zimmer, ich war ziemlich erschöpft und wollte mich ein bisschen hinlegen. Aber ich konnte nicht einschlafen, in mir vibrierte eine starke Energie und es fiel mir schwer, die Augen zu schließen.
Und so blieb ich wach liegen, und dachte an den seltsamen Jungen, durchforstete mein Gedächtnis nach Informationen über Dojutsu-Bluterbe aus anderen Dörfern, aber ich fand nichts, das zu diesen seltsamen lila Augen gepasst hätte. Es war schon seltsam, denn eigentlich war es kaum möglich, dass eine Familie über so etwas verfügte und das geheim halten konnte … Es sei denn … ja, es sei denn jemand hatte es versiegelt. Manchmal wurden Kekkei Genkai aus verschiedenen Gründen versiegelt, und so war es dann auch möglich, dass sie in Vergessenheit gerieten.
Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein, denn Papa weckte mich und wir verließen das Gasthaus, machten uns auf den Weg zurück ins Dorf.
Ich hatte das Gefühl, dass Papa irgendwie unzufrieden war, und als wir schließlich durchs Tor gingen und der Wächter uns fragte, ob unsere Mission erfolgreich gewesen war, kam von Papa nur eine knappe Antwort.
„Du siehst müde aus, Itachi“, sagte der Wächter dann.
„Mir geht’s gut“, antwortete ich.
Auf dem Weg zu unserem Haus kamen wir an einem Laden mit Schaufenster vorbei, und ich sah mich im Vorbeigehen im Spiegel. Der Wächter hatte Recht, ich sah wirklich müde aus. Meine Augen waren gerötet, hatten dunkle Schatten und es sah so aus, als seien die beiden Kanten, die von meiner Nasenwurzel aus über meine Wangen verliefen, etwas länger und tiefer geworden.
Zu Hause empfing uns Mama mit dem Mittagessen, aber sie sah auch irgendwie müde aus.
„Alles gut, Ikue?“, fragte Papa.
Mama schüttelte den Kopf. „Ich war mit Kushina frühstücken und irgendwas war im Essen drin, was ich nicht vertragen habe …“
Ich ging zu Mama hin und umarmte sie.
„Du siehst auch nicht gut aus, mein Kind“, sagte sie zu mir und drückte mich an sich.
„Vielleicht hat der Koch mit Bonito gekocht statt mit Kombu?“, vermutete ich. Mama ernährte sich schon seit vielen Jahren vegetarisch, weil sie manche tierischen Eiweiße nicht vertrug, sie bekam immer furchtbare Bauchschmerzen, wenn sie Fleisch oder Fisch gegessen hatte. Und weil sie mich von Anfang an mit hauptsächlich pflanzlicher Nahrung großgezogen hatte, zog ich selbst auch vegetarisches Essen vor, Fleisch und auch Fisch war mir so ungewohnt, dass ich viel lieber Gemüse und Salat aß. Papa dagegen war Fleischesser und so kochte Mama nur für ihn ganz ‚normal‘.
Beim Essen war es still, und als ob ich erst jetzt, zu Hause, mich wirklich fallen lassen konnte, war ich nach dem Essen so müde, dass ich rauf in mein Zimmer ging, mich einfach angezogen auf mein Bett legte und sofort einschlief.
Als ich wieder aufwachte, war es dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. Ich hörte Stimmen von unten, Mama und Papa, und noch andere, ich erkannte Yonekos Stimme und die eines Kollegen von Papa.
„… ihn auf Missionen zu schicken, wo er jedes Mal der Jüngste im Team ist … aber ich denke schon, dass er das kann …“
„Als Mediziner … ich weiß nicht …“
„… hätte den Vorteil, dass andere Länder ihn nicht so wahrnehmen …“
Papas Kollege und Oma Yoneko sprachen über mich, und ab und zu hörte ich Papas Stimme, wie er zustimmende Laute vernehmen ließ.
Und dann Mama: „Ihr wisst doch, dass ich mir Sorgen um ihn mache.“
„Ja, natürlich, immerhin ist er dein Sohn“, sagte Oma Yoneko.
„Vor allem ist er noch ein Kind!“
„Ikue, du müsstest doch am besten wissen, dass Itachi kein gewöhnliches Kind ist! Er ist doch schon so lange viel, viel weiter als alle anderen Kinder seines Alters!“ Das war wieder Yoneko.
Ein Geräusch war zu hören, wie ein Stuhl, der umfiel, weil Mama aufgesprungen war. „Genau deshalb hat er ein Recht auf eine Kindheit! Er ist nicht nur euer Wunderkind, er ist außerdem hochsensibel, und ich lasse nicht zu, dass ihr ihn kaputt macht!“
Ich stand auf, verließ mein Zimmer und ging rüber ins Bad, schaute mich im Spiegel an und stellte fest, dass ich etwas ausgeruhter aussah. Dann ging ich die Treppe hinunter, durch die Küche ins Wohnzimmer, und sah Papa, Oma und einen von Papas Kollegen dort sitzen. Mama stand, und der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, lag hinter ihr.
„Itachi …“ Mama sah mich an.
„Nicht streiten …“, sagte ich, meine Stimme klang leise und kindlich.
Mama kam auf mich zu, kniete sich vor mich hin und legte ihre Hände auf meine Schultern. „Haben wir dich geweckt, Spatz?“
Ich schüttelte den Kopf.
Oma Yoneko sah mich an und fragte: „Itachi, willst du Mediziner werden?“
Ich nickte. „… Lieber als zur Anbu …“
„Du kannst nächste Woche mit dem Studium anfangen“, sagte Yoneko. Einfach so.
Ich sah Mama an, sie lächelte, und dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.
Das Thema Anbu war damit fürs Erste vom Tisch.
Am nächsten Tag ging ich mit Mama in die Bibliothek der Akademie, in die Abteilung der Konoha-Universität, und sie suchte mir Bücher für verschiedene Grundlagen der medizinischen Ninjutsu aus, die wir mit nach Hause nahmen und mit denen ich mich die folgende Woche beschäftigen und so ein Thema für mein Studium finden sollte. Ich freute mich sehr darauf, denn für mich gab es kaum etwas Schöneres, als etwas Neues zu lernen, die Weite meines Geistes weiter zu entdecken und ihn mit Wissen zu füllen.
Medizinische Ninjutsu hatten einiges mit Genjutsu gemeinsam, und genau diese Gemeinsamkeiten waren es, die mir an beidem besonders gut gefielen. Beides erforderte, dass man sich bildete und sehr viel über die Hintergründe von Körper, Geist und Chakra lernte, und man konnte Tage und Wochen lang da sitzen und lesen, es war also wie für mich gemacht!
Wenn ich in dieser Woche nicht gerade lernte oder mich ins Tsukuyomi zurückzog, ging ich mit der Tochter der Familie, die neben uns wohnte, in dem kleinen Wäldchen am Fluss zum Spielen.
Sie hieß Yuki und ihren Eltern gehörte die Apotheke, von der Mama die Medizin für ihre Praxis bezog. Yuki war genau so alt wie ich, sie besuchte die Grundschule der Zivilisten und war im Unterschied zu mir wirklich noch ein Kind, aber sie war eher ruhig und ich hatte das Gefühl, dass wir uns, trotz dass ich im Kopf so viel weiter war als sie, gut verstanden.
Wenn ich am Nachmittag mit ihr zusammen war, kam es mir so vor, als ob ich, wenn ich den ganzen Vormittag gelernt und meine Fähigkeiten ausgelebt hatte, dann bei ihr meine andere Seite, die einem Kind einfach ähnlicher war, einfacher herausholen und leben konnte. Die Einfachheit des Kindseins ließ mich dann entspannen, und wenn ich am Abend mit Mama in der Küche saß und ihr erzählte, was Yuki und ich zusammen erlebt hatten, wusste ich, dass ich auch Mama damit glücklich machte.
Der Beginn meines Studiums des Medizinischen Ninjutsu erschien mir so, wie anderen Kindern ihre Einschulung. Ich war fast acht Jahre alt, hatte die Akademie längst hinter mir, und das Gefühl von „Ich bin jetzt groß“ überraschte mich selbst, weil ich ja eigentlich nie das Gefühl gehabt hatte, wirklich ‚klein‘ zu sein. Ich freute mich sehr auf das Lernen und Arbeiten, auf die Bücher und die Übungen, und ich war glücklich, etwas tun zu dürfen, das wirklich zu mir passte.
Neben dem Studium fing ich an, meine Übungen im Taijutsu immer früh am Morgen zu machen, eine halbe Stunde körperliches Training, dann war ich wach und ging schon bei Sonnenaufgang in die Uni, setzte mich in die Bibliothek und begann mit dem Lernen. Mittags aß ich mit Mama zu Hause, dann folgte wieder eine Einheit Tai- und Ninjutsu mit Shisui, und danach traf ich mich manchmal noch mit Yuki oder ging zu Papa in die Polizeiwache, um ihm dort von meinem Tag zu berichten.
Diesen Rhythmus hielt ich, mit gelegentlichen Abweichungen und auch etwas Abwechslung zwischendurch, fast eineinhalb Jahre lang aufrecht.
Zum Ende hin wurden die Teehaus-Sitzungen mit Oma Yoneko wieder häufiger, sie zeigte mich voller Stolz ihren Anhängern und ich erzählte dann auch ganz gern von meinem Studium, weil es mir einfach sehr viel Freude bereitete.
Wenn ich in dieser Zeit an meinen Traum dachte, irgendwann Hokage zu werden, dann stellte ich mir jetzt vor, dieses Amt mit demselben Rhythmus und derselben Freude wie in meinem Studium zu gestalten. Hokage sein bedeutete für mich eine Arbeit, bei der ich viel lesen können und wenig auf Missionen würde gehen müssen, denn der Hokage blieb im Dorf, saß an seinem Schreibtisch und kümmerte sich darum, dass es friedlich blieb. Ich fing an, mich für Diplomatie zu interessieren, führte mit Shisui lange Gespräche darüber und beschäftigte mich im Studium auch mit Psychologie, zum einen, weil das für mich als Genjutsu-Anwender sehr wichtig war, und auch, weil ich an einen Zusammenhang zwischen Diplomatie und Psychologie glaubte.
Das ging so, bis ich neun Jahre alt wurde. Ich machte meinen Abschluss an der Universität mit Bestnoten (und als jüngster Absolvent in der Geschichte Konohas), und dann hatte ich drei Monate frei, die ich meist zu Hause verbrachte, unterbrochen von gelegentlichen Missionen, bei denen ich verschiedene Teams als Medizin-Ninja und Stratege unterstützte.
Während des Studiums machte ich im Alter von achteinhalb Jahren parallel meine Prüfung zum Chuunin, als ebenfalls jüngster Teilnehmer.
Oma Yoneko setzte im Rat durch, dass ich die Prüfung als einzelner Teilnehmer machte, ohne ein Team, wie es sonst eigentlich übliche Pflicht war, einfach deshalb, weil ich durch mein Studium zu keinem festen Team gehörte. Koharu und Homura waren zwar dagegen, doch der Hokage entschied, dass ich aufgrund meiner Fähigkeiten schon ein Recht auf den Rang des Chuunin hatte, und so nahm ich alleine teil.
Die Aufgaben waren kaum ein Problem für mich, ich bekam das meiste gut hin, konnte mich auf meine Fähigkeiten einigermaßen verlassen. Mein Problem bei dieser Prüfung war eher, dass ich sie unter den aufmerksamen Augen des Dorfrates machen musste, mit den Sonderrechten, die mir unangenehm waren, und der Art, wie Yoneko mich präsentierte. Ich für meinen Teil hätte die Prüfung zum Chuunin lieber später gemacht und unter denselben Voraussetzungen wie alle anderen auch.
Es war mir sehr unangenehm und störte mich, dass ich am ersten Tag der Prüfung von Yoneko dorthin begleitet wurde und sie mich vor allen Leuten überaus stolz als „Wunderkind des Uchiha-Clans“ bezeichnete. Mehr denn je sehnte ich mich in diesem Moment nach Unauffälligkeit.
Am Ende dieser weitgehend ruhigen Zeit geschah dann etwas, an das ich während des Studiums kaum noch gedacht hatte:
Ich war zu Hause, wachte morgens auf, zog mich an, ging zu Mama runter und fand sie im Bad neben der Küche, sie kniete vor dem Becken im Boden und erbrach sich.
„Mama? Was ist los, hast du was falsches gegessen?“, fragte ich und kniete mich neben sie.
„Nein … eigentlich nicht … Mir war gestern schon mal schlecht, und gegessen hab ich nicht viel.“
Ich half ihr, bis sie wieder aufstehen konnte, sie setzte sich auf einen Stuhl in der Küche und ich machte ihr einen Tee.
„Itachi, geh mal in die Wache zu Papa und sag ihm, er soll herkommen“, sagte Mama und nahm einen vorsichtigen, kleinen Schluck Tee.
„Ist gut.“ Ich zog mir meine Jacke an und lief raus, rannte durchs Dorf zur Polizeiwache.
„Hallo, Itachi“, begrüßte mich einer von Papas Kollegen.
„Ist Yoshio da?“
In dem Moment kam Papa aus seinem Büro.
„Was ist los, Itachi?“
Ich war ganz außer Atem, musste erst wieder Luft bekommen, und antwortete dann: „Mama geht’s schlecht, sie hat sich erbrochen!“
Papas Gesichtsausdruck überraschte mich etwas: Er sah nicht erschrocken aus, sondern lächelte.
„Ich bin gleich fertig, dann komm ich nach Hause“, sagte er.
„Was ist denn mit Mama?“, fragte ich besorgt.
„Ich glaube, du musst dir keine Sorgen machen, mein Sohn …“ Papa lächelte immer noch. „Mama geht’s bald wieder gut.“
Ich lief zurück nach Hause, kümmerte mich weiter um Mama, ihr war immer noch schlecht, und als Papa nach Hause kam, hatte er eine Tüte aus der Apotheke dabei.
„Na, meine Liebe, wie geht’s dir?“, fragte er Mama.
Mama lächelte. „Geht schon …“
Papa ging zur ihr, umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann zog er eine Schachtel aus der Tüte, und ich sah, was darauf stand: Es war ein Schwangerschaftstest!
1986
Je weiter sie sich von Ame Gakure entfernten, desto weniger regnete es. Madara schien genau zu wissen, wohin er wollte, und spät abends hielt er vor einer kleinen Hütte am Waldrand an. Es regnete immer noch, wenn auch weniger als in Ame, und Nagato musste zugeben, dass er wirklich müde war.
„Hier übernachten wir und hier bleiben wir auch ein paar Tage“, sagte Madara und öffnete die Tür der kleinen, unscheinbaren Hütte.
Vorsichtig hob er die längst schlafende Konan von seinen Schultern. Die wachte davon auf.
„Dara, wasnlos? Wosinwi?“ murmelte sie mit halb geöffneten Augen.
„Wir haben Ame Gakure verlassen, Konanchen. Bald siehst du die Sonne und vielleicht gibt es morgen was zum Essen“, antwortete Nagato und stellte die schweren Taschen ab.
„Sonne? Essen? Echt?“, fragte Konan. „Nagato, du bist lieb!“ Und schon war sie wieder eingeschlafen. Sie war einfach zu müde. Nagato legte sie vorsichtig auf das größte Kissen, das sie besaßen.
„Und wie lange bleiben wir hier?“, fragte er Madara.
„Ein paar Wochen vielleicht. Bis ich ein richtiges Haus gefunden habe, wo wir alle zusammen bleiben können“, antwortete der.
„Heißt das, dass du bei uns bleibst, Madara?“ Nagato konnte es kaum glauben.
„Ja. Aber ich möchte natürlich zuerst mal wissen, wie ihr zwei eigentlich richtig heißt.“ sagte Madara und lächelte wieder.
„Ich heiße Nagato Amekawa. Und die Kleine heißt Konan. Wir haben Glück, dass ich meinen Namen und ihren kenne. Ihren Nachnamen weiß ich aber nicht. Konan ist ungefähr zwei und ich bin sieben. Aber ich weiß nur meinen Geburtstag“, sagte Nagato.
Madara schrieb die Namen kurz auf und sagte dann: „Ich bleibe bei euch. Nach Konoha kann ich jetzt nicht mehr zurück. Ihr könnt gut einen Beschützer gebrauchen und die kleine Konan kannst du nicht allein großziehen.“
Dann begann Madara, die Taschen auszupacken und ein Nachtlager herzurichten.
Mitten in der Nacht wachte Konan auf. Sie wusste nicht, wo sie war und das ständige leise Rauschen des Regens war verstummt. Irgendwann vor Stunden war Konan auf Madaras Rücken eingeschlafen und als sie in der Hütte kurz aufgewacht war, hatte sie ihr neues Zuhause auf Zeit noch nicht wirklich wahrgenommen.
Es war dunkel, draußen verhüllten Wolken die Sterne, obwohl es vor einer Weile wohl aufgehört hatte zu regnen. Das kleine bisschen Licht, das von irgendwo draußen kam, ließ Nagatos oranges Haar schwach leuchten. Konan blinzelte zu ihm hinüber. Dann merkte sie, wie hungrig sie war und dass sie das ziemlich aufregte. Und das einzige, was der Zweijährigen einfiel, war Schreien.
„Waaaah! Ich hab Hu-hu-hu-huuuungeeeer!!! Will was eeeesseeen!“ Sie schrie, obwohl sie zum ersten Mal im Leben ohne das Geräusch des immerwährenden Ame Gakure-Regens in den Ohren aufgewacht war. Oft hatte sie sich gewünscht, dass dieses Regenrauschen aufhörte. Aber jetzt hatte sie Hunger.
Madara wachte von ihrem Geschrei auf. Schon im Halbschlaf hatte er Konans Schreien gehört und sie tat ihm leid. Was mussten so ein Krieg und ein Wohnungswechsel für so ein kleines Mädchen wie Konan bedeuten? Sie war bestimmt völlig durcheinander.
„Konanchen …“ Madara übernahm wie selbstverständlich die von Nagato verwendete Kinderform des Namens, „Warum weinst du denn?“
„Dara! Ich will was essen! Ha-ha-hab Huuuuunger!“
„Du musst ja schrecklichen Hunger haben, wenn du so schreist. Kannst du gar nicht mehr schlafen vor Hunger?“ fragte Madara.
„H-hm!“ Konan hörte auf zu schreien und sah Madara mit großen, nassen Augen an.
„Ich seh mal nach, ob ich vielleicht noch was zu essen habe.“ Madara begann, seinen Rucksack nach etwas Essbarem zu durchsuchen. Er fand ein paar Scheiben dunkles Brot, mehr nicht. Morgen würde er losziehen müssen, um im nächsten Ort Essen zu besorgen.
„Hier, Kleine, iss!“, forderte Madara das kleine Mädchen lächelnd auf.
Konan strahlte ihn an. Ihre kleinen, weißen Hände griffen nach dem trockenen Brot. Seit eineinhalb Tagen hatte sie kein größeres Stück Brot, Reis oder etwas anderes zu essen gesehen. Gierig biss sie hinein. Es war ihr egal, wie es schmeckte.
„Dankche, Dara“, sagte sie kauend und strahlte.
Madara hätte nie gedacht, dass ihn das dankbare Leuchten in den Augen eines kleinen Mädchens so glücklich machen würde. Aber so, wie Konanchen ihn jetzt mit vollen Backen anstrahlte, das machte ihn so glücklich wie schon lange nicht mehr. Madara wusste jetzt, dass es sich gelohnt hatte, Konan und Nagato zu retten.
„Mmmmmh!“, seufzte Konan schließlich, „Jetzt nich mehr Hunger. Jetzt satt.“ Und ein voller Magen machte müde. Konan streckte sich und gähnte.
„Darf ich auf dein´ Futon mit schlafen?“ fragte sie und kuschelte sich an Madaras dichtes Haar.
„Sie ist jetzt mein Kind“, dachte er und ließ zu, dass sie unter seine Decke kroch und sich an ihn schmiegte.
Fühlte es sich so an, eigene Kinder zu haben? Madara wusste es nicht genau. Er war schließlich noch keine dreißig. Doch er musste an seinen Patensohn denken. Itachi war fünf, also jünger als Nagato, und hatte schon längst mit dem Ninja-Training begonnen. Nagato hatte ganz offenbar noch nie sein Chakra trainiert.
Und während Madara seinen Blick von Konans lila Lockenköpfchen zu Nagatos orangenem Haarschopf wandern ließ, nahm er sich vor, den beiden alles beizubringen, was sie brauchten. Er wäre in Konoha Sensei geworden, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Jetzt würde er Lehrer für Nagato werden und dann für Konan. Die beiden waren offensichtlich mit recht vielversprechenden Talenten gesegnet. Konan war für eine Zweijährige bemerkenswert selbstständig und sprach schon ziemlich deutlich aus, was sie meinte. Und Nagatos Augen waren außergewöhnlich, das hatte Madara sofort erkannt.
Am nächsten Morgen zog Madara schon früh los, um sich nach einer besseren Behausung umzusehen. Die kleine Hütte war zwar besser als die Ruine, in der er die Kinder gefunden hatte, aber Madara wollte Nagato und Konan ein wirklich schönes Zuhause bieten. Er wurde richtig euphorisch beim Gedanken daran, mit den Kindern zusammen in einem kleinen Haus zu leben und ihnen alles beizubringen.
Nagato versprach, den ganzen Tag mit Konan im Haus zu bleiben. Noch war der Krieg nicht zu Ende, in vielen Orten um Ame Gakure herum wurde noch gekämpft. Deshalb war es sicherer für die Kinder, wenn sie im Haus blieben, bis Madara wieder da war.
Als Konan aufwachte, schien die Sonne durch das kleine Fenster über Madaras Reisefuton.
„Nagato? Wo ist Dara?“, fragte sie verwirrt. Madara war nicht da, obwohl sie doch auf seinem Haar geschlafen hatte, und die Sonne schien so hell herein, wie sie es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
„Er ist losgegangen, um etwas zu essen zu holen“, antwortete Nagato und begann, in den Taschen nach Konans wenigen Spielsachen zu suchen. Es war wirklich nicht viel: Ein kleines, knisterndes Kissen, ein Beutel mit großen Glasmurmeln und ein paar bestickte Haarbänder. Aber es musste reichen, um Konan den ganzen Tag zu beschäftigen.
Als Nagato sich aber zu Konan umsah, bemerkte er, dass sie längst eine eigene Beschäftigung gefunden hatte: mit hochzufriedenem Gesicht und geschlossenen Augen saß sie unter dem Fenster und ließ sich von der Sonne bescheinen. Für jemanden, der seine ersten Lebensjahre nicht im Regen von Ame Gakure verbracht hatte, wurde so ein einfaches In-der-Sonne-sitzen vielleicht bald langweilig, aber Konan kannte nichts als den Regen und deshalb war das Gefühl von Sonnenstrahlen auf der Haut etwas unbeschreiblich Schönes.
„Komm, Nagato! Setz dich auch hin, die Sonne scheint!“, seufzte sie glücklich.
Und weil er gerade nichts anderes zu tun hatte, setzte er sich neben sie auf den Holzboden, der von der Sonne schön warm war. Bis kurz vor Mittag schien die Sonne, dann zog eine fluffige, weiße Wolke vor die Sonne. Aber das machte Konan nichts aus. Sie hatte schon so viel vom Sonnenlicht und der Wärme aufgesogen, dass es für die nächsten Tage ausreichen würde, falls dann nicht die Sonne schien. Auf jeden Fall mehr Sonne als in ihrem ganzen, bisherigen Leben. Konan war glücklich. Und die kleine Wolke würde weiterziehen. Außerdem schimmerten Konans Glasmurmeln schön im Licht und warfen runde Regenbögen auf den Holzboden. Wenn die Sonne schien, war sie leicht zu beschäftigen.
Madara hatte seinen Rucksack dagelassen. Wahrscheinlich hatte er heute nur eine kleinere Tasche mitgenommen. Nagato sah den Rucksack in einer Ecke stehen und plötzlich wollte er unbedingt wissen, was darin war. Konan sah von ihren Murmeln auf, als Nagato den Rucksack öffnete.
„Was machst du da?“ fragte sie.
„Ich will wissen, was er da drin hat. Wir wissen ja noch gar nicht, wer er eigentlich ist“, antwortete Nagato.
„Er heißt Madara Uchiha, er ist aus Konoha und er ist lieb. Heute Nacht hat er mir was zu essen gegeben“, sagte Konan. „Du musst ihn fragen, bevor du seine Sachen durchwühlst, Nagato. Weißt du noch, wie du dich aufgeregt hast, als Yahiko an deiner Tasche war?“
„Das war was anderes“, erwiderte Nagato. „Yahiko war ein Kind, so wie wir. Aber Madara ist ein Krieger aus einem fremden Land und die Konoha-Ninjas haben Ame zerstört.“
„Yahiko sieht genauso aus wie du. Er hat nur andere Augen. Wo ist er überhaupt hingegangen? Er war auf einmal weg“, sagte Konan.
