CN Gewalt, Beschreibung schwerer Wunden, Blut, milder Gore, Verlust von Angehörigen, Nadel
Hups, hab ich doch was neues gespawnt und dazu auch noch ein rare pair. Ich gebe die Schuld für die Existenz dieses Textes voll und ganz
koroart auf tumblr. Der Titel kommt vom Nightwish song How's The Heart? Des weiteren habe ich ein paar Charakter ein bisschen älter gemacht, als sie im Canon zu diesem Zeitpunkt wären (Ernsthaft: mit 24 in einer führenden Position? Ja, nee.), und verzweifelte mal wieder über der Founders Era timeline, weil die no fucking sense ergibt. (Ich dachte ernsthaft, dass Kushina/Minato das einzige canon het pairing ist, mit dem ich vibe und ich ganz glücklich mit meinem Token straight Minato headcanon bin. Und jetzt schaut mich an, ich mach selbst das gay.)
Teil 1, Kapitel 1: Leben
Leben.
Am Ende wollte jede Kreatur nichts weiter als leben. Im Angesicht des Todes verlor alles andere an Bedeutung und allein der überwältigende Drang nach Überleben verblieb. Er war so mächtig, dass er ungeahnte Kräfte freisetzte. Selbst das harmloseste Beutetier konnte dann einen eigentlich doch viel stärkeren Verfolger überwältigen. Jeder erfahrene Jäger wusste das und er wusste auch, dass ihm selbst dann die größte Gefahr drohte, wenn die Jagd vermeidlich vorüber war und die waidwunde Beute mit dem Rücken zur Wand stand.
Tobirama war die Beute und in diesen seinen letzten Momenten machte er die Erfahrung, dass ein Leben als Shinobi ihn doch nie darauf hatte vorbereiten können, wie es wäre, wenn der Tod ihm die Hand reichen würde. Er hatte all seine Brüder sterben sehen. Er hatte so unzählig viele Leben genommen, dass er sie gar nicht mehr zählen konnte. Er war selbst mehr als einmal in lebensgefährlichen Situationen gewesen. Doch nie war Gevatter Tod vor ihn getreten.
Er hörte hinter sich Kinkaku lachen, als er mit seinen letzten Kräften durch den Wald stolperte. Blinde Panik hielt ihn auf den Beinen, Adrenalin verdrängte den Schmerz. Es müsste schmerzen, ein letzter Rest rationalen Denkens sagte ihm das; seine ganze linke Seite war nach der letzten Explosion nichts weiter als eine blutende Fleischmasse. Aber irgendwie schleppte er sich doch auf Beinen voran, die er schon längst nicht mehr spürte.
Leben. Das war alles. Weg hier, nur weg.
Chio. Sakumo. Warum hatte er sie jemals verlassen? Sein Herz blutete. Er würde sie nie wieder sehen.
Seine Beine versagten ihm den Dienst. Er fiel der Länge nach hin. Er krallte die Hände in den laubigen Waldboden und zog sich mit seinen letzten Kräften voran.
Kinkaku und Ginkaku hatten es nicht eilig. Gelassen folgten sie der Blutspur.
»Wo will das Wölfchen denn nur hin?«, spottete einer der Brüder. »Hatten wir nicht so schön miteinander gespielt? Verstecken, haschen, das hatte wirklich Spaß gemacht. Willst du nicht noch bleiben und weiterspielen?«
Leben.
Tobirama würde hier sterben und es wäre ein langsamer, qualvoller Tod. Sie würden ihn Stück für Stück zerpflücken. Sie würden ihn ausweiden und ausbluten lassen wie ein abgestochenes Schwein.
Er schnappte nach Luft, doch egal, was er tat, es gab einfach nicht genug Luft.
Leben.
Doch hier war nur der Tod.
Weg. Weg. So weit wie möglich.
Konoha.
Ein klarer Gedanke inmitten eines Meers aus Chaos, Blut und zerfetztem Fleisch. Eine Idee geboren aus nackter Verzweiflung. Bedenken spielten keine Rolle mehr.
Er tat es.
Nur einen Augenblick später brach er in seinem Büro zusammen, kraftlos wie eine Puppe, deren Fäden durchtrennt worden waren. Sein Herz raste. Die Welt drehte sich. Egal, wie hektisch er nach Luft schnappte, wollten sich seine Lungen einfach nicht mehr mit Sauerstoff füllen. Ihm wurde kalt. Er zitterte. Seine Hände spürte er nicht mehr.
Wie aus weiter Ferne hörte er die erschrockenen Rufe von Menschen. Sie drangen nur gedämpft an sein Ohr. Wie als wäre er unter Wasser und sie standen am Ufer und riefen nach ihm. Seine Sicht wurde dunkel, seine Augen konnten nicht mehr klar erkennen, was er da sah.
»Sensei?«
»Wie kann das sein?«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Aus dem Weg!«
»Er ist verletzt!«
»Das sehe ich selbst!«
»Er braucht einen Arzt!«
»Sofort alle zur Seite, ich bringe ihn ins Krankenhaus!«
Jemand hob ihn hoch. Dann wusste Tobirama von nichts mehr.
Leben.
Leben war eine unbändige Kraft, ein Funken in der bitteren Kälte des unendlichen Nichts, ein winziges Samenkorn, das sich durch alle Widrigkeiten hinweg an die Oberfläche kämpfte und zu unermesslicher Glorie erblühte. Leben fand seinen Weg, egal, wie widrig die Umstände waren.
Manchmal jedoch obsiegte die unerbittliche Endgültigkeit des Todes.
Entgegen allem, was er gedacht hatte, war Tobirama noch nicht bereit zu sterben.
»Aber eigentlich ist es gar nicht so schlimm«, sagte Hashirama. »Der Tod ist nur ein weiterer Schritt auf unserer Reise.«
»Doch was steht am Ende dieser Reise?«
»Wer weiß das schon«, sagte Kawarama. »Du weißt es nicht. Wir wissen es nicht. Viele Wege liegen noch vor uns.«
»Werden wir diese Wege gemeinsam beschreiten?«
»Es wäre schön«, sagte Itama. »Eines Tages bestimmt. Aber die Zeit ist noch nicht reif.«
»Wieso?«
»Weil du noch nicht bereit bist, otōto«, sagte Hashirama sanft. Sein Lächeln strahlte Wärme aus. »Wir warten auf dich, keine Sorge. Der Tag wird kommen, wenn die Zeit reif ist.«
»Ich freue mich schon!«, versicherte Kawarama ihm. »Aber wir können warten.«
»Wir haben sprichwörtlich die Ewigkeit für uns«, fügte Itama an. »Auf ein paar Jährchen kommt es da nun auch nicht mehr an.«
»Ich vermisse euch.«
»Wir dich auch. Wie könnten wir nicht?«, sagte Hashirama. »Aber es gibt noch immer genug Leute, die dich brauchen. Kannst du auf sie acht geben? Für uns?«
Konnte er das?
Kawarama streckte ihm seinen Daumen entgegen. Itama nickte fest. Hashirama grinste breit.
Ja. Ja, er konnte. Er prägte sich den Anblick seiner Brüder fest ein.
»Sorg dich nicht um uns, otōto. Wir kommen schon klar. Es wird ja nicht für immer sein.«
Tobirama fand Frieden im Herzen.
Schmerzen.
Das war wohl das eindeutigste Zeichen, dass er entgegen all seiner Erwartungen doch noch unter den Lebenden weilte. Oder wieder? Er konnte es nicht sagen. War es ein Fiebertraum gewesen? Eine Wahnvorstellung, hervorgerufen von akutem Sauerstoffmangel und lebensbedrohlichem Blutverlust? Oder hatte er doch einen flüchtigen Blick in das geworfen, was nach dem Leben folgte?
Er konnte nicht einmal sagen, was genau ihm wehtat, weil einfach alles schmerzte. Ihm war, als würde ein enormes Gewicht ihn nach unten drücken und an das Bett fesseln, auf dem er lag. Oder vielleicht war es auch nur eine enorme Schwäche, wie er sie noch nie erlebt hatte. Auch nur einen Finger zu heben, war eine Anstrengung, die beinahe unmöglich erschien. Er konnte ohnehin nur seinen rechten Arm bewegen, da sein linker fest bandagiert und an seinem Körper fixiert war. Etwas fühlte sich nicht richtig an.
Er blinzelte. Es war hell. Grelles Licht stach ihm in die Augen und blendete ihn.
Ein leises, stetes Piepen drang an sein Ohr. Das war das einzige, was er hörte, das und das übermäßig laut erscheinende Geräusch seines eigenen Atems. Irgendetwas war da vor seinem Gesicht. Was auch immer es war, es musste weg.
Seine Hand zu heben und das Ding von seinem Gesicht zu entfernen, erforderte beinahe unmenschlich viel Kraft. Doch wenigstens war dieser Störkörper endlich aus seinem Gesicht verschwunden. Es handelte sich dabei um eine eigenwillige Maske, die Mund und Nase bedeckte. Ein Schlauch führte davon weg. Was war das für ein Ding?
Allmählich hatten sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt und so konnte er sehen, dass er sich an einem fremden Ort befand. War er wirklich fremd? Irgendwie erinnerte ihn das hier doch an ein Krankenzimmer.
Hashirama war so stolz gewesen auf das Krankenhaus, ein lang gehegter Traum, den er sich damit hatte erfüllen können. Aber etwas hieran wirkte doch irgendwie nicht richtig. Tobirama konnte einfach nicht den Finger darauf legen, was genau damit nicht stimmte.
Der würzige Geruch von Pfeifenkraut stieg ihm in die Nase. Er war nicht allein.
Er wandte den Kopf und sah sich einem alten Mann gegenüber. Warum nur kam er ihm so vertraut vor? Der Alte saß an seinem Bett, rauchte seelenruhig eine Pfeife und beobachtete ihn. Neben ihm saß eine weitere Person, ein junger Mann mit strohblondem Haar, der bis jetzt in einem Buch gelesen hatte. Als er bemerkte, dass Tobirama sich regte, blickte er auf. Tobirama hatte noch nie solch eisblaue Augen gesehen.
»Oh, unser Überraschungspatient ist also aufgewacht«, sagte er.
»Willkommen zurück unter den Lebenden, sensei«, begrüßte der Alte ihn.
Sensei? Tobirama war verwirrt. Seine Gedanken waren zäh wie Honig, es war ein fürchterlich frustrierendes Gefühl. Die Puzzleteile wollten sich einfach nicht zusammenfügen.
Der Alte sah ihn fragend an. »Erkennen Sie mich nicht mehr, sensei? Oh. Nun, vierzig Jahre hinterlassen doch ihre Spuren. Ich bin‘s, Hiruzen.«
»Saru?«, krächzte Tobirama und war über den Klang seiner eigenen Stimme erschrocken. Er erkannte sie kaum wieder. »Aber … wie?«
»Das müssten wir Sie fragen, sensei«, sagte Hiruzen. »Sie tauchten vor fünf Tagen einfach so aus dem Nichts mitten in einer Besprechung auf, blutüberströmt und mehr tot als lebendig. Minato«, er deutete auf den Mann an seiner Seite, »brachte Sie umgehend hierher ins Krankenhaus, aber die Ärzte konnten keine Garantie geben, dass Sie Ihre Verletzungen überleben würden. Dass Sie überhaupt noch gelebt hatten … Es war erst vor zwei Tagen, dass sie Ihren Zustand als stabil deklarierten und Sie aus dem künstlichen Koma holten, in das sie Sie versetzt hatten. Sensei, was ist passiert? Ich verstehe es nicht, niemand versteht es. Wie kann es sein, dass Sie keinen Tag gealtert sind? Es ist doch so lang her.«
Tobirama starrte ihn ungläubig an. Dann brach er in Gelächter aus. Vielleicht waren es die Medikamente, vielleicht auch all das Blut, das er verloren hatte oder der Sauerstoffmangel, vielleicht auch einfach nur die Absurdität dieser Situation. Das Lachen schmerzte und bald schon musste er keuchend husten, aber er konnte sich einfach nicht helfen. Es war vollkommen irrsinnig.
»Ich habe das Unmögliche möglich gemacht«, sagte er, als er wieder halbwegs zu Atem gekommen war. Warum nur war er so kurzatmig? »Seit Generationen haben die Uzumaki gerätselt, ob Zeitreisen möglich sind, und sie am Ende für unmöglich erklärt. Und jetzt habe ich einfach so das Gegenteil bewiesen. Das Siegel hat schlussendlich zu gut funktioniert.«
Minato beugte sich vor. »Dieses besondere Hiraishin-Siegel im Hokagebüro? Ich hatte mich schon immer gefragt, wofür das gut sein soll, es aber nie gewagt, mich daran zu versuchen.«
Tobirama runzelte die Stirn. Woher wusste er davon? Doch dann nickte er. »Es war ein Versuch, ein Prototyp, der eigentlich noch nicht für die Anwendung gedacht war. Aber es war meine letzte Möglichkeit. Ein Hiraishin über besonders weite Strecken hinweg. Mito hatte ihre Bedenken, was die Wirkungsweise angeht. Wie immer hatte sie Recht behalten.«
Erst da wurde ihm die volle Auswirkung dessen bewusst, was er getan hatte. Er hatte nicht nur fast das gesamte Land innerhalb nur eines Augenblicks durchquert, es waren dabei auch vier Jahrzehnte vergangen. Nichts war mehr so, wie er es gekannt hatte. In einem Augenblick noch kämpfte er um sein Überleben, und im nächsten hatte sich die Welt verändert.
Sein Verstand weigerte sich, diesen Gedanken fortzusetzen.
»Sie kamen nie zurück, sensei«, sagte Hiruzen. »Alle dachten, Sie seien tot, aber Ihre Leiche wurde nie gefunden. Jetzt weiß ich auch, weshalb. Sie waren nie gestorben.«
Vierzig Jahre. Es wirkte wie in einem Alptraum. Doch dann sah er die Runzeln in Hiruzens Gesicht und wusste, dass er wach war. Seine schmerzenden Glieder erinnerten ihn nur allzu deutlich daran, dass er noch immer ausgesprochen lebendig war.
Fakten. Er brauchte Fakten. Es nützte ihm ja doch nichts, jetzt in Selbstmitleid zu vergehen und über das zu klagen, was geschehen war. Er konnte es ja doch nicht ungeschehen machen, jedenfalls nicht in diesem Moment und in seinem Zustand.
»Wer bist du eigentlich?«, wollte er daher von Minato wissen. Warum Hiruzen hier war, konnte er sich denken. Aber Minato war für ihn noch immer nicht mehr als ein Name.
»Oh. Natürlich. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich noch immer nicht richtig vorgestellt habe, Nidaime-sama. Ich bin Namikaze Minato, der Yondaime Hokage«, sagte Minato. Er stand auf und drehte sich um, sodass Tobirama die Schrift auf dem Rücken seines Umhangs lesen konnte. Ganz unüberraschend stand dort Yondaime Hokage.
Bevor jedoch Tobirama auch nur eine seiner unzähligen Fragen stellen konnte, wurde die Tür geöffnet und eine Frau in einem weißen Kittel trat mit energischem Schritt ein. Sie trug ein Klemmbrett bei sich. Kommentarlos registrierte sie, dass Tobirama wieder bei Sinnen war, sah jedoch Hiruzen und Minato finster an.
»Husch, husch, raus hier«, herrschte sie sie an. »Sie hätten mir gleich Bescheid geben sollen, dass er munter ist, statt ihn mit Fragen zu belästigen.«
»Sie haben natürlich Recht, Fuyuko-san«, sagte Hiruzen diplomatisch. »Allerdings ist das eine Sache von höchster Wichtigkeit, Sie verstehen das sicherlich.«
»Nein, das tue ich nicht«, schoss Fuyuko zurück. »Das hier ist meine Station und hier drin habe allein ich das Sagen, ganz egal, wer Sie da draußen sind.«
Oh, na wunderbar. Diese Art von Arzt.
Minato und Hiruzen tauschten einen Blick. Dann zuckte Minato mit den Schultern. »Wir kommen später noch einmal wieder.«
Fuyuko sah ihnen finster nach, als sie den Raum verließen. Sie erweckte den Eindruck eines Wachhundes, der erfolgreich Eindringlinge aus seinem Territorium vertrieben hatte. Dann wandte sie sich wieder an Tobirama.
»Wie geht‘s Ihnen?«
Tobirama hasste es, sich so schwach zu fühlen. Er kam sich vor wie ein Invalide. »Schmerzen«, gab er dann doch zu. Augen zu und durch. Das war auch schon mit Hashirama das zielführendste gewesen.
»Und wo?«
Tobirama warf ihr einen langen Blick zu. »Überall.«
Fuyuko hielt seinem Blick stand. »Gut, der ging auf meine Kappe.« Sie blätterte durch die Zettel auf ihrem Klemmbrett. »Ein wenig könnte ich noch die Morphindosis erhöhen, aber nicht viel und auch nicht für lang. Ansonsten gibt‘s eine Abhängigkeit. Sonst noch etwas?«
»Nehmen Sie das Zeug aus mir heraus«, verlangte Tobirama. Mittlerweile hatte er festgestellt, dass jemand eine Kanüle in seinen Handrücken gesteckt hatte. Ein Schlauch führte von dieser zu einem Beutel mit einer klaren Flüssigkeit. Außerdem klebten mehrere Kabel an ihm, die alle zu einem Monitor führten, von dem das Piepsen ausging. Von nichts davon wusste er, wozu es gut sein sollte, und er wollte es auch nicht herausfinden. Es waren Fremdkörper und die hatten nichts an ihm zu suchen.
»Nichts da«, scholt Fuyuko ihn. »Das kann ich als Ihre behandelnde Ärztin nicht verantworten. Ihr Zustand war bis vor kurzem kritisch und noch immer kann ich nicht garantieren, dass er das nicht wieder wird. Haben Sie eigentlich eine Ahnung, in welcher Verfassung man Sie zu mir brachte?«
Sie wartete Tobiramas Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr sogleich fort: »Ganz ehrlich, bei einer Autopsie hätte ich gar nicht gewusst, was genau ich als Todesursache hätte angeben sollen. Multiples Organversagen wäre dem noch am nächsten gekommen, einfach alles hätte es eher getroffen. Unzählige Prellungen, Schürfungen und Schnittwunden bis hin zu Fleischwunden sind da nur der Anfang, ebenso einige gebrochene und angebrochene Knochen. Weiter geht es mit Verbrennungen ersten und zweiten Grades, Glück gehabt, dass das nicht mehr gewesen war. Natürlich auch das obligatorische Schädelhirntrauma, ebenso der Verlust einer kritischen Menge Blutes. Man könnte fast von Glück reden, dass Sie bereits einen Herzstillstand erlitten hatten, als Hokage-sama wie irre nach einem Notarzt schreiend mitten ins Krankenhaus geplatzt war, ansonsten wären Sie mir noch auf dem OP-Tisch verblutet. Ach, vergessen wir nicht mehrere gebrochene Rippen und eine perforierte Lunge. Sie sahen aus, als hätte man Sie in einen Fleischwolf geworfen. Wir mussten Teile Ihres linken Lungenflügels entfernen, das Gewebe war vollkommen zerstört und das Organ bereits nicht mehr funktional. Zum Schluss noch Ihre linke Hand, so man denn noch von einer solchen sprechen mag. Wir konnten den Großteil wieder richten, mussten aber dennoch den Ring- und Teile des Mittelfingers abnehmen. Kurzum: Sie waren eigentlich schon klinisch tot, als ich Sie unter dem Messer hatte, und es glich eher einer Schlachtung als einer Operation.«
Tobirama starrte sie sprachlos an. »Sonst noch was?«, fragte er tonlos.
»Wenn Sie ein Schlafmittel wollen, kann ich Ihnen eines geben.«
Er nickte einfach nur.
Das erste und vielleicht auch einzige Mal nahm Tobirama die Wirkung der Betäubungsmittel mit offenen Armen entgegen. Er war sich sonst nicht sicher, ob er nach diesen Hiobsbotschaften überhaupt würde schlafen können. Es war einfach alles zu viel auf einmal.
Sein Schlaf war tief und traumlos und das war genau das, was er jetzt gebrauchen konnte. Er brauchte Erholung von seinen eigenen rasenden Gedanken.
Es war vermutlich bereits der nächste Tag, als er wieder erwachte. Das Licht einer frühen Morgenstunde schien in das Zimmer herein. Jemand hatte die Fenster geöffnet und die weißen Vorhänge wehten leicht im Luftzug. Es schien Sommer zu sein, die Luft war lau und roch nach blühenden Wiesen.
Vierzig Jahre. Tobirama konnte es noch immer nicht begreifen. Die Fakten sprachen alle dafür, aber sein Verstand weigerte sich noch immer, diese Information zu verarbeiten.
Er versuchte sich aufzurichten und stellte fest, dass es ihm unter einigen Mühen möglich war. Bandagen wandten sich fest um seinen Oberkörper. Auch sein linker Arm war noch immer fest bandagiert und lag in einer Schlinge. Der scharfe Geruch von Antiseptika haftete an ihm. Stück für Stück pflückte er diese Kabeldinger von seinem Oberkörper und achtete nicht auf das hektische Piepsen des Monitors, das Alarm schlug.
Er stellte fest, dass es eigenartig war, so lange so invalide zu sein. Früher hätte Hashirama ihn schon längst wieder zusammengeflickt. Aber Hashirama war nicht mehr da.
Er fühlte sich einsamer denn je.
Vorsichtig testete er, ob er aufstehen konnte. Der Krankenhausboden fühlte sich kalt unter seinen nackten Füßen an. Bedächtig belastete er sie nach und nach mit seinem Gewicht. Seine Knie fühlten sich an wie Pudding. Er gab einen unwirschen Laut von sich. Es konnte doch nicht sein, dass er ans Bett gefesselt war wie ein klappriger alter Mann! Stur griff er nach dem Ding, an dem dieser Flüssigkeitsbeutel befestigt war. Es hatte Rollen an den Füßen befestigt. Immer noch erniedrigend, aber immerhin besser, als die ganze Zeit nur stupide im Bett zu liegen.
Vorsichtig einen wackeligen Schritt vor den anderen setzend arbeitete er sich zum Fenster vor. Er war frustriert und entnervt, dass er keuchte wie nach einem ganztägigen Ausdauerlauf, als er endlich an seinem Ziel ankam. Erschöpft lehnte er sich auf die Fensterbank. Das war ja peinlich.
Immerhin hatte er jetzt jedoch einen guten Blick aus dem Fenster. Konoha. Eindeutig. Dort an der Klippe waren jetzt sogar vier Gesichter zu sehen. Saru, ganz wie er vermutet hatte, und Minato waren hinzugekommen. An Minatos Portrait wurde sogar noch gearbeitet, er konnte also noch nicht lange im Amt sein.
Auch das Dorf selbst war gewachsen. Vieles erkannte Tobirama wieder, doch etliches war ihm neu. Ganze Viertel waren hinzugekommen. Wie viele Einwohner Konoha jetzt wohl hatte?
Was war mit jenen, die er zurückgelassen hatte? Mit Chio und Sakumo und Mito und Miyazaki und Tsunade und Nawaki?
Instinktiv versuchte er, seine Sensorfähigkeiten einzusetzen und nach ihnen zu suchen, stellte aber zu seinem Missfallen fest, dass sich sein Chakra noch immer nicht genug erholt hatte. Er war so wehr- und hilflos wie noch nie in seinem Leben und das ausgerechnet zu solch einem kritischen Zeitpunkt. Er ballte die Hand zur Faust und hämmerte sie frustriert auf das Fensterbrett.
Aber sicher würde Hiruzen ihnen doch mittlerweile gesagt haben, was geschehen war. Mito war mittlerweile über achtzig Jahre alt. Ein reifes Alter, aber für Uzumaki nichts ungewöhnliches. Er mahnte sich zur Geduld. Alles zu seiner Zeit, es gab keinen Grund, jetzt die Dinge zu überstürzen. Für ihn war immerhin kaum ein Tag im wachen Zustand vergangen, seit er den Gold und Silber Brüdern entkommen war.
Hoffentlich hatte irgendwer die Bastarde für ihn umgelegt. Die Mistkerle hatten es verdient.
Tobirama starrte auf seine Hand. Er atmete mehrmals tief durch und zwang sich dazu, seine Finger wieder zu entspannen. Seine linke Hand war dick in Bandagen gehüllt, er konnte seine Finger nicht benutzen. Jedenfalls die, die ihm geblieben waren. Ein Gedanke, den er noch nicht wirklich verinnerlicht hatte.
Kurzerhand hob er seine rechte Hand an den Mund und zog mit den Zähnen an der Kanüle in seiner Haut. Es tat sogar dank der hoch dosierten Schmerzmittel kaum weh, als er die Nadel herauszerrte. Es blutete ein wenig, aber das störte ihn kaum. Endlich war dieses Ding aus ihm heraus. Doktor Fuyuko würde ihn mit Sicherheit dafür schelten, aber das war ihm herzlich egal.
Dann beobachtete er die Menschen im Dorf.
Zeitreisen. Er hatte es wirklich geschafft. Man mochte glauben, er würde sich mehr darüber freuen, den Beweis für das Unmögliche erbracht zu haben. Tatsächlich jedoch spürte er allein eine stets wachsende Unruhe.
Aber was genau hatte er getan? Das originale Hiraishin war für maximal wenige Kilometer ausgelegt, und eigentlich hatte es bis jetzt auch immer ausgereicht. Dennoch hatte er schon seit einiger Zeit darüber nachgesonnen, ob er die Reichweite erhöhen konnte. Das hatte offensichtlich funktioniert, er hatte fast das gesamte Land in nur einem Augenblick durchqueren können.
Und gleichzeitig vierzig Jahre übersprungen.
Hiraishin war ein Jutsu, das an Raum und Zeit gebunden war. Die Entdeckung hatte er schon sehr früh gemacht. Die erste Prototypen damals hatten nur die Raumkomponente besessen. Er hatte zwar die Strecke bis zu seiner Markierung in subjektiver Zeit quasi sofort zurückgelegt, außerhalb dessen war jedoch genauso viel Zeit verstrichen, wie er benötigt hätte, um dieselbe Strecke zu laufen. Es hatte ihn viele Versuche gekostet, bis auch außerhalb seiner subjektiven Zeit kein Moment verstrich.
Mito hatte ihn gewarnt, dass es schwierig werden würde, diese äußerst fragile Balance zwischen beiden Elementen des Siegels zu wahren, wenn er eine Variabel veränderte. Man spielte nicht mit Zeit, einer der Grundsätze des Fūinjutsu. Er hatte es dennoch getan und bis jetzt hatte es auch immer funktioniert.
Dieses neue Hiraishin war ein Prototyp, nichts, das er in jeder anderen Situation bereits getestet hätte. Zu viele offene Fragen, zu viele Unsicherheiten. Aber vor die Wahl gestellt, dieses Risiko einzugehen, oder in den sicheren Tod zu gehen, war es eine einfach zu beantwortende Frage gewesen.
Zugegeben, er war nicht stolz darauf, wie sehr er sich von seiner Panik hatte dominieren lassen. Es war geradezu peinlich. Gerade ihm hätte das nicht passieren dürfen. Und keine Stunde zuvor hatte er seinen Schülern noch gesagt, dass sie immer einen kühlen Kopf bewahren mussten, wie sie es gelernt hatten.
Wie sich herausstellte, waren alle lebenslang erlernten Lektionen im Moment des Todes für die Katz‘.
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als erneut die Tür geöffnet wurde. Er stellte sich schon auf die unausweichliche Schelte Fuyukos ein, aber es war nur Hiruzen, der ihn wieder in Begleitung Minatos besuchen kam.
»Geht es Ihnen also besser, sensei?«, wollte Hiruzen wissen. Er war weise genug, auf den ohnehin sinnlosen Hinweis zu verzichten, dass Tobirama sich vielleicht besser noch ausruhen sollte.
»So gut es einem eben gehen kann unter dem Einfluss starker Drogen«, erwiderte Tobirama. Ohne diese ganzen Schmerzmittel würde er wahrscheinlich nicht einmal krauchen können.
»Das freut mich zu hören«, sagte Minato. »Ich hätte ja wirklich nicht gedacht, dass ich einmal dem Erfinder des Hiraishin, den legendären Weißen Wolf von Konoha, mit seinem eigenen Jutsu das Leben retten würde.«
»Nach allem, was ich von der Ärztin erfahren habe, war es in der Tat Rettung in letzter Sekunde. Ich stehe in Ihrer Schuld, Yondaime-sama.« Tobirama neigte leicht den Kopf. Es war ungewohnt, jemand anderen mit diesem Titel anzureden. Hashirama war immer sein anija gewesen, ganz egal in welcher Situation.
Sollte er Hiruzen mit Sandaime-sama ansprechen? Die Situation war ein wenig irritierend.
»Oh, nicht doch«, wiegelte Minato ab. »Das war eine Selbstverständlichkeit, jeder andere hätte dasselbe getan.«
»Woher kennen Sie überhaupt mein Hiraishin?«, wollte Tobirama wissen. »Bis auf Mito hatte ich nie jemanden in die Details des Siegels eingewiesen. Aus gutem Grund.«
»Mein sensei, Jiraiya, lehrte es mich«, sagte Minato.
»Und er wiederum hatte von mir die Erlaubnis dazu erhalten«, ergriff Hiruzen das Wort. »Jiraiya war mit Tsunade und Orochimaru mein Schüler gewesen. Als er Jahre später selbst Jōnin-Ausbilder wurde, trat er an mich heran mit der Bitte, ihm Ihre Aufzeichnungen zu Hiraishin zu überlassen, da er der Meinung war, dies sei ein Jutsu, das Minatos Fähigkeiten angemessen sei. Da Sie, sensei, es nie als kinjutsu eingestuft hatten, willigte ich ein.«
Tobirama hätte unter Umständen anders gehandelt, aber er kannte weder Jiraiyas noch Minatos Fähigkeiten und vertraute auf Hiruzens Einschätzung.
»Was ist aus Tsunade geworden?«, fragte er stattdessen. »Wie geht es meiner Familie?«
Betretene Stille antwortete ihm. Tobirama runzelte die Stirn. Das war nie ein gutes Zeichen.
»Ah, sensei, ich weiß wirklich nicht, wo ich hier anfangen soll«, sagte Hiruzen bedauernd. »Vielleicht wollen Sie sich erst einmal setzen?«
»Sag‘s geradeheraus«, verlangte Tobirama.
Hiruzen holte tief Luft. »Nawaki starb mit gerade einmal zwölf Jahren auf einer seiner ersten Genin-Missionen. Ein Unfall, er war nicht mehr zu retten gewesen. Chio-sama, Ihre Frau, starb vor zwanzig Jahren an einer Lungenembolie. Mito-hime ließ vor fünf Jahren freiwillig ihr Leben, als sie Kyubi an den nächsten jinchūriki übertrug.«
Minato senkte den Blick. »Wir halten ihr heldenhaftes Opfer in hohen Ehren. Ihre Nachfolgerin wurde Uzumaki Kushina, meine Frau.«
»Nur ein Jahr später verstarb Miyazaki-san überraschend an den Folgen eines Schlaganfalls. Der Tod ihrer Mutter war für Tsunade der endgültige Auslöser, sich vom Dorf loszusagen, und sie verließ Konoha. Ich weiß derzeit nicht genau, wo sie sich aufhält, aber meinem letzten Wissensstand zufolge geht es ihr gut. Sakumo allerdings … Sensei, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Sohn sich vor neun Jahren das Leben nahm. Er hinterließ jedoch eine Tochter.«
»Einen Sohn«, korrigierte Minato.
»Oh. Ja, natürlich. Mein Fehler. Kakashi ist ein angesehener Shinobi des Dorfes und … Sensei, geht es Ihnen gut?«
Tobirama bereute es, sich nicht gesetzt zu haben. Mit einem Male drehte sich die ganze Welt um ihn. Halt suchend tastete er um sich. Minato war an seiner Seite und zwang ihn mit sanfter Unnachgiebigkeit auf das Bett.
Alle tot. Sie waren alle tot, vor ihrer Zeit gestorben. Von einem Augenblick auf den anderen. Jetzt war er wirklich allein.
»Geht«, murmelte er. »Lasst mich allein. Ich … ich brauche einen Moment für mich.«
»Natürlich«, sagte Hiruzen leise. Respektvoll zog er sich mit Minato zurück.
Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, erlaubte Tobirama sich seine Tränen.
Am Ende holte der Tod sie alle.
No one:
Absolutely no one:
Me, overthinking every single bit: What if Hiraishin works like a minature Einstein-Rosen bridge and Tobirama creates little wormholes?
Im nächsten Kapitel geht es etwas more wholesome zu, als Tobirama ein paar nicht gänzlich schrechliche Neuigkeiten überbracht werden.
CN Misgendering (Shisui wird hier für einen Jungen gehalten, aber Shisui ist agender, Tobirama wird später noch korrigiert)
Der Weiße Wolf
»Sie können nicht stur mit dem Kopf voran durch die Wand rennen, Nidaime-sama«, rügte Doktor Fuyuko.
Tobirama warf ihr einen geringschätzigen Seitenblick zu und ignorierte sie dann. Dass sie ihn überhaupt mit seinem Titel ansprach, grenzte ja schon fast an ein Wunder. Wirklich zu respektieren schien sie ihn nicht. Er jedenfalls ließ sich von ihr nicht vorschreiben, was er tun konnte und was nicht. Stur ging er weiter, auch wenn er mittlerweile erbärmlich nach Luft japste.
»Na gut, wie Sie meinen.« Sie zuckte mit den Schultern und hielt mit ihm Schritt. »Der Fakt bleibt bestehen, dass Sie einen Teil ihrer Lunge eingebüßt haben. Daran lässt sich nichts rütteln. Durch Training lässt sich natürlich das Lungenvolumen vergrößern, aber was schlicht nicht mehr da ist, kann auch nicht verändert werden.«
Diese Frau! Wenn sie nicht sofort aufhörte zu reden, würde Tobirama für nichts mehr garantieren können.
Das Seitenstechen wurde unerträglich. Nach Luft schnappend ließ er sich auf eine Parkbank sinken. Ihm tanzten schwarze Punkte vor den Augen. Das war doch lächerlich!
Seit dem Moment, an dem Fuyuko ihm erlaubt hatte, das Bett zu verlassen, hatte er alles daran gesetzt, wieder zu seiner alten Stärke zurückzufinden, hatte jedoch sehr schnell lernen müssen, dass bereits die Treppe in den zweiten Stock, wo sein Zimmer lag, ein nahezu unmöglich erscheinendes Hindernis darstellte. Dennoch hatte er stur jeden Tag eine Runde durch den kleinen Park gedreht, der sich dem Krankenhaus anschloss. Alles war besser, als den ganzen Tag in diesem kargen Raum dahinzusiechen.
Fuyuko stand vor ihm und musterte ihn. Etwas, das entfernt an Mitgefühl erinnerte, schlich sich in ihren Blick.
»Sie werden einige Dinge neu lernen müssen und manches wird nie wieder so funktionieren wie früher«, sagte sie.
Er betrachtete seine linke Hand. Zwei Finger weniger, es war noch immer ein befremdlicher Anblick. Als wäre das nicht seine Hand.
Mittlerweile waren die Knochenbrüche gut verheilt und er musste nur noch einen festen Verband tragen. Von seinen Schürfwunden und Prellungen waren die meisten mittlerweile komplett verheilt. Nur seine linke Flanke schien Fyuko derzeit noch zu beschäftigen. Bei der Operation hatte sie ihm den gesamten Brustkorb öffnen müssen, um Knochensplitter und Reste seiner zerstörten Rüstung aus der Wunde zu entfernen sowie seine Lunge zu operieren. Entsprechend zog sich jetzt eine riesige Narbe über seinen Brustkorb und wenn er vorsichtig mit den Fingern darüber tastete, konnte er die Unebenheiten spüren, wo sein Fleisch nicht mehr gleichmäßig zusammengewachsen war.
Nun gut, er wollte keinen Schönheitswettbewerb gewinnen und ein paar Narben mehr oder weniger in seiner Sammlung würden das Kraut auch nicht fett machen. Diese hier würde ihn dennoch immer daran erinnern, dass er dem Tode nie näher gewesen war.
»Ich kann mir vorstellen, dass das schwer für Sie ist«, sagte Fuyuko. »Ich hätte gern mehr für Sie getan. Aber sehen Sie es einmal so: Die moderne Medizin ist immerhin so weit gekommen. Vor fünfzig Jahren wären Sie jetzt tot.«
»Nein«, sagte Tobirama leise und starrte auf seine Schuhspitzen. »Vor fünfzig Jahren hätte ich meinen anija gehabt. Er wäre dazu in der Lage gewesen, noch viel mehr zu vollbringen.«
Da hätte er solch ein Gespräch gar nicht erst geführt. Da hätte Hashirama ihn provisorisch für ein paar Tage zu Bettruhe verdonnert und dann wäre alles wieder beim Alten gewesen. Aber Hashirama war tot. Genau wie der Rest seiner Familie.
Fuyuko räusperte sich betreten. »Nun, in der Tat. Shodai Hokages Fähigkeiten sind in der Tat legendär. Es gibt niemanden mehr, der ihm das Wasser reichen könnte außer Tsunade-hime, und sie hat das Dorf verlassen.«
Warum hatte sie das getan? Nicht einmal Hiruzen hatte ihm darauf eine befriedigende Antwort geben können. Tobirama verspürte ein starkes Verlangen, mit ihr zu reden, der letzten seiner Familie. Sie und dieser Junge, Kakashi …
Diese Information war in jenem Augenblick untergegangen, als Hiruzen ihm die Hiobsbotschaften überbracht hatte. Aber anscheinend war er Großvater geworden. Sein Junge war gerade einmal elf gewesen, als er ihn zurückgelassen hatte, und jetzt hatte er plötzlich einen jugendlichen Enkel. Tobirama war sich noch nicht wirklich sicher, wie er mit dieser Information umgehen sollte.
Zeitreisen waren fürchterlich verwirrend.
Seine Überlegungen wurden von einer dröhnenden Stimme unterbrochen.
»Sensei!«
Tobirama hob dem Kopf und sah sich mit dem einigermaßen besorgniserregenden Anblick eines auf ihn zustürmenden Akimichi konfrontiert. Noch immer dasselbe wilde braune Haar, dasselbe Kopftuch und dieselben Zeichnungen auf den vollen Wangen. Das konnte nur Torifu sein, vierzig Jahre älter und mindestens dreimal so groß, aber unverkennbar er.
Noch bevor er es sich versah, fand sich Tobirama in einer knochenbrechenden Umarmung wieder und seine Füße verloren den Bodenkontakt. Er röchelte, doch Torifu ignorierte all seine Proteste, ihn wieder abzusetzen.
»Ich wusste es!«, rief Torifu aus. »Ich wusste es, dass dieser alte Wolf hier sich nicht von ein paar lächerlichen Füchschen aus Kumogakure unterkriegen lassen würde!«
»Ich muss darauf bestehen, dass Sie meinen Patienten sofort wieder loslassen!«, herrschte Fuyuko ihn an. »Ich habe keine Lust, ihn schon wieder aus Einzelteilen zusammenzuflicken.«
»Ach, Sie haben ja keine Ahnung, der ist robuster, als er aussieht«, lachte Torifu, gab aber Tobirama wieder frei. Tobirama atmete auf und seine Rippen dankten es ihm.
Fuyuko war offensichtlich anderer Ansicht und sie starrte Torifu nieder. »Noch so eine Nummer und ich verweise Sie des Geländes«, drohte sie. Dann ging sie dennoch.
Torifu wandte seine Aufmerksamkeit nun vollständig Tobirama zu. »Sensei, lassen Sie sich ansehen. Aber schau an, Sie sind es wirklich, um keinen Tag gealtert und noch immer so klapprig wie damals. Geben die Ihnen hier nicht genug zu essen?«
Tobirama musste schmunzeln. Torifu hatte sich nicht verändert, noch immer war die seiner Meinung nach angemessene Versorgung seiner Leute seine wichtigste Priorität. »Man wird davon satt.«
Torifu bohrte ihm seinen Finger in die Rippen. Respekt hatte er auch noch nicht gelernt. »Aber mehr auch nicht. Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich komme heute Abend noch einmal vorbei und bringe Ihnen was ordentliches zu essen. Doch jetzt sagen Sie, wie haben Sie das gemacht? Ich konnte es ja zunächst gar nicht glauben, als ich die Gerüchte hörte.«
Tobirama hatte sich mittlerweile wieder gesetzt. Torifu schien seinen schwachen Zustand zu bemerken, aber er sagte nichts und setzte sich nur wortlos neben ihn.
»Hiraishin, was sonst. Eine experimentelle Form, die noch nicht zur Anwendung gedacht war. Der Faktor der Entfernung funktionierte, der der Zeit jedoch nicht und entsprechend ist das hier geschehen. Meine Absicht war das bei weitem nicht gewesen.«
»Haben Sie den Bastarden wenigstens ordentlich in den Arsch getreten? Ich schloss mich später dem Suchtrupp an, aber wir fanden nur einen verwüsteten Kampfplatz und einige bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen vor.«
»Nachdem ich euch mit Ōkami fortschickte, begann ich damit, auf die Gefolgsleute der Brüder Jagd zu machen, ordinäre Shinobi, die zwar viele waren, aber schlussendlich einzeln doch keine Herausforderung darstellten. Doch selbst trotzt meines Rudels gelang es ihnen schließlich, mich zu umstellen. Ich versuchte, so viel Schaden wie möglich anzurichten und lockte sie in die Fallen, die wir zuvor noch im Wald aufgestellt hatten, in der Hoffnung, sie mit mir nehmen zu können. Ich denke, einen von ihnen habe ich zumindest schwer verwunden können, aber dann hatten sie mich schlussendlich doch am Boden. Ich vertraute auf Ōkami, dass sie euch indes weit genug fortgeführt hatte, und griff nach meinem letzten Ausweg. Und jetzt bin ich hier.«
Torifu musterte ihn ernst. »Sie hatten damals Recht, ich hatte diese Kerle unterschätzt. Wenn nur zwei Leute das mit Ihnen anrichten können. Aber sensei, seien Sie getrost. Alt wurden die Bastarde trotzdem nicht. Nach dem versuchten Attentat auf den Raikage und der ja augenscheinlich doch nicht geglückten Ermordung Ihrer Person war das Kopfgeld auf die beiden so astronomisch hoch, dass sie in Windeseile eine ganze Armee an Kopfgeldjägern auf den Fersen hatten. Die hatten‘s danach kein Jahr mehr gemacht.«
Tobirama fühlte Genugtuung in sich aufkommen. Wenigstens etwas. »Sag mir, Torifu-kun, was ist aus Ōkami geworden?«
Torifu schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich weiß es nicht, sensei. Mit Ihrem Verschwinden haben auch die Wölfe Konoha verlassen und sich nie wieder blicken lassen. Sie sind tief in die Wälder gezogen und keiner hat sie seitdem mehr gesehen. Sie werden wohl selbst zu ihnen gehen müssen, wenn Sie das wissen wollen.«
Tobirama nickte und setzte das ganz weit oben auf seine Prioritätenliste. Ōkami mochte zwar sein Vertrauter Geist sein, aber wie das eben so mit Wölfen war, ließ sie sich nicht einfach so beschwören wie einen gemeinen Hund.
»Saru hat mir bereits gesagt, was aus meiner Familie wurde.«
»Oh.« Torifus Augen weiteten sich. »Oh! Ja. Mein Beileid. Das musst schrecklich sein.«
»Ich danke dir.« Tobirama nahm diese Worte hin und schob seine Gefühle weit von sich. »Aber sag mir, was ist aus deinen Teamkameraden geworden und wie hast du die letzten vierzig Jahre verbracht?«
»Ach, ich fürchte, das ist auch keine allzu schöne Geschichte«, sagte Torifu. »Ich würde Ihnen wirklich schönere Neuigkeiten überbringen können, aber wie das so im Leben ist. Es kommt immer anders, als man so denkt. Kagami starb jung, nur sechs Jahre nach Ihnen, sensei, er hinterließ jedoch einen Sohn, Hayao. Ein richtiger Wildfang, kam ganz nach seiner Großmutter, Tōka-san. Er hat selbst wiederum einen Sohn, seine Frau starb jedoch bei der Geburt und er selbst verunglückte erst Anfang dieses Jahres auf einer Mission.«
Das waren wirklich keine erfreulichen Nachrichten, wieder einmal. »Und sein Sohn? Was ist aus ihm geworden?«
»Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann müsste Shisui jetzt neun Jahre alt sein. Man hört eine ganze Menge von ihm, der ganze Stolz des Uchiha-Clans, wie es so heißt.«
Tobirama machte sich eine geistige Notiz, nach diesem Jungen zu schauen. Irgendwie hatte er das Gefühl, es ihm schuldig zu sein, nachdem er Kagami so in Stich gelassen hatte. Er hätte da sein müssen für ihn, das hatte er doch seinem Vater Hikaku versprochen.
»Und weiter?«, fragte er dann.
»Damit hört es leider nicht auf«, sagte Torifu ernst. »Damals, nur kurz vor Kagamis Tod, kam es zum Zerwürfnis zwischen uns. Kagami und ich waren nicht glücklich mit der Richtung, in die sich Sarutobi unter dem Einfluss Homuras und Koharus entwickelte. Aber eigentlich ist es Danzō, der mir bis heute die meisten Sorgen bereitet. Er hat sich verändert, und das nicht zum Guten. Viel zu oft treibt er sich in den Schatten herum, und wer weiß, was er da tut, wenn Sie verstehen, sensei.
Sarutobi übernahm Ihr Amt, wie Sie es befohlen hatten, aber zu einer offiziellen Wahl kam es nie. Mitten im Krieg durfte kein Machtvakuum entstehen, es hätte Konoha gefährlich destabilisiert. Doch selbst, als wieder Frieden eingekehrt war, blieb einfach alles so, wie es war. Das war es, was Kagami und mir solche Sorgen bereitete. Wir wussten doch alle, dass Konoha aus einem demokratischen Gedanken heraus errichtet worden war, da hatten Sie immer so großen Wert darauf gelegt.«
Tobirama hatte mit wachsender Besorgnis gelauscht. Das klang in der Tat beunruhigend. Er hatte Hiruzen befohlen, seinen Posten einzunehmen, bis die Lage wieder stabil war. Niemals hätte er sich über seine eigenen Grundsätze hinweggesetzt, ohne eine angemessene Wahl einen Hokage zu bestimmen. Konoha hatte keine Diktatur Einzelner werden sollen.
»Sensei, ich …«, fuhr Torifu zögernd fort. »Man soll ja nicht schlecht über die reden, die man einmal Kameraden nannte, aber …«
»Sprich frei heraus«, forderte Tobirama ihn auf.
»Ich zweifle nicht Ihre Entscheidung an, die Sie damals trafen«, betonte Torifu. »Zu der damaligen Zeit und in dieser Situation war es das richtige. Sarutobi jedoch erwies sich als sehr entscheidungsunfreudig. Er verfolgte eine Politik des Heraushaltens, manche nennen es gar eine Politik der Alternativlosigkeit. Zwar versuchte er stets, Konflikten aus dem Weg zu gehen und aufkommende Flammen kleinzuhalten, aber mitunter erreichte er mit seinem Zögern nur, dass Konflikte, die er eigentlich hatte vermeiden wollen, nur in die Länge gezogen wurden. Seit damals erlebten wir zwei weiter große Kriege, der letzte endete vor nicht einmal zwei Jahren. Ich weiß nicht, warum Sarutobi stets so zögerlich handelt – wenn überhaupt. Vielleicht, um den Tendenzen Koharus, Homuras und vor allem Danzōs zu begegnen, vielleicht … Ich weiß es nicht.«
Tobirama nickte einfach nur und nahm diese Informationen hin. Vierzig Jahre waren eine lange Zeit, weitaus länger, als er überhaupt jemals in Konoha gelebt hatte, und die ganze Zeit über hatte Hiruzen den Hut getragen. Bei weitem keine leichte Aufgabe und erst recht keine, die jeder würde machen können. Es würde unweigerlich dazu kommen, dass man Fehler machte, vielleicht auch solche, die nicht hätten gemacht werden dürfen. Ein Urteil darüber würde Tobirama an dieser Stelle jedoch nicht fällen. Noch nicht.
»Aber was ist mit dir?«, wollte er stattdessen wissen. »Wie es klingt, hast du dich aus der Politik herausgehalten.«
»In der Tat. Ich bin ein Mann der einfachen Freuden. Ich habe eine wunderbare Frau und eine talentierte Tochter und das ist alles, was ich mir vom Leben wünsche. Das und gutes Essen. Sobald diese Frau Doktorin Sie aus ihren Klauen entlässt, lade ich Sie zum Essen ein. Damit Sie endlich mal wieder ordentlich essen, sensei. Senju kennen einfach keine vernünftige Küche.«
Tobirama schnaubte. Als ob! Nur weil Hashirama immer diese furchtbare Pilzsuppe hatte essen wollen, galt das noch lange nicht für den Rest ihres Clans.
»Sensei«, sagte Torifu, nun wieder ernst. »Ich weiß, es steht mir nicht zu, aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann passen Sie auf. Das ist nicht mehr das Konoha, das Sie erbaut hatten, und Sie schwimmen jetzt in unbekannten Gewässern.«
»Ich danke dir für diese Warnung.«
»Aber auf mich können Sie zählen, sensei«, versicherte Torifu ihm mit einem einnehmenden Lächeln. »Vielleicht lehne ich mich da ein bisschen weit aus dem Fenster, aber das gilt auch für den Rest des Clans, da bin ich sicher.«
Tobirama registrierte es mit einem schmalen Lächeln. »Das ist gut zu hören. Sag mir für den Anfang, was du über Namikaze Minato weißt.«
»Nun, ein bisschen jung für das Amt, aber das liegt vielleicht nur daran, dass wir uns alle schon längst an Sarutobi gewöhnt hatten. Er hatte sich im letzten Krieg einen Namen gemacht als Gelber Blitz von Konoha, der an der Kannabi Brücke den entscheidenden Sieg errungen hatte, der zum Ende des Krieges führte. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wen er über‘s Ohr gehauen hatte, dass er ihm Ihr Hiraishin beibringt, sensei. Ich bin fast ein wenig eifersüchtig, weil Sie sich immer geweigert hatten, es uns beizubringen, egal wie sehr wir gebettelt hatten. Und wir waren immerhin Ihre Schüler!«
Tobirama grummelte. »Die Ohren habt ihr mir abgekaut.«
Torifu lachte. »Und Sie haben sich doch nie erweichen lassen, sensei.«
»Wenn deine Siegel immer noch so miserabel sind, dann aus gutem Grund.«
»Natürlich sind sie das! Manche Dinge ändern sich eben nie.« Dann wurde Torifu wieder ernst. »Nun, jedenfalls ist er jetzt seit gut einem dreiviertel Jahr im Amt. Schlägt sich soweit ganz gut, würde ich sagen, vor allem im Angesicht der momentan immer noch ziemlich unsicheren Lage auf der politischen Bühne. Alles weitere wird sich zeigen. Sarutobi selbst hatte ihn zu seinem Nachfolger ernannt und die hohen Tiere beim daimyō haben zugestimmt.«
»Saru ist also von sich aus zurückgetreten?«, schloss Tobirama. »Gab es einen konkreten Anlass?«
Torifu zuckte mit den Schultern. »Vielleicht doch das Alter? War immerhin eine sehr lange Zeit. Vielleicht aber auch als Konsequenz aus seiner Politik. Aber ganz ehrlich, viele hatten schon allein deswegen aufgeatmet, weil damit endlich ein neuer Wind im Dorf aufkam. Es war wirklich dringend notwendig.«
Das konnte sich Tobirama allerdings vorstellen.
Ihr Gespräch wandte sich unverfänglicheren Themen zu. Tobirama fragte Torifu nach seiner Familie und Torifu berichtete nur allzu bereitwillig, was natürlich lange Sermone darüber beinhaltete, was sie alles am liebsten aßen. Tobirama kam nicht umhin, der Einladung zum Essen ein klein wenig sehnsüchtig entgegen zu blicken; das Essen auf der Station konnte nur mit viel gutem Willen als Essen bezeichnet werden und dass man davon satt wurde, war auch eine Lüge gewesen.
Schließlich wurde es jedoch Zeit für Torifu wieder zu gehen. Als er sich verabschiedet hatte, stellte Tobirama fest, dass er froh war, dass wenigstens etwas beim Alten geblieben war. Es hatte gut getan, mit Torifu zu reden.
Mittlerweile war er auch wieder zu Kräften gekommen und beschloss, den Rückweg auf sein Zimmer anzutreten. Wie üblich folgten ihm die neugierigen und fragenden Blicke der anderen Patienten. Er konnte darauf wetten, dass mittlerweile das gesamte Dorf wusste, dass es ihn hierher verschlagen hatte; mit Sicherheit arbeitete die Gerüchteküche noch immer so effektiv wie zu seiner Zeit. Dafür, dass die Arbeit von Shinobi so viel Diskretion und Verschwiegenheit erforderte, tratschten sie alle unheimlich gern. Er wahrte sich den letzten Rest Würde, der ihm noch geblieben war, und hielt den Rücken gerade, auch wenn er sich schwer atmend auf sein Bett fallen ließ, als er endlich sein Zimmer erreicht hatte.
Wie er es angedroht hatte, kam Torifu am Abend noch einmal vorbei und brachte ihm etwas zu essen. Verpflegung für eine ganze Kompanie für eine Woche traf es wohl eher. Tobirama hatte keine Ahnung, wann er das alles jemals essen sollte. Obendrauf lud Torifu noch einen Blumenstrauß bei ihm ab, der eindeutig die Handschrift der Yamanaka trug. Dann ging er wieder.
Tobirama hatte an diesem Abend noch etwas vor. Er ließ die übliche Routineuntersuchung über sich ergehen und überhörte Doktor Fuyukos Schelte, dass er es mal wieder übertrieben hatte und daher die Nähte nicht so gut verheilten, wie sie es gern hätte. Dann platzierte er ein Hiraishin-Siegel an seinem Bett, griff nach einer von Minatos Markierungen und war verschwunden.
Sein Chakra hatte sich mittlerweile wieder ein wenig erholt, auch wenn es noch immer nicht auf seinem gewohnten Level war. In Anbetracht dessen, dass sein Kampf gegen die Gold und Silber Brüder ihn mit quasi leeren Reserven zurückgelassen hatte, war dies jedoch auch nicht verwunderlich. Mit einem solch kritisch niedrigen Chakralevel dauerte es seine Zeit, bis alles wieder in gewohnten Bahnen lief. Dafür reichte es allerdings schon (auch wenn Fuyuko ihm eigentlich verboten hatte, auch nur im Traum daran zu denken, ein Jutsu anzuwenden).
Er hatte schon früh bemerkt, dass Minato ganz wie er überall im Dorf seine Markierungen hinterlassen hatte; es war eben praktisch. Minatos Formel wich jedoch von seiner eigenen ab (gewagt), es war jedoch nicht schwer, beide miteinander zu verbinden. Tobirama konnte jetzt nach Belieben seine eigenen Markierungen nutzen, die noch existierten, sowie die Minatos.
Ebenjene, die er nun benutzt hatte, brachte ihn hinaus in den Wald, ein wenig abseits des Dorfes. Er ignorierte das leichte Ziehen seiner noch immer verheilenden Wunde. Dann legte er die Hände an den Mund und heulte wie ein Wolf, während er gleichzeitig sein Chakra aufflammen ließ. Ein unverkennbares Zeichen für jeden Wolf seines Rudels, anhand dessen sie ihn immer wiedererkennen würden.
In der Ferne antwortete ein wildes Rudel Wölfe, ordinäre Tiere, wie es sie überall im Land gab. Er ignorierte sie. Jetzt hieß es warten.
Tobirama setzte sich im Schneidersitz ins Gras und lehnte sich an den Baumstamm. Dann schloss er die Augen und meditierte. Hier draußen hatte er endlich seine Ruhe. Ständig umgeben zu sein von Leuten hatte er noch nie gemocht. Selbst wenn er seine Sensorfähigkeiten nicht aktiv nutzte, war er sich doch stets ihrer bewusst, sogar dann, wenn er sich allein in einem Raum befand.
Es dauerte gut eine Stunde, bis er hörte, wie etwas großes mit hoher Geschwindigkeit krachend durch das Unterholz brach. Nur einen Augenblick später stürmte Ōkami auf die kleine Lichtung, auf der er auf sie gewartet hatte. Eine riesige Masse weißen, weichen Fells preschte auf Tobirama zu, dann war die Wölfin auch schon über ihm und leckte ihn freudig kläffend von Kopf bis Fuß ab. Sie wedelte so wild mit dem Schwanz, dass ihr ganzer Körper mitschwang. Ihr hing die Zunge aus dem Maul und sie hechelte Tobirama ihren warmen, feuchten Atem mitten ins Gesicht, aber er störte sich nicht daran. Sie musste die ganze Zeit über gerannt sein, so schnell sie nur konnte, und in ihrem Fell hatten sich Laub und kleine Äste verfangen, aber sie kümmerte sich nicht darum. Sie stieß Tobirama mit ihrer Schnauze um und überschüttete ihn mit ihrer Liebe.
»Mein Welpe! Mein Welpe!«, rief sie immer wieder aus. »Du bist es wirklich!«
»Au!«, rief Tobirama aus, musste aber dennoch vor lauter Glück lachen; seine Wunden befürworteten etwas rabiate Wolfsliebe noch nicht. Er schlang die Arme um Ōkamis Hals und vergrub die Hände in ihrem weichen Fell. Ihre Flanken hoben und senkten sich im Rhythmus ihrer Atemzüge.
Sie legte sich neben ihn und streckte ihr Vorderbein über ihm aus, wie als wolle sie sichergehen, dass er ihr nicht noch einmal abhanden kam. Immer wieder stupste sie ihn mit ihrer Nase an.
»Irgendwie habe ich immer gewusst, dass du nicht wirklich verloren gegangen bist«, sagte sie. »Eine Mutter weiß solche Dinge einfach.«
Er schloss selig lächelnd die Augen und lehnte seine Stirn gegen ihr Maul. Er war doch nicht gänzlich allein in dieser neuen, ihm fremden Welt. »Ich bin froh, dass du immer noch da bist, Mutter.«
Sie rückte noch näher auf und begrub ihn halb unter ihrem Fell. »Ich lasse meinen kleinen Welpen doch nicht im Stich.«
Als Antwort umarmte er sie lediglich fester.
Die Wölfe waren nach Konoha zurückgekehrt.
So, die Sache ist die, dass Tobiramas richtige Mutter starb, als er gerade einmal 4 gewesen war. Er hat keine Erinnerungen mehr an sie. Mit 12 beschloss er dann, dass er einen Vertrag mit den Wölfen als sein Vertrauter Geist schließen wollte. Er schaffte es, in ihr Rudel aufgenommen zu werden, und Okami beschloss, dass er nicht irgendein Welpe sei, sondern ihr Welpe. Sie ist jetzt seine Mom. Okami stammt eigentlich aus meinem Butterfly Verse, aber ich hab sie so liebgewonnen, dass ich sie hier einfach mit drin haben musste. Außerdem konnte ich es nicht übers Herz bringen, wirklich seine ganze Familie umzulegen.
Was die Politik der Alternativlosigkeit angeht: Danzo will diese Alternative sein. Let that think in.
Nächstes Kapitel: Kakashi trifft seinen Großvater.
CN Dysphorie in Bezug auf die Menstruation, milde Transfeindlichkeit, unsicheres Binding
Ein Geist der Vergangenheit
Kakashi beobachtete die Schmetterlinge, die in dem kleinen Garten von Blüte zu Blüte tanzten. Die Blumen ließen etwas die Köpfe hängen, sie mussten wieder einmal gegossen werden, da es in den letzten Wochen kaum geregnet hatte. Der Sommer klang allmählich aus, doch noch immer waren die Tage lang, sonnig und warm.
Kushina hatte Mikoto zum Tee eingeladen und aus irgendeinem Grund war auch Biwako anwesend. In letzter Zeit wich sie kaum noch von Kushinas Seite, dass sich Kakashi langsam fragte, ob seine Aufgabe hier nicht vielleicht allmählich überflüssig wurde.
Die drei Frauen saßen zusammen auf der Terrasse, tratschten über belanglosen Kram und schwärmten von Mikotos kleinem Baby, das sie bei sich trug. Gerade einmal sechs Wochen alt war der Junge und anscheinend das entzückendste auf der Welt, den Geräuschen nach zu urteilen, die die Frauen von sich gaben.
Kakashi war sich ziemlich sicher, dass sie wussten, dass er hier oben auf dem Dach saß und Wache schob. Sie ließen sich davon jedoch nicht beirren.
Die Sonne brannte und unter seinem langen Umhang und der Maske wurde es stickig und das Atmen war etwas schwer. Er erduldete es stoisch. Mission war Mission.
Er verzog unter der Maske das Gesicht, als er das altbekannte Stechen im Unterleib spürte. Das allmonatliche Leiden. Er hatte es zum Glück heute Morgen rechtzeitig bemerkt, bevor er seine Wohnung verlassen hatte. Er atmete tief durch und versuchte, seinen Fokus zurückzuerlangen. Er durfte sich von solchen Dingen nicht ablenken lassen.
Das änderte dennoch nichts daran, dass er jetzt eigentlich nichts lieber tun würde, als sich daheim in seinem Bett zu einer kleinen Kugel voller Elend zusammenzurollen und die Welt hier draußen zu vergessen. Sich verstecken, bis das in ein paar Tagen vorbei war, und er sich wieder etwas mehr wie er selbst fühlen konnte. So ein Mist.
Fokus, Kakashi, mahnte er sich selbst und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Umgebung.
Sensei schaffte es dennoch, ihn mal wieder zu überraschen.
»Hallo, Kakashi.«
Kakashi fuhr zusammen, als Minato wie aus dem Nichts neben ihm auftauchte. Dann fluchte er stumm. So lange Minato ihn damit noch immer überraschen konnte, war er noch nicht gut genug. Er musste besser werden.
»Ich hoffe, du hattest bisher einen angenehmen Tag«, sagte Minato.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Geht so.« Er wollte nicht über sein kleines Wehwechen klagen.
Minato setzte sich neben ihn auf die Dachschindeln. »Sag mal, Kakashi, hast du mitbekommen, was neulich geschehen ist?«
»Die Sache mit Nidaime-sama? Natürlich.« Die Neuigkeit hatte die Runde gemacht schneller als jedes Strohfeuer in einem trockenen Heuschober. Es gab mit Sicherheit niemanden mehr im Dorf, der nicht davon gehört hatte. Nidaime Hokage sollte wie aus dem Nichts und tödlich verwundet im Hokage Büro aufgetaucht sein, auferstanden von den Toten, um wer weiß was hier zu suchen. Die ganze Geschichte war ziemlich abgedreht und Kakashi hatte es nicht weiter verfolgt. Er hatte genug eigene Sorgen, um sich auch noch darum Gedanken zu machen.
»Ich habe mich gefragt, ob du nicht vielleicht Interesse daran hättest, deinen Großvater kennenzulernen«, schlug Minato vor.
»Aber …« Kakashi sah erst ihn groß an und blickte dann zu den drei Frauen unter ihnen.
Minato schien zu erraten, was ihm durch den Kopf ging. »Ich geb dir für heute frei. Natürlich nur, wenn du willst.«
»Äh.« Kakashi wusste ernsthaft nicht, was er darauf antworten sollte.
Natürlich wusste er, dass Tobirama sein Großvater war, eine Rolle hatte es jedoch nie in seinem Leben gespielt. Sein Vater hatte es ein- oder zweimal erwähnt, aber ansonsten nie viel erzählt. Hinzu kam, dass Sakumo damals, als er geheiratet hatte, den Namen seiner Frau angenommen hatte. Kakashi war ganz froh darum, dass nur die allerwenigsten ihn mit dem Namen Senju in Verbindung brachten. Zu viele Erwartungen, die damit einhergingen.
»Ich … weiß nicht«, sagte er dann. »Wäre es denn für Nidaime-sama in Ordnung?«
»Ich denk schon«, sagte Minato leichthin. »Aber du musst das nicht jetzt entscheiden. Komm einfach zu mir, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.«
»Geht klar«, erwiderte Kakashi in Ermangelung einer besseren Antwort.
Minato erhob sich wieder. »Dann bis später. Und such dir ein schattiges Plätzchen, sonst holst du dir noch einen Hitzschlag.« Mit einem Augenzwinkern fügte er an: »Das ist ein Befehl.«
Dann war er verschwunden. Typisch.
Er hatte allerdings Recht, es war wirklich besser, wenn Kakashi seinen Posten an einen schattigen Ort verlegte. Es gab rings um das Haus genügend Bäume, in denen er Position beziehen konnte und immer noch einen guten Überblick über die Umgebung hatte. Er suchte sich eine Eiche mit ausladenden Ästen und setzte von dort aus seine Mission fort.
Wollte er Tobirama kennenlernen? Ließ es sich überhaupt vermeiden, dass sie sich früher oder später über den Weg liefen? Kakashis Vater war jünger gewesen als er jetzt, als Tobirama damals verschwunden war, womöglich wusste Tobirama noch nicht einmal, dass er einen Enkel hatte.
Und wenn sie sich doch über den Weg laufen würden, wie würde er reagieren? Kakashi hatte selten gute Erfahrungen mit Leuten der älteren Generation gemacht, die meisten bestanden darauf, dass er ein sehr jungenhaftes Mädchen sei. Das sei eine Phase, das ginge vorüber. Als ob! Was wussten die schon?
Fragen über Fragen und keine Antworten. Allerdings war Angriff schon immer die beste Verteidigung gewesen und vom Nichtstun wurde es auch nicht besser. Außerdem hatte Minato ihm ausdrücklich erlaubt, einen Tag freizunehmen. Mittlerweile war Kakashi sowieso davon überzeugt, dass es hier eigentlich nicht darum ging, Kushina zu bewachen.
Kakashi nahm sich die Hundemaske ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er atmete tief durch. An Tagen wie diesen war die Anbuausrüstung eine Qual. Er sollte sich besser fix erfrischen, bevor er irgendwohin ging.
Also Maske wieder aufgesetzt und mit einem Shunshin war er auf dem Weg zu seiner Wohnung. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, riss er sich Maske und Umhang vom Leib und atmete auf, als endlich wieder etwas Luft an seinen Körper kam. Noch auf dem Weg ins Bad entledigte er sich auch des Rests seiner Kleidung und ignorierte ganz bewusst die blauen Flecken auf seinem Oberkörper. Es tat weh, aber das war es wert.
Das Wasser der Dusche war kühl und erfrischend und er gönnte sich einen Moment länger, als es nötig gewesen wäre, um das Gefühl zu genießen, wie der Staub der Straße von seiner Haut gewaschen wurde. Dann war es dennoch Zeit, dass er sich wieder auf den Weg machte.
Wie zu erwarten, war Minato in seinem Büro. Da war er dieser Tage eigentlich fast immer. Ob er glücklich damit war? Minato hatte auf Kakashi nie den Eindruck gemacht, dass er der Typ Mann war, der die Dinge lieber von einem Schreibtisch aus regelte, statt sie selbst in die Hand zu nehmen. Allerdings stand es Kakashi nicht zu, darüber zu urteilen. Er wartete geduldig darauf, dass Minato ihn hereinrief, dann trat er ein. Ihm entging nicht, dass da noch immer ein dunkler Fleck mitten im Raum war, wo Blut in das Holz eingesickert war. Es schien erschreckend viel gewesen zu sein.
»Ah, Kakashi. Hast du noch einmal über mein Angebot nachgedacht?«, kam Minato gleich zum Punkt.
»Weiß Nidaime-sama überhaupt von mir?«, fragte Kakashi statt einer Antwort.
Minato nickte.
Dann gab es in der Tat keine Ausrede, mit der er das hier vermeiden konnte.
»Na los, Kakashi. Ich begleite dich«, bot Minato ihm an.
»Äh, haben Sie hier nicht zu tun?«, fragte Kakashi verwundert.
Minato winkte ab. »Der Kram liegt morgen noch genauso da. Außerdem hatte ich sowieso mit Nidaime-sama reden wollen.«
Das roch nach einer Ausrede, sich vor dem Papierkram zu drücken. Kakashi nahm es kommentarlos hin. Er folgte Minato zum Krankenhaus.
Mental ging er all die möglichen Szenarien durch, die ihn erwarten konnten. Vielleicht wollte Nidaime-sama ja auch ohnehin nichts von ihm wissen, schlussendlich war er doch bloß ein weiterer von vielen Anbu, ein winziges und unbedeutendes Rad im Gefüge Konohas. Dann hätte sich die Sache hier ohnehin von selbst erledigt.
Warum war er eigentlich so nervös? Sonst machte er sich doch nie so viele Gedanken um irgendetwas.
Der Mann am Empfang wusste anscheinend sofort, wo ihr Ziel lag, und wies sie des Weges. Kakashi war vielleicht doch ganz froh, dass er jetzt nicht allein war, und hielt sich hinter Minato, als dieser zielstrebig durch das Krankenhaus ging. Er war anscheinend nicht das erste Mal hier.
Vor einer Tür im zweiten Stock blieb er stehen. »Bereit?«
Kakashi prüfte noch einmal, ob das Tuch vor seinem Gesicht ordentlich saß. Dann nickte er.
Forsch ging Minato voran. Tobirama hatte anscheinend keine Besucher erwartet, denn er saß mit dem Rücken zur Tür, den Oberkörper entblößt und den linken Arm erhoben. Vor ihm stand eine Ärztin und betrachtete die Wundnähte mit gerunzelter Stirn. Mehrere Nähte zogen sich über den Brustkorb, teils genäht, teils zusammengeklammert. Trotz der geöffneten Fenster roch es nach Antiseptikum.
Wenn das schon der abgeheilte Zustand war, wollte Kakashi nicht wissen, wie die frische Wunde ausgesehen hatte. Wie hatte irgendwer das überleben können?
Kakashi entging jedoch auch nicht der riesige weiße Wolf, der mitten im Zimmer lag und die beiden Neuankömmlinge aus beunruhigend intelligenten goldenen Augen beobachtete. Das Tier hatte seinen Kopf auf seinen Vorderpfoten gebettet und die Ohren aufgerichtet.
»Sie sind die Unvernunft in Person, Nidaime-sama«, schimpfte die Ärztin. »Würde es mir mein Ethos als Medizinerin nicht verbieten, ich hätte Sie schon längst wieder hochkant hinausgeworfen.« Sie nieste. »Muss das Tier hier sein? Tiere sind hier eigentlich nicht erlaubt. Ich hab eine Tierhaarallergie!«
»Ja. Ōkami muss hier sein«, grummelte Tobirama.
»Außerdem ist Ōkami kein Tier«, sagte Ōkami. Noch immer hielt sie ihren Blick auf die Besucher gerichtet. Ihr Schwanz begann, leise auf den Boden zu klopfen. Ihre Nase bewegte sich leicht, als sie Witterung aufnahm.
