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03: mit 17 Monaten ins Klosterinternat,

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09.08.24 11:59
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Charaktere

Mutig

Zivilcourage

  Mit gerade einmal 17 Monaten wurde Leo, zusammen mit seinem zweieinhalb Jahre älteren Onkel, in ein Kloster-Wochen-Internat gegeben. Dies geschah erstens, um nicht als Rabeneltern vor der restlichen Familie zu gelten, und zweitens, weil sie sich an den Kosten beteiligten. Die Aufnahmebedingungen waren klar: römisch-katholisch getauft, Vorlage einer Lohnbestätigung und vor allem – er musste "rein" sein, also keine Windeln mehr tragen. Diese Bedingungen wurden erfüllt und umgesetzt. So wurden die Jungen ins Internat und die Verantwortung für die gesamte Woche abgegeben.

Letztendlich war es wichtig, sich etwas aufzubauen und Dinge des täglichen Bedarfs anzuschaffen. In der Nachkriegszeit, speziell im Jahr 1953, gab es viele Konsumgüter zu kaufen.

Leo hat keine eigenen Erinnerungen an die Zeit vor seinem fünften Geburtstag und muss sich deshalb auf die Tagebucheinträge seiner Mutter verlassen, um zu verstehen, was er damals erlebte.

Es wird deutlich, dass keine Liebesbeziehung bestand und eine Heirat notwendig wurde, weil Fräulein Inge, Leos Mutter, schwanger war. Leo verdankt sein Leben einem Schweinebraten mit Kraut und Knödeln, den es bei Leopold Witsch den 5., Leos Vater, gab. Im Jahr 1950 galt dies wie eine Sünde, solch ein Festessen zu servieren, wo der große Teil der Bevölkerung hungerten. Wie eben Inge, die noch nie so etwas bisher gegessen. So etwas war zur im Schwarzhandel erhältlich, vermutlich gegen Kohle getauscht. Sein Urgroßvater, auch als Kohlebaron bekannt, hatte vor dem Krieg schnell Vorräte gebunkert und die Türen vermauern lassen. Der Zugang war nur von außen über die Kellerfenster möglich.

Der erste Eintrag, der Leo betrifft;

15.12.1952: Heute brachte ich beide ins Internat. Martin (sein Onkel) fand schnell Freunde und verschwand, ohne sich zu verabschieden. Poldi weinte bitterlich und klammerte sich an mich. Die Schwestern holten zwei ältere Mädchen, die ihn von mir wegtrugen. Auch ich musste weinen, aber es war notwendig.

5.01.1953: Heute war es wieder sehr schlimm. Poldi hat sich aufgeführt, weil er die Weihnachts-Feiertage ja sehr lange zu Hause war und heute sein erster Tag war. Martin musste ihn diesmal wegtragen, während Poldi sehr laut geschrien hat, was mir wieder das Herz gebrochen hat.

12.01.1953: Heute ist es beinahe zum Abbruch gekommen, die Schwestern wollten, dass ich Poldi wieder mitnehme, da er einfach noch zu jung ist. Zwei Mädchen sind wieder gekommen, die ihn überreden konnten und ihn hochgehoben und weggebracht.

4.05.1953 : Es hat bereits mehrmals gut funktioniert, aber heute ist es erneut zu einem Exzess gekommen. Ich habe eine halbe Stunde verloren und bin verspätet zur Arbeit erschienen. Die Vorarbeiterin drohte mit einer Kündigung, sollte ich noch einmal zu spät kommen. Ich darf Poldi am Wochenende nicht mehr so verhätscheln!

Leo, häufig in der Besenkammer des Internats eingesperrt, war ein aufsässiger und problematischer Junge, der den Nonnen des Klosters Kopfzerbrechen bereitete. Er bemerkte bald, dass es bevorzugte Kinder gab, die sich mehr herausnehmen durften als die meisten anderen Internatsinsassen. Waren deren Eltern etwa fromme Kirchgänger und geschätzte Mitglieder der Gemeinschaft?

Und Leo lernte mutig zu sein, gezwungenermaßen durch das ungerechte Verhalten mancher Klosterschwestern. Keines der über 40 Kinder, die dort waren, griff ein, wenn jemand ungerechterweise in die Besenkammer gesperrt wurde. Obwohl alle wussten, wer oder wo der Schuldig war.