„Ich vermute mal, er ist davongekommen.“ Nagato wollte nicht an diesen Jungen aus Ame Gakure denken, der ihm wirklich wie ein Zwilling ähnelte. Er hatte sich nicht getraut, mit Yahiko richtig Freundschaft zu schließen, aus Angst, dass der Krieg sie wieder trennen und ihm damit noch mehr Schmerz auslösen würde.
Er begann, Madaras Rucksack auszuräumen. Einfach so konnte er ihm nicht vertrauen. Auch, wenn Madara gut zu Konanchen war.
„Da ist ja überall so ein Fächer drauf“, stellte Konan fest, als Nagato den Inhalt von Madaras Rucksack auf dem Boden der Hütte ausbreitete. Tatsächlich, nahezu jeder Gegenstand war mit einem rotweißen Blattfächer-Symbol verziert.
„Das ist wohl das Wappen seiner Familie“, sagte Nagato. Er hatte nicht das kleinste bisschen Schuldgefühle, weil er so in Madaras Sachen wühlte. Er war einfach davon überzeugt, dass es sein Recht war, Madara erst einmal nicht zu vertrauen. Es war ja immer noch Krieg. Da musste man sicher gehen.
Neben Kleidung, Essgeschirr und Wurfmessern fand Nagato auch eine Dose mit Halstabletten, zwei Scheiben Brot, ein Paket Reis und eine ganze Reihe Bücher. Außerdem war da eine kleine Flasche aus braunem Glas, die irgendeine flüssige Medizin enthielt.
„Von dem Brot hat er mir was abgegeben“, sagte Konan. „Obwohl er nur so wenig davon hat, hat er´s mit mir geteilt.“ Sie war voll davon überzeugt, dass Madara absolut vertrauenswürdig war. Er hatte sein Essen mit ihr geteilt, sie auf seinem Futon und in seinem Haar schlafen lassen und ihr sein Taschentuch geschenkt. Konan zog das Tuch aus der Tasche ihres Kleides. Es zeigte denselben rotweißen Blattfächer wie alle Sachen, die Madara gehörten.
Nagato blätterte in einem der Bücher. Es war ein Buch über die Behandlung von Augenverletzungen, die durch Kekkei Genkai verursacht wurden, das war dem Bild auf dem Titelbild zu entnehmen. Nagato konnte kaum lesen und schreiben. Bevor er das Buch aufschlagen konnte, wurde die Tür der Hütte geöffnet. Nagato schrak zusammen.
„Ich bin es, Kinder“, kam Madaras Stimme von draußen, dann öffnete er die Tür und kam herein. Seine Taschen waren voll mit Essen und Kinderkleidung. Er stellte die Taschen ab und entdeckte erst jetzt das Chaos auf dem Hüttenboden.
„Gefallen euch meine Sachen?“, fragte er lächelnd, obwohl er eindeutig wusste, dass Nagato die Sachen durchsucht hatte.
Jetzt bekam Nagato doch Gewissensbisse. Madara war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um Essen und Kleider für sie zu besorgen, und er misstraute ihm immer noch?
„Ich hab´s dir doch gesagt.“ Konan strahlte, als sie eine Schachtel mit Reisbällchen aus Madaras Tasche herausschauen sah.
„Ich wollte nur wissen …“, begann Nagato verlegen, senkte den Kopf und fuhr sich nervös durch das leuchtend orangene Haar.
„… ob du mir vertrauen kannst?“, fragte Madara. „Ja. Das kannst du.“
„Er hat nur für uns was gekauft!“, strahlte Konan. „Nur für uns!“
Nagato konnte Madara immer noch nicht ganz vertrauen. Der Krieg hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Und Madara trug auch immer noch das Stirnband mit dem Zeichen von Konoha Gakure. Er sah noch aus wie ein Feind.
„Ich will was essen! Konanchen hat einen Riesenhunger!“, kreischte Konan ungeduldig.
„Du bekommst ja schon was.“ Madara nahm die ziemlich große Reisbällchen-Schachtel und hielt sie Konan entgegen. Das kleine Mädchen riss die Schachtel auf, griff sich ein Reisbällchen und hatte es innerhalb weniger Augenblicke aufgegessen und sich noch eines genommen. Sie war kaum noch zu halten.
„Nimm ausch einch! Chmeckt gut!“, forderte sie Nagato kauend auf. Aber Nagato traute sich nicht so recht.
„Du hast doch auch Hunger“, sagte Madara. „Komm schon, iss!“
Als Nagato sich nach zehn Minuten (in denen Konan dreiviertel des Schachtelinhaltes aufaß) immer noch nichts genommen hatte, wusste Madara, wie er das Vertrauen des Jungen gewinnen würde. Es fiel ihm schwer, innerlich, denn er liebte sein Stirnband. Aber dennoch … Er griff unter sein Haar, löste den Knoten des Stirnbands und nahm es ab. Dann zog er ein Kunai hervor und fuhr kratzend über das Symbol, bis es drei nicht sehr tiefe, aber doch deutlich sichtbare Kratzer hatte, die das Laubblatt durchstrichen.
„Ich werde das Stirnband nicht mehr tragen. Du kannst mir vertrauen, Nagato. Ab jetzt bin ich nur für euch beide da“, versprach Madara.
„Du … du gibst deine … Heimat für uns auf?“, stotterte Nagato ungläubig.
„Ich gehöre jetzt nicht mehr zu Konoha Gakure. Ich gehöre zu euch.“
In diesem Moment, als Madara das so offen aussprach, wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Vielleicht sah er Yoneko, Yoshio, Ikue und Itachi nie wieder. Der ganze Clan war davon ausgegangen, dass Madara unbesiegbar war und auf jeden Fall heimkommen würde.
Und da war noch … Tsunade. Sie war zwar sechs Jahre älter als Madara und richtig verlobt mit einem Ninja namens Dan, aber Madara schwärmte seit seiner Schulzeit für sie. Doch jetzt, wo er abtrünnig war, war es das Beste, wenn er Tsunade endgültig vergaß. Sie war nur die Enkelin des Ersten Hokage und er würde sie nicht bekommen. Es war jetzt wichtiger, die Lehren des Hashirama Senjuu über das Dorf Konoha hinaus in die Welt zu tragen.
Was Yoneko betraf, wusste Madara, dass sie immer zu ihm halten würde. Egal, was die beiden Dorfältesten (die den Uchiha-Clan nicht mochten) sagen würden, Yoneko würde ihn verteidigen und vermissen.
Yoshio würde vielleicht glauben, Madara sei auf dem Weg zu der Bombenentschärfung zwischen die Fronten geraten. Schließlich kämpften Nibi und Yonbi immer noch um Ame Gakure herum.
Egal, wie Madara es drehte und wendete, es gab kein Zurück mehr. Er musste das jetzt durchziehen. Hatte er das nicht gewollt? Diese beiden Kinder großziehen in den Idealen des Ersten Hokage? Nun musste Madara sein Versprechen halten und sich um Konan und Nagato kümmern. Er war nun einzig verantwortlich für die beiden. Und er war vermutlich der Einzige, der sie überhaupt noch kannte. In Ame vermisste die beiden wahrscheinlich niemand, ja, vielleicht wusste niemand überhaupt noch, dass es Konan und Nagato gab.
„Was ist denn das?“ fragte Nagato und hielt die kleine, braune Glasflasche in der Hand.
„Das sind Augentropfen. Wenn man seine Augen so oft benutzt wie ich, passiert es oft, dass man sie verletzt“, antwortete Madara.
„Tatsächlich. Deine Augen sind immer so rot“, stellte Nagato fest.
„Weißt du, wie man das nennt?“
„Nein. Aber es macht dich stark, oder?“
„Das sind Sharingan“, sagte Madara. „Aber, sag mal, Nagato, ist das deine natürliche Augenfarbe?“
„Ich glaube schon. Ich hab keinen Spiegel, aber ich glaube, sie verändern sich manchmal irgendwie, fühlt sich so an …“, antwortete Nagato.
„Deine Augen sehen aus, als könntest du sie noch für etwas anderes als zum Sehen verwenden. Hast du das schon mal versucht?“
„Nein …“ sagte Nagato. „Sonst hätte ich mich doch immer wehren können.“
Stimmt. Man muss genau wissen, wie es funktioniert, sonst geht es nicht“, erklärte Madara. „Ich musste auch erst lernen, wie ich meine Sharingan benutzen kann.“
Nagato dachte einen Moment nach, kam zu dem Schluss, dass Madara Recht haben konnte und dass da wirklich etwas Besonderes an ihm selbst war. Doch er ließ sich die Gedankenbewegung nicht anmerken.
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Madara stand morgens früh auf, ging aus der Hütte und ließ Nagato und Konan den halben Tag über allein. Er suchte in den kleinen Dörfern in der Umgebung nach Essen für die Kinder und sich, was nicht gerade einfach war, denn die meisten Orte waren vom Krieg schwer beschädigt und die Menschen hatten selbst kaum etwas zu essen.
Aber die meisten Leute waren bereit, einem Ninja mit Madaras starkem Auftreten doch etwas zu geben. Auf diese Weise kam er an gutes Essen und sogar an Bücher.
Die Bücher waren wichtig, denn Madara wollte Nagato Lesen und Schreiben beibringen. Er war jetzt in jeder Hinsicht für Versorgung und Ausbildung von Nagato und Konan verantwortlich und begann, sich an die neue Aufgabe zu gewöhnen. Sie erschien ihm wirklich sinnvoll, jedenfalls sinnvoller als dieser verdammte Krieg. Im Krieg zerstörte man sinnlos unzähliges Leben, während die Versorgung und Ausbildung zweier elternloser Kinder deren Leben und späteres Wirken förderte.
Ganz so, wie der Hokage der Ersten Generation das Dorf Konoha gegründet hatte, um jungen Menschen eine sichere Zukunft zu bauen.
Als Madara eines Abends von seiner Tour zurück in die Hütte kam, platzte er mitten in einen Streit zwischen Nagato und Konan hinein.
„Das ist echt doof!“, schrie Konan und Madara wunderte sich wieder dass sie schon so gut sprechen konnte.
„Nein, Konan, das verstehst du nicht“, sagte Nagato. „Dafür bist du noch zu klein.“
„BIN ICH GAR NICHT! DU KANNST NICH EINFACH SAGEN, DASS DARA NICH LIEB IS, NUR WEIL ER AUS KONOHA IS!“, kreischte Konan, „DAS IS GEMEIN, NAGATO!“
„Ich bin doch nur misstrauisch, Konanchen“, sagte Nagato. „Schließlich haben die Ninjas aus Konoha Gakure unser Ame zerstört.“
„Aber Dara is doch jetzt für uns da!“ Konan drehte den Kopf und sah Madara in der Tür stehen. Der lächelte freundlich.
„Ihr könnt mir wirklich vertrauen“, sagte Madara. „Ich habe die Armee verlassen, um mich um euch zu kümmern.“ Wie oft sollte er das noch sagen? Konan schien ihm zu glauben, aber Nagato war nach wie vor misstrauisch. Madara konnte das nur mit Kriegstrauma erklären. Kinder wie Nagato konnten nur schwer Vertrauen fassen. Konan war zum Glück noch so klein, dass sie nicht hinter jeder Ecke einen Feind sah und sie schien auch ein Mädchen mit bemerkenswert positiver, starker Lebenseinstellung zu sein.
„Daaaaraaaa!“, quietschte Konan, sprang auf und rannte auf ihn zu. Er zog seine Schuhe aus, legte Rucksack und Rüstung ab und kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen zu sein. Konan fiel Madara um den Hals und schmiegte ihr Gesicht in sein langes, dichtes Haar. Sie mochte es, sich in Madaras Haar zu kuscheln, weil es so lang und weich war.
Im Gegensatz zu Konan verhielt Nagato sich zurückhaltend. Er saß mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen auf dem Boden und sah Madara mit seinen weißlosen, lila Augen misstrauisch an.
„Ich hab dir was mitgebracht, Nagato“, sagte Madara und befreite sich vorsichtig aus Konans Umarmung. Dann zog er ein Buch aus seinem Rucksack. Es war ein Schulbuch für Schreibanfänger.
Nagato stand zögernd auf. Madara lächelte.
„Nimm schon. Ich will dir Lesen und Schreiben beibringen“, sagte er.
„Mir auch, mir auch!“, rief Konan begeistert.
„Du kannst gern zusehen“, sagte Madara. „Je früher man sich damit befasst, umso mehr lernt man.“
Nagato streckte langsam seine weiße Hand aus und griff nach dem Buch in Madaras Hand.
„Du bist sieben, hast du gesagt?“, fragte Madara.
Nagato nickte.
„Ich bin zwei!“, quietschte Konan, sie hielt zwei Finger hoch und ihre goldbraunen Augen strahlten.
„Du kannst dir ja schon Bilderbücher ansehen, Konanchen“, Madara lächelte.
„Au ja!“ Konans Lernbegierde war geweckt.
An diesem Abend begann Madara damit, Nagato zu unterrichten. Er begann mit der leicht erlernbaren Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift und Hiragana. Konan saß daneben und sah aufmerksam zu. Sie schien ebenso schon das eine oder andere aufzunehmen, jedenfalls hatte sie offensichtlich Lust darauf, zu lernen.
Und während Madara seine beiden Findelkinder zu unterrichten begann, dachte er natürlich auch immer wieder an seine „alte“ Heimat, an Konoha Gakure …
Hiruzen Sarutobi war der Hokage der dritten Generation und eigentlich ein friedlicher Mann, der das Dorf als seine Familie ansah, für die er alles tat. Aber der Ältestenrat, der aus Koharu, Homura und einem weiteren starrsinnigen Alten namens Danzo bestand, entschied vieles über Sarutobis Kopf hinweg, der offene Auseinandersetzungen eher scheute
Der Ältestenrat und der Uchiha-Clan hatten gewisse Probleme miteinander, die schon lange bestanden, da Koharu Utatane-Hyuuga und Yoneko Uchiha sich schon seit ihrer Ausbildungszeit nicht leiden konnten und Koharu diese Auseinandersetzung oft genug in die Politik einfließen ließ. Homura als ihr loyaler Vasall machte da ebenfalls mit, und Danzo schien ein ganz eigenes Problem mit mehr oder weniger allen drei Clans im Dorf zu haben.
Aber gerade wegen dieses andauernden Streits mit Koharu vernachlässigte Yoneko ihre Pflichten als Matriarchin des Uchiha-Clans nicht. Es gab ein vielversprechendes Talent, das es zu fördern galt. Vielleicht konnte irgendwann einer aus dem Uchiha-Clan Hokage werden, dachte Yoneko, dann hätte Koharu nichts mehr zu sagen. Und sowohl Yonekos Lieblingsenkel Madara, als auch das neue Wunderkind Itachi wären dafür sicher geeignet, dessen war sich Yoneko sicher und jeder im Clan wusste, dass sie diese Ansichten hatte.
Gleich nach ihrer arrangierten Hochzeit mit ihrem Freund und Cousin Yoshio hatte Ikue Uchiha beschlossen, aus dem großen Residenzschloss des Uchiha-Clans auszuziehen, und mit ihrem Mann ein kleineres Reihenhaus im belebten Ortskern von Konoha bezogen. Sie hatte genug davon gehabt, als „Prinzessin Ikue“ angesprochen zu werden, ständig die Blicke der Leute auf dem Familienwappen zu spüren und vor der Residenz ständig auf Leute zu treffen, die nur mit ihr reden wollten, weil sie Yonekos Stammhalterin war.
Kurz nach Hochzeit und dem Umzug war sie schwanger geworden, hatte dem Kampf endgültig abgeschworen und angefangen, nur noch konzentriert als Augenärztin du Neurochirurgin zu arbeiten. Das Kind, ein Junge, wurde am 6. August 1981 geboren und Ikue wusste, dass er ihr ähnlich werden würde. Er wurde Itachi genannt und sein Namen mit den durch ein Orakel genau ausgewählten- Schriftzeichen für „Schmerz“ und „Blut“ geschrieben, woraus sich in der geläufigen Sprache Senningo die Bedeutung „tausendmal Schmerz und Blutstropfen“ ergeben hatte. Es schien ein böses Omen, dass ausgerechnet so ein Name für den Jungen ausgewählt worden war, aber gegen die Namen, die ein Orakel bestimmte, konnte man nichts tun. Und schon kurz nach seiner Geburt hatte sie Itachis ungewöhnlich hohe Sensibilität bemerkt, die sie schon von sich selbst kannte.
Jetzt war er fünf Jahre alt und zeigte bereits alle Anzeichen von sehr großem Talent in allem, was man ihm im Rahmen der traditionellen Erziehung der Uchiha beibrachte. Mit zwei Jahren hatte er begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen und schrieb jetzt schon fließende Texte. Er stand früh morgens auf und trainierte, beherrschte bereits sämtliche 12 Fingerzeichen und erste Jutsus. Yoshio war sehr stolz auf Itachi, machte sich aber auch Sorgen, da der Junge sich weigerte, Mücken zu erschlagen und kaum freiwillig kämpfte. Er schien bereits früh viele Dinge zu begreifen, die zu erfassen erst von weit älteren Kindern erwartet wurde und hatte offensichtlich die hochsensible Persönlichkeit seiner Mutter vollständig geerbt.
Dann war Yoshio zusammen mit Madara und einigen anderen Ninjas an die Front geschickt worden und das war Itachi nicht entgangen. Es schien beinahe unmöglich, etwas vor ihm zu verbergen.
In dem Moment, als Madara gerade Nagato die ersten Leseversuche beibrachte, saß in Konoha ein kleiner Junge mit kinnlangen, dunkelgrauen Haaren und großen, schwarzen Augen am Fenster des Hauses, in dem er mit seiner Mutter allein war, und schaute hinaus. Die Stimmung draußen auf der Straße war dunkel und regnerisch und übertrug sich auf den sensiblen Jungen. Sein hübsches Gesicht mit den kleinen Kerben an der Nasenwurzel sah traurig und nachdenklich aus.
1990 - 1991
Mama zog sich mit dem Test kurz ins Bad zurück, und währenddessen saß ich mit Papa in der Küche und wartete.
Ich hatte länger nicht mehr so richtig über meinen Wunsch nach einem Geschwisterkind nachgedacht, und auf einmal sah es so aus, als erfüllte dieser Wunsch sich jetzt!
„Itachi, du weißt sicher schon, wie ein Kind entsteht, oder?“, fragte Papa.
Ich nickte. „Ja, schon lange.“
„Deine Mutter und ich haben immer mal wieder versucht, noch ein Kind zu zeugen, und vielleicht hat es jetzt mal geklappt. Freust du dich darüber?“
Und mit einem Mal, vielleicht weil es mir jetzt richtig klar wurde, dass ich wirklich ein Geschwisterkind bekommen würde, kamen mir ein wenig die Tränen, ich strahlte Papa an und antwortete: „Ja, sehr!“ Und dann, als ich an diesen Moment vor ein paar Jahren dachte, als ich Mama und Papa nachts gehört hatte, fragte ich: „Das ist schön, ein Kind zu zeugen, oder?“
Papa nickte. „Ja. Die Natur hat es so eingerichtet, dass es Spaß macht, und auch wenn nicht bei jedem Mal ein Kind entstehen kann, ja, es ist schön.“
Ich sah Papa an, und es war wieder einer der seltenen Momente, in denen ich hinter seine strenge Fassade blicken und ihn als den fühlenden Menschen, der er dahinter war, sehen konnte. Er liebte Mama und mich sehr, doch er zeigte das eben selten so deutlich wie hier gerade. In solchen Momenten, wenn er sich so offen zeigte, konnte ich ihm die Strenge, mit der er mich sonst für gewöhnlich behandelte, und seine Verschlossenheit verzeihen.
„Irgendwann wirst du selbst eine Familie gründen, Itachi“, sagte Papa. „Du wirst eine Frau finden, sie heiraten und mit ihr Kinder haben.“
„Ja, vielleicht …“, sagte ich und dachte an die Mädchen, die ich kannte. Ob ich mich irgendwann in eine von ihnen verlieben würde? Im Moment sah es eigentlich nicht danach aus. Aber ich war ja auch erst neun Jahre alt.
Einen Moment später kam Mama aus dem Bad zurück. Sie strahlte über das ganze Gesicht, umarmte Papa und mich und zeigte uns beiden den Test. Der kleine Papierstreifen hatte eine leuchtend blaue Farbe.
„Blau heißt, es hat geklappt!“, erklärte Mama, umarmte Papa noch mal und küsste ihn.
„Ich kriege also wirklich ein Geschwisterchen?“, fragte ich noch mal, obwohl es schon ganz klar war. Aber ich wollte Mama hören, wie sie „Ja“ sagte.
Mama kniete sich vor mich hin, umarmte mich wieder, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und sagte: „Ja. Wir bekommen noch ein Kind.“
Und da, als sie es so sagte, löste sich in mir etwas, ich war sonst selten überschwänglich, aber in diesem Moment freute ich mich so sehr, dass ich aufsprang, wie ein kleines Kind, und erst Mama, dann Papa um den Hals fiel. Ich war so glücklich, dass mein ganzer Körper kribbelte und ich schnell zur Treppe lief, einmal rauf und wieder runter, ganz schnell, und als ich wieder vor Mama stand, lachte sie.
„So sehr freust du dich, mein Spatz?“, fragte sie und küsste mich aufs Haar.
„Ja! Ich wünsch mir schon so lange einen Bruder!“
„Vielleicht wird’s auch ne Schwester?“, warf Papa ein.
„Es wird ein Bruder, da bin ich mir ganz sicher!“
An diesem Tag war ich abends noch mit Shisui zusammen. Zuerst erzählte ich ihm nichts, wir hatten uns verabredet, um zusammen mit einem Buch über Feuerversteck-Jutsu zu lernen und dann ein bisschen zu trainieren. Aber er merkte recht bald, dass ich total kribbelig war, und fragte: „Sag mal, Itachi, ist irgendwas? Du hibbelst wie ein kleines Kind am Geburtstag!“
Ich errötete ein wenig, und dann brach es einfach aus mir raus: „Ich krieg einen kleinen Bruder!“
„Echt jetzt?“
„Ja! Mama kriegt ein Baby, und ich bin mir ganz sicher, dass es ein Junge wird!“
„Wow! Ja, dann ist es kein Wunder, dass du hibbelig bist“, sagte Shisui und lachte. „Du wünschst dir ja schon seit Ewigkeiten ein Geschwisterkind.“ Er grinste und sagte dann: „Bei meinen Eltern wird das wohl nichts mehr. Aber ich hab ja dich, du bist wie mein kleiner Bruder, und dann, wenn das Baby bei euch da ist, sind wir einfach drei Brüder.“
In dieser Nacht lag ich lange wach. Ich blickte an die Decke meines Zimmers und stellte mir vor, wie sich mein Leben verändern würde, wenn das Baby dann da war. Ich freute mich so sehr, dass mir hin und wieder sogar die Tränen kamen, und dachte mir schöne Sachen aus, die ich mit meinem kleinen Bruder erleben wollte. Das Gefühl, ein großer Bruder zu werden, machte mich so über alle Maßen glücklich, und ich schwor mir, der beste, liebste, fürsorglichste große Bruder zu werden, den Konoha Gakure je gesehen hatte.
Die nächsten Monate sind mir als eine Zeit in Erinnerung geblieben, die meine Identität als Bruder formte.
Ich unterstützte Mama überall, wo ich konnte, und oft lag ich mit ihr auf ihrem Bett oder auf der Couch, und ich durfte die Hand oder mein Ohr auf ihren Bauch legen, um das Kind darin zu spüren und zu hören.
Ich begleitete meine Eltern auch manchmal zu den Untersuchungen bei der Frauenärztin, und so war ich auch dabei, als festgestellt wurde, dass das Kind tatsächlich ein Junge war.
Einmal, da kam ich gerade von Oma Yonekos Teehaus zurück, da sah ich im Schaufenster eines Spielzeuggeschäftes eine Stofftier, das mich irgendwie ansprach. Es war ein grünes Echsenwesen, vielleicht ein kleiner Drache, und ich ging einfach in den Laden und kaufte es. Somit hatte ich ein Geburtsgeschenk für meinen kleinen Bruder, ich versteckte es zu Hause in meinem Schrank.