Kakashi musste sehr an sich halten, nicht zusammenzuzucken, als die Wölfin auf einmal sprach. Ein Ninken also, vielleicht sogar ein Vertrauter Geist. War das der berühmte Weiße Wolf von Konoha? Kakashi hatte es immer für einen hübschen Beinamen gehalten, so wie man Minato-sensei den Gelben Blitz nannte.
Tobirama warf ihnen über die Schulter hinweg einen Blick zu. Kakashi hatte sein Portrait dutzende Male im Hokagebüro gesehen, eine etwas körnige und über die Jahre hinweg ausgeblichene Farbfotografie aus einer Zeit, als das noch eine neue Technik gewesen war. Ihn auf einmal in Fleisch und Blut vor sich zu sehen, ganz so, wie er auf dem Foto zu sehen war, war surreal.
»Guten Tag«, begrüßte Tobirama sie. »Auch wenn ich gerade etwas indisponiert bin.«
Ōkami erhob sich. Kakashi fühlte sich auf einmal sehr klein, als er sich ihrer tatsächlichen Größe bewusst wurde; er konnte gerade so über ihren Rücken hinweg blicken. Er fragte sich außerdem, ob das hier wirklich eine gute Idee gewesen war, als sie auf sie zukam, den Blick starr auf ihn gerichtet. Sie ignorierte Minato und begann, Kakashi gründlich zu beschnuppern. Er stand stocksteif da und wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu rühren. Diese gewaltigen Kiefer konnten ihm mit Leichtigkeit einen Arm oder ein Bein abbeißen.
Dann hatte er eine Wolfszunge im Gesicht.
»Willst du auf mir reiten?«, fragte Ōkami. »Oder Schleifen in mein Fell binden? Tsuna-chan hat das immer gern gemacht.«
»Was?« Kakashi war völlig überrumpelt.
»Du bist Teil des Rudels«, sagte Ōkami, als würde das alles erklären. »Du darfst das. Du nicht.«
Das letzte war an Minato gerichtet und wurde zudem von einem vielsagenden Knurren begleitet.
Minato hob abwehrend die Hände und lachte nervös auf. »Hatte ich nicht vor.«
»Gut.« Ōkami schnaubte und wandte sich dann ab, um sich wieder hinzulegen.
»Friss sie nicht auf«, mahnte Tobirama sie.
»Du weißt, dass ich nur Uchiha fresse, Welpe«, erwiderte Ōkami.
Kakashi war sich nicht sicher, ob sie scherzte, oder es ernst meinte.
Die Ärztin hatte indes ihre Untersuchung abgeschlossen. Sie ermahnte Tobirama, sich mehr zu schonen, was aber offensichtlich auf taube Ohren stieß, und ging dann. Tobirama zog sich wieder sein Hemd über und wandte sich dann seinen Besuchern zu.
»Entschuldigen Sie bitte den etwas unrühmlichen Empfang. Doktor Fuyuko ist wie eine Gefängniswärterin. Womit kann ich dienen?«
Minato schob Kakashi nach vorn. »Ich wollte Ihnen Kakashi vorstellen, Nidaime-sama. Ich dachte, das würde Sie vielleicht freuen nach der Flut an unschönen Neuigkeiten.«
Kakashi hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Also tat er einfach gar nichts und stand nur da.
Tobirama musterte ihn mit unbewegtem Gesicht. »Du erinnerst mich sehr an deinen Vater, Junge.«
Junge. Er hatte ihn Junge genannt. Gut. Erste Hürde gemeistert.
Tobirama wandte sich an Minato. »Ich danke Ihnen, dass Sie Kakashi hergebracht haben. Das freut mich in der Tat sehr. Allerdings war das doch nicht der einzige Grund, weshalb Sie persönlich hergekommen sind, Yondaime-sama. Oder? Ich kenne jede von Hashiramas Ausreden, sich vor der Arbeit zu drücken.«
Er sah Minato durchdringend an. Minato schaffte es, seinem Blick standzuhalten, gerade so. Tobirama hatte ihn garantiert durchschaut.
Minato räusperte sich. »Ich wollte Sie tatsächlich etwas fragen. Gestern Abend bemerkte ich, dass jemand eine meiner Hiraishin-Markierungen benutzte. Das waren Sie, nicht wahr?«
Tobirama nickte. »Das stimmt.«
Er deutete auf zwei Stühle, die an einem kleinen quadratischen Tisch im Zimmer standen. Das einzige Zugeständnis an Besucher, das das Krankenhaus machte. Kakashi und Minato kamen der Aufforderung nach und setzten sich.
»Verzeihen Sie mir meine Neugierde, aber wie haben Sie das gemacht?«, fragte Minato weiter. »Ich hatte es nie geschafft, Ihre Formel in ihrer ursprünglichen Form anzuwenden, weshalb ich sie entsprechend abwandelte.«
»Gewagt und in Anbetracht dessen, was mir geschehen ist, sogar ziemlich riskant«, sagte Tobirama. »Aber doch clever. Ich hatte mein Siegel natürlich auf mich persönlich abgestimmt und niemals vorgehabt, es irgendwem beizubringen. Entsprechend verwundert es mich nicht, dass Sie Probleme damit hatten, mein auf meine Wassernatur abgestimmtes Siegel mit Ihrem Windnaturchakra anzuwenden. Ich habe im Grunde nichts weiter gemacht, als beide Formeln miteinander zu kombinieren. Sie dürften jetzt auch in der Lage sein, meine Siegel zu verwenden. Ich rate Ihnen allerdings davon ab, jene eine Markierung draußen im Wald zu nutzen, wenn Sie nicht wollen, dass der ganze Ort Ihnen in einer Explosion um die Ohren fliegt, und dafür will ich nicht die Verantwortung übernehmen müssen.«
Minato wirkte verblüfft. »Es funktioniert in der Tat. Das ist erstaunlich!«
Kakashi hatte von Siegeln nicht allzu viel Ahnung, aber sein sensei war ein Experte auf dem Gebiet. Wenn Minato von etwas so beeindruckt war, dann schien es keine kleine Sache zu sein. Hieß es nicht ohnehin, dass Tobirama ein wahrer Meister des Fūinjutsu sein sollte, der allein von den legendären Siegelkünsten der Uzumaki übertroffen wurde? Minato schien hier ganz in seinem Element zu sein.
»Es ist mein Jutsu, ich habe es erfunden. Natürlich weiß ich am besten, wie es funktioniert«, sagte Tobirama.
Ōkami brummte. »Was du natürlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit anderen unter die Nase reiben musst.«
Tobirama kniff die Augen zusammen und warf ihr einen verstimmten Blick zu. Sie wedelte mit dem Schwanz.
»Nidaime-sama, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich bei Gelegenheit liebend gern mit Ihnen weiter über das Thema unterhalten«, sagte Minato. »Aber ich fürchte, Doktor Fuyuko vierteilt mich, wenn ich Sie jetzt damit behellige. Wenn Sie mich entschuldigen würden?«
Tobirama nickte. »Natürlich. Einen schönen Tag noch.«
Und damit ging Minato und ließ Kakashi allein zurück. Es fühlte sich an wie Verrat. Jetzt hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit Tobiramas. Na großartig.
Unangenehme Stille breitete sich aus.
Tobirama streckte die Schultern. »Ich habe das so gemeint, wie ich es sagte. Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenlernen zu dürfen. Ich bin nur leider auch nicht allzu geschickt im Umgang mit Kindern, bitte sieh mir das nach.«
Kakashi rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Geht schon klar.«
Klasse, Kakashi. Beste Antwort, die man sich so denken kann. Hast du richtig gut gemacht.
Tobirama schien sich daran nicht zu stören, und wenn doch, dann zeigte er es nicht. Sein Gesicht war so unbewegt wie sein Steinportrait. Es war ein wenig enervierend.
»Jedenfalls …«, fuhr Tobirama fort. »Nun, ich weiß nicht, wie du zu mir stehst. Dein Vater ist …. war gerade einmal elf Jahre alt, als ich ging. Saru sagte mir bereits, was ihm zustieß, und ich bedauere aufrichtig, was geschehen ist, und noch mehr, dass du das allein durchstehen musstest.«
Nicht dass er daran etwas hätte ändern können.
»Aber wenn du das wünscht, dann kann ich jetzt für dich da sein. Wie Ōkami sagte, du bist Teil des Rudels.«
Kakashi war so verblüfft davon, dass er zunächst gar nichts darauf antwortete und nur stumm starrte.
»Was heißt das? Rudel?«, brachte er dann doch hervor.
»Ihr Menschen nennt das Familie«, erklärte Ōkami. »Aber es ist mehr als das. Ein Rudel hält zusammen, es jagt zusammen und es kämpft zusammen. Rudel ist mehr als nur Blutsbande, wir nehmen nicht jeden streunenden Wolf auf. Auch Tobi-chan musste sich seinen Platz im Rudel erkämpfen. Der einsame Wolf geht in der Wildnis unter, doch gemeinsam bringen wir Beute zu Fall, die um ein Vielfaches stärker ist als wir. Das ist Rudel.«
Familie. Kakashi hatte bereits damit abgeschlossen, dass er für den Rest seines Lebens allein sein würde. Seine Mutter hatte er nie kennengelernt. Sein Vater hatte sich das Leben genommen, als er fünf gewesen war. Dann war Obito gestorben. Und zum Schluss hatte er mit seinen eigenen Händen Rin ermordet. Man nannte ihn den kaltblütigen Kakashi, Kakashi den Kameradenmörder. Nicht einmal in der Anbu fand er Kameradschaft. Familie und Kameraden waren etwas, das ihm nicht vergönnt waren.
Doch da tauchte plötzlich, einfach so, ein Geist aus der Vergangenheit auf, erwies sich als ausgesprochen real und bot ihm an, was er nie hatte haben dürfen.
»Ja«, wisperte er. »Ich … Das würde mich freuen.«
Die Andeutung eines Lächelns umspielte Tobiramas Mundwinkel. »Sag mir für den Anfang, ob du ein sarashi verwendest.«
Kakashi blinzelte. »Ein was?«
Tobirama starrte ihn an. »Oh, bitte sag mir nicht, dass du ordinäre Mullbinden verwendest. Tōka steigt sonst noch aus ihrem Grab auf, um mich aus dem Jenseits heraus zu verfluchen.«
»Äh, doch. Tu ich.«
Hieß das, Tobirama wusste Bescheid?
»Grundgütiger. Aber nun gut. Ein sarashi ist ähnlich einem obi, wird jedoch um den Oberkörper gebunden und unter einem kimono getragen, statt darüber.«
Wie altmodisch.
»Zu meiner Zeit trugen das viele vor allem unter der Rüstung als zusätzlichen Schutz in der Schlacht. Sarashi ist aber auch deinen Zwecken dienlich. Wie alt bist du jetzt? Dreizehn, vierzehn?«
»Ich werde in zwei Wochen fünfzehn.«
»Na immerhin, dann hast du vielleicht noch nicht allzu viel Schaden angerichtet. Mullbinden ziehen sich über den Tag hinweg fester, was zu Rücken- und Gewebeschäden führen kann. Lass es. Mach es nicht wieder. Ich zeig dir, wie man ein sarashi richtig benutzt.«
Kakashi merkte, wie mit einem Mal eine enorme Menge Anspannung von ihm abfiel. »Danke, Nidaime-sama.«
»Tobirama. Du kannst mich Tobirama nennen. Aber untersteh dich, meinen Namen anderweitig zu verhunzen. Es ist schlimm genug, wenn Ōkami das macht.«
Kakashi musste unter seiner Maske unwillkürlich grinsen. Das war doch eine gute Idee gewesen.
Nächstes Kapitel: Tobirama versucht, sich in die neue Situation einzuleben
Leere Hülle
Hiruzen überreichte Tobirama seine Ausrüstung und legte den Schlüssel zum Haus oben drauf.
»Ich habe Ihre Kleidung soweit möglich reinigen und ausbessern lassen, sensei, aber ich fürchte, dass Sie Ihre Rüstung dennoch nur ersetzen können. Was Ihr Haus betrifft, so dürften Sie das meiste so vorfinden, wie Sie es zurückgelassen hatten. Über die Jahre wurde kaum etwas daran verändert, nur ein paar Modernisierungen. Theoretisch gehört es noch immer Tsunade, aber als sie ging, hatte sie mir die Schlüssel zur Verwahrung gegeben. Ich denke, sie wird nichts dagegen haben, wenn ich es Ihnen wieder überlasse.«
»Ich hatte Mito-hime und Miyazaki-san hin und wieder mit dem Haushalt und dem Garten ausgeholfen«, fügte Biwako an. »In den letzten fünf Jahren dürfte der Garten dennoch ziemlich verwildert sein. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Gärtner organisieren, der Ihnen dabei hilft, das wieder in Ordnung zu bringen.«
»Vielen Dank, aber ich möchte mir erst selbst ein Bild davon machen«, sagte Tobirama.
»Bitte sehen Sie es mir nach, aber ich hatte mir die Freiheit genommen, Ihre Bibliothek mit Ihren Forschungen und Hashirama-samas Aufzeichnungen zu seinem Mokuton zu mir zu nehmen«, sagte Hiruzen. »Natürlich nur mit Mito-himes und Chio-sans Erlaubnis. Wenn Sie es wünschen, kann ich alles umgehend wieder hierher bringen lassen.«
Tobirama nickte. »Ja, das wünsche ich.« Dann wandte er sich wieder dem Haus zu.
Heimat. Sein Zuhause. Als hätte er es nie verlassen. Natürlich war das Holz über die Jahre doch etwas abgenutzt und es waren typische Alterserscheinungen an der Fassade zu sehen. Doch das Haus machte zumindest von außen keinen heruntergekommenen Eindruck.
An diesem Tag war er endlich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Dass Fuyuko ihn freigelassen hatte, träfe es wohl eher. Sie hatte ihn dennoch zur regelmäßigen Nachuntersuchung bestellt, aber immerhin konnte er endlich dieses beengte kleine Zimmer hinter sich lassen. Er war sich nicht sicher, ob er es noch viel länger darin hätte aushalten können.
Hiruzen hatte ihm bereits gesagt, dass sein altes Heim noch immer existierte, daher war es gar keine Frage gewesen, dass er hier wieder einziehen würde. Es fühlte sich dennoch seltsam an, jetzt vor der Tür zu stehen. Hashirama war seit zwei Jahren tot, dennoch erwartete er noch immer, dass sein Bruder jeden Augenblick mit seinem strahlenden Lächeln um die Ecke kam und ihn begrüßte.
Nein. Nein, Hashirama weilte seit über vierzig Jahren nicht mehr auf dieser Erde und auch der Großteil ihrer Familie war nicht mehr. Von einem Tag auf den anderen und das nur wegen eines Fehlers in einem Jutsu.
Tobirama konnte das Ausmaß dieser Katastrophe immer noch nicht begreifen.
Er wandte sich wieder Biwako und Hiruzen zu. »Das wäre dann erst einmal alles.«
»Sehr gut. Sie wissen ja, wo wir wohnen, sollte noch etwas sein«, sagte Hiruzen. »Oh. Beinahe hätte ich es vergessen. Minato bittet, dass Sie zu ihm ins Büro kommen, sobald Sie die Zeit dafür finden.«
Tobirama registrierte es mit einem Nicken und nahm sehr wohl wahr, dass es nicht als Befehl formuliert worden war. Er verabschiedete sich von den beiden, dann schloss er die Tür zu seinem Heim auf und trat ein. Ōkami folgte ihm.
Die Stille war erdrückend. Niemand war hier. Nirgends lief jemand umher. Keine Stimmen waren zu hören. Keine Kinder, die spielten.
So wie damals, als seine Welt nur aus Hashirama bestanden hatte. Doch nicht einmal Hashirama war noch da.
Tobirama stand wie erstarrt da. Dieses Haus war ein Geist, eine leere Hülle, eine Leiche. Es war niemand mehr da, der es mit Leben hätte füllen können.
Die Möbel waren alle mit Tüchern abgedeckt, die grau vom Staub geworden waren. Im hereinfallenden Licht der Sonne tanzte noch mehr Staub. In der Tat war kaum etwas verändert worden, an vieles erinnerte sich Tobirama noch. Selbst das Holz wisperte noch zu ihm.
»Anija …«
Nur die Stille antwortete ihm.
Tobirama drückte das Bündel in seinen Armen an sich. Dann gab er sich einen Ruck. Von nichts kam nichts.
Zuerst musste er nach Schäden am Gebäude schauen und ob irgendetwas dringender Ausbesserung bedurfte. Dabei warf er auch bereits einen ersten Blick in den Garten. Wie Biwako gesagt hatte, war Hashiramas und Miyazakis ganzer Stolz in den letzten Jahren sehr verwildert und eine Brombeerhecke hatte sich die Vorherrschaft erkämpft. Das bedurfte einiger Arbeit, um dem wieder Herr zu werden, geschweige denn, wieder auch nur ansatzweise so etwas wie einen Garten daraus zu machen.
Das Haus an sich war jedoch in einem guten Zustand. Während er durch die Räume ging, begann Tobirama bereits damit, die Tücher von den Möbeln zu entfernen. Staub war allgegenwärtig. Allein das Haus zu reinigen, würde ihn sicher ein oder zwei Tage kosten.
Tsunade war die letzte Bewohnerin dieses Hauses gewesen. Sie schien eines Tages einfach gegangen zu sein, er fand vieles so vor, wie sie es liegengelassen hatte. Wie als hätte sie sich selbst von einem Moment auf den anderen aus diesem Leben entfernt. Wie er.
Tsunade hatte schon als Kind ein Interesse an Medizin gezeigt und Hashirama hatte es früh gefördert (wenn der Trottel nicht damit beschäftigt gewesen war, ihr das Glücksspiel beizubringen). Sie schien das weiter verfolgt zu haben, wie er feststellte, als er durch ihre Sachen ging. Tsunade hatte etliche Bücher und Schriftrollen zur Medizin angesammelt und anscheinend selbst viel auf dem Gebiet vorangetrieben. Er fand etliche ihrer Aufzeichnungen, in denen sie vor allem daran gearbeitet hatte, die medizinische Versorgung auf Missionen zu verbessern. Tobirama blätterte hindurch und war einigermaßen beeindruckt, wie sehr Tsunade das Thema durchdacht und von Grund auf neu strukturiert hatte.
Wo war sie nur? Wie ging es ihr? Er musste das unbedingt herausfinden.
Das Haus war, wie Hiruzen gesagt hatte, überwiegend in seinem ursprünglichen Zustand belassen worden. Es war dennoch erstaunlich leer, und das nicht nur, weil niemand mehr darin wohnte. Nach und nach waren die Bewohner gestorben und man hatte ihre Sachen in Kisten gepackt und auf dem Dachboden verstaut, wo sich mit den Jahren eine immer dickere Staubschicht angesammelt hatte.
Tobirama musste husten und niesen, als er die Kisten mit seinen Sachen fand. Die anderen rührte er lieber nicht an, dafür waren die Wunden noch zu frisch. Er vermied es, sie auch nur anzusehen, und trug seine Sachen schnell nach unten. Strom und Wasser waren noch nicht wieder angestellt, aber das sollte im Laufe des Tages passieren, hatte Hiruzen ihm gesagt. Da das Brombeergestrüpp im Garten auch den Koiteich für sich beansprucht hatte, blieb Tobirama vorerst nichts anderes übrig, als einfach nur mit einem trockenen Tuch den Staub von den Kisten zu wischen.
Mit einigem Missfallen stellte er fest, dass sich die Motten an seiner Kleidung gütig getan hatten.
»Wunderbar«, grummelte er, als er einen löchrigen kimono nach dem anderen auspackte.
Er hatte noch immer die Kleidung, die er auf seiner letzten Mission getragen hatte. Vielleicht war sie ja noch zu gebrauchen.
Die schwarze Hose und das ebenso schwarze Oberteil waren in der Tat zu retten gewesen, auch wenn deutlich war, dass sie beinahe komplett hatten neu genäht werden müssen. Schlicht, aber zumindest alltagstauglich. Sein Pelzkragen war natürlich wie immer im besten Zustand dank der Siegel, die er über all die Jahre da hineingearbeitet hatte. Das hätte er vielleicht auch mit dem Rest seiner Ausrüstung zu sollen, aber dieses Fell hatte nun einmal besonders emotionalen Wert für ihn. Auch sein happuri war nur ein wenig angekratzt, nichts, was nicht mit etwas Politur wieder zu beheben wäre. Er setzte es auf und fühlte sich endlich nicht mehr so nackt.
Die Rüstung allerdings war in der Tat nicht mehr zu retten. Das linke Schulterteil fehlte nahezu komplett und auch in der linken Seite klaffte ein riesiges Loch. Das Metall war förmlich aufgerissen worden und scharfkantige Grate bogen sich nach innen.
Er hatte kurioserweise kaum Erinnerungen an die Schmerzen, die er erlitten haben musste. Wie das hier aussah, musste sich seine Rüstung förmlich in sein Fleisch gefressen haben. Er sah Spuren am Metall, wo es aufgesägt worden war, wahrscheinlich während der Operation, um die Brustplatte von ihm zu lösen. Erinnern konnte er sich aber nicht mehr daran, wie das geschehen war. Wohl eine der Explosionen. Doktor Fuyuko hatte gesagt, dass eine dissoziative Amnesie bei schweren Traumata auftreten konnte.
Es besorgte ihn einerseits. Aber andererseits war er vielleicht ganz froh darum, dass er sich nur unklar daran erinnern konnte.
Er legte die Überreste seiner Rüstung zur Seite und kleidete sich um. Die zusammengestoppelte Kleidung, die er im Krankenhaus bekommen hatte, war kaum als angemessen zu bezeichnen. Zum Schluss legte er sich seinen Pelz um die Schulter. Mit einem wohligen Seufzen ließ er die Finger durch das weiche Material gleiten. Wenigstens eine kleine Sache, die ihm nicht abhanden gekommen war.
Während er das Haus erkundet hatte, war Ōkami durch einige Räume des Erdgeschosses gewandert und hatte sich schlussendlich auf dem engawa niedergelassen. Hier lag sie nun und döste, während sie darauf wartete, dass er fertig wurde.
Er trat zu ihr nach draußen, setzte sich neben sie und schmiegte sich in ihr dickes, weiches Fell. Er versank beinahe völlig darin. Mit geschlossenen Augen lauschte er auf das Geräusch ihrer tiefen Atemzüge. Gänzlich allein war er ja doch nicht.
»Willst du reden, Welpe?«, fragte sie ihn.
»Nein.« Er streckte die Hand aus und kraulte sie unter dem Kinn. »Ich bin froh, dass du bei mir bist.«
Sie brummte und schloss entspannt ihre Augen.
»Ich habe ein paar neue Geräte gefunden, besonders in der Küche, deren Sinn sich mir noch nicht erschließt«, fuhr er fort. »Außerdem scheint Sakumo irgendwann einmal ausgezogen zu sein.«
»Geh doch zu deinem Welpen und frag ihn«, schlug Ōkami beiläufig vor.
»Das ist solch ein seltsamer Gedanke. Ich bin jünger, als mein Sohn jetzt wäre, und habe plötzlich einen Enkel, von dem ich quasi nichts weiß. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Kinder sind so furchtbar kompliziert.«
»Du hast es geschafft, Sakumo als Baby nicht verkehrt herum zu halten, da wirst du das jetzt auch schaffen. Ihr Menschen seit so zerbrechlich, wenn ihr geboren werdet. Aber Kakashi ist schon ein wenig älter, du wirst ihn nicht so schnell beschädigen.« Ōkami stupste ihn mit ihrer Schnauze aufmunternd an. »Ich bin mir sicher, es würde ihn freuen, wenn du Zeit mit ihm verbringst.«
Tobirama vertraute auf Ōkamis Intuition. Schon oftmals war sie es gewesen, die seine Mitmenschen besser durchschaut hatte als er. Kakashi machte dennoch einen sehr verschlossenen Eindruck auf ihn, und das nicht nur, weil er schon mit solch jungen Jahren bei der Anbu war. Da war auch die Sache mit seinem Sharingan, das er unter seinem Stirnband versteckt hatte. Etwas sagte Tobirama, dass vieles damit in Verbindung stand. Wenn die Zeit reif wäre, würde Kakashi ihm vielleicht davon erzählen.
Trotzdem fühlte er sich etwas befangen, wie er dem Jungen gegenüber treten sollte. Sie waren Fremde füreinander, obgleich Kakashi dem Gedanken doch offen gegenüber zu stehen schien, dass sie einander näher kennen lernen konnten. Er hatte morgen Geburtstag und Tobirama hatte ihm versprochen, ihm zu zeigen, wie ein sarashi gebunden wurde. Das wäre vielleicht ein Anfang. Tobirama musste sowieso möglichst bald für sich neue Kleidung kaufen, da konnte er das gleich mit auf die Liste setzen.
Aber vorher hatte er noch etwas anderes zu erledigen.
»Ōkami, bleibst du hier, während ich schaue, was Minato von mir will?«
Als Antwort gähnte sie nur und bettete ihren Kopf wieder auf ihre Pfoten. »Mach nur.«
Er tätschelte sie zwischen den Ohren. Dann teleportierte er sich zu seiner Hiraishin-Markierung auf dem Dach des Hokageturms. Normalerweise hätte er einfach die im Büro genommen, die normale, nicht die, die ihm diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Aber das wäre unter diesen Umständen wohl etwas unhöflich, einfach unangekündigt dort zu erscheinen.
Er spürte die Überraschung im Chakra der beiden Anbuleute, als er vor die Tür zum Büro trat und dabei aus der falschen Richtung kam. Sie fanden jedoch schnell ihre Fassung wieder und einer wandte sich sogleich ab, um ihn anzukündigen. Auf Minatos Zeichen hin trat er ein. Seine Hand streifte dabei den Türrahmen. Minato würde sicher nichts dagegen haben, wenn er hier draußen eine Markierung platzierte, ersparte ihm den Weg vom Dach hinab.
Das letzte Mal, als er hier gewesen war, war er dem Tode näher gewesen als dem Leben und hatte noch nicht gewusst, was tatsächlich passiert war. Also nahm er sich jetzt einen Moment, um sich umzusehen.
Viel hatte sich auch hier nicht geändert, außer dass jetzt zwei Bilder mehr an der Wand hingen und die Grünlilie im Fenster traurig ihre Blätter hängen ließ. Jemand sollte sie mal wieder gießen. Das war die einzige Pflanze im Raum, und das war vielleicht auch die größte Veränderung; Hashirama hatte aus seinem Büro ein Gewächshaus gemacht. Selbst der Schreibtisch war noch immer Tobiramas, nachdem er damals nach gewissen Vorkommnissen Hashiramas Tisch entsorgt und rituell den Flammen von Hikakus Katon übergeben hatte. Hikaku war diskret gewesen, er hatte keine Fragen gestellt, warum Tobirama darauf bestanden hatte. Es hatte sein müssen.
Entweder hatte Hashirama hinter diesem Tisch gesessen oder er selbst. Es war ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, jetzt hier zu stehen und eine ihm nahezu fremde Person vor sich sitzen zu sehen. Tobirama war noch immer Hokage, egal ob er nun den Hut trug oder nicht; dieses Amt legte man nicht mit dem Tod ab. Entsprechend beschloss er, Minato einfach auf Augenhöhe zu begegnen und nur eine leichte Verbeugung anzudeuten.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Nidaime-sama«, begrüßte Minato ihn. »Ich hoffe, dass ich Sie nicht allzu sehr damit behellige, aber es gibt einiges, das geklärt werden muss. Sie wissen mindestens so gut wie ich, dass dieser … Vorfall, wenn man es denn so nennen will, für einigen Wirbel sorgt. Es fängt schon allein damit an, dass wir jetzt plötzlich drei Hokage im Dorf haben, Sie und den Professor und mich. Das ist ein bisschen verwirrend.«
Er lachte auf. Tobirama hob eine Braue. Minato räusperte sich und wurde wieder ernst. Er stand auf und ging zum Aktenschrank, um dort nach etwas zu suchen. Tobirama stellte mit einiger Zufriedenheit fest, dass er noch immer das System benutzte, das Tobirama sich damals ersonnen hatte (und das trotzdem nicht dazu beigetragen hatte, dass Hashirama auch nur ansatzweise geordnet arbeitete). Er ahnte daher bereits, um was es sich handelte, was Minato ihm reichte.
»Ich habe Ihnen ein paar Informationen zu Ihrem Clan zusammengetragen, was in der Zwischenzeit geschehen ist«, sagte Minato und überreichte ihm einen Stapel Papiere. »Das wird Sie mit Sicherheit interessieren. Dieser Tage haben die Senju keine wirkliche Clanstruktur mehr, es handelt sich nur noch um einige wenige Familien. Wie Sie das handhaben und ob Sie eventuell sogar Clanführer werden wollen, bleibt Ihnen überlassen. Auch dieser Tage mischt sich Konoha nicht in claninterne Angelegenheiten ein.«
»Gut zu hören«, sagte Tobirama knapp, während er durch die Dokumente blätterte. Viele waren gestorben oder hatten aus dem Clan heraus geheiratet und immer weniger hatten den Namen Senju getragen. So auch Sakumo, wie er feststellte. Hatake also. Kakashi tauchte dementsprechend hier auch nicht mehr auf. Tsunades Eintrag wies einen Vermerk auf, dass sie die Position als Clanführerin abgelehnt hatte, die Senju waren also derzeit führerlos. Noch ein weiterer Punkt auf seiner immer weiter wachsenden Liste der Dinge, die dringend erledigt werden mussten.
»Des Weiteren wollte ich mit Ihnen über Ihren Status als Shinobi des Dorfes sprechen«, fuhr Minato fort.
Tobirama sah von den Dokumenten auf. Er würde sie sich zu Hause in Ruhe ansehen. »Sie könnten es mir auch einfach befehlen.«
Nicht dass Hashirama ihm jemals etwas befohlen hatte, nicht vor der Dorfgründung und auch nicht danach. Nun, bis auf dieses eine Mal, aber da war er wirklich zu weit gegangen.
»Nun ja, Sie sind immer noch Nidaime Hokage.« Minato schien unsicher, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Er war wirklich noch sehr unerfahren, Tobirama verstand Torifus Bedenken ob Minatos Alter.
»Jedenfalls«, fuhr Minato fort, »hatte ich mit dem Gedanken gespielt, Ihnen wieder die Anbu zu überlassen und wollte Ihre Meinung dazu hören.«
Die Anbu war Tobiramas Erfindung gewesen, ein ausgesprochen nützliches Werkzeug für Missionen höchster Geheimhaltung. Tobirama hatte sie seit ihrer Gründung an befehligt, auch dann noch, als Hashirama abgedankt und ihm den Hut überlassen hatte. Gut möglich also, dass Hiruzen sie zusammen mit dem Amt des Hokage mitgeerbt hatte und so nun auch Minato.
Tobirama musterte Minato und bemerkte die Anspannung in dessen Haltung. Er versuchte, sich selbst möglichst entspannt zu geben, auch wenn er dazu laut einiger spitzer Bemerkungen gewisser anderer Leute nicht in der Lage war.
»Betrachtet man die reinen Fakten, dann bin ich für Sie quasi ein Fremder, der plötzlich im Dorf auftauchte«, sagte Tobirama. »Sie als Hokage wollen wirklich einem Fremden die Anbu überlassen, eines ihrer wichtigsten Werkzeuge? Hinzu käme, dass mich das in eine enorm einflussreiche Position bringen würde. Ich kenne das politische Klima dieses Konoha nicht, daher kann ich nicht einschätzen, wie die Clans auf solch einen Schachzug reagieren würden.«
Er war nicht in der Position, Minato zu sagen, wie er sein Amt auszuführen hatte, mahnte er sich. Minato war nicht Hashirama, ihm konnte er nicht einfach so den Mund verbieten.
»Ich würde Sie nicht als Fremden bezeichnen«, sagte Minato. »Immerhin sind Sie einer der Gründer dieses Dorfes, die Konohagakure überhaupt erst möglich machten und eine Ära des fortwährenden Krieges beendeten. Wenn ich ehrlich sein soll, dann kann ich mir kaum jemand geeigneteres vorstellen, als eine der Personen, die Konoha erbaut hatten. Ich kann allein mein bestes geben, aber da kann ich nicht mithalten, das ist mir bewusst.«
Deutete er etwa an, dass …? »Nein. Definitiv nicht. Über die Anbu lasse ich mit mir reden, aber mehr auch nicht. Ich habe mit diesem verdammten Hut abgeschlossen, als ich Saru und die anderen fortschickte und ich habe seitdem meine Meinung nicht geändert.«
Eigentlich war er sogar ganz froh, dass er das los und sogar noch am Leben war. Er hatte in jenem Moment nicht nur mit seinem Amt, sondern auch seinem Leben abgeschlossen.
»Oh. Wenn das so ist.« Minato blinzelte und sah ihn groß an. »Nun, jedenfalls, würden Sie Ihre Anbu wieder übernehmen wollen?«
Seine Anbu? »Ich denke darüber nach.«
Minato atmete tief ein. »Das Angebot steht. Ich würde es begrüßen, wenn Sie es annehmen würden und mir dann vielleicht auch ab und zu beratend zur Seite stehen würden.«
Tobirama hob fragend eine Augenbraue. »Wie ich das hörte, ist dies mittlerweile Aufgabe meiner einstigen Schüler.«
»Mehr Meinungen einzuholen, kann nie schaden. Außerdem, wie ich bereits sagte, denke ich, dass Sie ohnehin am besten über die Angelegenheiten Konohas Bescheid wissen.«
Etwas daran ließ Tobirama stutzig werden. Da war etwas, gerade außerhalb seines Sichtfeldes, aber er spürte es, ohne dieses Gefühl wirklich festmachen zu können. Torifus Warnung kam ihm in den Sinn. Vielleicht sollte er schon allein deswegen zustimmen, die Anbu wieder zu übernehmen. Doch noch nicht, er musste darüber noch etwas nachdenken, vielleicht auch noch mehr Informationen einholen.
»Nidaime-sama, eine Sache habe ich noch, wenn auch privater Natur. Kakashi hat morgen Geburtstag und ich als sein einstiger sensei habe ihn zum Essen bei mir daheim eingeladen. Vielleicht hätten Sie Lust, ebenfalls vorbei zu kommen? Ich würde mich liebend gern mit Ihnen über Ihre Siegel unterhalten, ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit.«
Tobirama musste ein amüsiertes Schnauben zurückhalten. Ganz nüchtern betrachtet, war es für Minato vielleicht nicht allzu klug, so offensichtlich eine Seite zu wählen. Andererseits … »Torifu hatte bereits angedroht, mich zu verköstigen. Wenn das so weiter geht, brauche ich mich bald nicht mehr selbst um Essen zu sorgen. Sehr gerne nehme ich die Einladung an.«
Minato lächelte breit. »Oh, wunderbar. Sie werden Kushinas Kochkünste lieben! Ach ja, Ōkami-san ist selbstredend ebenfalls eingeladen. Auch wenn ich ganz ehrlich nicht weiß, wie ich sie bewirten soll.«
»Fleisch, roh, blutig und möglichst frisch. Wenn sie die Wahl hat, dann präferiert sie Hirsch. Schlussendlich ist sie immer noch ein Wolf.«
»Natürlich …« Minato machte den Eindruck, als hätte er alles mögliche nur nicht das naheliegendste erwartet.
Tobirama hatte das Gefühl, dass Minato jemand war, den Ōkami zum Fressen gern haben würde. Er hatte nicht vor, sie aufzuhalten.
Huch, ist da jemand etwa ein kleiner Fanboy?
Nächstes Kapitel: Geburtstagsparty!
Zeit
Mit dem in ein furoshiki eingeschlagenen Bündel in der Hand stand Tobirama vor der Tür zu der Wohnung. Eines dieser neumodischen Gebäude, die Tobirama schon zu seiner Zeit furchtbar hässlich gefunden hatte und die seitdem nur hässlicher geworden waren. Nichts ging über die Optik von Holz und geschmackvoll bemaltem fusuma oder schlichtem shōji.
Biwako war so freundlich gewesen, ihm den Weg zu Kakashis Wohnung zu weisen. Jetzt stand er hier, die Hand leicht erhoben, und zögerte doch anzuklopfen. Er wusste, das Kakashi da war, das hatte er selbstredend vorher geprüft.
»Na los.« Ōkami stieß ihm ihre Nase in die Seite.
Er klopfte an. Es dauerte einen Moment, aber dann hörte er von der anderen Seite der Tür Schritte, das Schloss wurde aufgeschlossen und Kakashi öffnete die Tür. Erst nur einen Spaltbreit, doch als er Tobirama und Ōkami erkannte, öffnete er sie doch ganz.
Bevor irgendwer von ihnen etwas sagen konnte, drängte sich Ōkami an Tobirama vorbei, streckte ihre Schnauze in Kakashis Gesicht und schleckte ihn ab. Kakashi gab einen überraschten Laut von sich und versuchte sich dagegen zu wehren, indem er sie von sich schob. Natürlich vergebens. Er würde schon noch früh genug lernen, dass er gegen Ōkami nicht ankam, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
»Was soll das?«, schimpfte Kakashi, als Ōkami wieder von ihm abließ.
»Du riechst nach Hund, das ist inakzeptabel«, stellte sie fest und begann, an seinen Haaren zu knabbern. Kakashi gab einfach auf.
Tobirama überreichte ihm das kleine Päckchen. »Wie besprochen.«
Etwas verdutzt nahm Kakashi es entgehen. »Äh, danke. Aber das war doch nicht nötig gewesen, Nidai… äh, Tobirama-sama.«
»Red mich nicht so förmlich an«, wies Tobirama ihn zurecht. »Und natürlich war das nötig gewesen. Es ist dein Geburtstag und ich habe es dir versprochen.«
Kakashi sah von dem Päckchen in seinen Händen wieder zu Tobirama auf. »Wollen Sie reinkommen?«
Na, das war doch schon einmal ein Anfang. Er nahm die Einladung an. Ōkami versuchte, ihm zu folgen, ihre Schultern passten jedoch nicht durch den Türrahmen, jedenfalls nicht, ohne größeren Schaden anzurichten. Die Wohnung machte ohnehin nicht den Eindruck, als würde sie sich hier hindurch bewegen können, ohne irgendetwas zu demolieren.
»Ich warte hier draußen«, sagte sie, dann legte sie sich der Länge nach vor die Tür, um mal wieder zu dösen.
Die Wohnung war klein und spärlich eingerichtet. Es gab kaum persönliche Gegenstände und die ganze Einrichtung war auf Praktikabilität ausgerichtet. Eines jedoch erregte Tobiramas Aufmerksamkeit, als er sich umsah. Es war ein altbekanntes tantō, von dem Tobirama wusste, dass es, abgestimmt auf die Blitznatur seines Besitzers, einen weißen Chakrablitz erzeugte. Allerdings war die Klinge zerbrochen.
Er deutete darauf. »Das habe ich Sakumo zu seiner Einschulung geschenkt. Was ist damit geschehen?«
»Das? Oh. Vater hatte es mir gegeben, als ich eingeschult wurde, und dann ist es mir auf einer Mission zerbrochen. Ich kam noch nicht wieder dazu, es zu reparieren.« Kakashi trug eine ausdruckslose Mine, als er das sagte.
Tobirama war freilich nicht entgangen, dass der Junge selbst in seiner eigenen Wohnung sein links Auge bedeckt hielt und eine Maske trug. Das Sharingan musste jemand ihm gegeben haben, und wie es mit solch einem gegebenen Sharingan so üblich war, würde er es nicht deaktivieren können. Wahrscheinlich hielt er es deswegen bedeckt. Bei der Maske vermutete Tobirama persönlichere Gründe.
»Ich hab nicht mit Besuch gerechnet«, sagte Kakashi. »Aber ich hab noch was von dem Kuchen übrig, den Pakkun mir aufgeschwatzt hatte.«
»Pakkun?«
»Mein Vertrauter Geist, ein ninken.«
Ah, daher rührte also Ōkamis Unmut, Kakashi würde nach Hund riechen.
Kakashi führte ihn in die Küche, wo sie sich an einen kleinen runden Tisch setzten. Kakashi gab ihm einen Teller mit Kuchen. Viel war in der Tat nicht übrig, wahrscheinlich war es eh nur für eine Portion gedacht. In der Spüle stand noch eine Schüssel, die darauf wartete, abgewaschen zu werden. Selbst gebacken also. Tobirama bedankte sich und aß den Kuchen, auch wenn so trockenes Gebäck eigentlich nicht nach seinem Geschmack war. Er wollte nicht unhöflich erscheinen.
Im Fensterbrett entdeckte er ein Foto, augenscheinlich das von Kakashis Team. Darauf waren nebst Kakashi und Minato noch ein Junge, bei dem Tobirama darauf wetten konnte, dass er ein Uchiha war, und ein Mädchen mit einem fröhlichen Lächeln, deren Clanzugehörigkeit er jedoch nicht erkennen konnte.
Tobirama bemerkte, dass Kakashi ihn beobachtete. Seine Haltung war angespannt.
»Möchtest du es nicht aufmachen?«, fragte er daher, um die Stimmung etwas zu lockern, und deutete auf das Päckchen, das vor Kakashi auf dem Tisch lag.
»Oh. Natürlich.« Kakashi löste den Knoten aus dem Stoff und faltete ihn auseinander. Zum Vorschein kam, wie er wahrscheinlich schon geahnt hatte, ein sarashi, ein langes Tuch aus weißer Baumwolle. Kakashi hob es hoch und befühlte den Stoff. Unter seiner Maske war es schwer zu erkennen, aber Tobirama glaubte, dass Kakashi lächelte.
»Wenn es für dich in Ordnung ist, kann ich dir an mir zeigen, wie man das benutzt«, bot Tobirama an.
Kakashi richtete seinen Blick wieder auf Tobirama. »Woher wissen Sie so etwas eigentlich, Tobirama-san?«
Zwar immer noch ziemlich distanziert aber schon besser.
»Ich durfte mehr als nur einmal Tōkas Monologen zu dem Thema beiwohnen, während sie die jungen kunoichi des Clans ausbildete«, sagte Tobirama. »Sie war da sehr bestimmt, und das zu Recht. Sie würde dir mit Sicherheit auch sagen, dass du es nicht zu lange tragen sollst und auch nicht über Nacht. Und ich sage dir, dass du demnächst einen Arzt aufsuchen solltest, der prüft, ob du dir nicht doch die Rippen angebrochen hast.«
Kakashi gab einen überraschten Laut von sich. »Das kann passieren?«
Tobirama nickte. »Nur wenn du‘s nicht richtig machst.«
Dem Jungen hatte das anscheinend niemand gesagt und auch sonst nichts zu dem Thema beigebracht. Als sein sensei wäre es eigentlich Minatos Pflicht gewesen, diese Aufgabe zu übernehmen, zumal er sich Kakashis Lage anscheinend bewusst war, als er Hiruzen korrigiert hatte. Neu konnte das Thema auf keinen Fall sein, schon zu Tobiramas Zeiten hatte es Menschen gegeben, denen man bei der Geburt das falsche Geschlecht zugewiesen hatte.
Er spürte milde Verärgerung in sich aufkommen, verschob dies aber auf später.
»Und wie mach ich‘s richtig?«, fragte Kakashi.
»Schau her.«
Tobirama zog sich den Pullover über den Kopf und griff dann nach dem sarashi. Bevor er hierher gekommen war, hatte er noch einen Doppelgänger losgeschickt, ihm ein paar neue Kleider zu kaufen. Im besten Falle er heute Abend schon eine angemessenere Garderobe.
Er band sich das breite Baumwolltuch um den Oberkörper und erklärte dabei Kakashi, worauf er zu achten hatte. Kakashi lauschte aufmerksam.
»Und das trägt man unter einem kimono?«, fragte Kakashi, während er sich das Ergebnis besah.
»Mitunter«, sagte Tobirama. »Es kommt auf den kimono und den Anlass an und freilich trägt man einen yukata anders als einen kimono. So gibt es zum Beispiel rokushaku fundoshi, ecchu fundoshi oder mokko fundoshi, wobei letzteres von onnagata getragen wird. Ein kimono wird niemals direkt auf der Haut getragen, dafür sind sie viel zu kostbar. Also trägt man darunter einen hanjuban aus Baumwolle oder Seide. Eine Variante ist der nagajuban, ursprünglich vor allem von Frauen getragen, aber das löste sich mit der Zeit auf. Mitunter kann darüber noch eine formgebende Polsterung getragen werden und darüber vor allem während kalter Jahreszeiten ein dogi. Zum Schluss kann darüber noch ein shitagi getragen werden, bevor der eigentliche kimono getragen wird.«
Er konnte die sprichwörtlichen Fragezeichen in Kakashis Auge sehen und unterbrach sich daher, bevor er überhaupt dazu kommen konnte, wann welche Art von kimono getragen wurde. Dabei war das nun wirklich nur eine sehr grobe Zusammenfassung des Themas gewesen.
»Ich verstehe, warum heutzutage kaum noch wer kimono trägt«, sagte Kakashi trocken.
Es hatte ihm also auch niemand beigebracht, sich angemessen zu kleiden. Noch ein weiterer Punkt auf Tobiramas Liste.
Tobirama löste das sarashi wieder und reichte es Kakashi, bevor er sich wieder sein Oberteil anzog. »Probier es selbst.«
Kakashi ging in eines der angrenzenden Zimmer, um sich umzuziehen. Tobirama wartete geduldig, bis er fertig war. Als er wieder hervortrat, zupfte er sich gerade noch sein Oberteil zurecht, sah dann an sich herab und tastete seinen Oberkörper ab.
»Trägt sich auf jeden Fall viel angenehmer«, stellte er fest. »Aber …«
»Aber?«, hakte Tobirama nach.
»Nun ja …« Im Flur hing ein Spiegel, in dem Kakashi sein Seitenprofil betrachten konnte.
Ah. »Der Oberkörper von Männern ist nicht gänzlich flach, vor allem dann nicht, wenn sie, wie in unserem Fall, sehr muskulär sind. Sieh mich an.«
Kakashi sah zu ihm und betrachtete dann wieder sein Profil. Der kritische Zug verschwand von seinem Gesicht. »Wirklich viel besser. Allerdings, äh … Gibt es eine Möglichkeit, die Dinger gänzlich loszuwerden?«
Darüber sann Tobirama einen Moment lang nach. »Nicht zu meiner Zeit. Jedenfalls keine Methode, die ich sicher empfehlen könnte. Aber seitdem ist viel Zeit vergangen, denkbar, dass sich das mittlerweile geändert hat.«
Kakashi hatte sich mittlerweile wieder zu ihm gesetzt. »Wirklich vielen Dank dafür. Aber darf ich Sie noch etwas anderes fragen?«
»Du darfst mich alles fragen, was du willst.«
»Also wenn das so ist … Wieso ist es für Ōkami-san etwas schlechtes, wenn ich nach Hund rieche?«
»Hunde sind Hunde und Wölfe sind Wölfe und nicht immer können sie einander leiden. Ōkami mag zahm erscheinen, aber sie ist nicht minder wild als jeder andere Wolf in freier Natur und stolz darauf. Hunde hingegen wollen uns Menschen gefallen. Einen zahmen Hund ohne Biss würde sie sie nie im Rudel akzeptieren.«
»Also ist das mit dem Weißen Wolf wörtlich gemeint? Ich dachte immer, das wäre ein Beiname. Die Leute im Dorf nannten Vater ja auch Weißer Reißzahn.«
Tobirama musste schmunzeln. »Den Namen hat er sich schon zu Akademiezeiten unter seinen Klassenkameraden verdient. Ōkami hat ihn immer dazu angestiftet, sich mit den anderen Kindern zu raufen, wenn sie ihn ärgern wollten. Aber ja, es ist sowohl ein Beiname als auch wörtlich gemeint.«
Etwas veränderte sich in Kakashis Gesicht bei der Erwähnung Sakumos, auch wenn Tobirama nicht genau sagen konnte, was es war.
»Vater hat nie viel von früher erzählt«, sagte Kakashi leise. »Aber ich war ja auch erst fünf.«
Die Stimmung kippte. Es brannte Tobirama auf der Seele zu erfahren, welch Tragödie geschehen sein musste, dass sich sein Sohn das Leben genommen hatte. Aber er hielt die Frage zurück. Es schien für Kakashi kein minder wunder Punkt zu sein.
»Wenn du willst, kannst du mich besuchen kommen und ich erzähle dir ein paar Geschichten«, bot Tobirama an.
Als Antwort nickte Kakashi nur stumm.
»Möchtest du mir von dir erzählen?«, fragte Tobirama. »Von deinen Teamkameraden vielleicht? Wer sind sie?«
Kakashis Blick huschte zu dem Bild auf der Fensterbank, dann sah er rasch wieder weg. »Nohara Rin und Uchiha Obito«, sagte er knapp. »Ich hab die Akademie mit fünf abgeschlossen, Chūnin mit sechs, Jōnin mit zwölf. Als Minato-sensei Hokage wurde, hat er mich in die Anbu berufen, und seit kurzem habe ich mein eigenes Team.«
Tobiramas Ärger wuchs, aber er bemühte sich, nichts davon zu zeigen. Noch nicht. »Du bist zu jung.«
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Es war Krieg, die Verluste waren hoch und das Dorf brauchte Shinobi. So war das eben.«
»Das hat noch Saru veranlasst, nicht wahr?«
Anscheinend gelang es ihm doch nicht wirklich, seinen Zorn zu verbergen, denn Kakashi sah ihn ein wenig besorgt an. Zögerlich nickte er. »Aber das alte Gesetz wurde wieder eingeführt, der Notstand aufgehoben.«
»Saru hätte von Anfang diese Maßnahme nicht ergreifen dürfen«, knurrte Tobirama. »Gerade er hätte es besser wissen müssen. Es gibt dieses Gesetz nicht ohne Grund und es ist eisern und darf niemals gebeugt werden.«
»Es gibt so viele Gesetzte. Was ist an dem Abschlussalter für die Akademie so besonders?«, wunderte sich Kakashi.
»Kennst du die Geschichte des Dorfes von seiner Gründung an und von der Zeit, die dem vorausgegangen war?«, wollte Tobirama wissen.
»Nichts genaues«, gestand Kakashi.
Grundgütiger.
»Wir, meine Brüder und ich, wurden in eine Zeit des immerwährenden Krieges geboren«, begann Tobirama. »Butsuma, der, der unser Vater sein sollte, begann uns an der Waffe auszubilden, als wir vier gewesen waren. Kindern dieser Zeit wurde ihre Kindheit verwehrt, denn sobald sie in der Lage waren, eine Waffe zu halten, konnten sie eine Bedrohung für den Feind darstellen, und der Feind konnte jeder sein. Clan gegen Clan, ganz gleich welcher. Allianzen waren flüchtig und konnten genauso schnell zerbrechen, wie sie geschlossen wurden. Gnade gab es keine, ganz besonders nicht gegen schwächere Gegner. Du kannst dir nicht ausmalen, wie grausam es ist, kleine Kinder auf Schlachtfeldern sterben zu sehen. Sie selbst töten zu müssen. Es hieß töten oder getötet werden, denn eine Klinge in die Niere ist in jedem Fall tödlich, ganz gleich, wie klein die Hand ist, die das Messer führt.
Hashirama, Madara und ich taten, was wir taten, um dieses sich ewig drehende Rad aus Gewalt zu durchbrechen. Konoha mochte vielleicht auf Blut begründet sein, und es war gewiss nicht einmal zu meiner Zeit als Hokage das Utopia, von dem Hashirama und Madara geträumt hatten, aber es war zumindest besser.
Itama, der jüngste von uns vier, starb mit neun Jahren. Kawarama, mein Zwillingsbruder, starb, als wir elf Jahre alt gewesen waren. Sie beide wurden von Uchiha ermordet, wie so viele aus unserem Clan. Und gleichzeitig töteten wir Senju jeden Uchiha, wen wir aufspüren konnten, weil es eben das war, was das Überleben unseres Clans sicherte. Man nannte mich den Blutroten Geist der Senju und den Fluch der Uchiha, denn ich war gut in dem, was ich tat, sehr sogar. Und dennoch schlossen wir Frieden miteinander, denn so konnte es nicht weitergehen.
Deswegen, Kakashi, bist du zu jung. Deswegen hätte Saru es niemals erlauben dürfen, dass irgendwer jünger als zwölf von der Akademie abgeht. Nie wieder dürfen Kinder auf einem Schlachtfeld sterben. Du bist in einem Alter, in dem ich dich höchstens als Chūnin akzeptieren würde, ganz gleich, wie außergewöhnlich deine Fähigkeiten sind.«
Stille senkte sich über sie. Irgendwo in der Wohnung flog eine Fliege wiederholt gegen ein Fenster. Eine Uhr tickte.
»Also wollen Sie, dass ich von meinem Posten zurücktrete?«, fragte Kakashi in die Stille hinein.
Tobirama schüttelte den Kopf. »Nein. Da ich nur noch dem Namen nach Hokage bin, hätte ich auch gar nicht die Autorität dazu, es dir zu befehlen.«
Es war jedoch sicherzustellen, dass so etwas nie wieder vorkommen würde. Gerade Hiruzen hätte es besser wissen müssen.
»Was werden Sie jetzt eigentlich tun?«, wollte Kakashi wissen.
Tobirama traf eine Entscheidung. Er konnte förmlich riechen, dass etwas in diesem Dorf nicht so war, wie es ihm gefallen wollte. Das war noch immer sein Konoha, er fühlte sich noch immer verantwortlich für die Leute hier, ganz gleich, ob er sich nun Hokage nannte oder nicht. Am besten konnte er noch immer aus einer einflussreichen Position heraus agieren, wie praktisch, dass Minato ihm von sich aus eine solche angeboten hatte. Tobirama pfiff auf kleinliche Bedenken der Clans, die vielleicht aufkommen mochten. Das Wohl des Dorfes stand noch immer an erster Stelle.
»Behalte es vorerst für dich, aber just gestern hat mir Yondaime-sama angeboten, die Anbu wieder zu übernehmen«, eröffnete Tobirama. »Damals, einige Jahre nach der Dorfgründung, als mein Bruder noch Hokage gewesen war, hatte ich die Idee einer Sondereinheit, die besonderer Geheimhaltung unterlag. Sie unterstand meinem direkten Befehl und das blieb auch so, als ich Hokage wurde. Ich werde Minatos Angebot annehmen und die Anbu wieder befehligen.«
»Dann wären Sie ja mein Boss.« Kakashi lachte auf. »Tobirama-san, Sie haben offensichtlich einen Fan.«
Tobirama hob lediglich eine Braue.
»Minato-sensei hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, wie sehr er Ihre Arbeit bewundert. Immerhin ist er, soweit ich weiß, der einzige, der Ihr Hiraishin gelernt hat; er hat sich aber immer geweigert, es uns auch beizubringen.« Kakashi klang amüsiert. »Außerdem beherrscht doch heutzutage jeder Shinobi, der auch nur ansatzweise etwas auf sich hält, Ihr Kage Bunshin no Jutsu.«
»Und wahrscheinlich wissen die meisten nicht einmal, dass es meine Erfindung war«, grummelte Tobirama. Plagiate waren ein lästiges Problem.
»Ach du meine Güte, schon so spät!«, rief Kakashi plötzlich aus. »Ich bin doch zum Essen eingeladen!«
»Na so ein Zufall, ich auch«, sagte Tobirama trocken.
Sogar trotz der Maske war Kakashi seine Erheiterung deutlich anzusehen. »Definitiv ein Fan.«
»Dann lass uns zusammen gehen«, schlug Tobirama vor. »Gib mir nur einen Moment, mich angemessen zu kleiden.«
Mittlerweile hatte sein Doppelgänger den Einkauf beendet und dann das Jutsu aufgelöst, nachdem er die Sachen daheim abgelegt hatte. Tobirama wusste daher, dass er jetzt endlich wieder ein paar ordentliche Kleider hatte.
Tobirama trat vor die Tür, machte dabei einen großen Schritt über Ōkami hinweg und platzierte einen Siegel an der Außenseite der Tür. Er hieß Ōkami, hier auf ihn zu warten, dann teleportierte er sich nach Hause.
Die Sachen waren noch eingepackt. Er legte das Papier zur Seite und verschob es auf später, es zu entsorgen. Die Zeit war in der Tat etwas knapp, weshalb er nun in Eile war. Er entschied sich klassisch für den indigoblauen hakama, schwarzen kimono und ebenso schwarzen haori. Noch fehlte das Clanwappen, aber das würde er später anbringen lassen. Als er fertig war, teleportierte er sich wieder zu Kakashis Wohnung.
Kakashi schien nicht überrascht, als er wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte. Der Junge hatte mit Ōkami vor der Tür auf ihn gewartet und es anscheinend nicht für nötig empfunden, etwas anderes als seine Alltagskleidung zu tragen. Tobirama warf ihm einen strengen Blick zu.
»Sie haben nicht wirklich ein Hiraishin-Siegel an meiner Wohnung angebracht, oder?«, sagte Kakashi. Es war keine Frage.
»Natürlich habe ich das«, erwiderte Tobirama dennoch.
Kakashi seufzte. »Sie sind ja genauso furchtbar wie mein sensei. Der läuft auch nur, wenn es unbedingt sein muss.«
»Werd nicht frech, Junge«, grummelte Tobirama. »Was soll das überhaupt sein? Willst du dich wirklich so präsentieren?«
Kakashi schien so langsam aus seiner Haut zu kommen. »Sensei hat mich zum alljährlichen Geburtstagsessen eingeladen, mehr nicht. Wir gehen nicht auf eine Galaveranstaltung oder so. So etwas wie Sie trägt doch heutzutage keiner mehr, der nicht total angestaubt wirken will.«
Tobirama schnaubte. »Dir hat offensichtlich niemand guten Geschmack beigebracht. Komm jetzt.«
Ōkami erhob sich und rieb ihren Kopf an Kakashi. »Ignoriere einfach sein Gegrummel. Die meiste Zeit meint mein Welpe es nicht so.«
Tobirama tat so, als habe er sie überhört, und wandte sich ab.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Minatos und Kushinas Heim. Währenddessen ließ sich Tobirama das Gespräch mit Kakashi durch den Kopf gehen. Ihm war keineswegs entgangen, wie Kakashi der Frage nach seinen Teamkameraden aus dem Weg gegangen war. Noch ein schwieriges Thema also? Es drängte sich Tobirama die Vermutung auf, dass Kakashi sehr viel hatte durchleiden müssen, auch nach dem Tod seines Vaters.
Nohara … Tobirama war kein Clan dieses Namens bekannt. Ziviler Hintergrund also? Während er darüber nachsann, fiel ihm auf, dass er auch keinen Namikaze-Clan kannte. Diese Einladung wäre eine gute Gelegenheit, mehr über den jungen Hokage herauszufinden, und vor allem Mitos Nachfolgerin als jinchūriki kennenzulernen. Daran war Tobirama besonders interessiert.
Kushina und Minato wohnten recht zentral im Dorf in einem Haus von moderner Bauweise. Tobirama konnte dieser Betonoptik wirklich nichts abgewinnen. Während Tobirama noch mit der Betrachtung beschäftigt war, betätigte Kakashi bereits die Türklingel. Es dauerte auch nicht lang, und man öffnete ihnen.
Sie wurden von einer jungen rothaarigen Frau begrüßt, und Tobirama konnte seinen Pelz darauf verwetten, dass es sich bei ihr um Uzumaki Kushina handelte. Sie trug ein Hütchen aus Papier auf dem Kopf und empfing sie mit einer Tröte. Tobirama musste an sich halten, nichts unüberlegtes zu tun; es war nie eine gute Idee, ihn mit irgendetwas Lautem mitten in sein Gesicht zu überraschen.
Er bemerkte sehr wohl, dass sie schwanger war, es war ja auch kaum zu übersehen. Die Geburt musste bald bevorstehen. Das verkomplizierte alles.
»Alles Gute zum Geburtstag, Kakashi!«, rief Kushina fröhlich.
Kakashi machte einen leidenden Eindruck. »Muss das sein?«
»Wie jedes Jahr!«, drohte Kushina, und schon hatte Kakashi auch ein solches Hütchen auf.
Erst da schien Kushina Kakashis Begleitern gewahr zu werden. Ōkami wedelte mit dem Schwanz und fixierte das Hütchen auf Kushinas Kopf.
»Nein«, stellte Tobirama klar. Er würde garantiert nicht so etwas albernes tragen.
»Nidaime-sama! Es ist mir eine Ehre, Sie persönlich kennenzulernen. Mito-hime hat mir so viel von Ihnen erzählt. Und Sie müssen Ōkami-san sein. Deswegen wollte Minato also noch in letzter Minute eine Hirschkeule auftreiben. Der Mann macht mich fertig.«
Ōkami wedelte stärker mit dem Schwanz und leckte sich das Maul.
»Ich bin Kushina. Kommen Sie doch herein.«
»Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen«, erwiderte Tobirama.
Sie folgten ihr in das Haus. Ōkami passte wieder einmal nicht durch die Tür und wählte daher den Hintereingang, indem sie kurzerhand über den Gartenzaun sprang. Kushina führte sie durch das Erdgeschoss und zur Terrasse. Auf dem Weg entdeckte Tobirama allerhand Kleinkram, der wie Andenken wirkte, wie er sie früher manchmal Tsunade von seinen Reisen mitgebracht hatte, aber neben etlichen Pärchenfotos auch einige ansprechende Kalligrafien an den Wänden. Eine erregte seine besondere Aufmerksamkeit.
»Papier ist leblos ohne Worte«, stand dort in kunstvollen Pinselstrichen.
Minato war bereits Ōkami zum Opfer gefallen; die Hirschkeule war wahrscheinlich das Stichwort gewesen. Er hatte gerade einen Tisch draußen auf der Terrasse decken wollen, wurde nun aber von Ōkami belagert, welche ihn mit ihrem Blick fixiert hatte. Sie hielt den Kopf gesenkt und witterte definitiv ihre Beute.
Als sie nach draußen traten, gab Minato sich nicht einmal Mühe, seine Erleichterung zu verbergen. Er wandte sich Kakashi mit einem strahlenden Lächeln zu und gratulierte ihm ebenfalls zum Geburtstag.
Sowohl Kushina als auch Minato trugen Alltagskleidung, Minato hatte sogar noch nicht einmal die Küchenschürze abgelegt. Tobirama drängte sich der Verdacht auf, dass Kakashi in Bezug auf seine Kleidungswahl vielleicht Recht gehabt haben könnte, und er etwas zu dick aufgetragen hatte. Nicht dass er es jemals zugeben würde.
Sie setzten sich und es entstand alsbald eine entspannte Atmosphäre, in der sie über Belanglosigkeiten plauderten und schon wieder Kuchen aßen. Ōkami bekam das ihr versprochene Fleisch und zog sich mit der Keule im Maul in eine Ecke des Gartens zurück, wo sie sich hinlegte, an ihrer Beute nagte und leckte und die Menschen ansonsten ignorierte.
Minato bot Tobirama Bier an, doch das lehnte er dieses Mal ab. Er bevorzugte Tee oder, wenn es Alkohol sein sollte, Sake. Minato brachte ihm stattdessen das. Tobirama nippte an der Schale und versuchte, einigermaßen interessiert an dem Gespräch zu wirken; er hasste es, über Belanglosigkeiten zu reden. Man vermied hier ganz offensichtlich einige Themen. Über Kakashis Aufgaben und Missionen bei der Anbu konnten sie hier freilich nicht reden und über seine Teamkameraden wurde ebensowenig gesprochen.
Als sich das Gespräch Kushinas Schwangerschaft zuwandte, sah Tobirama endlich seine Gelegenheit gekommen, ein paar Informationen einzuholen.
»Wann ist denn der Geburtstermin?«, wollte er daher wissen.
Kushina strich sich lächelnd über den Bauch. »Am 10. Oktober, sagt die Ärztin, also in nicht einmal einem Monat.«
»Sie wissen um die Risiken?«
Natürlich hatte Tobirama damit die Stimmung ruiniert, aber er musste es einfach wissen. Das konnte zu leicht in einer Katastrophe enden.
Kushina nickte ernst. »Ja, natürlich. Mito-hime hatte Sorge getragen, dass ich das nicht auf die leichte Schulter nehme. Ich weiß, dass ihr Siegel während ihrer zweiten Schwangerschaft gefährlich geschwächt wurde und sie sogar ihr Kind verlor. Aber es ist ja kein Ding der Unmöglichkeit, nur eben … keine normale Schwangerschaft. Deswegen haben wir uns trotzdem für ein Kind entschieden.«
Aus der Erfahrung heraus, dass Mito beinahe gestorben wäre, hätte Tobirama dringend davon abgeraten, als jinchūriki eine Schwangerschaft zu riskieren. Das Schicksal von jinchūriki mit Kinderwunsch war in der Tat kein leichtes, und er fühlte Bedauern, dass Kushina dennoch diese Bürde auferlegt worden war.
»Mito-hime lehrte nicht nur Kushina die acht Trigramme, sondern auch mich«, fügte Minato an. »Wir haben zwar niemanden mehr im Dorf, der das Chakra des Kyubi so kontrollieren kann wie Shodai Hokage, aber wir haben dennoch alle nur erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, sodass wir ausreichend vorbereitet sind.«
Tobirama hob fragend eine Augenbraue. »Mito hat Ihnen, der weder Senju noch Uzumaki ist, die Acht Trigramme gelehrt? Sonst halten die Uzumaki ihre Siegel doch strickt unter Verschluss, und selbst uns Senju haben sie selten eingeweiht. Aber nun gut, ich respektiere ihre Entscheidung. Sollte es nötig werden, kann ich ebenfalls meine Erfahrung anbieten. Mito und ich haben viele Jahre lang zusammen geforscht, ich weiß das eine oder andere über ihre Siegel.«
»Ihr Wissen wäre von unschätzbarem Wert für uns!«, betonte Minato sogleich enthusiastisch. »Apropos, wenn Sie die Frage gestatten, haben Sie mittlerweile eine Theorie, weshalb Ihr neues Hiraishin-Siegel auf diese Weise fehlschlug?«
»Also lag‘s daran?«, fragte Kakashi dazwischen.
Tobirama nickte. »Weißt du, wie Hiraishin funktioniert?«
»So grob. Es ist ein Raum-Zeit-Ninjutsu.«
Wieder nickte Tobirama. Er erbat ein Blatt Papier und etwas zu schreiben, womit er Kakashi das Prinzip seines Jutsus besser erklären konnte. Minato brachte ihm beides.
»Schau her, Kakashi.« Tobirama zeichnete zwei Punkte an den oberen und unteren Rand des Blattes und beschriftete sie mit A und B. »Punkt A ist der Anwender des Jutsu. Punkt B ist sein Ziel, festgelegt durch eine Hiraishin-Markierung.« Er zeichnete eine gerade Linie zwischen den beiden Punkten ein. »Normalerweise dauert es eine gewisse Zeit, um die Distanz zwischen beiden Punkten zu überwinden, indem man sie zum Beispiel erläuft. Hiraishin macht nun folgendes.« Er faltete das Papier zusammen, sodass beide Punkte aufeinander lagen, und steckte den Stift hindurch. »Es erschafft den kürzestmöglichen Weg zwischen zwei Punkten, indem es den Raum zwischen diesen Punkten krümmt und damit die Zeit, die es braucht, um von A nach B zu kommen, auf die Bruchteile einer Sekunde reduziert.«
»Zeit ist relativ«, warf Kushina ein, als sie wohl Kakashis Verwirrung bemerkte. »Sie vergeht nicht immer gleich schnell, abhängig davon, wie schnell man sich selbst bewegt. Das nennt sich Zeitdilatation. Deswegen ist es so riskant, mit Siegeln zu arbeiten, die Zeit als eine Kernkomponente haben. Mito-hime hatte mir immer davon abgeraten, mich an so etwas zu versuchen.«
»Das war die Schwäche Ihrer ersten Versuche mit Hiraishin, nicht wahr?«, sagte Minato. »Es hatte nur den Raum als Element, nicht aber die Zeit.«
Tobirama nickte anerkennend. »Ich sehe, Sie kennen sich beide aus. Denn es stimmt. Meine ersten Versuche mit diesem Jutsu scheiterten genau daran. Ich war vierzehn und damals war Zeit noch ein weitestgehend unerforschtes Thema, weshalb es mich zwei weitere Jahre kostete, bis ich eine zufriedenstellende Version vorweisen konnte.«
»Was? Vierzehn?!«, rief Kakashi aus. »Aber ich soll zu jung sein?«
»Andere Zeiten«, erwiderte Tobirama knapp. »Was aber die ursprüngliche Frage angeht: Ich vermute, dass meine neue Variante eine ähnliche Kinderkrankheit hat wie meine ersten Versuche damals. Um das zu überprüfen, werde ich aber noch einige Zeit brauchen.«
»Und kann man das wieder rückgängig machen?«, fragte Kakashi.
»Zeitreisen wurden von den Uzumaki als theoretisch möglich, praktisch aber nicht umsetzbar eingestuft«, sagte Tobirama. »Ich habe an einem praktischen Beispiel das Gegenteil bewiesen. Dennoch sind Zeitreisen trickreich. Manche theoretisieren, dass wir nur deswegen bis jetzt nichts von Zeitreisenden gehört haben, weil die Reise immer nur in die Zukunft möglich ist, nicht aber in die Vergangenheit. Eben das, was mir passiert ist. Wären Zeitreisen in die Vergangenheit möglich, würde das das Großvaterparadoxon erzeugen sowie etliche andere Hürden, die es zu bedenken gäbe.«
»Was für ein Paradoxon?«, wunderte sich Kakashi.
»In diesem Paradoxon kannst du in die Vergangenheit reisen und deinen eigenen Großvater töten, was verhindern würde, dass du jemals geboren wurdest, was verhindern würde, dass du jemals in die Vergangenheit reist, um deinen Großvater zu töten«, erklärte Kushina. Dann sah sie zu Tobirama. »Äh …«
Er musste schmunzeln. »Ein weiteres Konzept ist die Vielwelten-Theorie.« Er griff erneut nach dem Papier und zeichnete einen Strahl auf, dessen Pfeil nach rechts zeigte. »Zeit ist gerichtet und fließt immer in dieselbe Richtung, die wir als Zukunft bezeichnen. Sagen wir, an diesem Punkt«, er zeichnete ein Kreuz auf den Zeitstrahl kurz hinter dem Pfeil, »liegt der Start der Reise in die Vergangenheit.« Er zeichnete einen nach links gerichteten Pfeil, der auf einen weiter hinten liegenden Punkt auf dem Zeitstrahl verwies, ohne jedoch die erste Linie zu berühren. »Die Vielwelten-Theorie besagt nun, dass die zeitreisende Person nicht in ihre tatsächliche Vergangenheit reist, sondern in eine Parallelwelt. Sie entfernt sich somit aus ihrem eigenen Zeitstrahl und betritt einen neuen.«
»So könnte man theoretisch unendlich viele Welten bereisen«, schloss Kakashi.
»Theoretisch«, betonte Tobirama. »Die tatsächlichen theoretischen Grundlagen dafür sind natürlich weitaus komplexer als solch eine simple Skizze. Wie gesagt, als möglich wurde nur die Reise in die Zukunft erachtet. Für den umgekehrten Fall gibt es nur theoretische Szenarien.«
»Also gibt es für Sie keinen Weg, es ungeschehen zu machen, was passiert ist?«, fragte Kakashi weiter.