Niemand wird mit Angst geboren, weder vor Feuer, Spinnen noch vor Prüfungen. Viele Menschen leben jedoch mit ihrer Angst, anstatt Mut zu entwickeln. Mut ist wie ein Adrenalinschub, den man nach dem Überstehen einer gefährlichen Situation spürt, und er ist tatsächlich erlernbar.

Leo hielt es für wichtig, Mädchen, die er mochte und die ihn wertschätzten, vor negativen Einflüssen zu schützen. Er hielt die Jungen, die sie belästigten, fern und verteidigte sie vor den 'Pinguinen', wie er die Klosterschwestern nannte. Die Frage, die sich stellt, ist: Warum macht er das?

     Leo erlebte zu Hause keine liebevolle Zuneigung; "Verhätscheln" und Kuscheln im Bett der Eltern waren unüblich. Wenn er hochgehoben wurde, dann nur von Fremden. Zärtlichkeiten wie Streicheln oder liebevolles Umarmen kannte er nicht. Im Park beobachtete er neidisch eine Mutter, die liebevoll die vom Wind zerzausten Haare ihres Kindes glättete. Aber zu ihr eilen, wie sie meinte, von einem Stück Brot abzubeißen, auch unvorstellbar.

      Wenn Leo einem Mädchen aus einer schwierigen Situation helfen könnte, wäre es dann angemessen zu erwarten, dass sie ihm aus Dankbarkeit mehr Aufmerksamkeit widmet, vielleicht sogar mit einer Umarmung? Es erscheint durchaus sinnvoll, das Spiel zu unterbrechen, aufmerksam zu sein und im Bedarfsfall sogar ein paar blaue Flecken in Kauf zu nehmen oder eine Weile im Besenschrank zu verharren.

   Leo verbrachte sein Leben auf der Suche nach Liebe, einer Liebe, die sich durch körperliche Nähe ausdrückte und spürbar war. Berührungen, Streicheleinheiten, liebevolle Umarmungen und all die anderen Möglichkeiten. Bereits in seiner Jugend gelang es ihm, ohne große Mühe Anschluss in seinem Umfeld zu finden. In jeder Lebensphase war Leo ein attraktiver Junge mit strohblondem Haar und einer vollen Unterlippe, die durch seine markante Boxernase einen weniger femininen Eindruck machte.

Es wirkt so, als hätte er eine rationale Herangehensweise an Beziehungen entwickelt, indem er sich bewusst gegen die überwältigenden Emotionen der Liebe entschieden hat. Offenbar gab es andere Prioritäten und Werte, die ihm wichtiger erschienen.

Mitleid ist überflüssig, denn Leo hat sich mit seiner unkonventionellen Kindheit arrangiert. Ohne Eltern, Großeltern, Tanten oder Onkel, die ihm den Weg weisen konnten, erlebte er eine andere Art des Aufwachsens. Leo war weit entfernt von dem, was man als "normal" bezeichnen könnte, und hatte auch kein Verlangen danach. Während andere Jungen Fußball spielten, Spielzeugautos fuhren oder Mädchen neckten, beschritt Leo einen ganz eigenen Pfad.

     Wenn Sie daran interessiert sind, die Entwicklung und das Erwachsenwerden dieses jungen Mannes zu erleben, dann bleiben Sie dabei und lesen Sie die folgenden Storys. Ich versichere Ihnen, dass alles authentisch ist; es wurde genau so erlebt. Namen und Orte wurden verändert, aber die Realität seines Lebens bleibt unverfälscht.

Autorennotiz

Eine wunderbare Kindheit ist gewiss nicht selbstverständlich, doch niemand hat die Möglichkeit, seine eigene zu verändern.

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Autor

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Sätze: 49
Wörter: 1.011
Zeichen: 6.369

Kurzbeschreibung

Man kann entweder ein Leben in Angst führen, ständig nachgeben, nie an der Spitze stehen, unfähig sein, Zivilcourage zu zeigen, und vor den Konsequenzen große Furcht haben, was lähmend wirkt, oder man kann wie Leo leben, seinen Worten lauschen, sie lesen und vielleicht helfen sie in manchen Situationen.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Entwicklung auch in den Genres Nachdenkliches, Angst und Familie gelistet.