Und meine Familie war nicht die einzige, in der ein Baby erwartet wurde: Kushina und Minato hatten ebenfalls mit der Familiengründung begonnen! Ein, zwei Monate nach Mamas positivem Schwangerschaftstest kam Kushina freudestrahlend zu uns nach Hause und erzählte, dass sie ebenfalls ein Kind erwartete.
Unser Baby sollte im Juli kommen, Kushinas im Oktober, und so planten Mama und Kushina dann zusammen, wie sie ihre dann ja in etwa gleich alten Kinder gemeinsam erziehen wollten. Minato und Papa machten ebenfalls Pläne, es wurde über Patenschaft und solche Dinge gesprochen.
Als dann herauskam, dass auch Kushina und Minato einen Jungen erwarteten, erzählte ich das Shisui, der daraufhin meinte: „Dann werden wir halt vier Brüder.“
Damals ahnte wirklich niemand, was noch geschehen würde, und dass aus dem gemeinsamen Aufziehen der erwarteten Kinder nicht viel werden würde …
Aber dazu später mehr …
Im sechsten Monat von Mamas Schwangerschaft fand in Oma Yonekos Haus eine Zeremonie statt, um, wie es in unserer Familie üblich war, den Namen des Kindes und die Schriftzeichen dafür durch ein Orakel bestimmen zu lassen. Auch ich hatte meinen Namen durch so eine Zeremonie erhalten. Das Orakel war eine sehr alte Frau aus den Bergen, die eigens für die Zeremonie gerufen wurde und ins Dorf kam, und dann mit verschiedenen Utensilien und durch ein spezielles Jutsu bestimmte, welchen Namen ein Kind bekommen sollte. In meiner Familie war das Tradition, und auch die Sennin und die Hyuuga nutzten meist das Orakel für die Namen ihrer Kinder.
Mein eigener Name, Itachi, war wie gesagt auch durch dieses Orakel bestimmt worden, und die Zeichen, mit denen man ihn schrieb, hatten damals für einige Aufregung gesorgt, weil es sich um zwei Zeichen handelte, die gewissermaßen ein unheilvolles Omen darstellten: Das Zeichen für Schmerz und das für Blut waren in der Schriftrolle des Orakels erschienen, und ein Nicht-Beachten dieses Omens galt als Verbrechen am Orakel und als noch schlechteres Omen. Ich wurde also Itachi genannt und man schrieb meinen Namen mit diesen Zeichen, doch um das Ganze ein wenig zu mildern, erhielt ich als zweiten Vornamen den Namen meines Vaters Yoshio. Das Orakel war damit einverstanden, auch wenn zweite Vornamen eigentlich unüblich waren.
Und jetzt, fast zehn Jahre später, hofften alle sehr auf einen glücklicheren Namen für meinen Bruder, es wurde gebetet, dass es ein schöner Name mit Zeichen, die Gutes bedeuteten, werden würde.
Das Orakel erkundigte sich bei meinen Eltern und mir, ob inzwischen irgendetwas passiert sei, was durch das schlechte Omen meines Namens erklärbar gewesen wäre. Doch eigentlich war nichts von dem passiert, was sie vorausgesehen hätte. Die einzige Sache, die laut ihrer Ansicht einen Zusammenhang zu den Schriftzeichen meines Namens anzeigte, war meine hochsensible, für einen Ninja nicht gerade passende Art, und dass ich beim Erwachen meiner Sharingan blutige Tränen geweint hatte.
Während der Zeremonie, die ungefähr eine Stunde dauerte, spürte ich, wie Mama neben mir immer aufgeregter wurde. Sie hatte die Hände auf ihrem Bauch liegen und atmete tief ein und aus.
Ich sah sie an und legte meine Hände auf ihre. Dann schaute ich wieder zu der Schriftrolle, auf der Namen und Zeichen auftauchten und wieder verschwanden, und schließlich blieben zwei Zeichen zurück, die sich zusammensetzten.
Das Orakel berührte die Zeichen, sie blieben an ihren Händen hängen, und dann verkündete sie, dass das Baby, mein kleiner Bruder, Sasuke heißen sollte, geschrieben mit den Zeichen „klein“ und „Helfer“, was eine sehr positive Bedeutung ergab.
Papa erhob sich und fügte hinzu, dass auch mein Bruder einen zweiten Vornamen erhalten sollte: Ikuto, also die männliche Form von Mamas Namen Ikue.
Ich sah wieder Mama an, sie wirkte sehr erleichtert.
„Sasuke Ikuto also …“, sagte sie leise und bewegte die Hände auf ihrem Bauch. „Sasuke …“
„Ich find den Namen schön“, sagte ich zu ihr.
Mama lächelte strahlend. „Ich auch.“
Es war Frühling und wurde Sommer, erst ging der Mai vorbei, dann der Juni, und Mama blieb mit der Zeit immer mehr zu Hause, sie pausierte ihre Arbeit im Krankenhaus und empfing nur noch Patienten in ihrer Praxis bei uns im Haus. Ende Juni war auch das vorbei, die Wärme des Sommers und die körperliche Beanspruchung durch die Schwangerschaft setzten ihr zu, und ich blieb auch zu Hause. Auf Missionen ging ich derzeit sowieso nicht, und an der Universität machte ich in dieser Zeit auch nicht viel. Sobald ich mein tägliches Pensum an Training und Lernen geschafft hatte, war ich nur noch für Mama da, versorgte sie mit Tee und kochte Essen für sie und Papa.
Als ich an einem warmen Abend Anfang Juli mit Papa auf der Terrasse saß und wir gemeinsam das aßen, was ich gekocht hatte, sagte er: „Ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal so gesagt habe, Itachi, aber … ich bin wirklich stolz auf dich. Und nicht nur, weil du ein so begabter Shinobi bist. Wie du Mama jetzt hilfst und sie unterstützt, das ist wirklich toll. Ich hatte ein wenig Sorge, dass andere dich deshalb für … mädchenhaft halten könnten, aber du machst das so gut, dass es mir egal geworden ist. Du machst deinen Weg wirklich gut, mein Sohn, und du wirst deinem Bruder ein hervorragendes Vorbild sein.“
„Ich freu mich so auf ihn …“, sagte ich leise. „Ich hab mir … immer schon einen kleinen Bruder gewünscht …“
Papa lächelte. „Bald wirst du ihn kennen lernen. Ihr werdet sicher ein gutes Team.“
In dem Moment hörten wir Mamas Stimme von oben aus dem Schlafzimmer: „Yoshio … Itachi …“
Ich sprang auf, rannte ins Haus und die Treppe rauf in Mamas Zimmer, sie lag auf dem Bett und sah aus, als ob sie Schmerzen hätte.
„Mama? Alles okay?“, fragte ich.
„Ich glaube … ja … Es sind nur … Übungswehen, der Termin ist doch erst zum 20. Juli …“, antwortete sie und keuchte vor Schmerz.
Papa ging zu ihr hin und half ihr, sich anders hin zu legen, und es dauerte nicht lange, dann hatte sie sich wieder beruhigt und alles schien wieder okay.
Als ich an diesem Abend in meinem Zimmer im Bett lag, dachte ich darüber nach, was es für Frauen bedeutete, Kinder zu bekommen. Es war etwas, das ich als Junge kaum verstehen konnte, aber ich hatte wirklich große Achtung vor Mama und allen anderen Frauen, die Kinder bekamen. Es war offensichtlich sehr schwer und nötigte mir größten Respekt ab. Wenn ich daran dachte, dass aus den Mädchen, mit denen ich befreundet war und meine Tage verbrachte, mit der Zeit Frauen wurden, die Kinder bekamen … Ich fand es wirklich bewundernswert.
Es dauerte von diesem Abend an nicht mehr lange, bis Mama sich im Krankenhaus auf der Gynäkologischen Station anmeldete und dort blieb. Sie war sich über den Geburtstermin nicht ganz sicher und wollte zur Sicherheit lieber im Krankenhaus bleiben. Der geplante Termin war der 20. Juli, aber da ich selbst drei Tage zu früh geboren worden war, rechnete Mama damit, dass dieser Termin auch nicht ganz sicher war.
Die Tage ab dem 18. Juli verbrachte ich in steigender Aufregung. Ich traf mich mit meinen Freundinnen, und auch mit Shisui, und allen, mit denen ich zu tun hatte, fiel auf, wie aufgeregt ich war. Inzwischen wusste das ganze Dorf, dass in meiner Familie ein Baby erwartet wurde, selbst viele der Zivilisten, zu denen auch meine Freundin Yuki mit ihrer Familie gehörte, sprachen mich auf der Straße an und fragten, wie es Mama ging. Es stand zwar nicht direkt in der Zeitung, war aber schon ein Teil des Dorfgespräches: Im Hauptzweig des Uchiha-Clans wurde ein zweiter Erbe erwartet!
Um meine Aufregung irgendwie zu regulieren, bastelte ich eine Reihe von Geschenken und Talismanen, ich schrieb den Namen Sasuke Ikuto als Kalligrafie auf viele Blätter Papier und flocht diese in Stroh ein, und diese Talismane schickte ich mit der Post zum Feuertempel, damit sie gesegnet werden konnten.
Als diese Talismane wieder zurück kamen und den Stempel des Feuertempels trugen, brachte ich sie zum Krankenhaus.
Es war der 22. Juli, und Papa hatte sich Urlaub genommen, um den ganzen Tag bei Mama sein zu können.
Oma Yoneko buchte eine Kutsche und Pferde für die Zeremonie, mit der Mama und das Baby vom Krankenhaus aus zu uns nach Hause zurück begleitet werden sollten. Es würde ein Festtag werden, genau wie damals bei meiner Geburt.
In der ganzen Vorbereitung wurde mir die Aufregung einmal doch zu viel, und ich lief raus aus dem Dorf in den Wald. Ich rannte einfach los, um meine Energie loszuwerden, weil ich es sonst gar nicht mehr aushielt vor Kribbeligkeit.
Und dabei fand ich etwas, das in dieser Situation wirklich sehr … unpassend kam:
In einem Waldstück hinter dem Felsplateau entdeckte ich sehr eigenartige Spuren, die für den Laien wie gewöhnliche Kampfspuren aussahen, aber für mich mit meinem Sharingan war deutlich, dass sich hier kein Mensch herumgetrieben hatte. Es war mindestens eine Kreatur hier gewesen, und es sah fast aus, als hätte sich hier … ja, ein sehr mächtiges Wesen herumgetrieben.
Es erinnerte mich an die Bilder von Bijuugeist-Spuren aus meinen Universitätsbüchern. Aber wer oder was auch immer hier gewesen war, es war ein intelligentes Wesen gewesen, das darauf geachtet hatte, keine groben Spuren zu hinterlassen. Oder … es gab noch etwas, das solche Spuren hinterließ: Es war keiner der neun Bijuu, sondern etwas, das mit ihnen verwandt war: Das Jubi, wobei es weniger ein „Es“ als eine Ansammlung von sehr besonderem Chakra war. Wenn man Chakra wie Blutgruppen klassifizierte und davon ausging, dass die meisten Wesen, die Chakra besaßen, entweder A, B, AB oder O hatten, dann war „Jubi“ quasi O Resus negativ, gewissermaßen ein Universal-Chakra.
Jubi war nicht „intelligent“, jedenfalls nicht im menschlichen Verständnis. Es war auch kein zehnter Bijuu, auch wenn sein Name dies vermuten ließ. Und weil es so einzigartig war, gab es so gut wie keine sicheren Informationen darüber, wie man dieses Chakra überhaupt nutzen konnte.
Dass es sich hier in der Nähe aufgehalten hatte, war kein gutes Zeichen. An sich war Jubi nicht gefährlich, es war sich seiner Macht nicht „bewusst“. Aber sein Auftauchen konnte auch das Auftauchen eines wirklichen Bijuu-Geistes bedeuten, und das war wirklich extrem gefährlich.
Ich lief ins Dorf zurück und in die Uni, suchte in der verschlossenen Abteilung der Bibliothek nach dem einzigen mir bekannten Buch, das überhaupt das wenige Wissen über Jubi-Chakra enthielt, ich wusste, es gab so ein Buch … Aber es war verschwunden. Und ich hatte irgendwie, ich wusste nicht warum, den Verdacht, dass Madara es vor seinem Verschwinden mitgenommen hatte.
Ich wusste nicht, ob und wem ich davon erzählen sollte. Jubi war für die meisten Leute nicht viel mehr als eine Legende, da kaum jemand es je gesehen und sein Aussehen bestätigt hatte. Aber dass auch ein echter Bijuu auftauchen würde, davor musste ich warnen, das war meldepflichtig und wirklich eine Gefahr.
Ich lief in die Polizeistation, Papas gleichrangiger Kollege Shinji war da und ich erzählte ihm unter vier Augen von meiner Entdeckung.
„Es ist richtig, dass du mir das erzählt hast, Itachi. Ich werde ein Spezialteam rausschicken, die werden sich das anschauen und feststellen, ob die Gefahr eines Bijuu-Angriffes besteht. Wir hatten das lange nicht, aber es ist nun mal bekannt, dass Konoha Gakure sich auf dem Grund und Boden befindet, der in früheren Zeiten dem Kyuubi als Territorium diente.“
„Ich hab keine Kyuubi-Spuren gesehen, nur Anzeichen von Jubi-Chakra.“
„Vielleicht haben wir auch noch etwas Zeit. Aber wir beobachten das. Kyuubi war lange nicht hier, und manchmal taucht er auf, um sein Land zurück zu fordern.“ Shinji schrieb etwas in eine Schriftrolle und verstaute diese vorn in seiner Uniform. Dann hob er die Hand und strich mir über den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, Itachi. Wir haben so viele starke Leute, und wir haben Kyuubi bisher immer wieder in die Flucht geschlagen. Denk jetzt an deine Familie, deine Mutter bekommt ein Baby und dort solltest du jetzt hingehen.“
Auf dem Weg zum Krankenhaus traf ich Kushina. Sie war in ihrer Schwangerschaft ja noch nicht so weit wie Mama, und hatte Blumen dabei, um sie ihr zu bringen.
Wir gingen zusammen hinein, und ich hatte das Gefühl, dass es Kushina irgendwie nicht so richtig gut ging. Vielleicht bereitete die Schwangerschaft ihr Probleme, oder es war die Sommerhitze, die ihr Kopfschmerzen machte …?
„Ikue hat wirklich Glück mit dir, Itachi, du bist so ein liebes Kind“, sagte Kushina, sie blieb stehen, kniete sich kurz vor mich hin und reichte mir eine von den Blumen. „Hier, du kannst doch nicht mit leeren Händen zu deiner Mama gehen …“
Wir gingen zusammen hinein, Mama lag im Bett, Papa saß daneben. Mama hatte Schweißperlen auf der Stirn und sah aus, als hätte sie wieder Schmerzen.
„Itachi …“, sprach sie mich an und lächelte matt. „Alles gut bei dir, Spatz?“
Ich nickte. „Wie geht’s dir, Mama?“
„Es geht langsam los. Ist ja auch schon über den Termin.“ Sie winkte mich zu sich, nahm meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Und ich spürte einen kräftigen Tritt gegen meine Handfläche. Es rührte mich, so sehr, dass mir die Tränen kamen.
„Sasuke …“, dachte ich. „Bald bist du da.“
„Ich will hier bleiben“, sagte ich laut. „Kann ich auch hier übernachten? Wenn es sein muss, schlaf ich auf dem Flur auf einer Bank!“
Papa lachte. „Klar kannst du das. Du kannst aber auch ein Zimmer haben.“
„Ich kann sowieso nicht schlafen“, sagte ich.
Und so blieb ich, als die Ärztin kam, Kushina wieder ging und Papa mich hinaus schickte, draußen auf dem Flur sitzen.
In dieser Nacht schlief ich tatsächlich nicht. Ich saß die halbe Nacht auf dieser Bank auf dem Flur, und als aus dem Zimmer Laute drangen, die sich anhörten, als hätte Mama furchtbare Schmerzen, lief ich hinaus auf den Platz vor dem Krankenhaus, setzte mich dort hin und schaute mir die Sterne an, es war eine klare, warme Sommernacht.
Das Fenster des Zimmers, in dem Mama lag, ging nach vorne raus, ich saß fast darunter, und irgendwann wurde es geöffnet und ich hörte Mama, wie sie schrie, und Papa, wie er ihr beistand, und eine andere Stimme, die der Hebamme.
Und als ich schon woanders hingehen wollte, weil mir Mamas Schreie immer wieder durch Mark und Bein gingen, beugte sich Papa oben aus dem Fenster und rief nach mir: „Itachi! Komm her, es ist da!“
Ich sprang auf und rannte los. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich rannte so schnell, dass ich völlig außer Atem nach vielen Fluren und zwei Treppen oben am Zimmer ankam und keuchend vor der Tür stehen blieb, die Papa in dem Moment öffnete, und ich stürzte ins Zimmer.
Mama lag auf dem Bett, sie sah völlig fertig aus, das Kopfteil des Bettes war hochgezogen, sie lag im Kissen und hatte ein weißes Bündel im Arm, das schrie. Ich rannte zum Bett, und Mama hob das Bündel ein wenig an, so dass ich es sehen konnte. Ich hatte kaum je ein neu geborenes Baby gesehen, und ich war so aufgeregt!
Eine winzig kleine Hand streckte sich mir entgegen, und ich hielt einfach meinen kleinen Finger hin, und als die Hand den Finger griff und fest hielt, sah ich zum ersten Mal das Gesicht meines kleinen Bruders: Er war noch ganz rot im Gesicht und hatte dichtes, tiefschwarzes Haar, das oben am Hinterkopf schon kleine Wirbel erkennen ließ.
„Er ist so … süß!“, brachte ich endlich ein paar Worte heraus. Langsam kam ich wieder zu Atem und beruhigte mich ein wenig, ich berührte mit der anderen Hand die winzigen, roten Wangen, und das Baby, das mein kleiner Bruder war, blinzelte, sah mich an und lächelte.
„Herzlich Willkommen, Sasuke!“, flüsterte ich. „Ich heiße Itachi, ich bin dein großer Bruder.“
Er wollte meinen Finger gar nicht mehr loslassen, und ich ließ ihn, weil es sich so schön anfühlte. Tatsächlich war ich noch viel glücklicher, als ich es mir die ganze Zeit hatte vorstellen können, und Mama und Papa sahen das natürlich.
„Er ist so glücklich …“, sagte Mama leise zu Papa. „So sehr hat er sich einen Bruder gewünscht …“
Ich sah die beiden nicht an, mein Blick klebte fest an dem kleinen Gesicht und den winzigen Händchen und tiefschwarzen Haaren meines kleinen Bruders, und am liebsten wollte ich ihn selbst mal halten, doch ich traute mich nicht, jetzt danach zu fragen, und die Gelegenheit dazu würde ich sicher genug zu Hause haben.
Sasuke hielt immer noch meinen Finger fest, und so hatte ich nur eine Hand frei, um ganz vorsichtig wieder seine winzigen Wangen zu berühren, und es übertraf einfach alles, was ich über die weiche Zartheit von Babyhaut gehört hatte.
„Ich hab dich jetzt schon total lieb, Sasuke“, sagte ich und blieb noch ein bisschen so, weil er meinen Finger einfach nicht loslassen wollte.
1986
Auf einem seiner Streifzüge durch das Regenland und dessen weitere Umgebung hatte Madara einen Ort gefunden, an dem es ihm so gut gefiel, dass er beschloss, mit den Kindern hierher umzuziehen und zu bleiben. Es war eine weite Hochebene, viel Platz und wenig Regen. Und am Rande dieser Ebene stand eine hübsche kleine Hütte, vor der, als Madara sie entdeckte, ein Schild stand mit den Worten „Zu verkaufen“, darunter die Adresse eines Bauern aus dem nächsten Dorf.
Madara suchte diesen Bauern auf, kaufte bei ihm Gemüse und Reis und fragte dann nach der Hütte.
„Die ist noch frei, Sie können sie haben“, sagte der alte Mann und kramte in seinen Taschen nach einem Geldbeutel. „Ich hatte dort oben Felder, aber da wächst nicht genug, deshalb lasse ich sie brach liegen. Ich bin froh, wenn jemand mir diese Hütte abnimmt.“
„Ich habe zwei Kinder dabei, ist die Hütte dafür geeignet?“, fragte Madara.
„Ja sicher. Ich war früher mit meinen eigenen Kindern dort“, antwortete der Bauer. „Ich mache Ihnen einen guten Preis, Kinder brauchen doch einen schönen Ort zum Aufwachsen.“
Und so hatte Madara nun ein kleines, aber feines Haus, einen neuen Ort zum Leben. Er machte sich auf den Weg zurück zur ersten Hütte, wo Nagato und Konan schon auf ihn warteten. Der Weg heute hatte lang gedauert und die beiden hatten Hunger.
„Packt alles zusammen, Kinder, ich hab ein schönes Haus für uns gefunden“, verkündete Madara und hatte im nächsten Moment eine hellauf begeisterte kleine Konan an sich hängen, die ihre Freude darüber gut kundzutun wusste. Nagato war weniger überschwänglich, doch er begann gleich, seine Sachen zusammen zu suchen.
„Wo? Wo? Wo?“, quietschte Konan. „Gibt’s da Sonne?“
„Ja, viel Sonne, so viel wie du willst.“
Als alles zusammengepackt war, verließen die drei die kleine Hütte. Es hatte gerade zu regnen begonnen, aber je weiter sie sich von der Hütte entfernten, umso mehr nahm der Regen ab und als sie das kleine Dorf erreichten, wo der Bauer lebte, schien die Abendsonne. Konan, obwohl noch so klein, lief vorweg, und die goldene Abendsonne ließ ihre braunen Augen ockergelb leuchten. Madara lächelte, er mochte das kleine Mädchen, sie hatte so viel Energie … Und Madara erinnerte sich, dass er selbst mit zwei, drei Jahren ähnlich fröhlich und energiegeladen gewesen war.
Sie kamen an dem Haus des Bauern vorbei, der ihnen die Hütte verkauft hatte. Der alte Mann stand in der Tür seines Hauses und winkte ihnen zu. Und Madara hatte eine ganz spontane Idee: Er ging zu dem Bauern noch mal hin und fragte: „Was würde das Land um die Hütte herum kosten?“
„Man kann dort nicht viel Reis oder Früchte anbauen“, wiederholte der Bauer. „Der Boden ist dort zu hart.“
„Aber Häuser gehen schon, oder?“, fragte Madara.
„Häuser? An sich schon, ja.“
„Dann will ich das Land auch haben.“
Nagato, der neben ihm stand, sah ihn fragend an. „Was willst du mit Häusern?“
Die Idee, das Land mit zu kaufen, war so spontan gewesen, doch mit einem Mal fügte sie sich perfekt in Madaras Pläne ein, es war genau das Richtige, genau das, was er brauchte. Es war ideal.
Wenn er schon Konoha verlassen hatte, um zwei Kinder zu retten und aufzuziehen, dann war der nächste Schritt doch logischerweise, diesen Kindern eine neue Heimat zu bauen. Ein eigenes kleines Dorf, einen Ort wie Konoha, wo es schön und sicher war … Und er, Madara Uchiha, würde somit in die Fußstapfen seines größten Idols treten, er würde genau wie Hashirama Senjuu ein neues Dorf gründen! Die Idee machte ihn augenblicklich euphorisch, er strahlte den Bauern an und fragte: „Was nun? Was kostet das Land?“
Der Bauer nannte einen ebenso guten Preis wie für das Haus allein, und Madara verhandelte nicht weiter, er bezahlte einfach.
Und so hatte er nun Kinder, Haus und Land. Es fühlte sich so richtig gut an, und während er seine Kinder hoch zu dem neu erworbenen Besitz führte, ratterten seine Gedanken, er entwickelte unzählige Ideen, es wurde ein richtiger Flow. Er war jetzt selbst ein Pionier, so wie der Hokage der Ersten Generation, und Madara liebte diesen Fluss seiner Ideen, tausendundeine Inspiration, die sein enthusiastisches Temperament beflügelten.
Als sie oben bei der Hütte waren, hatten sich die Dinge entwickelt. Konan war überschwappend glücklich, sie lief auf ihren kurzen Beinchen pausenlos um die kleine Hütte herum und sah sich alles genau an. Nagato legte seine Taschen ab, nahm sich ein Buch heraus und setzte sich damit vor die Hütte, um Lesen zu üben, und Madara hatte so viele Pläne und Ideen, dass er sich nach dem Auspacken sofort daran machte, diese aufzuschreiben und aufzuzeichnen.
Und während die drei so ihr neues Heim einrichteten, ratterte es in Madaras Kopf weiter, bis zu einem Punkt, an dem er plötzlich stockte:
„… ich könnte ja Izuna fragen, ob er mitmachen will …“
Für ein neues Dorf wurden neue Leute gebraucht. Starke Leute mit Fähigkeiten und Ideen. Und da die meisten der guten Kräfte schon zu einem der großen Reiche gehörten, würde Madara sich woanders auf die Suche nach diesen Leuten machen müssen.