Er sprach aus, was Tobirama die ganzen letzten Wochen, in denen er größtenteils untätig an das Krankenbett gefesselt gewesen war, gefürchtet hatte, aber sich geweigert hatte, näher darüber nachzudenken.
»Womöglich.« Tobirama sagte es so sachlich, wie es ihm nur möglich war. »Eventuell gibt es jedoch neue Erkenntnisse, was das Thema Zeit betrifft. Das werde ich herausfinden müssen.«
Chio war tot. Mito war tot. Sie alle waren nicht mehr, von einem Moment auf den anderen. Er weigerte sich, weiter darüber nachzudenken.
Die Stille, die seinen Worten folgte, wurde vom Geräusch eines zersplitternden Knochen durchbrochen. Ōkami hatte den Beinknochen ihrer Keule zerbissen, um an das Mark zu gelangen, ihr liebster Teil.
»Bis dahin, Welpe«, sagte sie, »kannst du auch einfach eine gute Jagdausbeute genießen.«
Wahre Worte. Tobirama schob seine Gefühle von sich. Dafür war später noch Zeit. Stattdessen griff er nach seiner Sakeschale … nur um sie beinahe fallen zu lassen. Er hatte nicht darauf geachtet und sie mit seiner verstümmelten linken Hand greifen wollen. Aufgrund der fehlenden Finger wäre ihm die Schale beinahe aus der Hand gefallen.
Er musste einen Fluch unterdrücken. Solche kleinen Missgeschicke passierten ihm andauernd, und er hasste es. Doktor Fuyuko sagte, dass er sich glücklich schätzen sollte, dass er nur zwei Finger hatte einbüßen müssen. Es hätte auch die ganze Hand sein können. Die Ärzte hatten die Knochen in seiner Hand wieder richten können, wenn auch nicht alle Schäden hatten behoben werden können. Die Finger, die ihm geblieben waren, fühlten sich steif an und mitunter schmerzten seine Sehnen.
»Haben Sie über mein Angebot von gestern nachgedacht, Nidaime-sama?«, fragte Minato.
Dankbar für den Themenwechsel, antwortete Tobirama: »Das habe ich und ich werde es dankend annehmen.«
Minato lächelte schmallippig. »Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, so lange sie währen mag.«
Hat Minato ein Teil meins Lieblingszitates bei sich daheim an der Wand? Sowas von ja! "Papier ist leblos ohne Worte" lautet im Original "Paper is dead without words" und ist eine Zeile aus Song of Myself von Nightwish.
Nächstes Kapitel: Tobirama wird wieder Chef der Anbu und triff seine einstigen Schüler.
CN Trauer, Verlust von Familienangehörigen, Erwähnung von Suizid
Nur ich
»Ich bin kein Freund großer Worte oder langer Reden, daher halte ich diese Zusammenkunft kurz. Ich übertrage das Kommando über die Anbu an Senju Tobirama. Von nun an wird Nidaime-sama euer Vorgesetzter sein«, sagte Minato und deutete auf besagten Mann an seiner Seite.
Wie angenehm es war, jemanden zu haben, der gleich zum Punkt kam und nicht erst tausend blumige Worte finden musste, wie es bei Hashirama der Fall gewesen war.
Tobirama ließ mit unbewegter Miene den Blick über die hier versammelten Anbu schweifen. Minato hatte sie alle vor demselben abgeschotteten Bau zusammengerufen, der schon zu Tobiramas Zeit das Hauptquartier der Anbu gewesen war. Er hatte es noch gut in Erinnerung, viel hatte sich nicht geändert.
Die Masken, die die Anbu trugen, verrieten keine Emotionen, und Tobirama stellte mit einiger Zufriedenheit fest, dass die meisten gut genug waren, um ihr Chakra zumindest einigermaßen zu verschleiern. Nicht gut genug für ihn zwar, aber doch ausreichend. Die meisten nahmen diese Neuigkeit mit ruhiger Gelassenheit hin. Bei einigen konnte Tobirama kurze Ausbrüche von Kuriosität ausmachen, bevor sie ihre Emotionen wieder unter Kontrolle hatten, und einige wenige schienen verwirrt ob dieser Veränderung.
»Die Anbu standen seit ihren Anfängen einige Jahre nach Gründung des Dorfes unter meinem Befehl«, sagte Tobirama. »Sie taten, was ich ihnen auftrug, und ich trug ihnen auf, was anija für nötig erachtete. Daran hatte sich auch nichts geändert, als ich Hokage wurde, und so blieb es bis zu jenem Moment, der dazu führte, dass ich heute hier stehe.«
Kakashis Chakra, durchmischt mit dem Chakra seines Sharingan, war leicht auszumachen unter all den Anbu. Er war mit einigen Abstand der jüngste hier, was Tobirama noch immer nicht behagen wollte. Aber vorerst wollte er es dabei belassen, obgleich er noch einige andere recht junge Anbu ausmachen konnte.
»Folgt seinem Befehl, als würden sie direkt von mir kommen, denn nicht anders wird es sein«, fügte Minato an. »Es kommen härtere Tage. Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont. Das wäre dann alles.«
»Jawohl!«
Etliche Anbu verschwanden mit einem Shunshin, der Rest zerstreute sich auf normalem Wege. Minato wandte sich an Tobirama.
»Ich habe veranlasst, dass man Ihnen neue Ausrüstung zu Ihnen nach Hause bringt, nachdem ich hörte, dass Ihre alte Rüstung irreparablen Schaden genommen hat. Sie werden feststellen, dass die moderne Anbu-Ausrüstung mit das beste ist, das man derzeit besitzen kann, und wahrscheinlich auch besser ist als eine solch, ahem, bitte verzeihen Sie mir meine Wortwahl, antiquierte Metallrüstung.«
Tobirama hatte das Gefühl, dass er pikiert sein müsste ob der Andeutung, seine bisherige Ausrüstung sei nicht genügend, musste aber dennoch schmunzeln. »Ich danke Ihnen für diese Umsicht, Yondaime-sama.«
Er bemerkte, wie sich ihnen jemand durch die allmählich auflösende Masse der Anbu näherte. Es handelte sich dabei um einen älteren Mann gekleidet in einen weiten, schwarzen Kimono. Er ging an einer Krücke und eine Bandage verbarg sein rechtes Auge. Erst die kreuzförmige Narbe an seinem Kinn verriet Tobirama, dass es sich bei der Person um Danzō handeln musste. Wie sehr er sich doch verändert hatte.
Danzō wirkte aufgebracht, als er sich ihnen näherte. Er gestikulierte in Richtung der Anbu um sie herum, die ihm respektvoll Platz machten, aber ansonsten ihren Geschäften nachgingen.
»Was hat das zu bedeuten? Warum wurde ich darüber nicht informiert?«, verlangte er von Minato zu wissen. Dann wandte er seinen Blick Tobirama zu und nahm Haltung an. Na immerhin. »Nun, sensei, ich kann nicht abstreiten, dass ich überrascht bin, Sie hier anzutreffen. Aber ich freue mich, Sie wohlbehalten vorzufinden.«
Irgendetwas sorgte dafür, dass sich Tobirama die Nackenhaare aufstellten, und er hatte die starke Vermutung, dass es mit dem Umstand zusammenhing, wie Danzō sein Chakra vollkommen verschleierte. Nicht einmal der Hauch einer Spur war auszumachen. Da, wo er Danzōs Chakra hätte erspüren müssen, war nichts weiter als ein großes, leeres Nichts.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte Tobirama knapp. Er erinnerte sich Torifus Worte.
»Danzō-sama, es kommt mir in der Tat sehr entgegen, dass Sie mich gerade jetzt aufsuchen, denn es erspart mir die Mühe, nach Ihnen schicken zu lassen«, sagte Minato. »Ich hatte ohnehin mit Ihnen und den anderen Beratern über einige Dinge sprechen wollen. Kommen Sie doch einfach gleich mit mir. Sie bitte auch, Nidaime-sama, wenn es genehm ist.«
Die Dinge begannen, langsam sehr interessant zu werden. Die gestundete Zeit … Was hatte Minato damit nur sagen wollen?
Eigentlich hatte Tobirama vorgehabt, sich in Ruhe durch die Archive der Anbu zu arbeiten, jetzt, wo er endlich wieder offiziell Zugang zu ihnen hatte. Aber etwas sagte ihm, dass es besser wäre, jetzt mit Minato zu gehen. Vielleicht würden dann ja endlich ein paar seiner Fragen beantwortet werden.
Gemeinsam mit Danzō folgte er Minato zurück zum Hokageturm. Danzō schwieg sich beharrlich aus, und Tobirama beschloss, ihm ebenfalls mit Stille zu begegnen. Es war immer besser, erst dann seinen eigenen Zug zu machen, wenn er alle Informationen hatte, die er benötigte. Torifus Warnung war nicht vergessen.
Tobirama versuchte wenig erfolgreich den Umstand zu überspielen, dass er noch immer peinlich kurzatmig war, als sie endlich die obere Etage des Turms erreichten. Er war doch kein alter Mann, er hatte nur ein kleines Stück seiner Lunge eingebüßt! Es konnte doch nicht sein, dass er noch immer nach nur ein paar Treppen aus dem letzten Loch pfiff wie ein alter Krüppel.
Minato und Danzō besaßen den Anstand, ihn nicht darauf anzusprechen. Statt direkt ins Büro gingen sie zum Empfangszimmer. Als sie eintraten, stellte Tobirama fest, dass hier bereits Hiruzen, Koharu und Homura auf sie warteten.
Auch Koharu und Homura waren stark gealtert und beide waren früh ergraut. Die Zeit hatte tiefe Furchen in ihre Gesichter gegraben und ihnen einen harten Zug um die Lippen verliehen. Sie wirkten bitter.
Die Möblierung war ausgetauscht worden durch zwei Plüschsofas mit rotem Bezug, auf denen Tobiramas einstige Schüler bereits Platz genommen hatten. Nur die Bilder an der Wand waren noch dieselben, mittlerweile jedoch ergänzt durch Portraits Hiruzens und Minatos. Tobirama machte sich eine geistige Notiz dieses furchtbare Bild seines Bruders endlich einmal auszutauschen, ganz gleich, was Minato, dessen Räumlichkeiten das hier jetzt immerhin waren, dazu sagen würde. Er wusste bis heute nicht, was Hashirama geritten hatte, als er dieses Kopftuch hatte tragen wollen für das Foto.
Minato wies auf die freien Plätze. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Tobirama warf ihm als Antwort lediglich einen stummen Blick zu und blieb stehen. Minato räusperte sich und lies das Thema fallen. Tobirama zwang sich, ruhig und tief zu atmen und nicht wie ein abgehetzter Hund zu hecheln. So viel Würde hatte er noch. Danzō jedoch kam der Aufforderung nach.
Koharu besaß den Anstand aufzustehen, um sie zu begrüßen. »Sensei, es ist mir wirklich eine große Freude, Sie wohlbehalten anzutreffen. Ich denke, ich spreche für uns alle hier, wenn ich sage, dass es eine enorme Überraschung war, als Sie wie aus dem Nichts mitten unter uns auftauchten.«
Dann waren sie also in der Tat in jenem denkwürdigen Moment anwesend gewesen.
Tobirama ließ den Blick durch den Raum schweifen und versuchte zu ergründen, was hier vor sich ging. Entgegen ihrer Worte wirkte Koharu nicht allzu glücklich über Tobiramas Anwesenheit und auch Homura machte ein ernstes Gesicht. Danzō hatte die Stirn gerunzelt und musterte Tobirama eindringlich, wie als würde er ihn abschätzen wollen. Tobirama ließ sich davon nicht beeindrucken. Dieser finstere Ausdruck mochte bei jüngeren, unerfahreneren Shinobi Eindruck schinden, aber nicht bei ihm, Danzōs einstigem sensei. Selbst Minato wirkte etwas angespannt, aber etwas sagte Tobirama, dass es nicht mit ihm direkt zu tun hatte. Allein Hiruzen bewahrte sich eine Aura der Ruhe, während er seine Pfeife paffte.
»Auch ich freue mich, meine einstigen Schüler endlich wiederzusehen. Nun, die meisten jedenfalls, Torifu berichtete mir bereits von Kagamis bedauerlichem Schicksal«, sagte Tobirama ruhig und beobachtete genau die Reaktion der vier.
Ehrliches Bedauern war in Hiruzens Augen zu sehen und in seinem Chakra zu spüren. Homura zeigte sich wenig beeindruckt ob Kagamis Erwähnung, Koharu jedoch heuchelte Betroffenheit, die Tobirama nicht in ihrem Chakra erkennen konnte. Danzō ließ noch immer nichts durch, doch seine Kiefer spannten sich an.
Unerwähnt hing im Raum, dass Hiruzen und Torifu die einzigen waren, die sich ein paar gute Manieren bewahrt und Tobirama im Krankenhaus besucht hatten. Ebenso unerwähnt und doch offensichtlich blieb der Fakt bestehen, dass Torifu der einzige war, der hier nicht anwesend war.
»Eine bedauerliche Sache, in der Tat«, sagte Koharu, als würde sie über das Wetter reden, während sie sich wieder setzte. »Allerdings sind wir doch hier alle sicher nicht nur zusammengekommen, um über alte Bekannte zu reden, nicht wahr?«
»Das stimmt«, sagte Minato. Wie Tobirama war er stehen geblieben. »Vor einigen Tagen schon unterbreitete ich Nidaime-sama das Angebot, ihm wieder die Anbu zu überlassen, und erfreulicherweise sagte er zu. Ich bat Sie hierher, um Sie darüber zu unterrichten, dass die Anbu nun wieder unter seinem Befehl steht.«
Hiruzen schmunzelte. Hatte er also davon gewusst? Koharu, Homura und Danzō jedenfalls nicht, denn sie alle wirkten überrascht ob dieser Offenbarung. Wie interessant. Tobirama würde es sich merken.
»Und Sie hatten nicht vor, uns im Vorfeld darüber zu informieren?«, verlangte Danzō zu wissen.
Tobirama lag es schon auf der Zunge, ihn für seinen informellen Ton zu schelten, schwieg dann aber dennoch. Er wollte sehen, wohin das alles führte.
Minato legte den Kopf zur Seite und tat so, als würde er überlegen. »Nun bin ich noch kein Jahr lang Hokage und sicher fehlt mir in vielem noch eine gewisse Erfahrung. Aber meinem letzten Wissensstand zufolge bin ich nicht verpflichtet, für jede meiner Entscheidungen die Zustimmung meiner Berater einzuholen.«
»Natürlich nicht, Hokage-sama«, beeilte sich Homura zu sagen. »Sie werden uns aber dennoch sicher darin zustimmen, dass diese Entscheidung auf uns doch ein wenig, wie soll ich sagen … undurchdacht wirkt.«
Minato hob eine Braue. »Und wieso, wenn ich fragen darf? Ich brauche Ihnen ganz sicher nicht zu sagen, dass ich damit nur wieder den ursprünglichen Zustand herstelle.«
»Nun, das mag stimmen«, sagte Koharu. »Aber die direkte Befehlsgewalt über die Anbu, eines Ihrer wichtigsten Werkzeuge, einfach so aus der Hand zu geben, erscheint mir widersinnig.«
»Ich hielt es für richtig«, sagte Minato in einem lockeren Tonfall. »Es erschien wiederum mir widersinnig, auf die Weisheit und Expertise Nidaime-samas zu verzichten.«
Danzō machte noch immer den Eindruck, als stimme er dem ganz und gar nicht zu. Dennoch sagte er: »Nun, da Sie wieder Ihre Anbu haben und mir die Ne untersteht, sensei, freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.«
»Die Ne? Was soll das sein?«, fragte Tobirama.
Es war Hiruzen, der antwortete. »Eine Splittergruppe der Anbu, die zu meiner Zeit eingeführt wurde. Ich hielt es für angebracht, einige der, nun, dunkleren Angelegenheiten Danzō zu überlassen, und er gründete die Ne, um diese Aufgabe zu erfüllen.«
So langsam begriff Tobirama, was Torifu gemeint hatte, als er Hiruzen entscheidungsunfreudig genannt hatte.
»Besteht denn noch ein Anlass dazu, die Anbu aufzusplittern und den Befehl über sie zu dezentralisieren?«, fragte er an Minato gewandt.
Minato machte Hashirama Konkurrenz, wenn es darum ging, möglichst unschuldig zu wirken, während er gewiss etwas ausheckte. »Wenn ich es mir recht überlege, dann nein, es besteht kein Anlass dazu.«
»Dann beantrage ich, die Anbu wieder unter meinem Kommando zusammenzuführen.«
»Genehmigt.«
Danzō sprang verblüffend agil auf und strafte seine Krücke Lügen. »Minato, das können Sie nicht machen! Ich bin geneigt, es Ihrem geringen Alter und Ihrer Unerfahrenheit zuzuschreiben, aber ich rate dringend davon ab, etablierte Systeme von jetzt auf gleich so radikal umzustrukturieren.«
Hiruzen brach in schallendes Gelächter aus. Danzō sah ihn pikiert an.
»Aber natürlich, Danzō, kann er das machen, er ist der Hokage. Vergiss das nicht. Und von welchem etablierten System reden wir? Dem, was wir daraus machten, oder dem, wie es einst gewesen war? Wenn jemand in der Lage ist, auch die dunkelsten Geheimnisse des Dorfes zu tragen, ist es gewiss unser hochverehrter sensei.«
Minato stand mit hinter dem Rücken verschränkten Armen da und wirkte ausgesprochen zufrieden. »Ich freue mich natürlich darüber, wenn Sie mir weiterhin beratend zur Seite stehen, Danzō-sama.«
Danzō starrte ihn mit funkelndem Auge an, schnaubte und setzte sich dann doch wieder.
Mittlerweile glaubte Tobirama, so langsam zu verstehen, was hier gespielt wurde, er war sich jedoch noch nicht sicher, was er davon halten sollte. Er wusste nur, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als er Minatos Angebot angenommen hatte, obgleich er sich damit zur Spielfigur gemacht hatte in dem Spiel, das Minato hier mit ihnen trieb. Ihm war eine Rolle zugedacht worden, die er noch nicht vollständig verstand, aber ihm waren die Mittel in die Hände gelegt worden, diese Rolle auch zu erfüllen. Und das hatte er gewiss vor.
Die Schatten, von denen Torifu gesprochen hatten, schienen sich um Danzō zu ballen, und das war etwas, das Tobirama überhaupt nicht gefallen wollte. Er würde Licht in das Dunkel bringen.
Mit dem Kleiderbündel auf den Armen stand Kakashi etwas verloren vor dem Haus. Hier zu sein, fühlte sich immer wieder wie eine Zeitreise an. Es schien, als seien die Senju und besonders ihre Clanführer in der Zeit stehen geblieben, was ein wenig eigenwillig war, wenn man bedachte, dass sie es gewesen waren, die ein Zeitalter des Krieges beendet und die Welt in eine neue Zukunft geführt hatten.
Kakashi schüttelte den Kopf, um diese Gedanken abzustreifen. Tobirama war nicht zu Hause, wie er wusste; er hatte mitbekommen, wie Minato ihn gebeten hatte, mit ihm zu kommen. Kakashi überlegte daher, ob er die Ausrüstung einfach an der Türschwelle ablegen sollte, die er Tobirama hatte bringen sollen. Dann überlegte er es sich anders und ging doch um das Haus herum, um über den Zaun zu klettern.
Es war seltsam, nach mehreren Jahren das erste Mal wieder in Miyazaki-sans Garten zu stehen. Er war in einem wirklich üblen Zustand. Kakashi konnte erkennen, dass Tobirama bereits begonnen hatte, gegen das Gestrüpp anzukämpfen, das den Garten übernommen hatte, aber weit war er noch nicht gekommen.
Ōkami lag auf dem engawa und döste in der Herbstsonne, bemerkte aber dennoch sofort Kakashi. Sie hob den Kopf und als sie ihn erkannte, stand sie sogleich auf und trottete zu ihm. Kakashi betete stumm, nicht schon wieder abgeschleckt zu werden. Seine Gebete wurden erhört und Ōkami begnügte sich damit, ihn mit ihrer feuchten Nase anzustupsen. Schlimm genug.
»Hallo, kleiner Welpe«, begrüßte sie ihn. »Was bringt dich her?«
Kakashi zeigte ihr die Ausrüstung. »Ich soll das hier Tobirama-san bringen.«
Ōkami beschnüffelte das Bündel in Kakashis Händen und knabberte an der Wolfsmaske, die obenauf lag. Die Maske hielt ihren Zähnen stand. Ōkami schien zufrieden und wedelte mit dem Schwanz.
»Leg es irgendwo ab.«
Kakashi ging zum Haus und versuchte sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, als Ōkami neben ihm her trottete. Sie schien es nicht zu stören, dass er sich einfach so über den Gartenzaun hinweg Zugang verschafft hatte. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, er hatte das früher auch so gemacht. Aber jetzt kam ihm der Gedanke, dass Tobirama das vielleicht nicht mögen würde. Er kannte Kakashi ja kaum.
»Bleib doch noch ein wenig«, schlug Ōkami vor, als Kakashi seine Lieferung auf dem engawa abgelegt hatte. »Mein Welpe müsste bald wieder da sein. Bis dahin kannst du uns ein wenig mit dem Garten aushelfen.«
Kakashi ließ die Gesamtheit des Anblicks der Wildnis vor ihm auf sich einwirken.
»Uff«, war alles, was er dazu sagte.
Ōkami fixierte ihn mit ihrem beunruhigend intelligenten Blick. Kakashi nickte hastig.
»Gern«, krächzte er.
Ōkami setzte sich auf ihre Hinterläufe. »Mein Welpe fing mit den wilden Brombeeren an. Ich schlage vor, du machst da weiter. Obgleich ich es ein wenig bedauerlich finde, Miyazaki-chan hätte sie sicher gern gegessen.«
Kakashi hatte wirklich keine Ahnung, wo er da anfangen sollte. Das stachelige Gesträuch war schlicht überall und wucherte wie Unkraut. Dann zuckte er mit den Schultern und fing einfach irgendwo an.
Das einfachste war es, die wilde Hecke mit seinem Chidori zu durchschneiden. Er konnte sich immer noch hinterher überlegen, wo er den Grünschnitt entsorgen konnte, und warf für den Anfang einfach alles in irgendeiner Ecke auf einen Haufen. Ōkami, stellte sich heraus, war gut darin, ihm Anweisungen zu geben, und selbst keinen Finger krumm zu machen. Nun, Pfote in ihrem Fall.
»Warum nennen Sie Tobirama-san eigentlich die ganze Zeit Welpe?«, fragte Kakashi irgendwann, um sich die Zeit während der etwas trögen Arbeit zu vertreiben.
Ōkami beobachtete seelenruhig, wie er eine weitere Armladung voll klein geschnittenem Dornengesträuch auf den Haufen beförderte und sich dabei vergeblich bemühte, sich nicht zu stechen.
»Weil er eben mein Welpe ist«, sagte sie, als sei es das normalste der Welt.
»Ja, aber warum?«
Ōkami sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Er war ein kleiner, streunender Welpe ohne Rudel, als er zu uns kam und darum bat, Teil des Rudels zu werden. An euren Jahren gemessen war er wohl zwölf Jahre alt gewesen. Mit uns Wölfen ist es anders als beispielsweise den Kröten vom Berg Myōboku, wir dulden es nicht, dass einfach irgendwer daherkommt, mit uns einen Vertrag unterzeichnet und uns dann nach Lust und Laune herbeizitiert. Also musste er sich seinen Platz im Rudel erkämpfen. Und das tat er. Die Narben trägt er bis heute stolz im Gesicht. Er ist nicht nur Teil des Rudels, sondern mein Welpe und ich seine Mutter. Du würdest es vielleicht Sentimentalität nennen, dass ich ihn immer noch meinen Welpen nenne, aber das wird er nun einmal für immer für mich bleiben.«
Kakashi hatte das Gefühl, dass es ihm nicht zustand zu fragen, was mit Tobiramas leiblicher Mutter passiert war. Ihm war nicht entgangen, wie er über seinen Vater geredet hatte, als er ihn neulich erwähnt hatte.
Tobirama fand ihn, wie er sich noch immer damit abmühte, auch nur ansatzweise der Brombeerhecke Herr zu werden. Kakashi hatte nicht den Eindruck, dass er irgendwie vorangekommen war, obwohl der Haufen mit dem Grünschnitt mittlerweile mannshoch war. Seine Arme hatten den Kampf gegen die Dornen ebenfalls verloren.
Tobirama betrachtete erst die Wolfsmaske in seinen Händen und sah dann zu Kakashi. »Kakashi, dein sensei ist ein schlauer Fuchs.«
Kakashi beschloss, dass er genug geschuftet hatte. »Sagen Sie mir etwas Neues.«
Die leiseste Andeutung eines Lächelns deutete sich auf Tobiramas Gesicht an. Seine Mimik wirkte genauso steinern wie sein Portrait an der Felswand, was Kakashi noch immer verunsicherte. Er war sich nicht sicher, was er von diesem Mann halten sollte.
»Komm doch herein, ich kann uns beiden Tee machen«, lud Tobirama ihn ein.
Kakashi antwortet nicht gleich, unsicher, ob es angemessen wäre, das Angebot auch anzunehmen. Ōkami stieß ihm sanft ihre Schnauze in den Rücken und beantwortete damit seine Frage. Er ließ sich von ihr in das Haus führen.
Es war nun schon einige Jahre her, seit er das letzte Mal hier gewesen war, aber es hatte sich nichts verändert. Zumindest im Haus hatte es Tobirama mittlerweile geschafft, wieder für Ordnung zu sorgen und die Spuren der Jahre zu beseitigen, in denen hier niemand mehr gewohnt hatte.
Statt in die Küche zu gehen, begab sich Tobirama in einen der Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss, wo sich noch bis zu diesem Tag ein irori befand. Mito-hime hatte immer darauf bestanden, dass die antiquierte Feuerstelle erhalten bliebe, obwohl das Haus mittlerweile doch moderne Heizsysteme hatte, und wie es schien, hatte auch Tobirama vor, nichts daran zu ändern.
Ein kleines Feuer brannte hier mit steter Flamme und erhitzte einen gusseisernen Teekessel, der an einem langen Haken darüber aufgehangen worden war. Tobirama brachte ihnen Teeschalen aus feinem Porzellan und goss ihnen dann beiden Tee ein. Der Tee machte kaum ein Geräusch, als er in die Schalen floss.
»Aber Sie wissen schon, dass man heutzutage keine Zeremonie mehr daraus machen muss, wenn man Tee trinken will?«, warf Kakashi trocken ein.
Tobirama sah ihn an, als habe er das schlimmstmögliche Kapitalverbrechen begangen.
»Das hier«, sagte er und deutete auf den irori, »ist die einzig angemessene Weise, Tee zuzubereiten außerhalb des sadō. Diese neumodischen Gerätschaften halten das Wasser nicht auf der richtigen Temperatur, das schaffen nur Holzbriketts in genau der richtigen Form.«
Kakashi verkniff sich ein Grinsen unter seiner Maske. Wirklich sehr angestaubt.
Sie hatten sich an einen kotatsu gekniet, von wo aus sie noch immer die Wärme des Feuers spüren konnten. Ōkami hatte sich zu ihnen gelegt und Tobirama lehnte sich gegen ihre Flanke.
Noch etwas anderes hatte Kakashis Aufmerksamkeit erregt. Auf dem Tisch lag etwas, das wie ein lederner Armschoner aussah, jedoch mit einem kompliziert wirkenden Mechanismus an der Unterseite, der eine schmale Klinge zu bedienen schien. Kakashi deutete darauf.
»Was ist das?«
»Schau her.« Tobirama befestigte die Konstruktion an seinem linken Unterarm, mit dem Mechanismus an der Unterseite, und ballte die Hand zur Faust. Die Klinge schnellte hervor, genau dort, wo seine fehlenden Finger waren.
Kakashi machte große Augen. Das erschien ihm eine äußerst nützliche Waffe.
»Ich hatte die Idee schon länger und bastelte bereits seit einigen Jahren daran«, erklärte Tobirama. »Aber du siehst ja, wie die Klinge positioniert ist, und ich war nicht erpicht darauf, mir selbst die Finger zu amputieren. Ich hatte versucht, den Mechanismus zu adjustieren, konnte aber leider kaum Zeit für solche privaten Vergnügen aufbringen. Das Problem hat sich nun von selbst gelöst.«
»Darf ich?«
Tobirama nickte und löste die Armschiene wieder. Er überreichte sie Kakashi, der sie fasziniert musterte. Der Mechanismus war sehr fein gearbeitet und bestand aus zahlreichen kleinen Rädchen und Haken, die alles an Ort und Stelle hielten, es aber auch ermöglichten, die Klinge wieder einzuziehen. Die Klinge selbst bestand aus mehreren Teilen, die sich ineinander schieben ließen, und besaß eine dünne Rinne entlang des Blattes. Gift. Das Metall war schlicht gehalten, aber vereinzelt konnte Kakashi feine Gravuren erkennen. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass es sich um die Anfänge von Siegeln handelte. Tobirama hatte anscheinend noch nicht die Zeit gefunden, daran weiterzuarbeiten.
Er reichte die Waffe zurück. »Ich dachte, Ihre Spezialität wären Siegel, Tobirama-san?«
»Das sind sie auch. Aber gelegentlich kann man doch auch in andere Arbeitsfelder hineinschauen. Und ich bitte dich, Kakashi, sprich mich nicht so förmlich an.«
»Aber …«, protestierte Kakashi schwach. »Sie sind jetzt mein Boss.«
»Und dein Großvater.« Tobirama sah ihn durchdringend an. »Ich hatte sogar Tsunade erlaubt, mich Tobi-oji zu nennen, obwohl ich es hasse, wenn mein Name so verhunzt wird.«
Kakashi sah zu Tobirama. Es war eine Sache zu wissen, wer seine Familie war, eine andere, es auch zu fühlen. Für eine Weile lang war sein Vater seine Familie gewesen, aber dann war er gegangen, hatte sich selbst aus Kakashis Leben entfernt. Lange Zeit war der Platz, den Sakumo eingenommen hatte, leer gewesen, aber allmählich hatten Obito und Rin diese Leere gefüllt. Und dann waren auch sie nicht mehr gewesen, dann waren auch sie gewaltsam aus seinem Leben gerissen worden. Kakashi wusste nicht, ob er das ein drittes Mal riskieren wollte. Jedes Mal war ein Teil von ihm mit ihnen gestorben.
Andererseits … Die Einsamkeit war beinahe noch schmerzvoller.
In all den Monaten, in denen er über Kushina gewacht hatte, war ihm etwas präsentiert worden, das er nicht haben durfte. Die Liebe und Wärme einer Familie. Jetzt wurde ihm das wieder unter die Nase gehalten wie ein unwiderstehliches Lockmittel und er hatte das Gefühl, dass es ihm jederzeit wieder entzogen werden könnte, genauso plötzlich wie die Tode seines Vaters, Rins und Obitos. Es wurde ihm hingehalten, gerade so außerhalb seiner Reichweite, und wenn er die Hand danach ausstreckte, wurde es rasch weggezogen.
»Ich …« Seine Kehle war wie zugeschnürt. »Es ist nicht so einfach.«
Ōkami fixierte ihn mit ihren goldenen Augen. »Du bist Rudel, vergiss das nicht. Wir sind für dich da, komme, was da wolle.«
Tobirama streckte die Schultern und ließ wie immer nicht durchblicken, was er von Kakashis Antwort hielt.
»Da du jetzt schon einmal hier bist, Junge, hast du Lust, mit mir durch ein paar Fotoalben zu blättern? Ich habe sie beim Aufräumen gefunden, sie sind nur ein wenig angestaubt.«
Minato hatte ganz sicher nicht zufällig Kakashi geschickt, um Tobirama seine Ausrüstung zu bringen. Sein sensei tat selten etwas, das er nicht vorher gründlich durchdacht hatte. Wie Tobirama so treffend formuliert hatte: Er war ein cleverer Fuchs, der seine Mitmenschen durchschauen konnte wie kaum jemand sonst.
Kakashi entschied sich dafür, den Sprung zu wagen, und nickte. Es war ein Sprung ins eiskalte Wasser und vielleicht würde er es sehr bald schon bereuen, aber jetzt, in diesem Moment, wollte er sich der Illusion hingeben.
»Warte hier.«
Tobirama verschwand und kam nach einigen Minuten wieder mit mehreren in der Tat sehr angestaubten Fotoalben. Er wischte den Staub von ihnen, während sich Kakashi neben ihn kniete. Kakashi entging nicht, wie Tobirama die ersten Seiten des Albums, das wohl das älteste schien, kommentarlos überblätterte. Stattdessen suchte er ein ganz bestimmtes Bild heraus, eine alte Schwarzweißfotografie einer jungen Frau. Sie trug einen prächtigen kurotomesode und hatte die Haare im shimada Stil hochgebunden. Eine Geisha. Das Foto war aufgenommen worden, als sie vor dem Eingangsbereich einer okiya posierte. Ihr dick mit oshiroi bemaltes Gesicht verriet ihre Emotionen nicht, doch ihre Lippen waren zu einem leichten Lächeln gemalt worden, in dem unendliche Geheimnisse zu liegen schienen.
»Das ist deine Großmutter Chio. Ihr Bühnenname ist … war Mineko«, sagte Tobirama. »Das Foto war aufgenommen worden, kurz nachdem sie ihre Zeit als Maiko beendet hatte und sich nun Geisha nennen durfte.«
Kakashi sah ihn fragend an. »Ich dachte, sie wäre eine kunoichi gewesen?«
»Nein. Sie war als junges Mädchen an ihre okiya verkauft worden; damals waren solche Praktiken noch üblich, obwohl sich die Situation später verbessert hatte für die Mädchen. Ich hatte sie kennengelernt, als sie noch eine Maiko gewesen war, aber als solche hatte sie sich bereits einen gewissen Namen gemacht. Sie war recht gefragt gewesen. In einem hanamachi gehen Abend für Abend viele Menschen aus und ein und in den Teehäusern wird viel geredet. Ein reicher Quell der Informationen also. Es war nicht allzu leicht, eine Künstlerin zu finden, die gewillt war, für einen ihrer Kunden ihre anderen Kunden auszuhorchen, aber sie war bereit, mit mir zusammenzuarbeiten. Die meisten ihrer Kunden behandelte sie mit äußerster Diskretion, aber manchmal hörte sie eben doch Dinge, die für mich von Bedeutung waren. Außerdem muss ich gestehen, dass ich ihre Gesellschaft bald schon zu schätzen lernte, auch rein über meine Arbeit hinaus; sie war eine begnadete Tänzerin. Es war daher eine Selbstverständlichkeit, dass ich ihr danna wurde.«
Kakashi sah ihn fragend an. »Was soll das sein?«
Geisha waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln, eine völlig eigene Welt, mit der er absolut keine Berührungspunkte hatte. Er hätte nicht gedacht, dass seine eigene Großmutter eine Geisha gewesen war und anscheinend sogar eine recht bekannte.
»Ein danna ist ein Patron, der die Geisha finanziell in der Ausübung ihres Berufes unterstützt und im Gegenzug das exklusive Recht erhält, sie auch im privateren Raum zu treffen, als es beispielsweise während einer Teezeremonie der Fall wäre. Besonders für wohlhabende Männer ist es ein Zeichen ihres Status, der danna einer Geisha zu sein, ganz unabhängig davon, dass sie vielleicht mit einer anderen Frau verheiratet sind und ihren eigenen Haushalt führen. Es ist natürlich eine kostspielige Angelegenheit. Was Chio hier auf diesem Bild trug, kostete genug, um eine kleine Familie einen Monat lang zu ernähren.«
Kakashi schwirrte der Kopf bei der Vorstellung von so viel Geld.
Tobirama schien zu bemerken, was ihm durch den Kopf ging. »Es war nun einmal so, dass der Krieg uns reich machte, besonders, nachdem Hashirama die Clanführung übernommen hatte. Niemand konnte ihm die Stirn bieten außer Madara, und man bot uns viel Geld für unsere Dienste. Die Jahre zuvor jedoch … Meine Brüder und ich, wir kennen Hunger. Wir hatten schon als Kinder erfahren, wie es ist, Schuhsohlen auszukochen, nur um irgendetwas zu haben, auf dem man kauen kann. Das vergisst man nicht, niemals.«
Er blätterte zu einem anderen Bild. Dieses zeigte Chio auf der Bühne bei einer ihrer Vorstellungen. Kakashi wünschte, es wären bewegte Farbbilder. Dieses stille Foto war nur ein schwaches Echo der Eleganz, die sie in ihre Bewegung gelegt hatte.
»Chio lebte für ihren Beruf. Geisha zu sein, war ihr Lebensziel. Ich hatte immer akzeptiert, dass sie an erster Stelle Geisha war und ich erst an zweiter Stelle kam. Wir hatten daher erst geheiratet, als sie ihre Kariere als Geisha mit Anfang dreißig beendete.«
»So früh schon?«, wunderte sich Kakashi.
Tobirama zuckte mit den Schultern. »So war das eben. Viele ehemalige Geisha verbleiben jedoch im hanamachi und übernehmen die Leitung einer okiya oder arbeiten als Lehrerinnen für die jungen Maiko. Schon zu Chios Zeiten zeichnete sich jedoch ganz allmählich ein Umbruch Jahrhunderte alter Traditionen ab, es ist also gut möglich, dass sich jetzt ein paar Dinge geändert haben.«
Er blätterte weiter durch das Album. Das nächste Bild zeigte ihn selbst an Chios Seite. Hier trug Chio noch immer einen wertvoll wirkenden, aber doch alltagstauglicheren Kimono und auch ihre Haare waren zu einer schlichteren Frisur hochgesteckt. Auch Ōkami war auf dem Bild, die ein Kleinkind auf dem Rücken trug. Das Kind hatte seine kleinen Hände in ihr Fell gekrallt und lachte glücklich in die Kamera.
Tobirama strich mit den Fingern über das Bild und sein Blick war weit in die Vergangenheit gerichtet. Mit einem Male ging Kakashi auf, was diese ganze Situation für seinen Großvater eigentlich bedeuten musste. Ihm war mit Sicherheit bewusst gewesen, dass es sein Tod sein würde, als er sich den Gold und Silber Brüdern gestellt hatte, und dann hatte er den letzten Ausweg gewählt, der ihm noch geblieben war, in der verzweifelten Hoffnung, zu seiner Familie zurückkehren zu können. Doch mit einem Schlag hatte sich alles geändert, mit einem Schlag waren alle tot, die er gekannt hatte, und von seiner Familie war nichts weiter übrig als Kakashi, ein Junge, den er doch eigentlich gar nicht kannte.
»Das ist dein Vater«, sagte Tobirama. »Er hatte es geliebt, auf Ōkami zu reiten, ganz so wie Miyazaki und Tsunade, als sie Kinder gewesen waren. Als er alt genug für die Akademie war, hatte er das natürlich abgestritten. Das sei was für Kinder, hatte er gesagt.«
»Das ist natürlich Unfug«, warf Ōkami ein. »Mein Welpe reitet jetzt noch auf mir. Ich lasse nur Welpen meines Rudels auf meinen Rücken. Das ist ein Privileg, Kakashi-chan.«
»Es tut mir leid«, wisperte Kakashi.
Tobirama sah ihn an und runzelte die Stirn. »Was tut dir leid?«
Kakashi ließ die Schultern hängen. »Dass ich nur ich bin. Dass nur noch ich da bin. Mein Großvater war … ist der Weiße Wolf von Konoha und mein Vater der Weiße Reißzahn und ich bin nur der Kopierninja. Und selbst das nur wegen eines Sharingan, das nicht einmal meines ist.«
Tobirama sah ihn einen Moment lang an und schien nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. Dann jedoch glätteten sich seine Gesichtszüge. »Nur? Das ist keine kleine Leistung, ein Sharingan zu beherrschen, das einem gegeben wurde. Nicht einmal alle Uchiha können es vollumfänglich nutzen. Und dieses Jutsu, das du vorhin angewendet hast, das erschien mir ebenfalls sehr komplex. Ich hatte dich eine kleine Weile beobachtet, du scheinst es sehr gut zu beherrschen. Möchtest du mir mehr darüber erzählen? Es ist mir neu, ich kenne es nicht.«
Kakashi wandte verlegen den Blick ab. »Ich hab‘s Chidori genannt. Minato-sensei hatte versucht, mir sein Jutsu beizubringen, Rasengan, aber es wollte nicht so wirklich funktionieren. Also habe ich es auf meine Weise abgewandelt und das kam dabei heraus.«
Ōkami setzte sich um und leckte ihm über die Haare. Kakashi grummelte missmutig, ließ sie aber gewähren. Gegenwehr schien ohnehin zwecklos.
»Miss dich nicht an anderen, kleiner Welpe. Das ist für sich genommen eine großartige Sache, du solltest das nicht kleinreden.«
»Sie hat Recht«, stimmte Tobirama ihr zu. »Wenn du auch nur eine Sache von mir lernen solltest, dann die Lektion, dass du immer gut beraten bist, auf Ōkami zu hören.«
Ein winziges Lächeln zupfte an Kakashis Mundwinkeln. Unter seiner Maske sah man es vielleicht nicht einmal. »Ich kann es Ihnen zeigen, wenn Sie das wollen, Tobirama-san.« Zögernd fügte er an: »Sofu.«
Es ging wirklich seltsam von der Zunge.
Ōkami bellte einmal kurz auf, und Kakashi brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass das wohl ihre Art des Lachens war. Tobirama machte ein Gesicht, als habe er auf eine fürchterlich saure Zitrone gebissen, was das ausdrucksstärkste war, was Kakashi bisher auf seinem Gesicht gesehen hatte. Es war beinahe ebenso irritierend, wie seine versteinerte Miene.
»Weiß du was, Junge, es ist am besten, wenn du mich einfach beim Namen nennst. So alt bin ich nun auch wieder nicht.«
Ōkami hob die Lefzen. Sollte das ein Grinsen sein? »Kakashi-chan, du hast meine offizielle Erlaubnis, ihn einen alten Mann zu nennen.«
»Nein!«, protestierte Tobirama.
Ōkami brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm das Gesicht abschleckte. Tobirama grummelte verstimmt. Kakashi grinste unter seiner Maske.
Irgendwann einmal erwies die Wölfin dennoch Gnade und ließ von Tobirama ab. Noch immer grummelt rückte er sich sein happuri zurecht im vergeblichen Versuch, sich einen letzten Rest Würde zu wahren.
»Kakashi-chan, bitte befriedige meine Neugierde«, wandte sie sich an Kakashi. »Du schienst sehr vertraut mit diesem Ort, als du vorhin die Sachen für meinen Welpen brachtest. Wie kommt es?«
Tobirama musterte ihn. Ihn schien das ebenfalls zu interessieren. Es wäre wohl nur fair, ihm endlich auch ein bisschen mehr über sich selbst zu sagen, überlegte Kakashi, so schwer es ihm auch fallen mochte. Er dachte nicht gern an das, was gewesen war.
»Ich habe hier eine Zeitlang gelebt«, eröffnete er daher.
Tobirama nahm es kommentarlos hin und hob nur eine Braue.
»Nachdem Vater …« Kakashi räusperte sich, um den Kloß in seinem Hals zu lösen. »Als er … Nun, danach jedenfalls hatte Miyazaki-san mir angeboten, hier einzuziehen. Die Alternative wäre das Waisenhaus gewesen, und das war nicht wirklich eine Alternative. Aber irgendwann einmal waren es nur noch Tsunade und ich, und Tsunade hatte beschlossen, das Dorf zu verlassen. Also hatte ich Vaters altes Haus verkauft und mir von dem Geld die Wohnung besorgt, die ich jetzt hab.«
Tobirama sagte eine ganze Weile lang nichts und schien über etwas nachzudenken.
»Kakashi …«
Doch er sprach nie aus, was er hatte sagen wollen.
Kakashi nahm all seinen Mut zusammen und wisperte: »Ich kann dir zeigen, wo sie alle begraben liegen.«
Statt einer Antwort nickte Tobirama nur stumm. Ōkami jaulte leise und stupste ihn mit ihrer Schnauze an.
Kakashi führte sie zum Friedhof. Eine bedrückte Stimmung lag über ihnen, als sie diesen Gang antraten. Es wäre Kakashi lieber, wenn sie das nie getan hätten, aber ihm war gleichzeitig bewusst, dass es nicht zu vermeiden war. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er es Tobirama schuldig war.
Wie eh und je ragte das Flammenmonument über dem stillen Ort auf. Im Licht der Abendsonne schien es, als würde es in der Tat in Flammen stehen. Sowohl Hashiramas als auch Tobiramas Namen waren darin eingraviert, verziert mit dem Clanwappen der Senju. Nicht weit davon entfernt waren die Grabplatten ihrer Familie. Mito und Chio, Miyazaki und Sakumo und auch Nawaki.
Wie versteinert stand Tobirama vor den Gräbern und starrte auf das, was von seiner Familie geblieben war. Nichts als lebloser, kalter Stein und Namen, die darin eingeritzt waren. Kakashi hielt sich ein wenig hinter ihm und wusste nicht, was er tun sollte. Es war alles so furchtbar verwirrend. In ihm waren so unendlich viele Gefühle und gleichzeitig eine ebenso unendliche Leere. Also tat er das einzige, was sich richtig anfühlte.
»Es war Suizid«, begann er leise.
Tobirama hatte die Hände zu Fäusten geballt und konnte doch nicht ihr Zittern verbergen.
»Es war wegen einer Mission, ich … ich weiß nicht einmal, worum es dabei gegangen war. Aber sie war wohl wichtig gewesen. Aber Vater hatte sich dafür entschieden, seine Kameraden zu retten, statt die Mission zu Ende zu bringen. Sie alle überlebten, aber ihre Mission scheiterte. Statt ihm jedoch für ihre Rettung zu danken, ächteten seine Kameraden ihn. Die oberste Pflicht eines Shinobi sei die Erfüllung der Mission. Das sind die Regeln, und wer die Regeln nicht befolgt, ist Abschaum.«
Nach dem Schock war die Wut gekommen. Kakashi hatte gehört, was die Erwachsenen hinter seinem Rücken über seinen Vater wisperten, und eine Weile hatte er gedacht, das sei die Wahrheit. Erst Obito hatte ihm gezeigt, dass dem nicht so wahr.
»Sie sagten, er habe nichts vom Beispiel seines Vaters gelernt. Sie sagten, gerade er müsse doch wissen, dass Selbstaufopferung seine Pflicht gewesen wäre. Sie dankten ihm nicht einmal dafür, dass er sie gerettet hatte, und schienen es gar als Schande anzusehen, einmal seine Kameraden gewesen zu sein.«
Tobirama hatte die Augen fest zusammengekniffen und konnte doch nicht die Tränen zurückhalten. Seine Kiefer mahlten, seine ganze Haltung war angespannt.
»Und dann, eines Tages, fand ich ihn, wie er sich selbst entleibt hatte.«
Tobirama presste die Hand vor den Mund im vergeblichen Versuch, sein Schluchzen zu unterdrücken. Seine Schultern bebten und die Tränen rannen ihm über die Wangen. Ōkami reckte den Kopf gen Himmel und ließ ein wehklagendes Heulen vernehmen.
Kakashi stand verloren neben ihnen und wusste nicht, was er tun sollte.
»Aber ich weiß jetzt, das die, die ihre Kameraden im Stich lassen, schlimmer sind als Abschaum«, wisperte er in den Wind.
"Es kommen härtere Tage. / Die auf Widerruf gestundete Zeit / wird sichtbar am Horizont." ist ein Zitat aus dem Gedicht Die Gestundete Zeit von Ingeborg Bachmann.
Nächstes Kapitel: Tobirama ertränkt sich in Arbeit.
Anbu
Wie er es immer tat, wenn da etwas war, das ihm nicht behagte, ertränkte sich Tobirama in Arbeit. Und davon hatte er derzeit nun wirklich mehr als genug. Es gab so viel, das er tun und wo er wieder anknüpften musste. Vierzig Jahre waren eine lange Zeit, umso mehr, da für ihn seitdem nur wenige Wochen vergangen waren.
Einfach alles hatte sich in nur einem Augenblick verändert.
Nun stand Tobirama in seinem alten Labor, eine geheime Einrichtung im Untergrund, zu der nur er und von ihm autorisierte Personen Zutritt hatten. Minato hatte auf seine Warnung gehört und die Markierung nicht genutzt, die hierher führte. Ansonsten hätte er die Sicherheitsmaßnahmen ausgelöst und den ganzen Ort samt sich selbst gesprengt.
Zufrieden stellte Tobirama nach einer ersten Überprüfung fest, dass die Schutzsiegel noch intakt waren. Der Ort war natürlich eingestaubt und ein paar kleine Spinnen hatten es doch geschafft, einen Weg hinein zu finden, denn in den Ecken hingen dicke Spinnweben. Aber ansonsten war noch alles so, wie Tobirama es zurückgelassen hatte.
Die Stille war allumfassend, nur unterbrochen vom Summen des Stromgenerators. Er hatte ein wenig gestottert, als Tobirama ihn angeworfen hatte, um das Labor zu beleuchten, aber noch tat er seinen Dienst. Tobirama würde ihn dennoch überprüfen müssen. Das Licht flackerte auf.
Alles war mit einer dicken, grauen Staubschicht überzogen, die seit Jahrzehnten niemand mehr gestört hatte. Die Luft war trocken und abgestanden, er würde also auch das Lüftungssystem sehr bald prüfen müssen. Vorsichtig ging Tobirama voran, um den Staub nicht allzu sehr aufzuwirbeln, und prüfte die Regale und Tresore. Alles war so ordentlich und exakt eingeräumt, wie er es zurückgelassen hatte.
Seine Hand hielt über dem Zahlenschloss des letzten Tresors inne. Er runzelte die Stirn. Dann beugte er sich vor, um besser sehen zu können. Tatsächlich. Der Strich war nicht genau exakt eingestellt. War er in Eile gewesen, als er das letzte Mal an diesem Tresor war? Aber nein, das konnte nicht sein, er konnte sich daran nicht erinnern. Immerhin war dies der Ort, an dem er seine Aufzeichnungen für Edo Tensei aufbewahrte, seine sensibelste Forschung.
Mit einem kurzen Chakrastoß löste er die Siegel und gab dann die Zahlenkombination ein. Alles war noch beim Alten. Dann öffnete er die schwere Tür.
»Scheiße.«
Die Schriftrollen waren zwar noch auf die Weise gestapelt, wie er es gern tat, doch die Reihenfolge war vertauscht. Auf keinen Fall war er dafür verantwortlich. Für ihn waren zwar über zwei Monate vergangen, seit er das letzte Mal hier gewesen war, aber er war sich absolut sicher, dass er niemals so nachlässig gewesen wäre, ausgerechnet diesen Tresor nicht mit äußerster Bedachtsamkeit zu behandeln. Das ließ nur einen Schluss zu.
Jemand war hier gewesen.
Aber warum? Warum solch große Vorsicht walten lassen und alles so zurücklassen, wie sie es vorgefunden hatten? Alle hatten angenommen, er sei gestorben, es gab also keinen Grund, Spuren zu verwischen. Es würde Sinn machen, behutsam die Siegel zu entschärfen, die den Ort sicherten, doch wenn sie erst einmal drin gewesen wären, gab es keinen Grund mehr, ihre Anwesenheit vor ihm zu verbergen. Jedem anderen wären diese winzigen Details wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, aber er hatte sich schon etwas dabei gedacht, sein Labor jedes Mal exakt gleich zu verlassen.
Wie hatte es irgendwer hier hereinschaffen können, ohne großen Schaden anzurichten? Wer außer Mito wusste noch in solcher Detailliertheit über seine Siegel Bescheid, um sie so geschickt zu umgehen? Und Mito war es ganz bestimmt nicht gewesen, obgleich sie zu den ganz wenigen gehörte, der er freien Zutritt gewährt hatte (die andere Person war sein Bruder gewesen). Sie war es doch erst gewesen, die auch noch schärfere Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Edo Tensei bestanden hatte. Sie hatte um die Sensibilität dieser Informationen gewusst, mit Sicherheit war sie lediglich hier gewesen, um die Integrität der Siegel über die Jahren hinweg zu prüfen. Tobirama sah keinen Grund, warum sie Hand an die Formeln für Edo Tensei legen sollte.
Er griff nach der obersten Schriftrolle und besah sich ihren Inhalt. Alles war noch so, wie es sollte. Während er auch durch die anderen Schriftrollen ging, sann er über dieses Rätsel nach.
Minato hatte gezeigt, dass er sehr versiert mit Siegeln war, aber warum hätte er Tobirama anlügen sollen, als er meinte, er könne Tobiramas Hiraishin-Markierungen nicht nutzen? Und würde er geschickt genug sein, um Tobiramas höchste Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen, die von Mito sogar noch verschärft worden waren? Wenn sie beide sich zusammengetan hatten, gab es niemanden, der es mit ihnen aufnehmen konnte, wenn es um Siegel ging.
Der junge Hokage hegte ein Interesse an Tobiramas Siegeln. Aber dennoch sagte ein Bauchgefühl ihm, dass die Sache nicht so einfach war. Wer also käme noch in Frage? So spontan fiel Tobirama niemand ein. Er würde die Sache weiter untersuchen müssen.
Was ihn zu seinem nächsten Tagespunkt brachte.
Er schloss die Siegelrollen wieder sorgfältig weg und versiegelte sein Labor. Dann teleportierte er sich zu seiner Hiraishin-Markierung in der Zentrale der Anbu. Er hatte sich dort ein kleines Büro einrichten lassen, das ihm die Arbeit erleichtern würde.
Wie er es gehofft hatte, fand er bereits Kakashi und seine Teamkameraden vor. Sie alle trugen ihre Anbuausrüstungen, ihr Chakra zeigte keinerlei Überraschung, als Tobirama vor ihnen aus dem Nichts heraus auftauchte. Als einzige Reaktion verneigten sie sich lediglich vor ihm.
Tobirama setzte sich an seinen neuen Schreibtisch und betrachtete die vier maskierten Personen vor sich. Er hatte bereits etwas Zeit finden können, die Unterlagen über sie zu studieren und hatte sich so ein erstes Bild von dem Team machen können, das sein Enkel führte. Sie machten einen ganz guten Eindruck.
»Ich habe eine Suchmission für euch«, kam er sogleich zur Sache. »Zugegebenermaßen privater Natur. Ihr sollt Tsunade für mich finden.«
Kakashi hob den Kopf. »Meinen letzten Informationen zufolge hatte Sandaime-sama verordnet, dass wir aus Konoha sie in Frieden lassen sollen.«
»Ich weiß«, räumte Tobirama ein. »Deswegen schicke ich dich und dein Team. Ich würde selbst gehen, aber gegenwärtig fehlt mir schlicht die Zeit dafür. Wenn ihr sie findet, wünsche ich, dass ihr sie über die gegenwärtige Lage informiert und ihr ausrichtet, dass ich sie gern sprechen würde. Wie ich sagte, ist diese Mission privater Natur.«
Kakashi nahm es ohne weiteren Kommentar hin. »Irgendeine Idee, wo wir anfangen sollen?«
»Laut den letzten Informationen, die Saru vorlagen und die er mir freundlicherweise zur Verfügung stellte, hält sie sich in Tanzaku-Gai auf. Das ist allerdings schon einige Monate her, die Spur könnte also schon kalt sein.«
»Das wird kein Problem sein«, versicherte Kakashi ihm. »Pakkun hat eine hervorragende Spürnase.«
»Das erfreut mich zu hören. Ihr könnt gehen. Brecht so bald als möglich auf.«
Die vier Anbu bestätigten ihre Anweisung mit einem Salut, dann gingen sie. Lediglich Kakashi zögerte einen Moment in der Tür, als seine Kameraden den Raum bereits verlassen hatten.
»Was gibt es, Kakashi?«, fragte Tobirama ihn daher.
Kakashi wandte ihm den Blick zu. Dann schüttelte er doch den Kopf. »Ach, nichts. Ich geh besser meine Sachen packen.«
»Warte noch einen Augenblick«, hielt Tobirama ihn auf. »Und schließ die Tür.«
Kakashi kam dem nach und setzte dann seine Maske ab. So konnte Tobirama den fragenden Ausdruck auf seinem Gesicht sehen.
»Eine Sache habe ich noch für dich und nur für dich«, begann Tobirama. »Meine Anbu damals war handverlesen und ich wusste von allen, dass ich ihnen mein Leben anvertrauen konnte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, sie sind alle Fremde für mich. Ich will, dass du, während du weg bist, dir Gedanken dazu machst, welche Anbumitglieder besonders vertrauenswürdig sind, und mir bei deiner Rückkehr eine Liste vorlegst.«
Kakashi legte den Kopf schief. »Aber mir vertraust du?«
»Nun, irgendwo muss ich ja anfangen.« Er würde nicht so weit gehen und Kakashi bereits jetzt in all seine Geheimnisse einweihen. Aber er hatte ihn immerhin in sein Haus eingeladen, das war Vertrauensbeweis genug.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Wird erledigt.« Er zögerte sichtlich einen Moment lang, dann fügte er doch an: »Worum geht‘s hier eigentlich wirklich?«
Er war aufmerksam, das musste man ihm lassen.
»Du bist Familie, deswegen kann ich nur dich bitten, Tsunade für mich ausfindig zu machen«, sagte Tobirama ihm daher. »Wie ich bereits sagte, würde ich gern selbst gehen, aber wahrscheinlich wäre das ein zu großer Schock für sie, wenn ich plötzlich wieder vor ihr stehen würde. Nach allem, was ich bisher über sie gehört habe, hat sie mit Konoha abgeschlossen, daher will und kann ich nicht irgendwen schicken. Aber das ist eine Sache, die nur unsere Familie betrifft. Und außerdem«, fügte er mit einem Schmunzeln an, »ist das eine gute Gelegenheit für mich, deine Arbeit zu beurteilen.«
»Das heißt also, wir sollen ihr nur ausrichten, dass du von den Toten wiederauferstanden bist?«, schloss Kakashi. »Ich lass mich ungern von ihr verprügeln im Versuch, sie ins Dorf zurückzubringen.«
Tobirama schnaubte amüsiert. Das klang ganz nach seiner Tsuna. »Nein, ihr sollt ihr nur ausrichten, dass ich sie gern sprechen würde, mehr nicht. Was sie dann damit macht, ist ihre Sache. Ich respektiere ihre Entscheidung, Konoha den Rücken gekehrt zu haben.«
Kakashi rieb sich den Nacken. »Hab gehört, dass sie den letzten Leuten, die der Professor ihr nachgeschickt hatte, eine ordentliche Abreibung verpasst hatte, weshalb er verordnet hatte, sie in Ruhe zu lassen.«
»Du kriegst das schon hin«, versicherte Tobirama ihm. »Versichere ihr einfach, dass das eine reine Familiensache ist und nichts von offizieller Seite.«
»Geht klar.« Kakashi machte dennoch ein Gesicht, das deutlich davon sprach, dass er anderer Meinung war.
Tobirama winkte ihm, dass er gehen konnte. Kakashi verabschiedete sich und machte sich davon, um seinen Kameraden zu folgen. Als er endlich wieder seine Ruhe hatte, setzte Tobirama sein Vorhaben fort, die Akten über seine Anbu durchzugehen. Dokumente würden niemals einen tatsächlichen Eindruck ersetzen, aber sie waren zumindest ein Anfang und er war nicht mehr völlig im Unklaren über den Stand der Shinobi des Dorfes. Die Anbu verwahrte all die sensiblen Informationen über die Shinobi des Dorfes auf, was hieß, dass Tobirama nahezu unbeschränkten Zugriff auf alles hatte, was er wissen wollte.
Ein winziges Aufflackern des im Siegel gespeicherten Chakras verriet ihm, dass die Markierung genutzt wurde, und daher verwunderte es ihn auch nicht, als sogleich Minato in seinem Büro stand. Tobirama legte das Dokument zur Seite, das er gerade hatte studieren wollen, und sah auf.
Minato ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Sieht so aus, als würden Sie sich allmählich einfinden. Das ist gut. Wie sieht es mit der Integration der Ne aus?«
»Danzō macht keinen allzu glücklichen Eindruck, aber bisher hat er anstandslos dabei geholfen, dass alles problemlos vonstatten geht«, berichtete Tobirama. »Er hatte ein paar interessante Ausnahmetalente unter seinen Leuten.«
»Nun, dass ihm das nicht gefallen wird, dachte ich mir bereits«, murmelte Minato, aber es schien ihn dennoch nicht allzu sehr zu beunruhigen.
Tobirama fragte sich noch immer, was genau Minato damit hatte bezwecken wollen. Ihm hatte bewusst gewesen sein müssen, dass das Danzō gegen ihn aufbringen würde, aber anscheinend hatte er das in Kauf genommen, vielleicht sogar darauf gezählt. Das hieß also, dass, was auch immer er sich davon erhoffte, es wert gewesen war, wenn er dafür Tobirama auf seine Seite zog.
Tobirama faltete seine Hände und sah zu Minato auf. »Ich habe Ihre Anordnungen bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen zur Geburt beibehalten. Die Leute scheinen mir fähig, die Sie dafür abgestellt haben, und auch die weiteren Maßnahmen ausreichend.«
Minato nickte. »Gut zu hören. Aber ich würde dennoch Ihre Einschätzung hören. Wie hoch, denken Sie, ist das Risiko, dass das Siegel brechen könnte?«
Darüber dachte Tobirama einen Moment lang nach. »Es ist nicht zu unterschätzen. Auch meine Erfahrung mit dem Thema beschränkt sich auf nur einen einzigen Fall, und Mito selbst hatte danach eine weitere Schwangerschaft als zu großes Risiko für sich und alle hier im Dorf eingestuft. Dass Kushinas Siegel bisher anders als bei Mito hielt, halte ich für ein gutes Zeichen. Sie sollten dennoch weiterhin wachsam bleiben.«
»Selbstredend.« Minato reichte ihm einige Dokumente. »Ich habe mitbekommen, wie beschäftigt Sie in letzter Zeit waren. Daher habe ich mir die Freiheit genommen, Ihr Siegel im Büro einmal genauer zu untersuchen. Freilich, ohne es zu aktivieren. Vielleicht hilft Ihnen das ja ein wenig weiter, Nidaime-sama. Kushina hatte mir ebenfalls ein wenig geholfen.«
Daraufhin reagierte Tobirama nur mit einem stummen Blick, nahm dann aber doch die Blätter entgegen und warf einen raschen Blick darauf. »Danke.«
Minato musterte ihn erwartungsvoll. Tobirama erwiderte den Blick fragend.
»Gibt es noch etwas?«
Minato lächelte verlegen. »Mich würde es einfach interessieren, was Sie davon halten.« Er gestikulierte in Richtung der Unterlagen, die er Tobirama überreicht hatte. »Und außerdem habe ich mir über die Jahre meine eigenen Methoden ersonnen, Ihr Hiraishin anzuwenden. Ihr Hiraishingiri ist natürlich legendär. Aber ich frage mich auch, was Sie als Erfinder der Technik von meinem Rasen Senkō Chō Rinbukō Sanshiki halten.«
Tobirama sah ihn lang und schweigend an. Dann blinzelte er langsam. »Bitte was?«
Minato lachte nervös auf. »Nicht gut?«, krächzte er.
Tobirama mahnte sich zur Ruhe. Er redete hier nicht mit Hashirama. »Der Name ist etwas … speziell. Was soll dieses Jutsu überhaupt bewirken?«
Minato zückte ein Kunai und zeigte es Tobirama. Es hatte eine etwas eigenwillige Form mit drei Klingen und auf dem Heft war Minatos Formel für sein Hiraishin angebracht.
»Ich platziere mehrere davon um den Kampfplatz herum und kann so zwischen ihnen teleportieren und aus jeder Richtung angreifen«, erklärte er. »Kombiniert mit einem Schattendoppelgänger kann ich auch einen größeren Radius abdecken.«
Tobirama konnte sich nicht erinnern, jemals all die Kampftechniken im Detail aufgeschrieben zu haben, die er sich für sein Hiraishin ersonnen hatte. Minato musste also von selbst darauf gekommen sein.
»Und Hiraishin als Name hatte nicht ausgereicht?«, wollte er wissen.
»Äh … Ich dachte, es wäre sinnvoll zu beschreiben, was diese Technik genau macht.«
Tobirama war immer noch nicht überzeugt von dieser Namensgebung. Rein vom Namen her hatte er absolut kein Bild von der Technik, die Minato damit beschreiben wollte.
»Wäre es nicht interessant zu überlegen, welche Techniken zwei Hiraishin-Anwender zusammen ableiten könnten?«, warf Minato wie beiläufig ein und mimte die Unschuld in Person.
Tobirama schnaubte. »Ich habe das Gefühl, Sie haben mich durchschaut.«
Minato zuckte mit den Schultern und grinste. »Das würde ich nicht gleich behaupten. Aber …«
Tobirama lehnte sich zurück und faltete die Hände. »Wollen Sie mir dann vielleicht auch sagen, was genau Sie damit bezweckten, mir die Anbu wiederzugeben? Ganz unabhängig davon, dass es mir persönlich entgegen kam, hätte ich solch einen Zug doch für etwas gewagt gehalten.«
Auch Minato fand zum Ernst der Sache zurück. Er antwortete nicht gleich, sondern warf einen raschen Blick zur Tür zurück.
»Der Raum ist abgeschirmt«, sagte Tobirama daher.
Minato nickte. »Nun, in dem Fall … Ich brauche jemanden auf meiner Seite in einer Machtposition. Jemand, von dem ich weiß, dass er mit denen, die sich gegen mich stellen könnten, fertig werden kann.«
»Etwas sagt mir, dass Sie damit meine einstigen Schüler meinen.«
Wieder nickte Minato, dieses Mal jedoch bedauernd. »Insbesondere Danzō-sama muss ich wohl sagen. Ich muss Ihnen danken, dass Sie sich sogleich dafür ausgesprochen hatten, die Ne aufzulösen und mir damit meine Arbeit um einiges verkürzten. Danzō-sama hatte dadurch schon lange einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Geschehen im Dorf, der außerhalb des Machtbereichs des Hokage lag, und das bereitete mir von Anfang an einiges Kopfzerbrechen. Ich stand weitestgehend allein da, und auch wenn ich weiß, dass Sandaime-sama hinter mir steht, erschien mir das doch nicht genug, um Danzō-sama zu begegnen, sollte er sich dazu entscheiden, sich gegen meine Entscheidung zu stellen, ihm einen Teil seiner Macht zu entziehen.«
Tobirama verstand Minatos Beweggründe, ausgerechnet auf seine Hilfe zu zählen. Die Vermutung lag nahe, dass er seine einstigen Schüler am besten kannte, und vor einigen Wochen hätte Tobirama ihm da sogar zugestimmt. Aber nachdem er auch nur einen ersten Eindruck gewonnen hatte, was aus ihnen in all der Zeit geworden war, war er sich da nicht mehr so sicher.
»Sie legen erstaunlich viel Vertrauen in mich. Dabei, sind wir ehrlich, kennen Sie mich kaum.«
»Nun, immerhin sind Sie einer der Gründer dieses Dorfes«, sagte Minato. »Das spricht für sich. Wenn einer das Wohl des Dorfes an erste Stelle stellt, dann mit Sicherheit Sie.«
Tobirama sah ihn durchdringend an. »Und sollte ich entscheiden, dass es das Beste für das Dorf wäre, wenn ich wieder alle Macht in Händen hielte? Was dann?«
Minato erwiderte seinen Blick fest. »Dann sei es so.«
Das überraschte Tobirama. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet.
Minato lächelte beiläufig. »Außerdem führten wir doch bereits ein recht ähnliches Gespräch und ich meine mich zu erinnern, dass Sie selbst ausschlossen, jemals wieder das Amt des Hokage zu übernehmen.«
Tobirama grummelte ertappt. »Da ist etwas Wahres dran.«
»Apropos, hatten Sie in der Zwischenzeit Gelegenheit, mit Ihren Clanleuten zu reden?«, wechselte Minato das Thema.
Tobirama nickte. »Das habe ich, und sie akzeptieren meine Führung.«
Viel war von den Senju nicht mehr übrig geblieben, nur noch fünf Familien, insgesamt etwa dreißig Leute. Die Tradition der Senju hatte es, dass die Clanführung in den Händen der älteren Erblinie lag, doch da Tsunade diese Rolle schon vor einigen Jahren formal abgelehnt hatte, fiel es in die Hände der Person, die als nächstes in der Erblinie stand, und das war nun einmal Tobirama. Es war mehr eine Formalität, seinen Clan zu fragen und einen Plausch mit den Ältesten zu halten; sie kannten ihn noch von früher, als sie kaum älter gewesen waren als er.
»Dann freue ich mich, die Senju wieder im Rat willkommen zu heißen«, sagte Minato und wirkte ausgesprochen zufrieden damit. »Wir hatten schon lange nicht mehr die Ehre, Ihren Clan in einer solch wichtigen Position zu wissen.«
Tobirama legte fragend den Kopf schief. »Hatte meine Nichte den Rat der Clans verlassen?«
»Nun, nicht direkt verlassen, aber Miyazaki-san hatte sich über die Jahre von der politischen Bühne zurückgezogen. Das war zwar noch vor meiner Zeit, aber ich hatte immer den Eindruck, dass die Senju im Allgemeinen immer weniger Interesse daran hatten, aktiv am Geschehen im Dorf teilzunehmen. Dass Tsunade-hime sich dafür entschied, das Dorf gänzlich zu verlassen, ist nur der neueste Schritt in dieser Entwicklung.«
Er konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Es schmerzte ihn zu sehen, wie sein Clan in Bedeutungslosigkeit versunken war und Konoha anscheinend nichts getan hatte, um dem entgegen zu wirken.
»Nun, wie dem auch sei«, fügte Minato an. »Ich will Sie nicht länger aufhalten. Sie haben sicher noch viel Arbeit vor sich, Nidaime-sama. Und lassen Sie mich wissen, was Sie von Kushinas und meinen Überlegungen zu Ihrem Siegel halten.«
»Natürlich.«
Gefühlt wurde es immer mehr Arbeit. Er verabschiedete Minato, welcher mit einem Hiraishin verschwand, und wandte sich dann wieder seinen eigenen Dokumenten zu. Wenn er die Anbu befehligen sollte, dann lernte er seine Leute besser auch kennen.
Einige Stunden vergingen so und er hatte doch nicht das Gefühl, dass der Papierstapel vor ihm kleiner wurde. Er seufzte. Ein nur allzu bekannter und recht verleideter Anblick. Er hatte diesem Aspekt seiner Arbeit nie viel abgewinnen können.
Immer wieder huschte sein Blick zu den Unterlagen, die Minato ihm gegeben hatte. Auch ihm hatte es schon in den Fingern gejuckt, sein experimentelles Hiraishin-Siegel noch einmal genauer zu untersuchen, um nach der Ursache für die Fehlfunktion zu suchen, aber irgendwie hatte er noch keine Gelegenheit dafür gefunden. Es hatte immer Dinge gegeben, die ihm wichtiger erschienen.
Er runzelte die Stirn. War es nicht das wichtigste, einen Weg zurück zu finden? Aber wie sollte das gehen? Sein Wissen reichte bei weitem nicht aus, um Zeitreisen in die Vergangenheit zu ersinnen. Spontan wusste er nicht einmal, wo er überhaupt anfangen sollte.
Vielleicht wäre es ein Anfang, überhaupt herauszufinden, wo im Siegel der Fehler lag. Er griff nach Minatos Notizen und begann, sie zu überfliegen. Einen Moment lang starrte er auf das Papier. Dann raffte er kurz entschlossen alles zusammen, schloss den Raum ab und teleportierte sich nach Hause.
Mittlerweile war es dunkel geworden. Die Tage wurden jetzt mit dem beginnenden Herbst merklich kürzer. Ōkami lag am Feuer und döste. Als sie bemerkte, dass Tobirama heimgekehrt war, gähnte sie vernehmlich und streckte erst die Hinterläufe und dann die Vorderläufe. Gemütlich trottete sie zu ihm und begrüßte ihn mit einem Nasenstüber. Er kraulte sie zwischen den Ohren.
»Mein Welpe ist viel beschäftigt.«
»Hm.« Er ging zum Feuer und stocherte ein wenig in den Kohlen herum, um es wieder zu entfachen. Es war kaum noch warm genug, um seinen Tee auf Temperatur zu halten.
»Jemand war in meinem Labor und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht Mito gewesen war«, sagte er dann doch.
Sofort stellte Ōkami die Ohren auf. »Wer dann?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wurde etwas entwendet?«
»Nein. Aber gut möglich, dass diese Person oder vielleicht auch Personen nun Wissen über Edo Tensei besitzen.«
Ōkami stieß ihn mit der Schnauze an und hob die Pfote, um ihn dazu zu bewegen, sich ans Feuer zu setzen. »Du wirkst so angespannt, Welpe.«
Er warf ihr einen langen Blick zu. »Gibt dir das nicht zu denken?«
»Doch, natürlich. Aber was kannst du jetzt schon machen? Es ist geschehen und lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Also sei es drum.«
Er seufzte, setzte sein happuri ab und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er wollte schon erneut zu Minatos und Kushinas Aufzeichnungen greifen, doch Ōkami stellte eine Pfote darauf.
»Was auch immer es ist, es kann warten. Dein Welpe war da.«
»Welchen meinst du genau? Du hast die Tendenz, eine ganze Menge Leute als meine Welpen zu bezeichnen.«
Ōkami knabberte neckend an seinen Haaren. »Erst war Kakashi da und fragte nach etwas, das Tsuna-chan gehört hatte. Für seine ninken.« Sie sagte das so abfällig, wie es ihr nur möglich war, und zog die Schnauze kraus.
Er knuffte sie. »Kakashi meinte, sein Rudel hätte gute Spürnasen.«
»Sie sind immer noch nur Hunde.« Sie schnaubte, als hätte sie etwas Abstoßendes gewittert.
Er lachte leise in sich hinein, was ihm Ōkamis Zunge in seinem Gesicht bescherte. Er grummelte missmutig, versuchte aber gar nicht erst, sie von sich zu schieben. Es wäre ohnehin vergebliche Liebesmüh.
»Du deutetest an, dass er nicht der einzige gewesen war«, lenkte er das Gespräch darauf zurück.
»Torifu war auch da, nur kurz danach. Er hatte nach dir gefragt und den Anstand besessen, mir ein paar Knochen vom Fleischer mitzubringen. Er hat dir eine Nachricht hinterlassen, ich hab ihm gesagt, er soll sie einfach auf den Küchentisch legen.«
»Ich danke dir.«
Er ließ seine Hand durch ihr Fell gleiten und stand dann auf, um nachzusehen, was Torifu ihm hatte mitteilen wollen. Wie Ōkami es gesagt hatte, fand er in der Küche einen Zettel. Mit der Notiz in der Hand setzte er sich wieder zu Ōkami. Sie linste über seine Schulter.
»Und, was will er?«
»Eine Einladung zum Essen, wie er es mir versprochen hatte. Oder sollte ich angedroht sagen. Aber es ist ausgerechnet der 10. Oktober.«
»Du wirst das nicht ablehnen«, sagte Ōkami und sprach damit zielgenau das aus, was Tobirama gedacht hatte, als er das Datum gesehen hatte. »Eine kleine Pause wird dir guttun.«
»Ich habe da keine Zeit«, widersprach er.
»Doch, das hast du. Du wirst doch sicher keine Stümper für die Sache einbeordert haben. Also kannst du dir auch einmal einen Tag Pause gönnen.«
»Aber es könnte alles mögliche schiefgehen, wer weiß …«
Sie knurrte warnend. Er hielt den Mund. Zufrieden wedelte sie mit dem Schwanz.
»Du wirst die Einladung annehmen. Schau, ich bin doch auch eingeladen. Mir steht der Sinn nach einer leckeren, saftigen Hirschkeule.«
Tobirama gab sich geschlagen.
Nächstes Kapitel: Kakashi begibt sich auf die Suche nach Tsunade
CN Missgendering, Alkoholkonsum
Mission
Pakkun schnüffelte an dem Tuch, das Kakashi für ihn besorgt hatte, und presste dann die Nase auf den Boden. Der kleine Mops lief einige Male im Kreis. Die vier Anbu standen in lockerer Runde um ihn herum und warteten, bis er fertig war.
»KAKASHI!«
Kakashi verdrehte unter seiner Maske die Augen. Er brauchte sich nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, dass da gerade Gai auf ihn zustürmte.
»Gai, ich hab dir schon so oft gesagt, dass du Anbu-Leute bei ihrer Arbeit nie beim Namen nennen sollst«, schollt er ihn.
Gai ignorierte ihn. »Hier steckst du also! Ich hab dich schon überall gesucht! In letzter Zeit machst du dich wieder so rar und lässt dich nie blicken. Kurenai und Asuma laden zum Dangoessen ein. Genma und Raidō sind auch dabei. Ich fordere dich zum Wettessen heraus! Möge die Kraft der Jugend obsiegen!«
Kakashi gab ihm einen langen Blick, ohne dabei jedoch seine Maske abzunehmen. »Gai, wie du unschwer erkennen kannst, sind wir auf einer Mission.«
Gai winkte ab. »Ach, das kann doch sicher ein paar Stunden warten!«
Kakashi war sich beinahe sicher, dass sein Großvater dem vielleicht sogar zustimmen würde, aber gerade stand ihm nicht der Sinn nach einer geselligen Runde. »Mission ist Mission und die kam vom Hokage selbst.«
Mehr oder weniger jedenfalls. Aber Details.
Gai gab ihm einen strengen Blick, den Kakashi unbeeindruckt erwiderte. Gai versuchte, hinter seine Maske zu blicken. »Hokage-sama soll dir mal Urlaub geben. Ich werd mit ihm reden!«
Mit diesen Worten stiefelte er davon.
»Gai!«, rief ihm Kakashi noch hinterher, doch da war Gai schon auf und davon. Kakashi seufzte genervt.
Er spürte Pakkuns Pfote an seinem Bein und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Mission.
»Also ich kann im Umkreis von mehreren Kilometern nichts erschnüffeln, Boss«, sagte Pakkun. »Tsunade-hime war hier definitiv seit langer Zeit nicht mehr.«
Wie er es sich gedacht hatte.
»Dann auf nach Tanzaku-Gai«, sagte Kakashi.
Er sprang davon, Pakkun an seiner Seite. Seine Teamkameraden Kō, Sukea und Yuki folgten ihm.
»Hund-san, was hältst du von unserem neuen Boss?«, wollte Yuki wissen.
Was sollte er darauf schon antworten. Sie wussten ja nicht, dass Tobirama sein Großvater war.
»Keine Ahnung«, sagte er daher ausweichend. »Ich kenne ihn genauso lang wie ihr.«
Pakkun erschnüffelte die Lüge, sagte aber nichts. Mit Sicherheit hatte er längst Ōkami an ihm gerochen.
»Ich finde es seltsam, dass die erste Mission, mit der Nidaime-sama uns betraut, so eine Lappalie ist«, sagte Kō. »Er widerruft damit, was Sandaime-sama damals verordnet hatte. Wenn das so eine Familiensache ist, dann muss er doch keine Anbu schicken.«
Tobirama hatte im Vertrauen Kakashi gesagt, was er damit bezweckte, und mehr zu sagen, würde den anderen von Team Ro verraten, warum es Kakashi sein musste und sonst niemand. Also sagte Kakashi nichts dazu.
»Er wird sich schon etwas dabei gedacht haben«, sagte Sukea. »Es ist nicht an uns kleinen Leuten, solche Entscheidungen anzuweifeln.«
»Befehl ist Befehl«, fügte Yuki an. »Und ich finde, wir sollten dankbar für den hier sein. Das ist keine sonderlich schwere Mission.«
Kakashi konnte ihr nur teilweise zustimmen. Jemanden zu suchen, der nicht direkt eine Gefahr für das Dorf darstellte, war in der Tat eine leichte Mission. Allerdings war er nicht erpicht auf Tsunades Faust in seinem Gesicht.
»Ich finde einfach, wir könnten unseren Fähigkeiten auch für was Sinnvolleres einsetzen«, beschwerte sich Kō.
»Vielleicht tun wir das ja bereits, ohne es zu wissen«, sagte Yuki. »Wir kennen nur einen kleinen Teil des Gesamtbildes. Deswegen ist es doch immer so wichtig, stets alles zu geben, egal wie unbedeutend die Mission wirkt, und die Mission immer an erste Stelle zu setzen. So lautet das Gesetz.«
Und dann fraß das Dorf seine eigenen Kinder auf. Kakashi presste die Lippen aufeinander und sagte nichts dazu.
Das Gespräch verlief alsbald im Sand und sie setzten ihren Weg schweigend fort. Mit ihrem Tempo würden sie ihr Ziel vielleicht schon am Abend erreichen. Von da aus würden sie weitersehen. Vielleicht konnte Pakkuns Nase ja schon eine Witterung aufnehmen, und wenn nicht, dann würde sich zeigen, welche Option sich ergab.
Während er schweigend dem Weg folgte, sann Kakashi über Tobiramas andere Bitte nach. Wen in der Anbu würde er ihm empfehlen? Kakashi mochte zwar recht bald schon ein eigenes Team übertragen bekommen haben, aber dennoch hatte er nie wirklich Kontakte knüpfen können. Das war etwas, das ihm schwer fiel, er hatte allerdings auch nie Anschluss gesucht. Die anderen wisperten hinter seinem Rücken, er wusste das. Er versuchte, nicht darauf zu achten. So lange sie ihre Befehle anstandslos ausführten, hatte es ihn nicht zu kümmern.
»He, Hund-san«, sprach ihn Sukea an und riss ihn aus seinen Gedanken. »Du hattest doch in den letzten Monaten diese spezielle Mission vom Hokage. Und ich hab gehört, dass Hokage-sama dabei gewesen war, als Nidaime-sama aufgetaucht war. Hast du irgendwas mitbekommen, was genau vorgefallen ist? Jeder sagt was anderes.«
Kakashi überlegte, wie viel er sagen durfte. Allerdings hatten weder Minato noch Tobirama ihm je verboten, darüber zu reden.
»Hat was mit Hiraishin zu tun«, sagte er daher knapp. Es war vielleicht besser, dennoch nicht zu viele Details verlauten zu lassen. »Ihr wisst doch, was man sich sagt, wie Nidaime-sama gestorben ist. Oder halt nicht. Er hat Hiraishin benutzt, um seinen Feinden zu entkommen, aber etwas ging schief mit der Zeitkomponente des Siegels.«
»Deswegen lass ich immer die Finger von Siegeln«, sagte Kō. »Ein kleiner Pinselstrich falsch gesetzt und es zerfetzt dich in der Luft.«
»Hab gehört, Nidaime-sama ist sehr gut mit Siegeln«, sagte Yuki.
»Mit Sicherheit ist er das, er hat Hiraishin erfunden!«, betonte Sukea.
»Ohhh.« Yuki wandte ihm ihre Maske zu. »Ich dachte, das wäre das Jutsu von Yondaime-sama.«
Sie verfielen mehr und mehr in Tratsch und Kakashi hörte nicht mehr hin. Er konzentrierte sich auf den Weg. Alsbald verfiel er in den altbekannten Trott eines langen, gleichmäßigen Marsches, der seinen Kopf so angenehm leerfegte. Er vertraute darauf, dass Pakkun schon erschnüffeln würde, wenn eine Fährte vorhanden war, der er folgen konnte.
Sie schlugen ein straffes Tempo an und erreichten ihr erstes Ziel daher schon am späten Nachmittag. Die Dämmerung war hereingebrochen und alsbald schon würde es gänzlich dunkel werden, Zeichen genug, dass der Winter bevorstand. Die Straßen, die zu der kleinen Stadt führten, waren hell beleuchtet und noch immer belebt. Das würde sich auch bis weit in die Nacht nicht ändern. Tanzaku-Gai war ein Paradies für Glücksspieler.
Es verwunderte Kakashi daher nicht, dass es Tsunade hierher verschlagen hatte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass sich Miyazaki ständig beschwert hatte, dass Tsunade ausgerechnet die schlechten Eigenschaften ihres Großvaters hatte erben müssen.
Tanzaku-Gai war eine alte Samurai-Burg, die irgendwann wieder errichtet worden war und nun eine Touristenattraktion darstellte. Im Laufe der Jahre hatte sich ein ganzes Gewerbe darum entwickelt, die Leute aus aller Herren Länder anzog und mit den Touristen kam auch das Geld. Was zunächst als kleiner Kurort begonnen hatte, war mittlerweile zu einer Hochburg des Glücksspiels, des Lugs und Betrugs geworden.
Kakashi selbst war noch nicht hier gewesen, aber er hatte davon gehört. Wenn es ging, mied er Zivilistensiedlungen. Sie waren laut und chaotisch.
Tenzō hatte es dennoch gefallen.
Warum musste er ausgerechnet jetzt an den seltsamen Jungen danken, fragte sich Kakashi im Stillen, schob den Gedanken dann jedoch weit von sich. Er hatte jetzt anderes zu tun.
Sie schlugen die Kapuzen hoch und mischten sich unter die Leute. Hier kamen tagtäglich so viele seltsame Leute entlang, dass sich niemand um die vier Gestalten mit den dunklen Umhängen scherte.
Pakkun lief voran und schnüffelte eifrig, und sie folgten ihm. Die ganze Zeit über schimpfte Pakkun leise vor sich hin, aber Kakashi konnte die Worte nicht deutlich ausmachen. Es hatte irgendetwas mit dem Gestank dieses Ortes zu tun. Aber der war doch gar nicht so übel, oder?
Eine ganze Weile lang lief Pakkun hin und her und irgendwann einmal kam Kakashi zu dem Schluss, dass Pakkun genauso wenig Ahnung hatte wie sie. Seit über einer Stunde schon folgten sie keiner bestimmten Richtung und liefen wahllos durch die Straßen.
»Hier ist nichts«, sagte Kakashi geradeheraus.
Pakkun grummelte, nickte dann jedoch. »Stimmt, Boss. Hier ist nichts. Aber hier war etwas, aber die Fährte ist kalt. Ich hatte gehofft, dass ich noch etwas frischeres finde, aber dem ist nicht so. Tsunade-hime war vor zwei Monaten hier. Wo sie jetzt ist, weiß ich nicht.«
Wie Tobirama bereits gesagt hatte. Die Fährte war in der Tat kalt.
»Schade. Ich hatte gehofft, dass es einmal schnell gehen würde«, sagte Yuki mit einem theatralischen Seufzen. »Also werden wir uns durchfragen müssen.«
Kakashi hob Pakkun hoch. Dann sprangen sie auf das nächstbeste Dach, um sich von dort aus umzusehen. Tsunade war für ihr Glücksspiel bekannt, also war es vielleicht das beste, wenn sie in einem entsprechenden Etablissement begannen. Das einzige Problem war, dass es davon mehr als genug gab. Aus allen Richtungen blinkten ihm Neonschilder entgegen. Wo sollten sie anfangen?
Es war wohl einerlei. Kakashi suchte wahllos irgendein Lokal heraus und steuerte es an.
Er hatte kaum verfolgt, was aus Tsunade geworden war, seit sie das Dorf verlassen hatte. Sie hatte sich rar gemacht und als klar wurde, dass sie wirklich nicht mehr zurückkommen würde, hatte sich Kakashi auch nicht weiter darum geschert.
Als sie sich nun durch die Lokale fragten, lernte er schnell, dass sie sich einen Namen als Legendäre Verliererin gemacht hatte. Ihr Name war nicht gern gehört in den Lasterhöhlen dieses Ortes, und irgendwie hatte sie es geschafft, sich überall Schulden zu machen. Egal, wo sie hinkamen, die Antwort lautete immer gleich: Solange Tsunade-hime ihre Schulden nicht abbezahlt hatte, hatte sie hier nichts mehr zu suchen. Wo sie jedoch hingegangen war, konnte ihnen niemand sagen. Wohl zum nächsten Ort, wo sie ihr Glück versuchen konnte. Wo auch immer das sein mochte.
Die Stunde war bereits fortgeschritten und Team Ro streifte noch immer ziellos durch den Ort, als Kakashi eine Entdeckung machte. Einige Meter vor ihnen an einem Zaun stand ein weißhaariger Mann und linste durch ein Astloch in den Brettern. Als Kakashi sah, dass der Zaun zu einem öffentlichen Bad gehörte, erkannte er, wen er da vor sich hatte.
»Ehhh«, machte Yuki abfällig. »Was ist das denn für ein Perverser?«
»Jiraiya«, sagte Kakashi nur knapp und machte ein langes Gesicht. Das war eine Enthüllung über seinen Lieblingsautor, auf die er hatte verzichten können.
Yuki gab ein würgendes Geräusch von sich. »Jiraiya wie in von den Legendären Sannin?«
»Hmhm.« Kakashi setzte sich bereits in Bewegung und wartete nicht auf die Reaktion seiner Leute. Sie waren professionell genug, ihm wortlos zu folgen, und er bemühte sich selbst um Professionalität. Sie waren hier, um Tsunade zu finden, und einer ihrer einstigen Teamkameraden wäre da die perfekte Gelegenheit. Kakashi war nur froh, dass es nicht Orochimaru war.
Jiraiya war ganz vertieft in das, was er da sah. Kakashi konnte leise Stimmen von der anderen Seite des Zauns ausmachen, die sehr weiblich klangen. Das war wirklich eine Sache, die er nie hatte in Erfahrung bringen wollen. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, das jetzt auch durchzuziehen. Er war hier auf einer Mission.
»Jiraiya-sama«, sagte er knapp, als er den Mann erreicht hatte.
Jiraiya schien sich nur schwerlich von dem Anblick vor ihm lösen zu können. Das änderte sich jedoch rasch, als er die vier Anbu sah, sie sich um ihn versammelt hatte. Er richtete sich auf.
»Na, das ist ja eine Überraschung. Wollte sensei früher von mir hören?« Er wandte sich Kakashi zu. »Warte. Die Stimme kenne ich. Oh! Ka...«
»Sagen Sie‘s nicht«, unterbrach Kakashi ihn. Gerade Jiraiya sollte es doch besser wissen. »Und nein, wir sind nicht im Auftrag Sandaime-samas hier.«
»Ist das so, ja? Was ist es dann? Eine private Autogrammstunde vielleicht? Ich bin eigentlich gerade mit der Recherche für meinen nächsten Roman beschäftigt, aber für meine Fans mache ich immer gern eine Ausnahme.«
Eine Autogrammstunde klang eigentlich ganz nett. Der Gedanke, seine Icha Icha Romane signieren zu lassen, gefiel Kakashi. Leider würde er es auf ein andermal verschieben müssen.
Yuki gestikulierte wild. »Das nennen Sie Recherche? Das ist unerhört!«
Jiraiya setzte zu einer Erwiderung an. Kakashi unterbrach ihn eilig, bevor das hier noch zu einem hitzigen Streit auf offener Straße ausbrechen konnte. »Wir haben den Auftrag bekommen, Tsunade-hime zu suchen. Durch Zufall sind wir auf Sie gestoßen, Jiraiya-sama. Ich habe gehofft, dass Sie uns vielleicht weiterhelfen können.«
Jiraiya sah ihn skeptisch an. »Tsunade hatte es ziemlich deutlich gemacht, dass sie mit Konoha nichts mehr zu schaffen haben will.«
Kakashi musste ein Augenrollen unterdrücken. »Ja, ich weiß. Das sagt mir auch nur so ziemlich jede Person derzeit. Es haben sich ein paar Dinge geändert.«
Jiraiya antwortete nicht sofort. »Seid ihr inkognito unterwegs?«
»Eigentlich nicht.«
Jiraiya winkte ihnen. »Los kommt. Ich geb euch einen aus.«
Kakashi tauschte einen Blick mit seinen Kameraden. Dann zuckte er mit den Schultern, nahm seine Maske ab und folgte Jiraiya. Er führte sie in eine nahe Kneipe, wo er ihnen in der Tat eine Runde ausgab. Yuki rührte ihren Sake jedoch nicht an und warf Jiraiya immer wieder geringschätzige Blicke zu. Er bemerkte sie entweder nicht, oder ignorierte sie bewusst. Allerdings stand auch Kakashi wenig der Sinn nach Alkohol und er nippte nur aus Höflichkeit an seiner Schale. Pakkun schlabberte zufrieden zu seinen Füßen aus einer Schale Wasser.
»Ich hab gehört, was passiert ist. Das mit Nidaime-sama«, eröffnete Jiraiya.
Kakashi sah ihn erstaunt an. »Wie das?«
»Die Spatzen pfeifen es von allen Dächern«, sagte Jiraiya knapp. »Das hatte ziemlich schnell die Runde gemacht. Selbst ich hatte davon gehört, obwohl ich was im Ausland zu schaffen hatte. Lässt er nach seiner Nichte suchen?«
Kakashi nickte nur.
»Um es kurz zu machen: Ich weiß auch nicht, wo Tsunade derzeit steckt, und unter allen anderen Umständen hätte ich jedem ans Herz gelegt, die Suche sein zu lassen. Jetzt allerdings …«
»Helfen Sie uns, sie zu finden?«, fragte Sukea. »Hier in der Stadt kennt man zwar ihren Namen, hat sie aber das letzte Mal vor zwei Monaten gesehen, und niemand weiß, wo sie hin ist. Die Fährte ist kalt.«
»Ich habe eigentlich selbst eine Mission und müsste etwas zurück nach Konoha berichten.« Jiraiya sann einen Augenblick darüber nach. »Aber das kann vielleicht auch noch ein, zwei Wochen warten. Wenn ich mich recht entsinne, erwähnte Tsunade einmal, dass sie eines Tages das Land der heißen Quellen besuchen wollte. Wie ich sie kenne, ist es möglich, dass sie genau das getan hat.«
»Vielen Dank für die Info.« Kakashi wollte schon aufstehen und gehen, doch Jiraiya hielt ihn auf.
»Wohin so rasch des Weges, junger Freund? Ich finde, wir könnten die Reise zusammen antreten. Das Land der heißen Quellen ist ein guter Ort für Recherchen, und auf dem Weg können wir uns die Zeit vertreiben, indem wir Neuigkeiten austauschen. Wie klingt das?«
Kakashi war hin und her gerissen. Ihm stand nicht wirklich der Sinn danach, Jiraiya bei seinen »Recherchen« zu helfen, allerdings könnte sich Jiraiya bei der Suche nach Tsunade nützlich erweisen. Er schien einen Riecher dafür zu haben, wo sie war. Also nickte er schließlich doch.
»Klingt gut.«
Jiraiya klatschte in die Hände. »Hervorragend! Euch wird die Ehre zuteil, die Gesellschaft des Kröteneremiten, des legendären Jiraiya zu genießen!«
»Aha«, war alles, was Yuki dazu mit unbeeindruckter Mine sagte.
Und damit reisten sie jetzt also zu sechst. Pakkun legte Wert darauf mitgezählt zu werden, als Jiraiya es wagte, die Zahl fünf zu nennen, und drohte, ihm in die Hand zu zwacken, wenn er den ninken noch einmal übersah. Sie brachen früh am nächsten Tag auf. Kakashi legte erneut ein straffes Tempo vor, auch wenn Jiraiya sich beschwerte, dass sie hier nicht auf der Flucht seien und Tsunade ihnen schon nicht wegrennen würde.
Immerhin hatte Jiraiya noch genug Luft zum Reden, also konnte es ja nicht so schlimm sein. Er schien bereits eine ganze Menge zu wissen von dem, was in Konoha in den letzten Monaten geschehen war, war aber dennoch an der Sache mit Tobirama interessiert. Die Spatzen mochten es von allen Dächern pfeifen, aber jeder pfiff etwas anderes. Im Gegenzug erzählte er ihnen in der Tat, was außerhalb der Landesgrenzen vonstatten ging.
»Es hilft, dass ich offiziell keine allzu starken Verbindungen mehr nach Konoha habe, aber in Amegakure lasse ich mich besser nie mehr blicken. Dennoch hörte ich von bürgerkriegsartigen Unruhen im Land.«
»Ist Hanzō der Salamander noch an der Macht?«, wollte Kō wissen.
Wenn Kakashi das richtig in Erinnerung behalten hatte, dann war Hanzō derjenige Kriegsfürst gewesen, der die Sannin als solche benannt hatte, weil sie die einzigen gewesen waren, die ihm die Stirn hatten bieten können. Er hatte lange Zeit mit eiserner Faust über das kleine Land an den Grenzen des Landes des Feuers regiert. Es mochte eine kleine Region sein, aber so nah an ihren Grenzen und vor allem auch so kurz nach dem letzten großen Krieg waren Neuigkeiten von einem ausbrechenden Bürgerkrieg nicht gut.
»Nach meinen letzten Informationen ist er das, und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst«, sagte Jiraiya. »Allerdings sind meine Informationen einige Wochen alt und wer weiß, wie es jetzt wieder aussehen mag. Es ist schwer, in das Land hineinzukommen.«
Hatte Sarutobi nicht unmittelbar nach dem Krieg ohnehin angestrebt, die Situation mit den anderen Ländern nicht schon wieder eskalieren zu lassen, indem sie sie provozierten? Vielleicht wäre es da besser, ihre Nachbarn einfach in Ruhe zu lassen. Sie hatten gerade erst einen Krieg überstanden.
Auf die Frage, wie es in den anderen Ländern aussah, sagte Jiraiya nur: »Jeder kocht sein eigenes Süppchen, wie es schon immer gewesen war. Die in Iwa wollen mit niemandem etwas zu tun haben und die in Suna erst recht nicht. Auch in Kumo und Kiri bleibt man für sich.«
»Sollen sie doch bleiben, wo sie sind«, sagte Sukea. »Da sind sie ganz gut. So lange niemand wieder auf dumme Ideen kommt, soll uns das Recht sein.«
Ihr Weg war größtenteils ereignislos. Sie kannten den Weg durch die Wälder des Landes und kamen daher rasch voran. Hin und wieder querten sie einen Fluss und mussten sich nur einmal nasse Füße holen, weil die nahe Brücke in einem der letzten Stürme zerstört worden war. Man hatte sich noch nicht bemüht, sie wieder zu errichten.
Soweit Kakashi wusste, war das Land der heißen Quellen Sitz einer religiösen Sekte, die einen Gott namens Jashin anbetete. Als er Jiraiya danach fragte, meinte der jedoch nur, dass er selbst nicht viel darüber wüsste, Anhänger dieser Sekte aber als sehr gewalttätig galten. Es wäre besser, sie zu meiden, die namensgebenden heißen Quellen gäben ohnehin ein viel besseres Ausflugsziel.
Sie waren hier zwar nicht auf einer Vergnügungsreise, aber der allgemeine Konsens der Gruppe war, dass ein Bad in einer heißen Quelle nie verkehrt sein könne. Ein netter Nebeneffekt dieser Mission. Kakashi sagte nichts dazu und ließ sie ihren Spaß haben. Bäder waren ein schwieriges Thema für ihn.
Jiraiya schien die Aussicht auf ein Besuch (oder eher viele Besuche) in den Bädern zu gefallen. Immer wieder betonte er, was für eine tolle Gelegenheit das für ihn wäre. Sein nächster Roman würde der beste werden, den er bisher geschrieben hatte. Kakashi rutschte die Frage heraus, worum es denn gehen sollte, und von da an nahm Jiraiya ihn für den Rest des Weges in Beschlag. Er wollte natürlich seinen Fans für alle Fragen zur Verfügung stehen, sagte er. Die anderen waren weise genug, Jiraiya nicht auf seine schriftstellerischen Versuche anzusprechen, und bedachten Kakashi mit amüsierten Blicken.
Etwa eine Woche später erreichten sie die Grenze. Das Land der heißen Quellen war eines der vielen kleinen Länder, die zwischen den großen Nationen lagen. Es hatte keine eigenen Shinobi und seine Wirtschaft beruhte größtenteils auf Tourismus. Kein Wunder also, dass Kakashi hier noch nie gewesen war.
Jiraiya war ganz hin und weg von all den Badehäusern, die sich hier an allen Ecken und Enden fanden. Um jede noch so kleine heiße Quelle hatten sich Siedlungen gebildet und die meisten davon bestanden aus Gastunterkünften. Zur Hauptsaison mussten sich mehr Touristen im Land befinden als Einwohner. Kakashi konnte sich nicht vorstellen, wie das auch nur ansatzweise erholsam sein sollte.
Jiraiya machte an jedem Badehaus Halt. Er nannte es wieder einmal Recherche, aber die vier Anbu bemerkten sehr schnell, was eigentlich los war. Selbst Kō machte alsbald schon hinter Jiraiyas Rücken abfällige Bemerkungen. Kakashi ahnte, dass Jiraiya ihnen vielleicht doch keine so große Hilfe sein würde, und begann daher, sich selbst ein wenig umzuhören. Doch von Tsunade war noch immer keine Spur zu finden und auch Pakkun witterte nichts. Ihm drängte sich der Verdacht auf, dass er sich ins Bockshorn hatte jagen lassen. Das mit Jiraiya war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen.
Drei Tage später verkündete Jiraiya, er wüsste, wo Tsunade sei. Die vier Anbu sahen ihn fragend an.
»Das kommt unerwartet«, sagte Sukea trocken.
»Na los, freut euch ein bisschen, ich hab euch die Arbeit abgenommen«, forderte Jiraiya sie auf. Wie er das angestellt hatte, wollte er allerdings nicht verraten. Kakashi glaubte ihm erst, wenn er es mit eigenen Augen sehen würde.
Tsunade hielt sich laut Jiraiya in einem nahen Ort auf. Er wies ihnen den Weg, dann verabschiedete er sich. Kakashi sah irritiert zu ihm auf.
»Ich hab selbst eine Mission, schon vergessen?«, erinnerte Jiraiya ihn. »Ihr seid Anbu aus Konoha, euch muss ich nicht an die Hand nehmen. Ich signier dir deine Bücher, wenn ich vorbei komme, Kakashi.«
Mit diesen Worten beschwor er eine mehr als mannshohe Kröte herauf, sprang auf ihren Rücken und war verschwunden. Die vier Anbu und der ninken blieben einigermaßen verwirrt zurück.
»Schräger Kauz«, sagte Sukea.
»Perverser Kauz«, grummelte Yuki. »Der hat mir die ganze Zeit auf den Arsch geglotzt, ich weiß es.«
Sie machten sich auf den Weg, den Jiraiya ihnen gewiesen hatte. Die Ortschaften dieses Landes unterschieden sich kaum voneinander, alle sahen sie einheitlich unpersönlich aus, vollgestellt mit teuren Feriendomizilen für reiche alte Leute.
Kakashi mochte seinen Augen kaum trauen, aber sie fanden in der Tat Tsunade, wo Jiraiya gesagt hatte: in einer Kneipe. Kakashi hatte immer nur nach Glücksspiellokalen Ausschau gehalten, da er Tsunade nicht für die Art Mensch gehalten hatte, die sich in Ruhe inmitten von Rentnern betrank. Da hatte er sich wohl getäuscht.
Die Kneipe war nicht allzu stark besucht und so war Tsunade schnell ausfindig gemacht. Sie hing in einer Ecke, mehrere leere Sakeflaschen standen vor ihr auf dem Tisch. Bei ihr war eine etwas jüngere Frau mit dunklem Haar und gekleidet in einen dunkelblauen Kimono. Sie hielt ein kleines Schweinchen und blätterte durch ein Notizbuch, wobei sie einen recht unzufriedenen Eindruck machte.
Das Schweinchen bemerkte die Anbu zuerst und quäkte. Tsunade schwenkte eine Sakeschale in Richtung der Neuankömmlinge und warf ihnen einen verschwommenen Blick zu. Ihre Wangen waren gerötet. Sie hatte definitiv einen über den Durst getrunken.
»Hab sensei doch gesagt, er soll mich in Ruhe lassen«, lallte sie.
Kakashi warf einen nervösen Blick auf ihre Hände. Er wollte nicht in ihre Reichweite gelangen. »Wir sind nicht im Auftrag Sandaime-samas hier.«
Tsunade richtete sich auf und blinzelte. »Warte … Ist das nicht … Ohhh! Kakashi, kleine Nichte!«
Kakashi verzog das Gesicht. Und damit war der Tag erfolgreich ruiniert. »Könntest du das bitte lassen, mich so zu nennen?«
War sie etwa so betrunken, dass sie das vergessen hatte? Wie konnte sie das nur vergessen? Die Sache wäre nur bedingt besser, wenn sie ihn wenigstens ihren Neffen genannt hätte. Aber sie sollte wenigstens den Anstand haben, das richtig hinzubekommen, nachdem sie immerhin einige Zeit unter demselben Dach gelebt hatten.
»Dann halt Neffe.« Tsunades Stimme klang immer noch belegt und sie sprach undeutlich. Dennoch musterte sie die Anbu scharf. »Aber ernsthaft. Ich hab sensei das letzte Mal sehr deutlich gemacht, dass ich meine Ruhe haben will.«
Sukea hob abwehrend die Hände. »Keiner von uns ist scharf auf eine Tracht Prügel. Die Botschaft haben wir alle verstanden.«
»Dann husch. Zischt ab. Zieht Leine.« Tsunade gestikulierte in Richtung der Tür. »Nichts gegen dich persönlich, Kakashi.«
Kakashi überging die Bemerkung. »Wir sind hier, um eine Botschaft zu überbringen, mehr nicht.«
»Aha. Und von wem, wenn nicht von sensei? Und bei dem dachte ich, wir hätten uns nichts mehr zu sagen.«
»Tobirama.«
Daraufhin verfiel Tsunade in Schweigen. Sie sah Kakashi lange an. Dann lehnte sie sich zu ihrer Begleiterin. »Shizune, Schatz, sag. Hab ich das richtig gehört? Hat Kakashi gerade Tobi-oji erwähnt? Der Tobi-oji, der mir vor vierzig Jahren versprach, dass er wiederkommt, und dann wie Opa sein Versprechen brach?«
Shizune sah verwirrt zwischen Tsunade und Kakashi hin und her. »Äh, doch. Sie haben das schon richtig gehört, Tsunade-hime. Aber … Ich verstehe nicht …«
»Zeitreise«, sagte Kakashi nüchtern. »Er ist nie gestorben.«
Mit einem Schlag wurde Tsunade nüchtern. »Ich kann gar nicht so viel trinken, um mir so einen Schwachsinn auszudenken. Du verarschst mich doch.«
»Warum sollte ich mir die Mühe machen, mir so eine Geschichte auszudenken, dann herausfinden, wo du bist, und dann auch noch riskieren, Bekanntschaft mit deinen Fäusten zu machen, nur um dir einen geschmacklosen Streich zu spielen? Hast du mich jemals als die Person kennen gelernt, die so etwas machen würde?«
Dazu konnte Tsunade nur zustimmend nicken. »Stimmt. Du hast sogar weniger Humor als dein Großvater, und das will was heißen.« Dann reckte sie das Kinn. »Und Tobi-oji taucht einfach so auf und denkt, ich hätte die Muse, nach Konoha zurück zu spazieren und einen netten Plausch mit ihm zu halten, als sei nie etwas gewesen?«
Tsunade konnte so anstrengend sein. Kakashi unterdrückte ein Seufzen. »Er will mit dir reden, das lässt er ausrichten. Er betont auch, dass er deine Entscheidung, das Dorf verlassen zu haben, respektiert.«
»Gut«, unterbrach Tsunade ihn. »Dann könnt ihr ja jetzt gehen. Auftrag ausgeführt, die Nachricht kam an. Einen guten Tag noch.«
Kakashi starrte sie sprachlos an.
»Einen guten Tag sagte ich!«
Die Warnung war deutlich genug. Kakashi drehte auf dem Absatz um, seine Kameraden folgten ihm. Tobirama würde nicht erfreut sein, wenn er davon hörte, aber Kakashi war wirklich nicht erpicht darauf, Tsunade noch mehr zu reizen. Überhaupt war das schon weitaus besser verlaufen, als er erwartet hatte.
Als sie die Kneipe bereits verlassen hatten, hörte er hinter sich Schritte. Shizune war ihnen nachgeeilt. Bei ihnen angekommen verbeugte sie sich vor ihnen. Sie hatte noch immer das Schweinchen auf dem Arm.
»Ich muss mich für Tsunade entschuldigen«, sagte sie. »Momentan läuft nicht alles wirklich gut für sie und dann überbringt ihr ihr solch eine Nachricht …«
»Geht schon in Ordnung«, sagte Kakashi. »Ich habe es ehrlich gesagt nicht anders erwartet.«
Das Schweinchen quiekte.
»Tonton sagt, dass es ihr auch leid tut, dass es so lief«, sagte Shizune.
Kakashi musterte das Schweinchen. Es war neu. Als Tsunade gegangen war, hatte sie es noch nicht. »Tonton also? Ninton?«
Wieder quiekte Tonton und nickte.
»Nun ja.« Kakashi zuckte mit den Schultern und vergrub die Hände in den Taschen. »Mission erfüllt. Vielleicht sehen wir uns irgendwann einmal wieder.«
»Ich würde euch ja bitten, noch einen Moment für einen Drink zu bleiben, aber Tsunade war sehr deutlich. Ich wünsche euch eine gute Heimreise.«
Sie verabschiedeten sich von Shizune, dann trennten sich ihre Wege wieder.
»Das war sinnlos«, stellte Kō fest, als sie das Dorf verließen. »Jetzt sind wir also den ganzen Weg um sonst gelaufen.«
»Tja, manchmal ist es eben so«, sagte Kakashi nüchtern. »Unsere Mission war es, eine Nachricht zu überbringen, und das haben wir gemacht. Zeit, nach Hause zu gehen.«
Sie ahnten ja nicht, welch eine Katastrophe sie erwarten würde.
Nächstes Kapitel: Oh boi, shit is about to happen.
CN Gewalt gegen Menschen, Blut, Tod, milder Gore, schwere Verletzungen
Die Hoffnung eines sterbenden Mannes
Tobirama hatte aufgehört zu zählen, wie oft er an diesem Tag schon in Gedanken durchgegangen war, was alles schief gehen könnte und was er dann tun konnte. Anders als Mito oder Hashirama besaß er kein Jutsu, um im schlimmsten Fall ein Bijū zu kontrollieren, und er wusste nicht, ob die Siegel, die er kannte, genügen würden. Er war nervös, und das war ein Gefühl, das er überhaupt nicht leiden konnte.
Er hatte Minato gesagt, dass er bereitstünde, würde er gebraucht werden, doch als er auch nur angedeutet hatte, mehr als das zu tun, hatte Ōkami gedroht, ihm den Kopf abzubeißen und ihn damit unmissverständlich gezwungen, sich diesen Tag freizunehmen. Minato hatte ihr zugestimmt, und murrend hatte sich Tobirama gefügt.
Dennoch, selbst auf dem Weg zu Torifus Haus, ging Tobirama noch immer im Stillen seine Optionen durch. Ōkami trottete neben ihm her und leckte sich bereits erwartungsvoll das Maul. Sie sagte, sie könne das Essen, das sie erwartete, durch das halbe Dorf riechen. Er hatte eine Hand in ihrem Fell und strich gedankenverloren über ihren Nacken. Sein Magen knurrte. In weiser Voraussicht hatte er heute morgen nur wenig gegessen, er kannte die Akimichi gut genug.
»Welpe.«
»Hm?«
»Du bist in Gedanken noch immer nicht voll beim Essen.«
»Denk nicht einmal daran, mir jetzt eine Lektion zu erteilen.«
Die Rache für seine vorlauten Worte kam stehenden Fußes. Ōkami rieb ihren Kopf an ihm. Tobirama gab einen frustrierten Laut von sich.
»Lass das, Mutter!«, knurrte er. »Jetzt hab ich schon wieder dein Fell überall!«
»Passt zu deinem Pelzkragen.«
Er grummelte vor sich hin und zog die bereits dritte Fusselrolle des Tages aus den Ärmeln seines kimono, um seine Kleidung ein weiteres Mal von Ōkamis Fell zu befreien. Es war ein Kampf auf verlorenem Posten und er ahnte bereits, dass er noch vor Ende dieses Abends erneut aussehen würde wie ein halber Wolf. Kakashi hatte ihm ein paar dieser Dinger überlassen, da er augenscheinlich Erfahrung mit seinen Hunden hatte. Wenn das so weiterging, würde Tobirama ihn bald um mehr bitten müssen.
Mittlerweile hatten sie das Viertel der Akimichi erreicht. Es war noch genau so, wie Tobirama es in Erinnerung hatte, einladend dekoriert mit bunten Wimpeln und sanft leuchtenden Papierlaternen, die überall von den Dachkanten hingen. Zum frühen Abend hin herrschte viel geschäftiges Treiben und die Straßen summten von all den Gesprächen und dem vollen Lachen der Akimichi.
Tobirama hatte keine Mühen, Torifus Heim zu finden. Für ihn war es ja nicht lang her, dass er das letzte Mal hier war, und Torifu bewohnte noch immer das Haus seiner Eltern. Viele, an denen er vorbei kam, erkannten ihn, obwohl die meisten jung genug waren, um ihm vorher nie persönlich begegnet zu sein. Aber Ōkami war wohl markant genug.
Bei Torifus Heim angekommen, betätigte er die Türklingel, nachdem er noch einmal geprüft hatte, dass er auch wirklich das meiste von Ōkamis Fell von seiner Kleidung bekommen hatte. Von jenseits der Tür konnte er verschiedene Stimmen hören, die wild durcheinander redeten. Er hatte der Einladung freudig entgegengeblickt, aber dennoch wusste er schon jetzt, dass er froh sein würde, wenn er am Ende des Abends wieder seine Ruhe haben würde.
»Hundi!«, hörte er ein kleines Kind aufgeregt quietschen und dann wurde die Tür auch schon geöffnet.
Ōkami legte bei der Erwähnung eines Hundes die Ohren an, und Tobirama konnte ihre Verstimmung regelrecht spüren. Ihre Rute stand still.
Ihnen hatte eine junge Frau geöffnet, die Torifu so verblüffend ähnlich sah, dass Tobirama sogleich annahm, dass sie seine Tochter war. Sie trug ein Mädchen auf dem Arm, das ihn mit großen runden Augen musterte. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem kleinen runden Gesicht aus, als sie Ōkami sah.
»Nidaime-sama!«, begrüßte die Frau ihre beiden Gäste mit einem einladenden Lächeln. »Es ist solch eine Ehre, Sie wieder in diesem Haus begrüßen zu dürfen, und Sie natürlich ebenso, Ōkami-san. Ich bin Hatsumomo und das ist meine Tochter Mikan. Kommen Sie doch herein. Ōkami-san, ich fürchte, Sie werden außen herum gehen müssen, aber keine Sorge, da haben wir dran gedacht.«
»Hundi!«, rief Mikan erneut aus und streckte ihre kleinen Hände nach Ōkami aus.
Ōkami hob die Lefzen, was das Mädchen aber nicht zu beeindrucken schien. »Vielleicht sollte ich dich fressen, kleines Würmchen, damit du lernst, dass ich kein Hundi bin.«
Hatsumomo lachte nervös auf. »Mi-chan, du weißt doch, was Opa gesagt hat. Sei höflich.«
Tobirama neigte leicht den Kopf. »Ich danke für die Einladung in Ihr Haus, Hatsumomo-san.«
»Es war eine Selbstverständlichkeit.«
Er folgte Hatsumomo in den genkan des Hauses, während Ōkami wieder einmal den Weg außen herum wählte. Im Haus war es angenehm warm und der Geruch nach köstlichem Essen wehte ihm entgegen. Vielleicht hatte Ōkami ja doch Recht und es war eine gute Idee gewesen, die Einladung anzunehmen. Wenigstens für ein paar Stunden seine Sorgen vergessen.
»Chōza-sama ist ebenfalls anwesend«, eröffnete Hatsumomo ihm. »Er hat seinen Jungen Chōji mitgebracht. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie. Vater meinte, Ōkami-san mag Kinder.«
»Hm. Hat sie zum Fressen gern«, sagte Tobirama trocken.
Hatsumomo warf ihm einen unsicheren Blick zu und schien nicht ganz zu wissen, wie sie diese Bemerkung einordnen sollte.
»Ōkami mag Kinder, so lange sie nicht allzu wild werden oder ihr gar auf den Rücken klettern wollen«, fügte Tobirama daher an. Das waren Privilegien, die für Welpen ihres Rudels bestimmt waren.
Hatsumomo entspannte sich sichtlich.
Sie führte ihn in einen der Räume im Erdgeschoss. Hier war eine reich gedeckte Tafel aufgestellt worden, die sich unter all dem Essen förmlich zu biegen schien. Nicht in einer Woche würden sie das alles essen können, und das, obwohl hier bereits noch weitere Personen auf sie warteten. Die Wände waren zur Seite geschoben worden, sodass die frischliche Oktoberluft hereinwehte und auch Ōkami den Raum betreten konnte. Sie schlich mit tropfendem Zahn um das Essen herum.
Unter den Leuten war auch Torifu. Als er Tobirama erblickte, kam er sogleich zu ihm und schloss ihn in eine knochenbrechende Umarmung, erneut Tobiramas Proteste ignorierend. Nicht schon wieder. Tobirama war nur froh, dass seine Wunden dieses Mal wenigstens größtenteils verheilt waren.
»Oi, sensei!«, rief Torifu aus. »Es gleicht ja schon fast einem Wunder, dass Sie doch tatsächlich eine freie Minute für uns erübrigen konnten.«
»Ich höre den Vorwurf.« Tobirama atmete auf, das Torifu ihn wieder freiließ.
»Ach, das bilden Sie sich ein. Kommen Sie! Kommen Sie!« Er winkte ihm und führte ihn zum Tisch. »Meine Tochter und meine Enkelin haben Sie ja schon kennengelernt. Hier ist meine Frau Machiko und er hier ist Raijin, Hatsumomos Mann. Außerdem darf ich Ihnen Chōza-sama vorstellen, unseren Clanführer, und seinen Sohn Chōji.«
Bei der Erwähnung seines Namens trat Chōza vor und verneigte sich vor Tobirama. Tobirama erwiderte die Geste.
»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenlernen zu dürfen, Nidaime-sama«, begrüßte Chōza ihn. »Bitte verzeihen Sie mir meine Dreistigkeit, mich selbst eingeladen zu haben, aber die Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen.«
Tobirama konnte nicht sagen, dass er dem abgeneigt war. Es war eine gute Gelegenheit, Kontakte zu den anderen Clans zu knüpfen, und zumindest die Akimichi machten bisher den Eindruck, ihn wieder wohlwollend im Dorf willkommen zu heißen. Das war ein guter Anfang.
Wie alle Akimichi hatte auch Chōza ein volles Gesicht, das immer zu lächeln schien, und er hatte seine runden Wangen mit den für seinen Clan typischen Zeichnungen verziert. Sein wohl aufmerksamstes Erkennungszeichen war jedoch seine wilde rote Haarmähne.
Ōkami drängte sich zwischen sie und stieß Torifu fordernd mit dem Kopf an, wobei sie etwas Geifer an seine Kleidung schmierte. Sie hechelte zufrieden und wedelte so stark mit dem Schwanz, dass ihr ganzer Körper mit der Bewegung mitschwang. Sie witterte ihre Beute.
»Wenn du dich nicht beeilst, frisst sie dich, Torifu«, bemerkte Tobirama.
Torifu lachte auf. »Dann wollen wir nicht länger warten! Sonst wird noch das Essen kalt, und das wollen wir nun wirklich nicht.«
Raijin brachte aus der Küche eine große Keule, die Ōkami sogleich schnappte. Noch immer zufrieden mit dem Schwanz wedelnd trug sie die Keule zu einer Stelle, die sie wohl als ihren Platz für diesem Abend auserkoren hatte. Ohne auf die Menschen zu achten, begann sie auf dem Fleisch zu kauen und darüber zu lecken. Auch der Rest der Runde setzte sich.
An Chōzas Platz stand eine kleine Wiege, in der sein Sohn lag. Das Baby war gerade einmal fünf Monate alt, beobachtete aber dennoch neugierig das Treiben um sich herum. Irgendwo wuselte Mikan herum, die ihrer Mutter entwischt war und nun einen Vorstoß in Richtung Ōkami wagte. Die Wölfin behielt das Mädchen im Blick und legte eine Pfote in einer unmissverständlichen Geste über ihr Fleisch, doch Mikan war daran ohnehin nicht interessiert. Tobirama ließ sie gewähren. Ōkami würde schon deutlich genug machen, wenn Mikan etwas tat, das ihr nicht behagte.
»Na los, sensei, erzählen Sie«, forderte Torifu ihn auf. »Essen ist immer auch eine Zeit, um Geschichten zu erzählen. Ich will in jedem Detail wissen, was Sie mit diesen Mistkerlen damals angestellt haben.«
Machiko hatte Tobirama bereits eine reichliche Portion yakitori mit Reis hingestellt. Das Fleisch roch köstlich und schwamm förmlich in brauner Bratensoße. Tobirama nahm sich die Zeit, einen Bissen davon zu kosten. Das Fleisch zerging ihm förmlich auf der Zunge. So köstlich!
»Die Küche der Akimichi hat in all den Jahren definitiv nicht an Qualität verloren«, lobte er.
»Natürlich nicht!«, betonte Machiko. »Ich stand in der Küche, noch bevor ich ein Kunai halten konnte. Worauf es im Leben wirklich ankommt, sind eine gute warme Mahlzeit und fröhliche Gesellschaft.«
Tobirama konnte ihr da nur zustimmen. »In der Tat. Gäbe es nur mehr, die gutes Essen und Lieder höher schätzen als ihr Geld, so wäre die Welt fröhlicher.«
»Egal, ob Sie es nun in Verse packen oder nicht, ich bin gespannt auf Ihre Geschichte, sensei«, sagte Torifu.
»Sehen Sie mir meine Neugierde nach, Nidaime-sama, aber auch ich bin gespannt, sie zu hören«, fügte Chōza an. »Es heißt immer, Sie stünden ihrem Bruder kaum nach und Shodai Hokage wurde immerhin shinobi no kami genannt. Wie kann jemand wie Sie besiegt werden?«
Tobirama schnaubte. Hashirama hatte es immer fürchterlich albern gefunden, wenn Leute ihn so nannten. »Kinkaku und Ginkaku waren Proto-jinchūriki, deswegen konnten sie über Kyubis Chakra verfügen. Während unseres Kampfes erfuhr ich, dass Kumogakure schon lange vor Madara versucht hatte, Kyubi zu kontrollieren, und in diesem vergeblichen Versuch wurden die Brüder vom Fuchs verschlungen. Sie überlebten, indem sie vom Fleisch des Fuchses aßen, und er spie sie wieder aus. So nahmen sie einen Teil seines Chakras auf.«
»Na, das ist ja eine tolle Geschichte zum Essen!«, rief Machiko dazwischen. »Ich will mir das gar nicht erst vorstellen, sonst vergeht mir noch der Appetit.«
»Dir vergeht nie der Appetit, Mutter«, sagte Raijin.
Das brachte Torifu zum Lachen. »Wahr gesprochen!«
Das brachte die Aufmerksamkeit wieder zurück zum Essen und Tobirama konnte endlich ein paar Bissen genießen. Lange wurde er dennoch nicht in Ruhe gelassen.
»Also haben Sie quasi gegen zwei jinchūriki zur gleichen Zeit gekämpft?«, wollte Chōza wissen. »Unglaublich!«
»Sie besaßen nicht über die volle Kraft des Fuchses, da hätte auch ich nicht lange standhalten können«, sagte Tobirama. »Allerdings besaßen sie auch Relikte des Weisen der Sechs Pfade und das war genug. Torifu, sag, weißt du, was aus diesen Relikten wurde?«
Doch Torifu konnte nur den Kopf schütteln. »Das weiß keiner. Sarutobi hatte damals natürlich denselben Gedanken und auch der Raikage ließ nach den Waffen suchen; die Brüder hatten sie ihm immerhin gestohlen. Aber ihr Verbleib konnte nie aufgeklärt werden.«
Tobirama nahm es schweigend hin. Es waren gefährliche Waffen, das hatte er am eigenen Leib erfahren. Sie durften nicht in die falschen Hände geraten. Vielleicht war es ganz gut, dass sie bis zu diesem Tage nicht mehr aufgetaucht waren, vielleicht waren sie zerstört worden.
Allerdings behagte ihm ein Vielleicht nicht wirklich.
»Das muss ein unglaublicher Kampf gewesen sein«, staunte Chōza.
»Ich hätte ihn dennoch nicht überlebt«, sagte Tobirama. »Aber darum ging es in diesem Moment auch gar nicht. Es ging nur darum, sie aufzuhalten.«
»Aber wie haben Sie es dann geschafft?«, wollte Chōza wissen.
»Hiraishin, das Jutsu, das sensei uns nie beibringen wollte und nach dem dich deine Eltern benannt haben, Raijin«, sagte Torifu mit einem dröhnenden Lachen.
Raijin sah zwischen ihm und Tobirama hin und her und lief dann knallrot an. »Das ist so peinlich! Meine Eltern haben einen beschissenen Humor!«
Die Anwesenden lachten und Raijin wurde noch röter.
Als wieder etwas Ruhe in die Runde kam, erklärte Tobirama erneut, was genau mit seinem Siegel schief gegangen war. Chōza hörte aufmerksam zu und stellte einige intelligente Fragen. Er schien einigermaßen überrascht zu sein zu erfahren, dass nicht Minato der Erfinder dieses Jutsu war, sondern Tobirama. Tobirama war pikiert und betonte daher noch einmal ganz deutlich, dass es seine Erfindung war. Ja, das galt auch für Kage Bunshin no Jutsu, bitte, danke.
Indes hatte Ōkami vorerst ihre Mahlzeit beendet, obwohl sie den Beinknochen noch nicht kahl geknabbert hatte. Stattdessen hatte das Baby in seiner Wiege ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie erhob sich, ging um den Tisch und begann, Baby Chōji ausgiebig zu beschnüffeln. Chōji stand der Inspektion durch die Wölfin erst skeptisch gegenüber, doch dann begann er doch zu lachen. Ōkami leckte seine Fußsohlen ab, was er ungemein lustig zu finden schien. Fröhlich giggelnd strampelte er und tastete mit seinen kleinen Pummelärmchen nach Ōkami. Sie stieß ihre Nase sanft gegen seinen Bauch und schnaubte, was ihn nur noch mehr zum Lachen brachte.
»Ich will auch! Ich will auch!«, verkündete Mikan, entwischte erneut ihrer Mutter und rannte zu Ōkami.
Ōkami legte sich der Länge nach neben die Wiege und war immer noch groß genug, um über den Rand hinweg zu blicken. Chōji, wie es schien, war ein ganz eifriger, denn er schaffte es bereits aus eigener Kraft, sich auf den Bauch zu drehen und zum Rand der Wiege zu ziehen, von wo aus er die Wölfin besser im Blick hatte. Sie ließ es zu, dass er ihre Schnauze betatschte. Chōza warf einen beunruhigten Blick auf ihre Fänge in unmittelbarer Nähe zu seinem Sohn.
»Du darfst mich streicheln, kleiner Wurm, aber nur, wenn du versprichst, mich nicht noch einmal einen Hund zu nennen«, sagte Ōkami zu dem Mädchen. »Ansonsten fresse ich dich.«
Mikan lachte. »Das stimmt gar nicht! Opa sagt, dass du nur Uchiha frisst.«
»Mikan!«, rief Hatsumomo empört aus. »Sag so etwas doch nicht.«
Aber Mikan hörte nicht auf sie und ließ bereits begeistert eine Hand durch Ōkamis Fell gleiten. Die kleine Kinderhand verschwand völlig in der dichten Halskrause der Wölfin. Mikan quietschte begeistert auf.
»Das ist so weich! Darf ich auf dir reiten?«
»Nein«, sagte Ōkami bestimmt. »Das dürfen nur meine Welpen.«
Mikan machte ein langes Gesicht, doch Ōkami ließ sich nicht erweichen.
Tobirama hatte die Szene lächelnd beobachtet, während er weiter sein Essen genoss. Er hatte solch gesellige Runden vermisst, und Akimichi waren noch immer die beste Gesellschaft. Es mochte für ihn zwar auf Dauer anstrengend werden, aber völlig für sich allein zu leben, war ebenfalls nicht sein Fall.
Er bemerkte etwas.
Die ganze Zeit schon hatte er seine Sensorfähigkeiten aktiviert gehalten. Es mochte zwar ermüdend sein, besonders mit so vielen Shinobi um ihn herum, aber dennoch wollte er ein Auge auf Kushina haben. Es machte ihn nervös. Der Schrecken über das, was Mito passiert war, saß noch immer tief.
Ihm entging daher nicht, wie plötzlich in einiger Entfernung zum Dorf Minato mehrmals kurz hintereinander sein Hiraishin anwendete. Etwas musste ihn aufgeschreckt haben. Aber was? War etwas mit dem Siegel passiert?
»Sensei, haben Sie etwas?«, fragte Torifu, dem freilich nicht die Veränderung in Tobiramas Stimmung entgangen war.
Nein. Kein Chakra des Bijū. Noch hielt das Siegel also. Was war es dann?
Die Gefahren, die mit Kushinas Schwangerschaft einhergingen, waren geheimgehalten worden, daher sprach Tobirama nicht aus, was ihm durch den Kopf ging. Es waren nur wenige eingeweiht worden und Kushina in sichere Entfernung zum Dorf gebracht worden. Kaum jemand wusste davon, und von den Anwesenden waren nur Tobirama und Ōkami eingeweiht.
Noch ein Hiraishin. Was machte Minato nur? Tobirama wurde unruhig. Er hätte sich von Ōkami nicht dazu überreden lassen sollen, die Sache ruhen zu lassen. Er fühlte sich blind.
Grabesstille senkte sich über das Dorf. Tobirama fröstelte.
Ein Brüllen zerriss die Nacht, eine Explosion erschütterte den Boden. Kyubis stinkendes Chakra flutete Tobiramas Sinne. Ein scharfer Pfiff Tobiramas und schon rannte Ōkami an seiner Seite nach draußen.
»Wir werden angegriffen!«, brüllte Chōza hinter ihnen. »Schnell. Läutet den Alarm! Ruft alle zusammen! Bringt die Kinder in Sicherheit!«
Tobirama verschwendete gar nicht erst seinen Atmen, als er sich dem vollen Ausmaß der Katastrophe entgegen sah, wie seine neun Schwänze wild durch die Straßen peitschten und Häuser und Menschen gleichermaßen zerschmetterten. Laut brüllte Kyubi auf. Sirenen heulten im Dorf.
Tobirama schwang sich auf Ōkamis Rücken und schon sprang sie mit weiten Sätzen davon, in die Richtung, in der sie Hiruzen witterte. Sie rannte mit fliegenden Pfoten über die Dächer, dem Chaos auf den Straßen ausweichend. Menschen rannten durcheinander, schrien, waren verwirrt und ängstlich. Einige Shinobi versuchten, ihnen zu einer Flucht zu verhelfen, andere sammelten sich zum Angriff.
Nur Augenblicke später hatte Ōkami Hiruzen ausfindig gemacht und kam schlitternd vor ihm zum Stehen. Bereits hatte er sich zum Kampf gerüstet und Shinobi um sich versammelt, um die Verteidigung des Dorfes zu führen. Sehr gut! Er hatte Enma beschworen und auch Homura und Koharu waren bei ihm. Nur kurze Zeit später stieß auch Torifu zu ihnen.
»Sensei, wo ist Minato?«, fragte Hiruzen sogleich.
In all dem Chaos fiel es selbst Tobirama schwer, einzelne Chakren ausfindig zu machen. Doch jemand anderes, der sein Hiraishin verwendete, das er niemandem gelehrt hatte, war wie ein Leuchtfeuer für ihn. Er deutete zum Hokagefelsen, wo in diesem Moment Minato auftauchte.
Auch Kyubi schien das bemerkt zu haben. Voller Wut peitschten seine neun Schwänze und säten Verwüstung im Dorf. Die Bestie brüllte auf und sammelte sein Chakra. Noch bevor selbst Tobirama reagieren konnte, feuerte Kyubi die Bijū Kugel ab. Doch statt zu detonieren, verschwand sie in einer Barriere. Nur wenige Augenblicke später explodierte sie in vielen Kilometern Entfernung.
Tobirama erkannte das Jutsu, es war seine Hiraishin Barriere. Sie hatte ihn mehr als nur einmal vor Izunas durch sein Mangekyō verstärkten Feuerdrachen gerettet. Er nickte zufrieden. Minato verstand etwas von dem, was er da tat.
»Treibt die Bestie aus dem Dorf!«, befahl Tobirama.
»Ihr habt Nidaime-sama gehört!«, rief Hiruzen. »Verschafft mir Zeit!«
Kyubi im Dorf zu bekämpften, wäre zu gefährlich. Sie würden das ganze Dorf verwüsten, und das galt es unbedingt zu vermeiden.
Tobiramas und Hiruzens Befehl folgend stoben die Shinobi davon und griffen Kyubi mit dem Mut der Verzweiflung an, während Hiruzen sein Jutsu vorbereitete. Ōkami stob davon.
Mit Enmas Hilfe, welcher seine Stabform explosionsartig verlängerte, schaffte es Hiruzen, Kyubi aus dem Dorf zu drängen. Im selben Moment erreichte Ōkami zusammen mit Tobirama die Dorfgrenze. Er sprang von ihrem Rücken und noch in derselben Bewegung sammelte er sein Chakra und ging durch eine Reihe von Handzeichen.
Eine gigantische Ozeanwelle schwemmte Kyubi davon. Das Wasser schmetterte mit knochenbrechender Gewalt in die Bestie und erfasste sie. Kyubi wurde mitsamt den tobenden Wassermassen und allem, was sie mit sich führten, hinfortgerissen. Schlamm, Bäume und hausgroße Felsbrocken gleichermaßen wurden herumgewirbelt, als seien sie nichts weiter als Spielzeuge und inmitten des Mahlstroms, den Tobirama beschworen hatte, war Kyubi.
Eine Schneise der Verwüstung tat sich vor Tobirama auf, an dessen anderem Ende die riesige orangerote Masse Kyubis aufragte. Er war an einer Felskante zum Liegen geblieben, Wasser tropfte von ihm herab. Langsam richtete er sich wieder auf. Tobiramas Angriff schien ihm zugesetzt zu haben, doch gleichzeitig schien er erst so richtig seine Wut angefacht zu haben.
Kyubi brüllte. Er brüllte und brüllte und brüllte und dann startete er einen erneuten Angriff. Dieses Mistvieh! Tobirama biss die Zähne zusammen und ging erneut durch eine Reihe von Handzeichen.
Ein schneidender Schmerz in seiner Lunge nahm ihm die Luft zum Atmen und ließ ihn keuchend auf die Knie sinken. Schwarze Punkte traten ihm vor die Augen. Er spuckte Blut. Nicht jetzt! Das durfte nicht wahr sein!
Es war Minato, der ihm zuvorkam, indem er eine gigantische Kröte heraufbeschwor, die direkt auf Kyubi fiel. Der Fuchs wurde zu Boden gepresst. Er brüllte zornig auf und versuchte, seinen Angriff fortzusetzen. Mit einem lauten Krachen schloss er seine gewaltigen Kiefer um die Chakrakugel, um ihr noch mehr Gewalt zu verleihen.
Die Kröte mochte eine gute Idee sein, doch sie hatte keine Klauen, nichts, mit dem sie Kyubi auf Dauer würde binden können.
Kyubi verschwand samt Minato. Erneut explodierte etwas in der Ferne.
»Ist er weg?«, wollte Hiruzen wissen, der in diesem Moment Tobirama erreichte. »Hat Minato es geschafft, den Fuchs aus dem Dorf zu vertreiben?«
»Nein«, widersprach Tobirama. »Weit hat er es nicht geschafft, Kyubi ist zu gewaltig.«
Er kämpfte sich wieder auf die Beine und sah in die Richtung, aus der die letzte Explosion gekommen war. Dieser Narr! Anscheinend versuchte er, allein mit Kyubi fertig zu werden. Aber viel Chakra konnte er nicht mehr besitzen, er würde es nicht schaffen. Dieser Kampf war noch nicht entschieden.
»Hiruzen«, sagte Tobirama. »Nimm deine Leute und geh Minato nach. Er wird Hilfe brauchen.«
»Und was machen Sie, sensei?«
»Mehr Hilfe holen.«
Kyubi war außer Kontrolle. Tobirama musste nicht wissen, was genau vorgefallen war. Er wusste auch so, dass Kushina tot war oder es bald sein würde. Für sie gab es keine Hilfe mehr. Aber der Rest von ihnen konnte noch vor Kyubi bewahrt werden. Vielleicht.
Tobirama mochte dieses Wort wirklich nicht. Aber er musste es einfach versuchen.
Er teleportierte sich zurück ins Dorf in die Nähe mehrerer Uchiha. »Ihr da!«, rief er ihnen sogleich zu, als er auf sie zu rannte. »Ich brauche jemanden mit einem Mangekyō! Wer von euch besitzt es?«
Die Uchiha stellten auch dieser Tage noch die Polizei von Konoha, ganz so, wie er es ihnen damals aufgetragen hatte. Daher hatten sie sich bis jetzt aus dem Kampf herausgehalten und sich darauf konzentriert, die Zivilisten zu evakuieren.
Die Männer sahen ihn für einen kostbaren Moment verdattert an. Dann deutete einer von ihnen die Straße hinab auf einen weiteren Uchiha. »Fugaku-sama hat es.«
Tobirama rannte sogleich weiter, die Schmerzen in seiner Brust ignorierend. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund.
»Fugaku!«, rief er dem Mann zu. »Ich brauche Ihre Hilfe. Mitkommen.«
Fugaku sah ihn fragend an, doch Tobirama gab ihm keine Gelegenheit für eine Erwiderung. Er packte ihn beim Arm und teleportierte sie beide direkt zu Minato. Zum Glück hatte er noch eines seiner Kunai bei sich geführt.
Er war bei Kushina und hatte Kyubi und das Baby mit sich gebracht. Was hatte der Mann sich dabei nur gedacht? Kushina lebte noch, gerade so, und mit ihren letzten Kräften hatte sie ihre Kongō Fūsa beschworen, mit denen sie Kyubi gefesselt und gleichzeitig eine Barriere um ihn errichtet hatte, aus der nichts heraus oder hereinkam. Es war unglaublich. Sie hatte ein Kind geboren und Kyubi war ihr entrissen worden und dennoch kämpfte sie noch immer. Minato, der das schreiende Baby auf dem Arm hielt, sah allerdings kaum besser aus. Es musste ihn ungeheure Kraft gekostet haben, Kyubi hierher zu bringen.
Verwundert sah er auf, als Tobirama samt Fugaku bei ihm erschien. »Ni-nidaime-sama?«
Fugaku war ganz bleich geworden im Gesicht, ein Nebeneffekt davon, mit Hiraishin teleportiert zu werden, wenn man nicht der Anwender war. Doch dafür war jetzt keine Zeit.
»Fugaku, Sie müssen Kyubi in Ihre Kontrolle bringen«, befahl Tobirama ihm. »Ich helfe Ihnen.«
Fugaku hatte sich wieder gefasst. Er nickte fest. »Habe verstanden.«
Dieses Mal beschwor Tobirama einen Wasserdrachen. Brüllend schwang sich der Drache empor und stürzte sich sogleich auf Kyubi. Er schlang sich um die Fuchsbestie und warf sie zu Boden. Kushinas Ketten erzitterten. Lange würden sie nicht mehr halten.
»Er ist stark!«, rief Fugaku. »Er wehrt sich sogar gegen mein Sharingan!«
Tobirama biss die Zähne zusammen. Das hatte er befürchtet. Aber sie mussten es einfach weiter versuchen.
»Es hat keinen Zweck«, keuchte Kushina. »Ich … ich versiegle Kyubi wieder in mir und dann … dann stirbt er mit mir. F-für eine Weile jedenfalls.«
»Nein!«, widersprach Minato heftig. »Nein, das lasse ich nicht zu! Es muss einen anderen Weg geben.«
Tobirama beschwor einen weiteren Wasserdrachen, der sich auf Kyubi warf und ihn in einer Explosion zu Boden warf. Kyubi brüllte, wehrlos und gefesselt von dem ersten Drachen und Kushinas Ketten. Doch er begehrte auf, eine unbändige Kraft wohnte ihm inne. Mit der Gewalt puren, rohen Chakras warf er sich umher und schlug mit den Pranken nach ihnen.
»Du Mistvieh!«, brüllte Tobirama ihm entgegen. »Du hast mein Dorf schon einmal überfallen, noch einmal lasse ich das nicht zu!«
Er hatte nichts weiter als seine Worte. Hashirama war nicht hier. Mito war nicht hier. Er war hilflos. Es machte ihn rasend.
»Minato, nein!«, rief Kushina schluchzend.
In diesem Moment erstarrte Kyubi. Rot schien das Sharingan aus seinen Augen. Endlich hatte Fugaku Erfolg! Er machte ein angestrengtes Gesicht.
»Lange werde ich ihn nicht halten können«, keuchte er.
Es musste reichen. Aber für was? Tobirama wusste es nicht.
»Minato!«, schrie Kushina verzweifelt.
Tobirama und Fugaku hatten dem jungen Paar Zeit erkauft. Minato hatte diese Zeit anscheinend genutzt und begann sein Jutsu. Mit wachsendem Schrecken verfolgte Tobirama das Geschehen. Er kannte diese Fingerzeichen.
Shinigami!
»Du Narr!«, brüllte er Minato an. Jetzt war keine Zeit für Höflichkeiten. Was sollte das? Was tat er da?
Doch es war zu spät. Minato hatte den Totengott bereits beschworen. Sein Leben war verwirkt.
Minato schien seinen Frieden damit gemacht zu haben. »Ich werde einen Teil von Kyubi in mir versiegeln und mit mir nehmen«, sagte er ruhig. »Ich kann Kyubi nicht im Ganzen versiegeln, er ist zu groß. Daher werde ich die andere Hälfte Naruto anvertrauen. Eines Tages wird er großen Nutzen daraus ziehen.«
»Und ich dachte, mein Bruder wäre ein Idiot!«, knurrte Tobirama ihn an, doch es war nur seine Frustration, geboren aus seiner Hilflosigkeit, die da sprach.