Es gab schon auch eine Menge starke Kämpfer in verschiedenen Nischen im Untergrund, aber Madara, der immer in Konoha gelebt und nur in der Sicherheit des Feuerreiches gearbeitet hatte, kannte die Verbindungswege zum Untergrund noch nicht gut genug. Izuna dagegen lebte schon so lange außerhalb dieser Sicherheit, dass er, wenn Madara ihn denn fand, sicher wissen würde, wie man an diese Leute herankam.
Das einzige Problem dabei war: Madara hatte keine Ahnung, wo Izuna sich aufhielt, und auch nicht, ob sein Halbbruder denn überhaupt Lust haben würde, mit ihm zu reden. Als Kinder waren sie sich noch nah gestanden, aber Madara war immer Yonekos Liebling gewesen und Izuna hatte sich von Yoneko zu sehr unter Druck gesetzt und schlecht behandelt gefühlt, und hatte deshalb auch Konoha verlassen.
Seitdem lebte er irgendwo im Untergrund, unabhängig und für niemanden zu finden, von dem er nicht gefunden werden wollte. Und Madara wusste eben nicht, ob Izuna überhaupt zulassen würde, dass er ihn suchte und fand.
Während dieser Gedanken hatte Madara das Kochfeuer des Häuschens angefacht, und als er wieder aufblickte, stand Nagato vor ihm.
„Was denkst du?“, fragte der Junge.
„Willst du’s wissen?“
„Ja.“
„Ich habe einen Bruder, einen Halbbruder, der lebt schon lange irgendwo weit weg, und ich frage mich, ob ich ihn wohl finden könnte …“
Nagato sah ihn einen Moment lang stumm an, seine lilafarbenen Augen waren kaum zu lesen, und dann fragte er: „Will er denn?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Madara. „Ich könnte ihn jetzt brauchen, aber ich weiß wirklich nicht, ob er mit mir reden würde.“
Nagato sah ihn wieder nur stumm an, länger als zuvor, dann setzte er sich auf den Boden, blickte auf seine Hände und sagte: „Ich hab auch … so was wie nen Bruder.“
„So was wie? Was heißt das?“
„Er ist genau so alt wie ich und sieht auch aus wie ich, aber wir hatten nicht dieselben Eltern.“
„Wie heißt er?“
„Yahiko.“
„Und wo ist er geblieben?“
„Ich weiß es nicht. Ich hoffe, er ist entkommen.“ Zum ersten Mal sah man Nagato ein leises Gefühl an, während er sprach. Es war sichtbar, dass er fürchtete, Yahiko könnte umgekommen sein. Und es war zu sehen, dass er deswegen kaum Gefühle zeigte, weil er Angst vor ihnen hatte. „Wie heißt dein Bruder?“
„Izuna.“
„Und warum ist er weg?“
„Er hatte Ärger mit unserer Großmutter. Sie ist sehr streng und er brauchte seine Freiheit, deshalb ist er gegangen.“
Nagato blickte zur Seite, aus dem Fenster, wo Konan draußen in der Sonne saß und das Licht genoss.
„Ich hoffe, du findest ihn“, sagte er.
Madara lächelte. „Danke.“
Am nächsten Tag machte Madara sich wieder auf den Weg. Zuerst holte er Nahrungsmittel aus dem Dorf, brachte die nach Hause, und dann ging er wieder los.
Sein Ziel war eine Stadt in der Nähe, ein Postzentrum, wo viele Zivilisten lebten. Er hatte irgendwann mal gehört, dass diese Stadt einen gewissen Markt für Glücksspiel unterhielt und das zog sicher auch Untergrundpersonen an. Diese wollte er suchen, ansprechen, Informationen von ihnen sammeln. Für diesen Weg hatte er seine Rüstung zu Hause gelassen, und von seinen Waffen auch nur die Kunai und ein kleines Kurzschwert mitgenommen.
Als er die Stadt erreichte, fragte er sich bis zum Casino durch. Zur Sicherheit, um nicht gleich als Madara Uchiha dort erkennbar zu sein, kaufte er sich an einem Stand am Straßenrand eine bunte Tiermaske mit einem Vogelgesicht, die setzte er auf und betrat das Casino.
Drinnen bemerkte er, dass er nicht der einzige mit einer Maske war, er hatte hier offenbar tatsächlich den Treffpunkt der Untergrundszene erwischt, den darin saßen viele solcher maskierter Gestalten.
Die Luft hing voller Rauch, die Tische mit den Pokerspielern waren wie im Nebel. Es war relativ ruhig, Worte wurden mehr geflüstert denn gesprochen, und jeder achtete darauf, unauffällig und mit Pokerface da zu sitzen und sich nicht betrügen zu lassen.
Bis plötzlich einer der Männer aufsprang, krachend seinen Stuhl umwarf und seine Pokerchips auf en Tisch knallte. „Mir reichts! Du ziehst mich nicht noch mal ab!“
Der Mann ihm gegenüber saß im vollkommenen Nebel, war schon dadurch kaum zu erkennen, und als er sich langsam erhob, war zu sehen, dass er eine Maske aus Stoff trug, eine Kopfbedeckung und ein Tuch vor Mund und Nase, nur seine leeren, grünlichen Augen waren zu sehen. Er stellte einen metallenen Koffer auf den Tisch, sammelte in aller Ruhe das auf dem Tisch liegende Geld ein und sagte nichts weiter als: „Tja, ich bin die Bank, und die Bank hat keine Geduld.“ Der Koffer war prall gefüllt mit Unmengen an Geldscheinen, die höchsten Noten.
Madara ließ seine Spontanität entscheiden. Dieser Mann hatte offensichtlich Geld, Macht und Ahnung davon, und das war das, was Madara suchte. Er brauchte Geld, um Izuna zu suchen, denn viele Kämpfer im Untergrund ließen einen jede Information immer erst mal Geld kosten. Und Poker war zwar nicht gerade etwas, das er mochte, aber etwas, das er konnte. Allein schon durch die Sharingan und deren Fähigkeit, einen anderen Menschen nahezu vollständig zu durchschauen.
Madara trat auf den Tisch zu, an dem der Mann mit dem Geldkoffer saß, und sagte einfach: „Ich will ne Runde pokern.“
Der Mann sah ihn mit den grünlichen Augen an, zog die Brauen zusammen.
„Wenn du denkst, dass du gewinnen kannst?“
„Denke ich. Ja.“
„Da bin ich ja mal gespannt. Ich hab noch nie verloren.“
„Herausforderung angenommen.“ Madara lächelte hinter seiner Maske und wusste, dass man es an seiner Stimme hören konnte.
Der andere Mann legte die Chips auf den Tisch, und das Spiel begann. Und schon sehr bald musste Madara feststellen, dass dieser Mann ein echter Profi war. Zuerst hatte er gedacht, er würde seine Sharingan nur indirekt brauchen, doch sehr schnell wurde es notwendig, sie direkt einzusetzen, denn sein Gegner beherrschte ein für normale Augen und normale Intuition absolut überwindbares Pokerface.
Es war schon eine gewisse Entblößung, dass Madara die Sharingan einsetzen musste, denn damit machte er sich identifizierbar. Doch der Andere schien sich dafür kaum zu interessieren, der war voll fokussiert auf das Geld. Und so wurde aus dem Pokerspiel ein Kampf, bei dem Madara nach und nach herausfand, dass sein Gegner nicht nur „die Bank“, sondern ebenfalls ein guter Kämpfer war. Für die anderen im Raum war von diesem Kampf nicht viel zu sehen, es war ein Kampf am Tisch, ein Kräftemessen im Untergrund.
Zum Ende hin war es eine einzige Karte, die über den Ausgang des Spiels und des Kampfes entschied. Die Karten waren ein Spiel aus dem Feuerreich, und es gab die Karte „Mondlicht“, die so viel bedeutete wie ein vierfaches Ass. Dass gerade diese Karte über den Ausgang dieses Spiels entschied, war für den symbolisch denkenden Madara ein Zeichen des Schicksals, es war außerdem seine persönliche Lieblingskarte. Und als er sie mit einem triumphierenden „Bitte sehr!“ auf den Tisch legte, machte der andere auch wirklich überraschte Augen.
„Wie … wie hast du das gemacht?“, fragte er mit einem heiseren Ton in der Stimme.
„Das ist meine Glückskarte“, sagte Madara. „Und jetzt verrätst du mir deinen Namen.“
Sofort hatte der Andere seine Fassade wieder zurechtgerückt. „Du zuerst.“
„Was denkst du, wer ich bin?“, setzte Madara seine eigene Fassade als letztes Pfand ins Spiel ein.
Der Andere senkte die Stimme, beugte sich minimal vor und sagte: „Du bist Madara Uchiha.“ Dann stellte er seinen Koffer wieder auf den Tisch. „Du hast mich besiegt, Madara Uchiha.“
„Jetzt packst du aber aus, verstanden?!“
„Mein Name ist Kakuzu.“
Madara hob seine Maske am Kinn etwas an und lächelte.
„Komm mit“, sagte Kakuzu. „Ich zeig dir was.“ Er erhob sich und Madara folgte ihm in den Hinterhof des Casinos. Dort angekommen, zog Kakuzu einen Umschlag aus einer Tasche. „Weil du mich besiegt hast. Du suchst deinen Bruder, oder?“
„Kennst du Izuna?“ Madara nahm die Maske ab.
„Flüchtig, hin und wieder. Er hat mich auch mal besiegt.“
„Weißt du, wo er ist?“
Kakuzu antwortete nicht. Er hielt Madara nur den Umschlag hin, Madara nahm diesen entgegen, öffnete ihn. Darin befand sich eine kleine Aktenmappe mit verschiedenen Zetteln.
„Das ist alles, was ich über ihn weiß“, sagte Kakuzu dann. Er öffnete seinen Koffer, zählte Madaras Gewinn ab und drückt ihm diesen in die Hand. Madara rechnete schon damit, dass Kakuzu dann gehen und verschwinden würde, doch der andere Mann blieb stehen.
„Was hast du vor? Du bist doch sicher desertiert?“, fragte dieser.
„Ich will etwas Neues aufbauen.“
Und, ganz einfach, wie nichts Ungewöhnliches, sagte Kakuzu: „Ich mache mit. Du brauchst Leute, ich kenne genug. Melde dich wieder.“
„Wie finde ich dich?“
„Irgendwo nach Kakuzu fragen. Ich bin die Bank im Untergrund.“
„Alles klar.“
Nach diesem Gespräch war Kakuzu verschwunden, nach der Art eines Kämpfers. Er war also nicht nur im Pokern und im Geld stark, sondern hatte sicher auch besondere Fähigkeiten als Ninja.
Madara blieb noch einen Moment hier, in diesem Hinterhof eines Casinos, zählte das Geld kurz durch und dachte noch ein bisschen über diese Begegnung nach. Kakuzu war offensichtlich eine sehr zwielichtige Person, stark und gefährlich für die, die sich ihm in den Weg stellten. Madara war sich noch nicht ganz sicher, ob er mit so jemandem zusammen arbeiten wollte.
Er wollte erst einmal abwarten, erst Izuna suchen. Und vielleicht begegneten ihm auf dem Weg dahin noch andere Leute? Und wenn Izuna nicht mitmachen wollte, konnte er sich immer noch an Kakuzu wenden.
Auf dem Weg zurück in sein neues Zuhause hielt er noch einmal in einem kleinen Lokal am Wegesrand, kaufte noch Reisbällchen und Gemüse für die Kinder und setzte sich kurz, öffnete den Umschlag und sah sich die Zettel an, die er von Kakuzu bekommen hatte. Dort standen verschiedene Orte und Adressen, mit Datum versehen, an denen Izuna sich wohl immer wieder aufgehalten hatte. Die meisten dieser Orte waren sehr weit entfernt, nur ein oder zwei etwas mehr in der Nähe. Die nächstliegende Adresse befand sich im Wind-Reich, auf der anderen Seite der Berge. Und am Datum zu dieser Adresse war zu erkennen, dass Izuna diesen Ort nur selten nutzte. Es würde also ein Glückstreffer sein, sollte Madara ihn dort antreffen. Natürlich, denn er musste davon ausgehen, dass Izuna nicht gefunden werden wollte.
„Vielleicht halte ich mich doch an Kakuzu?“, dachte Madara. „Der hat mir zugesagt, und über ihn könnte ich an noch mehr Leute herankommen.“
Er stand auf, bezahlte und setzte seinen Heimweg fort. Zu Hause, in seinem neuen Heim, warteten schließlich zwei Kinder auf ihn, die es zu versorgen galt.
Als er das Haus betrat, fand er Nagato umringt von Büchern, der Junge lernte, er las Konan alles vor, was er schon lesen konnte. Konan hörte aber nur mit halbem Ohr zu, sie hatte eins der provisorischen Lesezeichen aus den Büchern in der einen Hand und eine Glasmurmel in der anderen, und spielte mit dem Regenbogenlicht, das durch die Murmel auf das Papier fiel. Als sie Madara bemerkte, sprang sie auf, lief auf ihn zu und strahlte ihn an.
„Ich hab Licht gemacht!“, verkündete sie. „Das Papier glitzert!“
Madara lachte. „Schön!“
Nagato stand jetzt ebenfalls auf, begrüßte Madara und zeigte ihm, wie weit er schon beim Lesenlernen war.
„Habt ihr Hunger?“
„Jaaa!“, quietschte Konan.
Madara packte die Reisbällchen aus, legte diese auf einen Teller und bot sie den Kindern, seinen Kindern, an. Und während die aßen, fand Madara die Glasmurmel auf dem Boden und daneben kleine Papierstücke, die mal Lesezeichen in den Büchern gewesen waren, meist Kassenbelege davon, wo er die Bücher gekauft hatte. Und eins davon war bearbeitet, gefaltet, zu einem einfachen, kleinen Origami-Herz.
„Nagato? Kannst du Origami?“, fragte er.
„Nee, wieso?“
Madara hielt das Papierherz hoch. „Hier.“
Nagato zog die Augenbrauen zusammen, sah erst Madara an, dann Konan, und die grinste wie ein Honigkuchenpferd.
„… Konan?“, fragte er ungläubig.
Sie strahlte. „Ich hab das gemacht!“ Mit einem Satz sprang sie auf, hob eins der offen herumliegenden Bücher auf und deutete darauf. „Da sind Bilder drin, so hab ich das gemacht.“
„Wirklich?“, fragte Madara. Ihm war sofort klar, dass er hier gerade ein ungewöhnliches Talent entdeckt hatte: Ein Kleinkind von kaum drei Jahren, offensichtlich hochintelligent und in der Lage, aus einer Bildanleitung, ohne lesen zu können, ein Origami zu falten. Dass Konan schon so klar sprach und genau wusste, was sie wollte, war schon an sich bemerkenswert, aber dass sie sich zudem so etwas selbst beigebracht hatte, musste bedeuten, dass sie wirklich begabt war. Madara fühlte sich an Itachi erinnert, der mit zwei, drei Jahren auch schon ähnliche Dinge gekonnt hatte.
„Konanchen, du bist echt unglaublich.“
Sie grinste. „Voll gut, ne?“
„Mach weiter damit. Immer schön üben“, sagte Madara. Er fühlte, wie Konans Begeisterung und ihr Talent sein Herz erwärmten. Kinder zu unterrichten und ihre Talente zu fördern war etwas, das er sehr liebte, und wenn er ein offensichtlich so hochbegabtes Kind wie Konan vor sich hatte, das seine Freude daran, sie zu fördern, freudig aufnahm wie ein Schwamm, machte ihn das sehr, sehr glücklich.
„Willst du auch Lesen lernen?“, fragte er sie.
„Ja! Ja! Ja!“
An diesem Abend begann Madara, noch gezielter mit den beiden Kindern zu lernen. Vor allem Konan war eine äußerst bereitwillige Schülerin, die alles, was man ihr zu lernen anbot, annahm und ausprobierte. Und so war es einfach, herauszufinden, was sie besonders gut konnte und was ihr gefiel. Als Madara sie fragte, wie sie darauf gekommen sei, das Papier zu falten, antwortete sie: „Ich fand das Licht so toll. Es war ein Regenbogen auf dem Papier, und der sollte größer werden. Ich habs geknickt, und dann wurde er mehr.“
Nagato war zurückhaltender, doch auch er lernte schnell. Madara hätte zu gern gewusst, was es mit den Augen des Jungen auf sich hatte, doch das fand er an diesem Abend noch nicht heraus.
Nachts, als die Kinder schliefen, dachte Madara noch mal über die Begegnung mit Kakuzu nach. Er konnte dessen Fähigkeiten an sich gebrauchen. Und weil Kakuzu so überraschend zugesagt hatte, mit ihm zusammen arbeiten zu wollen, fragte Madara sich, in welcher Form solche Geschäfte ablaufen könnten …
1986 - 1987
Über ein dreiviertel Jahr lang baute sich ein gewisser Alltag auf, ein täglicher Rhythmus, dem Madara und die beiden Kinder nachgingen. Nagato lernte in dieser Zeit gut lesen und schreiben, und nachdem klar war, dass auch Konan, obwohl viel jünger, auch schon vieles verstand, unterrichtete Madara die beiden gleichzeitig. Nachmittags ließ er die beiden Kinder dann öfter allein, um sich auf langen Streifzügen durch die Umgebung ein Bild des Landes und seiner Bewohner zu machen.
Die Gegend war bis auf einzelne Bauerndörfer recht dünn besiedelt und die nächste Stadt einen Weg von sechs Stunden entfernt. Madara lernte auf diesen Streifzügen einige Leute kennen, Bauern, Handwerker, Kaufleute, deren Dienste er in Anspruch nahm, um das Haus zu einem schönen Heim zu machen und darum herum einen kleinen Garten anzulegen.
Das weitere Land um das Haus herum war, wie der Vorbesitzer schon gesagt hatte, tatsächlich wenig fruchtbar, und so beschloss Madara, diesen Grund und Boden nach und nach mit Häusern zu bebauen. Dafür brauchte er Arbeitskräfte und Material, also nahm er wieder Kontakt mit dem Bauern auf, und dieser vermittelte ihm Zimmerleute, die ihm dabei halfen, die erste kleine Hütte auf das weite Feld zu stellen. Die Leute in den Bauerndörfern hier schienen sich kaum dafür zu interessieren, für wen genau sie arbeiteten, jedenfalls stellten sie kaum Fragen, auch nicht nach dem Grund, warum Madara hier oben Häuser bauen wollte.
Bei diesen Bauarbeiten stellte sich heraus, dass es hier oben doch einige fruchtbare Stellen im Boden gab, vor allem am Rand um die harten Flächen herum und in der Nähe der bereits bestehenden Hütte. Diese Bereiche wurden dann natürlich nicht bebaut, stattdessen probierte man aus, welche Früchte dort wuchsen.
Reisanbau stellte sich als schwierig heraus, doch der Bauer, bei dem Madara schon das Haus und das Land gekauft hatte, zeigte ihm eine Stelle etwas weiter unterhalb der Hochebene, wo sich Reis anbauen ließ und diese stellte er zur Verfügung.
Und als die räumlichen Grundlagen gelegt waren, machte Madara sich wieder auf die Suche nach Leuten, mit denen er das Dorf aufbauen konnte.
Diese Suche nach Mitbegründern des Dorfes war der Moment, in dem Madara sein Verlassen von Konoha bereute, denn so war er gezwungen, sich mit Leuten zu umgeben, die schon im Untergrund lebten. Das war eigentlich nicht der Typ von Kämpfer, den er für sein Projekt, ein Dorf nach den Regeln des Ersten Hokage aufzubauen, dabei haben wollte, denn schließlich ging es um Sicherheit für Kinder.
Schließlich, als das letzte der ersten Häuser fertig war, das erste Feld angelegt und bepflanzt, und Konan und Nagato gut genug darin, mal zwei Tage allein zu Hause zu bleiben, beschloss Madara, sich doch auf die Suche nach Izuna zu machen. Der erste Ort, den Kakuzu ihm genannt hatte, befand sich ja im Windreich, in der Wüste, und für diesen Weg brauchte Madara zwei Tage.
Er kaufte also großzügig Essen für die Kinder ein, bat eine Frau aus dem Bauerndorf, ein bisschen auf die beiden zu achten, und machte sich auf den Weg in Richtung Suna Gakure. Irgendwo dort in der Wüste gab es offenbar ein paar Höhlen, und deren Koordinaten standen auf dem Zettel, den er von Kakuzu bekommen hatte.
Der Weg durch die Wüste war lang und anstrengend. Und als auch noch ein Sandsturm aufkam, musste Madara sich dringend nach Schutz umsehen. Er fand tatsächlich, glücklicherweise, eine kleine Höhle in einem Felsen, ging hinein und wollte, musste hier den Sandsturm abwarten. Als dieser jedoch stärker wurde, lief er tiefer in die Höhle hinein. Er leuchtete sich den Weg mit einer kleinen Öllampe und stellte fest, dass sie viel größer war, als es von außen aussah. Sie ging in die Erde hinein, unter dem von oben her klein aussehenden Felsen befanden sich unterirdisch mehrere Kammern, ähnlich wie der untere Teil eines Eisbergs.
Madara ging eine der Treppen hinunter, die in den Stein gehauen waren, und als im Licht der Lampe dann plötzlich ein Gesicht vor ihm an der Wand hing, erschrak er so, dass ihm ein heiserer Laut entwich. Im nächsten Moment erkannte er aber, dass es sich nicht um einen Menschen handelte. Es war der hölzerne Kopf einer Marionette, wie man sie aus Suna Gakure kannte.
Und als er weiter leuchtete, sah er, dass die Wände der Höhle hier mit hunderten dieser Marionetten besetzt waren. Köpfe, Körper, Hände, Beine, und jede Menge Waffen.
Madara blickte sich um, verwundert und neugierig zugleich. War das hier ein geheimes Waffenlager der Marionettentruppe von Suna Gakure? Aber da war kein Schild gewesen, keine Warnung, keine Siegelbombe, nichts dergleichen.
„Hallo?“, fragte er leise in die Dunkelheit. „Ist da jemand?“ Er hatte schon ein Kunai in der Hand, aktivierte seine Sharingan und machte sich auf eine Antwort gefasst.
Doch statt einer fliegenden Waffe oder einem anderen Angriff waren nur leise Schritte zu hören, die aus dem Dunkel auf ihn zu kamen. Madara hielt die Lampe hoch, in die Richtung, aus der die Schritte kamen, und aus der Dunkelheit tauchte das Gesicht eines Jungen auf, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, mit rotem Haar, zarten Gesichtszügen und großen, dunkelbraunen Augen. Er trug ein einfaches, langes Gewand, so wie die meisten in Suna Gakure.
Der Junge blieb stehen, sah Madara mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Es war nicht zu erkennen, was er dachte, sein hübsches Gesicht wirkte ungerührt und distanziert, doch der Junge war in einer Art und Weise schön, um die zu bewundern Madara nicht herumkam. Er sah aus wie eine ewig milde, lächelnde Porzellanpuppe.
„Wer bist du?“, fragte der Junge, seine Stimme klang so ungerührt und neutral, dass Madara sich einen Moment lang fragte, ob dieser Junge nicht einfach nur eine äußerst gut gemachte Marionette war, und er den, der sie führte, im Dunkeln einfach noch nicht sehen konnte. Es konnte noch jemand hier sein …
„Ich bin allein hier“, sagte der Junge, als hätte er Madaras Gedanken gelesen.
„Und was tust du hier?“, fragte Madara.
Der Junge antwortete nicht sofort, sah Madara nur mit diesem ungerührten Gesicht an.
„Ich baue Marionetten“, sagte er dann.
„Bist du aus Suna Gakure?“
„Ja. Aber ich bin weg gegangen.“
„Warum?“
„Dort warten alle auf irgendwas. Ich kann Warten nicht ausstehen.“
Madara versuchte, zu verstehen, was der Junge meinte, doch der sagte nichts weiter dazu und wirkte so regungslos, dass es Antwort genug war, um zu wissen, dass dieses Thema des Wartens für diesen Jungen irgendeinen traumatischen Hintergrund haben musste.
„Wie heißt du?“, fragte Madara, vor allem um die Stille zu brechen.
„Ich bin Sasori“, antwortete der Junge. „Wie heißt du?“
Madara zögerte einen Moment, ob er gleich seinen Namen verraten sollte. Er ließ es erst mal sein und sagte: „Ich bin Dara.“
Wieder dieser ungerührte, undurchschaubare Blick. Dieser Junge hatte mehr Pokerface als Kakuzu!