Doch halt. Nein. Was, wenn …?
Shinigami benutzte Minatos Körper als Medium, um sich Kyubis Chakra zu bemächtigen. Minato schrie auf, als die ganze Macht des Chakras auf ihn einprallte und in ihm versiegelt wurde, ganz gleich, dass es nur ein Teil der eigentlichen Kraft des Fuchses war.
Im selben Moment verlor Fugaku die Kontrolle über Kyubi. Der Fuchs richtete sich auf und schüttelte sich. Dann brüllte er wütend auf.
»Oh nein, das wirst du nicht tun!«, drohte er und holte mit seiner Pranke aus.
Fugaku schleuderte Kyubi einen Feuerball mitten ins Gesicht. Tobirama schlug seine Pranke mit einem harten Wasserstrahl zur Seite.
Minato presste sein Baby schützend an sich. Dann beschwor er einen Altar herauf, auf den er Naruto bettete, um das Ritual für die Acht Trigramme durchzuführen.
»Beeilung!«, drängte Tobirama ihn. Die Schmerzen in seiner Brust waren mittlerweile fast unerträglich. Aber er musste durchhalten!
Noch war nicht alles verloren, doch Kyubi setzte bereits zu einem nächsten Angriff an. Seine Schwänze peitschten auf sie nieder. Tobirama und Fugaku taten ihr bestes, um sie abzuwehren. Zu spät erkannte Tobirama, dass es nur ein Ablenkungsmanöver war.
Erneut schlug Kyubi nach Minato und Kushina. Mit schreckgeweiteten Augen sah Tobirama die alabasterfarbenen Klauen aufblitzen. Ganz so wie damals, als Hashirama mit Kyubi rang. Und so wie sein Bruder damals würden auch Kushina und Minato aufgespießt auf dieser Klaue enden, zerfetzt und mit herausgerissenen Eingeweiden. Doch sie waren nicht Hashirama, sie würden das keinesfalls überleben. Selbst Hashirama war nur knapp dem Tod entronnen.
Tobirama setzte sich in Bewegung. Verzweifelt warf er sich nach vorn, die Arme ausgestreckt. Mit der rechten Hand bekam er Minatos Kragen zu fassen, mit der linken wollte er nach Kushina greifen. Ausgerechnet seine linke Hand, die schwache, die ihm noch immer Probleme bereitete, deren Sehnen noch immer schmerzten und mit der er nicht mehr richtig greifen konnte.
Kushina entglitt seinem Griff. Während er noch Minato mit sich riss, konnte Tobirama in aller Klarheit sehen, wie Kushina auf Kyubis Klaue endete. In einer Explosion aus Rot bohrte sie sich durch Kushinas Brust.
Eine Detonation schleuderte Kyubis Arm zur Seite. Es war genug, dass seine Klaue Naruto verfehlte.
Schmerzhaft prallte Tobirama mit Minato in seinen Armen auf den Boden auf. Der Sturz presste ihm die Luft aus seinen ohnehin geschädigten Lungen, benommen japste er auf. Minato kam schneller wieder zu Sinnen als er, kämpfte sich auf die Beine und stolperte zu Naruto. Mit seinen letzten Kräften vollzog er die Acht Trigramme. Dann brach er zusammen.
Tobirama blinzelte. Kyubi war verschwunden. Die Stille, die daraufhin folgte, war gespenstisch. Stöhnend kämpfte er sich auf Hände und Füße. Es war noch nicht vorbei.
Er stolperte zu Minato und fiel neben ihm auf die Knie. Da war Blut, sehr viel sogar. Eine tiefe Wunde klaffte in Minatos Flanke. Ganz hatte er ihn also doch nicht vor der Klaue retten können. Das Blut floss reichlich in pulsierenden Stößen. Shinigami hatte seinen Preis noch nicht eingefordert. Gut.
Es gab ein Jutsu, über das Tobirama nie gesprochen hatte, mit niemandem. Nicht einmal mit Hashirama oder Mito. Die Forschungen an Edo Tensei hatten ihn dazu geführt, schon vor langer Zeit. Er war in tiefe Abgründe gereist und hatte in die Dunkelheit geblickt, und als er erkannt hatte, was er da sah, hatte er das Wissen darum tief in sich weggeschlossen. Zu gefährlich war es. Das sprichwörtliche Spiel mit dem Tod.
Er vollzog eine lange Reihe von Handzeichen. Noch nie zuvor hatte er das Jutsu angewandt und es wäre besser, wenn es auch so bliebe. Aber jetzt war es Minatos letzte Rettung, die Hoffnung eines sterbenden Mannes. Es würde funktionieren, es musste einfach. Vielleicht.
Tobirama aktivierte das Jutsu, ließ sein Chakra in das Siegel fließen und presste seine Hand auf Minatos Brust, direkt über seinem Herzen. Minato würgte, seine Glieder zuckten. Er starb. Es zerriss ihn innerlich, als der Totengott an seiner Essenz riss und gleichzeitig Tobiramas Siegel dagegen ankämpfte. Er biss die Zähne zusammen.
»Nein!«, knurrte er stur. »Nein, du kriegst ihn nicht! Seine Zeit ist nicht gekommen! Hörst du? Nicht heute!«
Er schrie auf. Das Siegel hielt fest. Minato lag still.
Sofort hob Tobirama ihn hoch, kämpfte sich selbst auf die Beine und mit seinen letzten Kräften teleportierte er sie beide direkt zum Krankenhaus. Chaos herrschte. Überall liefen Menschen durcheinander, schrien, weinten, klagten. Der Angriff hatte unzählige Verletzte zurückgelassen, die beinahe im Minutentakt in das Krankenhaus gebracht wurden. In all dem Durcheinander schien man Tobirama zunächst gar nicht zu bemerken.
»Er stirbt!«, brüllte Tobirama mit allem, was seine zerfetzten Lungen noch hergaben. »Er stirbt! Er braucht einen Arzt! Sofort!«
Ihm versagte die Stimme. Er würgte, als er etwas Feuchtes, Flüssiges in seiner Kehle spürte. Er bekam keine Luft mehr. Seine Knie gaben unter ihm nach. Jemand nahm ihm Minato ab. Er hustete und spuckte Blut vor sich auf die weißen Krankenhausfliesen. Benommen sackte er gegen die Wand und glitt daran entlang zu Boden. Die Welt drehte sich. Dann wurde alles schwarz.
Tobirama zitiert hier nicht direkt Thorin, aber es ist doch nahe dran.
Hier endet der erste Arc. Im nächsten Kapitel geht es weiter mit einem Zwischenspiel mit Minatos POV.
Zwischenspiel
Minato hasste Tage wie diese. Es waren Tage, die ihn daran zweifeln ließen, ob er wirklich der beste für diese Position war, ob es wirklich eine kluge Entscheidung gewesen war, ihm den Hut zu überlassen.
Alles in ihm zog ihn nach draußen, weg von diesem Schreibtisch und dorthin, wo die eigentlichen Geschehnisse stattfanden. Nach draußen, mit einer Waffe in der Hand und hinaus aufs Schlachtfeld.
Stattdessen saß er schon seit Stunden in diesem Raum fest und diskutierte mit den Alten irgendwelchen belanglosen Kram. Sie testeten ihn, er wusste das. Es war dennoch ermüdend.
Er sollte respektvoller von ihnen denken, sagte er sich im Stillen. Er musste dennoch an sich halten, als Danzō mal wieder mit aller Macht versuchte, seinen Willen zu bekommen. Der Professor hatte ihn gewarnt, dass Danzō seine stärkste Opposition werden würde, dass es ihm am wenigsten schmecken würde, dass Minato das Amt des Hokage erhalten hatte und nicht Orochimaru, wie es Danzōs Wunsch gewesen war.
»Ich sage immer noch, wir sollten unsere Grenzen stärken und Agenten ins Ausland schicken«, sagte Danzō soeben. »Orochimaru hat einige gute Leute, die sich hervorragend auf Infiltration verstehen.«
»Und warum sollten wir das tun?«, konterte Minato und musste ein genervtes Seufzen unterdrücken. Schon wieder. »Wir haben gerade erst einen Krieg beendet, der Frieden, den wir erwirkt haben, ist noch immer fragil. Warum sollten wir das riskieren, indem wir unsere Nachbarn ausspionieren und damit alles gefährden, wofür wir gekämpft haben?«
»Es wäre keine Gefährdung, wenn wir die Besten schicken, jene, die niemals jemand finden wird«, betonte Danzō.
Er war ja wirklich sehr überzeugt von seinen Leuten. Die Ne war Minato ein Dorn im Auge, eine Einheit, über die er keine Kontrolle hatte und von der er nicht wusste, wer da überhaupt dabei war. Das machte sie unberechenbar. Und sie unterlag der vollen Kontrolle Danzōs.
»Jeder macht irgendwann einmal Fehler«, warf Sarutobi ein. »Selbst wenn wir die Besten für solch eine Operation einschleusen, besteht stets ein Restrisiko der Entdeckung. Es könnte die anderen Nationen provozieren und sie zu dem Gedanken verleiten, wir würden planen, den Friedensvertrag zu verletzen.«
»Und was sagt uns, dass sie nicht dasselbe tun?«, gab Koharu zu bedenken. »Bereits die Vergangenheit hat gezeigt, dass solche Verträge kaum mehr Wert sind als das Papier, auf dem sie geschrieben wurden.«
»Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt«, zitierte Minato. »Das Unerhörte ist alltäglich geworden. Der Held bleibt den Kämpfen fern.«
Weiter kam Minato nicht, als sein Tag ganz plötzlich und unerwartet um einiges spannender wurde.
Seit Jahr und Tag schon befand sich im Büro des Hokage eine eigenwillige Hiraishin-Markierung. Minato hatte sie nie angerührt, aber auch in den Aufzeichnungen seines Vorgängers keine Informationen darüber gefunden. Da er nie wirklich die Funktionsweise dieses Siegels verstanden hatte, hatte er es nie angerührt.
Umso erstaunlicher war es, als das Chakra im Siegel mit einem Male aufflackerte und im selben Moment eine Person mitten unter ihnen auftauchte. Koharu gab einen erschrockenen Laut von sich, der Rest von ihnen verfiel in schockstarres Schweigen. Sie alle starten auf die Person, die da mitten unter ihnen aufgetaucht war, blutüberströmt und offensichtlich schwer verwundet.
Sarutobi fand als erstes seine Stimme wieder. »Sensei?«
Und da endlich begriff Minato, wer da zu seinen Füßen lag. Er sah dieses Gesicht täglich, es war in Stein in den Fels geschlagen worden, und seine roten Augen sahen tagtäglich vom Foto an der Wand hinter ihm kritisch auf ihn herab. Doch nun war es nicht mehr steinern und streng, nicht mehr nur eine körnige Fotografie, leblos und regungslos. Nun standen in diesem Gesicht Qualen, Panik und nackte Todesangst.
Unter all dem Blut hätte er Tobirama dennoch beinahe nicht erkannt.
Ein Stimmengewirr brach los.
»Wie kann das sein?«, stammelte Koharu völlig verblüfft.
»Was hat das zu bedeuten?«, fügte Danzō ebenso wenig hilfreich an.
»Aus dem Weg!« Minato schob sie grob zur Seite, um sich Platz zu verschaffen. All das Blut! Es war so schrecklich viel.
»Er ist verletzt!«, rief Homura aus.
»Das sehe ich selbst!«, fuhr Minato ihn an.
»Er braucht einen Arzt!«, fügte Sarutobi unnützerweise an.
»Sofort alle zur Seite, ich bringe ihn ins Krankenhaus!« Minato achtete nicht auf die Alten, kniete sich neben Tobirama und hob ihn hoch. Sofort war seine Kleidung blutdurchtränkt, aber er scherte sich nicht darum. Die Frage, was hier eigentlich gerade passiert war, konnte warten. Es galt, ein Leben zu retten.
Ohne lange zu fackeln, griff Minato nach der Hiraishin-Markierung nahe des Krankenhauses und rannte noch in dem Augenblick los, in dem er bei der Markierung erschien. Tobirama in seinen Armen regte sich nicht mehr. Schlaff hingen seine Glieder herab, blicklos starrten seine Augen ins Leere und auch das Blut floss immer langsamer. Das war nicht gut, oder? Konnte es sein, dass er gerade starb? Wie hatte er überhaupt noch leben können? Es sah aus, als hätte irgendetwas ein ganzes Stück aus seiner linken Flanke gerissen. Waren das Rippen, die Minato da sah?
Mit Schwung trat er die Krankenhaustür ein. »Ein Arzt!«, schrie er so laut er konnte. »Notfall! Einen Arzt, sofort!«
Einige Menschen, vielleicht Patienten, vielleicht Besucher, starrten ihn verdutzt an. Die Krankenhausmitarbeiter jedoch reagierten sofort. Jemand rief den diensthabenden Notarzt, andere besorgten sogleich eine Trage und nahmen Minato den Verletzten ab. Niemand stellte unnötige Fragen, doch auf die Frage, was genau eigentlich passiert war, konnte Minato nur mit den Schultern zucken. Tobirama war tödlich verwundet, so viel konnte er sagen, aber das sah wohl jeder.
Menschen in weißen Kitteln eilten herbei. Jemand bellte scharf einige Befehle, und dann eilten sie auch schon davon in den Not-OP. Minato blieb allein zurück im Gang, besudelt mit Blut und völlig verdattert. Was war hier eigentlich gerade geschehen? War das wirklich geschehen oder hatte er nur geträumt, dass eine längst tot geglaubte Person aus dem Nichts heraus vor ihm erschienen war?
Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, und auch, weil es sich falsch anfühlte, jetzt einfach wieder nach draußen zu spazieren, als sei nichts geschehen, setzte er sich auf eine der Plastikbänke, die entlang der Wand standen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bis ihm einfiel, dass das wohl keine gute Idee sei. Aber da war es schon zu spät und er hatte sich das Blut in die Haare geschmiert.
So fand ihn Sarutobi. Er musste ihm zu Fuß nachgeeilt sein, noch im selben Moment, in dem Minato aus dem Büro verschwunden war. Schwer atmend blieb er vor Minato stehen und fasste sich an die Brust.
»Ich werde zu alt für so etwas«, keuchte er.
Minato rückte zur Seite und bot ihm den Platz neben sich an. Sarutobi setzte sich und verschnaufte.
»Sagen Sie, Professor, das habe ich mir nicht eingebildet, oder?«, wollte Minato von ihm wissen.
Sarutobi schüttelte den Kopf. »Und wenn doch, sind wir alle derselben Illusion erlegen. Ich kann mir nicht erklären, wie, aber das war eindeutig mein alter sensei, Nidaime Hokage Senju Tobirama, um keinen Tag gealtert. Sag, wie geht es ihm?«
Minato sah auf seine besudelten Hände herab. Seine einstmals weiße Robe war blutdurchtränkt. Kushina würde ihn vierteilen, wenn sie das sah.
»Ich weiß es nicht«, sagte er ehrlich. »Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt noch gelebt hatte, als ich ihn hierher brachte. Er ist jetzt in den Händen der Ärzte. Wir werden warten müssen.«
Sarutobi musterte ihn. »Das wird sicher noch eine Weile dauern. Geh und zieh dir etwas sauberes an.«
Minato ließ den Kopf gegen die Wand hinter sich sinken. Dann musste er aus irgendeinem Grund lachen. »Das ist doch absurd. Das ist alles so völlig abgedreht. Leute stehen nicht einfach so wieder von den Toten auf, nur um mir verblutend vor die Füße zu fallen. Und dann ausgerechnet Nidaime Hokage!«
Sarutobi zückte eine Pfeife, die er von sonst woher zauberte. Minato hatte sein Geheimnis nie ergründen können, wie er es schaffte, zu absolut jeder Gelegenheit entspannt seine Pfeife zu rauchen. Er paffte ein paar Mal an der Pfeife und lehnte sich dann ebenfalls zurück. Seine Haltung wirkte nun ebenfalls entspannter.
»Tja, wer weiß«, sagte er lässig. »Mein sensei war schon immer für eine Überraschung gut. Irgendwie würde es mich da nicht einmal verwundern, wenn er ein Zeitreisejutus aus dem Ärmel zaubern würde.«
»Meinen Sie, dass es genau das war?«
Doch Sarutobi zuckte nur mit den Schultern. »Gegenwärtig bin ich genauso ahnungslos wie du. Wir werden abwarten müssen.«
Minato musste seine Ungeduld zügeln. Da sie wirklich nichts weiter tun konnten, als zu warten, empfahl sich Minato für den Moment und nahm den direkten Weg nach Hause. Er hoffte, dass Kushina gegenwärtig nicht Heim war, um sie mit seinem Anblick nicht zu erschrecken, doch das Klappern von Töpfen in der Küche machte seine Hoffnungen zunichte.
»Hallo, Liebling! Bin wieder da!«, rief er und schlich gleichzeitig auf schnellstem Wege zum Bad.
Kushina war natürlich schneller mit ihrer eigenwilligen Fähigkeit, immer zu erschnüffeln, wenn etwas im Busche war. Sie streckte den Kopf aus der Küche, in einer Hand einen Kochlöffel. In ihrem Mundwinkel haftete verräterische Schokolade, und Minato nahm Abschied von seinem Abendsnack. Kushinas Heißhungerattacken hatten in letzter Zeit effektiv jede noch so gut versteckte Süßigkeit im Haus erschnüffelt.
»Lässt sich mein Mann auch wieder einmal blicken, was für ein seltener Anblick! Ich koche uns gerade Marmelade nach dem Rezept von Mito-hi… AHHHH!!!«
Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende. Ein schriller Schrei zerriss Minatos Trommelfelle, als sie ihn erblickte. Genau das hatte er vermeiden wollen.
Er machte eine beschwichtigende Geste. »Alles gut, ist nicht mein Blut. Mir geht’s gut. Aber du wirst nicht glauben, was gerade passiert ist!«
Kushina schnappte nach Luft.
»Schatz, Liebling, beruhige dich«, redete Minato auf sie ein. Die Ärztin hatte doch gesagt, dass Kushina sich schonen und Aufregung vermeiden sollte.
Kushina schnappte noch ein paar Mal nach Luft und dann sah sie ihn empört an. Also alles wieder gut.
»Was hast du angestellt?«, verlangte sie zu wissen und hob drohend den Kochlöffel.
»Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass gerade aus dem Nichts heraus Nidaime Hokage im Büro auftauchte? Er war verletzt, daher das ganze Blut. Ich hab ihn ins Krankenhaus gebracht.«
»Du hast unseren Läufer ruiniert, das wäre!«, rief Kushina empört aus. Mit spitzen Fingern hob sie seinen Umhang an. »Und das kannst du auch gleich in den Müll werfen. Das Blut geht da nie wieder heraus.«
»Kushina, ich rede von Senju Tobirama, dem Erfinder des Hiraishin! Und überhaupt so ziemlich jedem namhaften Jutsu, das wir heutzutage kennen«, betonte Minato begeistert.
»Ja, ja. Schon klar«, winkte Kushina ab. Dann sank diese Information ein. »Was?! Ich meine: hä?«
Eloquenter hätte auch er es nicht ausdrücken können.
»Ganz meine Rede.«
Sie sah ihn kritisch an. »Entsorg das, und dann erzählst du mir alles.«
Also tat er genau das.
Einige Stunden später befand er sich wieder im Krankenhaus, frisch umgekleidet und mit einem Glas Marmelade in der Hand. Kushinas neuestes Steckenpferd … Wie sich herausstellte hatte Sarutobi die ganze Zeit hier gewartet. Als Minato zu ihm stieß, informierte er sich über den neuesten Stand der Dinge. Überraschenderweise lebte Tobirama noch, auch wenn es zwischenzeitlich nicht danach ausgesehen hatte. Gerade hatte man ihn aus dem OP und in ein eigenes Zimmer gebracht, vor dem Minato und Sarutobi nun standen und warteten, während die Ärztin noch irgendetwas zu erledigen hatte.
Minato überreichte ihm das Marmeladenglas. Sarutobi sah ihn fragend an.
»Bitte nehmen Sie das. Von Kushina«, sagte Minato. »Wir haben Unmengen davon. Ich bezweifle, dass wir das auch in zehn Jahren gegessen haben werden.«
Aus irgendeinem Grund musste Sarutobi lachen. »Ist das das Rezept von Mito-hime?«
Minato nickte.
»Ja, das hatte sich auch Biwako schon vor vielen Jahren erschlichen. Es ist gut, nicht wahr? Ganz früher, als ich noch ein Genin war, kam manchmal Miyazaki vorbei und brachte uns Marmelade und Brot von ihrer Mutter und dann hatten wir eine Pause vom Training. Hm, ich sollte wohl Konfitüre sagen, Mito-hime war da immer sehr erpicht darauf. Das waren schöne Zeiten.«
Es war schwer, sich Sarutobi als kleinen Jungen vorzustellen. Aber irgendwann einmal waren sie alle jung gewesen.
»Wie war er so gewesen, Ihr sensei?«, wollte Minato wissen. »Wobei ich wohl keine Vergangenheitsform mehr benutzen sollte.«
»Dieser alte Wolf, es ist doch nicht zu fassen.« Sarutobi lachte in sich hinein. »Nun, er war … ist streng und hat stets viel von uns gefordert, doch nie zu viel. Entgegen allem, was er selbst immer behauptet hatte, war er ein guter Lehrer gewesen. Das war wohl die eine Sache, in der er nicht Recht behalten hatte. Tobirama-sensei macht keine halben Sachen und gibt stets alles, was den Umgang mit ihm manchmal ein wenig … schwierig macht. Es war diese eine letzte Lektion, die er uns erteilte, als er sich den Gold und Silber Brüdern stellte, dass es in der Welt Dinge gibt, für die es sich zu sterben lohnt.«
»Darf ich fragen, was damals genau vorgefallen war?«, fragte Minato weiter. »Es heißt immer, dass die Leute aus Kumo ihn getötet hätten, aber Details hatte ich nie finden können.«
»Wir waren seine Eskorte, als er nach Kumogakure ging, um mit dem Raikage einen Friedensvertrag auszuhandeln«, erzählte Sarutobi. »Die Verhandlungen scheiterten, weil Kinkaku und Ginkaku ein Attentat auf Nidaime Raikage A verübten und auch uns angriffen. Wir entkamen, wenn auch nur gerade so.«
»Sie haben ihre eigenen Leute angegriffen?«, wunderte sich Minato.
Sarutobi nickte. »Ja, sie hatten einen Putschversuch unternommen, um den Krieg zwischen unseren Dörfern wieder anzufachen. Sie verfolgten uns den ganzen Weg bis nach Konoha und wenige Kilometer hinter unseren Grenzen hatten sie uns schließlich gestellt. Wir hatten zwar versucht, den Wald mit Fallen zu präparieren, aber es war nicht genug gewesen.
Als wir umstellt waren, wurde uns klar, dass wir jemanden würden opfern müssen, der unsere Feinde auf eine falsche Fährte lenkt, damit der Rest entkommen kann. Diese Person würde höchstwahrscheinlich dabei sterben, denn wir hatten eine Übermacht gegen uns. Ich wollte mich freiwillig melden, doch sensei untersagte es mir. Wir seien die jungen Flammen des Dorfes, sagte er, uns obläge es, das Dorf in eine neue Zukunft zu führen. Dann ernannte er mich zu seinem Nachfolger und ging. Ich habe nie wieder einen Shinobi selbstsicherer seinem eigenen Tod entgegentreten sehen.
Wir entkamen, weil er sich für uns opferte. Hinterher untersuchten wir den Kampfplatz, doch alles war verwüstet. Wenn Senju kämpfen, dann mit Urgewalten, unterschätze diesen Clan niemals. Wir fanden einige bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen vor, doch das war alles. Niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob sensei unter den Opfern war, also blieb sein Grab leer, ganz so wie das Hashirama-samas. Aber wir hörten auch nie wieder etwas von ihm, also nahmen wir an, dass er in der Tat von den Gold und Silber Brüdern getötet worden war. Sie posaunten es ja auch in allen Ecken der Welt herum, doch lange konnten sie ihren Ruhm nicht genießen. Bald schon war ihnen eine ganze Armee an Kopfgeldjägern auf den Fersen und irgendwann einmal hatte es auch sie erwischt.«
Sarutobi streckte sich, wie als würde er Haltung annehmen. »Während unseres Trainings sagte er immer etwas ganz Bestimmtes zu uns. Er sagte: Im Kampf gibt es nur einen Gott. Den Gott des Todes. Und dann fragte er uns, was wir zum Gott des Todes sagen. Nicht heute. Als er ging, verabschiedete er sich mit diesen Worten von uns. Nicht heute. Doch ich sah in seinen Augen, dass er dieses Mal wusste, dass es eine Lüge war. Er wusste, dass er dieses Mal nicht noch einmal trotzig dem Tod die Stirn bieten und siegreich aus diesem Kräftemessen hervorgehen konnte. Er wusste, er würde sterben. Und doch ist er jetzt hier. Nicht heute.«
Minato sah zu der Tür vor ihnen. Durch das getrübte Glas konnte er nur schemenhaft die Ärztin und ihre Assistenz erkennen.
»Nur dass er anscheinend nie gestorben ist.«
Sarutobi nickte. »So sieht es aus. Ich weiß nicht viel über Hiraishin, aber ich weiß dass es ein Raum und Zeit Jutsu ist.«
»In dem Moment, in dem er erschienen war, hatte sich diese eigenwillige Markierung im Büro aktiviert. Sie wissen schon, diese, nach der ich Sie einmal gefragt hatte.«
Wieder nickte Sarutobi. Er wusste, welche Minato meinte, auch wenn er ihm dazu nichts hatte sagen können. »Ob sensei das beabsichtigt hatte? Irgendwie zweifle ich daran. Wobei es ihm gar nicht ähnlich sieht, irgendetwas Halbgares in die Tat umzusetzen, wo er sich doch bei jeder Gelegenheit über Hashirama-samas Spontanität beschwert hatte.«
Über die Gründer des Dorfes zu reden, fühlte sich immer an, als würden sie über lang Vergangenes aus grauer Vorzeit sprechen, und Minato musste sich jedes Mal aktiv daran erinnern, dass es eine ganze Reihe von Menschen gab, die sie noch mehr oder weniger persönlich kennen gelernt hatten. Vierzig Jahre waren keine allzu lange Zeit, betrachtete man die gesamte Geschichte.
In dem Moment wurde die Tür geöffnet und die Ärztin trat heraus. Auf dem kleinen Schildchen an ihrer Brust stand Doktor Fuyuko. Sie wirkte erschöpft. Ein paar Haarsträhnen hatten sich aus ihrem strengen Zopf gelöst. Erwartungsvoll sahen Minato und Sarutobi ihr entgegen. Sie erwiderte es mit einem strengen Blick.
»Er ist aus dem Gröbsten heraus«, beantwortete sie dennoch die unausgesprochene Frage. »Es bestehen Überlebensschancen, aber ich gebe keine Garantie darauf. Dass Shinobi sich auch immer so zurichten lassen müssen. Ich habe ihn vorerst in ein künstliches Koma versetzt, bis keine akute Gefahr mehr besteht. Also weshalb Sie auch immer noch hier herumlungern, schlagen Sie es sich vorerst aus dem Kopf. Mein Patient hat vorerst äußerste Ruhe zu genießen und kann mit nichts behelligt werden, das nicht mit seinem Genesungsprozess zu tun hat.«
Dann zog sie von dannen.
Minato und Sarutobi tauschten einen Blick.
»Klare Ansage«, sagte Minato nüchtern.
Auch wenn es ihnen finstere Blicke Doktor Fuyukos einbrachte, kamen Minato und Sarutobi in den nächsten Tagen doch oft vorbei, um sich nach Tobiramas Befinden zu erkunden. Es ging allmählich bergauf mit ihm, auch wenn es dennoch mehrere Tage dauerte, bis Doktor Fuyuko Entwarnung gab und meinte, es wäre sicher, ihn langsam aus dem Koma zu holen und er würde ihr nicht mehr jeden Augenblick unter den Händen wegsterben.
Minato musste seine Ungeduld zögern, es juckte ihm in den Fingern, mit Tobirama zu sprechen. Welch eine höchst sonderbare Wendung des Schicksals! Auch wenn er von der Gründerfamilie immer ein wenig eingeschüchtert gewesen war (bis Mito ihn eines Tages, als er noch ein Jugendlicher gewesen war, mit Marmeladenbroten vollgestopft hatte), hatte er doch stets Tobiramas Arbeit bewundert. Seine Jutsus zu lernen und seinem Beispiel zu folgen, war Minatos Weg des Ninja gewesen.
Es war sonderbar, Tobirama so daliegen zu sehen. Minato hatte ihn sich stets als imposante Erscheinung vorgestellt, und vielleicht hatte er auch ein etwas idealisiertes Bild von ihm. Aber hier nun wirkte er so gar nicht wie der nahezu unbezwingbare Kämpfer, den Minato immer vor Augen gehabt hatte. Er wirkte so klein und erschreckend zerbrechlich. Sterblich. Wie sie alle.
Die Ärzte hatten ihn an eine Reihe von Gerätschaften angeschlossen, die seine Vitalzeichen überwachten. Minato hatte keine Ahnung von den Anzeigen, aber zumindest das gleichmäßige Piepen wertete er doch als gutes Zeichen. Man hatte Tobirama eine Sauerstoffmaske vor das Gesicht gebunden, doch selbst darunter meinte Minato zu erkennen, wie Tobiramas Mimik angespannt wirkte. Träumte man unter Narkose? Und wenn ja, von was träumte jemand wie Nidaime Hokage Senju Tobirama?
Dieser Mann hatte in seinem Leben so unglaublich viel erreicht und zuletzt war er dem Tod selbst von der Schippe gesprungen. Minato konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie er das angestellt haben mochte.
Während er darauf wartete, dass Tobirama erwachte, vertrieb sich Minato seine Zeit mit dem Gedichtband, den er derzeit las. Dennoch wanderten seine Gedanken. Warum war das ausgerechnet jetzt passiert? Was hatte es zu bedeuten?
Und würde es ihm irgendwie nützen?
»Es kommen härtere Tage. Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont.«
Er runzelte die Stirn, als seine Augen an diesen Zeilen hängen blieben.
Tobirama regte sich.
Kushina zog einige Freude daraus, Minato mit seiner Begeisterung zu necken.
»Dieser Mann ist ein Genie, Kushina! Eine Legende! Ach, was sage ich? Eine auf einmal wieder lebende Legende!«, sprudelte es aus Minato heraus. Vor lauter Aufregung vergaß er beinahe sein Abendessen, und das wollte etwas heißen.
»Also bist du jetzt ins Krankenhaus gezogen?«, konterte Kushina mit einem herausfordernden Grinsen.
»Ich muss doch sicherstellen, dass es ihm gut geht«, verteidigte sich Minato. »Ich habe das Gefühl, dass sein Wohlbefinden in meiner Verantwortung liegt.«
»Dafür gibt es Ärzte«, erinnerte Kushina ihn. Dann grinste sie. »Du suchst doch nur eine Ausrede, um hemmungslos deinen Schwärmereien nachzugehen.«
Ihm brannten die Wangen. »Das stimmt überhaupt gar nicht! Ich als Hokage habe Verantwortung für alle in diesem Dorf und ich versuche hier nur meine Pflicht zu erfüllen. Er ist immer noch einer der Gründer dieses Dorfes, also muss ich mich besonders anstrengen, um ihm gerecht zu werden.«
Kushina biss sich auf die Lippe. Dennoch musste sie lachen. »Mito-hime hat immer gesagt, dass wir Nidaime-sama nicht so überhöhen sollen, laut ihr soll er ziemlich arrogant sein.«
Minato schnappte empört nach Luft. »Das hat sie gesagt?!«
Kushina kicherte immer noch. »Mehr oder weniger, ja.«
»Aber das konnte sie doch niemals ernst gemeint haben!«
Er war Mito nur ein paar Mal begegnet, als Kushina und er noch frisch verliebt gemeinsam auf Dates gegangen waren und Mito ihn eines Tages zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er wusste noch, dass er vor lauter Nervosität kaum ein Wort herausbekommen hatte, bis Kushina neben ihm begeistert Mitos Kekse und ihre Marmeladenbrote in sich hineingeschaufelt hatte. Uzumaki hatten alle ein beängstigendes Magenvolumen.
Kushina tat so, als würde sie einen Moment lang über seine Worte nachsinnen. Dann nickte sie immer noch grinsend. »Doch. Ich denke schon, dass sie es zumindest ein wenig auch wirklich so gemeint hatte.«
»Aber … wie konnte sie so über ihren eigenen Schwager reden?«
Kushina fand das alles anscheinend furchtbar witzig, denn noch immer musste sie kichern. »Das ist wohl das Privileg, wenn man besser ist mit Siegeln.«
Das war ein Punkt, der zur Debatte stand. Minato wusste eine ganze Menge über Siegel und wagte sogar zu behaupten, dass sein Wissen tiefer ging als das vieler anderer. Aber sowohl Mito als auch Tobirama galten als unbestrittene Siegelmeister. Ihnen würde er nie das Wasser reichen können, egal, wer von ihnen dem anderen überlegen war.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
»Aber weißt du, was das heißt, Kushina?«, fragte er begeistert.
»Dass du mir jetzt jeden Tag das Ohr abkaust, wie toll Nidaime-sama ist und dass du ihn heiraten willst?«
Er sah sie irritiert an. »Was? Nein! Aber stell dir einmal vor, was ich alles von ihm lernen könnte! Er hat Hiraishin erfunden, er weiß besser als alle anderen, wie dieses Jutsu zu verwenden ist.«
Kushina lächelte mild und ergriff seine Hand. »Überfall ihn nicht gleich damit und gib ihm etwas Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass es komisch ist, wenn man ganz unerwartet eine Zeitreise macht.«
»Oh. Ja. Du hast Recht« Es schien Tobirama sehr zu schaffen gemacht zu haben, als Sarutobi ihm gesagt hatte, was aus seiner Familie geworden war. Minato stellte sich vor, wie es ihm ergehen würde, wenn er in derselben Position wäre, und kam zu dem Schluss, dass er es sich lieber nicht vorstellen wollte.
Aber was wäre mit Kakashi? Der Gedanke kam ihm ganz plötzlich. Als Sarutobi ihn damals zum Leiter seines Teams ernannt hatte, hatte er natürlich in Kakashis Akte von seiner Abstammung gelesen. Noch im selben Atemzug hatte Sarutobi Minato ans Herz gelegt, Kakashis Wunsch gemäß nicht darüber zu sprechen, und daran hatte sich Minato gehalten. Kakashi hatte eine schwierige Beziehung zu seiner Familie, die vom Suizid seines Vaters überschattet wurde. Aber was würde sich ändern, jetzt, da er die Chance hatte, seinen Großvater kennenzulernen? Wollte er das überhaupt? Er sollte es Kakashi zumindest zu gegebener Zeit anbieten.
Tobirama stellte sich als das Genie heraus, für das Minato ihn immer gehalten hatte. Es bewahrheiteten sich allerdings auch Sarutobis Worte, dass er etwas, nun, schwierig im Umgang sei. Oder vielleicht war es einfach nur Minato, der sich neben ihm so klein fühlte und sich von seinem strengen Blick einschüchtern ließ. Tobirama machte den Eindruck, als würde er alles und jeden konstant auf den Prüfstand stellen, ob er auch wirklich seinen Ansprüchen genügte.
Dennoch konnte Minato sich einfach nicht helfen und war fasziniert von diesem Mann. Er gab sich Mühe, seine Begeisterung zu zügeln und Tobirama nicht zu überfallen, aber irgendwie ergab sich doch immer wieder eine Gelegenheit für ein Gespräch. Auch wenn Minato manchmal etwas nachhalf. Kakashis Geburtstag war doch eine hervorragende Gelegenheit für eine Einladung, nicht wahr?
Minato war zugegeben etwas verwundert, dass von den Alten nur Sarutobi wirkliches Interesse an den Geschehnissen zeigte. Die anderen drei sprachen es kaum an, und Danzō machte gar den Eindruck, als sei er nicht allzu erfreut darüber. Aber sollte er sich nicht freuen, seinen einstigen sensei wohlbehalten vorzufinden? Minato fand das ganze höchst eigenartig.
Es war natürlich ein verwaltungstechnischer Alptraum, die Akten über einen seit vier Jahrzehnten totgelaubten Shinobi wieder hervorzuholen und zu reaktivieren. Die Frage stand im Raum, was Minato nun mit Tobirama anstellte und ob und wenn ja wie er sich wieder in das Dorfgefüge eingliederte.
Minato verbrachte mehrere Abende damit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, und Kushina schalt ihn (zu Recht) dafür, dass er die Arbeit mit nach Hause brachte und Tobiramas alte Akten selbst am Abendbrottisch studierte. Aber er konnte sich einfach nicht helfen, er war fasziniert von den Aufzeichnungen über Tobirama. Und dabei listeten sie nur, was er seit der Gründung des Dorfes erreicht hatte.
Der Teil über die Anbu brachte ihn jedoch auf eine Idee.
»Schatz, ich brauche deine Meinung«, sagte er geradeheraus.
Kushina seufzte und warf ihm einen strengen Blick zu. »Wir hatten eigentlich die Regel: Keine Arbeit beim Essen.«
»Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.«
Kushina grummelte, bedeutete ihm dann aber fortzufahren.
»Du hattest damals bedeutend mehr mit Mito-hime geredet als ich, und sie hat ja anscheinend auch ein paar Mal Nidaime-sama erwähnt, also kannst das vielleicht besser einschätzen als ich. Aber würdest du meinen, er stünde auf meiner Seite, wenn ich … ein paar gewagte Dinge tue?«
Politik war so lästig. Ein ständiger Tanz auf rohen Eiern und kein Gegner, den er einfach mit einem Hiraishin niedermachen konnte. Politik wurde mit anderen Waffen gefochten und er war noch neu in diesem Spiel. Es könnte von Nutzen sein, ein paar einflussreiche Verbündete zu haben, deren Wort Gewicht hatte.
Kushina sah ihn fragend an. »Was hast du vor?«
»Mir ein paar Freunde machen, aber gleichzeitig wohl auch ein paar Feinde.«
»Ich würde davon abraten, Nidaime-sama gegen dich aufzubringen.«
»Oh nein, das meinte ich nicht damit«, beteuerte er sogleich. »Ganz im Gegenteil sogar. Ich hatte vor, ihm zu unterbreiten, dass er seine Anbu wiederhaben kann.«
Kushina runzelte die Stirn. »Und warum? Ist doch gut so, wie es jetzt ist, oder?«
»Nicht ganz. Es gibt da eine besondere Abteilung, die nicht meiner Kontrolle unterliegt, sondern Danzō-samas, und das hatte mir von Anfang an nicht gefallen.«
Ob der Erwähnung dieses Namens verzog sie unwillig das Gesicht. Ihr behagte der Mann genauso wenig wie ihm. »Also willst du Nidaime-sama die Anbu geben und hoffst im Gegenzug darauf, dass er für dich mit Danzō-sama fertig wird?«
Er nickte. »Genau. Danzō-sama wird nicht froh sein, wenn ich ihm seine Leute wegnehme, und ich glaube nicht, dass ich allein gegen ihn bestehen kann, zumal ich vermute, dass Koharu und Homura eventuell sogar ihn unterstützen könnten. Aber Nidaime-sama war einmal ihr sensei und sie seine Untergebenen. Sandaime-sama hat immer mit höchstem Respekt von ihm gesprochen. Ich denke, Nidaime-samas Wort hat noch Gewicht bei ihnen.«
Darüber sann Kushina einen Moment lang nach. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Warum fragst du nicht den Professor? Er wird dir da sicher besser beratend zur Seite stehen können.«
Daran hatte Minato natürlich auch schon gedacht. Aber in dieser Sache war er sich nicht sicher, ob Sarutobi nicht vielleicht selbst viel zu verstrickt war, um ihm wirklich helfen zu können. Er hatte wirklich nur Respekt übrig für seinen Vorgänger, allerdings war er auch so ehrlich zu sagen, dass Sarutobis passive Art in der Vergangenheit zu Problemen geführt hatte. Er war sich nicht sicher, ob der Professor dieses Mal wirklich über seinen Schatten springen und seinen alten Kameraden in angemessener Weise die Stirn bieten konnte.
Tobirama hingegen … Er wirkte wie ein Mann, der nicht zögerte, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, ganz gleich, wie viel sie persönlich von ihm verlangen würden. Minato beschloss, dass es das Risiko wert war.
Er wurde nicht enttäuscht.
Auch wenn Kushina ihm dafür den Kopf wusch, gönnte sich Minato dennoch auch die kleine Freude, die erstbeste sich bietende Gelegenheit zu ergreifen, Tobirama ein wenig persönlicher kennenzulernen und Kakashi schien auch nichts einzuwenden haben. Dennoch fiel Kushina am Vortag von Kakashis Geburtstag aus allen Wolken, als Minato eine ganz bestimmte Bitte an sie herantrug.
»Du willst was?«, fuhr sie ihn an, die Hände noch im Teig für den Kuchen, den sie für Kakashi hatte backen wollen.
»Eine Hirschkeule«, piepste Minato kleinlaut. »Er hat gesagt, Ōkami-san bevorzugt ihr Fleisch roh und so frisch wie möglich.«
»Du machst mich fertig, Mann!«, rief sie aus. »Soll ich jetzt losziehen in den Wald und dir einen Hirsch jagen, oder was hast du dir vorgestellt?«
Beschwichtigend hob er die Hände. Er hätte es besser wissen müssen. Es war nie gut, Kushina aufzuregen, nicht nur während ihrer Schwangerschaft. »Ich denke, ein gutes Steak tut es auch. Glaube ich. Ich wollte doch sowieso noch unser Grillfleisch einkaufen gehen.«
Sie seufzte und verdrehte theatralisch die Augen, gab dann aber doch nach. »Die Akimichi haben einen richtig guten Fleischer. Frag bei dem nach, vielleicht hat er ja etwas da.«
Wunder über Wunder, aber der Mann hatte in der Tat eine Hirschkeule da. Sie war zwar nicht unmittelbar vom Tier geschnitten, aber auf die Schnelle konnte Minato wirklich nichts besseres auftreiben.
Als er sich dann jedoch am nächsten Tag Ōkami gegenüber sah, hatte er dennoch das Gefühl, dass sie zu dem Schluss gekommen war, dass er die appetitlichere Beute abgab. Die gigantische weiße Wölfin war mit einem Male einfach so über den Gartenzaun gesprungen und stand nun mit tropfendem Zahn vor ihm. Er zweifelte keinen Moment lang daran, dass sie ihn spielend würde überwältigen können, wenn ihr der Sinn danach stand.
Ōkami war zwar als Tobiramas Vertrauter Geist gelistet, aber von dem Moment an, als Minato ihr das erste Mal in dem Krankenhauszimmer begegnet war, hatte er gespürt, dass etwas an ihr anders war, das sie von Gamabunta unterschied. Mit den Wölfen war es schon immer anders gewesen. Tobirama war der einzige, von dem Minato wusste, dass er jemals einen Vertrag mit ihnen abgeschlossen hatte.
Es war irgendwie surreal, den Weißen Wolf von Konoha plötzlich in seinem Garten zu sehen, wie sie ihn musterte, als würde sie überlegen, welcher Teil von ihm am saftigsten wäre. Ōkami war bereits während der Zeit der Bürgerkriege zu einiger Notorietät gelangt, besonders unter den Uchiha. Minato hatte bei seinen Recherchen alte Aufzeichnungen gefunden, demnach berichtet wurde, dass sie durchaus Menschen gefressen hatte, als sie mit den Senju Jagd auf Uchiha gemacht hatte.
Minato gab sich nicht einmal Mühe, sein Aufatmen zu verbergen, als Kushina Kakashi und Tobirama herbeiführte. Ōkami gab sich in der Tat mit Minatos Hirschkeule zufrieden und zog sich schwanzwedelnd in eine Ecke des Gartens zurück. Tod durch knochenzermalmende Kiefer also erfolgreich abgewandt.
Minato war froh zu sehen, dass sich Kakashi und Tobirama anscheinend verstanden. In den vergangenen Wochen hatte er die Ohren aufgesperrt und vorsichtig erkundet, wie Kakashi zu der ganzen Sache stand. Minato wollte ihm nichts aufdrängen, das für ihn zu unangenehme Erinnerungen weckte, doch Minato war sich auch sicher, dass Kakashi etwas brauchte, das er ihm nicht geben konnte. Ihm den Auftrag zu geben, über Kushina zu wachen, hatte nicht geholfen, seine Wunden zu heilen. Vielleicht war das etwas, das nur Familie erreichen konnte, doch Tobirama und Kakashi waren einander fremd. Blut spielte keine Rolle, wenn Tobirama fünfundzwanzig Jahre vor Kakashis Geburt verschwunden war.
Dennoch war dies für Kakashi eine Gelegenheit zu erkennen, dass er wirklich nicht mehr allein sein musste, wenn er das wünschte. Also hatte Minato ihn sanft in diese Richtung geschubst und seine Bemühungen schienen erste Früchte zu tragen.
Es war im höchsten Maße faszinierend, mit Tobirama persönlich über sein Hiraishin zu erzählen, und Minato musste zugeben, dass er sich durchaus auch in Tobiramas Lob sonnte, als dieser betonte, dass Kushinas und sein Wissen über Siegel bemerkenswert seien. Ein Lob aus dem Mund dieses Mannes bedeutete eine ganze Menge!
Minato vermied die Frage nach Tobiramas Befindlichkeit. Er machte den Eindruck, als würde er darüber nur ungern sprechen und zugeben, dass er geschwächt sei. Immerhin entging Minato auch nicht Tobiramas Unmut über die Beeinträchtigung durch seine verstümmelte Hand.
Alles in allem konnte Minato diesen Tag also als Erfolg verbuchen. Tobirama die Anbu zu geben und damit Danzō seine Ne zu nehmen war natürlich nur der Anfang, aber dieser erste Schritt machte bereits einen guten Eindruck. Es war wirklich ein Glücksfall für Minato, dass ausgerechnet Tobirama ihm sprichwörtlich vor die Füße gefallen war.
Er war sich relativ sicher, dass Tobirama durchschaut hatte, was Minato hier mit ihm tat und welche Rolle er ihm zugeschrieben hatte, aber anscheinend war Tobirama gewillt, das Spiel mitzuspielen. Das war gut, denn Minato machte sich keine Illusionen, dass er Tobirama irgendetwas entgegenzusetzen hätte, sollte er entscheiden, dass Minato sein Feind wäre.
Alles sah eigentlich ganz gut aus. Natürlich erkannte Minato Tobiramas Dilemma, dass er wünschte, seinen Fehler mit seinem Hiraishin rückgängig zu machen, und Minato nahm sich vor, ihm dabei zu helfen, so gut er es vermochte. Tobirama war ein viel beschäftigter Mann und es wäre sicher kein leichtes, den Forschungsstand von vierzig Jahren aufzuholen. Also beschloss Minato, ihm ein bisschen zu helfen und nahm mit Kushina nun doch das Hiraishin-Zeichen unter die Lupe, das all das hier verursacht hatte.
Kushina riet zu äußerster Vorsicht, aber obwohl sie mindestens so viel wie Minato von Siegeln verstand, stand auch sie hier vor einigen Rätseln. Das würde sicher einige Zeit in Anspruch nehmen. Minato konnte allerdings nicht sagen, dass er sich darüber beschwerte. Er wusste diese Zeit schon zu nutzen.
Kurzum: Gerade war Minato eigentlich sehr zufrieden mit der Wendung, die sein Leben genommen hatte.
Bis der maskierte Mann angriff.
Sich passiv-aggressiv an den Crush heften, ist eine valide Flirting Methode, finde ich.
Das erste Zitat ist aus Alle Tage, einem Gedicht von Ingeborg Bachmann, das zweite ist erneut ihr Gedicht Die gestundete Zeit.
"Was sagen wir zum Gott des Todes? Nicht heute." Das ist natürlich GoT
Nächstes Kapitel: Minato überlebt, aber zu einem hohen Preis.
CN misgendering (Tobirama wird aber korrigiert), Trauer, Verlust von Angehörigen, Leichen, milder Gore
Überleben
Der Ladenbesitzer war ganz offensichtlich nicht glücklich über die Anwesenheit der riesigen Wölfin in seinem Laden. Ōkami bewegte sich vorsichtig zwischen den Regalen voller Spielzeug entlang, aber dennoch stieß sie hin und wieder doch eines der Plüschtiere aus den Regalen. Manche, die ihre Aufmerksamkeit erregten, beschnüffelte sie ausgiebig und wandte sich dann doch ab. Tobirama folgte ihr geduldig und wartete darauf, dass sie sich endlich entschieden hatte.
»Das da«, sagte sie und deutete mit der Schnauze auf einen Plüschwolf ganz oben in einem der Regale. »Welpe, reich mir den da herunter.«
Tobirama streckte sich und kam der Bitte nach. Sie beschnüffelte das Plüschtier.
»Ja. Das ist gut. Den will ich.«
Es wunderte ihn nicht. Es war ein flauschiger, kleiner weißer Wolf mit schwarzen Knopfaugen. Natürlich würde Ōkami das gefallen.
»Du willst ihn, ja? Ist immer noch mein Geld«, sagte er, während er das Plüschtier zum Tresen brachte, um es zu bezahlen.
Ōkami stieß ihm ihre Schnauze etwas gröber in den Rücken.
Der Ladenbesitzer sah sie beide immer noch irritiert an und nahm wortlos Tobiramas Geld entgegen. Als Tobirama bezahlt hatte, streckte Ōkami den Kopf über den Tresen und schnappte sich vorsichtig das Plüschtier. Dann ging sie. Tobirama folgte ihr.
»Ist immer noch mein Geschenk«, nuschelte sie mit dem Plüschwolf zwischen den Zähnen. Sie hielt ihn wie einen echten Welpen. »Habe ich ausgesucht.«
»Hm«, war alles, was er dazu sagte.
Sie machten sich auf den Rückweg zum Krankenhaus. Heute war er endlich Doktor Fuyuko entwischt, die ihn am liebsten ans Bett gefesselt hätte. Wahrscheinlich würde sie das sogar tun, sobald sie bemerkte, dass ihr Patient fahnenflüchtig geworden war.
Seine Verletzungen waren nicht so gut abgeheilt, wie er das gehofft hatte. Weil er so ungeduldig sei, hatte Doktor Fuyuko ihn gescholten. Während des Kampfes waren seine Wunden wieder aufgegangen, und weil er das natürlich ignoriert hatte, hatte er schwere innere Blutungen erlitten, die ihn beinahe hatten ertrinken lassen.
Irgendwie hatte er aber auch das überlebt. Aber es hatte ihn schwach werden lassen. Zerbrechlich. Er war nicht schnell genug gewesen. Und es hatte Menschenleben gekostet.
Vor Minatos Zimmer standen Raidō, Genma und Iwashi Wache. Tobirama warf ihnen einen finsteren Blick zu. Wo waren sie gewesen, als sie am dringendsten gebraucht worden waren? Es war ihre Aufgabe gewesen, den Hokage zu bewachen, und sie waren ihrer Pflicht nicht nachgekommen. Vielleicht hätte Kushina dann nicht sterben müssen.
Als sie ihn sahen, standen sie stramm und ließen ihn anstandslos durch. Als Tobirama das Zimmer betrat, überraschte es ihn nicht, Kakashi vorzufinden. Er hatte schon vor Stunden gespürt, dass Kakashi von seiner Reise zurückgekommen war, wenn auch ohne Tsunade. Wortlos nahm sich Tobirama einen weiteren Stuhl und setzte sich neben Kakashi, der bis jetzt an Minatos Bett sitzend gelesen hatte.
Ōkami setzte sich ihnen gegenüber auf die andere Seite des Bettes und beobachtete Minato. Er schlief noch immer und erholte sich von seinem schweren Kampf und seinen Wunden. Naruto lag auf seiner Brust und schlief ebenfalls, und selbst im Schlaf hielt Minato schützend eine Hand über den Säugling.
»Hab schon gehört, was passiert ist«, sagte Kakashi mit leiser Stimme, um Vater und Sohn nicht zu stören.
»Es wird lange dauern, um den Schaden wieder zu beheben, und manche Wunden werden nie verheilen.« Tobirama sah zu Minato und Naruto. Kaum geboren, schon musste der Säugling solch Schrecken durchleben und ein schweres Schicksal tragen.
Für einen Moment schwieg Kakashi. »Meine Wohnung hat‘s auch erwischt.«
»Du kannst bei mir bleiben«, bot Tobirama ihm an. Das hatte er ihm ohnehin schon länger vorschlagen wollen, aber ein Gefühl hatte ihm gesagt, dass die Zeit noch nicht reif war.
»Danke.«
Sie verfielen in Schweigen.
»Ich habe Tsunade gefunden«, sagte Kakashi nach einigen Minuten. »Aber …«
»Sie wollte nicht zurückkommen.« Das hatte Tobirama schon befürchtet.
»Ich weiß nicht einmal, ob sie mir überhaupt geglaubt hat. Ich meine, das ist schon eine ziemlich schräge Geschichte.«
Tobirama konnte es ihr nicht einmal verübeln. Dennoch bedauerte er ihre Entscheidung.
»Kakashi.«
»Hm?«
»Ich habe gesehen, dass du noch immer als kunoichi gelistet wirst. Willst du, dass ich das ändere?«
Kakashi sah ihn groß an. Dann zuckte er mit den Schultern. »Das ist doch nur ein Wort auf einem Papier. Das ist zu viel Verwaltungskram.«
»Blödsinn«, widersprach Tobirama. »Ich streich‘s durch und schreibe es richtig hin.«
»Oh … Also in dem Fall …«
Tobirama nickte. Bürokratie war schon immer sein Erzfeind gewesen. Sie unnötig zu verkomplizieren, war eine bewusste Entscheidung und er hatte sich schon früh bewusst dagegen entschieden.
»Tobirama, sag, wie hast du sensei retten können?«, wollte Kakashi wissen. »Der Professor meinte, er habe gesehen, wie Minato Shinigami beschworen hatte, und soweit ich weiß, ist das das eigene Todesurteil. Wie hast du das gemacht?«
»Ich kenne Mittel und Wege«, sagte Tobirama ausweichend. »Doch darüber zu reden, ist zu gefährlich. Dieses Wissen behalte ich für mich.«
»Oh«, war alles, was Kakashi dazu sagte. »Hat der Professor also von dir seine Geheimniskrämerei.«
Tobirama warf ihm einen langen Seitenblick zu.
Kakashi wurde vor einer Standpauke errettet, als Minato sich regte. Sogleich klopfte Ōkamis Schwanz voller Erwartung auf den Boden und sie fixierte ihn mit ihrem Blick. Er blinzelte verschlafen. Dann verzog sich sein Gesicht vor Schmerz. Tobirama konnte das nur allzu gut nachvollziehen.
Ōkami stand auf, stupste ihn mit ihrer Nase an und bettete dann ihren Kopf neben ihm auf das Bett.
»Oh.« Minato hob eine Hand, um ihr verschlafen den Kopf zu tätscheln.
Ōkami wedelte noch immer mit dem Schwanz. Sie schob den Plüschwolf Naruto unter. Das Spielzeug war fast so groß wie das Baby. Naruto, wie alle Säuglinge in dem Alter, nahm davon nicht viel Notiz und schlief einfach weiter.
»Hab ich ausgesucht«, betonte sie. »Für den Welpen. Mein Welpe meinte, Menschen machen das so. Geschenke bringen für einen neuen Welpen im Rudel.«
»Ich denke, das kann man so sagen, ja. Danke.« Minatos Worte klangen noch immer etwas gelallt. So ganz war er noch nicht wach, wie es schien. Vielleicht war das auch besser so, bevor die Realisation einsetzte, was passiert war.
Ōkami hechelte ihm fröhlich ihren Atem ins Gesicht.
Minato wandte den Kopf und blinzelte im hereinfallenden Licht der Herbstsonne. Erst so langsam schien er zu realisieren, dass noch andere im Raum waren.
»Wie geht es Ihnen?«, wollte Tobirama wissen.
»Scheiße.«
Immerhin war die Antwort ehrlich.
»Ich bin hier, um das Siegel zu überprüfen«, eröffnete Tobirama. »Ich kann es nicht selbst anwenden, aber ich weiß von Mito, wie ich seine Integrität prüfe.«
Er hatte Hashirama und Mito oft genug dabei geholfen.
»Soll ich mit Naruto anfangen oder mit Ihnen, Yondaime-sama?«
Minato sah auf seinen Sohn hinab und strich ihm sanft über den blonden Haarschopf, den das Baby bereits hatte. »Fangen Sie mit Naruto an.«
Vorsichtig nahm Tobirama das Baby entgegen. Es war lange her, seit er das letzte Mal einen Säugling gehalten hatte. Elf Jahre, um genau zu sein. Aber irgendwie wusste er noch, wie das ging. Es brachte Erinnerungen an Sakumo in ihm hoch.
Er schob sie rasch beiseite und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Mit ein klein wenig Chakra machte er das altbekannte Siegel auf Narutos Bauch sichtbar. Naruto sah mit verkniffenen Augen, die sich noch nicht wirklich öffnen wollten, zu ihm auf. Sanft strich Tobirama mit dem Finger über das Siegel. Naruto reagierte auf die Berührung, indem er mit seinen pummeligen Ärmchen und Beinchen zappelte. Koordination war noch eine echte Herausforderung, wenn man nur ein paar Tage alt war.
Tobirama bemerkte sofort, dass Minato die Formel abgewandelt hatte. Statt sie so stahlhart zu binden, wie es Mito stets getan hatte, hatte er eine winzige Lücke gelassen. Das weichte das Siegel auf und garantierte längere Haltbarkeit, barg aber auch das Risiko, dass etwas von dem Chakra, das damit gebunden werden sollte, heraussickerte und das Siegel korrodierte. Tobirama runzelte die Stirn, verschob aber die Frage, warum Minato das getan hatte, auf später.
Er gab Minato seinen Sohn wieder. Minato hatte ihn stumm beobachtet. Seine Augen missten ihren üblichen Glanz und Schalk, und auch das kleine Lächeln, das er sich abgerungen hatte, als Ōkami ihr Geschenk überbracht hatte, hatte erzwungen gewirkt. Aber wen wunderte es?
»Ich denke, die Formalitäten können wir uns jetzt langsam wirklich sparen«, sagte Minato leise. »Jetzt sind wir quitt.«
Tobirama war dieses Detail keineswegs entgangen. »Ich würde dennoch in der Zukunft gern darauf verzichten, in Situationen zu geraten, in denen einer von uns dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe springt. Ist nicht so gut für die Gesundheit.«
Kakashi kommentierte das mit einem amüsierten Schnauben.
Minato hob sein Hemd und Tobirama überprüfte auch sein Siegel. Dieses hatte Minato ganz so ausgeführt, wie Tobirama es von Mito kannte. Er war nicht davon ausgegangen, dass es lange währen würde, dennoch hatte Minato es sorgfältig angewandt. Zugegeben eine bemerkenswerte Leistung in dieser chaotischen Situation.
Zum Schluss überprüfte Tobirama sein eigenes Siegel, das er um Minatos Herz gelegt hatte. Auch das hielt noch genauso fest, wie es sollte, die Verbindung zu seinem eigenen Chakra stand.
»Warum lebe ich noch?«, fragte Minato in die Stille hinein.
»Weil ich das so wollte«, sagte Tobirama nüchtern. »Es gibt keinen Grund, den Jungen ohne seinen Vater aufwachsen zu lassen.«
Bei Narutos Erwähnung drückte Minato ihn sogleich fester an sich. Naruto döste bereits wieder ein.
»Ich bin wirklich ein Narr, oder?«, murmelte Minato.
»Womöglich«, sagte Tobirama. »Aber ein glücklicher. Seit Tagen denke ich schon darüber nach, aber mir fällt nichts ein, was wir hätten anders machen können.«
»Glücklich.« Minato schnaubte. Dann brach er in Tränen aus.
Tobirama regte sich unruhig. »Ich, äh … gehe dann besser.«
Er war wirklich nicht gut bei so etwas. Das war immer Hashiramas Ding gewesen. Es machte ihn nervös, weil er nicht wirklich wusste, wie er mit solchen Situationen umgehen sollte.
»Nein, bitte nicht«, schluchzte Minato. »Bitte bleib.«
Hilfesuchend sah Tobirama zu Kakashi, aber er schien genauso wenig Ahnung zu haben. Zögerlich setzte Tobirama sich wieder.
Minato drückte Naruto fest an sich und weinte bittere Tränen. Es schmerzte Tobirama, ihn so zu sehen, weil es ihn an seinen eigenen Verlust erinnerte. Auch er hatte seine Familie so plötzlich und auf brutale Weise verloren und es hatte nichts gegeben, was er daran hatte ändern können.
Gab es denn wirklich keinen Weg, ungeschehen zu machen, was geschehen war?
Ōkami leckte Minato über die Hand, weil sie wusste, dass das früher auch bei Tobirama geholfen hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Es funktionierte auch bei Minato und ganz nebenbei bekam auch Naruto ein paar Wolfsküsse ab. Es beruhigte auch ihn, nachdem er die Unruhe seines Vaters gespürt hatte.
Kakashi räusperte sich. »Naruto also? Wie aus Jiraiyas Buch?«
Minato schniefte und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Hmhm. Kushina hatte den Namen ausgesucht. Uzumaki Naruto.«
Tobirama gab sich einen Ruck und sprach endlich aus, was er sowieso schon die ganze Zeit ansprechen wollte: »Sollte irgendetwas sein, zögere nicht und komm zu mir, und ich sehe, was ich tun kann. Wie Ōkami es so treffend sagte: Ich hab‘s geschafft, Sakumo nicht verkehrt herum zu halten.«
Ein winziges Lächeln schlich sich auf Minatos Lippen. Es wirkte traurig, aber dieses Mal doch echt. »Danke. Wirklich vielen Dank. Das weiß ich zu schätzen.«
Sie wurden unterbrochen, als die Tür schwungvoll aufging und niemand anderes als Doktor Fuyuko hereinkam. Als sie Tobirama außerhalb seines eigenen Zimmers sah, kniff sie die Augen missbilligend zusammen.
»Meine Patienten haben sich gegen mich verschworen! So kann ich meine Arbeit nicht machen!«, fauchte sie.
»Dafür habe ich meine gemacht und die Siegel überprüft«, knurrte Tobirama zurück.
»Husch, husch! Raus hier!«, herrschte Fuyuko ihn an und scheuchte ihn samt Kakashi nach draußen.
Sie entließ ihn dennoch nur wenige Tage später aus dem Krankenhaus. Es war wohl der Notsituation geschuldet, dass es viele Patienten gab, deren Lage weitaus dringender war. Tobirama konnte spüren, dass sie ihn am liebsten dennoch weiter unter ihrer Fuchtel behalten hätte, denn sie gab ihm eine lange Liste an Dingen mit, die er tun oder besser nicht durfte. Am Ende beinhaltete es vor allem, den ganzen Tag im Bett zu liegen oder mit irgendwelchen Gummibändern und Bällen herumzuhantieren. Es war albern und Tobirama kam sich wie ein alter Mann vor.
Sein erster Gang war der zu Hiruzen.
Er atmete tief durch, als er vor der Tür zum Haus stand. Noch ein Verlust, den sie erlitten hatten, einer von vielen. Dann betätigte er die Türklingel.
Eine junge Frau öffnete ihm, an ihrer Seite ein Jugendlicher. Sie mussten Hiruzens Kinder sein. Bedauerlich, dass Tobirama sie unter diesen Umständen kennenlernen musste. Sie sah ihn überrascht an, fasste sich aber rasch wieder, während ihr Bruder recht unbeeindruckt wirkte.
»Ich bin hier, um eurem Vater mein Beileid auszusprechen«, eröffnete er.
Die junge Frau verbeugte sich vor ihm. »Ich bin Emiko und das ist mein kleiner Bruder Asuma. Es ist uns eine Ehre, Sie als unseren Gast begrüßen zu dürfen, Nidaime-sama.« Emiko führte ihn ins Haus. »Vater ist oben in seinem Studierzimmer, ich führe Sie hin. Asuma-kun, bring unserem Gast Tee.«
»Ja, wenn‘s denn sein muss«, maulte Asuma und zog ab.
»Manieren!«, rief Emiko ihm nach. Dann wandte sie sich wieder an Tobirama. »Sie müssen meinen kleinen Bruder entschuldigen, er steckt gerade in einer schweren Phase.«
Der Altersunterschied zwischen den Geschwistern wirkte recht groß, bemerkte Tobirama. Und dann hatten sie auch noch so plötzlich ihre Mutter verloren.
Emiko führte ihn nach oben. Der Geruch nach Pfeifenkraut wies ihnen unmissverständlich den Weg. Hiruzen saß in seinem Studierzimmer, wie Emiko gesagt hatte, und hatte sich zwischen Bergen an Schriftrollen und Notizen verschanzt.
»Vater, du hast Besuch. Nidaime-sama ist hier, um mit dir zu sprechen«, kündigte Emiko ihn an.
Hiruzen sah auf und legte den Zettel zur Seite, den er bis jetzt studiert hatte. Er stand auf und kam zu ihnen. Der Rauch der Pfeife biss Tobirama in der Nase.
»Danke, Emiko, du kannst gehen«, sagte Hiruzen. Er lud Tobirama mit einer Geste ein, sich zu ihm zu setzen.
Der Rauch hing im ganzen Zimmer. Hiruzen hatte schon in jungen Jahren mit dieser Gewohnheit angefangen und sie anscheinend nie abgelegt. Eine schlechte Angewohnheit, Tobirama hatte es ihm schon damals gesagt. Aber manche Dinge änderten sich eben nie. Torifus Siegel waren eine Katastrophe und Hiruzen rauchte, so war das eben.
»Saru, du rauchst zu viel«, sagte Tobirama daher geradeheraus und ging zum Fenster, um es zu öffnen, bevor er sich zu Hiruzen setzte.
Hiruzen zuckte mit den Schultern und sah auf die Pfeife in seinen Händen. »Ja, das tue ich wohl. Eine schlechte Angewohnheit, und ich fürchte, ich färbe auf Asuma ab.«
Tobirama warf ihm einen mahnenden Blick zu. Dann glätteten sich doch seine Gesichtszüge. »Mein Beileid.«
»Danke«, war alles, was Hiruzen dazu sagte.
Tobirama musterte ihn. Altersflecken begannen sich auf Hiruzens Haut abzuzeichnen und sein Haar war schon längst ergraut. Runzeln zogen sich durch sein Gesicht. Er war nicht mehr der jüngste, und doch wirkte er alt, vor seiner Zeit gealtert.
In dem Moment kam Asuma herein und brachte ihnen ein Tablett, auf dem eine kleine Teekanne und zwei Teeschalen standen.
»Danke, mein Junge. Du kannst gehen«, sagte Hiruzen.
Asuma warf einen neugierigen Blick auf Tobirama, dann verließ er den Raum.
Hiruzen schenkte ihnen beiden mit geübten Handgriffen Tee ein. Tobirama wartete einen Moment, bis der Tee abgekühlt war, Hiruzen griff wie immer sogleich zu seiner Schale und blies vorsichtig über den noch dampfenden Tee.
»Du hast nicht vergessen, wie ich meinen Tee bevorzuge«, stellte Tobirama zufrieden fest.
»Natürlich nicht, sensei«, betonte Hiruzen. »Ich werde nie die Lektion vergessen, wie Sie uns Tee machen ließen mit den Jutsus, die wir von Ihnen gelernt hatten, und uns dann einen halbstündigen Vortrag über die Tradition des sadō hielten, während wir einfach nur unsere Trainingspause genießen wollten.«
Einen Moment lang tranken sie schweigend ihren Tee. Tobirama hasste solche Situationen. Hashirama wusste damit viel besser umzugehen.
»Ich bedauere, was vorgefallen ist und dass ich nicht mehr tun konnte«, sagte er etwas linkisch.
Hiruzen machte einen erstaunlich gefassten Eindruck. »Es ist tragisch, ja. Aber ich hatte meine Zeit mit Biwako und darum bin ich froh.«
»Saru.« Tobirama musterte ihn. Das war nicht die Reaktion, die er erwartet hatte.
»Sensei, wirklich. Mir geht‘s gut. Sie müssen sich nicht auch noch um mich sorgen. Es sollte umgekehrt sein. Von dem, was ich hörte, waren Sie schon wieder beinahe gestorben. Wie geht es Ihnen?«
Tobirama sah ihn durchdringend an. Hiruzen hielt seinem Blick erstaunlich lange stand. Keine Spur mehr von dem nervösen Jugendlichen, den Hashirama ihm damals aufgedrückt hatte.
»Saru, sag mir jetzt, was dich wirklich bedrückt.«
Hiruzen seufzte. »Ihnen entgeht immer noch nichts. Es ist allerdings so, dass ich … Nun, ich …« Er zögerte sichtlich und sagte dann doch: »Ich betrauere sie nicht. Ich fühle keine Trauer bei dem Gedanken an den Tod meiner eigenen Frau. Stattdessen sitze ich hier und mache mir Gedanken zu einem neuen Konzept für die Chūnin-Prüfungen. Ich lasse mir meinen Kindern gegenüber nichts anmerken, Biwakos Tod hat sie beide sehr mitgenommen. Aber es gibt mir doch zu denken. Biwako war meine Frau, mit der ich über vierzig Jahre meines Lebens verbrachte, und jetzt kann ich nicht einmal eine Träne um sie weinen. Das hat sie nicht verdient.«
»Jeder trauert eben anders«, sagte Tobirama.
»Ja, aber … Da ist einfach nichts. Nur leichtes Bedauern. Sie hatte noch so viel von der Welt sehen wollen.«
»Manche weinen sich den ganzen Tag die Augen aus. Manche toben und schreien ob der Ungerechtigkeit. Manche brennen in stummen Zorn. So ist das eben.«
»Ich frage mich, ob ich selbst darin versagt habe.« Hiruzen senkte den Blick.
»Das hast du nicht, Saru«, betonte Tobirama.
»Oh, aber sensei, Sie wissen nicht«, widersprach Hiruzen. »Sie wissen nicht, worin ich in den letzten vierzig Jahren alles versagt habe. Ich habe Ihnen Schande bereitet und mich des Vertrauens, das Sie in mich gesetzt haben, nicht als würdig erwiesen. Ich sah die Schatten, die in den dunklen Ecken wucherten, doch ich unternahm nichts. Ganz im Gegenteil ließ ich sogar zu, dass sie wuchsen, wandte den Blick ab und ließ andere sich darum kümmern. Ich fürchte, ich habe ein Monster erschaffen.«
»Saru, der Tod deiner Frau hat dich mehr mitgenommen, als dir selbst bewusst ist. Jetzt ist nicht die Zeit, um darüber zu sprechen.«
Hiruzen schwieg und sah bekümmert zu ihm. Seine ganze Erscheinung sank in sich zusammen. »Sensei, kann ich Sie um etwas bitten? Würden sie mich auf einen Gang begleiten, den ich schon seit Tagen vor mich her schiebe?«
»Natürlich.«
Sie tranken den Tee aus und machten sich dann auf den Weg. Hiruzen führte ihn zu der großen Kühlhalle, in der die Leichen aufgebahrt wurden, bis man sie bestatten konnte. Noch immer barg man neue Opfer aus den Trümmern und die tatsächliche Zahl der Toten stieg noch immer an. Auch Biwako und Kushina hatte man hierher gebracht.
»Wie geht es Minato und dem Kind?«, erkundigte sich Hiruzen auf ihrem Weg.
»Den Umständen entsprechend«, sagte Tobirama. »Ich habe derzeit keinen Anlass zur Sorge, dass die Siegel, die Minato auf sich und Naruto anwandte, in nächster Zeit nachlassen könnten. Sie halten. Aber anders als Naruto hat Minato kein Chakra, das für solch ein Siegel geeignet ist. Das könnte Probleme bereiten. Nein, das wird es sogar. Seine körperlichen Wunden heilen, er hatte mehr Glück als ich und wird in einem Stück aus der Sache herauskommen.«
Hiruzens Blick huschte zu Tobiramas linker Hand, bevor er seine Manieren wiederfand. »Und Sie, sensei?«
»Offensichtlich lebe ich immer noch.«
»Es hatte nicht immer den Eindruck gemacht, dass das der Fall sei. Sensei, haben Sie ihren Sturkopf durchgesetzt und sich über Doktor Fuyukos ärztlichen Rat hinweg gesetzt?«
»Saru«, sagte Tobirama warnend und kniff die Augen zusammen.
Hiruzen ließ sich davon leider nicht mehr einschüchtern. »Ich hab dem jetzt lange genug schweigend zugesehen. Sie sollten sich wirklich schonen. Als Sie vor zwei Monaten aus dem Nichts heraus auftauchten, fielen Sie uns praktisch tot vor die Füße. Sie können nicht annehmen, dass Sie jetzt einfach so weitermachen können wie zuvor. Sie tun niemanden einen Gefallen, wenn Sie sich zerschinden.«
Er hatte nach Kushina greifen wollen. Er hatte sie bereits. Und dann hatten seine Finger versagt. Ein Moment der Schwäche, der Kushina ein grausames Ende beschert hatte.
Indes hatten sie die Halle erreicht. Noch immer brachten Hilfstrupps etwa menschengroße Säcke herbei, die sie in die Halle trugen. Manche dieser Säcke waren erschreckend klein. Menschen in Kitteln begutachteten die Leichen und wiesen die Helfer an, wo sie sie hinbringen sollten.
Hiruzen trat zu einer Frau in Kittel und sagte ihr, wen sie suchten. Die Frau nickte, bedeutete ihn, ihr zu folgen und führte sie in die Halle. Die Luft hier drin war frisch und Tobirama stand sein eigener Atem in kleinen Wolken vor dem Gesicht. Und auch wenn alles chemisch nach Desinfektionsmitteln roch, konnte der Geruch nach Blut doch nicht überdeckt werden.
Man hatte bereits begonnen, die Leichen in einfache Särge zu legen und diese Särge in hohen Regalen zu stapeln. Die Frau führte sie zielstrebig zu einem davon, las auf dem Klemmbrett, das sie bei sich führte, eine Nummer ab und deutete dann auf zwei der Särge in einer der unteren Reihen. Dann ging sie wieder, um weiter ihre Arbeit zu erledigen.
Tobirama zog den ersten der beiden Särge aus dem Regal und hob den Deckel an. Darin lag Kushina. Sie trug noch immer dieselbe blutdurchtränkte Kleidung, in der sie gestorben war. Ihr Gesicht war im Moment des Todes in Schock, Angst und Trauer eingefroren. Ein riesiges Loch klaffte in ihrer Brust, durch das man den Sargboden sah. Es war ein grauenhafter Anblick.
»Sensei, machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte Hiruzen. »Ich habe gesehen, was geschehen war, auch wenn Kushinas Barriere verhindert hatte, dass ich hinzukommen konnte. Sie war dem Tod geweiht in dem Moment, in dem Kyubi freigekommen war.«
»Dennoch hätte sie nicht auf diese Weise sterben müssen«, knurrte Tobirama.
»Es ist nicht Ihre Schuld«, wiederholte Hiruzen. »Wenn Sie schon nach einem Schuldigen suchen wollen, dann blicken Sie zu mir.«
Tobirama runzelte die Stirn.
»Ich habe das Gefühl, dass es meine Schuld ist«, fuhr Hiruzen. »Es fing mit Uzushio an und erreichte seinen traurigen Höhepunkt hiermit. Ich weiß, ich hätte handeln müssen, als Uzushiogakure bedroht wurde. Ich weiß, dass Konoha gemäß des alten Paktes, der zwischen den Senju und Uzumaki bestand, dazu verpflichtet gewesen wäre, Uzushio zu unterstützen in Falle eines Angriffs. Aber es war Krieg und ich fürchtete, dass es zu riskant wäre und die anderen Parteien gegen Konoha vereinen würde, würde ich in den Konflikt um Uzushio eingreifen. Ich ließ zu, dass das Dorf und die ganze Insel verwüstet wurden. Die wenigen Überlebenden zerstreuten sich in alle Winde. Und dann hörte ich von Kushina, einem kleinen Mädchen allein in der Fremde, doch mit genau dem richtigen Chakra, um Kyubi zu bannen. Mito-hime war alt und es bestand die Gefahr, dass sie vielleicht sterben würde, ohne dass für sie ein Nachfolger gefunden wurde. Ich ließ also Kushina in das Dorf bringen, stellte sie Mito-hime vor und hoffte, dass die Sache damit geregelt sei.«
Tobirama musste an sich halten, Hiruzen nicht wütend anzufahren. Es wäre wirklich nicht der angemessene Ort oder Zeitpunkt dafür, seinen einstigen Schüler zu schelten. Aber oh, wie ihm der Sinn danach stand gerade.
»Ich habe sie umgebracht.«
Dieses Mal antwortete Tobirama nicht darauf und knirschte nur stumm mit den Zähnen. Hatte Mito befürwortet, was Hiruzen mit Kushina gemacht hatte? Oder war sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt worden? Und was war aus ihrer Familie geworden? Ihren Brüdern und Nichten und Neffen?
Sein Schweigen schien Hiruzen nervös zu machen. Er sah zu ihm auf und wandte hastig wieder den Blick ab. »Ich nehme an, dass Sie mir nicht sagen werden, wieso Minato noch lebt trotz des Shinigami.«
»Das nimmst du korrekt an.«
Hiruzen nahm es schweigend hin.
Tobirama stellte den Sarg wieder an seinen Platz zurück und holte nun Biwakos Sarg aus dem Regal. Er trat zurück, um Hiruzen Raum zu lassen. Hiruzen zögerte. Dann gab er sich einen Ruck und betrachtete noch ein letztes Mal seine Frau. Sein Gesicht trübte sich vor Kummer. Doch dann runzelte er die Stirn.
»Sensei, sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
Tobirama sah ihn fragend an, trat aber neben ihn und besah sich, worauf Hiruzen ihn hinweisen wollte. Hiruzen hatte den Kragen von Biwakos Kleidung zurückgezogen und ihren Hals offengelegt. Ein klaffender Schnitt war zu sehen. Das war nicht die Wunde, die Tobirama erwartet hatte.
Tobirama drehte Biwakos Kopf zur Seite, um die Wunde genauer betrachten zu können. Von einem Ohr zum Anderen. Saubere Wundränder. Tiefer Schnitt. Mit Kraft ausgeführt also.
»Das ist keine Wunde, die von einer Klaue des Fuchses verursacht worden wäre«, stellte er fest. »Das war auch kein Splitter oder etwas vergleichbares.«
»Das war eine Kunai-Klinge«, sprach Hiruzen aus, was auch Tobirama dachte. »Aber … wie?«
Hieß das etwa …?
An diesem Tag fand Tobirama jedoch keine Antwort auf dieses Rätsel. Er beauftragte Kakashis Team damit, den Schauplatz zu untersuchen, und würde zu gegebener Zeit auch Minato dazu befragen. Noch wollte er ihn damit nicht belasten, auch wenn er nicht lange damit warten konnte.
Er hatte allerdings noch etwas anderes zu erledigen. Es hatte zwar nicht wirklich mit dem Angriff des Fuchsmonsters zu tun, aber nachdem er das schon so lange vor sich her geschoben hatte, wurde es endlich Zeit, auch diese Sache anzugehen. Und wenn Uchiha Fugaku ihn schon etwas unfreiwillig im Kampf gegen Kyubi unterstützt hatte, konnte er das auch zum Anlass nehmen, sich ihm persönlich vorzustellen.
Er kam allein, ohne Ōkami, weil er wusste, dass viele Uchiha auf sie mit Unbehagen reagierten. Womöglich würde sich daran auch bis heute nichts geändert haben; Uchiha vergaßen selten etwas, und das galt auch für seine Person. Er bereitete sich auf ein unangenehmes Gespräch vor.
Es fing genauso unangenehm an, wie er es erwartet hatte.
Befangene Stille hing zwischen ihnen, als Tobirama vor Fugaku kniete. Mikoto, Fugakus Frau, war ebenfalls anwesend und ein wenig hinter seinen Eltern kniete Itachi, so der Name des Jungen, wie Tobirama gelernt hatte. In einer Trageschlaufe hatte er seinen Bruder Sasuke bei sich, der selbst erst wenige Monate alt war. Dem Spielzeug nach zu urteilen, dass Tobirama in einer Ecke ausmachte, befanden sie sich im Kinderzimmer des Jungen, weil die meisten anderen Räume des Hauses Schaden davon getragen hatten. Es würde wie viele andere Gebäude des Dorfes neu aufgebaut werden müssen.
»Ich muss den etwas ungebührlichen Empfang entschuldigen, Nidaime-sama«, sagte Fugaku. »Aber besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.«
»Und ich muss die grobe Art entschuldigen, mit der ich mich mit Ihnen bekannt machte, Uchiha-sama«, erwiderte Tobirama. »Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich da noch nicht wusste, dass Sie derzeit das Clanoberhaupt sind. Die Polizei macht noch immer einen guten, starken Eindruck, das erfreut mich.«
»Ach, ist das so.« Fugaku sah ihn durchdringend an.
Tobirama erwiderte den Blick fest. Selbst wenn er es nicht wüsste, bestünde spätestens jetzt kein Zweifel mehr daran, dass der Mann, der ihm gegenüber saß, ein Uchiha war.
»Es ist lange her, dass die Senju uns Uchiha aufsuchten«, fuhr Fugaku fort. »Lassen Sie mich überlegen. Das letzte Mal muss noch zu Zeiten meines Vorgängers Hikaku gewesen sein, zu meiner Zeit war es nicht vorgekommen. Bis heute. Und jedes Mal bedeutete es große Umbrüche. Die Gründung des Dorfes, die Etablierung der Polizei. Was ist es dieses Mal?«
»Nur eine Bitte, mehr nicht«, sagte Tobirama so diplomatisch wie möglich. Fugaku musste in etwa in Minatos Alter sein, hatte aber etwas an sich, dass ihn wesentlich älter wirken ließ. »Ich hörte von Shisui, dem Enkel meines Schülers Kagami, und möchte die Vormundschaft für ihn erbitten.«
Fugaku antwortete nicht sofort. Er nahm zunächst einen Schlug seines Tees, den er ihnen serviert hatte. »Zugegeben, es erstaunt mich zu hören, dass Sie einen der unseren in Ihrem Gefolge hatten und jetzt mit solch einer Bitte vor mich treten.«
»Und warum sollte das erstaunlich sein, wenn ich fragen darf? Ich schätzte Kagami sehr, er war intelligent und sehr begabt. Es war mir eine Ehre gewesen, sein sensei sein zu dürfen.«
Fugaku setzte die Teeschale wieder ab und richtete seinen stechenden Blick wieder auf Tobirama. »Man sagt, Sie hätten meinem Clan die Polizei übertragen, um uns vom Rest des Dorfes zu separieren.«
Tobirama glaubte, sich verhört zu haben. »Und warum hätte das mein Motiv sein sollen?«
»Sie wissen so gut wie ich, dass mein Clan Sie den Fluch der Uchiha nannte«, sagte Fugaku geradeheraus. »Und es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie Madara nie vertraut hatten. Also brauchten Sie ein Mittel, um uns Uchiha zu kontrollieren.«
Tobirama konnte sich nicht helfen, er musste schnauben. »Ist es das, was man sich heutzutage sagt? Dann haben die Geschichtsbücher wohl ein paar Details vergessen. Hashirama wusste es und auch ich wusste es: Auch wenn sich der Großteil des Clans von Madara abgewandt hatte, besonders nach seinem Fortgang, so gab es dennoch einige wenige Anhänger seiner Ideen. Sie stifteten Unruhen, die drohten, zu einem Bürgerkrieg anzuwachsen, dieses Mal innerhalb der Mauern Konohas. Es war Hikaku selbst, der zu mir trat mit dem Vorschlag, eine Polizei zu gründen und sie in die Hände der Uchiha zu legen. Mir war bewusst gewesen, dass dies keine leichte Aufgabe wäre, für niemanden. Aber ich vertraute auf die Uchiha, dass sie in der Lage wären, diese Bürde zu tragen. Zu meiner Zeit haben sie kein einziges Mal dieses Vertrauen verletzt.«
»Das haben sie auch bis heute nicht«, sagte Fugaku selbstsicher. »Aber ja, es ist bei weitem keine leichte Aufgabe. Die, die das Gesetz hüten, sind selten beliebt, aber wir erfüllen unsere Aufgabe dennoch mit Stolz.«
Bei diesen Worten regte sich Itachi und sah zu seinem Vater, aber er sagte nichts. Die Augen des Jungen wirkten intelligent und aufmerksam. Sein Chakra machte einen starken Eindruck, weitaus stärker, als es Tobirama bei einem Kind dieses Alters erwartet hätte.
»Ich bin wohl ein paar falschen Annahmen über Sie anheim gefallen. Bitte verzeihen sie mir, Nidaime-sama«, sagte Fugaku, hielt jedoch den Kopf aufrecht. »Was Ihre Bitte angeht, so will ich ihr stattgeben unter der Bedingung, dass Sie vorher mit Shisui darüber reden. Er soll in der Sache ebenfalls ein Mitspracherecht haben, auch wenn er erst neun Jahre alt ist.«
»Selbstredend. Ich danke Ihnen, Uchiha-sama.«
»Kann man auch mit einer halben Hand Fingerzeichen für Jutsus ausführen?«, fragte Itachi dazwischen.
»Itachi!«, scholt Mikoto ihn. »Es ist ausgesprochen unhöflich, Leute auf so etwas anzusprechen. Außerdem wurdest du nicht angesprochen, sei bitte still.«
»Nein, es ist in Ordnung«, versicherte Tobirama. »Das ist eine gute Frage und ich will sie gern beantworten. Sieh her, Junge.«
Ohne ein Fingerzeichen sorgte er dafür, dass der Tee in seiner Schale in einem rotierenden Ball einige Zentimeter aufstieg. Itachi machte große Augen.
»Es ist möglich, jedoch nur mit einfachen Techniken, Übung und Begabung. Komplexere Jutsus werden nicht unmöglich dadurch, ihre Durchführung wird jedoch erschwert.«
»Papa hat gesagt, dass Sie es trotzdem geschafft haben, das Fuchsmonster zu Fall zu bringen.« Itachi klang fasziniert.
Zugegeben, die Begeisterung des Jungen war drollig mit anzusehen.
»Mit der Hilfe deines Vaters«, korrigierte Tobirama dennoch. Ehre, wem Ehre gebührte.
»Nidaime-sama, was diese Sache angeht, so muss ich Ihnen noch etwas mitteilen«, sagte Fugaku.
»So?«
»In dem kurzen Moment, in dem ich Kyubi unter meiner Kontrolle hatte, war mir, als würde ich den Einfluss eines weiteren Sharingan spüren, eines, das stärker ist meines.«
Tobirama sah ihn fragend an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Viele wissen, dass ein Sharingan, das nur stark genug ist, in der Lage ist, einen Bijū zu kontrollieren. Das muss ich Ihnen ganz gewiss nicht erklären, denn offensichtlich wussten Sie davon, als Sie mich zur Hilfe holten. Aber es gibt in meinem Clan nur wenige, deren Sharingan diese Stärke erreicht hat. In diesem Moment war ich mir sicher, dass Kyubi kontrolliert worden war, als er das Dorf angriff.«
Erst die seltsame Wunde an Biwakos Hals, jetzt das hier. Diese ganze Sache war höchst eigenartig. Beunruhigend gar.
»Wollen Sie also sagen, jemand aus dem Dorf hat einen Überfall geplant?«, fragte Tobirama nach.
»Ich werde der Sache auf den Grund gehen«, versprach Fugaku. »Die, die dazu in der Lage wären, hätten eigentlich kein Motiv, so etwas zu tun, und ich bürge für sie. Aber man kann nie wissen …«
Tobirama nickte. »Ich werde Ihnen meine eigenen Leute zur Hilfe schicken.«
Fugaku nickte und nahm das Angebot zur Unterstützung gern an. Danach verlief sich das Gespräch in Belanglosigkeiten und Tobirama verabschiedete sich alsbald. Er wollte an diesem Tag noch mit Shisui sprechen. Mikoto bot ihm an, ihm zu zeigen, wo der Junge derzeit lebte, und führte ihn hin.
»Kushina war meine Freundin, wissen Sie«, eröffnete sie ihm auf dem Weg. »Ich muss Ihnen danken, dass sie Minato und das Baby gerettet haben.«
»Ohne Ihren Mann hätte ich es nicht geschafft«, betonte Tobirama.
Shisui wohnte nicht weit weg. Wie Torifu Tobirama bereits gesagt war, war er bei entfernten Verwandten untergekommen, einem Ehepaar, das eine kleine Bäckerei besaß und senbai verkaufte. Mikoto stellte sie ihm als Uruchi und Teyaki vor. Die beiden staunten nicht schlecht, als Tobirama unangekündigt in ihrem Laden auftauchte, luden ihn dann aber auf ein paar senbai und etwas Tee ein und riefen Shisui herbei.
Shisui war ein für sein Alter schmächtiger Junge mit großen Augen und genau demselben lockigen, wilden Haar wie Kagami. Beinahe meinte Tobirama, sich einem jungen Kagami gegenüber zu sehen, die Ähnlichkeit war bemerkenswert.
»Hallo, Shisui. Ich bin Senju Tobirama«, stellte er sich Shisui vor.
Kurz huschte Shisuis Blick hinaus aus dem Fenster und hinauf zum Hokagefelsen. Dann blitzte die Erkenntnis in seinen Augen auf.
»Dein Großvater, Kagami, war einmal mein Schüler gewesen«, fuhr Tobirama fort. »Ich habe schon einiges von dir gehört. Du sollst ein sehr talentierter Junge sein.«
Daraufhin schüttelte Shisui jedoch den Kopf. »Nicht Junge.«
Oh. »Mädchen dann. Bitte entschuldige. Man hat mich falsch informiert.«
Noch ein Kopfschütteln. »Auch nicht. Bitte einfach nur Shisui. Keine Pronomen.«
Dieses Konzept war Tobirama neu. Aber wenn Shisui das so wollte, dann wollte er selbstredend Shisuis Wunsch nachkommen. »Ich bin hier, weil ich dir meine Vormundschaft anbieten will. Das heißt, dass ich für dich sorgen und die Kosten deiner Erziehung und Ausbildung übernehmen will, so du das wünschst. Ich biete dir ebenfalls an, dir gesondertes Training zu geben außerhalb der Akademie, um dein Talent zu fördern.«
Shisui sah fragend zu Uruchi.
»Nidaime-sama ist ein großartiger Shinobi«, sagte sie. »Du kannst sehr froh sein, dass er dir so etwas anbietet.«
»Es steht dir frei, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen«, betonte Tobirama. »Du kannst auch entscheiden, ob du hier bleiben oder zu mir ziehen willst.«
Shisui dachte einen Moment darüber nach. »Aber warum ich? Es gibt doch so viele Waisen.«
»Die Eltern deines Großvaters, Senju Tōka und Uchiha Hikaku, waren gute Freunde meiner Familie«, sagte Tobirama. »Es war Hikakus ausdrücklicher Wunsch, dass ich Kagamis sensei werde, und auch später, als Kagami ein vollwertiger Shinobi geworden war, hatte er mir stets treu gedient. Ich sehe es als meine Pflicht an, über seine Nachkommen zu wachen, um sein Andenken zu ehren.«
Shisui blinzelte, offensichtlich etwas überfragt von diesem plötzlichen Angebot.
»Du musst das nicht sofort entscheiden«, fügte Tobirama daher an. »Denk in Ruhe darüber nach und lass es mich wissen, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.«
»Also, ich denke«, stammelte Shisui und räusperte sich. »Ich denke, dass ich das Angebot annehmen will. Aber, äh, ich würd gern hier wohnen bleiben, wenn ich darf.«
Tobirama schmunzelte. »Gegen diese senbai komme ich wohl nicht an«, sagte er und nahm sich noch einen Reiscracker.
Nächstes Kapitel: Minato entdeckt ungeahnte Qualitäten an Tobirama aka findet seinen malewife dream
CN Trauer (sad bean)
Wenn ihr euch das Hirn wegballern lassen wollt vor lauter Awesomekeit, empfehle ich das Video Life Beyond: Chapter 3, das zugleich Inspiration und Soundtrack für dieses Kapitel gewesen war.
Die große Stille
Kakashi war schon vor einiger Zeit zu Bett gegangen und auch Ōkami döste bereits am irori, um die letzte Restwärme der verglimmenden Kohlen zu erhaschen. Nur Tobirama stand noch draußen im Garten und hantierte mit dem alten Teleskop, das er auseinandergebaut auf dem Dachboden gefunden hatte. Es wäre sinnvoller, wenn er raus in den Wald gehen würde, dort, wo die Lichter Konohas den Himmel nicht verschmutzten. Aber zum Testen und Justieren reichte es. Außerdem waren derzeit besonders viele Sternschnuppen um die Mitternachtsstunde zu sehen und er hoffte auf ein paar schöne.
Daher entging ihm nicht das zaghafte Klopfen an der Haustür. Ein kurzes Aktivieren seiner Sensorfähigkeiten sagte ihm, dass es Minato war, der ihn zu später Stunde aufsuchte. Er ging außen um das Haus herum und tatsächlich stand dort Minato an seiner Haustür, einen schlafenden Naruto auf dem Arm, den er in ein dickes Tuch eingewickelt hatte.
Minato schien ein wenig überrascht, ihn noch draußen anzufinden, doch Tobirama öffnete ihm das Gartentor und ließ ihn herein. Er konnte sich denken, was Minato umtrieb.
»Es tut mir leid, dass ich dich um diese Stunde noch störe, aber …«, begann Minato.
»Aber ich hatte es dir angeboten«, unterbrach Tobirama ihn. »Ich hatte ohnehin noch nicht vor, jetzt schon zu schlafen.«
Minato entdeckte das Teleskop. »Oh, wie spannend. Als Junge wollte ich auch immer eins, aber irgendwie kam es nie dazu.«
»Ich habe es Sakumo vor einigen Jahren gekauft, als er sich dafür zu interessieren begann. Es tut seinen Dienst, aber ich liebäugle mit dem Gedanken, mir vielleicht doch ein Spiegelteleskop zu besorgen statt dieses einfachen Linsenteleskops.«
Minato trat zu dem Teleskop und begutachtete es neugierig. »Darf ich?«
Tobirama sagte ihm, dass er Naruto ruhig bei Ōkami lassen konnte, die indes von dem fremden Geruch erwacht war. Minato brachte das Baby zu ihr nach drinnen ins Warme und zögerte keinen Moment lang, es zwischen ihre Vorderpfoten zu legen. Naruto, der für einen Moment wach geworden war, döste sogleich wieder ein, und Ōkami legte den Kopf neben ihm ab, um über ihn zu wachen.
Tobirama hatte indes das Teleskop auf den Mond gerichtet, das einzige Objekt am Himmel, das man mit solch einem einfachen Teleskop wirklich sinnvoll betrachten konnte. Vielleicht sollte er sich wirklich ein Spiegelteleskop zulegen und vielleicht dafür auch ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen. Dann würde es auch Sinn machen, nahe Planeten zu beobachten.
Fasziniert blickte Minato durch das Okular. »So viele Details!«, staunte er. »Ich hätte nie gedacht, dass es da so viel zu entdecken gibt.«
Tobirama blickte in den Nachthimmel. Eine Sternschnuppe zog vorüber. Die Sterne funkelten.
»Es ist nur der Mond«, sagte er. »Jenseits davon liegt die Unendlichkeit. Jeder Stern ist eine Sonne und jede Sonne kann ihre eigenen Welten beherbergen.«
Minato richtete sich wieder auf und folgte seinem Blick. »Sind wir allein?«
»Wer weiß das schon. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
Minato fröstelte in der kalten Luft, anders als Tobirama hatte er sich nur eine leichte Jacke übergeworfen für den Weg hierher. Also gingen sie nach drinnen und Tobirama schob die Papierwände hinter ihnen zu, um die Wärme im Haus zu halten. Dann setzten sie sich an den kotatsu nahe des irori. Während Tobirama ihnen beiden einen letzten Tee brachte, hatte Minato bereits das Buch entdeckt, das Tobirama derzeit las, wann immer er etwas Zeit und Muse dafür erübrigen konnte. »Die Große Stille« stand vorne auf dem Deckblatt und einige Zettelchen ragten aus den Seiten, wo sich Tobirama Notizen gemacht hatte.
Im Licht der Lampe sah Tobirama nun auch, wie miserabel Minato aussah. Seine Haut war blass und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. Seine körperlichen Wunden mochten heilen, aber nicht die seelischen.
»Die Frage, ob wir allein im Kosmos sind, hat die Menschheit schon lange vor meiner Zeit beschäftigt«, sagte Tobirama, als er sich zu seinem Gast setzte. »Wir blickten zu den Sternen auf und fragten uns: Gibt es noch mehr wie uns dort draußen? Gibt es Wesen, die uns lauschen? Oder sind wir doch allein in einem unendlichen Meer aus Nichts? Anija war ein Träumer. Er hing mit dem Kopf in den Wolken und hatte sprichwörtlich nach den Sternen gegriffen. Ich habe die Sache immer etwas bodenständiger betrachtet. Die Mathematik sagt uns, dass es dort draußen Abermilliarden von Welten geben kann und jede davon kann intelligentes Leben beherbergen. Doch können wir es überhaupt als Leben erkennen? Oder ist es uns so fremd, dass wir gar nicht begreifen, was wir da sehen? Also blickten wir hinaus zu den Sternen und lauschten. Doch alles, was wir hörten, war Stille. Nichts außer kosmischem Rauschen.«
Minato blätterte durch das Buch und blieb mal hier, mal dort an einigen Stellen hängen. »Vielleicht ist es aber besser so. Wesen, die durch das All reisen können, müssen so viel weiter entwickelt sein als wir. Was können wir ihnen schon entgegen halten?«
»Manche sagen, dass die Suche nach außerirdischer Intelligenz in der Tat gefährlich ist. Zivilisationen, die das All bereisen, sind uns technologisch weit überlegen, und nichts garantiert uns, dass sie uns wohlgesonnen sind. Jede intelligente Zivilisation hungert nach Energie und ist stets auf der Suche nach ergiebigeren Quellen, um ihren Fortschritt zu befeuern. Eine Zivilisation des Typs 1 ist in der Lage, die gesamte Energie ihres Planeten zu verwerten; selbst davon sind wir noch weit entfernt. Eine Typ 2 Zivilisation hingegen ist bereits dazu fähig, die gesamte Energie ihres Sterns zu verwerten, und eine Zivilisation, die als Typ 3 klassifiziert wird, ist in der Lage, die gesamte Energie ihrer Galaxie zu verwerten. Mit einer solchen Macht wären sie in der Lage, ihre eigenen Sterne zu erschaffen und damit theoretisch bis zum unausweichlichen Kältetod des Universums unendlich viel Energie zu erzeugen – und vielleicht auch neue Universen.«
»Sie wären Gott.«
»Ja, das wären sie wohl. Für uns. Anija war immer recht amüsiert davon, wenn die Leute ihn shinobi no kami nannten, denn am Ende war er doch auch bloß ein Mensch wie wir alle. Aber Wesen, die eine solche Macht besäßen, wären in der Lage, die Grenzen von Raum und Zeit hinter sich zu lassen und zu multidimensionalen Existenzen aufzusteigen. Wir wären vielleicht nicht einmal mehr in der Lage, sie zu begreifen. Doch sind wir nicht auch für eine Ameise Götter? Jeder technologische Fortschritt kann, ist er nur weit genug vom eigenen Standpunkt fortgeschritten, nicht mehr von Magie unterschieden werden.«
»Wenn doch aber alles dafür spricht, dass wir nicht allein im Universum sind, warum hören wir dann nichts von ihnen? Warum antwortet uns nichts als Stille?«
»Ein Paradoxon, das in der Tat viele Fragen aufwirft. Die Theorie des Dunklen Waldes besagt, dass wir nicht allein sind, doch jede Zivilisation versteckt sich vor den anderen aus Furcht, ihnen unterlegen zu sein. Stell dir einen Wald vor und einen Jäger, der mit seinem Speer furchtsam durch das schattige Unterholz schleicht. Er weiß, dass dort draußen andere Jäger sind, die genauso auf Beute aus sind wie er, aber er weiß nicht, ob sie vielleicht nur mit Steinen nach ihm werfen, oder Waffen auf ihn richten, die seinen Verstand bei weitem übersteigen. Also schweigt er und versteckt sich, um mit nichts seine Anwesenheit zu verraten. Die große Stille.«
»Doch angenommen, er wird von Wesen gefunden, die ihm technologisch weit voraus sind, kann er nicht vorhersagen, wie sie reagieren werden. Vielleicht verschlingen sie ihn. Aber vielleicht begegnen sie ihm auch friedlich und sind gar nicht daran interessiert, ihm zu schaden.«
»Schlägt er zuerst zu oder geht er das Risiko ein und wagt den Sprung ins Unbekannte?«
Hashirama hatte den Sprung gewagt. Er war aus dem dunklen Wald herausgetreten und hatte den Mut gefunden, sich dem Unbekannten zu stellen. Dieser Gedanke kam Tobirama plötzlich, während er noch darüber sprach. Er hatte die Sache noch nie so betrachtet.
»Diese Stille macht mir Angst«, sagte Minato leise. »Dieser Gedanke, völlig allein zu sein und dahinzutreiben in einem eiskalten Meer aus Nichts. Dieses Nichts drückt mich nieder, erstickt mich und macht mich hilflos. Ich bin gelähmt vor Furcht, vor dem, was ich in dem Nichts sehe.«
Er erschauderte und schlang die Arme um sich.
»Ich habe seit Tagen nicht geschlafen«, fuhr er fort. »Sobald ich die Augen schließe, sehe, ich, was geschehen ist. Immer und immer und immer wieder. Und dann ist da diese Stille, diese schreckliche, abscheuliche Stille, in der mich niemand hört, und ich höre niemanden. Wenn dort draußen wirklich niemand ist, wenn jenseits der Stille nur furchterregendes Nichts ist, welchen Sinn hat dann all das hier noch?«
»Es stimmt«, sagte Tobirama und wählte seine folgenden Worte mit Bedacht. »Wir sind nur ein Staubkorn, das in einem Sonnenstrahl schwebt. Im Vergleich zur unermesslichen Weite des Kosmos sind wir nichts weiter als ein fahler blauer Punkt. Aber dieser Punkt, das sind wir. Das ist Heimat. Auf ihm haben alle, die du liebst, alle, die du kennst, alle, von denen du je gehört hast, alle Menschen, die es je gab, ihr Leben verbracht. Die Gesamtheit unserer Freude und unseres Leids, Tausende von überzeugten Religionen, Ideologien und Wirtschaftslehren, jeder Jäger und Sammler, jeder Held und Feigling, jeder Schöpfer und Zerstörer von Zivilisationen, jeder König und Bauer, jedes verliebte junge Paar, jede Mutter und jeder Vater, jedes hoffnungsvolle Kind, jeder Erfinder und Entdecker, jeder Moralprediger, jeder korrupte Politiker, jede ›Berühmtheit‹, jeder ›oberste Führer‹, jeder Heilige und Sünder in der Geschichte unserer Spezies lebte dort – auf einem Staubkorn, das in einem Sonnenstrahl schwebt.
Ja, im Vergleich zur unermesslichen Weite des Kosmos ist das nichts. Es ist bedeutungslos. Wir sind Ameisen, die nach Giganten suchen, doch bis jetzt blieb diese Suche erfolglos. Also müssen wir für den Moment annehmen, dass dieser Planet der einzige ist, der Leben beherbergt. Und das ist ein unermesslicher Schatz. Wir sind nur Ameisen und unsere primitiven Ameisengehirne können die Unendlichkeit nicht begreifen. Aber wir können begreifen, was um uns herum ist, und das ist ein Wunder, das es nur ein einziges Mal im unendlichen Kosmos gibt. Ich finde, das ist ein durchaus erhebender Gedanke. Zum Leben gehört der Tod, zur Liebe der Schmerz. Das ist der Preis für ein einmaliges Geschenk, das uns geben wurde.«
»Aber es schmerzt, so sehr. Es schmerzt so schrecklich«, schluchzte Minato und krallte seine Hand in seine Brust.
»Ich weiß«, sagte Tobirama schlicht, weil es darauf nichts mehr zu sagen gab. Es gab nichts, das diesen Schmerz nehmen konnte.
Minato warf sich in seine Arme und presste noch immer schluchzend das Gesicht in sein Hemd. Verdattert blickte Tobirama auf ihn hinab und wusste zunächst nicht, was er tun sollte. Etwas linkisch legte er dann doch die Arme um ihn. Es schien das zu sein, was Minato jetzt brauchte.
Hashirama hatte ihm gesagt, dass es noch Menschen gab, die ihn brauchten. Hatte er damit Kakashi gemeint oder … noch andere? Tobirama wünschte, sein Bruder wäre jetzt hier. Er hatte das Gefühl, nicht allzu sehr von Nutzen zu sein und kam sich recht hilflos vor.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte Minato irgendwann und machte noch immer keine Anstalten, von Tobirama abzurücken. »Du hast sie doch auch alle auf einmal verloren, deine ganze Familie. Wie kannst du da weiter machen?«
»Eines der universellen Gesetze im Universum ist der Fakt, dass Zeit gerichtet ist«, sagte Tobirama. »Sie vergeht, wenn auch aufgrund ihrer Relativität nicht immer mit derselben Geschwindigkeit, so doch immer nur in eine Richtung. Dieser Grundsatz bleibt unumstößlich bestehen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als einfach weiterzugehen.«
Das hieß auch, dass sich nicht ungeschehen machen ließ, was passiert war. Er schob den Gedanken hastig zur Seite.
Minato schwieg und sagte nichts mehr dazu. Nach und nach versiegten seine Tränen. Er schniefte.
»Oh. Ich hab dir dein Hemd vollgeweint. Das tut mir leid.«
Tobirama winkte ab. »Dann kommt es eben in die Wäsche, was soll‘s.«
Naruto wählte diesen Moment, ihnen zu verkünden, dass ihm etwas nicht passte. Tobirama tippte auf Hunger. Minato fiel es sichtlich schwer, sich dazu aufzuraffen und zu seinen Sohn zu gehen. Er wirkte erschöpft, körperlich wie mental.
»Hör zu«, sagte Tobirama daher bestimmt. »Du kannst heute Nacht hier bleiben, wenn du willst. Das Haus hat nun wirklich mehr als genug leere Räume. Ich kümmere mich um ihn.«
»Was?« Minato sah ihn irritiert an.
»Ja, ich kann das«, betonte Tobirama. Das letzte Mal stand Windeln wechseln vor elf Jahren auf seiner Aufgabenliste und er hatte nicht geplant, das jemals wieder zu tun. Aber die Dinge kamen eben immer anders, als man so dachte.
Einen Moment lang sah Minato ihn noch sprachlos an. Dann schlich sich ein zaghaftes Lächeln auf seine Lippen. »Danke.«
Tobirama nahm Naruto an sich, derweil führte Ōkami Minato nach oben und zeigte ihm, wo die Gästezimmer lagen. Naruto wirkte nicht allzu glücklich darüber, nicht bei seinem Vater zu sein, was er auch sehr deutlich verlauten ließ, aber Minato brauchte wirklich dringend Ruhe. Tobirama schaute, was er im Hause hatte, und improvisierte. Für eine Nacht würde es reichen.
Sollte er vielleicht Babynahrung vorrätig halten? Dieser Gedanke führt ihn jedoch zu der Frage, was das bedeuten würde.
Weil er mittlerweile selbst müde war, stellte er einen Doppelgänger ab, der für ihn die Nachtschicht übernahm. Ihm stand wirklich nicht mehr der Sinn danach, alle zwei Stunden vom Geschrei eines Babys geweckt zu werden, das nach Aufmerksamkeit verlangte. Manche Dinge brauchte er wirklich nicht mehr in seinem Leben. Dann ging er ebenfalls zu Bett.
Minato verschlief beinahe den ganzen Vormittag, und Tobirama und Kakashi nutzen diese Gelegenheit, sich ein spätes Frühstück zu gönnen. Kakashi zeigte sich wenig erstaunt über ihren spontanen Besucher.
»Das heißt jetzt also, ihr könnt es bequem auf mich abwälzen, Windeln zu wechseln?«, kommentierte er. »Toll. Genau das, was ich mir vom Leben vorgestellt habe.«
»Mein Haus, meine Regeln, und wenn du nicht spurst, werde ich genau das tun«, sagte Tobirama leichthin.
»Oh, meine Knie erzittern vor dieser Drohung.«
Minato schlich gähnend die Treppe hinunter, als Kakashi ihnen gerade ein paar Eier briet. Der Tisch war bereits gedeckt. Ōkami lag mit Naruto zwischen ihren Vorderpfoten nahe des irori und bespaßte das Baby. Naruto sah mit großen Augen zu ihr auf und giggelte vor sich hin, während sie mit heraushängender Zunge Grimassen schnitt und ihn anschnaubte. Das kitzelte und er lachte noch mehr.
»Oh. Kakashi. Du bist auch hier?« Minato schien überrascht, ihn hier anzutreffen.
»Guten Morgen, sensei«, begrüßte Kakashi ihn. »Und klar. Irgendwer muss dem alten Mann dort drüben doch moderne Technik erklären, also ziehe ich halt zu meinem Boss. Sofu wusste nicht einmal, was eine Mikrowelle ist und die Kaffeemaschine musste ich ihm auf erklären. Kaffee schwarz oder mit Milch?«
»Mach nur weiter so und du landest auf der Straße, Junge!«, drohte Tobirama aus dem angrenzenden Raum. »Zu meiner Zeit sahen Kaffeemühlen noch anders aus.«
Wie jeden Morgen kniete Tobirama vor dem kleinen Familienschrein und entzündete die Rächerkerzen neu, die über Nacht heruntergebrannt waren, ein Ritual, das er nach Hashiramas Tod begonnen hatte. Minato kam zu ihm, um zu sehen, was er da tat.
»Oh.« Kurzerhand kniete er sich neben Tobirama und verneigte sich vor dem Schrein.
Tobirama musterte ihn. Er sah besser aus als noch letzte Nacht, erfrischter und etwas Farbe war auf sein Gesicht zurückgekehrt.
Einen Moment lang betrachtete Minato die Bilder von Tobiramas Familie, die hier standen, einige von ihnen so alt, dass sie noch Schwarzweißfotografien oder überhaupt gar keine Fotografien, sondern Tuschezeichnungen waren.
»Ich weiß nicht, wer meine Familie ist«, sagte er. »Meine Eltern haben mich adoptiert, als ich noch ein Baby war, und egal ob adoptiert oder nicht, sie waren natürlich meine Eltern. Sie waren ein nettes, älteres Ehepaar, dem nie eigene Kinder vergönnt waren. Aber Papa starb vor einigen Jahren an seinen Altersgebrechen und Mama folgte kurz darauf. Sie waren meine Eltern, aber die Frage, wer ich bin und wo ich herkomme, beschäftigte mich dennoch von frühester Kindheit an. Niemand wusste eine Antwort darauf.«
Tobirama betrachtete die Bilder seiner Eltern. Er wusste nur allzu gut um sie Bescheid und hätte gern darauf verzichten können, der Sohn dieses Mannes zu sein.
»Darf ich fragen, wer sie sind?«, wollte Minato wissen. »Mito-hime und Miyazaki-san erkenne ich. Oh, und Shodai-sama.«
Tobirama schnaubte amüsiert. »Das ist ein besseres Bild als das im Büro, nicht wahr? Das ist schrecklich, das da hängt, so überhaupt nicht er. Anija war laut und immer fröhlich und lachte immerzu. Er konnte sich für alles begeistern. Und trotzdem ging er eines Tages in den Wald und kam nie wieder …«
Auch nur daran zu denken, schmerzte noch immer schlimmer als alles, was Tobirama je erlebt hatte.
»Wie ist er gestorben?«, fragte Minato vorsichtig.
Tobirama atmete tief durch. »Du musst verstehen, er war von Geburt an ein Sennin, die Fähigkeit, Senjutsu zu verwenden, war ihm in die Wiege gelegt, er musste nur lernen, sie aktiv zu nutzen. Sein Mokuton und sein Senjutsu waren zwei Teile eines ganzen. Für ihn war es nie ein Problem, es zu nutzen. Madaras Tod aber hatte ihn verändert, das hatte eine Wunde geschlagen, die nicht einmal er heilen konnte. Er verlor sich mehr und mehr und wurde … wie soll ich sagen … bäumisch. Und irgendwann einmal fand er nicht mehr zurück. Er ging hinaus in den Wald und niemand hat ihn jemals wieder gesehen.«
Tobirama ballte die Hände auf seinen Knien zu Fäusten, um ihr Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Wochen und Monate lang hatte er gesucht und gesucht und doch nichts gefunden. Hashirama war zu der Natur geworden, die schon immer ein Teil von ihm gewesen war.
»Das ist Chio, meine Frau«, fuhr er rasch fort und deutete auf ihr Bild. Darauf trug sie ihren liebsten Kimono, der, in dem sie ihn kennengelernt hatte. Sie war immer solch eine Romantikerin gewesen. »Und das ist Sakumo, unser Sohn. Er war elf, als ich ging. Ich habe ihn nie aufwachsen sehen.«
Auf dem Foto war er älter, herangewachsen zu einem ansehnlichen Mann. Was würde Tobirama nicht alles dafür geben, um die verlorene Zeit mit seinem Kind zurückzugewinnen. Es hatte doch noch so viel gegeben, das er ihn hatte lehren wollen, das sie hatten gemeinsam entdecken können.
»Nawaki war Tsunades kleiner Bruder. Er war Hashirama in so vielem so ähnlich und Kawaramas Ebenbild. Immer war er fröhlich und nur selten betrübt. Für ihn war die ganze Welt ein Spielplatz und er wollte unbedingt Hashirama nacheifern. Hokage zu werden, war sein großer Traum, also habe ich ihm gesagt, dass er schön brav seine Hausaufgaben machen sollte, denn das vergaß er gern einmal. Aber es hatte ja nicht sein sollen …«
Noch ein junges Leben, das unnötig früh beendet worden war.
»Das ist Itama, der jüngste meiner Brüder. Er starb mit sieben, als Uchiha unsere Grenzen überfielen und auf ihn Jagd machten. Sie machten ihn nieder wie Vieh und jede Hilfe kam zu spät. Er war eben ein Kind, und Kinder waren leichte Beute. Es war ja nicht so, als hätten wir Senju nicht dasselbe mit den Uchiha gemacht …
Kawarama war mein Zwillingsbruder. Und ja, ich weiß, wir sehen uns nicht wirklich ähnlich, weshalb Butsuma mich im Verdacht hatte, ich sei nicht einmal sein Sohn. Ich wünschte, es wäre so. Kawaramas Leben wurde nach nur elf Jahren beendet, als eine Tretmine ihn zerfetzte.«
Zuletzt deutete er auf eine alte Tuschezeichnung. »Das ist Sakura, unsere Mutter, aber sie starb, als ich gerade einmal vier Jahre alt gewesen war. Ich habe keine Erinnerungen mehr an sie. Es war nur wenige Wochen nach Itamas Geburt, als Tajima, Madaras Vater, Attentäter zu uns schickte und sie vergiften ließ. Er wollte auch uns Kinder ermorden lassen, aber wir hatten Glück. Seine eigenen Söhne konnten das nicht sagen. Die Ermordung unserer Mutter war die Rache dafür, dass Butsuma nur einige Monate zuvor seinerseits Tajimas Frau und drei ihrer fünf Söhne ermordete, zwei von ihnen nicht älter als zwei Jahre. Das war die Zeit, in die wir hineingeboren worden waren.«
Er zögerte, bevor er auf das Bild Butsumas deutete. Hashirama hatte immer darauf bestanden, auch ihn hier einzuschließen, und Tobirama hatte es nur aus Respekt vor seinem Bruder dabei belassen. »Butsuma. Ich will ihn nicht unseren Vater nennen, denn das war er nicht. Er war ein abscheulicher Mensch, auch wenn mein kindlicher Verstand lange brauchte, um das zu lernen. Doch als ich es schließlich begriff, nun … ich …«
Er zögerte, die Wahrheit auszusprechen. Hashirama wusste darum, aber er war der einzige, er und Mito und vielleicht noch Madara. Es war ein Geheimnis, das die Grundfesten des damals noch jungen Konoha hätte erschüttern können, also hatten sie nie wieder darüber gesprochen und es tief vergraben. Aber was würde es jetzt noch schaden können? Es war so lange her.
»Ich habe ihn ermordet. Ich war vierzehn, und inmitten des Chaos einer unserer unzähligen Schlachten mit den Uchiha nutzte ich die Gelegenheit, die sich mir bot, und erstach ihn hinterrücks.«
Minato sah ihn mit schockgeweiteten Augen an ob der Enthüllung, dass einer der Gründer dieses Dorfes ein Vatermörder war. Auch Kakashi, der irgendwann während seiner Erzählung hinzugekommen war, blickte verblüfft zu ihm.
»Unserem Clan sagten wir, dass die Uchiha ihn getötet hätten, und auch wenn Tajima vielleicht erahnte, was wirklich vorgefallen war, so nahm er doch gern die Lorbeeren für diese Tat an. Lange hatte er es ohnehin nicht überlebt. Nach unserem Brauch wurde Hashirama unser Clanführer und nur wenige Wochen später tötete er Tajima. Das stellte das Kräftegleichgewicht wieder her. Konoha ist auf Blut begründet, das ist die Wahrheit. Denn Butsuma hätte niemals einem Frieden mit den Uchiha zugestimmt. Es hatte auch nach seinem Tod noch viele Jahre gedauert, doch sein Ableben ebnete den Weg zum Frieden. Zunächst war es nur ein Waffenstillstand, ein fragiler Augenblick voller Anspannung, doch nach und nach gelang es Hashirama und Madara, dass sich unsere Clans einander annäherten und sie ihren lang gehegten Traum dieses Dorfes erfüllen konnten.«
Minato und Kakashi sagten zunächst nichts dazu und schwiegen lange. Tobirama betrachtete die Trümmer seiner Familie.
»Wer ist die letzte Person da?«, wollte Kakashi schließlich wissen.
»Madara.«
Tobirama konnte regelrecht spüren, wie Minato neben ihm erschauderte. »M-madara? Uchiha Madara?«
Das Foto zeigte ihn nicht so, wie die meisten ihn wohl vor Augen hatten. Auf dem Bild lachte er aus vollem Herzen, wohl über irgendeinen dämlichen Witz, den Hashirama gemacht hatte. Solche Momente waren selten gewesen, aber sie waren es, wie Hashirama Madara immer hatte in Erinnerung behalten wollten. Er hatte gesagt, dass das die Augenblicke waren, in denen Madara sein wahres Selbst gezeigt hatte.
»Irgendwie hatte Madara auch zur Familie gehört«, sagte Tobirama.
Einen Moment lang zögerte er, ob er wirklich aussprechen sollte, was er dachte, aber dann kam er zu dem Schluss, dass es jetzt eigentlich auch keine Rolle mehr spielte. Er hatte Madaras Wunsch stets respektiert, mit niemandem über die Natur seiner Beziehung zu Hashirama zu sprechen, aber beide waren sie schon lange tot, und es war Hashirama stets eine Herzensangelegenheit gewesen, offener damit umzugehen. Wer nur Augen im Kopf hatte, hatte es ohnehin erkennen können.
»Hashirama und Madara kannten einander, seit sie Kinder gewesen waren«, fuhr er daher fort. »Sie hatten sich von Daheim fortgeschlichen, um sich heimlich im Wald zu treffen. Genau hier, wo später Konoha hatte entstehen sollen. Sie nannten einander nicht ihre Clannamen, so war es damals Brauch, um sich nicht dem Feind zu verraten. Sie sponnen Ideen und träumten groß und wurden Freunde. Doch der Krieg riss sie auseinander. Aber irgendwie zog es sie doch wieder zueinander, fast schon wie Gravitation und nicht einmal der Krieg konnte sie dauerhaft trennen. Unsere Clans schlossen Frieden und aus der Freundschaft der beiden wurde Liebe oder vielleicht war es das schon längst.«
Minato sah ihn irritiert an. »Aber … Shodai Hokage war doch mit Mito-hime verheiratet.«
Dieses Mal war es an Tobirama, den Blick fragend zu erwidern. »Ja, und? Natürlich hatte er sie geliebt, aber eben auch Madara.«
»Na ja, es ist halt so … manche leben eben monogam«, warf Kakashi ein.
»Tja, und andere nicht.«
»Aber …« Minato schien darüber nicht nicht wirklich hinweg zu sein. »Warum hat Madara dann das Dorf verlassen?«
»Weil es manche Wunden gibt, die nicht einmal alle Liebe der Welt zu heilen vermag«, sagte Tobirama bedauernd. »Ich war es, der seinen letzten Bruder, Izuna, erschlug in einer unserer letzten Schlachten mit den Uchiha. Würde man mich heute fragen, ob ich es wieder tun würde, selbst wenn ich weiß, was daraus erwuchs, würde ich es bejahen, denn damals war es das, was meinen Clan und meinen Bruder am Leben erhielt. Vielleicht war von diesem Zeitpunkt an unvermeidlich, was darauf folgen sollte. Das Dorf wuchs, doch die Wunde schwärte in Madara, Jahr für Jahr. Madara und ich, wir wurden nie Freunde, aber zumindest lernten wir, einander zu tolerieren, wenn auch nur um Hashiramas Willen. Dennoch sah er fast täglich den Mörder seines Bruders, und ich sah die Dunkelheit in ihm, die von Jahr zu Jahr wuchs.
Viele nennen es den Fluch des Hasses, der im Uchiha-Clan grassiert, aber das ist zu oberflächlich betrachtet. Ich weiß nicht, ob es mit ihrem kekkei genkai in Verbindung steht oder einfach eine Eigenschaft der Leute dieses Clans ist, aber sie empfinden Emotionen sehr viel intensiver als viele andere, Schmerz wie Liebe gleichermaßen. Und Hass und Liebe liegen erstaunlich nahe beieinander.
Madara war kein schlechter Mensch, er war nur wie viele dieser Zeit schwer traumatisiert, und ich hätte ihm wirklich gewünscht, dass er einen anderen Weg hätte sehen können, mit seinem Schmerz umzugehen. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich wüsste nicht, ob ich anders gehandelt hätte. Madara liebte Vögel und konnte stundenlang Monologe darüber abhalten. Seine Leidenschaft war die Greifvogelzucht und er spazierte oft lange durch das Dorf und fütterte die Spatzen. Manche wurden sogar so zutraulich, dass sie ihm auf die Hand kamen. Ich weiß noch, wie Miyazaki, als sie noch ein Kind gewesen war, eine verletzte Schwalbe gefunden hatte, und statt zu ihrem Vater zu gehen, der ja immerhin überragende Heilfähigkeiten besaß, rannte sie Rotz und Wasser heulend zu Madara und bettelte ihn an, dem armen Tier zu helfen, weil sie genau wusste, dass er niemals ein Tier leiden lassen würde.«
»Trotzdem hat er das Dorf verraten und Hashirama-sama war gezwungen, ihn zu töten«, sagte Minato. »Er hatte ihn doch wirklich getötet, oder? War er wirklich tot? Ganz sicher?«
Tobirama runzelte die Stirn. Minato wirkte aufgebracht. »Ja, natürlich. Das kann ich bezeugen.«
»Was wäre, wenn … Was, wenn …« Wieder erschauderte Minato. »Kushinas Siegel hielt. Es war geschwächt, aber es hielt. Wir sind angegriffen worden.«
Ein eiskaltes Gefühl beschlich Tobirama. »Von wem?«
»Ich weiß es nicht genau, der Mann war maskiert«, gestand Minato. »Aber ich habe sein Sharingan gesehen. Er war unheimlich stark und besaß ein Teleportationsjutsu, wie ich es noch nie gesehen habe. Ich konnte ihn zwar in die Flucht schlagen, aber nur gerade so, und wenn der Kampf länger gedauert hätte, hätte er mich vielleicht sogar besiegen können. Es erschien mir zwar selbst völlig widersinnig, aber ich fragte ihn, ob er Uchiha Madara sei, weil er der einzige ist, von dem ich weiß, dass er so stark ist. Jeder weiß immerhin, dass Madara Kyubi kontrollieren konnte, und dieser Unbekannte wusste genau Bescheid, wann er zuschlagen musste. Er bejahte meine Frage nicht, aber er verneinte sie auch nicht direkt.«
Wie Fugaku gesagt hatte. Kyubi war in der Tat kontrolliert worden. Jemand hatte diesen Moment der Schwäche genutzt und einen gezielten Angriff auf das Dorf gestartet.
»Aber Madara kann es nicht gewesen sein«, betonte Tobirama dennoch. »Er ist tot und das schon seit vielen Jahren. Und selbst wenn nicht, wäre er jetzt uralt.«
»Aber was, wenn doch?«, stammelte Minato aufgebracht. »Was, wenn du dich irrst und es doch Madara gewesen war? Was, wenn Madara irgendein geheimes Jutsu besitzt, von dem niemand etwas weiß? Was, wenn …«
»Beruhige dich!«, herrschte Tobirama ihn an und packte ihn bei den Schultern. »Madara kann es nicht gewesen sein. Ich kann es dir beweisen. Soll ich es dir beweisen?«
Wie Espenlaub zitternd nickte Minato nur.
Ihr Frühstück würde wohl warten müssen. Tobirama ging kurz nach oben, um ein ganz bestimmtes Siegel zu zeichnen, und als er damit wiederkam, heftete er es Minato an die Brust und aktivierte es.
»Damit hast du Zugang zu meinem Labor, ohne meine Sicherheitsmaßnahmen zu aktivieren und alles zu sprengen«, erklärte Tobirama. Dann brachte er sie beide mit Hiraishin genau dorthin.
Mittlerweile hatte Tobirama den Staub entfernt, den Generator ausgetauscht und die Luftfilter erneuert. Alles war wieder zur Benutzung bereit. Die Frage, wer sich unerlaubterweise Zugang verschafft hatte, war nicht vergessen.
Mit staunenden Augen sah sich Minato um. »Was ist das für ein Ort?«
»Nichts anfassen«, sagte Tobirama ihm streng. »Nur weil ich dir Zugang gewährt habe, heißt das nicht, dass ich es gestatte, dass du hier nach Belieben ein und aus spazierst. Diesen Ort kann man nur mit Hiraishin erreichen, hier verwahre ich den sensibleren Teil meiner Forschungen.«
Er betätigte den geheimen Hebel in einem der Regale und deaktivierte gleichzeitig mit seinem Chakra die Versiegelungen, die er darin eingearbeitet hatte. Das Regal schwang zur Seite und gab einen engen Durchgang frei. Minato folgte Tobirama schweigend.
Der Durchgang führte zu einem weiteren Raum, leer bis auf einen einzigen steinernen Sarkophag, der den ganzen Raum dominierte. Unzählige Siegel waren in den Fels um sie herum und auch in den Sarkophag selbst eingearbeitet, alles, was Tobirama an Sicherheitsmaßnahmen kannte. Dieser Ort war für die Ewigkeit versiegelt worden.
»Nach dem Kampf nahm ich Madaras Leiche an mich. Hashirama war nicht glücklich darüber, und es war wohl auch der einzige wirklich ernsthafte Streit, den wir hatten, und auch das eine Mal, wo er mir als Hokage etwas befahl. Madaras Körper barg unzählige Geheimnisse, die niemals in falsche Hände geraten durften. Ich hatte sie ergründen wollen, Hashirama hingegen wollte Madara ein angemessenes Begräbnis geben. Aber schließlich hatte er doch eingesehen, dass es sicherer wäre, die Leiche wegzuschließen. Er befahl mir allerdings, den Körper nicht anzurühren.«
Es bedurfte mehrerer Jutsu, um die verschiedenen Schichten der Versiegelungen zu lösen, und viele davon waren so abgestimmt, dass Tobirama der einzige war, der sie durchführen konnte. Absolut nichts war in der Lage, hier hineinzugelangen – oder hinaus.
Schließlich waren die Siegel gelöst und Minato half Tobirama, die schwere Grabplatte zur Seite zu schieben. Nach all den Jahren wären natürlich nur noch Knochen übrig.
Der Sarg war leer.
»Scheiße.«
Dun dun duuuun.
The Great Silence ist ein Begriff, der von SETI (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) geprägt wurde und genau dieses Phänomen beschreibt, das Tobirama hier nennt. Die Typenklassifikationen der Zivilisationen entstammen der Kardaschow-Skala des russischen Astronomen Nikolai Kardaschow. Die Dunkle-Wald-Theorie ist ein Argument des Fermi-Paradoxons des Physikers Enrico Fermi, das den erstaunlichen Mangel an Beweisen für extraterrestrische Intelligenz betrachtet, obgleich in der Theorie unsere Galaxie vor Leben geradeso wimmeln müsste, wie die Drake-Gleichung aufzeigt. Die Theorie wurde nach dem Roman Der Dunkle Wald von Liu Cixin benannt (lest diese Reihe, sie ist sehr gut und sehr abgefahren).
Tobirama zitiert hier auch Carl Sagans Pale Blue Dot in seiner Rede über das Staubkorn im Sonnenstrahl. Er kann wirklich nicht gut mit Emotionen umgehen, und sein coping mechanism ist Wissenschaft. Das ist logisch, das versteht er und kann er erklären.
Eine kleine Sidenote: Ich bediene mich gern und großzügig meiner Headcanons für andere Fanfics, selbst wenn diese nicht unbedingt in Beziehung miteinander stehen. Es geht auch in Wurzeln viel um Trauer und Trauerbewältigung. Hashirama ist anders als Tobirama ein wesentlich emotionalerer Typ, während Tobirama sehr rational ist. Das habe ich versucht zu kontrastieren. Sowohl Hashirama als auch Tobirama versuchen, Madara und Minato Trost zu spenden (mit unterschiedlich viel Erfolg), jeder aber auf seine Weise.
Nächstes Kapitel: Das Leben geht weiter und der Wiederaufbau beginnt.
Neuanfang
Seit Stunden schon saß Tobirama am Boden des Büros und studierte sein Siegel. Dieses verflixte kleine Ding, das ihm den ganzen Schlamassel hier eingebrockt hatte. Er hatte unzählige Notizen um sich herum ausgebreitet. Minato saß an seinem Schreibtisch und ging seiner Arbeit nach. Tobirama hatte ihn im Verdacht, dass er nicht wirklich bei der Sache war, denn es wirkte so, als würde er irgendetwas skizzieren.
»Und du sagst immer noch, dass es nicht Madara war?«, fragte Minato in die Stille hinein.
Es war jetzt schon das dritte Mal im Verlaufe der letzten Tage, dass er dieses Thema anschnitt. Tobirama musste ein Augenrollen unterdrücken.
»Ich sehe keinen Anlass zu glauben, dass diese beiden Ereignisse in Verbindung miteinander stehen«, sagte er betont ruhig. Ebenfalls nicht zum ersten Mal. »Ich gebe zu, es ist besorgniserregend, dass Madaras Leiche entwendet wurde. Zudem habe ich Grund zur Annahme, dass das nicht das einzige war, das mir gestohlen wurde.«
»Aber wer könnte dazu in der Lage sein und dazu auch noch ohne eine Spur zu hinterlassen?«, fragte sich Minato. »Nachdem ich diese Siegel gesehen habe, habe ich ganz ehrlich keine Ahnung, wie man das überhaupt bewerkstelligen sollte. Die waren echt … Wow.«
»Hm.«
Minato beugte sich vor, um ihn besser sehen zu können. »Du bist kein Mann der vielen Worte, oder?«
Tobirama warf ihm einen Seitenblick zu und blickte dann wieder auf seine Notizen. »Ich bin vor allem kein Mann, der gern ein Gespräch dutzende Male wiederholt. Hast du nicht zu tun? Wenn du dich schon über Fuyukos Anordnung von Bettruhe hinweg setzt, dann mach es wenigstens richtig.«
Minato lehnte sich zurück. »Als wäre Ruhe jetzt das, was mir gut tun würde«, murmelte er.
In der Tat. Ruhe und zu viel Zeit zum Nachdenken waren genau das Gegenteil von dem, was er jetzt gebrauchen konnte. Tobirama konnte das nur allzu gut nachvollziehen.
»Das war eine schöne Trauerfeier gestern«, sagte Minato leise. Seine Stimme klang belegt. »Nun, schön ist vielleicht nicht das richtige Wort …«
Tobirama sagte nichts darauf. Minato schien auch keine Antwort zu erwarten. Er studierte weiter sein Siegel.
»Unser Gespräch neulich hat mich zum Nachdenken gebracht«, setzte Minato von neuem an. »Wie würde Leben auf fremden Planeten aussehen?«
»Einzeller«, sagte Tobirama knapp. »Höchstes einfache Mehrzeller. Komplexe Lebensformen wären selten und intelligentes Leben gar die Ausnahme statt der Regel.«
»Was hältst du davon?«, wollte Minato wissen und hielt ihm einen Zettel hin.
Tobirama gab es auf, heute noch zu irgendwelchen neuen Erkenntnissen kommen zu wollen, stand auf und besah sich, was Minato ihm zeigen wollte. Es handelte sich um eine Skizze einer Kreatur, die auf drei Gelenkbeinen lief und deren Körper mit dicken Panzerplatten bedeckt war oder vielleicht war es auch ein Exoskelett. Der Kopf hatte eine dreieckige Form und die kleinen Augen saßen tief eingesunken. Minato hatte eine Skala dazu gezeichnet, die die Widerristhöhe dieses Wesens auf drei Meter bestimmte. Die Skizze war erstaunlich gut ausgeführt. Tobirama hätte Minato nicht für jemanden gehalten, der ein künstlerisches Interesse hegte.
»Exoskelette dieser Größe sind unter erdähnlichen Bedingungen nicht möglich«, sagte er. »Insekten können daher nur eine bestimmte Größe erreichen, bevor sie unter ihrem eigenen Gewicht und der Einwirkung der Gravitation zerdrückt werden. Bei der Frage, wie außerirdisches Leben aussieht, musst du vor allem die Bedingungen auf dem Planeten selbst in Erwägung ziehen, weniger der Einfluss des Zentrallgestirns. Ist die Gravitation höher oder niedriger als hier? Die Zusammensetzung der Atmosphäre, die Neigung der Planetenachse, die Bindung der Rotation und so weiter. Das beeinflusst auch das Magnetfeld des Planeten und damit seinen Schutz vor kosmischer Strahlung. Sendet das Zentralgestirn nur wenig Licht aus, werden Lebewesen auf dem Planeten wahrscheinlich besonders große Augen entwickeln, um das Licht besser aufnehmen zu können. Geht vom Zentralgestirn besonders viel Strahlung aus und ist das Magnetfeld schwach, kann es sein, dass die Planetenoberfläche steril ist, Leben sich allerdings unterirdisch entwickelt. In jedem Fall aber muss Wasser oder eine andere Flüssigkeit vorhanden sein, weil sich organische Verbindungen nur in Lösung bilden.«
»Leben, wie wir es kennen, ist kohlenstoffbasiert«, führte Minato den Gedanken fort. »Aber was, wenn es Leben auf Basis von Silizium gibt? Synthetisches Leben? Wie würde sich das von uns unterscheiden?«
»Das sind alles sehr spannende Fragen, um die du dich ein andermal Gedanken machen kannst«, sagte Tobirama. Er griff nach dem Brett, auf dem er das Siegel angebracht hatte, und zog kräftig daran. Seine immer noch nicht richtig abgeheilte Wunde protestierte zwar unter der Anstrengung, aber schließlich gaben die Nägel doch nach und er brach das Holz heraus.
»Was machst du da?«, rief Minato aus. »Jetzt habe ich ein Loch im Boden.«
Tobirama beschwor einen Doppelgänger und trug ihm auf, das Brett samt seiner Notizen nach Hause zu bringen. »Du hättest die Bretter ohnehin austauschen müssen, das Blut geht da nicht wieder heraus.«
»Das war ein Andenken. Mir fallen immerhin nicht jeden Tag totgelaubte Hokage vor die Füße.«
Tobirama sah ihn finster und mit zusammengekniffenen Augen an.
Minato hob abwehrend die Hände. »Das war ein Scherz!«
Dieses Mal verdrehte Tobirama sehr deutlich die Augen. »Glückwunsch. Deine Scherze sind sogar noch schlechter als die von anija.«
Minato machte ein langes Gesicht. Dann fand er doch zum Ernst der Sache zurück. »Denkst du, wir sollen dem Rat sagen, was wir herausgefunden haben? Der Angriff und … das mit Madara?«
Darüber sann Tobirama einen Moment lang nach. »Diese Nachricht in großer Runde verlauten zu lassen, kann für Unruhen sorgen, und gerade jetzt brauchen wir Stabilität. Saru sollten wir einweihen, er hatte ohnehin dieselbe Vermutung wie ich, und auch Fugaku, da er ohnehin bereits mit mir an der Aufklärung arbeitet und seine Leute befragt. Aber mehr erst einmal nicht. Nicht wenn es nicht nötig sein sollte.«
Minato nickte. »Das klingt einleuchtend. Aber ich muss schon zugeben, es verwundert mich, dass du so anstandslos mit einem Uchiha zusammenarbeitest. Ich dachte immer, du magst diesen Clan nicht.«
Tobirama sah ihn finster an. »Was soll das heißen? Warum denken das alle? Hm?«
Minato wich der Frage eilig aus, indem er aufstand und zur Tür ging. »Wird Zeit, dass wir gehen.«
Mit einem schweren Seufzen folgte Tobirama ihm. Noch einer, der ihm graue Haare bescheren würde, wären sie nicht schon längst weiß.
Sie begaben sich zur Ratskammer. An diesem Tag würde der Rat der Clans zusammentreten, um über den Wiederaufbau des Dorfes zu sprechen. Sowohl Tobirama als auch Minato ignorierten Doktor Fuyukos Anweisung zur Ruhe und hatten beschlossen, dass sie daran teilnehmen würden. Das war immerhin keine körperliche Aktivität.
»Und ist es wirklich in Ordnung für Kakashi, auf Naruto aufzupassen?«, fragte Minato auf dem Weg.
»Zum wiederholten Male: ja«, knurrte Tobirama. »Er hat darauf bestanden, dass es eine D-Rank Mission sei, wenn ich schon einen meiner Anbu-Leute für so etwas abstelle, und wollte Geld für seine Arbeit. Also zahlte ich ihm auch sein Gehalt. Aus Steuergeldern.«
Minato blieb abrupt stehen und sah ihn groß an. Dann lachte er aus vollem Herzen. Es war das erste Mal seit Kyubis Angriff, dass Tobirama ihn wirklich fröhlich erlebte.
»Das ist ein Scherz, oder? Dass ihr jetzt Babysitten als Anbu-Mission deklariert habt?« Er wischte sich Lachtränen aus den Augen.
Tobirama sah ihn finster an. »Sehe ich aus, als würde ich scherzen?«
Das brachte Minato nur noch mehr zum Lachen. »Nein, aber … au, verdammt, lachen tut weh. Aber wirklich, diese Vorstellung ist so lustig«, schnaubte er.
Anders als Tobirama war er nicht komplett zerfleischt worden. Tobirama hatte ihn im allerletzten Moment zur Seite zerren können, und seine Rippen hatten das allerschlimmste verhindert. Dennoch hatte Kyubis Klaue ihm die Flanke tief aufgerissen.
Minato schnappte nach Luft und versuchte sich wieder zu beruhigen. »Also, wenn man es so sieht … Den Sohn vom Hokage zu babysitten, könnte durchaus als C- oder sogar B-Rank durchgehen.«
Tobirama bereute, ihm das gesagt zu haben. Mit stoischer Ruhe wartete er, bis Minato wieder einigermaßen auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt war, dann ging er weiter. Noch immer kichernd folgte Minato ihm.
Man sah sie erstaunt an, als sie die Ratskammer betraten. Die anderen hatten wohl nicht damit gerechnet, dass sie sich so früh schon wieder blicken lassen würden, nachdem wohl das halbe Dorf gehört hatte, was passiert war. Minato ließ sich davon nicht stören und ging zu seinem Platz am Stirnende des Tisches. Tobirama nahm sich einen Moment, um den Blick durch den Raum schweifen zu lassen. Alle Clanoberhäupter der einflussreichsten Clans Konohas waren hier versammelt. Von den allermeisten kannte Tobirama bisher nur den Namen und ein Foto. Das würde interessant werden.
Er war sich der Augen bewusst, die auf ihm ruhten, als er zu seinem Platz ging. Nidaime Hokage zurückgekehrt von den Toten (ein zweites Mal), um jetzt seinen Platz auf der politischen Bühne des Dorfes einzufordern. Er konnte förmlich spüren, wie die Rädchen in den Köpfen der Anderen ratterten.
»Wie ich das sehe, sind wir vollzählig«, stellte Minato fest. »Dann können wir ja anfangen.«
Fugaku sah Tobirama durchdringend an. Tobirama erwiderte den Blick ruhig. Sie saßen einander gegenüber, nahe der Stirnseite des Tisches. Früher war dies eine runde Tafel gewesen und es hatten auch bedeutend weniger Clans hier gesessen. Er machte sich eine geistige Notiz, bei Gelegenheit den Vorschlag einzubringen, das Mobiliar abzuändern. Es hatte seinen Grund gehabt, warum damals Hashirama einen runden Tisch hatte wachsen lassen.
Hiruzen regte sich. »Zunächst einmal möchte ich betonen, dass es mich freut und mir eine große Ehre ist, die Senju heute wieder hier begrüßen zu dürfen, nachdem so viele Jahre vergangen sind, seit Miyazaki-san das letzte Mal an diesem Platz saß«, begann er und nickte in Richtung Tobiramas. »Betreffend des Grundes dieses Zusammentreffens liegen uns mittlerweile die vorläufig endgültigen Zahlen vor. Hin und wieder werden noch immer Tote gefunden, doch die meisten wurden mittlerweile geborgen. Ihre Zahl beträgt mehrere hundert, die Zahl der Verletzten ist etwa doppelt so hoch, viele davon wurden und werden noch im Krankenhaus behandelt.«
Er überreichte Minato ein Dokument, welches dieser mit ernster Mine studierte.