Der kurze Gedanke an die Begegnung im Casino klappte die Izuna-Schublade in Madaras Innenleben auf, und er fragte ganz einfach:
„Kennst du einen Mann namens Izuna Uchiha?“
Sasori sah kurz so aus, als suchte er in seiner Erinnerung nach diesem Namen, dann sagte er: „Hab ihn mal gesehen, er war auch hier.“
„Wann?“
„Zwei oder drei Monate her …“ Wieder ein ungerührter Blick, dann leuchtete ein winziges bisschen sichtbares Interesse in den Augen des Jungen und er fragte: „Woher kennst du ihn?“
Madara war sich erst nicht sicher, ob er doch jetzt sagen sollte, wer er war, doch während er nachdachte, spürte er, dass der Junge ungeduldig wurde. Sasori sagte nichts, doch er strahlte diese Ungeduld aus.
„Er ist mein kleiner Bruder“, sagte Madara schließlich.
Ein winziges Lächeln huschte über Sasoris Gesicht. „Du heißt gar nicht nur ‚Dara‘, oder?“
„Nein.“
„Ich verrate nichts. Ich kenne niemanden mehr.“
„Du bist alleine?“
„Ja“, sagte Sasori.
Und wieder setzte sich in Madaras Innenleben etwas wie ein Puzzle zusammen. Dieser Junge war erstens heimatlos, zweitens in irgendeiner Weise traumatisiert und drittens offenbar ein guter Marionettenspieler und damit Kämpfer. Er war ideal dafür, ihn mitzunehmen.
„Mein Name ist Madara Uchiha. Ich bin gerade dabei, ein neues Dorf aufzubauen. Hättest du Interesse, mitzukommen? Ich brauche gute Kämpfer.“
„Wenn ich dir nicht zu jung bin …“
„Nein, das ist genau richtig.“
„Wo wäre das?“
„Wir sind im südlichen Regenland, gleich hinter den Bergen, ich habe dort Land und Häuser.“
„Wer ist ‚wir‘?“
„Ich und meine beiden Kinder. Er ist acht, sie ist fast drei.“
Sasori blinzelte, blickte kurz ins Leere, dann sagte er: „Okay. Ich komme mit.“
Als Madara etwa zwei Stunden später wieder aus der Höhle trat, hatte sich der Sandsturm gelegt. Sasori hatte seinen ganzen Besitz in zwei große Taschen verpackt, die Marionetten in ihren Schriftrollen verstaut und trat hinter Madara aus der Dunkelheit in den heißen Sonnenschein der Wüste.
Als sie schon ein gutes Stück weit gegangen waren, stellte Sasori eine zusammenhanglose Frage: „Was denkst du, was ist Kunst?“
„Kunst?“
„Ja. Wie definierst du sie?“
„Hm … Ich denke, das, was man schön findet?“
„Das, was für immer schön bleibt …“, sagte Sasori.
Madara dachte an die Dinge, die er selbst schön fand. Er hatte sich noch nie wirklich Gedanken um Kunst in dem Sinne gemacht. Kampfkunst, Jutsu, diese Art von „Kunst“. Aber bildende, dekorative Kunst war nicht gerade sein wichtigstes Interesse …
„Bist du denn ein Künstler?“, fragte er.
Sasori lächelte. „Ja. Ich kann schöne Dinge bauen, die für immer schön bleiben. Die nicht alt und hässlich werden …“
„Deine Marionetten?“
„Ja.“
Madara dachte an Konan, die inzwischen alle Origamiformen beherrschte, die in dem Buch, was er mitgebracht hatte, aufgeführt waren.
„Meine kleine Ziehtochter ist auch eine Künstlerin“, sagte er. „Sie macht Origami.“
„Wie alt ist sie?“
„Ungefähr drei, ich weiß es nicht genau. Ich hab sie und einen älteren Jungen in Ame Gakure aufgesammelt.“
Sasori lächelte. „Du sammelst Kinder?“
„Irgendwie schon.“ Madara musste ein wenig lachen über seine eigene Antwort. „Ich mag Kinder und möchte, dass sie gesund und glücklich aufwachsen.“
„Ich bin dreizehn. Zählt das noch als Kind?“, fragte Sasori.
„Ich denke schon. Aber egal ob du ein Kind bist oder nicht, du wirst zu uns passen.“
Wieder gingen sie ein ganzes Stück, ohne zu sprechen. Sasori war offenbar jemand, der vieles in sich zurückhielt, viel nachdachte und wenig reden musste. Madara ertappte sich selbst dabei, wie er die Stille unangenehm fand, denn er selbst war eher jemand, der Gespräch mochte und brauchte.
Doch hin und wieder stellte Sasori dann Fragen, die zeigten, dass er während er nach außen hin schwieg, innerlich über viele Dinge nachdachte. Madara fühlte sich dadurch ein wenig an Itachi erinnert, denn der war ähnlich gestrickt, dachte auch spürbar über vieles nach und sprach dann erst das aus, was in ihm innerlich schon durchgedacht war.
„Hast du noch eine Großmutter?“, fragte Sasori, wieder ähnlich zusammenhanglos, als sie die Berge schon erreicht hatten, welche die Wüste vom Regenland trennten.
„Ja. Sie lebt noch, in Konoha.“
„Wie heißt sie?“
„Yoneko. Hast du noch eine?“
„Ja. Ihr Name ist Chiyo.“
„Magst du sie?“
Sasori schwieg eine Weile, dann sagte er: „Ich hab nur sie. Bin bei ihr aufgewachsen.“ Er sagte das in einer Weise, die ganz deutlich machte, er wollte nicht weiter darauf eingehen, warum er bei seiner Großmutter aufgewachsen war. „Sie ist eigentlich ganz okay.“
„Aber …?“, hakte Madara nach.
„Ich hatte keine Lust mehr auf sie und das ganze Dorf. Dieses ständige Warten …“
„Du magst Warten nicht, oder?“
Sasoris Gesicht nahm einen harten, kalten Ausdruck an. „Nein. Überhaupt nicht. Ich hasse es.“
„Bist du denn selbst immer pünktlich?“
„Ja. Natürlich. Ich will auch niemanden warten lassen.“
„Das ist gut. Es ist wichtig, dass man sich selbst daran hält, das nicht zu tun, was man nicht leiden kann. Es anderen nicht auch zumutet, stimmts?“
Sasori nickte.
Nach einem langen Weg über die Berge und durch das Regenland, und während Madara Sasori immer mehr kennen lernte und feststellte, dass der Junge wirklich ganz gut in seinen Plan passte, kamen sie wieder am neuen Zuhause an.
Madara öffnete die Haustür und hatte wie so oft sofort eine vor Glück quietschende kleine Konan an sich hängen, die sich riesig freute, dass er wieder da war. „Du warst aber lange weg, Dara!“ Sie ließ ihn wieder los und bemerkte dann Sasori, der hinter Madara das Haus betrat.
„Wer ist das denn?“, fragte sie.
„Das ist Sasori. Er lebt jetzt auch hier mit uns.“
Konan stellte sich vor Sasori hin, schaute ihn an, von oben bis unten, und sagte dann: „Hallo Sasori. Woher kommst du?“
„Suna Gakure …“, sagte Sasori. „Das ist in der Wüste.“
„Was ist ne Wüste?“
„Sand, Wind und Sonne“, antwortete Sasori.
„Sonne? Wie schön! Ich mag Sonne!“
„Wirklich?“
„Ja! In Ame gabs immer nur Regen. Ich hasse Regen“, sagte Konan. „Was magst du nicht?“
„Warten“, sagte Sasori knapp.
„Warten?“
„Ja. Ich hasse es.“
„Dann kommst du auch nie irgendwo zu spät?“
„Nein.“
„Gut zu wissen“, sagte Konan.
„Du bist ganz schön schlau für drei“, stellte Sasori fest.
Konan grinste. „Ich weiß. Dara sagt, ich bin begabt.“
Madara beobachtete das Gespräch zwischen den beiden fasziniert. Und er lobte sich innerlich selbst dafür, dass er Sasori mitgenommen hatte, denn zumindest Konan schien sich mit ihm ziemlich gut zu verstehen.
Nagato, der bis eben am Herdfeuer gesessen und gelesen hatte, stand nun auch auf und begrüßte Sasori. „Ich bin Nagato.“
Die Stimmung zwischen den beiden war viel weniger elektrisiert als mit Konan, was ziemlich deutlich an Nagatos grundsätzlichem Misstrauen lag. Der jüngere Junge kehrte zum Feuer zurück und setzte einen mit Suppe gefüllten Topf darauf.
„Hast du Essen gekocht?“, fragte Madara.
„Ja.“
„Das ist gut. Dann können wir gleich essen, ich hab auch Hunger.“
„Das Gemüse hab ich gemacht“, sagte Konan stolz. „Ich kann mit dem Kunai Bambussprossen schneiden, hab ich gestern gelernt.“
„Wow, gut gemacht!“ Madara lächelte. „Bist ein gutes Mädchen.“
Während des gemeinsamen Essens wurde nicht viel gesprochen, alle waren hungrig und wollten essen.
Doch danach, als es Zeit fürs ebenfalls gemeinsame Lernen war, hängte Konan sich gleich an Sasori und stellte ihm weiter alle möglichen Fragen.
Der rothaarige Junge hatte gerade begonnen, seine Marionetten auszupacken und wollte an ihnen weiter bauen, und Konan war von dieser Arbeit sichtlich fasziniert. Sie nahm sich einfach einen Stapel Papier aus ihrem eigenen Schränkchen und setzte sich damit neben Sasori hin, und beide begannen mit ihrer Arbeit.
Konan faltete unermüdlich kleine Hasen, Katzen, Vögel, Blumen, und Sasori feilte an den Holzkugeln, die seine Puppen gelenkig machten. Beide schienen neben ihrer eigenen Arbeit auch interessiert an der Kunst des anderen und besonders Konan fragte unablässig alles, was sie an Sasoris Puppen interessierte: Welches Holz man benutzte, wie die Gelenke funktionierten, wie die Waffen derjenigen Marionetten hießen, die man im Kampf einsetzte, und so weiter …
Und schließlich fing das kleine Mädchen einfach so an, anstelle von Tieren und Blumen vielmehr die Waffen von Sasoris Marionetten aus Papier nachzubilden.
Madara beobachtete die beiden mit steigender Freude und Zufriedenheit. Konans offenes, fröhliches Temperament und Sasoris offensichtlicher Perfektionismus harmonierten in einer so ertragreichen Art und Weise, dass es für den begeisterungsfähigen Madara eine wahre Freude war, ihnen zuzuschauen. Die beiden waren so unterschiedlich und doch gleich, und Konan wirkte längst nicht mehr wie eine Dreijährige.
Aus dem hungrigen, unzufriedenen Kleinkind aus Ame Gakure war inzwischen eine selbstsichere, klare kleine Person geworden, und Madara dachte darüber nach, wie Konan das geschafft hatte … Ein Faktor dabei war sicherlich das Sonnenlicht, denn dass Konan Licht liebte, war mehr als offenbar. Aber es hatte, lobte Madara sich auch selbst, sicher auch mit guter Förderung zu tun. Und da war er genau in seinem Element, denn er liebte es, Kinder in ihren Talenten zu fördern, und Konan empfing diese Förderung mit Begeisterung.
Während Konan und Sasori ihre kleine Kunsthandwerker-Werkstatt gründeten, übte Nagato am anderen Ende des Raumes Schreiben und Lesen. Madara setzte sich zu ihm, der Junge blickte auf, doch es kam kaum ein Gespräch zustande. Nagato schien sich an irgendetwas zu stören, das war spürbar, doch er sagte von sich aus nichts.
„Was ist los?“, fragte Madara. „Ich merke doch, da ist was …“
Nagato schüttelte den Kopf.
„Sag schon.“
Der Junge stand auf, nahm sein Buch und das Heft zum Schreiben und verließ die Hütte, setzte sich draußen hin. Madara folgte ihm.
„Jetzt sag schon. Ist irgendwas mit Sasori?“
Der Blick der lila Augen sah wütend aus, wütend und verschlossen.
Madara wagte einen Stich ins Blaue: „Bist du eifersüchtig?“
Nagato biss die Lippen zusammen. „Ja …“, presste er schließlich knapp heraus.
„Das musst du nicht sein.“
„Konan ist … meine Schwester!“, sagte Nagato, und die Art, wie er „meine“ sagte, machte deutlich, er war wirklich eifersüchtig.
Madara setzte sich zu seinem Jungen ins Gras, sah ihn aufmerksam an und überlegte, wie er ihm erklären sollte, dass Eifersucht zwar normal, aber nicht unbedingt richtig war …
„Ich hab sie gerettet. Ich hab mich um sie gekümmert“, sagte Nagato. „Nicht Sasori.“
„Sasori ist einfach neu hier. Und Konan versteht sich gut mit ihm, weil sie Dinge gemeinsam haben. Aber ich bin mir sicher, dass Konan trotzdem weiß, dass du ihr Bruder bist. Sie hat dich gern, weil du ihr Bruder bist. Auch wenn sie gerade begeistert von Sasoris Kunst ist.“
„Ich kanns nicht leiden, wenn … jemand sie wegzieht.“
„Es zieht sie niemand weg“, widersprach Madara. „Aber wenn du möchtest, dass sie sich auch mit dir so unterhält wie mit Sasori gerade, dann musst du auf sie zu gehen und ihr das sagen. Sag ihr, dass du sie lieb hast und dass du dich zurückgesetzt fühlst. Konan ist ein liebes, kluges Mädchen, sie muss nur wissen, was los ist.“
Nagato biss wieder die Lippen zusammen.
„Nagato, hör mal, wir leben hier jetzt nun mal zu viert. Und Konan ist eine eigene Person. Wenn du willst, dass sie mit dir redet, musst du dich auch … dafür attraktiv machen. Und das kannst du. Du bist ihr Bruder, sie hat dich lieb, aber wenn du ihr nicht zeigst, was du dir wünschst, kann sie das nicht wissen.“
„Ich … kann so was nicht …“
„Wie Sasori?“
„Ja. Ich bin halt nicht so.“
„Aber du hast andere Dinge, die du zeigen kannst. Sag ihr einfach, dass du auch noch da bist, und dass du sie lieb hast. Das ist in Ordnung, man darf das. Es fühlt sich vielleicht komisch und beängstigend an, wenn du jetzt zu ihr gehst und sagst, wie du dich fühlst, aber nur so wird ein Schuh draus“, sagte Madara, streckte die Hand aus und legte sie Nagato auf die Schulter. „Komm, du schaffst das.“
Nagato stand auf, ging wieder hinein, und Madara folgte ihm. „Komm, das schaffst du“, flüsterte Madara ihm noch mal zu.
Nagato machte ein paar Schritte auf Konan und Sasori zu. Konan hatte sich umgedreht, sie hatte bemerkt, dass Nagato eben hinausgegangen war und konnte sich schon denken, was los war. Sasori sah etwas verlegen aus, schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte, seine Hände drehten einen hölzernen Marionettenfinger hin und her.
„Konan …“, begann Nagato leise … „Ich …“
Das kleine Mädchen sah ihn an, aufmerksam und wartend.
„… ich hab … dich gern und … ich … möchte, dass du …“ Nagato war sehr anzusehen, wie schwer ihm diese Worte fielen.
„Du willst mitmachen?“, fragte Konan.
„Ich will … nur so … dass du weißt … dass …“
„Komm, raus damit, Nagato“, flüsterte Madara hinter ihm.
„… ich … ich bin ein bisschen …“
Konan lächelte, stand auf, ging zu Nagato hin und nahm seine Hände in ihre. „Alles gut“, sagte sie.
„Ich bin ein bisschen … eifersüchtig …“, flüsterte Nagato, tonlos und mit roten Wangen.
„Musst du gar nicht sein“, sagte Konan, sie reckte sich auf die Zehenspitzen, Nagato senkte den Kopf ein wenig und Konan gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Musst du gar nicht sein.“
„Hast du … mich auch … gern?“
„Natürlich! Du bist doch mein großer Bruder!“
Nagato sah deutlich erleichtert aus, ihm war sehr anzusehen, wie viel Überwindung ihn das gerade gekostet hatte. Er schien in sich große Ängste zu haben, Verlustängste vor allem, logischerweise, denn er hatte seine Familie, seine Heimat und sicher noch vieles andere verloren, und so konzentrierte sich alles in ihm auf Konan.
„Gut gemacht, Nagato“, sagte Madara. „Wirklich.“
Am späteren Abend, als Konan und Nagato sich beide schon schlafen gelegt hatten, saß Madara mit Sasori noch ein wenig draußen vor dem Haus.
„Warum bist du weg aus Konoha?“, fragte Sasori. „Hat es dir dort nicht mehr gefallen?“
„Nein. Ich bin nicht gegangen, weil ich nicht mehr dort sein wollte. Ich liebe das Dorf und den Wald und das alles …“
„Warum bist du dann weg?“
„Weil ich etwas gefunden habe, was mir wichtiger ist, als dass ich in meiner Heimat bleibe. Ich liebe die Lehren des Hokage der Ersten Generation und ich will sie über das Dorf hinaus weitertragen. Ich möchte einfach, dass mehr Menschen so leben können, nicht nur in Konoha Gakure.“
„Du bist auf einer Mission“, sagte Sasori.
Madara nickte, lächelte. „Genau.“
„Was sind denn die Lehren des Hokage der Ersten Generation?“, wollte Sasori wissen.
„Wo soll ich da anfangen? Er hat so viele großartige Ideen entwickelt, und ich lese seine Bücher schon mein Leben lang, seit ich ganz klein war …“ Madara hob den Kopf, blickte zum Himmel, wo der Mond als exaktes Halb zwischen den Sternen leuchtete. „Ihm ging es um die Jugend, die Kinder im Dorf. Sie sollen in Sicherheit aufwachsen und jedes so gefördert werden, dass sie alle ihr Potenzial erleben und entfalten und glückliche, starke Menschen werden.“
„Hört sich gut an“, sagte Sasori nur.
„In dem Moment, wo ich Konan und Nagato in Ame Gakure gefunden und mitgenommen habe, war mir klar, dass ich diese Lehren an die beiden weiter geben möchte. Und gerade Konan nimmt schon jetzt so viel davon auf, das macht mich wirklich glücklich!“
Sasori sah nachdenklich aus, er biss sich auf die Lippen und blickte zu Boden. „Hm … ja, das stimmt.“
„Du hast sie ja erlebt heute, wie schnell sie lernt und wie viel Freude sie auch daran hat.“
„Hast du ihr das Papierfalten gezeigt?“, fragte Sasori.
„Nein.“ Madara lachte. „Das hat sie ganz alleine geschafft.“
„Wirklich?“
„Ja. Sie ist da wirklich gut, so schnell und eigenständig …“ Madara dachte wieder an Itachi. „Mein Patensohn in Konoha ist auch so, der konnte auch schon mit drei so viel und schnell lernen.“
„Vermisst du ihn?“, fragte Sasori.
„Manchmal. Aber er braucht mich nicht unbedingt, er hat seine Eltern und die ganze Förderung im Dorf. Er ist gut versorgt. Konan nicht, wenn ich sie nicht gerettet hätte. Und das ist eben meine Mission: Ich will, dass auch Kinder, die nicht das Glück hatten, in Konoha geboren worden zu sein, Zugang zu den Lehren des Ersten Hokage bekommen und auch diese individuelle Förderung …“
„Du bist ein Idealist“, sagte Sasori.
„So was von.“ Madara lachte wieder. „Es gibt Leute in Konoha, die mich ‚naiv‘ nennen deswegen. Aber ich steh dazu. Ich bin ein naiver, enthusiastischer Idealist.“
„Das kannst du, dazu stehen?“
„Ja. Ich war schon immer so.“
Eine Weile schwiegen sie, Madara sah wieder nach oben, der Mond schien zwischen den Blättern des Baumes hindurch, der neben der Hausecke stand, und dieses Bild des Mondlichtes und des Laubes war, abgesehen davon, dass es kein Vollmond war, das Sinnbild, das Madara in seiner Philosophie besonders liebte.
„Du magst den Mond, oder?“, fragte Sasori.
„Ja. Für meine Familie, den Uchiha-Clan, hat der Mond immer schon eine besondere Kraft und Bedeutung. Und weil wir in Konoha leben, Teil dieses Dorfes sind, ist es besonders schön, wenn das Mondlicht die Blätter der Bäume berührt. Am besten macht man dann ein Feuer an, besonders an Vollmond.“
„Es heißt ja auch Feuerreich?“, sagte Sasori.
„Genau. Und wir Uchiha haben eine besondere Bindung zum Feuer. Viele von uns, auch ich, haben Chakra vom Feuer-Element.“
Sasori lächelte. „Passt gut zusammen.“
„Genau. Und wir sollen die Menschen beschützen. Das können wir auch ziemlich gut.“
„Besonders die Kinder?“
„Ja. Von daher bin ich eigentlich auch nicht ‚desertiert‘. Ich bin nur auf einer geheimen Mission. Ich sehe das hier als meine Aufgabe an, wie ich schon gesagt habe, die Lehren von Konoha einfach anderen Menschen außerhalb auch zugänglich zu machen. Und wenn ich unser neues Dorf hier fertig gebaut habe, werde ich Konoha natürlich Beziehungsangebote machen.“ Madara sah Sasori an und lächelte. „Ich freue mich, dass du mitgekommen bist. Wir vier werden ein gutes Team.“
„Hm, ja …“, sagte Sasori. „Ich bin nur … nicht so ein Idealist wie du …“
„Das ist in Ordnung.“ Madara lächelte wieder. „Wir müssen nicht alle gleich sein.“
1988
Madara brauchte nicht nach Kakuzu zu suchen, musste ihn nicht selbst kontaktieren. Denn eines Tages tauchte dieser von selbst auf. Er stand auf einmal auf der Baustelle zwischen den neuen Häusern, mit seinem silbernen Geldkoffer und einem ganzen Arsenal an verschiedenen Waffen.
Sasori, der gerade einem der Handwerker aus dem Dorf eine Anweisung gab, bemerkte Kakuzu als Erster.
„Wer sind Sie denn?“, fragte er direkt.
„Wo ist Madara?“, fragte Kakuzu zurück.
Sasori sah sich um, Madara war gerade in einem der schon fertigen Häuser verschwunden.
„Dara? Da ist jemand für dich!“
Madara kam aus dem Haus, erkannte Kakuzu und sein erster Gedanke war: „Warum kommt er von sich aus?“ Er sprach diesen Gedanken jedoch nicht aus.
„Kakuzu“, begrüßte er den Ankommenden. „Was führt dich zu uns?“
„Du hast dich nicht gemeldet.“
„Ich hatte zu tun, wie du siehst.“
„Ich habe doch gesagt, ich mache mit.“ Kakuzu hob seinen Koffer kurz an. „Könnt ihr doch gebrauchen, oder?“
„Wo ist der Haken?“, fragte Madara, er traute Kakuzu nicht so recht.
„Ich hab noch jemanden, der mitmachen will.“
„Wen?“
Kakuzu drehte sich um. „Komm her!“
Und hinter der Ecke eines Hauses kam ein weiterer Ankömmling hervor, ein junger Mann, vielleicht 17 oder 18 Jahre alt. Er trug das Stirnband von Kiri Gakure, jedoch war es deutlich zerkratzt, wie bei einem Abtrünnigen. Der Junge hatte weiße, fast bläuliche Haut, spitze Zähne und ein Gesicht wie ein Haifisch, den man in einen Menschen verwandelt hatte. In Kiri Gakure gab es solche Menschen.
Auf dem Rücken trug er ein riesiges, in weiße Bandagen eingepacktes Schwert, und seine Kleidung war noch nach Art der Shinobi aus Kiri Gakure, sie trugen ein besonderes Material, das wenig Wasser aufnahm, weil sie oft Wasserversteck-Jutsus verwendeten und gut schwimmen und tauchen konnten.
„Wer ist denn das?“, fragte Madara.
„Kisame Hoshigaki“, stellte sich der Junge selbst vor. „Freut mich.“ Er zeigte seine Zähne.
„Wo hast du den denn her?“
„Weißt du, man sammelt hier und da manchmal talentierte Leute auf“, antwortete Kakuzu. Er sah Sasori an, der immer noch da stand und die Unterhaltung interessiert verfolgte. „Du tust das anscheinend auch, Madara Uchiha.“ Kakuzu deutete auf Sasori. „Das ist doch Suna Gakures Marionetten-Supertalent …“
Kisame grinste. „Madara Uchiha?“
„Japp, wenn das jetzt schon jeder weiß …“, sagte Madara.