»Der Schaden an der Infrastruktur des Dorfes geht in die Millionen«, fuhr Hiruzen fort. »Ganze Straßenzüge wurden vernichtet, teils gar ganze Viertel größtenteils unbewohnbar. Das Abwassersystem wurde beschädigt und es können nicht mehr alle Häuser mit sauberem Wasser versorgt werden. Teils brauch auch die Stromversorgung zusammen und es konnten noch nicht genügend Notgeneratoren für alle bedürftigen Haushalte aufgetrieben werden. Wir haben Herbst und die Nächte werden bereits kalt.«
»Alle öffentlichen Gebäude mit größeren Räumen, Turnhallen und so weiter, die nicht dringend für etwas anderes gebraucht werden, sollen zur Verfügung gestellt werden, um jene, deren Häuser und Wohnungen unbewohnbar geworden waren, aufzunehmen«, ordnete Minato an. »Niemand soll auf der Straße schlafen oder gar hungern müssen. Es sollen öffentliche Essensausgaben eingerichtet werden. Warum ist das noch nicht geschehen?«
»Das wird uns viele Ressourcen kosten«, warf Nara Shikaku ein.
»Das ist mir egal, am Geld soll‘s nicht scheitern«, widersprach Minato sogleich. »Die Dorfbewohner sind wichtiger.«
Shikaku nickte. »Ich werde ein Konzept ausarbeiten und vorlegen.«
»Wir können und sollten sogar den daimyō um Finanzen für den Wiederaufbau bitten«, schlug Koharu vor.
Minato nickte. »Ich werde unverzüglich Kontakt zu ihm aufnehmen.«
»Was den Wiederaufbau an sich betrifft, so schlage ich vor, die Gelegenheit für ein paar Umstrukturierungen zu nutzen«, sagte Danzō. Er sah seine Gelegenheit gekommen und breitete eine Karte Konohas vor ihnen aus. Als er auch noch einen Zeigestock aus seinem Umhang zog, war klar, dass er das schon genau geplant hatte.
»Shibi, der Aburame-Clan hatte schon länger überlegt, näher an den Wald zu ziehen«, sagte Danzō und deutete auf die entsprechende Stelle.
Aburame Shibi beugte sich vor und nickte. »Das sieht mir nach einem guten Ort aus. Mein Clan nimmt den Vorschlag an.«
»Das Viertel des Uchiha-Clans hat den meisten Schaden davon getragen, als Kyubi dort auftauchte«, fuhr Danzō fort. »Ich schlage daher eine komplette Umsiedlung des Clans hierhin vor.«
Er deutete auf die entsprechende Stelle. Es war nahe des Dorfrandes.
Fugaku sprang auf. »Ich erhebe Einspruch«, sagte er sogleich. »Das ist zu weit weg vom Dorfzentrum, das würde die Arbeit der Polizei erheblich erschweren.«
»Es wäre allerdings nahe des Trainingsplatzes, den Sie ohnehin gern für Ihre Leute nutzen«, gab Minato zu bedenken.
»Sie würden als Kompensation das exklusive Nutzungsrecht erhalten«, fügte Danzō an.
Offensichtlich unzufrieden mit dem Vorschlag setzte sich Fugaku wieder.
»Es verwundert mich, dass Konoha sich jetzt in claninterne Angelegenheiten einmischt«, warf Hyūga Hiashi ein.
»Ganz Recht.« Es war das erste Mal, dass Tobirama das Wort ergriff. »Solange sie das Wohl des Dorfes nicht gefährden, bleibt es den Clans überlassen, was sie intern machen. Das war einer der Grundsätze, auf denen wir damals dieses Dorf gründeten.«
Sowohl Hiashi als auch Fugaku sahen ihn von allen am verblüftesten an. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass er ihnen Recht geben würde. Senju, Uchiha und Hyūga waren in der Vergangenheit nur selten auf einen grünen Zweig gekommen.
»Ich hatte mir schon etwas dabei gedacht, als ich damals die Polizei an genau dieser Stelle errichten ließ«, fuhr Tobirama fort. »Ich sehe keinen Grund, das jetzt zu ändern. Uchiha-sama selbst erhob Einspruch dagegen, das muss respektiert werden.«
Minato nickte zustimmend. »Wenn ohnehin das Viertel neu errichtet werden muss, spräche doch nichts gegen eine kleine Umstrukturierung der Straßen. Beim Wiederaufbau können wir einen neuen Trainingsplatz vor Ort einplanen und ansonsten den Clan an diesem Ort belassen. Klingt das mehr nach Ihrem Gefallen, Uchiha-sama?«
»Ja. Vielen Dank, Hokage-sama.« Fugaku nickte jedoch Tobirama anerkennend zu.
Er neigte leicht den Kopf zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
Danzō machte ein finsteres Gesicht.
Tobirama fragte sich, warum er den Uchiha-Clan ins Abseits hatte drängen wollen. Der Plan war gescheitert, aber was hatte er damit überhaupt bezwecken wollen? Und diese kleine Bemerkung, dass Kyubi bei den Uchiha am meisten Schaden angerichtet hatte, war doch auch sicher nicht grundlos gefallen.
»Es wird Zeit, dass der Elefant im Raum angesprochen wird«, sagte Hiashi. »Die Frage danach, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Wieso hat Kyubi angegriffen? Hätte er nicht sicher versiegelt sein sollen?«
Stille senkte sich über sie.
Minato ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Das Siegel brach«, war jedoch alles, was er dazu sagte.
»Es gibt Gerüchte über die Beteiligung von Uchiha an dem Vorfall«, fuhr Hiashi fort. Einige nickten zustimmend.
»Eine dreiste Unterstellung!«, knurrte Fugaku.
»Jeder weiß, dass ein Sharingan Kyubi kontrollieren kann«, hielt Hiashi dagegen. »Ist es nicht so, Nidaime-sama?«
Das altbekannte Spiel der Rivalität dieser beiden Clans. Auch in vierzig Jahren hatte sich nichts daran geändert.
»Korrekt«, sagte Tobirama knapp und sah Hiashi fest in die Augen. »Und deswegen sollten wir auch alle Uchiha-sama unseren Respekt und Dank zollen, dass er dabei geholfen hat, dass Kyubi jetzt wieder sicher versiegelt ist, während seine Leute die Bürger sicher evakuierten. Sicher bezogen Sie sich darauf, Hyūga-sama.«
Hiashi presste die Lippen zusammen. »Natürlich.«
»Aber wie wurde Kyubi nun wieder versiegelt?«, fragte Yamanaka Inoichi. »Was wurde aus dem Biest?«
»Ich habe sein Chakra geteilt und die Yin-Hälfte in mir und die Yang-Hälfte in meinem Sohn versiegelt«, sagte Minato.
»Das heißt also, wir haben jetzt zwei jinchūriki im Dorf«, schloss Homura. »Sensei, wie ich Sie kenne, haben Sie die Siegel doch sicher schon überprüft.«
Tobirama nickte. »Ich habe nichts zu beanstanden. Ihr Halt ist garantiert.«
Für eine gewisse Zeit. Aber dieses Detail musste nicht jeder wissen.
Ein Aufatmen ging durch den Raum.
»Aber ein Kind, ein Baby noch dazu«, erhob Danzō seinen Protest. »Es kann doch noch gar nicht in der Lage sein, Kyubis Chakra zu kontrollieren.«
Tobirama konnte deutlich sehen, wie Minato zusammenzuckte. Diese Fragen trafen ihn da, wo er derzeit am empfindlichsten war.
»Danzō«, sagte daher Tobirama scharf. »Wenn ich sage, dass die Siegel halten, dann ist dem so.«
Danzō zog den Kopf ein und sagte nichts mehr. Er sank unter Tobiramas Blick zusammen. Gut. Tobirama wollte davon nichts mehr hören.
»Wenn keine weiteren Fragen bestehen, dann erkläre ich die heutige Ratszusammenkunft für beendet«, sagte Minato. »Nidaime-sama, Sandaime-sama, Uchiha-sama, ich bitte Sie jedoch, noch einen Moment zu verweilen.«
Während die Genannten sitzen blieben, löste sich die Runde auf. Tobirama entging nicht der verstimmte Blick, den Fugaku Hiashi nachwarf, und den Hiashi hoch erhobenen Hauptes ignorierte, als er ging. Erst als auch das Klacken von Danzōs Krücke verklungen war, regte sich Minato.
Es war jedoch Fugaku, der zuerst sprach. »Es war ein Überfall, nicht wahr? Und Sie haben meinen Clan im Verdacht, Hokage-sama.«
»Das wollte ich eigentlich Sie fragen, Uchiha-sama«, sagte Minato. »Ja, es war ein Überfall, wir sind angegriffen worden. Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass es ein Mann mit einem Sharingan gewesen war. Aber ich konnte seine Identität nicht feststellen, denn er trug eine Maske. Vielleicht war es jemand aus dem Dorf, vielleicht ein Abtrünniger, vielleicht auch ein Augendieb. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig.«
»Sie hatten es bereits vermutet, Uchiha-sama«, sagte Tobirama. »Und auch Saru und ich hatten dieselbe Vermutung, als wir die Wunde in Biwakos Hals gesehen hatten. Diese Person wusste genau, was sie da tat und wann sie zuschlagen musste.«
Hiruzen machte einen erstaunlich gefassten Eindruck, als er die Bestätigung seiner Vermutung erhielt.
»Das muss unter uns bleiben«, betonte Minato eindringlich. »Uchiha-sama, Sie haben mir mein Leben gerettet, ich stehe in Ihrer Schuld. Aber ich muss Sie jetzt bitten, mir bei der Klärung der Identität dieses Mannes zu helfen.«
Fugaku nickte. »Ich verstehe. Ich habe Nidaime-sama meine Unterstützung zugesichert und bereits damit begonnen, meine Leute auszufragen.«
Die Anspannung fiel sichtbar von Minato ab. »Dieser Unbekannte besaß ein Teleportationsjutsu, wie ich es noch nie gesehen habe, ganz anders als das Hiraishin. Damit konnte er Angriffe direkt durch sich hindurch gleiten lassen. Er selbst materialisierte sich stets erst im Augenblick seines Angriffes.«
Fugaku hörte aufmerksam zu, sagte jedoch zunächst nichts.
»Klingt das für Sie nach einer Mangekyō-Fähigkeit?«, fragte Tobirama ihn daher.
Fugaku sah ihn erstaunt an, wie als habe er nicht damit gerechnet, dass Tobirama in diesem Umfang darüber im Bilde war. »Nun … Ja, in der Tat. Kamui vielleicht oder zumindest ein Aspekt davon. Aber ich weiß von niemandem im Clan, der diese Fähigkeit besitzt.«
»Dann fragen Sie weiter und zögern Sie nicht, zu mir zu kommen, sollten sie Unterstützung von der Anbu benötigen«, wies Tobirama ihn an und erinnerte sich zu spät, dass er nicht mehr in seinem Befehlston sprechen sollte. Alte Angewohnheit.
»Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Unterstützung, Uchiha-sama«, fügte Minato an. »Das wäre dann alles.«
Fugaku stand auf, verbeugte sich und ging. Hiruzen jedoch blieb noch.
»Du wirst dafür die Verantwortung übernehmen müssen, Minato«, sagte Hiruzen, jedoch ohne Vorwurf in der Stimme. »Ich denke, es war richtig, niemandem sonst die ganze Wahrheit zu sagen, aber man wird einen Schuldigen suchen.«
Minato seufzte schwer und sackte auf seinem Stuhl zusammen. »Ich weiß, ich weiß. Ich hätte nur nicht gedacht, dass sie jetzt schon mit den unbequemen Fragen kommen.«
»Saru, was plant Danzō?«, wollte Tobirama wissen.
Hiruzen konnte auch nur mit den Schultern zucken. »Tja, wenn ich das wüsste.«
»Und ich hätte ihm beinahe noch in die Hände gespielt«, murrte Minato.
»Wenn es wirklich bereits Gerüchte gibt, dass die Uchiha an dem Vorfall beteiligt sind, werden wir vorsichtig sein müssen«, sagte Tobirama. »Danzō hat versucht, einen Sündenbock zu erschaffen und er wird es weiter versuchen. Ich frage mich, was er damit bezwecken will. Es wird doch nur Unruhen im Dorf verursachen.«
»Also genau das, was wir jetzt nicht brauchen«, fügte Hiruzen an. »Wir werden nicht verhindern können, dass Neuigkeiten über diesen Vorfall nach außen dringen. Die anderen Länder werden auf uns blicken und nach Schwachpunkten suchen.«
Minato gab einen frustrierten Laut von sich und stand ruckartig auf. Mit wehendem Mantel ging er zum Fenster, um die Menschen unten auf der Straße zu beobachten.
»Konoha ist nicht schwach!«, sagte er mit Nachdruck. »Nicht solange ich es verhindern kann.«
Die beiden Anderen sagten nichts dazu. Hiruzen zückte seine Pfeife und entzündete sie in aller Ruhe.
»Du rauchst zu viel, Saru«, sagte Tobirama.
»Ich weiß«, sagte Hiruzen und paffte an der Pfeife.
Schweigend beobachtete Minato die Menschen draußen, eine Hand am Fensterrahmen abgestützt, die andere an der Hüfte. Hiruzen rauchte weiter seine Pfeife und blies Rauchringe in die Luft. Tobirama war tief in Gedanken versunken, als er über sein weiteres Vorgehen nachsann.
»Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, über eine Neuordnung der Chūnin-Prüfungen nachzudenken«, sagte Hiruzen in die Stille hinein.
Tobirama hob lediglich eine Augenbraue. Minato wandte sich ihnen wieder zu.
»Wieso das?«, wollte Minato wissen.
»Sensei, lassen Sie es mich kurz erklären, in den mehr als vierzig Jahren, seit Sie mich zum Chūnin ernannt hatten, hat sich einiges getan«, wandte sich Hiruzen an Tobirama. »Schon vor etlichen Jahren, begannen wir nach und nach dazu überzugehen, ein zentrales Prüfungssystem zu etablieren. Es war damit nicht mehr der sensei allein, der oder die bestimmte, ob die Genin bereit wären, sich nun Chūnin zu nennen. Wir unterziehen die Anwärter jetzt stattdessen mehreren Prüfungen, die die Fähigkeiten testen, die ein Chūnin mit sich bringen muss. Die Prüfer sind mehrere Jōnin-Ausbilder sowie schlussendlich auch ich – nun, Minato mittlerweile.«
»Das klingt sinnvoll«, kommentierte Tobirama.
»Und was ist die Änderung, die Sie vorschlagen wollen?«, fragte Minato.
»Wir haben das bis jetzt nur immer für uns gemacht. Dorfintern«, sagte Hiruzen. »Wenn wir die Prüfungen aber öffnen und auch Teilnehmer anderer Dörfer zulassen, zeigt ihnen das unser Vertrauen und unseren guten Willen, aber auch unsere Stärke, wenn wir ihnen unsere Genin vorführen.«
Ein Sicherheitskonzept für so etwas auszuarbeiten, wäre ein Albtraum. »Es wäre die perfekte Gelegenheit für andere Länder, Spione einzuschleusen«, gab Tobirama zu bedenken.
»Mir gefällt die Idee«, widersprach Minato. »Natürlich wäre es ein Sicherheitsrisiko. Aber würde es nicht auch eine klare Botschaft senden, wenn wir bewusst dieses Risiko eingehen? Und man könnte sogar so weit gehen und jedes Jahr die Prüfungen in einem anderen Dorf abhalten. So kämen alle einmal zum Zug.«
»Ja, genau so habe ich mir das vorgestellt«, sagte Hiruzen.
Tobirama war davon noch immer nicht gänzlich überzeugt, aber Hiruzen und Minato schienen sich für die Idee begeistern zu können.
»Nach dem letzten Krieg sind die Spannungen zwischen den Nationen noch immer nicht abgeklungen«, fügte Hiruzen an. »Solch eine Zusammenarbeit könnte die Dörfer jedoch enger zusammenführen.«
»Ich bin nicht mehr derjenige, den du überzeugen musst, solche Entscheidungen zu treffen«, erinnerte Tobirama ihn.
»Ich will das zu gegebener Zeit weiterverfolgen«, sagte Minato. »Aber nicht mehr jetzt. Kakashi wartet sicher bereits.«
»Und ich erwarte ebenfalls noch Besuch«, sagte Tobirama und stand auf. Wahrscheinlich wäre Shisui sogar schon da, aber in dem Fall würde sein Doppelgänger sich um das Kind kümmern.
Sie verabschiedeten sich von Hiruzen und machten sich gemeinsam auf den Weg zu Tobiramas Haus. Auf den Straßen herrschte rege Betriebsamkeit, als überall gehämmert, gesägt und gebohrt wurde. Noch immer räumten die Leute Schutt zur Seite, während an anderer Stelle schon der Wiederaufbau begonnen hatte. Die Blicke der Dorfbewohner folgten ihnen. Tobirama ignorierte es und Minato versuchte es zumindest zu ignorieren. Die Leute waren eben neugierig.
»Ich ärgere mich noch immer, dass ich beinahe in Danzōs Falle getappt wäre«, sagte Minato. »In dem Moment hatte ich wirklich gedacht, dass es eine gute Sache wäre, dem Vorschlag zu folgen.«
»Rechtfertige dich mir gegenüber nicht«, sagte Tobirama. »All diese Clans und ihre unterschiedlichsten Interessen unter einen Hut zu bekommen, kann schwer sein.«
»Wie hast du das damals gemacht?«, wollte Minato wissen. »Jetzt sehen sie sich alle als Teil des Dorfes. Aber wie war das, als das alles noch neu gewesen war?«
»Sie mussten lernen, dass ihr Feind genauso ein Mensch war wie sie auch«, sagte Tobirama. »Gemeinsam eine neue Heimat zu erbauen und abends mit dem einstigen Feind nach getaner Arbeit Sake trinken zu gehen, hatte dabei sehr geholfen. Also hatten wir es gefördert, dass sich Gaststätten und Kneipen hier ansiedelten. Wichtig war aber auch, all die Unterschiede der Clans zu würdigen und ihre besonderen Gebräuche zu achten. Niemand hätte es geduldet, wenn wir sie komplett assimiliert hätten. Das Dorf versprach Schutz in einer starken, zusammenhaltenden Gemeinschaft, in der jedes Individuum sich einbringen konnte. Im Gegenzug erwarteten wir, dass alle ihren Teil dazu beitrugen, finanziell wie auch mit Muskelkraft.«
»Das klingt alles so einfach«, stellte Minato fest. »Und doch gibt es auch heute noch Streitigkeiten.«
»Wo verschiedene Interessen aufeinanderprallen, wird es immer zu Spannungen kommen«, erklärte Tobirama. »Besonders mit den Uchiha und Hyūga war es von Anfang an so. Beide Clans besitzen mächtige kekkei genkai und Augendiebstahl war bei ihnen schon seit Generationen ein ernstzunehmendes Problem. Aber wie sie damit umgehen, unterscheidet sich. Zugegeben, mit den Hyūga war es am schwersten, sie in das Dorf einzugliedern. Hashirama empfand eine starke Abneigung gegenüber des speziellen Versiegelungsjutsus dieses Clans. Aber hätten wir ihnen untersagt, es weiter anzuwenden, hätten sie nie eingewilligt, sich uns anzuschließen. Daher ist es so wichtig, dass Konoha sich nicht in claninterne Angelegenheiten einmischt, und das war es auch, was Fugaku heute so aufgebracht hat.«
»Danzō will Unruhen schüren«, sinnierte Minato. »Aber warum? Was will er damit nur bezwecken? Dieses Gefühl … Die Zeit der Axt und des Schwerts ist nah …«
»Sprich klar«, wies Tobirama ihn an.
Doch Minato schüttelte den Kopf. »Nur so etwas, das ich neulich gelesen hab. Ich hab einfach das Gefühl, dass uns trotz des Friedens schwere Zeiten bevorstehen.«
Wann war es jemals anders gewesen? Tobirama hatte sein ganzes Leben lang um seine Ziele ringen müssen, er kannte es nicht anders.
»Saru sagte mir neulich, was mit Uzushio geschehen ist«, wechselte Tobirama das Thema. »Ist das wahr?«
Minato nickte. »Das ist nun schon eine ganze Weile her, in dem Jahr, in dem ich eingeschult worden war, daher habe ich davon nicht wirklich viel bewusst mitbekommen. Im nächsten Jahr hieß es dann, dass ein neues Mädchen in unsere Klasse kommt, und das war Kushina. Einige der anderen Jungs hänselten sie wegen ihres roten Haares und nannten sie Tomate und Rote Chilischote, weil sie diese Jungs daraufhin ordentlich verprügelt hatte. Aber das war alles, was ich damals von dem Vorfall mitbekam. Erst viele Jahr später erfuhr ich dann, was tatsächlich geschehen war. Sandaime-sama war sich der Situation bewusst, hatte jedoch zum Schutze Konohas nicht eingegriffen, da sonst das Dorf ins Visier des Feindes geraten wäre.«
Tobirama blieb abrupt stehen. Er fasste Minato fest in den Blick, welcher hastig den Kopf einzog. »Hör gut zu«, sagte Tobirama warnend. »Es gibt eine Handvoll Grundsätze, auf denen sich das Dorf gründet, und sie dürfen niemals, unter keinen Umständen, verletzt werden. Saru hat damit erneut einen verletzt, und gerade er hätte es besser wissen müssen. Die Uzumaki sind der Vetternclan der Senju, ebenjenes Symbol, das du tagtäglich auf deiner Uniform trägst, bezeugt das. Bei seiner Gründung hat sich Konoha dazu verpflichtet, den Uzumaki in ausnahmslos jeder Situation zur Hilfe zu kommen, denn umgekehrt, würden sie dasselbe für uns tun. Hast du das verstanden?«
Als Antwort nickte Minato lediglich wortlos.
»Gut«, knurrte Tobirama und ging weiter.
Minato brauchte einen Moment und schloss dann wieder zu ihm auf. »Was heißt das? Vetternclan?«
Tobirama atmete tief durch. Er hätte seinen Ärger nicht so sehr an Minato auslassen sollen, ihn traf keine Schuld. »Beide Clans führen ihre Abstammung auf Ōtsutsuki Ashura zurück, dessen älterer Bruder, so heißt es, der Urahn der Uchiha war. Seit vielen Generationen schon standen Senju und Uzumaki Seite an Seite und es kam oft vor, dass Verbindungen zwischen beiden Clans geschlossen wurden. Mito war eine Base dritten Grades.«
Minato sah neugierig auf. »Wie weit kannst du deine Abstammung zurückverfolgen?«
»In ungebrochener Linie bis zu Ōtsutsuki Hagoromo. Es gibt alte Aufzeichnungen, die es belegen.«
»Rikudō Sennin?! Das … wow.« Minato sah ihn mit großen Augen an.
Tobirama zuckte mit den Schultern. »Ein Name aus ferner Vergangenheit, mehr nicht.«
Er wurde von dem Thema erlöst, als sie eine Straße erreichten, durch die sich eine lange Schneise der Verwüstung zog. Einer von Kyubis Schwänzen hatte hier ganze Häuserzüge niedergemacht. Sie mussten über den Schutt hinweg klettern, der hier mitten auf der Straße lag und den noch niemand hatte wegräumen können.
»Was macht die Hand?«, wollte Minato wissen, als sie ihren Weg schließlich fortsetzen.
»Ist offensichtlich noch dran«, sagte Tobirama kurz angebunden.
»Ich hab gehört, was Doktor Fuyuko gesagt hat. Dass es sein kann, dass sie nie wieder richtig abheilt.«
Tobirama gab ihm einen vielsagenden Blick. Minato war weise genug, das Thema ganz schnell fallen zu lassen.
Mittlerweile hatten sie Tobiramas Heim erreicht. Tobirama öffnete die Tür und rief nach Kakashi, welcher sogleich mit Naruto auf dem Arm kam, um sie zu begrüßen. Naruto quengelte, was sofort in fröhliches Lachen umschlug, als Kakashi ihn an Minato zurückreichte.
»Vielen Dank, Kakashi. Du hilfst mir wirklich enorm damit«, sagte Minato.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Ich werd für‘s Windeln wechseln bezahlt, ich beschwer mich nicht. Seit Tobirama mein Boss ist, habe ich nur angenehme Aufträge.«
Minato lachte leise und verabschiedete sich dann. Tobirama ging mit Kakashi in das Haus.
»Shisui kam schon vor einer Stunde«, informierte Kakashi ihn. »Shisui ist draußen im Garten und wird bereits von deinem Doppelgänger geknechtet.«
Tobirama nickte. »Danke für die Information. Du kannst für heute Feierabend machen.«
Wie Kakashi ihm gesagt hatte, fand er Shisui im Garten. Ōkami lag auf den engawa und beobachtete Shisui und den Doppelgänger. Tobirama löste sein Jutsu auf, da es jetzt nicht mehr gebraucht wurde. In einer kleinen Rauchwolke verschwand der Doppelgänger. Shisui gab einen erstaunten Laut von sich.
»Das war nicht der gewöhnliche Doppelgänger, den wir in der Schule lernen«, stellte Shisui dann erstaunlicherweise fest.
Tobirama nickte anerkennend. »Sehr gut, dass du das erkannt hast. Das war mein Kage Bunshin no Jutsu. Wie ich sehe, beherrschst du bereits eine ganze Menge Jutsus, weitaus mehr, als ich bei einem Kind deines Alters vermutet hätte.«
Shisui verbeugte sich. »Vielen Dank. Aber das kann ich noch nicht.«
»Ich kann es dir beibringen.« Tobirama wandte sich der Hecke zu. »Dir auch, wenn du willst.«
Schon längst hatte er den kleinen Beobachter bemerkt, der sich dort versteckt hatte.
Itachi gab einen ertappten Laut von sich und schlich dann aus seinem Versteck. Er schien nicht damit gerechnet zu haben, dass er so schnell aufflog.
»Komm her, keine Scheu«, wies Tobirama ihn an.
»Bitte vergeben Sie mir, Nidaime-sama. Ich wollte wirklich nicht aufdringlich sein«, piepste Itachi. »Aber ich habe ein paar Fragen.«
Ein Uchiha, der aus freien Stücken zu ihm kam und um Hilfe bat. War sich Itachi überhaupt bewusst, von welch enormer Bedeutung das war?
»Nur zu.«
Itachi sah ihm ganz ohne Scheu direkt in die Augen. »Nidaime-sama, was ist ein Dorf? Was ist ein Shinobi?«
Itachi konnte nicht älter als sieben Jahre alt sein und hatte doch etwas an sich, das ihn so viel älter erscheinen ließ. Tobirama hätte niemals von einem Kind erwartet, solch tiefgreifende Fragen zu stellen.
Auch Shisui sah ihn erwartungsvoll an. »Nidaime-sama, ich möchte das auch wissen. Alle sprechen davon, aber jeder versteht etwas anderes darunter. Können Sie uns eine Antwort geben?«
Bemerkenswerte Kinder. Er winkte ihnen, ihm nach drinnen zu folgen. »Kommt. Wärmt euch bei etwas Tee auf.«
Noch ein wenig schüchtern folgten sie ihm nach drinnen und er brachte ihnen gesüßten Tee; seiner Erfahrung nach mochten Kinder den ansonsten etwas bitteren Geschmack nicht so sehr. Als er sich zu ihnen setzte, wirkten sie schon etwas lockerer. Ōkami hielt einen gewissen Abstand, vielleicht weil sie vermutete, dass ihre Anwesenheit die Kinder verschrecken könnte; die meisten Uchiha reagierten auf sie mit Unwohlsein. Doch Shisui und Itachi warfen ihr nur neugierige Blicke zu.
»Die Frage, was ein Dorf ist und was ein Shinobi, kann ich euch nicht beantworten«, sagte Tobirama schließlich.
Shisui sah ihn mit großen Augen an. »Aber … Sie sind doch einer der Gründer dieses Dorfes.«
»Aber auch ich kann euch nur sagen, was ich darunter verstehe. Es gibt keine festgelegte Wahrheit, denn Wahrheit ist individuell. Wir alle sehen die Welt durch unsere Augen und unsere allein.«
»Leben wird genommen. Leben wird gegeben«, murmelte Itachi. »Nichts ist wahr und alles ist erlaubt. Das heißt, dass wir unsere eigenen Wahrheiten finden müssen.«
Saß ihm wirklich ein Kind gegenüber? Tobirama hatte beinahe den Eindruck, dass das nicht der Fall war. Da lag eine Weisheit in diesen Augen, die weit jenseits seiner Jahre lag.
Er nickte. »Korrekt. Ein Dorf, wie ich es sehe, ist ein Rahmen. In diesem Rahmen können Menschen unterschiedlichster Herkünfte zusammenkommen, um gemeinsam an einem größeren Ziel zu arbeiten. Außerhalb dieses Rahmens mögen sie alle einzelne Clans sein, mit all ihren Gemeinsamkeiten aber auch Unterschieden, Bündnissen und Feindschaften. Aber das Dorf macht sie zum Teil von etwas größerem.«
»Dann sind Shinobi jene, die diesen Rahmen bewahren«, schloss Shisui.
»Warum gibt es dann immer noch Clans?«, fragte Itachi. »Warum ist es wichtig, dass Sie ein Senju sind und wir Uchiha?«
»Weil wir alle Individuen sind«, antwortete Tobirama ihm. »Wir sind kein kleines Rädchen in einem großen Getriebe. Der Clanbegriff erzeugte schon lange vor der Gründung der Versteckten Dörfer ein Zusammenhaltsgefühl, etwas, das es wert war, erhalten zu werden. Wir Menschen sind wie die Wölfe Rudeltiere. Wir halten zusammen und das macht uns stark, doch allein gehen wir unter. Also suchen wir uns eine Gemeinschaft, aber auch in dieser Gemeinschaft erhalten wir uns unsere Individualität. Das ist gut und richtig so, denn so können wir alle ganz verschiedene Standpunkte einbringen.«
»Die Dörfer schufen eine größere Gemeinschaft und sorgten damit für Frieden zwischen den Clans«, sagte Shisui. »Ist es nicht so? Aber jetzt kämpften nicht mehr nur Clans gegeneinander, sondern ganze Dörfer.«
Die Kinder scheuten in der Tat nicht einmal vor den unbequemen Fragen zurück. Tobirama war beeindruckt.
»Auch das ist korrekt«, sagte er anerkennend.
»War es dann ein Fehler?«, fragte Itachi geradeheraus.
Ōkami lachte auf. »Welpe, hier hast du jemanden gefunden, der dir die Stirn bieten kann, und er ist selbst nur ein kleiner Welpe. Fürchte ihn, wenn ihm seine Zähnchen wachsen.«
Wahre Worte.
»Ich weiß es nicht«, sagte Tobirama ehrlich. »Zu jener Zeit schuf es Frieden, für eine Weile. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Vielleicht gingen wir den ersten Schritt hin zum Frieden zwischen allen Nationen, vielleicht aber auch zum Krieg aller Kriege. Das wird uns nur die Zeit sagen können. Die Dörfer schufen Frieden zwischen Clans, und jetzt müssen wir nach dem Mittel suchen, das Frieden zwischen den Dörfern schafft.«
»Das Dorf ist ein Rahmen«, sinnierte Itachi, »und Shinobi sind jene, die diesen Rahmen bewahren. Aber wenn ich ein Shinobi sein will, muss ich stärker werden. Nidaime-sama, können Sie mir dieses Jutsu beibringen?«
Tobirama nickte. Diesem Wunsch entsprach er gern. Kage Bunshin no Jutsu war kein Jutsu für einen Anfänger, aber Shisui hatte bereits bewiesen, dass Shisui weit über dem Niveau eines Anfängers stand. Itachi, so stellte Tobirama schon sehr bald fest, stand dem kaum nach.
Er musste ganz ehrlich sagen: Diese Kinder verblüfften und beeindruckten ihn zutiefst.
Minato hat genau drei Modi: Fanboy mode, Hokage mode und Dad mode.
"The time of the sword and the axe is nigh" ist ein Teil der Prophezeihung von Ithlinne aka ein Witcher Zitat. Falls das mit dem Weißen Wolf noch nicht deutllich genug gewesen war. "Nichts ist wahr, alles ist erlaubt" ist natürlich das Kredo von Assassin's Creed und "Wahrheit ist individuell" ist ein Zitat aus Words of Radiance von Brandon Sanderson.
Nächstes Kapitel: Kakashi hilft bei der Aufklärung der Ereignisse und hört ein Gespräch zwischen Tobirama und Fugaku mit.
Spurensuche
Zum mittlerweile fünften Mal untersuchte Kakashi dieselben kahlen Felswände nach Spuren, aber Tobirama hatte darauf bestanden, dass sie noch einmal alles gründlich absuchten, um wirklich sicher zu sein. Team Ro wurde dabei dieses Mal jedoch von einigen von Fugakus Leuten unterstützt, was ein wenig ungewöhnlich war. Kakashi war es nicht gewohnt, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Tobirama und Fugaku waren ebenfalls anwesend, taten jedoch nichts weiter, als lediglich im Raum zu stehen und ihre Leute zu beobachten. An diesem Tag hatte Tobirama sogar seine Anbu-Ausrüstung angelegt, hatte die Wolfsmaske jedoch an den Gürtel gehangen. Nicht einmal jetzt wollte er auf seinen weißen Pelzkragen verzichten.
In einer Ecke des Raumes schnüffelte Ōkami. Pakkun hielt sich dicht bei Kakashi und achtete stets darauf, größtmöglichen Abstand zwischen sich und der Wölfin zu halten. Beide warfen sie sich immer wieder giftige Blicke zu. Dass es noch nicht zum Eklat zwischen beiden gekommen war, war ein Wunder.
»Ich muss sagen, es ist ein Novum für mich, mit einem Senju zusammenzuarbeiten«, sagte Fugaku leise zu Tobirama.
Tobirama stand mit verschränkten Armen da, machte aber einen ansonsten entspannten Eindruck. Kakashi war ein wenig verwundert. Nach allem, was er gehört hatte, war sein Großvater nie sonderlich gut auf die Uchiha zu sprechen gewesen, aber das hatte sich als Irrglauben herausgestellt. Irgendwie erwartete er dennoch jeden Augenblick, dass etwas explodierte.
»Wie es eben kommt«, sagte Tobirama knapp. »Sie sagen also, es war Kamui gewesen.«
»Es klang ganz danach«, bestätigte Fugaku. »Das würde auch erklären, wieso der Fremde so einfach hier hatte eindringen können.«
Kamui.
Kakashi erstarrte. Sollte er …? Allein bei dem Gedanken daran schnürte es ihm die Kehle zu. Vielleicht sollte er Minato bitten, es für ihn auszusprechen. Aber nein, auch nicht. Auf gar keinen Fall.
Doch wie konnte der unbekannte Angreifer Kamui besitzen? Es war unmöglich. Andererseits wusste Kakashi auch nicht viel über das Mangekyō Sharingan, der Uchiha Clan war sehr verschwiegen, was das anging. Kakashi war sich bewusst, dass manche Uchiha insgeheim dafür plädiert hatten, ihm sein Sharingan wieder zu nehmen, allerdings wusste er nicht, ob ihnen bewusst war, dass es sogar ein Mangekyō war. So oder so, sie hatten sich nie kooperativ gezeigt, ihm beim Erlernen seiner neuen Fähigkeiten zu helfen.
Die Logik verlangte, dass er es Tobirama sagen sollte. Irgendwann einmal würde Tobirama erfahren müssen, wie Kakashi an sein Sharingan gekommen war und was mit Obito und Rin passiert war. Aber allein bei dem Gedanken daran, darüber zu reden, wurde ihm schwindlig.
»Sind Sie gewillt, mir die genaue Funktionsweise von Kamui zu erklären?«, fragte Tobirama.
Fugaku antwortete nicht gleich. Dann seufzte er. »Sie wissen ohnehin bereits weitaus mehr, als ich es jemals von einem Außenstehenden erwartet hätte. Und dann ausgerechnet ein Senju. Nichts für ungut. Die Zeiten ändern sich in der Tat. Kamui öffnet eine Tür zu einer anderen Dimension, in die Gegenstände aber auch Personen transportiert werden können. Ebenso ist es für den Anwender möglich, sich selbst in diese Dimension zu bringen, entweder teilweise oder komplett. So war es ihm möglich, einfach so durch den Fels zu gehen und alle Angriffe durch sich hindurch gleiten zu lassen.«
»In dem Moment, in dem Minato ihn angriff, hat er also jene Stellen, die Minato berührte, in Kamuis Dimension versetzt«, schloss Tobirama.
Fugaku nickte. »Wenn er Kamui angewendet hat, dann ja. Genau so.«
»Wie hat Minato ihn dann dennoch in die Flucht schlagen können?«
»Der Fremde muss sich in dieser Dimension befinden, um angreifen zu können. Hokage-sama ist für seine überragende Schnelligkeit bekannt. Er wird seinen Gegner auf diese Weise überlistet haben.«
Klang ganz nach sensei.
Sukea hatte sich indes noch einmal die weißen Kreideumrisse angesehen, die markierten, an welcher Stelle Biwako, die Hebammen und die Anbu gestorben waren. Sukea besaß ein ausgesprochen gutes räumliches Vorstellungsvermögen, weshalb er allein anhand der Umrisse eine ganze Menge des Geschehens würde rekonstruieren können. Die Linien erzählten ihm die Geschichte einer Tragödie.
»Er kam von da«, sagte Sukea und deutete auf die Wand, vor der Kakashi stand. »Erst tötete er die Hebamme mit einem Schnitt durch die Kehle. Sie hatte ihn nicht einmal kommen sehen. Dann entriss er Biwako-san den Säugling und schlitzte ihr ebenfalls die Kehle auf. Biwako-san hat sich dagegen gewehrt, weshalb er mehr Kraft einsetzte. Sie strauchelte und fiel an genau diese Stelle hier.«
Kakashi hatte diese Wand mittlerweile oft genug mit seinem Sharingan untersucht, um mit Sicherheit sagen zu können, dass sich hier keine einzige Spur befand, nicht einmal ein Haar. Als wäre ein Geist aufgetaucht.
»Ich kann noch immer alle Personen wittern, die anwesend waren«, sagte Ōkami. »Aber dieser Kerl ist nicht dabei. Meine Nase sagt mir, dass er nie hier gewesen war.«
»Dasselbe wollte ich auch gerade sagen!«, warf Pakkun eilig ein. »Hier gibt‘s keine Fährte.«
Ōkami knurrte ihn an. Hastig sprang Pakkun erst auf Kakashis Schulter und kletterte von da aus auf seinen Kopf, wo er dann auch blieb. Kakashi hoffte, dass Ōkami nicht beschloss, sich Pakkun zu schnappen, weil er dann leider im Weg sein würde.
»Dann auf zum zweiten Kampfplatz«, beschloss Tobirama.
Sie sammelten sich und gingen dann weiter. Minato hatte eine ganze Reihe von Unterschlüpfen in und um Konoha, die er alle mit Hiraishin markiert hatte, um sie in eben solchen Situationen wie dieser nutzen zu können. Kakashi hatte keine Ahnung, wo sich die anderen befanden, Minato hatte das immer für sich behalten. Vielleicht auch besser so.
Bei diesem, den sie nun ansteuerten, handelte es sich um eine einfache Hütte im Wald. Nun, hatte sich gehandelt, denn sie war in der Explosion zerstört worden. Minato hatte sich und Naruto hierher gebrach, um die Sprengsiegel von Kushina wegzubringen, die der Fremde an die Babydecke geheftet hatte. Was für ein Mistkerl tat so etwas nur?
Die Hütte war komplett zerstört worden und das Holz niedergebrannt. Die Splitter lagen noch immer im weiten Radius verteilt. Danach zu urteilen, wie weit sie fortgeflogen waren, hatte der Fremde nicht mit Sprengstoff gegeizt. Er hatte wirklich sicher gehen wollen. Minato war dem nicht unbeschadet entkommen, stellte Kakashi fest, als er einen Splitter fand, an dem noch Blut haftete.
Ōkami schnüffelte bereits den Platz ab. Pakkun beobachtete sie mit Argusaugen von seinem Ausguck auf Kakashis Kopf aus.
»Es gibt ein Detail, das nicht ins Bild passt«, fuhr Fugaku fort. »Der Angreifer hat immer nur sich selbst in die Kamui-Dimension gebracht. Er hätte sich leicht seines Gegners entledigen können, indem er Hokage-sama in der Dimension einsperrt, und wir hätten ihn nie wieder gesehen. Warum also hat er es nicht getan?«
Wie groß war der Zufall, dass noch jemand nur ein halbes Kamui besaß und dazu auch noch die andere Hälfte von Kakashis?
»Wer in Ihrem Clan besitzt Kamui?«, fragte Tobirama.
»In dieser Generation? Niemand.«
»Gibt es irgendwen, der Motive hätte, Ihnen diese Fähigkeit zu verheimlichen?«
»Sie können gewiss davon ausgehen, dass mir der Gedanke auch schon gekommen ist.«
»Wollte nur sicher gehen.«
Fugaku schnaubte.
Einer von Fugakus Leuten winkte ihnen, als er etwas gefunden hatte. »Hier liegt eine Hand!«
Sogleich sprang Ōkami zu ihm und beschnüffelte das abgetrennte Körperteil. Auch Pakkun verließ seinen Posten, um es ihr gleich zu tun. Sie knurrte und schnappte nach ihm, wenn auch ohne die Absicht, ihn ernstlich zu erwischen. Jaulend hechtete Pakkun wieder zu Kakashi und suchte auf seinem Kopf Zuflucht.
»Das Ding riecht nach nichts«, sagte Pakkun eilig.
Ōkami knurrte noch bedrohlicher, und Kakashi sah bereits vor sich, wie sie ihn niederwalzte, um an Pakkun zu gelangen.
Tobirama kniete sich neben die Hand und betrachtete sie nachdenklich. Es wirkte, als sei sie regelrecht geschmolzen und dann abgefallen. Man würde doch eigentlich erwarten, dass es fürchterlich nach verbranntem Fleisch stinken würde.
»Was für ein Jutsu war das?«, wollte Tobirama wissen und deutete auf einen nahen Krater.
Kakashi erkannte die charakteristischen Rillen im Erdreich. »Rasengan, senseis Jutsu. Damit wird er seinen Gegner besiegt und in die Flucht geschlagen haben. Das kann es auch gewesen sein, was die Hand abgetrennt hat.«
Tobirama stand wieder auf. »Aber warum gibt es dann keine Fährte?«
»Es macht den Eindruck, als hätte der Unbekannte seine ganze Existenz ausgelöscht mitsamt seines Geruchs. Als hätte er nie existiert«, sinnierte Fugaku.
»Hm.« Aus irgendeinem Grund hob Tobirama die Hand auf und verstaute sie in einer Siegelrolle. »Fugaku-sama, sagen Sie, Sie halten nicht zufällig derzeit einen zu Tode verurteilten Gefangenen fest, oder?«
Was war denn das für eine seltsame Frage?
Auch Fugaku sah fragend zu Tobirama. »Nein. Wieso?«
»Ich frag nur. Jedenfalls könnte diese Hand vielleicht doch eine Spur sein.«
»Ich verstehe. Ich werde schauen, ob irgendwer aus meinem Clan eine Hand verloren hat. Das könnte die Sache erheblich verkürzen.«
Eine Weile beobachteten sie einfach nur da und beobachteten, wie Anbu und Polizei die Spuren sicherten.
»Ihr Sohn, Itachi, kam neulich zu mir«, sagte Tobirama irgendwann.
Aha, man war beim Plausch angekommen.
»Ist das so?«, sagte Fugaku knapp.
»Er hat eine ungewöhnlich starke Begabung«, fuhr Tobirama fort. »Er fragte mich, ob ich ihm meine Schattendoppelgänger lehren könnte und brauchte auch nicht lang, um es zu begreifen.«
Ein seltenes Lächeln breitete sich auf Fugakus Gesicht aus, aus dem der väterliche Stolz sprach. »Ja, das ist mein Junge. Vor kurzem erst trug sein Klassenlehrer den Vorschlag an mich heran, ob ich einwilligen würde, ihn den Abschluss schon verfrüht machen zu lassen.«
»Nein«, widersprach Tobirama. »Ich spreche mich dagegen aus. Diese Regelung darf nicht wieder aufgeweicht werden. Aber ich kann Ihnen anbieten, Itachi gesondertes Training zu geben, um sein Talent weiter zu fördern.«
Fugaku sah ihn verblüfft an. »Ich muss sagen, so ein Vorschlag von Ihnen erstaunt mich. Ich scheine mich wirklich in Ihnen getäuscht zu haben, Nidaime-sama. Ich danke für das Angebot und werde darüber nachdenken.«
Tobirama nahm es mit einem Nicken hin, dann wandte er sich an die anderen. »Feierabend. Hier gibt‘s nichts mehr, wir haben alles gesehen, was es zu sehen gibt.«
Sie sammelten sich und begaben sich dann auf den Rückweg ins Dorf, wo auch alsbald jeder seines Weges ging. Kakashi begleitete Tobirama nach Hause. Pakkun saß noch immer auf seinem Kopf, wie als wolle er Kakashi vor Ōkami bewachen.
»Kakashi, magst du Ramen?«, fragte Tobirama ihn. Als Kakashi nickte, fügte er an: »Dann lade ich dich ein. Ich habe gesehen, dass Ichiraku Ramen noch existiert und sogar den Angriff überstanden hat.«
»Noch existiert?«, fragte Kakashi nach. »Kennst du den Laden?«
»Natürlich«, sagte Tobirama, als sei es die offensichtlichste Sache der Welt. »Mito hatte regelmäßig meinen Bruder und mich beim shōgi abgezogen und ließ sich dann von uns zum Ramen einladen. Sie war womöglich die Haupteinnahmequelle des Ladens. Es war beängstigend, wie viel Ramen sie essen konnte.«
Da Ramen in der Tat nach einer guten Idee klang, machten sie also einen kleinen Umweg. Wie immer stand Teuchi hinter dem Tresen, als wäre er dort angewachsen. Kakashi hatte den Mann nie irgendwo anders gesehen und manchmal fragte er sich schon, ob Teuchi in seinem kleinen Restaurant lebte.
Tobirama sagte ihm, dass er alles bestellen konnte, was er wollte, aber Kakashi blieb aus Gewohnheit bei seinem üblichen Chashu Ramen. Tobirama nahm Shake Ramen, und Teuchi machte sich sogleich daran, die Bestellung zu bearbeiten. Falls er von Ōkami, die sich neben Tobirama gesetzt hatte und immer noch groß genug war, um beinahe über den Tresen zu blicken, beunruhigt war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Mit fliegenden Händen bereitete Teuchi ihnen das Essen zu und verwickelte sie dabei in ein belangloses Gespräch. Weder Tobirama noch Kakashi waren für so etwas zu haben, aber Teuchi ließ nicht locker, und irgendwie gehörte das auch dazu. Ōkami und Pakkun bekamen ebenfalls ihren Anteil, als Teuchi ihnen einige Rinderknochen überließ, die den Tag über angefallen waren.
»So hart arbeitende ninken müssen doch auch belohnt werden«, sagte er.
Das war ein Fehler. Ōkami knurrte.
»Ninken?«, fauchte sie empört. »Ninken?! Ich bin ein Wolf! So etwas verbitte ich mir!«
Teuchi verbeugte sich lediglich tief und bat vielmals um Entschuldigung. Der Mann musste Nerven aus Stahlseilen haben.
Alsbald war auch ihr Essen fertig und zwei große, dampfende Schalen voll mit köstlichem Ramen standen vor ihnen. Sie bedankten sich bei Teuchi. Kakashi griff nach den Stäbchen. Zeit für seinen kleinen Trick mit der Maske.
Tobirama blinzelte überrascht und betrachtete Kakashis leere Schüssel. Kakashi erwiderte den Blick und zuckte lediglich mit den Schultern. Er reichte die Schüssel über den Tresen.
»Noch eine Portion bitte.«
»Kommt sofort!«, sagte Teuchi sogleich. »So einen gesunden Appetit will ich doch gern fördern.«
Tobirama aß sein Ramen in normaler Geschwindigkeit. »So gut, wie ich es in Erinnerung habe.«
»Natürlich!«, beteuerte Teuchi. »Das Rezept ist seit Generationen in der Familie. Wir sind sehr stolz darauf, schon seit der Gründung des Dorfes mit unserem Namen für Qualität einstehen zu können.«
»Oh, ich weiß. Mito hat uns arm gemacht, meinen Bruder und mich, so oft, wie sie uns hierher geschleppt hat«, sagte Tobirama.
Erst da schien Teuchi zu begreifen. Er sah von Tobirama zu Ōkami und dann wieder zu Tobirama. »Oh!«
Tobirama war nun wirklich keine unauffällige Erscheinung und Ōkami trug nichts dazu bei, etwas daran zu ändern.
Doch dann zuckte Teuchi lediglich mit den Schultern und fragte: »Darf‘s denn noch etwas sein, Nidaime-sama?«
Tobirama wollte erst ablehnen, wurde dann jedoch zu einem stummen Blickduell mit Teuchi herausgefordert, an dessen Ende er unterlag und sich noch eine Portion aufschwatzen ließ.
»Tobirama«, wandte sich Kakashi mit gedämpfter Stimme an ihn. »Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass es doch noch jemanden gibt, der Mokuton beherrscht?«
Die Frage lag ihm schon seit Wochen auf der Zunge und war jetzt, nach dem Angriff des Kyubi, nur umso aktueller.
»Das ist unmöglich«, sagte Tobirama erwartungsgemäß. »Tsuna hat es nicht. Wenn sie es geerbt hätte, hätte es sich schon vor vielen Jahren gezeigt.«
»Ich rede nicht von Tsunade«, sagte Kakashi. »Ich habe vor einiger Zeit einen Jungen gefunden, der es benutzen kann.«
»Kakashi.« Eine Warnung lag in Tobiramas Stimme. »Ich sage es noch einmal: Das ist unmöglich. Glaub mir.«
»Und ich weiß, was ich gesehen habe«, beharrte Kakashi. »Dieser Junge hat Mokuton angewandt.«
Tobirama sah ihn einen Moment lang schweigend an. »Ich würde ja sagen, dass du einer Täuschung unterlegen sein musst, aber dein Sharingan hätte eine solche durchschaut. Wer war dieser Junge und wo ist er jetzt?«
»Er nannte sich Tenzō, auch wenn sein Codename Kinoe lautete, und ich weiß nicht, wo er jetzt ist«, räumte Kakashi ein. »Aber ich glaube, er war einer von Danzōs Leuten.«
Darauf hob Tobirama lediglich eine Augenbraue, sagte jedoch nichts. Das tat er gerne, Leute skeptisch anschauen, als könne es nie und nimmer sein, dass er sich irrte und andere Recht hatten.
»Vor Shodai Hokage hatte doch auch niemand Mokuton beherrscht, nicht wahr?«, fuhr Kakashi fort. »Ist es da so unlogisch, dass noch jemand dieselbe Fähigkeit entwickelt? Einfach so?«
Tobirama ging nicht darauf ein. »Kinoe, sagtest du?«
Kakashi nickte.
»Wir reden später darüber weiter. Zuerst muss ich etwas nachsehen.«
»KAKASHI!«
Kakashi seufzte. Nicht schon wieder.
»Hey, Kakashi! Hier steckst du also!«, rief Gai und streckte den Kopf herein. »Da steht noch ein Essen aus.«
Kakashi deutete auf das Essen vor sich. »Hab schon.«
Tobirama musterte Gai neugierig. »Und wer bist du?«
Sogleich stand Gai stramm und verbeugte sich etwas linkisch. »Maito Gai, die noble grüne Bestie von Konoha und Kakashis ewiger Rivale! Zu Ihren Diensten, Nidaime-sama!«
Die Andeutung eines Lächelns umspielte Tobiramas Lippen. »Kakashis ewiger Rivale? Kakashi, du hast mir noch gar nicht von deinem Freund erzählt.«
Kakashi wünschte sich ein bodenloses Loch herbei, in das er springen konnte. Das war so peinlich. »Gai …«
»Na los, komm schon, Kakashi«, drängte Gai. »Jetzt kannst du nicht behaupten, dass du auf einer Mission seist. Es sei denn, die besteht daraus, Ramen zu essen. Tut sie das?«
Tobirama bedeutete Kakashi, dass er ruhig gehen konnte. »Geh. Du kannst nicht immer nur bei alten Leuten sein.«
»Nur für‘s Protokoll: Das hast du jetzt gesagt«, betonte Kakashi.
Gai streckte die Faust in die Luft und stieß einen Kampfschrei aus. »Hiya! Wir müssen den Frühling unserer Jugend nutzen! Los, geht‘s!«
Er packte Kakashi und zerrte ihn davon. Kakashi wehrte sich nicht, weil er genau wusste, dass es ohnehin vergeblich wäre. Pakkun machte sich aus dem Staub mit den Worten, dass er jetzt ja nicht mehr gebraucht würde. Hatte er wirklich geglaubt, Kakashi vor Ōkami beschützen zu müssen?
»Warum warst du ausgerechnet mit Nidaime-sama Ramen essen?«, fragte Gai auf dem Weg.
»Darf ich mich jetzt nicht mal mehr auf Kosten meines Bosses verköstigen lassen?«, stellte Kakashi die Gegenfrage.
»Was? Ihr bei der Anbu macht doch nette Sachen?«, wunderte sich Gai.
»Stell dir vor, neuerdings bestehen meine Missionen aus Windeln wechseln und ich werd dafür sogar gar nicht mal schlecht bezahlt.«
»Hört, hört!«, rief Gai. »Du hast ja doch keine Seele aus Eis.«
Kakashi zog es vor, daraufhin nichts zu sagen.
Gai führte ihn zu dem Dangoladen, den Kurenai und Asuma bevorzugten. Anders als Ichiraku Ramen war der Imbiss nicht gänzlich unbeschadet aus dem Angriff herausgekommen, hatte aber dennoch schon wieder das Geschäft aufgenommen. Kurenai und Asuma saßen mit Genma an einem Tisch und irgendwer hatte auch Iruka herbeigeschliffen, er machte jedoch keinen allzu glücklichen Eindruck.
»Wo ist Raidō?«, wollte Kakashi wissen.
»Der hat zu tun«, sagte Gai und zerrte Kakashi zu den anderen. »Seht, wen ich gefunden hab!«
Kurenai winkte ihnen. »Hey, Kakashi, das ist ja eine Überraschung! Schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt.«
»Was macht ihr hier?«, wollte Kakashi wissen, als er sich zu den anderen setzte.
Asuma gestikulierte in Richtung der Dangospieße, die vor ihnen auf dem Tisch standen. »Wonach sieht das für dich aus?«
Genma lehnte sich vor, um einen der Spieße zu nehmen. »Man kann nicht immer arbeiten.«
»Nach allem, was passiert ist, hielten wir es für etwas Gutes, wenigstens wieder etwas Normalität in unser Leben zu bringen«, fügte Kurenai an. »So viele sind gestorben und …«
»Ganz recht! Menschen sind gestorben!«, unterbrach Iruka sie energisch. Er hatte bis jetzt geschwiegen und finster vor sich hin gestarrt. »Menschen sind gestorben und wir durften nichts unternehmen. Stattdessen sitzen wir jetzt hier, als sei nie etwas passiert.«
»Iruka, das mit deinen Eltern tut mir so schrecklich leid«, sagte Kurenai mitfühlend. »Aber Sandaime-sama hatte seine Gründe, als er uns befahl, uns aus dem Kampf herauszuhalten. Ich hätte auch gern gekämpft, aber …«
»Nein, er hat sich nichts dabei gedacht.« Dieses Mal war es jedoch Asuma, der sie unterbrach. »Bis auf Iruka sind wir alle bereits mindestens Chūnin, wir sind sehr wohl in der Lage zu kämpfen. Er hat einfach nur wertvolle Kämpfer zurückgehalten und das hat Menschenleben gekostet.«
Gai regte sich nervös. »Hey, hört auf, andauernd Kurenai zu unterbrechen.«
Kurenai nickte ihm anerkennend zu.
»Wenn wir hätten kämpfen dürfen, hätten unsere Eltern nicht sterben müssen«, protestierte Iruka.
»Dafür wären sie jedoch beschäftigt gewesen, euch zu beschützen«, warf Genma ruhig ein. »Sie wären abgelenkt gewesen, weil sie sich um die Sicherheit ihrer Kinder gesorgt hätten.«
»Es hätte überhaupt nie dazu kommen dürfen!« Iruka machte eine energische Geste. »Sag doch auch mal was, Kakashi! Wie konnte das überhaupt passieren? Hokage-sama hätte das verhindern müssen!«
Einfach zu sagen, dass es nicht Minatos Schuld gewesen war, würde nichts bringen. Gegenwärtig sah es für die anderen nämlich genau danach aus, aber gleichzeitig konnte Kakashi ihnen auch nicht sagen, dass es einen Überfall gegeben hatte. Diese Information stand unter größer Geheimhaltung.
Also zuckte er einfach nur mit den Schultern. »Ist aber nun mal passiert. Jetzt zu jammern, was hätte sein können, bringt die Toten auch nicht zurück.«
Mit einem Schluchzen stürmte Iruka aus dem Laden.
»Das war nicht gerade sensibel von dir, Kakashi«, rügte Kurenai.
»Allerdings auch die Wahrheit«, hielt Kakashi dagegen.
Gai hämmerte die Faust auf den Tisch und sprang auf. »Du hast eben doch eine Seele aus Eis, Kakashi!«
Kakashi erwiderte den Blick ausdruckslos. »Da hast du vielleicht sogar recht.«
Nächstes Kapitel: Tobirama steht vor einigen scheinbar unlösbaren Rätseln.
Unter Wölfen
Kinoe … Kinoe …
Seit Stunden schon durchforstete Tobirama seine Akten auf der Suche nach diesem Jungen, den Kakashi erwähnt hatte. Einer von Danzōs Leuten, hatte Kakashi gesagt. Aber warum fand Tobirama dann keine Spur von ihm in den Akten, die Danzō ihm gegeben hatte, als die Ne wieder in die Anbu eingegliedert worden war?
Er wollte Kakashi wirklich glauben. Wenn er gesagt hatte, dass es Mokuton gewesen war, dann stimmte es wahrscheinlich auch. Und doch …
Etwas passte hier nicht zusammen.
Tobirama suchte mit seinen Sinnen nach Kakashi und fand ihn auch gerade noch innerhalb seiner Reichweite. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass er hier in seinem kleinen Büro bei der Anbu nicht fündig werden würde. Also setzte er kurzerhand seine Maske auf und teleportierte sich zu Kakashi und seinen Leuten.
Er fand sie weit außerhalb Konohas im Wald. Team Ro war auf einer Patrouillenmission und hatte anscheinend bereits Eindringliche ausgemacht den Leichen nach zu urteilen, die hier lagen.
»Wolf-san!«, begrüßte Sukea ihn erstaunt. »Jetzt gibt‘s Ärger, Hund-san. Du hättest sie echt nicht töten dürfen.«
»Erschreck mich doch nicht so!«, rief Kakashi aufgebracht, als Tobirama bei ihm auftauchte. »Hast du heimlich eine Markierung an meine Klamotten angebracht oder so etwas in der Art?«
»Du hast eines von Minatos Kunai«, sagte Tobirama ruhig.
»Oh. Stimmt.«
»Wolf-san, womit können wir Ihnen behilflich sein?«, fragte Yuki.
Tobirama betrachtete die Leichen. Fünf Stück. Sie trugen die Kleidung der Leute aus Kumogakure. Doch das musste noch einen Moment warten. »Kennt ihr jemanden namens Kinoe? Es kann sein, dass er sich Tenzō nennt.«
Kō, Yuki und Sukea sahen einander an. Dann zuckten sie mit den Schultern.
»Nee, nie von gehört«, sagte Yuki. »Wer soll das sein?«
Die ganze Sache wurde immer rätselhafter. Tobirama überging die Frage und deutete auf die Leichen. »Was ist passiert?«
»Eindringlinge aus Kumogakure«, berichtete Kakashi. »Ich habe sie ausgeschaltet, bevor sie Schaden anrichten konnten.«
»Ich bin immer noch der Meinung, dass wir wenigstens einen hätten am Leben lassen sollen, um ihn zu befragen«, warf Sukea ein.
»Hab ich aber nicht gemacht, Ende der Diskussion«, hielt Kakashi unnachgiebig dagegen.
Tobirama hatte indes mit der Inspektion einer der Leichen begonnen. Er kniete sich neben den Toten und begutachtete seine Wunden. Ein klarer, tiefer Schnitt. Er war wie seine Kameraden schnell gestorben. Immerhin war Kakashi gründlich bei dem, was er tat.
»Die sind nicht aus Kumo«, sagte er.
Kō gab einen erstaunten Laut von sich. »Nicht?«
»Schaut doch mal in ihre Gesichter«, wies Tobirama die vier Anbu an. »Die Art, wie ihre Haut gebräunt ist. So sieht es aus, wenn man viel der Sonne ausgesetzt ist und daher stets einen Turban trägt. Sie kommen aus Sunagakure.«
»Also hat jemand versucht, uns auf eine falsche Fährte zu locken«, schloss Yuki.
»Jemand, der wohl ein Interesse aus einem Konflikt zwischen Kumo und Konoha hätte«, fügte Kō an.
»Das verrät uns aber immer noch nicht, was genau ihr Auftrag gewesen war«, warf Sukea ein.
Das jedoch ließ sich leicht herausfinden. Edo Tensei würde ihm hier nicht weiterhelfen, weil er, um Kontrolle über die Körper zu erlangen, die Persönlichkeit der Toten unterdrückte und das eine Befragung unmöglich machte. Tote ließen sich schlecht foltern. Er hatte jedoch auch eine abgeschwächte Form seines Jutsus entwickelt für genau solche Fälle wie diesen. Es gab zwar keine Garantie für Erfolg, aber auf einen Versuch kam es an.
Zeit, endlich einmal sein neuestes Spielzeug auszuprobieren.
Er ließ die verborgene Klinge an seiner linken Armschiene hervorschnellen und schnitt damit dem Toten vor sich den Oberkörper auf. Er schnitt längs unterhalb des letzten Rippenbogens, sodass er ihm in die Brust greifen konnte. Wie sich herausgestellt hatte, war es förderlich für das Gelingen des Jutsu, die Leiche nicht allzu sehr zu beschädigen, weshalb Tobirama schon länger nicht mehr einfach nur die Rippen zertrümmerte, um an das Herz zu gelangen.
Als er das Organ schließlich gefunden hatte, griff er es fest und belegte es mit seinem Siegel. Das Herz in seiner Hand begann erneut zu schlagen. Der Tote zuckte mit den Gliedern, röchelte und schlug dann die Augen auf.
»Eww«, kommentierte Yuki.
»Sag mir, wer euch schickt und welchen Befehl ihr ausführt«, befahl Tobirama dem Toten mit dem Arm bis zum Ellbogen in dessen Brust.
Der Tote stöhnte. Seine Augen rollten. »Nnnnn … Nnnnn … N-nein.«
Verdammt. Einer von der Sorte. Tobirama festigte sein Siegel. Das Stöhnen wurde qualvoller.
Dieses Jutsu rief die Toten nicht gänzlich zurück ins Leben, gerade genug, dass Tobirama sie einer kurzen Befragung unterziehen konnte. Leider zeigten sich nicht immer alle Seelen willig, seinem Befehl auch Folge zu leisten. Die Willensstarken konnten sich noch immer dagegen wehren.
»Ich befehle dir, sprich!«, knurrte Tobirama.
»Nnn … Niemals«, röchelte der Tote. »Iiiich verrate nichts.«
»Gehorche meinem Befehl!«
Der Tote sackte in sich zusammen. Sein Herz hörte auf zu schlagen. Er war wieder so still, wie ein Toter nur sein konnte. So ein Mist. Seufzend zog Tobirama seinen Arm aus der Brust des Toten. Das Siegel hatte nicht lang genug gehalten, der Tote hatte zu sehr dagegen angekämpft.
Als er aufstand, sah er, dass die vier Anbu ihn reglos beobachtet hatten. »Was?«
»War das … Nekromantie?«, fragte Sukea vorsichtig.
»So etwas in der Art.« Tobirama wiederholte den Vorgang auch bei den anderen vier Leichen, aber jedes Mal war das Ergebnis dasselbe. Wer auch immer sie geschickt hatte, hatte gute Leute gewählt. Hier würde Tobirama also nichts mehr darüber erfahren, aber die Leichen konnten zumindest noch einen weiteren Zweck erfüllen. Er nahm sich eine davon und versiegelte sie in einer seiner Siegelrollen.
»Ihr macht hier weiter«, befahl er Team Ro, dann teleportierte er sich erst nach Hause und von da aus direkt weiter zu seinem Labor. Es lag in genau der entgegensetzten Richtung, daher war es zu weit weg gewesen für einen direkten Weg.
Natürlich hatte er die Hand, die sie gefunden hatten, aufbewahrt, es wäre töricht, wenn nicht. Er hatte nur noch einen Körper gebraucht, den er als Opfer benutzen konnte. In seinem Labor angekommen, legte er die Leiche sogleich auf seinen Seziertisch, entsiegelte auch die Hand, die er in einer anderen Rolle verstaut hatte, und begann sogleich mit Edo Tensei.
Nichts passierte.
Schade. Es hätte ja sein können. Wer auch immer der Besitzer dieser Hand war, er war also mit dem Leben davon gekommen. Tobirama betrachtete die Leiche vor sich. Noch ein Rätsel, das sich ihm aufgetan hatte.
Wer in Suna hatte ein Interesse daran, einen Konflikt zwischen Konoha und Kumo zu provozieren? Was war mit diesem Tenzō und warum fand Tobirama keine Aufzeichnungen über ihn? Und wer nur hatte Minato angegriffen? Standen all diese Dinge in Verbindung miteinander?
Er sah auf seinen blutigen Arm. Vielleicht sollte er sich erst einmal waschen gehen, bevor er weiter darüber nachsann.
Er versiegelte erneut Hand und Leiche und schloss die Schriftrollen dann sicher weg, bevor er sich wieder nach Hause teleportierte. Gerade wollte er schon nach oben gehen, um sich ein Bad einzulassen, als er Minato an der Haustür bemerkte. Also öffnete er ihm stattdessen die Tür, während er gleichzeitig seine Maske abnahm.
Minato hatte wieder einmal Naruto mit sich gebracht. Er sah die Maske in Tobiramas Hand und bemerkte auch das Blut an ihm. »Oh. Bin ich gerade unpassend?«
Tobirama winkte ab. »Komm rein. Aber lass mich wenigstens saubere Kleidung anziehen.«
Statt eines Bades begnügte sich Tobirama also lediglich mit einem Kleiderwechsel und wusch das Blut von seinen Händen. Als er wieder nach unten ging, hatte sich Minato bereits am irori niedergelassen. Naruto, den er wie immer in einem Tragetuch bei sich hatte, sah sich neugierig um, auch wenn er mit gerade einmal wenigen Wochen noch nicht allzu weit sehen konnte. Dafür fand er Gefallen daran, nach allem in seiner Reichweite greifen zu wollen. Minato schien sich nicht daran zu stören, dass das derzeit vor allem sein Mantel war.
Minato deutete auf die Feuerstelle. »Ich muss sagen, so altmodisch das auch ist, es hat doch etwas uriges an sich.«
Tobirama brachte ihnen beiden Tee, um zu unterstreichen, dass da garantiert nichts altmodisch daran war.
»Wo sind Kakashi und Ōkami?«, erkundigte sich Minato, als Tobirama sich zu ihm setzte.
»Kakashi hab ich für ein paar Tage auf eine Mission geschickt und Ōkami jagt gerade unser Abendessen«, sagte Tobirama. »Im besten Falle gibt es heute Abend Reh.«
»Oh, daher also das Blut?«, schloss Minato. »Du sahst aus, als hättest du bis zu den Schultern in Eingeweiden gewühlt.«
»So tief nun nicht, aber …«
Minato blinzelte. »Ich hab das eigentlich nicht ernst gemeint.«
»Kakashi hat Eindringlinge aus Sunagakure gefunden«, sagte Tobirama sehr wohl ernst. »Ich hatte versucht, ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen, leider ohne Erfolg.«
Minato musterte ihn skeptisch. »Will ich die Details wissen?«
»Nein.«
Weise genug ließ Minato das Thema fallen. »Was ist das mit diesen Eindringlingen?«
»Das weiß ich noch nicht. Fünf Stück, sie sind tot. Sie hatten sich als Kumo-nin getarnt. Was sie hier zu suchen haben, bleibt noch zu klären.«
»Ausgerechnet jetzt.« Minato machte ein ernstes Gesicht.
»Was führt dich her?«, erkundigte sich Tobirama.
»Ich brauch deine Hilfe. Damit.« Minato legte sich eine Hand auf den Bauch, da wo sein Siegel war.
»Gibt es Probleme?«, fragte Tobirama sogleich.
Zu Tobiramas Erleichterung schüttelte Minato jedoch den Kopf. »Nein. Das heißt … Nicht direkt. Aber könntest du vielleicht dennoch noch einmal schauen, ob die Siegel noch halten? Ich prüfe das zwar jeden Tag, aber man weiß ja nie.«
Tobirama entging nicht die Röte, die sich auf Minatos Wangen geschlichen hatte. Er machte einen nervösen Eindruck. Tobirama mahnte sich zur Geduld. Minato war nur ein übervorsichtiger junger Vater, das war alles.
»Natürlich.«
Minato atmete auf und reichte ihm Naruto. Das Baby war mittlerweile vertraut genug mit Tobirama, dass es nicht mehr quengelte, wenn er es hielt. Minato strich dennoch Naruto über seinen blonden Haarschopf, um ihn wissen zu lassen, dass sein Vater noch da war. Er ließ seinen Sohn fast nie aus den Armen.
Naruto quietschte, als Tobirama mit ein winzig bisschen Chakra das Siegel sichtbar werden ließ. Es kitzelte und Naruto schien das zu mögen. Mit seinen strahlend blauen Augen sah das Baby zu Tobirama auf und streckte seine Pummelärmchen nach ihm aus. Dann lächelte Naruto.
»Oh! Schau!«, rief Minato verzückt aus. »Sein erstes Lächeln, das er für dich hat! Ist das nicht niedlich?«
Wenn Babys noch so klein waren, dann war immer jedes noch so kleine erste Mal für ihre Eltern furchtbar aufregend. Tobirama nahm sich da selbst nicht aus, als Sakumo noch in dem Alter gewesen war. Es war irgendwie niedlich mit anzusehen, dieselbe Begeisterung nun bei Minato zu beobachten.