„Was macht ein Uchiha ohne seine Leute hier im Regenland?“, fragte Kisame.
„Geheimnisse haben“, beendete Madara die Frage.
„Keine Angst, von uns erfährt Konoha nichts“, sagte Kakuzu.
Aus der Richtung des Hauses, in dem Madara immer noch mit Konan und Nagato wohnte, kam Nagato auf die Baustelle zu. Er war inzwischen 10 Jahre alt und ein ganzes Stück gewachsen, und war er schon mit 7 Jahren kaum ein richtiges Kind gewesen, so hatte er auch nun mehr kaum noch kindliche Züge an sich. Sein Gesicht wirkte mehr wie das eines Jungen von mindestens 15 Jahren.
„Madara? Hast du …?“, begann er, brach dann ab, als er die Situation verstand.
„Hab ich … was?“, hakte Madara nach.
„… den Sack mit der Blumenerde gesehen? Konan will die Hortensien umtopfen.“
Madara lachte. „Der Sack müsste hinterm Haus liegen, bei den Birkensetzlingen.“
Nagato sah Kakuzu und Kisame mit einem skeptischen Blick an.
„Von Kakuzu hab ich dir ja schon mal erzählt“, sagte Madara. „Der andere heißt Kisame, die beiden wollen hier auch mitmachen.“
„Hallo“, sagte Nagato nur, drehte sich dann wieder um und lief zum Haus zurück. Was er über die beiden Kämpfer dachte, war nicht zu erkennen.
Madara führte Kakuzu und Kisame zu einem der Häuser, das er als eine Art Teehaus vorgesehen hatte. Ein Mädchen aus dem Bauerndorf war gerade dort und machte Tee für die Zimmerleute.
„Machst du uns noch eine Kanne?“, fragte Madara sie.
Das Mädchen nickte, nahm eine zweite Kanne und verschwand damit in einen anderen Raum.
„Setzt euch“, bot Madara den beiden Neuen Plätze an.
Kisame legte sein Schwert ab und setzte sich auf den Boden, Kakuzu tat es ihm gleich.
„Du kannst doch sicher Leute brauchen, die das Ganze hier bewachen, oder?“, sagte Kisame.
„Wäre also dein Job?“, hakte Madara nach.
„Ja.“
„Gut. Mach das.“
„Auf dem Weg hierher sind uns ein paar Banden begegnet, Diebe und abgerissene Leute aus Ame Gakure“, sagte Kakuzu. „Sind die hier auch schon mal aufgetaucht?“
„Bisher noch nicht.“
„Kisame und ich würden den Schutz hier übernehmen.“ Kakuzu griff nach seinem Koffer, öffnete ihn und offenbarte, dass sich darin nicht nur Geld befand, sondern auch eine Menge verschiedener Briefbomben und Fallen.
„Gut“, sagte Madara.
Innerlich dachte er darüber nach, wie er seine Pläne mit der Mitarbeit von zwei Typen wie Kakuzu und Kisame vereinbaren konnte, ohne dass die beiden ihm dazwischenfunkten. Im Grunde musste er sicherstellen, dass er stärker war als die beiden und als Anführer seine Macht absichern. Macht war eigentlich nicht sein Ding, aber jemand wie Kakuzu würde wohl kaum von sich aus bereit sein, sich ihm unterzuordnen.
In dem Moment kam das Mädchen mit dem Tee zurück, stellte die Kanne und drei Becher auf den Tisch und verschwand wieder.
„Wie willst du das Ganze hier eigentlich nennen, Madara?“, fragte Kisame.
„Ich weiß noch nicht … Irgendeinen schönen Namen …“
Es klopfte an der Tür.
„Herein?“
„Dara?“ Nagato kam herein, setzte sich einfach und sagte: „Kann ich dabei sein? Ich will auch.“
„Wissen, was wir besprechen?“, hakte Madara nach.
„Mitmachen. Ich bin doch langsam alt genug. Ich will kämpfen lernen.“
„Kämpfen?“
Nagato sah erst Kakuzu an, dann Kisame, und dann Kisames Schwert. Und auf einmal veränderte sich etwas in seinem Blick, seinen Augen: Die beiden Ringe um die Pupille herum wurden enger, nahmen einen bläulichen Unterton an und die kleinen Punkte auf den Linien bewegten sich.
„Nagato, was machst du da?“, fragte Madara, und er spürte die Energie, die von dem Jungen ausging, sie war eindeutig, der Junge hatte ein Kekkei Genkai!
„Interessant“ Kisame grinste. „Was ist denn das?“
Nagato stand auf, seine Haltung strahlte Spannung aus, und er sagte nur: „Bringt mir Kämpfen bei!“
„Nagato …“, sprach Madara ihn wieder an. „Du sagst mir jetzt sofort, was du hier gerade machst!“
Der Junge sah ihn an, mit einem glühenden Blick, und die Energie, die von ihm ausging, ließ die Luft erzittern. Madara spürte, wie seine Sharingan herauskamen, wie von selbst, weil die Situation hier gerade zu eskalieren drohte.
„Komm mit!“, forderte er Nagato auf. „Wir gehen raus, verstanden?!“
Sie verließen das Haus und Madara führte den Jungen raus aus der Baustelle in Richtung der Berge, weg auch von dem Wohnhaus, in die entgegengesetzte Richtung. Nagato zitterte vor Spannung, und Madara bemerkte, wie Kisame hinter ihm interessiert beobachtete, was mit dem Jungen los war …
Kaum hatten sie den äußeren Zaun der Baustelle hinter sich gelassen, wandte Nagato sich um, blieb stehen und hatte plötzlich ein Kunai in der Hand, er musste es schon mitgebracht haben, als er ins Teehaus gekommen war.
„Bringt mir Kämpfen bei, oder ich mach es selbst!“, rief er.
Madara war noch zu überrascht von der Situation, und bevor er etwas sagen konnte, hatte Kisame schon das Schwert in der Hand. Kakuzu blieb stehen, doch Kisame rannte los, mit dem Schwert auf Nagato zu. Zuerst sah es nach einem absolut unfairen Kampf aus, ein junger Mann mit einem riesigen Schwert gegen einen zehn Jahre alten Jungen mit einem Kunai, doch als Kisame das Schwert hob und zum Schlag ausholte, hob Nagato beide Hände, und der Hieb prallte an ihnen ab, wie an einer steinernen Mauer. Das Schwert riss aus den Bandagen, es gab ein kreischendes Geräusch und Kisame verlor es beinahe aus der Hand.
„Was … ist das denn?“, entkam es ihm.
„Würde mich auch interessieren“, sagte Kakuzu.
Madaras Gedanken ratterten schnell, er suchte nach irgendeiner Information, die ihm erklären könnte, was Nagato hier gerade tat, was das für eine Kraft war, die der Junge gerade entfesselte.
„Mein Vater hat es ‚Rinnegan‘ genannt! Sie haben sich nicht gewehrt, deshalb sind sie weg! Aber ich habs noch, und ich werde überleben!“, schrie Nagato.
„Rinnegan?“, fragte Madara laut. Er hatte irgendwann, irgendwo, dieses Wort schon mal gehört. Es musste eines der versiegelten Kekkei Genkai sein, die kaum jemand noch kannte. Und egal, was es war, die Situation hier erforderte ein Eingreifen! Madara aktivierte sein Kaleidoskop-Sharingan, trat einen Schritt auf Nagato zu und sprach ihn an: „In Ordnung. Wir bringen dir Kämpfen bei. Aber du musst jetzt aufhören, hast du verstanden?“
Nagato reagierte erst nicht, doch dann ließ er die Hände sinken, seine Augen nahmen wieder das alltägliche Muster an und er löste die harte Barrikade um sich wieder auf.
„Gut. Morgen fangen wir mit dem Training an“, sagte Madara.
Sie gingen zur Baustelle zurück, überquerten diese und erreichten dann das Wohnhaus. Vor dem Haus standen einige Blumentöpfe und der aufgerissene Sack mit der Erde. Madara erinnerte sich wieder daran, dass Konan ja Blumen umtopfen wollte, doch sie war nicht zu sehen. Er ging ins Haus und da saß Konan mit Sasori auf dem Boden, umringt von Holzteilen und Papier. Als sie Madara bemerkte, blickte sie auf und er sah, dass sie unzufrieden aussah.
Konan war inzwischen fünf Jahre alt, entsprechend gewachsen, und ihr lilablaues Haar war glatter geworden, die Locken, die sie als Kleinkind gehabt hatte, waren nur noch an den gekräuselten Haarspitzen erkennbar.
Als Nagato hinter Madara ins Haus kam, schien auch Konan die veränderte Energie zu bemerken, sie wandte sich zu ihm um und fragte: „Nagato? Was ist los?“
Nagato sagte nichts, biss die Lippen zusammen und ihm war anzumerken, dass er wieder eifersüchtig war. Diese Eifersucht auf Sasori schien immer dann herauszukommen, wenn Nagato sich eigentlich vielleicht wünschte, dass Konan ihn und seinen eigenen inneren Prozess beachtete. Doch er schien das, was es für eine Veränderung dieser Situation brauchte, nicht erbringen zu können.
Konan stand auf, ging auf Nagato zu und fragte noch mal: „Was ist?“
„Ich werd‘ jetzt Kämpfer“, sagte er nur.
„Willst trainieren?“
Nagato nickte.
„Wir haben zwei neue Leute hier, Konan“, sagte Madara. Er wandte sich zur Tür um und Kakuzu und Kisame kamen nacheinander herein.
Konan musterte die beiden von oben bis unten, zog die Brauen zusammen und fragte: „Wer ist denn das, der sieht aus wie ‘n Fisch?“
„Das ist Kisame, er ist aus Kiri Gakure“, antwortetet Madara. „Der andere ist Kakuzu.“
Kisame grinste, zeigte seine Zähne und sagte: „Freut mich.“
Kakuzu sagte nichts.
„Ich bin Konan. Ich kann nur noch nicht kämpfen. Bringt Sasori mir aber bald bei …“, erwiderte Konan.
Sasori sah von dem Holzteil auf, welches er gerade bearbeitete, und sagte nur: „Sie hat Ahnung von Kunst.“
Zwischen ihm und Konan hatte sich eine wirkliche Freundschaft entwickelt, und sie schienen eine Art von Kommunikation zu haben, die von außen gesehen zusammenhanglos wirkte, aber die beide auf dieselbe Art verstanden. Sasoris Art, zusammenhanglos und ungerührt Worte in den Raum zu stellen, schien auf eine ganz bestimmte Weise zu Konans Denken zu passen, sie verstanden sich auch ohne viele Worte.
Madara ging dann mit Kakuzu und Kisame zur Baustelle zurück und wies den beiden ein Haus zu, in dem sie sich häuslich einrichten konnten. Anschließend nahm er sich noch mal Nagato auf die Seite und fing an, mit dem Jungen einen Trainingsplan auszuarbeiten. Und währenddessen hörte er, wie Konan und Sasori im Nebenraum ebenfalls anfingen, Trainingspläne zu schmieden. Abends aßen sie zu viert gemeinsam und dann ging jeder für sich ins Bett.
Am nächsten Morgen wachte Konan früh auf. Sie stand auf, zog sich an und ging mit ein paar Bögen Papier nach draußen vor die Hütte, um die Hortensien, die sie gestern umgetopft hatte, in die Erde einzupflanzen und dabei nebenher die Blüten in Origami nachzubilden. Die Sonne ging gerade auf und das erste Licht am Morgen war für Konan weiterhin der schönste Moment des Tages. Sie setzte sich auf die Bank, begann mit dem Falten, und während die Hortensien ihre Blüten öffneten und ebenso erwachten, ließ das kleine Mädchen sich von der Sonne wärmen.
Bis sie ein Geräusch hörte, das sie aufschrecken ließ. Oben aus dem Fenster, dort, wo sich Nagatos Zimmer befand, war ein eigenartiger Laut zu hören. Es klang wie ein unterdrückter Schmerzlaut.
Konan sprang von der Bank, lief ins Haus und die Treppe hoch, Nagatos Zimmertür war verschlossen und sie klopfte an.
„Nagato? Alles okay?“
Es dauerte einen Moment, bis von drinnen ein „Ja …“ kam.
Konan öffnete einfach die Tür, und da saß Nagato auf dem Boden, mit einem kleinen Spiegel, einer Kerze, einem Stück Draht und einem kleinen Ring aus Metall zwischen den Fingern. Sein rechtes Ohr war rot und blutete, er hatte sich mit dem heißen Draht zwei Löcher in die Muschel gestochen.
„Du machst dir Ohrringe?“, fragte Konan.
„Ja. Wenn ich jetzt ein Kämpfer werde …“
Konan lächelte, betrat das Zimmer und setzte sich neben Nagato auf den Boden. Während dieser sich dann einen Ring nach dem anderen ans Ohr machte, insgesamt vier, sah sie dabei aufmerksam zu.
„Ich will auch“, sagte sie schließlich. „Aber nur eins.“
Nagato sah sie überrascht an. „Wirklich?“
„Ja. Oder zwei, in jedes Ohr eins.“
Nagato lächelte, es schien ihn sehr zu freuen. Es kam selten vor, dass er so lächelte. Er wandte sich Konan zu, strich ihr Haar beiseite und machte den Draht noch mal über der Kerze heiß.
„Aber mach vorsichtig. Ich bin nicht so schmerzfrei wie du“, sagte sie.
„Klar.“ Nagato lächelte wieder.
Die Morgensonne schien ins Fenster und tauchte den Raum in goldenes Licht, als Nagato den heißen Draht nahm, Konans Ohrläppchen durchstach und das Loch dann mit einem kleinen Ring füllte. Konan biss die Lippen zusammen, doch sie sagte nichts, es tat nicht sehr weh.
Und auch der zweite Stich tat nicht so weh, dass es sie gestört hätte.
„Siehst du“, sagte sie dann und lächelte. „Ich bin doch deine kleine Schwester.“
„Tut mir leid … dass ich so eifersüchtig immer bin …“
„Musst du gar nicht sein, Nagato. Ich hab dich doch lieb.“
„Wirklich?“
„Ja, natürlich!“
Von unten aus dem Wohnraum war zu hören, dass Madara jetzt auch wach war. Konan stand auf, schaute sich ihre neuen Ohrringe kurz noch mal im Spiegel an, lächelte und lief dann die Treppe hinunter. „Dara! Guck mal!“
Nagato stand ebenfalls auf, löschte die Kerze, räumte die Sachen beiseite und folgte seiner Schwester.
„Was denn?“, fragte Madara und sah von dem Küchenbrett auf, wo er gerade Baumbussprossen zerteilte.
„Nagato hat mir Ohrringe gemacht!“, rief Konan. „Musst mal gucken, ist voll schick!“ Sie lief um Madara herum und fasste ihr Haar so zusammen, dass er es sehen konnte.
Madara sah es sich an, dann blickte er über Konan hinweg zu Nagato. Dessen vier Ringe waren sofort zu sehen, da er ja kurzes Haar hatte.
„Habt ihr das gerade eben gemacht?“, fragte er.
„Jaa! Nagato hat sich selber welche gemacht und dann wollte ich auch.“
„Tat nicht weh?“
„Nein, gar nicht.“ Konan lächelte stolz.
Als Sasori zum Frühstück erschien, zeigte Konan auch ihm ihre neuen Ohrringe, und Sasori schien es ebenfalls zu gefallen. „Siehst gut aus so“, sagte er.
Und während sie zu viert frühstückten, fragte Madara: „Sag mal, Nagato, wie bist du auf die Idee gekommen?“
„Weiß nicht, einfach so … In Ame gabs das manchmal, da hatten das einige Leute …“, antwortete der Junge. „Auch mehr als nur Ohrringe, auch in der Nase und am Mund …“
„Das hab ich auch schon mal gesehen“, sagte Sasori. „So ein Mädchen aus Ame Gakure, die hatte richtige Löcher auf der Nase.“
Nagato nickte. „… vielleicht mach ich das auch irgendwann …“
Madara stand auf, verschwand kurz im Bad und kam mit einem kleinen Fläschchen zurück. „Es ist wichtig, dass man Piercings gut versorgt“, sagte er. „Das müsst ihr so zwei Wochen lang jeden Morgen drauf tropfen.“
„Alles klar!“, rief Konan.
Nach dem Frühstück begab sich jeder wieder an seine tägliche Arbeit. Sasori kehrte in seine Werkstatt zurück, Konan ging raus vor das Haus und kümmerte sich um die Hortensien, hatte dabei auch immer Papier dabei, um jede freie Minute Origami zu üben, und Madara und Nagato verließen Haus und Baustelle, nahmen den Weg runter ins Tal, um im Wald mit dem Training anzufangen. ausHaus
„Wenn Kisame oder Kakuzu irgendwas will, sagst du ihnen, ich bin mit Nagato bis zum Mittag unterwegs“, sagte Madara zuvor noch zu Sasori. „Und du passt mir schön auf Konan auf.“
„Jawohl“, antwortetet Sasori.
Auf dem Weg ins Tal zog der Himmel zu, der Sonnenschein verschwand und es begann zu regnen.
In dieser Gegend, an den Hängen der Berge, die die Wüste und das Wind-Reich vor dem Regen abschirmten, regnete es immer noch recht oft, wenn schon auch weniger als in Ame Gakure selbst. Die Wolken kamen nicht über die Berge, also regneten sie sich hier ab oder zogen in Richtung des Meeres zurück.
Madara machte Regen nicht viel aus, er konnte bei fast jedem Wetter kämpfen, und er beobachtete, wie Nagato dieses Wetter geradezu zu lieben schien. In diesem Punkt waren er und Konan offensichtlich grundverschieden, sie war eine wahre kleine Sonnenanbeterin, während Nagato Regen und trübes Licht eindeutig bevorzugte.
„Bei Regen bin ich stark“, sagte Nagato. Er blieb stehen, sie hatten den Rand einer kleinen Lichtung erreicht, und anscheinend erschien ihm dieser Ort passend für das erste Training.
Madara aktivierte seine Sharingan, nahm Gunbai vom Rücken und brachte sich in Position, am gegenüberliegenden Ende der Lichtung. Er sah, wie Nagato den Regen regelrecht einatmete, und wieder war die bebende Energie zu spüren, die gestern schon so deutlich herausgekommen war.
„Greif mich an!“, rief er.
Und Nagato, ohne es je geübt zu haben, entfesselte mit einem Aufschlag seiner Augen eine derartige Druckwelle, dass Madara Gunbai als Schild benutzen musste und dennoch zurückwich.
„Wie machst du das?“, fragte er laut.
Nagato antwortete nicht, stattdessen hob er die Hände, so wie gestern gegen Kisame, und erschuf eine dickwandige, durchsichtige Kuppel um sich herum.
„Das wird ja richtig gefährlich hier …“, sagte Madara zu sich selbst, während er in Gunbais Schatten auf die nächste Welle wartete. Dass Nagato ohne jedes Training eine derartige Kraft entfesselte, konnte im Grunde nur bedeuten, dass der Junge diese Energie aus starken Emotionen bezog. Deshalb atmete er den Regen ein. Deshalb sagte er fast nie, was er in sich dachte und fühlte. Er hatte das Trauma, das ihm zweifellos passiert war, so sehr in sich hineingefressen und in eine solche Wut verwandelt, dass er jetzt diese Kraft hatte.
Die Kuppel bekam Risse, löste sich in viele kleine Splitter auf, und diese Splitter drehten sich, wurden zu Hunderten kleiner Speere, bereit zum Abschuss.
„Willst du sehen, was ich kann?“, rief Nagato. „Soll ichs dir zeigen?“
Madara wusste, gegen so einen Angriff, so eine Kraft, brauchte er schwereres Geschütz. Er aktivierte seine Kaleidoskop-Sharingan, zog in Gunbais Schatten die Rolle mit Amaterasu heraus, biss sich in den Daumen, dass es blutete, und beschwor die schwarzen Flammen.
Wenn Nagato so sehr unter Spannung stand, dann musste sich diese Spannung irgendwie entladen, abgebaut werden. Sonst würde er zu Hause gleich wieder eskalieren.
„Ja!“, rief er Nagato zu. „Zeig mir, was du kannst! Power dich mal richtig aus!“
Hinter dem Schutzwall aus Amaterasu, Gunbai und der Abschirmung durch das Kaleidoskop-Sharingan war er sicher genug, um einen solchen Angriff auszuhalten.
Und Nagato tat, was er ihm gesagt hatte: Mit einem lauten Schrei und wie elektrisiert leuchtenden Händen kam der Junge auf ihn zu gerannt, die Luft zitterte und Blitze zuckten um ihn herum, der Regen verwandelte sich in ebensolche Geschosse wie die gläsernen Speere und die ganze Energie entlud sich in einer unfassbar schnellen Folge von Schlägen gegen Madaras improvisierte Festung.
Amaterasu bekam die meisten Schläge ab und absorbierte diese, es war eine ihrer besonderen Kräfte, solche Energie aufzunehmen und auf Null zu setzen. Sie ließ die Geschosse abprallen und zu Boden fallen.
Brennen tat sie nur, wenn man es ihr direkt sagte, ansonsten war sie eher ein ultimativer Schutzwall. Ja, Madara erlebte Amaterasu als eine weibliche Kraft, einen weiblichen Geist, der im auf Bitte hin zu dienen bereit war.
Es dauerte einige unendliche Sekunden, bis Nagatos Kraft aufgebraucht, seine Wut verraucht und seine Energie erschöpft war. Er schlug unablässig auf Amaterasu und Gunbai ein, seine Hände waren schon blutig und seine Augen starr. Und als er dann wirklich keine Kraft mehr hatte, fiel er einfach um.
Madara kam sofort hinter seinem Schutz heraus und hob den Jungen auf seine Arme. Es vergingen mehrere Minuten, bis Nagato wieder die Augen öffnete und ansprechbar war.
„Wow …!“, sagte Madara. „Du hast echt Kraft, Junge.“
Nagato sagte nichts, er sah nur unendlich müde aus.
„Wir gehen nach Hause, okay?“, sagte Madara. „Das reicht für heute.“
Auf dem Heimweg riss die Wolkendecke wieder auf, der Regen hörte auf und die Sonne kam wieder durch. Nagato konnte nicht laufen, und so trug Madara ihn zurück. Als sie zu Hause ankamen, saß Konan neben der Haustür und beobachtete die Bienen, die sich um die Hortensien herum sammelten. Sowie sie sah, dass Madara Nagato trug, sprang sie auf.
„Was hat er?“, fragte sie besorgt.
„Er hat sich ausgepowert“, sagte Madara. „Ich bring ihn ins Bett, er muss sich ausruhen.“
Als Nagato dann in seinem Bett lag, kam Madara noch mal auf Konan zu. „Sag mal, kannst du dich erinnern, hat Nagato jemals vor dir irgendwas … mit seinen Augen gemacht, was Augen eigentlich nicht können?“, fragte er.
Konan dachte nach, suchte in ihrer Erinnerung nach einer solchen Begebenheit.
„Als Yahiko verschwunden ist … da war Nagato … sehr … hm, aufgeregt. Er hat total gezittert und irgendwie sah er anders aus, seine Augen haben sich … so bewegt irgendwie …“
"Yahiko?“, fragte Madara.
„Das war ein Junge in Ame. Er sah genau so aus wie Nagato, wie ein Zwilling, aber waren sie nicht, Yahiko hatte andere Eltern. Irgendwann war er weg, vielleicht ist er entkommen, war ja Kampf überall … Nagato und er mochten sich, weil sie halt gleich aussahen.“ Konan schwieg einen Moment, dann schien ihr noch etwas einzufallen: „Wenn es richtig doll regnet, dann kann er manchmal Sachen, die sind nicht so … normal irgendwie. Ich weiß nicht, er kann dann Sachen sehen, die ich gemacht habe, wo ich woanders war.“
„Wie so durch Wände schauen?“, hakte Madara nach.
Konan nickte.
„Wie heißt das, was er kann, weißt du das?“, fragte sie dann.
„Er nennt es Rinnegan.“
„Rinnegan … ja, das hat er mal gesagt …“
„Du weißt wahrscheinlich nicht viel über seine Eltern?“, fragte Madara.
Konan schüttelte den Kopf. „Nee, die waren schon weg, als er mich gefunden hat. Aber er hat gesagt, dass sie auch … so was konnten. Und dass sie sich nicht gewehrt haben, es nicht benutzt haben, als die angegriffen wurden … Hat er mal gesagt, da war er sehr aufgeregt. Dara, was bedeutet ‚Rinnegan‘ denn?“
„Ich weiß es auch nicht genau, dazu müsste Nagato mir mehr davon erzählen. Aber ich denke mal, es ist ein Kekkei Genkai im Dojutsu. Das bedeutet, es ist eine vererbte Fähigkeit der Augen, also so was wie mein Sharingan. In Konoha gibt es zwei davon, das Sharingan der Uchiha und das Byakugan des Hyuuga-Clans.“
„Gibt’s noch andere Sachen als nur für die Augen?“, fragte Konan.
„Ja. Kekkei Genkai bedeutet einfach, dass es sich um eine Gabe handelt, die man nur erben, nicht lernen kann. Wenn man sie hat, kann man sie lernen, aber sonst nicht. Es gibt alle möglichen Sachen dabei, alles, was irgendwie in den Genen veranlagt sein kann.“
Konan sah einen Moment lang nachdenklich zum Himmel, dann sagte sie: „Ich glaube, irgendwie hab ich auch so was. Nur ein kleines bisschen, ist komisch, aber … manchmal kribbelt mir die Haut, und dann reiß ich ein Stückchen ab und das ist wie Papier.“
Sie zeigte Madara ihre linke Hand, an den Fingern, um die Nägel herum, waren winzige Hautfetzen zu sehen, wie man sie hatte, wenn man sich oft die Hände wusch. „Ich hab mich mal beim Frühstück machen verletzt und dann ist die Haut an der Stelle einfach abgefallen und war ein Stück Papier.“
Madara sah sich die Haut an Konans Händen genauer an. Tatsächlich wirkten die kleinen Hautfetzen seltsam verändert, wie kleine Abrisse von Papier.
„Das ist tatsächlich interessant, Konanchen“, sagte er. „Wenn das noch mal passiert, kommst du mal zu mir, ich schau mir das an, okay?“
Konan nickte. „Vielleicht kann ich deshalb so gut falten?“
„Das könnte sein.“
„Ich weiß halt nicht, ob das auch so was Geerbtes ist, ich hab ja keine Ahnung, wer meine Eltern waren.“
„Gar nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Gar nicht. Ich bin einfach so da, ich hab keine Eltern. Ich brauch auch keine, ich weiß ja nicht, wie das ist, wenn man welche hat.“
„Aber geht’s dir gut damit?“
„Ja. Ich vermiss nichts. Ich hab ja dich und Nagato.“ Sie sah zum Himmel und lächelte ein bisschen, dann wurde ihr Ausdruck ernst: „Aber Nagato vermisst seine Eltern. Weil er ja weiß, dass er welche hatte.“
Madara konnte nicht umhin, dieses kleine Mädchen wirklich beeindruckend zu finden. Sie schien so klar und ruhig, ein kleines Mädchen von fünf Jahren, die schon so vieles wusste und verstand, und doch eine solche positive Stärke und Klarheit in sich hatte, das war schon etwas Besonderes. Madara fühlte sich wieder sehr an Itachi erinnert, und auch an sich selbst, wie er mit fünf Jahren gewesen war. In Konoha nannte man solche Kinder, die so klar und stark entwickelt waren, manchmal ‚Uchiha-Kinder‘, weil diese Wesenszüge im Uchiha-Clan besonders auffielen.
Konan lächelte wieder. „Ich hab dich lieb, Dara. Du bist jetzt mein Papa, dann hab ich einen.“
1991
Die darauf folgende Zeit war anstrengend, aber vor allem schön.
Nach dem Fest, das Oma Yoneko organisiert hatte, war Mama völlig erschöpft und Sasuke schrie die halbe Nacht, und ich bekam mit, wie Papa tatsächlich mit Oma Yoneko schimpfte und ihr vorwarf, wie unangemessen es sei, eine Frau, die gerade ein Kind entbunden hatte, mitsamt diesem Kind dann auf ein Fest zu zwingen, nur damit alle anderen das Baby sahen. Oma Yoneko verstand das nicht, und Papa redete ein paar Tage lang nicht mit ihr.
Ich hatte das Gefühl, dass er an Fürsorglichkeit zugelegt hatte, schon vor Sasukes Geburt, und vielleicht, so dachte ich, wollte er die Fehler, die ihm bei mir als seinem Erstgeborenen unterlaufen waren, jetzt bei seinem zweiten Kind korrigieren.
Meine Tagespläne sahen zuerst nicht viel anders aus als in der Zeit zuvor: Mama arbeitete nicht und ich teilte meinen Tag zwischen der Uni und meinem Helfen zu Hause auf. Zwar war mein eigentliches Studium schon fertig, aber ich hatte solche Freude am Lernen, dass ich trotzdem weiter hinging und arbeitete, aber den größten Teil der Zeit war ich zu Hause, und dort war ruhiges Lernen zu dieser Zeit unmöglich.
Sasuke schien nämlich in seinem Temperament etwas anders gestrickt zu sein als ich, er schrie viel und konnte kaum allein sein, und Mama hatte ihre liebe Not damit. Sie konnte ihre Erfahrungen mit mir als Baby nicht auf Sasuke übertragen, denn während ich als Baby sehr ruhig gewesen war, viel geschlafen und mich auch mal selbst beschäftigt hatte, verlangte Sasuke beständig nach Kontakt. Papa war in dieser Zeit auch viel zu Hause, und so wechselten wir uns ab, meinen kleinen Bruder zu unterhalten, weil Mama das nicht alleine schaffte. Vielleicht deswegen hatte Sasuke später mehr Verbindung zu Papa als ich?
In dieser Zeit hatte ich mehr als genug Gelegenheiten, meinen Bruder im Arm zu halten, denn ich schob ihn im Kinderwagen täglich durchs Dorf oder trug ihn in einem Babytragetuch herum, und das schien ihm zu gefallen. Er war offensichtlich extrovertierter als ich, brauchte Leben und viele Menschen um sich herum …
Nebenbei brachte er mir dadurch eine mir neue Art von Aufmerksamkeit ein, die mich weniger verlegen machte, weil es nicht mehr direkt um mich ging. Es war nicht mehr dieses „Da ist der hochbegabte Itachi Uchiha!“, sondern viel mehr ein „Oh, wie süß, Itachi trägt seinen Bruder im Dorf rum, Babys sind so niedlich!“ Und wieder waren es die Mädchen, für die ich nochmal attraktiver wurde, einfach weil ich Sasuke dabei hatte und sie ihn extrem süß fanden.
Einmal fragte mich eine von ihnen, ob ich eifersüchtig sei, weil alle meinen kleinen Bruder so liebten, und ich antwortete: „Nein, gar nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Nein. Ich mags so lieber.“
„Du bist eindeutig schüchterner als er“, sagte das Mädchen und lachte.
„Ja, das bin ich.“
„Passt doch. Dann ergänzt ihr euch gut.“
In dem Moment streckte Sasuke im Tragetuch die Hand aus und patschte mir ins Gesicht, verlangte nach Ansprache. Das Mädchen fand das ziemlich süß und streckte vorsichtig die Hand aus, um ihm über den Kopf zu streicheln.
Während dieser Zeit, in der ich meine Identität als großer Bruder weiter stärkte und sich unser Familienleben zu viert weiter entwickelte, hatte ich die Jubi-Spuren im Wald schon fast wieder vergessen. Beinahe dachte ich, ich hätte mich getäuscht, vielleicht waren es gar keine Spuren des Jubi-Chakras gewesen?
Doch dann geschah etwas, das mir die Gefahr eines Bijuu-Angriffes wieder deutlich präsenter werden ließ: Eines Abends, als ich eigentlich schon im Bett gewesen war, kam Kushina zu uns nach Hause und ich hörte sie und Mama unten leise miteinander reden. Kushina schien es nicht gut zu gehen, ihre Schwangerschaft bereitete ihr Probleme und sie klagte über starke Kopfschmerzen.
Und als ich schon überlegte, runter zu gehen und zu zeigen, dass ich wach war, fing Kushina an, etwas zu erzählen, das mich oben bleiben und erstarren ließ:
„Ikue … Ich muss dir was erzählen … Mir ist was sehr, sehr Blödes passiert.“
„Was denn?“, fragte Mama und klang schon deutlich besorgt.
„Du weißt ja, dass mein Chakra manchmal ganz komische Sachen macht … Und jetzt war ich gestern mit Minato im Wald, wir wollten nur spazieren gehen, und dann hab ich irgendwas gemacht, und es kam rotes Chakra aus dem Boden, einfach so …“
„Rotes Chakra?!“ Mama flüsterte, doch es hatte einen erschrockenen, scharfen Klang.
„Ja. Ganz dickes, rotes Zeug. Ich hab keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, echt nicht, aber du weißt, was rotes Chakra ist, Ikue …“
Es dauerte einen Moment, bis Mama leise antwortete: „Ja … Kyuubis Chakra …“
Ich blieb oben hinter dem Treppenansatz, ging nicht runter. Aber schlafen konnte ich jetzt nicht mehr, und so ging ich zwar in mein Zimmer zurück, doch ich öffnete das Fenster und verließ das Haus auf diesem Weg.
Ich musste noch mal in den Wald, zu der Stelle, wo ich die Jubi-Spuren entdeckt hatte. Jubi war zwar kein „denkendes Wesen“, aber so, wie es jetzt aussah, war sein Auftauchen ein Indikator für ein Auftauchen des neunschwänzigen Fuchses. Ich hatte vor, die Stelle noch mal zu untersuchen, und dann wollte ich das, was ich dann wusste, noch mal melden.
Als ich die Stelle im Wald erreichte, sah sie anders aus als beim letzten Mal: Offenbar war das, was Kushina erzählt hatte, hier passiert, der Erdboden war aufgerissen und die Spuren deuteten wirklich auf freies Chakra hin, das offenbar in der Erde gewesen war und herausgebrochen war, ähnlich wie Lava aus einem Vulkan.
Ich scannte die Umgebung mit meinen Sharingan ab, und auf diese Weise ergab sich mir ein detaillierteres Bild der Strukturen im Boden. Weit unten, zu tief um beispielsweise mit dem Byakugan hineinschauen zu können, befand sich eine riesige Kammer, gefüllt mit dem Chakra des Fuchsgeistes. Und wo auch immer dieser sich gerade aufhielt, er hatte hier offenbar vor langer Zeit eine Art von Vorrat aus dickflüssiger, extrem starker Energie angelegt.
Vielleicht war die Existenz dieser Kammer sogar den Sicherheitsleuten im Dorf bekannt, schließlich gehörten viele Verwandte von mir, die diese Kammer mit ihren eigenen Sharingan erkennen konnten, ebenfalls zu den Sicherheitsbehörden von Konoha. Für die Sicherheit im Dorf zu sorgen und entsprechend Gefahren zu minimieren, war seit der Gründung von Konoha Gakure immer schon die Aufgabe der Uchiha gewesen.
Dieser Gedanke führte mich zu der Frage, wie Kushina es wohl geschafft hatte, einen Teil dieses Chakras aus dem Boden zu locken. Kushina gehörte der Familie Uzumaki an, die wie ein abgeteilter Zweig vor allem verwandtschaftliche Beziehungen zu den Senjuu hatten. Und in der Familie Senjuu gab es schon immer Leute, allen voran Hashirama, den Hokage der Ersten Generation, die über besondere Fähigkeiten in Bezug auf Bijuu-Geister verfügten. Diese Fähigkeiten waren zwar auch dort selten, aber es konnte gut sein, dass Kushina einen Teil davon geerbt hatte.
Jubi war hier gewesen, und Kyuubi hatte an dieser Stelle eine riesige Kammer voll mit Chakra angelegt. Und diese Stelle war kaum einen Kilometer von der Dorfmauer entfernt. Kushina hatte es irgendwie geschafft, das Chakra im Boden aufzuwecken und einen Teil herauszulocken, und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Zu Papa und seinen Kollegen gehen und das Ganze melden? Ich wollte nicht, dass Kushina Probleme bekam, sie war hochschwanger und sollte gerade wirklich keinem Stress ausgesetzt werden. Doch zugleich dachte ich, dass sie diesen Stress ja nun sowieso hatte, sie wusste, was sie „getan“ hatte und hatte Mama ja gerade davon erzählt.
Nach einigem Überlegen und Abwägen beschloss ich, damit nicht zur Polizei, sondern direkt zum Hokage zu gehen.
Schon im Jahr zuvor war Sarutobi in Ruhestand gegangen und hatte Minato zu seinem Nachfolger ernannt. Sarutobi selbst arbeitete nun im Hintergrund als Teil des Ältestenrates, er war immer noch präsent, aber die aktiven Geschäfte führte nun Minato.
Nach Kushinas Aussage war er ja dabei gewesen, als das Chakra aus dem Boden gekommen war, und er als Hokage musste sich deswegen ja so oder so Gedanken machen.
Ich lief also ins Dorf zurück und zum Regierungsgebäude, und tatsächlich brannte oben im Hokage-Büro noch Licht. Der Wachmann am Tor fragte, was ich so spät noch wollte, und ich sagte nur, dass ich etwas Wichtiges mit dem Hokage zu besprechen hatte.
„Minato ist noch oben“, sagte der Wächter nur und ließ mich durch.
Oben angekommen klopfte ich an die Tür und wartete auf das „Herein, bitte“, ehe ich das Büro betrat. Minato saß hinter seinem Schreibtisch, aber er trug nicht das Hokage-Gewand, sondern einen einfachen Kampfanzug, und ich sah ihm gleich an, dass es ihm nicht gut ging.
„Itachi? Was machst du so spät noch hier?“, fragte er.
Ich wusste erst nicht recht, wie ich anfangen sollte. Das Thema war so schwer, und ich wusste ja auch nicht, ob Kushina ihrem Mann erzählt hatte, dass sie mit meiner Mama darüber sprechen wollte.
„Kushina war vorhin bei Mama …“, begann ich, „und sie hat erzählt, dass ihr im Wald … Kyuubi-Chakra gefunden habt … Ich war eben dort, an der Stelle, und ich hab riesige Mengen an Chakra unter der Erde gesehen.“
Minato reagierte nicht erschrocken oder so. Natürlich nicht, denn er wusste ganz sicher, was das alles zusammen bedeutete.
„Hast du sonst jemandem davon erzählt?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Ich werde morgen mit dem Sicherheitsrat darüber sprechen, ich habe schon eine Konferenz anberaumt. Sollte Kyuubi tatsächlich hier auftauchen, müssen wir vorbereitet sein.“
„Es war auch Jubi-Chakra an der Stelle …“, fügte ich noch hinzu.
„Das ist gut, dass du das sagst. Jubi-Chakra taucht manchmal auf, wenn ein echter Bijuu-Geist in der Nähe ist. Die Frage ist nur, ob es vielleicht hilft, den Bijuu fernzuhalten, wenn wir das offene Jubi-Chakra versiegeln.“
„Wie versiegelt man denn so ein Chakra wie das des Jubi?“
„Im Grunde genau wie jede andere Kraft, entweder in einer starken Barriere, oder in einem Menschen. Wobei Jubi tatsächlich … so anders ist als ein Bijuu, dass alle anderen Barrieren bisher dieses Chakra nicht halten konnten. Da bleibt möglicherweise wirklich nur die Versiegelung als Jinchu-Kraft.“
„Also … in einem Menschen …“, sagte ich fast tonlos.
Minato nickte. „Und am besten, das muss man leider so sagen, kann man so ein Chakra in einem kleinen Kind versiegeln.“
„Was passiert denn, wenn man Jubi versiegelt?“
„Vermutlich weniger, als wenn man einen echten Bijuu in einen Menschen einschließt. Jubi ist eben kein Bijuu, sondern ‚nur‘ ein universelles Chakra. Wir wissen nur wenig darüber, aber das, was wir wissen, ist, dass die einzige Person, in der man einmal Jubi-Chakra versiegelt hat, dadurch nicht zu einer ‚klassischen‘ Jinchu-Kraft wurde, sondern ‚nur‘ die Fähigkeit erhielt, im Grunde alle Chakra-Elemente zugleich zu nutzen. Also, wenn du dir vorstellst, dass jemand zum Beispiel Ninjutsu auf Basis des Feuerverstecks beherrscht, kann Jubi-Chakra dafür sorgen, dass dieser Mensch dann auch Windversteck und Wasserversteck nutzen kann, wenn es ihm gelingt, das Jubi-Chakra mit seinem eigenen zu kombinieren. Und bei diesem einen bekannten Fall kam es auch nicht zum ‚Bijuu-Gewand‘, das Chakra des Jubi verwandelt diese Person anscheinend nicht.“
„Also kann es sein, dass wir Kyuubis Angriff verhindern können, wenn es gelingt, Jubi in einem Menschen zu versiegeln?“
Minato nickte. „Genau.“
„Und … wie findet man heraus, in wem?“
„Wir brauchen ein kleines Kind, am besten eines, das noch kein halbes Jahr alt ist. Und … nun ja, es sollte ein Kind sein, das später mal ein Ninja werden kann. Wir können also keines aus einer Zivilistenfamilie nehmen …“ Minato sah auf seine Hände, sagte eine Weile nichts mehr, aber ich spürte auch ohne, dass er es aussprach, was er dachte: Dass es ja so ein Kind gerade gab, noch kein halbes Jahr alt und mit der Aussicht, später ein starker Ninja zu werden: Sasuke.
Ein paar Augenblicke lang hing dieser Gedanke zwischen dem Hokage und mir in der Luft, und ich spürte, wie meine Augen heiß wurden, als müsste ich gleich weinen. Es stand im Raum, dass wir einen Angriff des Kyuubi vielleicht würden verhindern können, wenn wir das Jubi-Chakra im Körper meines kleinen Bruders versiegelten, und auch wenn Jubi kein echter Bijuu mit den entsprechenden Folgen war, tat es mir weh.
„Ich werde mit deinen Eltern darüber sprechen, Itachi. Wir finden zusammen einen Weg“, sagte Minato und lächelte ein klein wenig.
Ich fragte mich, wie er das in sich drin aushielt, die Sorge um Kushina und wegen des Kyuubi, und zugleich die Gedanken, die er sich nun wegen Sasuke machte. Aber er war eben der Hokage, er konnte das irgendwie. Und ich wusste, wenn ich selbst irgendwann Hokage werden wollte, musste ich das auch lernen. Nur wusste ich noch nicht, wie.
Am nächsten Morgen weckte mich Papa. Ich hatte tatsächlich ein bisschen verschlafen, es war halb sechs. Papa sah ernst aus und während ich aufstand und mich anzog, blieb er im Zimmer und erzählte mir, dass er schon mit Minato gesprochen hatte.
„… wir als Uchiha-Clan werden Jubi übernehmen. Das ist unsere Aufgabe als Sicherheitsbeauftragte des Dorfes. Und vielleicht lässt sich ein Angriff durch Kyuubi ja dadurch abwenden. Aber auch so sollte Jubi wieder versiegelt werden, und wir haben entschieden, dass Sasuke ihn bekommt. Aber du musst dir keine Sorgen um deinen Bruder machen, Itachi, denn Jubi macht einen Menschen nicht zur Jinchu-Kraft.“ Papa sah mich direkt an und lächelte ein wenig, als er sagte: „Stell es dir so ähnlich vor wie dein Tsukuyomi, also als etwas, das Sasuke dazu befähigen wird, etwas Außergewöhnliches zu können. Und weil wir die Versiegelung äußerst geheim halten werden, wird auch niemand ihn behandeln wie eine Jinchu-Kraft. Du brauchst also keine Angst zu haben, Itachi.“
„Wer weiß denn davon?“, fragte ich.
„Nur Minato, Yoneko, Mama, ich und du. Yoneko und ich werden das Jubi-Chakra einfangen und Minato wird es versiegeln. Sasuke selbst wird davon erfahren, sobald er alt genug ist.“
Als ich an diesem Tag zur Uni ging und mich dort wie immer zum Arbeiten in die Bibliothek setzte, fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren.
Meine Gedanken kreisten um Sasuke und Jubi, und trotz, dass Papa und Minato versucht hatten, mir die Sorge zu nehmen, hatte ich Angst. Eben erst hatte ich meinen lang ersehnten Bruder bekommen, und nun sollte er, noch als Baby, schon dem Schutz des Dorfes dienen. Es machte mich traurig, auch wenn ich selbst versuchte, mir zu sagen, dass Jubi ja kein Bijuu war und nichts wirklich Schlimmes geschehen würde.
Das Einzige, was mir in diesem Moment half, war, mir meinen inneren Schwur, der beste große Bruder zu sein und Sasuke zu beschützen, bewusst zu machen, und ihn zu erweitern: Sollte jemand meinen kleinen Bruder wegen Jubi ablehnen oder angreifen, würde ich dazwischen gehen, ihn auch dann mit meinem Leben beschützen und für ihn da sein.
Ich weiß heute nicht mehr genau, wie ich an diesem Tag auf die Idee kam, dafür ein eigenes Jutsu zu erlernen. Vielleicht las ich etwas darüber, weil ich den Gedanken, Sasuke mit all meiner Kraft zu beschützen, weiter führte und nach Möglichkeiten suchte?
Irgendwie jedenfalls landete ich bei einem Buch aus der geheimen Abteilung der Bibliothek und fand darin eine lose, lückenhafte Anleitung für ein Jutsu, das eine Verbindung aus Liebe und Kraft herstellen sollte, aber noch keinen Namen hatte und keine Verbindung zu den Fingerzeichen.
Die Beschreibung dieses Jutsu gab mir ein Gefühl von Selbsterkennen und es schien wie für mich gemacht. Dort stand, dass es eine Möglichkeit darstellen sollte, wie man seine Kraft als Ninja in den Dienst einer Sache stellen und sich darauf vollkommen konzentrieren konnte. Und ich, der ich immer mit meinem Wunderkind-Dasein gekämpft hatte und innerlich schon lange nach einem Weg suchte, mein ungeheures Talent daran zu hindern, mir selbst zu Kopf zu steigen, fühlte mich mit dieser Beschreibung so sehr gesehen!
Alles, was dort stand, passte zu mir: „Ein Shinobi mit großem Talent und außergewöhnlichen Fähigkeiten kann das Bedürfnis verspüren, diese Fähigkeiten in den Dienst einer guten Sache zu stellen, und die Sorge darum, zu überzeugt von der eigenen Kraft zu werden, kann den Wunsch nach einer Methode wecken, die diese Kraft beschränkt.“
Ich dachte an die immer gleichen Besuche in Oma Yonekos Teehaus, die mir so unangenehm waren, weil ich dort immer in den höchsten Tönen gelobt wurde, und an meine Zeit auf der Akademie, wo ich immer anders gewesen war als die anderen, und auch an die unheimlichen Momente, die mir manche Aspekte des Tsukuyomi so verursachten.
Wenn ich diese Dinge unter eine so starke Kontrolle bringen konnte, dass es mir leichter fallen würde, mit meinem Talent umzugehen, und ich damit die Menschen, die ich liebte, beschützen und für sie da sein konnte, würde meine Angst davor, viel zu stark zu werden, bestimmt weniger.
Allerdings war die Beschreibung der Anwendung dieses Jutsu äußerst unvollständig. Es schien eine noch sehr unerforschte Idee zu sein, nur lose aufgeschrieben … Doch das schreckte mich nicht ab. Im Gegenteil, es weckte eine Lust in mir, selbst herauszufinden, wie man dieses Jutsu anwenden konnte. Ich hatte ja nun mal die intellektuellen Fähigkeiten, um an so etwas zu forschen und zu arbeiten, und dieses Jutsu irgendwann dann schlussendlich auch zu lernen.
Ich suchte auch noch nach Informationen zum Jubi-Chakra, doch ich fand kaum etwas. Es schien wirklich nur ein einziges Buch dazu zu geben, doch jenes Buch war immer noch unauffindbar und ich dachte wieder, dass Madara es vielleicht hatte.
Doch Madara war nicht mehr da und auch bei den Sachen, die er zurückgelassen hatte, war dieses Buch nicht dabei gewesen. Alle Bücher aus seiner Wohnung waren nach seinem Verschwinden zurück in die Bibliothek einsortiert worden, und ich fand seinen Namen in sehr vielen der Ausleihungsstempel, die in jedem Buch hier anzeigten, wer sich das Buch mal mit nach Hause genommen hatte.
Oft stand zuerst sein Name darin, und an späterer Stelle dann auch meiner. Wir lasen beide gern und viel, und einen Moment lang hatte ich ein Bild im Kopf, wie er jetzt, falls er noch lebte, irgendwo an einem weit entfernten Ort zwischen vielen Schriften saß und las und arbeitete, so wie wir es oft zusammen getan hatten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er tot war.
Als ich am Abend nach Hause kam, saß Mama mit Sasuke auf dem Arm am Küchentisch, sie fütterte ihn und auf den ersten Blick wirkte alles normal, doch als ich näher kam, sah ich, dass es ihr nicht gut ging.
„Kann ich dir helfen, Mama?“, fragte ich.
Mama schüttelte den Kopf und hatte auf einmal Tränen in den Augen. Sie drückte Sasuke an sich und küsste ihn, und ich ging zu ihr hin und umarmte sie und meinen Bruder.
„Soll ich ihn nehmen?“, fragte ich leise.
Mama nickte, und ich nahm meinen Bruder an mich. Wenn Mama weinte und Angst hatte, so dachte ich, war es für Sasuke vielleicht sicherer, wenn ich ihn hielt. Babys bekamen unterschwellig so viel mit, und er sollte Mamas Sorge nicht so sehr spüren müssen.
Tatsächlich lebte Sasuke geradezu auf, als ich ihn auf den Arm nahm, er lächelte und streckte mir seine Hände ins Gesicht entgegen. Auf dem Tisch lag der grüne Plüschdrache, den ich ihm zur Geburt geschenkt hatte, er griff danach und ich ließ es zu, setzte ihn mit dem Stofftier zusammen in seinen Kinderstuhl am Tisch und kümmerte mich dann um Mama.
„Du hast Angst um Kushina, oder?“, fragte ich.
Sie nickte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. Ich umarmte sie wieder, sie weinte und küsste mich auf die Stirn. „Danke, Spatz …“, flüsterte sie. Und ich musste fast auch noch weinen, weil es mich so rührte, wenn sie mich Spatz nannte.
„Itachi … sag mal, ist dir das alles nicht … manchmal zu viel?“, fragte sie nach einer Weile.
„Was, zu viel?“
„Du machst so viel, du lernst und arbeitest und versorgst deinen Bruder, und bist dann noch für mich da … Du bist doch immer noch ein Kind, kaum zehn Jahre alt … Ich habe manchmal Sorge, dass du dich überforderst.“
„Aber ich mach das doch gern!“, sagte ich laut. „Ich bin einfach so, ich war nie anders als das!“
„Wirklich?“
„Ja. Du musst dir keine Sorgen machen, Mama. Solange ich das alles darf, studieren und dir helfen und für Sasuke sorgen, geht’s mir gut.“ Ich dachte einen Moment über meine nächsten Worte nach, entschied dann aber, sie doch auszusprechen: „Ich will nur nicht zur Anbu oder so was …“
Das Thema „Anbu“ war kurz zuvor wieder konkreter geworden, Papa und Yoneko hatten darüber gesprochen, wann ich dort einsteigen und mitmachen sollte.
Mama sah mich an, lächelte, noch mit Tränen in den Augen, und sagte: „Dann ist gut. Und selbst wenn du irgendwann zur Anbu gehst … dann sorge ich hier zu Hause dafür, dass du dich davon auch ausruhen und erholen kannst.“ Sie umarmte mich und sagte noch: „Ich hab dich lieb, Itachi-Spatz.“
„Ich hab dich auch lieb, Mami.“
Am Morgen darauf wurde ich wieder von Papa geweckt. Es war viertel nach vier Uhr am Morgen, also die Zeit, zu der ich normalerweise von selbst aufwachte, aber Papa war dem zuvor gekommen. Er hatte seine Uniform an und trug seine Ausrüstung, mehrere verschiedene Waffen und Schriftrollen, am Körper, es sah aus, als wollte er auf eine Mission gehen.
Ich sprang aus dem Bett und fing an, mich anzuziehen, noch ehe er etwas gesagt hatte. Fertig angezogen lief ich aus dem Zimmer, über den Flur ins Bad, machte mich so schnell ich konnte fertig und stand dann wieder vor Papa, der sich seitdem weder bewegt, noch etwas gesagt hatte.
„Wir warten noch auf Oma Yoneko und dann zeigst du uns die Stelle im Wald, wo du die Spuren von Jubi und Kyuubi gefunden hast“, sagte er, während ich meine Waffen zusammenpackte und meine Chuunin-Uniform über die Alltagskleider anzog.
Als wir aus dem Haus gingen, fragte ich, wo Mama sei, und Papa antwortete, dass wir sie noch schlafen lassen sollten. „… Sie sollte ausgeruht sein, wenn wir nachher das Chakra einfangen und mitnehmen, immerhin geht es um Sasuke …“, sagte er, und ich sah in seinen Augen, dass ihm die ganze Sache mehr zusetzte, als er zeigen wollte.
Wir betraten das Uchiha-Viertel und sahen Yoneko schon am Tor vor ihrem Haus stehen, sie trug ebenfalls eine Uniform und wirkte darin überhaupt nicht mehr wie eine Urgroßmutter, sondern wie eine kleine, alte, aber sehr starke und selbstbewusste Person. Das war sie zwar auch, wenn sie im Alltag ihren Kimono trug, doch die Uniform machte ihre Stärke als Matriarchin unseres Clans deutlicher sichtbar. Sie trug sämtliche Abzeichen, sowohl das der Polizei, als auch die von Chuunin, Jonin und der Anbu, und auf der Stirn ihrer Anbu-Katzenmaske, die sie an der Kopfseite trug, stand unübersehbar das Wappen unseres Clans.
„Guten Morgen“, sagte sie. „Na dann, holen wir uns das Jubi.“
„Ikue schläft noch“, erwiderte Papa.
„Wir werden einige Zeit brauchen. Bis dahin ist sie wach. Sie wird Sasuke vorbereiten.“ Wie Yoneko das sagte …! Ich kannte sie, wusste, wie sie war und dass sie es nicht „böse“ meinte, doch ihre Worte wirkten so gefühlsbereinigt und geradezu kalt, dass ich spürte, wie sich in mir eine Gegenwehr dagegen regte. „Sasuke vorbereiten“, aus ihren Worten und ihrer Stimme war kaum zu hören, dass es dabei um ein Kind, ein kleines Baby ging. Und dass sie von Mama verlangte, dass die ihr neugeborenes Kind einer Versiegelung von fremdem Chakra aussetzte.
„Oma Yoneko …“, sprach ich sie an. „Sasuke ist mein kleiner Bruder. Ich …“
„Wir wissen das, Itachi“, unterbrach sie mich mit einem Ton, der mich verstummen ließ. „Aber es ist unsere Aufgabe, also tun wir es.“
Papa sah mich an und legte ohne ein Wort seine Hand auf meine Schulter.
Wir verließen das Dorf, nahmen den Weg durch die Baumkronen und fanden schnell die Stelle wieder, an der ich die Jubi-Spuren gefunden hatte. Es sah anders aus als beim letzten Mal, offenbar war „es“ wieder hier gewesen. Papa und Yoneko benutzten die Sharingan, um die Spuren zu lesen und die Umgebung abzuscannen, und ich stand irgendwie nur da und fühlte mich seltsam, es fiel mir schwer, die Situation emotional zu erfassen, ohne dass es mir weh tat, denn das tat es.
Ich dachte an Sasuke, der gerade noch in seinem Bettchen lag und schlief, und an Mama, die wusste, dass heute der Tag war, an dem sie ihr neu geborenes Baby für das Dorf und die Sicherheit einsetzen sollte.
Und egal, wie sehr ich wegen Yoneko und dem übergeordneten Regelwerk des Ninja versuchte, meine Gefühle runter zu regeln und zu verbergen, in diesem Moment gelang es mir nicht.
Immer dann, wenn ich auf Missionen mitkam und dort mit Ninjas aus anderen Ländern zu tun bekam, die ich nicht persönlich kannte, konnte ich das, meine Gefühle außen vor lassen, ein Ninja sein, einer vom Uchiha-Clan, stark und talentiert und professionell.
Aber in dieser Situation, wo es um mich und mein Leben ging, und das tat es, denn Sasuke war mein lang ersehnter Traum eines kleinen Bruders, war ich nicht imstande, ein professioneller Ninja zu sein, und ich wollte das auch nicht sein. Ich dachte an Mama, daran, wie sehr ich so war wie sie, hochsensibel und voll mit Gefühlen, und dass mir das wichtig war, mir so viel bedeutete!
Yoneko und Papa verließen die Lichtung, sie hatten weiter gehenden Spuren entdeckt, und ich folgte ihnen, während in meinem Innern schon die Tränen hochkamen.
Ich dachte an das, was Papa über Jubi gesagt hatte, dass es kein Bijuu war und Sasuke nicht leiden würde. Aber darum ging es mir nicht. Es ging nicht um die konkreten Folgen, nicht um Jubi oder Chakra oder die Möglichkeit, einen Angriff des Kyuubi zu verhindern, das war nicht der Punkt, an dem ich mich störte. Es ging mir um Oma Yoneko, um die Art, wie sie dachte und plante und wie sie sich das vorstellte!
Ich blieb stehen, spürte schon, wie mir die heißen Tränen aus den Augen liefen, und es dauerte einen Moment, bis Papa es bemerkte.
„Was ist?“, fragte er, und ich spürte, dass auch er zerrissen war, zwischen seiner Pflicht und seinen Gefühlen, denn immerhin war Sasuke auch sein Kind. Ich war nicht in erster Linie wütend auf Papa, nicht mehr, denn er versuchte wenigstens, seine Pflicht zumindest ansatzweise mit seinen Gefühlen in Einklang zu bringen. Ich sah und spürte es, und es war zumindest ein bisschen okay.
„Ich … will das nicht …!“, antwortete ich, meine Stimme klang schon nach Weinen. „Es kann doch nicht … sein … wir suchen hier das Jubi, um … es zu versiegeln, in … in …“ Ich konnte nicht mehr weiter sprechen, sah in dem Moment, wie Yoneko stehen blieb, sich umwandte und mich ansah, und sie sah so ungerührt aus, dass in mir etwas aufriss, und ich sie anschrie: „In … in meinem kleinen Bruder?!“
„Itachi …“, sagte Papa und kam auf mich zu.
„Denkst du ein Mal, ein einziges Mal, an Mama, Oma Yoneko?! Denkst du daran, dass Sasuke ihr Baby ist?! Denkst du dran, dass sie Angst um ihn hat und um Kushina, und dass es sie dazwischen fast zerreißt?! Und was ist, wenn wir Jubi finden und versiegeln und der Neunschwänzige Fuchs trotzdem ins Dorf kommt? Habt ihr dafür auch schon ne Idee?!“
Es kam wirklich selten vor, dass ich so wütend und laut wurde, doch ich konnte in diesem Moment einfach nicht anders. Ich wusste, dass ich Yonekos Art und ihre Meinung nicht wirklich ändern konnte, aber ich wollte wenigstens meine eigene Position beziehen und sagen, dass es mich wütend machte. Es ging hier um meinen Bruder und darum, dass ich meinem Schwur, ein guter großer Bruder zu sein, treu blieb. Wenn ich jetzt nicht wütend wurde und zeigte, was es mit mir machte, wann dann?
„Krieg dich wieder ein, Itachi.“ Yonekos Stimme war laut, aber so kalt. „Wir haben dir doch erklärt, Jubi macht ein Kind nicht zur Jinchu-Kraft.“
„Darum geht es mir nicht!!“, schrie ich.
„Dann verstehe ich nicht, was du willst“, sagte sie. „Wir sind der Uchiha-Clan, unsere Aufgabe ist die Sicherheit des Dorfes.“
„Und Sasuke ist mein kleiner Bruder!!“
„Was willst du tun? Krieg dich wieder ein.“
„Ich mache das nicht mit! Und wenn ihr schon meinen Bruder dafür benutzen wollt, dann geh ich jetzt nach Hause und bin für Mama und ihn da. Da werde ich mehr gebraucht, als hier.“
Yoneko sagte nichts darauf. Und Papa stand immer noch da, deutlich spürbar zwischen den Stühlen sitzend.
Ich drehte mich um und lief den Weg zurück, den ganzen Weg bis ins Dorf, wo ich nach Hause ging, die Tür öffnete und Mama im Wohnzimmer sitzen sah. Sie hatte Sasuke im Arm und ihr Kleid vorne geöffnet und stillte ihn.
„Wo kommst du jetzt her?“, fragte sie leise.
„Ich war bei Papa und Yoneko, sie wollten mich dabei haben. Aber ich mache das nicht mit.“ Ich setzte mich zu ihr aufs Sofa und sah sie an. „Ich will lieber hier sein, du bist doch sonst so allein.“
Mama lächelte. „Das ist lieb, Spatz.“
Ich lehnte mich an sie und schloss für einen Moment die Augen, hörte Mamas Herzschlag und das leise Geräusch von Sasuke, wie er die Milch schluckte. Es fühlte sich schön an, ihm und Mama so nah zu sein und ich wusste, ich hatte mich richtig entschieden, hier zu sein, und dass ich Yoneko Widerworte gegeben hatte, war auch richtig gewesen.
Wir sprachen nicht viel, doch das mussten wir auch nicht. Mama und ich verstanden einander auch so, wir mussten nicht laut sprechen, um zu wissen und zu fühlen, was wir voneinander brauchten. Das war schon immer so, und seit Sasuke da war, war es eher noch mehr geworden.
Und während Mama da saß und meinen Bruder stillte, und ich mich an sie anlehnte, verging einige Zeit, es wurde hell draußen und irgendwann, als Sasuke satt war, stand Mama auf, schloss ihr Kleid und setzte ihn in seinen Kinderstuhl, und fing dann an, Frühstück zu machen.
Ich half ihr und kochte eine Kanne Tee, von der Sorte, die Mama und ich am liebsten tranken, einen süßen Früchtetee ohne Koffein, weil wir beide Koffein nicht gut vertrugen.
Der Morgen ging herum, und Mama und ich konnten kaum etwas anderes tun als zu warten, bis Papa und Yoneko wieder zurück kamen. Es dauerte lange, so etwas wie Jubi zu finden und einzufangen, und ich fragte mich, wer von unserem Clan noch dabei sein würde. Man brauchte ganz sicher mehr als zwei Leute, und Minato sollte ja auch dabei sein.
Kurz vor ein Uhr mittags hörten wir die Haustür klappen und Mamas Bruder Haimaru kam herein. Er sah aus, als hätte er an einem Kampf teilgenommen, und war ganz außer Atem. Kurz nach ihm kam auch Shisui dazu.
„Ikue, es geht los. Wir haben Jubi gefunden und der Hokage hat schon mit dem Einfangen begonnen“, sagte Haimaru. „Itachi, du gehst mit Shisui.“
Mama wurde ein wenig blass, sie nahm Sasuke aus dem Kinderstuhl, drückte ihn an sich und nickte.
„Bist du okay, Ikue?“, fragte Haimaru.
„Ja. Es geht schon.“
Ich wollte zu ihr, sie umarmen, am liebsten ihre Hand nehmen und nicht mehr loslassen, weil ich so sehr spürte, dass sie Angst hatte. Aber ehe ich mich bewegen konnte, stand Shisui schon neben mir und hielt mich an den Schultern fest.
„Bleib bei mir, Itachi“, sagte er. „Ist besser so.“
Mama ging mit Sasuke auf dem Arm mit Haimaru mit, und ich blieb mit Shisui zurück. Mein Cousin hatte offenbar die Aufgabe, auf mich aufzupassen, damit ich die Versiegelung nicht störte. Er war inzwischen sechzehn Jahre alt und mir körperlich überlegen, und er kannte mich gut genug, dass er mich davon abhalten konnte.
„Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie das für dich ist“, sagte er und lächelte leicht.
„Kannst du das?“, fragte ich leise und spürte schon wieder Tränen in mir aufsteigen.
„Vielleicht auch nicht. Ich habe ja keinen wirklichen kleinen Bruder. Aber ich kenne dich, Itachi, ich weiß, wie viel Sasuke dir bedeutet und wie schwer es für dich ist, ihn nicht beschützen zu können.“
„Es tut mir weh …“, sagte ich, meine Stimme hatte kaum noch Ton.
„Wir sind Ninjas …“, erwiderte Shisui.
„Wenn ich hätte wählen können, wäre ich gar kein Ninja geworden.“
„Ich weiß … Aber wir sind nun mal Ninjas, und wir gehören zum Uchiha-Clan.“
Ich nickte, und dann liefen mir wieder die Tränen. „Aber … das Einzige, was ich am Ninja-Dasein und an meinen Fähigkeiten überhaupt mag … ist doch, dass ich damit andere beschützen könnte …! Und wenn ich dann dastehen und zusehen muss, wie meine Mama und mein Bruder leiden und zu Schaden kommen, dann … ist doch alles Trainieren sinnlos …!“
Shisui sagte nichts dazu, er sah mich nur an und dann umarmte er mich.
Ich wusste, dass er anders war als ich, der Beruf des Ninja fiel ihm deutlich leichter als mir, er hatte kaum Probleme mit dem Kämpfen, stand schon kurz vor seiner Prüfung zum Jo-Nin und hatte auch schon einige Missionen für die Anbu absolviert.
Wir gingen aus dem Haus, und Shisui versuchte, mich ein wenig abzulenken und dafür zu sorgen, dass ich meine Ängste ein wenig vergaß. Wir gingen zum Süßigkeitenladen und er kaufte mir eine Packung Dango, die wir dann in dem runden Baumhaus aßen, welches sich auf dem großen Baum an der Hauptstraße befand.
Doch von diesem Baumhaus aus konnte man über die Dorfmauer hinwegsehen, und ich konnte sehen, wie draußen im Wald eine Wolke aus Rauch und Chakra aufstieg, genau in der Richtung, wo sich die Stelle befand, an der Jubi und Kyuubi aufeinandergetroffen sein mussten.
Shisui hatte es auch gesehen, versuchte noch, mich am Arm festzuhalten, doch ich war schneller, sprang auf und nahm den Weg über die Dächer des Dorfes, hin zur Mauer, ich konnte mich selbst nicht mehr aufhalten. Mein über die ganze Zeit, in der ich mir einen kleinen Bruder gewünscht hatte, gewachsener, emotionaler Instinkt ließ sich nicht mehr unterdrücken, und ich folgte ihm, es fühlte sich richtig an.
„Itachi! Warte!“, rief Shisui hinter mir.
„Ich muss da hin!“
„Dann lass mich wenigstens mitkommen!“
„Hol mich ein, wenn du kannst!“
Ich aktivierte meine Sharingan und fand die Stelle sehr schnell, und das Erste, was ich sah, war gerade, wie Minato, der mit dem Rücken zu mir stand, eine große Schriftrolle öffnete und das Jutsu des Vertrauten Geistes anwandte. Ich wusste, dass er ein Schüler des Sannin Jiraiya gewesen war, und so wunderte es mich nicht, dass zwei große, alt aussehende Kröten erschienen.
Und im nächsten Moment hatte Minato mich bemerkt.
„Was tust du hier, Itachi? Wo ist Shisui?“, fragte er.
„Ich bin hier!“, rief Shisui hinter mir.
Haimaru, der etwas entfernt auf einem hohen Ast eines Baumes stand, antwortete: „Ihr habt hier nichts zu suchen!“
Die anderen, Papa, Yoneko und Mama, standen im Kreis um eine Art Tisch herum, einen Zeremonientisch mit aufgemalten und eingeritzten Symbolen und Zeichen, und auf dem Tisch lag Sasuke mit nichts als seiner Windel bekleidet und schrie.
Minato wandte sich zu mir um. „Ihr könnt bleiben“, sagte er. „Aber haltet euch heraus.“
Die beiden alten Kröten hielten je eine Schriftrolle im Maul, rollten diese dann auf und schmiedeten Chakra, das zum Himmel aufstieg und dabei viele kleine, hoch oben schwebende Bläschen und Kugeln aus silbrig glänzendem Chakra zu einem großen Ganzen zusammen sammelten.
Das silbrige Chakra war das des Jubi, es schwebte offen in der Luft und nahm keine Tiergestalt an, es war nur freies Chakra. Unter dem Boden befand sich an dieser Stelle das Chakra des Fuchsgeistes, doch die Austrittsstellen, die ich heute Morgen noch gesehen hatte, waren provisorisch versiegelt worden.
Minato machte zwei Schritte auf den Tisch zu, die beiden Kröten sammelten nach und nach das ganze herumschwebende Chakra ein, dann schloss er eine ganze Reihe von Fingerzeichen, bis sich an seiner Hand auf jedem Finger je ein Siegelzeichen zeigte.
Ich sah zu Mama, sie war ganz blass und Papa stand nah neben ihr, hielt ihre Hand. Ich spürte Shisui neben mir, seine Hand auf meiner Schulter, und Yoneko trat einen Schritt vor, schloss ebenso einige Fingerzeichen und erschuf damit eine Art Kuppel oder Schild über dem Tisch. Diese Barriere senkte sich nieder und schloss meinen Bruder ein, sodass wir ihn nur noch sehen und nicht mehr hören konnten.
Ich spürte, wie ich zitterte, mein Herz tat weh und ich hatte Tränen in den Augen, konnte meine Sharingan nicht länger halten. Da lag mein geliebter kleiner Bruder ganz allein auf diesem Tisch und schrie, und dass wir ihn nicht hören konnten, machte es eher schlimmer, als erträglicher.
„Ich mache schnell“, sagte Minato und ich wusste, dass er mich damit ansprach. „Es wird nicht lange dauern.“
Er trat an den Tisch, die beiden Kröten reichten ihm die Schriftrollen, in denen sie das Jubi-Chakra gesammelt hatten, und Minato nahm es an, ließ es über seiner Hand schweben, schloss es mit den Siegeln an seinen Fingern nochmals ein und stieß dann mit der Hand durch die Barriere.
Ich hielt den Atem an, wollte nicht hinsehen und konnte doch nicht anders, doch es ging wirklich sehr schnell, so schnell, dass ich nicht sehen konnte, was genau geschah. Nur Sekunden später war die Barriere aufgelöst, das Jubi-Chakra nicht mehr zu sehen, und wir konnten Sasuke wieder hören, er schrie immer noch.
Minato trat einen Schritt zurück, schloss die Schriftrollen wieder und nahm meinen Bruder vorsichtig vom Tisch, ging zu Mama und gab ihn ihr in die Arme zurück. In dem Moment wurde sie noch blasser, und Papa konnte sie und Sasuke gerade noch halten, ehe Mama ohnmächtig zu Boden sank.
Meine Starre löste sich augenblicklich, im nächsten Moment war ich bei ihr, nahm ihr meinen Bruder aus den Armen und drückte ihn fest an mich.
„Bist du okay, Sasuke?“, fragte ich und presste meine Lippen auf seine Stirn. Augenblicklich hörte er auf zu weinen, sah mich nur an, ich hielt ihm eine Hand hin und er griff meinen Finger, hielt ihn ganz fest.
Auf dem Weg nach Hause hielt ich Sasuke die ganze Zeit im Arm, Mama wurde von Papa gestützt und Minato und Yoneko gingen dahinter. Shisui und Haimaru liefen vorweg, und mein Cousin sah sich immer wieder nach mir um, schaute nach, ob es mir gut ging.
Zu Hause angekommen legte Mama sich im Wohnzimmer aufs Sofa, Papa und ich holten Sasukes Kinderbettchen ins Wohnzimmer, und ich legte meinen Bruder darin schlafen, so dass er in Mamas Nähe war.
Mama war für den Rest des Tages zu nichts mehr zu gebrauchen und schlief nur noch, und so ging ich nach nebenan in ihre Praxis und erledigte so viel, wie ich konnte, von ihrer Arbeit für sie. Durch mein Medizinstudium hatte ich einiges gelernt, und die einzige Patientin, die an diesem Tag kam, hatte nur einen Splitter am Auge, den ich einfach zu entfernen wusste, ohne dass Mama dabei sein musste.
Am Abend war Mama wenigstens wieder wach und ich schloss die Praxis für heute, ging zu ihr und kochte uns ein Abendessen. Während ich in der Küche stand und Salat schnitt, dabei den Herd im Blick hatte, wo für Mama und mich eine Gemüsesuppe und für Papa eine Pfanne mit einem Stück Fleisch standen, kam Mama dazu, legte von hinten ihre Arme um mich und drückte einen Kuss auf mein Haar.
„Das ist lieb, Spatz, dass du uns Essen machst“, sagte sie.
„Ist doch klar“, antwortete ich.
„Geht’s dir gut, Itachi?“
Ich nickte. „M-hm.“
„War ein harter Tag heute …“
„Geht’s dir auch gut, Mama?“
„Mir ist ein bisschen schwindlig, aber sonst alles gut.“
Ich drehte mich zu Mama um und umarmte sie meinerseits. Sie fühlte sich warm und lieb an, aber ich spürte auch, wie erschöpft sie war.
Und so legte sie sich nach dem Abendessen gleich wieder hin, oben im Schlafzimmer, und ich übernahm es, Sasuke zu versorgen, ihn zu baden und zu wickeln und danach ins Bett zu bringen.
Papa hatte in seinem Büro zu tun, und ich ging dann auch bald schlafen. Ich war so müde, dass ich mich nur noch auszog, unter die Decke kroch und sofort einschlief.
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