Wie sich Tobirama es bereits gedacht hatte, war natürlich alles in Ordnung mit dem Siegel, und er reichte Naruto zurück an seinen Vater. Das Baby brabbelte immer noch vor sich hin, und Minato antwortete ebenso enthusiastisch mit irgendwelchem Unfug. Tobirama fragte sich, ob er auch so gewesen war, als sein Sohn geboren worden war, und fürchtete, dass die Antwort darauf Ja lautete.
Minato legte Naruto vorsichtig neben sich und entblößte dann seinen Oberkörper, damit Tobirama auch sein Siegel begutachten konnte. Er berührte das Siegel mit seinen Fingerspitzen und nahm sich seine Zeit. Mit Minato war es etwas anderes als mit Naruto, sein Chakra machte es ihm wesentlich schwerer, das Siegel zu halten.
»Entspann dich«, murmelte er, als er Minatos raschen Atmen bemerkte.
»I-ich bin entspannt«, haspelte Minato. Er lächelte nervös.
Tobirama hob skeptisch eine Augenbraue. Minatos ganze Körperhaltung und auch seine geröteten Wangen sprachen eine andere Sprache.
»Alles so, wie es sein soll«, sagte er schließlich.
Minato atmete auf und zog sich wieder an.
»Allerdings«, fügte Tobirama an, »frage ich mich schon von Beginn an, warum du das Siegel für Naruto auf diese Weise abgeändert hast.«
Minato nahm Naruto wieder auf den Arm und sah auf seinen Sohn hinab. »In jenem Moment dachte ich wirklich, ich würde sterben, aber ich erinnerte mich dessen, was Jiraiya-sensei einmal zu mir gesagt hatte. Er sagte, es gäbe eine Prophezeiung, die uns einen Helden verspräche, der eines Tages der Welt Frieden bringen würde. Er hielt mich für jenes Kind aus der Prophezeiung, aber wenn ich wirklich gestorben wäre, konnte das ja nicht sein. Also schlussfolgerte ich, dass er sich geirrt haben musste, und diese Prophezeiung Naruto meinte. Wenn mein Sohn also der versprochene Held wäre, wollte ich ihm wenigstens die Mittel dafür in die Hand geben, dass er vielleicht eines Tages es schaffen würde, das Fuchschakra zu etwas Gutem zu nutzen.«
Tobirama musste sehr an sich halten, jetzt bloß nicht das zu sagen, was ihm wirklich auf der Zunge lag. »Das«, sagte er stattdessen, »ist ausgemachter Unfug. Es ist viel zu gefährlich, das Chakra eines Bijū nutzen zu wollen, das hat Mito selbst immer wieder gesagt. Abgesehen davon, dass irgendwelchen ominösen Prophezeiungen nie zu trauen ist.«
Minato drückte Naruto fest an sich. »Ich komm mir so schäbig vor, das meinem eigenen Sohn angetan zu haben. Ihm dieses Monster gegeben zu haben, das seine Mutter getötet hat. Und dann war ich auch noch gewillt, ihn damit gänzlich allein zu lassen, weil ich keinen anderen Ausweg sah als meinen eigenen Tod.« Er zitterte am ganzen Leib. »Warum lebe ich noch? Sag‘s mir. Was genau macht dieses Siegel, das du mir gegeben hast?«
Tobirama überlegte sich seine Worte gut. »Du hast ganz recht erkannt, dass es ein Siegel ist. Ich kann den Pakt, den du mit Shinigami geschlossen hast, nicht brechen, aber ich kann ihn gewissermaßen fern halten. Ab und zu muss ich das Siegel jedoch erneuern.«
»Was passiert, wenn du das nicht tust?«
»Dann stirbst du. Das Siegel ist auf mein Chakra abgestimmt, nur ich kann es anwenden.«
Minato sagte lange Zeit nichts und hielt einfach nur stumm Naruto in den Armen. »Also hängt mein Leben jetzt von dir ab.«
»Das Siegel kann mein Chakra für eine Weile speichern, jedoch nicht auf Dauer. Etwa zwei Monate, würde ich schätzen, aber das muss ich selbst erst einmal im Auge behalten. Es war das erste Mal, dass ich dieses Jutsu angewendet hatte.«
Minato lachte freudlos auf. »Also pass ich jetzt besser auf, dass ich dich nicht verliere.«
»Sprich mit niemandem darüber«, wies Tobirama ihn streng an. »Mir wäre es lieber, wenn ich dieses Jutsu nie hätte anwenden müssen, aber es war der einzige Ausweg, den ich sah. Allein das Wissen um die Existenz eines solchen Jutsus ist bereits äußerst gefährlich.«
Minato nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Naruto giggelte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Also schüttelte Minato seine betrübte Stimmung ab, um erneut seinen Sohn zu bespaßen.
»Da gibt es noch eine Sache, wobei ich deine Hilfe brauche«, sagte er irgendwann, während Naruto gerade dabei war, sich seinen Finger in den Mund zu stecken. »Du bist doch ein Sensor, nicht wahr?«
»Hmhm.«
»Ich scheine diese Fähigkeit jetzt auch erworben zu haben. Allerdings kann ich sie nicht wirklich kontrollieren. Es ist furchtbar anstrengend, gelinde gesagt.«
»Du bist darin jetzt sogar besser als ich«, sagte Tobirama nüchtern.
Minato sah ihn verblüfft an. »Ach, wirklich? Es heißt doch immer, dass du überragende Sensorfähigkeiten hast.«
Tobirama zuckte mit den Schultern. »Das war bei Mito genauso, nachdem sie Kyubis jinchūriki geworden war. Sie konnte Sachen erspüren, die weit außerhalb meiner Reichweite lagen. Aber ja, natürlich helfe ich dir.«
Minato atmete auf. »Oh, dem Himmel sei dank, vielleicht kann ich dann endlich wieder eine Nacht durchschlafen.«
Das würde Naruto sicherlich zu verhindern wissen.
»Ich kann‘s nicht abschalten«, fuhr Minato fort. »Ständig nehme ich alles um mich herum wahr und es ist ein fürchterliches Durcheinander.«
»Du bist hyperfokussiert«, stellte Tobirama fest. »Wie als wäre da eine Stelle, die juckt, aber du kommst nicht heran.«
»Ja! Ja, genau so, nur viel schlimmer. Wie mache ich, dass das wieder aufhört?«
Tobirama kniete sich vor ihn, legte seine Hände an Minatos Schläfen und lehnte ihre Stirnen aneinander. Aus nächster Nähe konnte er in ausgezeichneter Qualität mitverfolgen, wie Minato ihn groß anstarrte und rot wurde bis unter die Haare.
»Schließ die Augen und hör auf das, was ich dir sage«, sagte Tobirama ruhig.
Minato schluckte und schloss dann die Augen.
»Du lenkst deine Aufmerksamkeit die ganze Zeit auf deine Sinneswahrnehmungen und benutzt daher die ganze Zeit ein winziges bisschen Chakra«, fuhr Tobirama in ebenso ruhiger Stimmlage fort. »Deine Sensorwahrnehmungen müssen mit Chakra aktiviert werden. Also konzentriere dich auf etwas anderes, um die Aufmerksamkeit davon wegzulenken.«
Er begann, einen tiefen Ton zu summen. Hashirama hatte das immer mit ihm gemacht, als Tobirama gerade erst gelernt hatte, seine eigenen Fähigkeiten zu benutzen. Es hatte mitunter so anstrengend und überwältigend werden können, aber Hashirama war stets seine Insel der Ruhe gewesen.
Minatos Atmen wurde ruhiger und seine ganze Haltung entspannter. »Ah, diese Ruhe.«
Tobirama lächelte und rückte wieder von ihm ab.
»Oh, schau«, stellte Minato mit gedämpfter Stimme fest. »Naruto ist auch eingeschlafen. Magie.«
Das Baby war in der Tat in den Armen seines Vaters eingeschlafen. Minato betrachtete seinen Sohn lächelnd. Er rückte wieder näher zu Tobirama auf und lehnte sich an ihn. Er hatte das wohl unbewusst getan und sich vielleicht nicht einmal groß etwas dabei gedacht. Tobirama sah dennoch irritiert auf ihn herab. Etwas unbeholfen legte er ihm dann doch einen Arm um die Schulter. Minato schien ihm wie Hashirama einfach jemand zu sein, der gern die Nähe anderer suchte.
»Die Ärztin hat mir neulich etwas Spannendes erzählt«, berichtete Minato. Er schien einfach das auszuplaudern, was ihm gerade in den Sinn kam. »Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass die Ersatznahrung, die ich Naruto gebe, nicht genug ist, und hatte deswegen noch einmal ärztlichen Rat gesucht. Sie meinte, dass es eine Möglichkeit gebe, dass ich selbst Naruto säugen kann.«
Tobirama wollte aus einem Reflex heraus widersprechen, ließ es dann aber bleiben. In vierzig Jahren konnte die Medizin immerhin so einige Fortschritte machen, und etwas kategorisch als unmöglich abzutun, war schon immer eine schlechte Idee gewesen. »Und wie soll das gehen?«
»Durch Hormonzugabe, hat sie mir erklärt, und dann Bruststimulation, ganz wie bei Frauen, deren Milchproduktion schwach ist. Die Details habe ich mir nicht gemerkt, das war alles so medizinisch. Das ist ziemlich aufregend, oder?« Begeistert sah Minato zu Tobirama auf, ohne von ihm abzurücken.
Tobirama erwiderte den Blick kritisch. »Und das funktioniert wirklich?«
»Anscheinend.« Minato zuckte mit den Schultern. »Sie meinte, das wäre alles noch ziemlich experimentell. Aber grundsätzlich ginge es. Ein paar Monate lang, wie sie es nannte, gegengeschlechtliche Hormone klingen jetzt nicht so dramatisch dafür, dass ich meinem Sohn eine gesündere Ernährung bieten kann. Es hätte wohl auch deutliche positive psychische Effekte, sagte die Ärztin. Was sagst du dazu?«
»Was fragst du mich das? Weder kann ich bestimmen, was du mit deinem Körper anstellst, noch verstehe ich genug von Medizin, um dazu eine fachkundige Meinung bilden zu können.«
Es klang in seinen Ohren noch immer ziemlich wild, aber er ließ sich gern eines besseren belehren.
Minato sah wieder auf Naruto hinab und strich ihm sanft eine Locke aus dem Gesicht. »Ich glaube, auf einen Versuch kommt es an.«
Anscheinend zufrieden, dass er eine Entscheidung getroffen hatte, kuschelte er sich an Tobirama. Tobirama stellte fest, dass er immer noch einen Arm um Minatos Schultern gelegt hatte und nicht einmal daran dachte, ihn wegzunehmen.
So fand sie Ōkami. Sie hatte einen jungen Bock im Wald erlegt und ihn bis zum Haus gebracht, was für sie aufgrund ihrer Größe kein allzu großes Problem darstellte. Die Bauchdecke des Tieres war aufgerissen und die Gedärme quollen heraus, also hatte sie schon etwas genascht. Sie legte ihre Beute auf dem Rasen vor dem engawa ab, dann kam sie herein, um Tobirama zu begrüßen, indem sie ihm über die Haare leckte. Das Fell um ihr Maul war rot gefärbt vom Blut.
»Abendessen«, sagte sie.
Es war eine gute Ausrede, aus dieser etwas irritierenden Situation zu kommen. Tobirama stand auf, um das, was sein Abendessen werden sollte, zu begutachten.
»Keine Leber für mich«, stellte er fest und deutete auf die Innereien.
Ōkami leckte sich das Maul. »Ich hatte die ganze Arbeit, ich darf mir eine Stärkung gönnen.«
»Gnädigerweise hast du mir die Gedärme überlassen.«
»Das beste!«
»Das war die Leber. Die du bereits gefressen hast.«
Ōkami wedelte mit dem Schwanz. Die noch warmen Gedärme dampften in der kalten Novemberabendluft.
Während Tobirama also wieder nach drinnen ging, um die alte Lederschürze und ein paar scharfe Messer zum Zerteilen des Fleisches zu holen, begann Ōkami, auch den Rest der Innereien zu fressen. Sie hatte die Beute erlegt, also bekam sie natürlich auch ihren Anteil.
»Ich kann helfen«, bot Minato an. »Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Was für ein Zufall, dass ich ein gutes Rezept für einen Rehbraten kenne.«
Minato lächelte unschuldig. Ja, was für ein Zufall, in der Tat.
Tobirama brachte also auch ihm eine Schürze, damit er sich bei der blutigen Arbeit die Kleidung nicht beschmutzte, und gemeinsam machten sie sich daran, das Reh zu zerlegen. Ōkami stellte sich dabei als nicht allzu hilfreich heraus, als sie ebenfalls versuchte, den Kadaver zu zerlegen, was sich jedoch ohne Hände nicht wirklich präzise ausführen ließ.
»Ich weiß deinen Enthusiasmus zu schätzen«, knurrte Tobirama irgendwann, »aber lass uns das einfach machen.«
Ōkami gab einen unwilligen Laut von sich und zog mit dem Vorderbein, das sie soeben erbeutet hatte, von dannen. Tobirama seufzte. Manchmal war es etwas anstrengend mit ihr. Ōkami lief eine Runde durch den Garten, den Tobirama mittlerweile größtenteils vom Gestrüpp befreit hatte, und suchte sich dann eine Ecke, in der sie zu scharren begann.
»Lass das!«, rief er ihr genervt hinterher. »Vergrab‘s meinethalben im Wald, aber nicht in meiner Rabatte!«
Ōkami knurrte verstimmt. Tobirama knurrte zurück. Dann hatte sie dennoch Erbarmen mit ihm und zog ab, um ihren Vorrat im Wald zu verscharren. Minato lachte leise. Tobirama sah ihn finster an.
»Was?«
»Ich dachte, Eichhörnchen vergraben Vorräte und vergessen sie dann.«
»Wölfe machen das auch manchmal«, erklärte Tobirama ihm. »Sie sind nur nicht so vergesslich.«
Minato registrierte es mit einem Nicken. »Ich sehe, du hast dir in der Tat ein neues Teleskop gekauft.« Er deutete auf das neue Teleskop, das Tobirama auf dem engawa aufgebaut hatte. Es war, wie Tobirama sich das vorgestellt hatte, ein Spiegelteleskop, dessen Tubus etwa Kakashis Höhe hatte und auf einem hölzernen Unterbau aufgebockt war. Tobirama hatte es bereits justiert, aber da der Himmel in den letzten Tagen stets bedeckt gewesen war, hatte er es noch nicht wirklich testen können.
»Vielleicht gibt es in den nächsten Tagen klare Sicht«, sagte Tobirama. »Ich habe auch eine Schutzfolie für die Sonnenbeobachtung gekauft, das könnte auch interessant werden.«
Minato machte große Augen. »Oh, wie spannend! Ich kann‘s kaum abwarten!«
Tobirama musste schmunzeln. Er hatte sich bereits gedacht, dass Minato das interessant finden könnte.
Zu zweit und ohne Ōkami, die ihnen im Weg war, war das Reh recht fix zerlegt. Sie legten das Fleisch auf große Platten, die sie dann nach drinnen trugen. Sie wuschen sich das Blut von den Armen und Minato begann damit, das, was sie an diesem Abend essen wollten, zuzubereiten, während Tobirama den Rest entweder in den Kühlraum brachte oder in Salz einlegte.
Mittlerweile wusste Tobirama, dass Minato ein Händchen fürs Kochen hatte, anders als Tobirama, der sich meist einfach mit dem begnügte, was gerade da war, und sich nie groß Gedanken darum machte, sein Essen noch irgendwie großartig zuzubereiten. Dennoch gab es Tobirama zu denken, wie gut sich Minato mittlerweile in seiner Küche auszukennen schien.
Irgendwie war es in den letzten Wochen zur Gewohnheit geworden, dass Minato fast täglich mit Naruto bei ihm auftauchte, und meistens blieb er über Nacht. Nach und nach hatten einige seiner Bücher, die er so gern las, ihren Weg in Tobiramas Regale gefunden, und neulich hatte er sogar eines von Minatos Hemden in seiner Wäsche entdeckt. Er hatte gar nicht erst gefragt, wie es da hinein gelangen konnte. Natürlich hatte er auch längst Babynahrung für Naruto in seinen Vorräten und ganz praktischerweise »vergaß« Minato manchmal Narutos Spielzeug bei Tobirama. Tobirama hatte ihn nie gebeten, es wieder mitzunehmen.
Was Tobirama an der Sache jedoch wirklich wunderte, war der Umstand, dass er damit sogar einverstanden war. Und das nicht nur, weil sein Haus sonst so leer wäre. Er genoss Minatos Gesellschaft außerordentlich.
»Es gibt Beschwerden über die Polizei«, sagte Minato irgendwann, als er gerade ein paar Kräuter und etwas Gemüse kleinschnitt.
»Was soll der Anlass sein?«, erkundigte sich Tobirama.
»Manche finden, die Uchiha hätten sich an der Verteidigung des Dorfes mehr beteiligen sollen, statt eine solch passive Rolle einzunehmen. Sogar einige der Uchiha sagen das und haben den Wunsch geäußert, mehr an eigentlichen Angelegenheiten des Dorfes mitzuwirken. Sie haben das Gefühl, außen vor gelassen zu werden.«
Tobirama schnaubte. »Was wollen sie denn noch? Fugaku und ich arbeiten bereits zusammen.«
»Und es ist erstaunlicherweise noch nichts explodiert.« Auf Tobiramas strengen Blick hin wurde Minato jedoch rasch wieder ernst. »Du hast nun einmal den Uchiha die Aufgaben der Polizei übertragen und viele ziehen auch viel Stolz daraus. Das kann und will ich ihnen nicht wegnehmen, indem ich sie für andere Aufgaben abziehe. Aber gleichzeitig drängt der Clan darauf. Sie wirken … unzufrieden, scheinen aber selbst nicht so recht zu wissen, was sie wollen.«
»Mehr kannst du im Moment nicht machen«, sagte Tobirama. »Sprich dich weiter öffentlich für die Interessen des Clans aus und mach ihnen deutlich, dass du auf ihrer Seite stehst. Es gibt wohl einige, und damit meine ich unter anderem Danzō, die ein Interesse daran haben, die Uchiha gegen das Dorf aufzubringen. Achte darauf und wirke dem entgegen.«
»Indem ich ihnen weiterhin die Polizei überlasse und gleichzeitig auch nicht.« Minato gab einen frustrierten Laut von sich.
»Geh zu Fugaku und frag ihn, was er für seinen Clan will«, sagte Tobirama geradeheraus. »Es war mit ihnen schon immer etwas schwierig, bereits von dem Moment an, als das Dorf Hashirama wählte und nicht Madara. Sie hatten sich schnell übergangen gefühlt.«
Minato seufzte schwer und legte das Messer auf die Anrichte, während er sich mit der anderen Hand die Augen rieb. Spontan streckte Tobirama seine Hand aus und legte sie auf Minatos, die zuvor noch das Messer gehalten hatte. Minato schien erstaunt von der Geste, denn er starrte auf ihrer beiden Hände auf der Anrichte.
»Aber das kann bis morgen warten«, sagte Tobirama. »Jetzt essen wir.«
Sie aßen ausgiebig, weitaus ausgiebiger, als Tobirama allein es getan hätte. An irgendeinem Punkt stand er auf, um ihnen noch etwas stärkeres als bloß Tee zum Trinken zu bringen. Minato war begeistert, als er sah, was für eine Flasche Tobirama da anbrachte.
»Der berühmte Honigwein der Senju«, kommentierte er mit leuchtenden Augen.
Tobirama ploppte den Korken aus der Flasche und goss ihnen beiden ein. »Ein guter Jahrgang, fast so alt wie ich.«
»Kanpai!«
Klirrend stießen sie ihre Schalen aneinander und tranken dann. Fast augenblicklich musste Minato jedoch husten und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht. Der Alkohol trieb ihm die Tränen in die Augen.
»Das brennt wie Feuer!«, keuchte er.
Tobirama grinste herausfordernd. »Was? So ein kleines bisschen haut dich schon um?«
Minato fuchtelte in Richtung der Weinflasche. »Das ist kein Wein mehr!«
Er wurde von weiteren neckenden Kommentaren erlöst, als in diesem Moment Naruto seine Aufmerksamkeit einforderte. Es war Zeit für sein Abendessen.
»Sag mal, Tobirama«, sagte Minato scheinheilig, während Naruto auf seinem Arm zufrieden an seiner Flasche nuckelte. »Es ist ja nun schon etwas später geworden. Könnte ich heute vielleicht einfach hier bleiben?«
Tobirama rollte mit den Augen, musste aber dennoch lächeln. »Warum fragst du überhaupt noch? Du lädst dich doch mittlerweile ohnehin fast täglich ein.«
»Meine Eltern haben mir eben Manieren beigebracht.«
Tobirama hatte den Eindruck, dass Minato sich hierher flüchtete, weil er die Leere seines eigenen Heimes fürchtete. Er hatte nichts dagegen einzuwenden. Wenn es Minato etwas Last von den Schultern nahm, dann war er froh, ihm auch auf solch einfachem Wege behilflich sein zu können. Er war ja selbst ganz dankbar darum, dass sein eigenes Heim jetzt nicht mehr so leer war.
Nachdem Naruto gesättigt war, brachte Minato ihn nach oben, um ihn schlafen zu legen. Im Anschluss gesellte er sich wieder zu Tobirama und gemeinsam beendeten sie ihr Mahl und saßen noch bis weit in die Nacht hinein und unterhielten sich über alles, was nicht mit Politik zu tun hatte. Dafür war ein andermal Zeit. Irgendwann kam auch Ōkami wieder, die sich ans Feuer legte. Sie setzten sich zu ihr, lehnten sich an sie und setzten ihr Gespräch fort.
Irgendwie hatte Tobirama das Gefühl, daheim zu sein.
Der nächste Morgen begann gemütlich. Erstaunlicherweise war es Minato, der zuerst aufstand. Als Tobirama in die Küche kam, saß er bereits mit einem Kaffee am Tisch und las in einem seiner Bücher. Tobirama hatte nur wegen Kakashi Kaffee im Haus, er selbst konnte dem nicht viel abgewinnen. Es schien Minato gelegen zu kommen.
»Guten Morgen«, begrüßte Tobirama ihn. Minato regte sich nicht und las weiter in seinem Buch. Tobirama räusperte sich vernehmlich.
Erst jetzt schreckte Minato auf. »Oh! Entschuldige, ich war so vertieft in mein Buch.«
»Hm.« Nach einer kurzen Pause fügte Tobirama dann doch an: »Was liest du?«
Sogleich strahlten Minatos Augen vor Begeisterung. »Eine Tragödie, ein recht bekanntes Bühnenstück sogar. Es geht um zwei Liebende, deren Familien jedoch verfeindet sind, und am Ende fallen sie ebenjener Fehde zum Opfer.«
»Das klingt furchtbar«, sagte Tobirama trocken. Er konnte so etwas nicht viel abgewinnen.
»Furchtbar romantisch!«, betonte Minato. »Hier, schau.«
Er blätterte ein paar Seiten zurück, räusperte sich und zitierte dann:
Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt
Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.
Tobirama sah ihn ausdruckslos an. Es war zu früh für so einen kitschigen Quatsch. Minato zuliebe sagte er jedoch nichts.
Minato erging sich in einem minutenlangen Monolog über die große Tragik dieses Werkes sowie seiner sprachlichen Raffinesse und seiner Bedeutung für die Literatur. Dann begann er, von Aufführungen zu schwärmen, die aus irgendwelchen Gründen als besonders bedeutend für die Inszenierungsgeschichte des Werkes galten. Tobirama nickte ab und zu, streute hin und wieder ein »hm« ein und hoffte, interessiert genug zu wirken.
Er musste ein Aufatmen unterdrücken, als Minato endlich zum Ende kam. Ihm war anscheinend stattdessen etwas anderes in den Sinn gekommen.
»Tobirama, was macht deine Verletzung?«, erkundigte er sich.
»Ich bin noch mehr oder weniger in einem Stück, mehr kann ich nicht erwarten«, sagte Tobirama nüchtern. Warum dachten immer alle, er würde ihnen jeden Augenblick unter der Hand wegsterben? Er war kein gebrechlicher alter Mann!
Minato musste sichtlich ein Grinsen zurückhalten. »Ich übersetzte das einmal damit, dass Doktor Fuyuko dich noch immer am liebsten ans Bett fesseln würde, du aber schon längst über das Gröbste hinweg bist. Ich hätte da nämlich eine Idee.«
Tobirama wollte ihm schon sagen, dass er sich um seinen eigenen Kram kümmern sollte, bis er sich daran erinnerte, dass Minatos Verletzungen wahrscheinlich schon längst vollkommen abgeheilt waren. Er war jetzt immerhin ein jinchūriki und wie bei Mito würden seine Wunden schnell heilen.
»Was hältst du von einem kleinen Duell? Hiraishin gegen Hiraishin. Das wollte ich schon lange einmal ausprobieren.«
Das klang in der Tat interessant. Er erinnerte sich, dass Minato das schon vor einer ganzen Weile angesprochen hatte, aber es hatte sich einfach nie die Gelegenheit dazu ergeben. Also aßen sie rasch ihr Frühstück, die Frage jedoch, wer in der Zeit auf Naruto aufpasste, wurde erstaunlicherweise von Ōkami beantwortet.
»Welpe, hast du noch Sakumos Tragegeschirr?«, wollte sie wissen.
Tobirama sah sie fragend an. »Kann sein, dass das noch in irgendeiner Ecke auf dem Dachboden existiert. Wieso fragst du?«
»Hol es runter, dann kann ich den Welpen nehmen.«
Er sah sie verwundert an. Als Sakumo geboren worden war, hatte Tobirama ein Geschirr gebastelt, das er Ōkami hatte umlegen können und in dem sie das Baby hatte tragen können, so lange Sakumo noch nicht alt genug war, um sich selbst auf ihr zu halten. Da sie ja sonst niemanden außer Welpen ihres Rudels auf ihren Rücken ließ, erstaunte es ihn zutiefst, dass sie das nun von sich aus vorschlug.
»Na los, geh suchen«, wies Ōkami ihn an.
Der Dachboden war beinahe so staubig, wie er ihn vorgefunden hatte, als er zurückgekehrt war. Er hatte noch immer die ganzen Kisten hier oben kaum angerührt. Er musste eine ganze Weile überlegen, wo er damals das Geschirr hingeräumt haben könnte, als Sakumo zu groß dafür geworden war, fand es aber schließlich in einer der hinteren Ecken. Eine kurze Begutachtung ergab, dass es durchaus noch seinen Zweck erfüllte. Er brachte es nach unten und legte Ōkami die Gurte um. Sie fand keinen allzu großen Gefallen daran und zog hier und da mit den Zähnen daran, aber für Sakumo hatte sie es immer erduldet.
Mit Naruto auf dem Arm betrachtete Minato die Wölfin skeptisch. »Und das hält?«
»Natürlich«, betonte Tobirama. »Sakumo hat es geliebt. Das war teilweise die einzige Möglichkeit, wie wir ihn überhaupt zum Einschlafen bringen konnten.«
»Er war so ein lieber Welpe«, fügte Ōkami an. »Er wusste eben, dass er bei seinem Rudel am sichersten war.«
»Aha.« So ganz schien Minato noch nicht von der Idee überzeugt zu sein, aber dann vertraute er doch Naruto der Wölfin an. Naruto jedenfalls schien das interessiert zu verfolgen. Dann konnten sie endlich aufbrechen.
Sie wählten einen der Übungsplätze, die etwas außerhalb gelegen waren, weil jene, die zentraler gelegen waren, entweder zerstört worden waren oder derzeit noch anderweitig beim Wiederaufbau des Dorfes genutzt wurden. Ōkami trottete neben ihnen her, und Naruto schien begeistert vom sanften Wiegen ihres Ganges zu sein.
Bei dem Feld angekommen, nahmen Tobirama und Minato gegenüber Aufstellung und begrüßten einander angemessen, wie es der Brauch wollte. Ōkami hatte sich an den Rand des Feldes gesetzt und beobachtete das Geschehen entspannt. Naruto giggelte vor sich hin und versuchte, nach ihrem Fell zu greifen. Sie störte sich nicht daran.
»Dann zeig, wie gut du mein Jutsu wirklich beherrschst«, sagte Tobirama herausfordernd.
Minato erwiderte die Herausforderung mit einem für Tobiramas Geschmack noch viel zu selbstsicheren Grinsen. »Denk ja nicht, du müsstest mich mit Samthandschuhen anfassen.«
Dann war er verschwunden. Im selben Augenblick tauchte er bei Tobirama auf und schlug mit der Faust nach ihm. Tobirama tauchte unter dem Schlag hinweg und setzte zu einem Konter an. Wieder war Minato verschwunden, doch Tobirama konnte das Aufflammen des Siegels spüren, nach dem Minato gegriffen hatte, und folgte ihm augenblicklich, Kunai in der Hand.
Sehr bald schon durchschaute Tobirama Minatos Taktiken. Minato bevorzugte es, verschlagen zu kämpfen, mit geduckter Haltung, um selbst ein möglichst kleines Ziel zu ergeben, und stets auf Knie und Fersen seines Gegners zielend, um ihn möglichst rasch kampfunfähig zu machen. Es war schwer, ihn zu greifen. Aber das galt auch für Tobirama. Kaum setzte einer von ihnen zum Schlag an, war der andere auch schon wieder verschwunden, um erneut aus einer anderen Richtung anzugreifen.
Jeden anderen Gegner hätte Minato jetzt schon längst erledigt, doch Tobirama konnte mit Leichtigkeit mit ihm mithalten. Sie waren, zumindest war den Gebrauch von Hiraishin anging, einander ebenbürtig.
»Du wirkst ein wenig gelangweilt«, stellte Minato herausfordernd fest. »Bin ich dir noch nicht schnell genug?«
»So wirst du mich nie besiegen«, erwiderte Tobirama.
Schon längst hatten sie eine Reihe von Zuschauern, die ihr Duell mit wachsendem Interesse verfolgten. Viele feuerten Minato an, doch so manches Mal konnte Tobirama auch seinen Namen aufschnappen. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass es für diese Leute leicht wäre, der Geschwindigkeit ihres Kampfes zu folgen. Der Umstand, dass sie jeder Zeit an jedem Ort des Feldes auftauchen konnten, machte es schwer, den Überblick zu behalten, denn genau das war es, was Hiraishin so gefährlich machte.
»Ich fange gerade erst an.« Mit diesen Worten warf Minato ein Kunai.
Tobirama wusste genau, was jetzt kam. Minato allerdings erwies sich in der Tat als ausgesprochen schnell. Tobirama schaffte es nicht, rechtzeitig zu einer anderen Markierung zu springen, eine bemerkenswerte Leistung von Minato. Wie Tobirama es vorausgeahnt hatte, tauchte er in seinem toten Winkel auf und versuchte, einen Schlag nach ihm auszuführen. Das Jutsu, das er dabei benutzte, kannte Tobirama jedoch nicht. Es sah aus wie ein Fūton, ein rotierender Ball aus Chakra.
Tobirama hatte nicht vor, Minato den Gefallen zu tun, sich davon treffen zu lassen. Ein scharfer Wasserstrahl traf Minatos Hand und lenkte seinen Schlag ab. Tobirama packte ihn am Handgelenk und schleuderte ihn von sich. Minato schien anscheinend nicht damit gerechnet zu haben, dass er trotzdem noch in der Lage wäre, diesen Angriff mit größter Geschwindigkeit zu kontern, und konnte seinen Sturz nur gerade so anfangen. Sein Jutsu grub eine tiefe Furche in den Boden und verpuffte dann.
»Nicht schlecht«, sagte Tobirama anerkennend.
Minato rappelte sich wieder auf. »Ich hätte nicht gedacht, dass irgendwer mein Hiraishin: Ni no Dan kontern könnte.«
Tobirama schnaubte abfällig. »Was soll das werden? Willst du mich besiegen, indem ich mich ob solch alberner Namen zu Tode lache?«
Während Minato noch über eine angemessene Erwiderung darauf nachsann, aktivierte Tobirama die tätowierte Versiegelung an seinem linken Arm und hielt sogleich sein Raijin no Ken in Händen. Die Klinge gab einen summenden Laut von sich, als er sie schwang. Minato wirkte überrascht und Tobirama nutze diesen winzigen Augenblick für seinen Angriff. Sein alter Trick, seinen Körper mit einer hauchdünnen Schicht Wasser zu bedecken, sorgte dafür, dass er sich mit höchster Geschwindigkeit bewegen und sich gleichzeitig zu einem gewissen Grad vor Angriffen schützen konnte. Es war schwer, Wasser so präzise mit seinem Chakra zu manipulieren, daher rechneten die wenigsten damit, dass er dazu in der Lage war. Es machte ihn schwer zu fassen, nicht nur, weil er blitzschnell ausweichen konnte. Hashirama hatte gern gesagt, es sei, als würde er versuchen, einen Aal zu greifen.
Minato gelang es im letzten Moment, eine etwas mannsgroße und schwer gepanzerte Kröte zu beschwören, die Tobiramas Schlag abfing. Das Schwert schlug Funken, die sprühend davon sprangen. Dann war Minato fort. Er hatte also nicht vor, sich persönlich mit Tobiramas Klinge zu messen.
Na wenn das so war. Mit ein paar raschen Schwertstreichen überwand Tobirama die Kröte, die sich daraufhin wieder in Rauch auflöste, und wandte selbst sein Beschwörungsjutsu an. Er rief sein Wolfsrudel herbei, fünf große, graue Timberwölfe. Sie waren größer als ordinäre Tiere, wenn auch nicht so riesig wie Ōkami.
»Fass!«, befahl er seinen Wurfgeschwistern und deutete auf Minato.
Bellend und knurrend stoben sie davon. In einer Lawine aus Fell ging Minato erneut zu Boden, als die Wölfe ihn schwanzwedelnd unter sich begruben. Er lachte und erwehrte sich vergeblich ihrer Zungen, als sie ihn von Kopf bis Fuß ableckten und spielerisch in seine Arme und Beine zwackten.
Tobirama versiegelte erneut sein Schwert. Das Duell war damit wohl entschieden. Er ging zu Minato und half ihm wieder auf die Füße. »Gewonnen.«
Noch immer lachend klopfte sich Minato den Staub von der Kleidung. Die Wölfe liefen aufgeregt um sie herum, doch als einer von ihnen etwas zu dreist wurde und an ihnen hochsprang, wies Tobirama sie wieder zurück an ihre Plätze. Sie mochten seine Wurfgeschwister sein, aber in der Rangordnung des Rudels stand er noch immer über ihnen. Dann löste er das Jutsu wieder auf.
»Das war ein guter Kampf«, sagte Minato.
»Definitiv interessant«, stimmte Tobirama ihm zu. »Ich hätte nicht damit gerechnet, eines Tages einmal jemanden zu finden, der mit meiner Technik mithalten kann. Eine beeindruckende Leistung.«
»Ich muss mich bedanken für diesen wirklich lehrreichen Kampf.« Minato wollte wohl noch etwas sagen, doch dann entdeckte er jemanden unter den Zuschauern. Er winkte und ein weißhaariger Mann kam zu ihnen. »Jiariya-sensei, Sie sind zurück, wie schön!«
Tobirama musterte den Mann. Jiraiya schien in etwa in seinem Alter zu sein, etwas älter vielleicht. War er nicht einer von Tsunades Kameraden gewesen?
Jiraiya verbeugte sich vor ihm, als er zu ihnen trat. »Ich bin Jiraiya, Nidaime-sama, Minatos sensei. Sie werden sich bestimmt nicht mehr an mich erinnern, ich war noch ein kleiner Junge, als Sie das Dorf verließen.«
»Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Tobirama nüchtern. Sich selbst musste er offensichtlich ja nicht mehr vorstellen.
»Das war wirklich eine beeindruckende Vorstellung, Minato, so einen Kampf sieht man nicht alle Tage«, fuhr Jiraiya fort. Dann wurde er ernst. »Ich habe gehört, was passiert ist, aber leider konnte ich nicht eher kommen. Ich wurde … aufgehalten.«
Das Lächeln verschwand von Minatos Gesicht, von einem Augenblick auf den anderen. »Kommen Sie, sensei, dann kann ich Ihnen alles in Ruhe berichten.«
Er verabschiedete sich von Tobirama, nahm Ōkami Naruto ab und ging dann mit Jiraiya von dannen. Ōkami trottete zu Tobirama und stupste ihn an, um ihn dazu zu bewegen, ihr das Geschirr wieder abzunehmen.
»Also ist Minato jetzt dein Gefährte, ja?« wollte sie wissen, während er die Ösen löste.
Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Was soll dass denn heißen?«
Sie wedelte mit dem Schwanz, als sei nichts dabei. »Er jedenfalls hat sich dich als seinen Gefährten ausgesucht. Du weißt doch, ich kann solche Dinge erschnüffeln.«
Er seufzte schwer. »Mutter?«
»Ja?«
»Tu mir einen Gefallen und rede nie im Beisein anderer so über Minato.«
Minato be like: Don't get a boner. Don't get a boner. Don't get a boner. Oh fuck.
Minato zitiert hier überhaupt nicht subtil aus Romeo und Julia
Nächstes Kapitel: Kiss? Kiss.
Das Herz erfragt zuerst Freude
Ōkami tat ihm in der Tat den Gefallen und sah davon ab, Minato im Beisein anderer seinen Gefährten zu nennen. Gnädigerweise verzichtete sie auch im Beisein Minatos darauf. Tobirama versuchte allerdings gar nicht erst, sie von dem Gedanken abzubringen, wenn sie beide unter sich waren. Er wusste, dass es ein Kampf auf verlorenem Posten war.
Ihm war allerdings auch nicht entgangen, dass sie Recht hatte. Er war nicht blind, natürlich hatte er bemerkt, wie Minato ihn ansah. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sich Minato dessen selbst bewusst war. Also schwieg er und ließ den Dingen ihren Lauf.
Das Wetter machte ihrem Vorhaben, das neue Teleskop angemessen auszuprobieren, einen Strich durch die Rechnung, als es sich in bester Herbstmanier präsentierte. Es war die ganze Zeit über bewölkt, kalt und windig. Regengüsse, die sich einmal sogar bis zu einem ausgewachsenem Herbststurm aufpeitschten, machten die Aufräumarbeiten in Konoha zu einer schlammigen Angelegenheit, und die Stimmung im Dorf war allgemein angespannt. Wie Hiruzen bereits gesagt hatte, war es Minato, der sich dafür verantworten musste; die ganze Wahrheit würde zu viele Unruhen verursachen, und gerade jetzt brauchten sie Stabilität.
Tobirama arbeitete mit Hochdruck daran, die Identität des Angreifers festzustellen, doch es war einfach keine einzige Spur zu finden. Er stand vor einem riesigen Berg an Fragen.
Die Sache mit den Suna-nin ließ ihm ebenfalls keine Ruhe. Ihm war bewusst, dass er niemals würde verhindern können, dass Neuigkeiten über den Vorfall nach außen durchsickerten. Wahrscheinlich hatten noch in dem Moment, in dem Kyubi wieder versiegelt war, die anderen Kage davon erfahren. Im übertragenen Sinne jedenfalls. Tobirama stellte einige Extrateams seiner Anbu ab, die die Grenzen überwachten und siehe da, sie fanden in der Tat einige Spione. Aus keinem von ihnen war jedoch etwas herauszuholen, sie alle waren geschickt worden, um Informationen über Kyubis Angriff in Konoha für ihre eigenen Dörfer einzuholen. Schnüffelnde Bastarde. Es war ja nicht so, als ob Tobirama das umgekehrt nicht ebenfalls getan hätte.
Gleichsam ging er auf die Suche nach demjenigen, der in sein Labor eingebrochen war. So eine Leiche konnte doch nicht einfach so spurlos verschwinden. Das Problem jedoch war, dass Tobirama nicht sagen konnte, wann der Diebstahl stattgefunden haben könnte. Es konnte genauso gut vor Jahrzehnten geschehen sein wie vor wenigen Monaten.
Die Zahl derer, die in der Lage wären, widerrechtlich in sein Labor einzudringen, konnte Tobirama an einer Hand abzählen, und die meisten davon lebten nicht mehr. Er stand vor einem Rätsel, das er nicht lösen konnte.
Es war bereits Dezember und das Jahr neigte sich allmählich dem Ende entgegen, als sich eine kurze Pause von ihrem Alltag abzeichnete. Der Winter war dieses Jahr früh gekommen und der erste Schnee war bereits Ende November gefallen. Dies stellte ein enormes Problem für all jene dar, deren Häuser und Wohnungen bei dem Angriff unbewohnbar geworden waren. Die Notunterkünfte, die Minato hatte einrichten lassen, waren nun wirklich nicht der beste Ort, um den Winter zu verbringen. Es wäre wirklich alles einfacher, wäre Hashirama noch da.
Nun, laut Kakashi gab es da ja diesen Jungen, aber der war auch von der Erdoberfläche verschwunden. Ein weiteres Rätsel, das Tobirama trotz all seiner Ressourcen nicht lösen konnte. Es machte ihn rasend.
Dann jedoch, in der ersten Dezemberwoche, klarte endlich der Himmel auf und wie auf sein Stichwort stand Minato vor Tobiramas Tür. Er hatte wohl auch nur auf eine Gelegenheit gewartet, all der Arbeit zu entkommen, die tagtäglich auf ihn wartete und die einfach nicht weniger werden wollte.
Die Sonne stand bereits zu tief hinter den Bäumen, also wurde aus der Sonnenbobachtung an diesem Tag wohl nichts mehr. Daher warteten sie, bis es vollends dunkel wurde. Dann zogen sie warme Kleidung an und Tobirama führte Minato hinaus in den Wald. Schon längst hatte er eine Stelle ausgekundschaftet, die sich bei gutem Wetter als Beobachtungspunkt eignete, ein kleiner Hügel draußen im Wald, der sich über die Bäume erhob. Er lag weit genug vom Dorf entfernt, dass die Lichter Konohas sie nicht mehr stören würden.
Minato hibbelte aufgeregt, als Tobirama noch damit beschäftigt war, ein paar letzte Feinjustierungen vorzunehmen.
»Der Mond ist noch nicht aufgegangen.«
»Hm. Geht erst in der zweiten Nachthälfte auf.« Da. Gefunden. Tobirama winkte Minato und deutete auf einen Stern. »Schau her. Siehst du die Sternengruppe da? Etwas über der schiefen Tanne dort hinten?«
Minato nickte.
»Jetzt schau durch das Okular.«
Minato tat dies und schraubte noch ein wenig an dem Rädchen, um die Sicht klarzustellen. Dann gab er einen erstaunten Laut von sich. »Das ist ja noch viel mehr.«
Tobirama lächelte zufrieden. Erster Erfolg des Abends. »Das trifft auf viele Sterne zu. Löst man sie auf, erscheinen sie als Doppelsternsysteme. Das dort ist sogar eine ganze Gruppe solcher Mehrfachsternsysteme. Mit höher auflösenden Okularen könnte man sogar noch mehr Sterne sehen.«
Minato lachte leise. »Wenn du so weiter machst, baust du am Ende noch eine ganze Sternenwarte in deinem Haus ein.«
Tobirama sann darüber einen Moment lang nach. »Das könnte ich tun. Platz wäre da.«
»Was war das? Ein Scherz? Von dir? Unerhörte Dinge geschehen!«
»Woher nimmst du die Annahme, ich würde scherzen?«
»Das kannst du doch nie und nimmer ernst meinen.«
Als Antwort sah Tobirama ihn lediglich durchdringend an. Im Dunkel der Nacht hatte das wahrscheinlich keinen so großen Effekt wie am Tag, aber die Botschaft kam dennoch an.
Tobirama richtete das Teleskop auf einen weiteren Stern. »Das ist ein weiteres Sternensystem in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Sonnensystem«, erklärte er, während Minato es betrachtete. »Die beiden Sonnen bilden zusammen mit einem Roten Zwerg ein Dreifachsternensystem. Hast du schon einmal vom Dreikörperproblem gehört?«
»Ja, natürlich. Ein mathematisches Problem, das genutzt wird, um das Verhalten dreier Körper unter dem Einfluss ihrer eigenen Gravitation zu beschreiben. Diese bewegen sich zueinander üblicherweise im Chaosprinzip, und um quantitative Ergebnisse zu erzielen, muss die Gleichung des Dreikörperproblems numerisch gelöst werden.«
»Bei diesem Sternensystem wird vermutet, dass es gute Bedingungen für außerirdisches Leben bieten könnte. Dank seiner Nähe lässt es sich auch gut beobachten, es sind nur etwa vier Lichtjahre, womit es das nächstgelegene Sternensystem ist.«
»Aufgrund des Dreikörperproblems könnte es dennoch schwer werden, dass sich dort eine stabile Umwelt bildet.«
»Nicht unmöglich, aber schwer in der Tat. Komm, ich zeig dir noch etwas.« Tobirama richtete das Teleskop auf einen weiteren Himmelskörper und deutete dann auf die entsprechende Stelle am Himmel. »Da, der Stern, der ein wenig rötlich schimmert. Siehst du ihn?«
»Ja.«
»Jetzt schau.«
»Wow!«, rief Minato aus, als er erneut durch das Okular blickte. »Das ist ja gar kein Stern sondern ein Planet.«
Wieder schmunzelte Tobirama. Nächster Erfolg. »Ein Gasriese. Siehst du die Wolken?«
Einen Moment lang staunte Minato schweigend. »Das sieht wunderschön aus. Allein der Gedanke, dass ich gerade wirklich einen anderen Planeten in solchen Details betrachte!«
Tobirama beobachtete Minato, wie er sich über das Okular beugte. Minato hatte sich einen Schal um den Hals geschlungen, der ihm jedoch von der Schulter gerutscht war. Er war so begeistert von dem, was er da sah, dass er es anscheinend nicht einmal bemerkt hatte. Es war irgendwie, in Ermangelung eines besseren Wortes, niedlich mit anzusehen.
»Siehst du die beiden Punkte neben dem Planeten?«, fragte Tobirama. »Das sind Monde. Der Planet hat über ein Dutzend davon. Nicht alle davon sind gerade sichtbar und viele davon auch so klein, dass das Teleskop sie gar nicht auflösen kann. Aber diese beiden da gehören zu den größten, die schon ein einfaches Teleskop auflösen kann, weshalb sie schon vor einigen hundert Jahren entdeckt worden waren.«
Minato richtete sich wieder auf, um den Himmel mit bloßem Auge zu betrachten. Die Sterne funkelten über ihnen, Myriaden von winzig kleinen Punkten, die in das Schwarz des Nachthimmels geschnitten worden waren.
»Manchmal«, sagte er leise, »stelle ich mir vor, dass Kushina jetzt da oben ist, inmitten des Sternenmeeres, einen immerwährenden Erdaufgang bestaunend. Dass wir vielleicht eines Tages alle an diesen Ort gehen werden.« Er wandte sich Tobirama zu. »Was passiert, wenn wir sterben? Was kommt nach dem Tod? Weißt du das?«
Minato wollte jetzt sicher nicht hören, wie beim Sterbevorgang nach und nach die Organe versagten und die Nervenzellen im Hirn anfingen zu degenerieren, sobald sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wurden. Also schüttelte Tobirama nur den Kopf. »Das weiß ich nicht. Das weiß niemand.«
Nicht einmal seine Forschungen zu Edo Tensei hatten ihm diese Frage beantworten können. Was kam nach dem Tod? Er wusste es nicht. Es war jene eine Frage, die er nie hatte beantworten können und deren Erforschung selbst für ihn zu weit geführt hätte. Vielleicht war er schon zu weit gegangen.
Minato betrachtete ihn schweigend. Ohne einen weiteren Kommentar ergriff er seine Hand, verschränkte ihre Finger miteinander, lehnte seinen Kopf gegen Tobiramas Schulter und beobachtete weiter die Sterne über ihnen. Tobirama ließ es geschehen, strich gar mit dem Daumen über Minatos Hand. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen.
Trotz ihrer dicken Winterkleidung wurde es allmählich kalt, und doch wollte Tobirama noch nicht zurück nach Hause gehen. Irgendetwas hielt ihn hier. Das Teleskop stand vergessen neben ihnen. Tobirama stellte fest, dass er gern mit Minato einfach den Sternenhimmel über ihnen betrachtete.
»Neulich habe ich ein schönes Lied gehört«, sagte Minato in die Stille hinein. Er stimmte eine ruhige Melodie an und sang dann ein paar Strophen. »Stille Nacht umgibt mich an den Küsten wehmütiger See. Ein gütiges Herz machte mich glauben die Welt, wie ich sie wünsche.«
Tobirama lauschte. Er kannte das Lied nicht, aber die Melodie gefiel ihm. Als er den Blick von den Sternen löste, bemerkte er, dass Minato ihn betrachtete. Ein ganz besonderer Glanz lag in seinen blauen Augen.
»Tobirama, ich … ich möchte dich etwas fragen.«
»Nur zu.«
»Ich …« Verlegen senkte Minato den Blick. Er atmete tief durch, dann sah er doch wieder zu Tobirama. »Darf ich dich küssen?«
Tobirama betrachtete ihn ruhig. »Das darfst du.«
Erstaunlich, dass es so lange gedauert hatte, bis er diese Frage gestellt hatte.
Minato sah ihn mit großen Augen an, wie als könne er nicht glauben, was Tobirama da gesagt hatte. Zunächst noch zögerlich beugte er sich vor und berührte ganz leicht mit seinen Lippen Tobiramas, als wolle er diesen Moment nicht mit solch einem Affront zerstören. Doch dann wurde er mutiger und vertiefte die Berührung zu einem richtigen Kuss. Willig sank er in Tobiramas Arme, und Tobirama drückte ihn fest an sich, hielt ihn, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Es fühlte sich richtig an. Es war das, was auch er wollte.
Minato klammerte sich an ihn wie ein Ertrinkender. Das änderte sich von einem Moment auf den anderen. Er kämpfte gegen Tobiramas Umarmung an, wand sich aus seinen Armen und stolperte zurück. Tobirama sah verwirrt zu ihm. Was war passiert?
»Ich … Das …« Minato schüttelte den Kopf. »Das war ein Fehler. Es tut mir leid, das hätte ich nicht tun dürfen.«
Dann war er verschwunden.
Tobirama blieb verwirrt und allein zurück. Was hatte Minatos Meinung plötzlich geändert? Er war sich sicher, dass Minato damit nur ein Begehren ausgesprochen hatte, dass er schon seit vielen Wochen gehegt hatte. Warum also nannte er es plötzlich einen Fehler?
Noch immer ratlos ob dem, was gerade passiert war, nahm er sein Teleskop und brachte es mit einem Hiraishin nach Hause. Wie es schien, hatte Ōkami bereits auf ihn gewartet, denn sie kam sogleich zu ihm getrottet.
»Ich kann wittern, dass was passiert ist, Welpe«, sagte sie geradeheraus. »Dein Gefährte kam soeben, schnappte sich seinen Welpen, stammelte verwirrt irgendetwas und verschwand dann wieder.«
Tobirama fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte. Warum waren Menschen nur so kompliziert?
Ōkami rieb ihren Kopf an ihm. »Was ist los?«
Sie schnüffelte an ihm und wusste wahrscheinlich in diesem Moment ganz genau, was los war. Er sagte es ihr dennoch. Sie sah ruhig zu ihm auf, ihr Schwanz wippte leicht von einer Seite zur anderen. Als er endete, legte sie den Kopf schief.
»Geh ihm nach«, sagte sie schlicht.
»Wieso sollte ich das tun?«, fragte er irritiert. »Er hatte nicht den Eindruck erweckt, dass er mich so schnell wieder sehen will.«
»Da habe ich aber ganz eindeutig etwas anderes gewittert«, stellte sie klar. »Na los, geh schon. Oder muss jetzt der Wolf dem Menschen seine fürchterlich komplizierten Paarungsrituale erklären?«
»Mutter!«, grummelte Tobirama. »Das ist … Du kannst doch nicht … Sag das nicht so.«
Ihre direkte Art war manchmal wirklich schwierig.
»Vielleicht hängt er noch an seiner alten Gefährtin«, schlug Ōkami vor. »Ihr Menschen wisst nie, wie man im Moment lebt.«
»Oh.« Und plötzlich ergab alles einen Sinn. »Oh!«
»Siehst du.« Ōkami wedelte stärker mit dem Schwanz.
Er strich ihr zum Abschied kurz über den Kopf. Dann brachte er sich mit einem weiteren Hiraishin zu Minatos Haus. Er besaß den Anstand, nicht einfach so hereinzuplatzen, sondern wählte die Haustür. Es war mitten in der Nacht, und um Naruto nicht zu wecken, klopfte er, statt die Klingel zu benutzen.
Einen Moment lang tat sich nichts. Vielleicht hatte Minato ihn nicht gehört. Tobirama klopfte erneut, ein wenig kräftiger dieses Mal. Erst dann hörte er Schritte von drinnen. Zögerlich öffnete Minato die Tür. Er hatte vergeblich versucht, den Fakt zu verbergen, dass er gerade noch geweint hatte. Seine Augen waren noch immer gerötet und glitzerten von unvergossenen Tränen.
»Möchtest du mich einlassen?«, fragte Tobirama sanft. »Wir können das natürlich auch zwischen Tür und Angel besprechen, aber ich nehme an, das ist nicht in deinem Sinne.«
Noch immer schweigend ließ Minato ihn ein. Tobirama konnte seine Unsicherheit spüren, als er Minato in das Wohnzimmer folgte. Das ganze Haus war dunkel, nirgends brannte eine Lampe.
Als er mitten im Zimmer stand, drehte sich Minato ruckartig zu ihm um. »Es tut mir wirklich Leid, was ich getan habe. Es war ein Fehler und ich werde es nie wieder tun. Versprochen.«
»Es war kein Fehler«, widersprach Tobirama mit sanfter Bestimmtheit. »Du hast mich darum gebeten und ich habe eingewilligt.«
»Aber … ich …« Schwer seufzend setzte sich Minato auf das Sofa und ließ den Kopf in die Hände sinken. »Kushina ist noch gar nicht lange unter der Erde, und ich werf mich schon in die Arme des erstbesten Typen, der vorbei kommt. Das ist … das ist …«
Tobirama setzte sich neben ihn, kam jedoch nicht näher. »Das ist?«
»Das macht man nicht!«, rief Minato aufgebracht aus. »Das hat sie nicht verdient!«
»Warum macht man das nicht?«, fragte Tobirama ruhig nach. »Und wer ist ›man‹?«
Die Frage schien Minato aus der Kalten heraus zu erwischen. Irritiert sah er zu Tobirama. »Na, alle …«, sagte er wage und gestikulierte unbestimmt. »Keine Ahnung. Sollte man nicht erst eine gewisse Zeit lang trauern? Das gehört sich so.«
»Und wie lang wäre diese Zeit?«, fragte Tobirama weiter.
Minato zuckte mit den Schultern. »Ein Jahr?«
»Und wenn dieses Jahr noch nicht vorbei ist, wenn auch nur ein Tag noch fehlen würde, wäre es dann immer noch moralisch verwerflich?«
»Ich … denke nicht?«
So langsam schien er zu begreifen. »Niemand kann dir vorschreiben, wie du trauerst. Das ist deine Sache allein, und du tust nur das, was sich für dich gut und richtig anfühlt. War das der Fall?«
Zögerlich nickte Minato. »Ja.«
»Also ist auch nichts falsch daran.«
»Aber … Kushina …«
»Ich habe sie bedauerlicherweise nur kurz kennen dürfen, aber ich bin mir sicher, dass sie wollen würde, dass du wieder Glück und Freude im Leben findest und nicht für immer der Vergangenheit nachtrauerst und dem, was hätte sein können aber nicht hatte sein dürfen. Wenn ich auch nur eine Sache von Hashirama gelernt habe, dann, dass es genug Liebe in der Welt für alle gibt.«
Minato sah ihn einen Augenblick lang schweigend an. Seine Lippen zitterten. Dann brach er erneut in Tränen aus. Wortlos zog Tobirama ihn in seine Arme, und Minato heulte sich mal wieder an seiner Schulter aus.
Tobirama gab ihm die Zeit, die er brauchte, und dieses Mal blieb Minato. Er nahm die Umarmung an und als er sich allmählich wieder beruhigte, kuschelte er sich gar noch ein wenig fester an Tobirama. Er schniefte und wischte sich die letzten Tränen aus den Augen.
»Darf ich dich noch mal küssen?«
Tobirama schnaubte amüsiert. »Willst du mich jetzt jedes Mal fragen?«
»Na ja …« Doch dann fasste sich Minato ein Herz und küsste ihn.
Allzu bereitwillig erwiderte Tobirama den Kuss. Er war froh, dass sie das endlich hatten klären können, und vor allem, dass Minato hatte überwinden können, was ihn zurückhielt, auch wenn es ihm schwer gefallen war.
Vielleicht, weil es bequemer war, vielleicht aber auch, weil er so Tobirama näher sein konnte, setzte sich Minato rittlings auf seinen Schoß. Ihr Kuss wurde hitziger. Minato krallte seine Hände in Tobiramas Hemd. Er begann, es nach oben zu schieben.
Ah. Dann war es wohl Zeit, ihm noch etwas zu sagen. Tobirama hatte bisher gezögert, weil er einfach nicht wusste, wie er es am besten ansprechen sollte. Mit Chio war es einfach gewesen. Sie hatte ihn gefragt, warum er als ihr danna zugelassen hatte, dass jemand anderes ihre mizuage erwarb, und er hatte es ihr gesagt, kurz und knapp. Das war etwas, das er auf geschäftlicher Ebene hatte betrachten können. Jetzt aber war es weitaus persönlicher.
Er hielt Minato auf, indem er seine Handgelenke sanft aber bestimmt griff. Minato sah ihn fragend an.
»Habe ich etwas falsch gemacht? War ich zu voreilig?«
Tobirama schüttelte den Kopf. »Das hat nichts mit dir zu tun, sondern … mit mir. Ich, ahem … ich mag das nicht. Mit niemandem.«
Minato blinzelte verwirrt. »Aber du hast doch einen Sohn.«
»Korrekt. Chio und ich wollten ein Kind, und Sex ist nun einmal eine Notwendigkeit dafür. Das muss aber nicht heißen, dass es mir sonderlich viel Vergnügen bereitet hat. Eine rein technische Notwendigkeit.«
Er spürte, wie ihm die Wangen brannten, und verlegen wandte er den Blick ab.
Minato musterte ihn im hereinfallenden Licht der Straßenlaterne. »Sag mal, hab ich dich gerade zum Erröten gebracht?«
»Bild dir was drauf ein«, grummelte Tobirama.
Minato lachte auf und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Das ist niedlich.«
Tobirama wollte grummeln. Er wollte abstreiten, dass er in irgendeiner Weise »niedlich« sei. Aber er konnte es einfach nicht. Es war zu schön, Minatos Begeisterung zu sehen. Er lächelte.
Naruto mit seinem untrüglichen Sinn für unpassendes Timing wählte genau diesen Moment, um ihnen unmissverständlich mitzuteilen, dass er Aufmerksamkeit wollte. Noch immer leise lachend kuschelte sich Minato noch einmal an Tobirama, dann stand er auf. Tobirama folgte ihm nach oben, wo das Kinderzimmer war.
Naruto hatte schon vom Moment seiner Geburt an deutlich gemacht, dass er eine kräftige Stimme besaß, und setzte sie gern und freizügig ein, um seinen Willen kundzutun. Minato hob ihn aus seiner Wiege und wiegte ihn auf seinen Armen. Er lächelte.
»Du kleiner Rabauke«, schnurrte er. »Lässt deinem Papa auch keinen Moment der Ruhe.«
Tobirama trat zu ihm und legte ihm einen Arm um die Hüfte, während er auf Naruto blickte. »Meiner Erfahrung nach tun Kinder das sehr gern. So war es mit Miyazaki in dem Alter und mit Sakumo und auch Tsunade und ganz besonders schlimm war es mit Nawaki. Der hat uns nie schlafen lassen. Naruto hat Hunger, ich geh seine Milch warm machen.«
Minato knuddelte noch immer Naruto, warf aber Tobirama ein Lächeln zu.
Tobirama ging wieder nach unten, schaltete das Licht in der Küche an und ging auf die Suche nach der Babynahrung. Er stieß auf eine Box, die zwar keine Babynahrung enthielt, dafür laut Packungsaufdruck aber eine Milchpumpe. Für einen Moment sah Tobirama das Gerät irritiert an und erinnerte sich dann, was Minato ihm einige Wochen zuvor erzählt hatte. Er stellte die Box zur Seite.
Die nächste Hürde stellte der Herd dar, weil er einen Moment brauchte, um die Funktion der Knöpfe herauszufinden, aber auch das war schnell gelöst. Minato kam wieder zu ihm, als die Milch bereits warm wurde. Naruto hatte mittlerweile aufgehört zu schreien, quengelte aber noch immer.
»Frag nicht«, kommentierte Minato die Box, die noch immer neben dem Herd stand, wo Tobirama sie abgestellt hatte.
Also fragte Tobirama nicht.
»Gib ihn mir«, bat er, als er die Flasche gefüllt hatte.
Minato legte Naruto in seine Arme. Kritisch sah das Baby zu Tobirama auf, fand dann aber doch die Nuckelflasche spannender. Sogleich kehrte Ruhe ein. Glücklich lächelnd betrachtete Minato Tobirama mit seinem Sohn.
»Ich …« Er schniefte, aber dieses Mal waren es Freudentränen. »Ganz ehrlich, mir geht das Herz auf, wenn ich dich so sehe mit Naruto.«
Tobirama schmunzelte. »Ach? Ist das so?«
»Ja.« Minato umarmte ihn und legte den Kopf an seine Schulter, während er Naruto beobachtete. Der nuckelte eifrig an seinem Fläschchen und interessierte sich für nichts anderes. Minato strich ihm über sein rundes Pausbäckchen.
»Sag, funktioniert es?«, fragte Tobirama und wies mit dem Kinn auf die Box. Jetzt hatte er doch gefragt.
Minato zuckte mit den Schultern. »Weiß ich noch nicht, aber meine Ärztin meinte, es sieht gut aus. Das einzige, was ich bis jetzt merke … Nun … Verdammt, das ist voll peinlich, das so auszusprechen. Aber … Ahem. Mir tun die Nippel weh. Die Ärztin meinte aber, das sei normal und eigentlich ein gutes Zeichen.«
»Das klingt gut, oder?«
»Eigentlich muss ich nur noch abwarten. Zumindest etwas tut sich immerhin.« Geistesabwesend rieb sich Minato mit einer Hand über die Brust. »Das ist unangenehm. Wie halten Frauen das nur aus? Aber der Gedanke, vielleicht bald schon Naruto angemessen füttern zu können, macht das auf alle Fälle wieder wett. Und ich glaube, die psychologischen Effekte sind auch nicht zu unterschätzen. Jedenfalls fühle ich mich viel wohler dabei, wenn ich daran denke, und ich glaube, für Naruto ist das auch wichtig.«
»Das klingt gut.« Tobirama lächelte. Er hätte es zwar nicht für möglich gehalten, aber wenn es funktionieren sollte, dann war das in der Tat hervorragend. Vielleicht sollte er sich in das Thema ebenfalls einlesen. Es klang ziemlich faszinierend.
Eine Weile beobachteten sie Naruto, wie er immer noch an seiner Flasche nuckelte. Nach und nach fielen ihm jedoch die Augen zu. Es war ohnehin schon längst Schlafenszeit für ihn.
»Tobirama, kann ich dich um etwas bitten?«
»Natürlich. Immer doch.«
Minato drückte sich noch etwas fester an ihn. »Bleibst du heute Nacht bei mir? Ich kann immer noch nicht gut schlafen, weil … Es ist so still und leer. Alpträume plagen mich.«
Tobirama gab ihm einen Kuss auf sein Haar. »Selbstredend.«
Naruto war indes eingeschlafen. Sie brachten ihn zurück in sein Bett, und weil Mitternacht schon lange vorüber war, gingen sie danach selbst schlafen. Es war für Tobirama ungewohnt, die Nacht nicht in seinem eigenen futon zu verbringen, zumal Minato nicht einmal ein futon, sondern ein Bett besaß, aber es störte ihn auch nicht weiter. Unter der Decke kuschelte sich Minato fest an ihn, wie als wolle er ihn auch ja nie wieder loslassen, damit er ihm nicht abhanden kam. Es war irgendwie niedlich.
»Weißt du, es ist schon irgendwie komisch«, sagte Minato.
Tobirama musste ein Gähnen unterdrücken. Er hatte schlafen wollen, es war spät genug. »Was denn?«
»Als ich noch zur Akademie ging, hab ich manchmal mit den anderen Jungs geflirtet, aber sie haben mich dafür gehänselt und ich hab‘s gelassen. Dann hab ich Kushina kennengelernt und dachte, das wäre nur so eine Phase gewesen, und hab nicht mehr darüber nachgedacht. Aber dann hat mir Jiraiya-sensei von dir erzählt und was du alles geleistet hast. Je mehr ich von dir las, umso faszinierter wurde ich von deinen Gedanken. Ich wusste: Das ist ein Mann, dem ich nacheifern will. Und, ich gestehe, ich hatte als Jugendlicher ein klein bisschen für dich geschwärmt.«
Tobirama schnaubte amüsiert. »Nach ›ein klein bisschen‹ sieht mir das hier aber nicht aus.«
Minato lachte und rieb seine Nase an Tobiramas Hals.
»Ich hab mich schon gewundert, wie lange du noch brauchst, um es herauszufinden.«
»Was? Wie lange wusstest du das schon?«
»Schon seit einer Weile. Ōkami kann solche Dinge erschnüffeln.«
Stöhnend drückte Minato sein Gesicht in Tobiramas Hemd. »Das ist peinlich.«
»Aber als Jugendlicher für dein Idol schwärmen und ihm das auch noch sagen, ist dir nicht peinlich?«
»Nö.« Minato grinste ihn an. »Das war eine einmalige Gelegenheit. Ich sah meine Chance und habe sie ergriffen. Ich meine, wie oft passiert es, dass dir dein Jugendschwarm, den alle für tot hielten, ausgesprochen lebendig vor die Füße fällt?«
»Über das ›lebendig‹ lässt sich zu jenem Zeitpunkt streiten.«
Minato strich über seine Narben, fühlte die Unebenheiten, wo die Wundränder nicht mehr richtig zusammengewachsen waren. »Ich habe mich in dich verliebt. Eine seltsame Fügung des Schicksals nach der anderen führte dazu, und ich habe mich in dich verliebt.«
Tobirama zog ihn fester in seine Arme und drückte ihm einen Kuss auf sein Haar.
»Das Herz erbittet zuerst Freude«, murmelte Minato. Dann war er eingeschlafen.
Sie wurden von einem Klingeln an der Tür geweckt. Ein verschlafener Blick auf die Uhr auf dem Beistelltisch verriet Tobirama, dass es bereits auf den Mittag zuging. Mal wieder verschlafen. Minato bracht seinen Schlafrhythmus ganz durcheinander.
Minato murmelte etwas im Halbschlaf und schlang die Arme um ihn. Tobirama pulte ihn vorsichtig von sich ab.
»Ich geh nachsehen, wer da was von dir will.«
Noch immer schlaftrunken maulte Minato seinen Protest, aber da war Tobirama schon aus dem Bett. Als er die Haustür erreicht hatte, wusste er bereits, dass es Kakashi war.
»Guten Morgen, sensei. Ōkami-san meinte, Sie wüssten, wo To … Oh.« Kakashi sah ihn überrascht an, als er die Tür öffnete.
»Guten Morgen«, erwiderte Tobirama. »Guten Tag, wohl eher.«
»Äh.« Sichtbare Verwirrung stand auf Kakashis Gesicht, als er die Puzzleteile zusammenzufügen versuchte.
Mittlerweile hatte sich auch Minato nach unten bequemt. Er gähnte und streckte sich, trat zu Tobirama und legte in einer eindeutigen Geste den Arm um ihn. »Hey, Kakashi, was gibt‘s?«
Kakashi sah zwischen ihnen hin und her und schien dann einfach zu beschließen, die Sache so hinzunehmen, wie sie ihm präsentiert wurde. »Tsunade kam gerade zurück.«
Tsunade war nun doch seiner Bitte gefolgt? Was hatte ihre Meinung geändert?
»Das sind großartige Neuigkeiten! Oder?« Minato sah zu ihm.
»Bitte entschuldige mich«, sagte Tobirama ihm. »Ich will sie nicht warten lassen.«
»Natürlich. Geh nur.«
Eilig warf er sich seine Sachen vom Vortag über und verabschiedete sich dann von Minato mit einem Kuss. Kakashi hatte derweil auf ihn gewartet und sie gingen nun gemeinsam nach Hause.
»Du und mein sensei, ja?«, war alles, was Kakashi dazu sagte.
»Wüsste nicht, warum du die Nase in jede meiner Angelegenheiten stecken musst«, grummelte Tobirama.
»Bin ja nur ich, der sich früher bei Training immer hatte anhören müssen, wie toll Nidaime Hokage sei und dass wir ihn uns zum Vorbild nehmen sollen.«
Tobirama sah ihn finster an, doch Kakashi vergrub lediglich die Hände in den Taschen und pfiff eine Melodie vor sich hin.
Tsunade war also zurückgekommen. So wirklich hatte Tobirama nicht mehr daran geglaubt, aber jetzt, wo es so weit war, wusste er nicht so wirklich, wie er ihr gegenüber treten sollte. Sie war gerade einmal sieben Jahre alt gewesen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte und jetzt war sie älter als er. Er hatte das, was es an Unterlagen über sie in Konoha noch gab, studiert, und Hiruzen hatte ihm vieles erzählt. Und doch …
Er spürte ihr Chakra. Er spürte, wie sie in seinem Haus unruhig auf und ab lief. Er spürte auch den unterschwelligen Zorn, der in ihr schwelte. Er konnte es ihr nicht einmal verübeln.
Sie erstarrte mitten im Raum, als er die shōji-Tür zur Seite schob. Mit schockgeweiteten Augen starrte sie ihn an, als hätte sie einen Geist gesehen. Hatte sie wirklich nicht geglaubt, was Kakashi ihr gesagt hatte?
»Gut siehst du aus, Tsuna-chan«, stellte er fest.
Sie war groß geworden, eine beeindruckende Frau. Er spürte die Kraft in ihrem Chakra, das hatte sie von ihrer Großmutter geerbt. Noch immer trug sie ihr blondes Haar zu zwei Pferdeschwänzen gebunden. Mit leichtem Amüsement stellte Tobirama fest, dass Tsunade ein Jutsu benutze, um jünger zu erscheinen, als sie tatsächlich war.
Mit drei langen Schritten war sie bei ihm und hämmerte ihm ihre Faust in die Eingeweide. »Du Bastard!«
Tobirama grunzte schmerzvoll auf. Und das auf leeren Magen. Definitiv Mitos Kraft. Er hatte den Schlag kommen sehen, er hätte ihm ausweichen können. Etwas sagte ihm, dass Tsunade jedoch genau das brauchte, ein Ventil, um ihrem Frust freien Lauf zu lassen. Das würde er schon überleben.
»Du Bastard!«, schrie sie ihn erneut an. »Du hast mir versprochen, dass du zurückkommst! Versprochen hast du es mir, wie Opa! Und wie Opa hast du dein Versprechen gebrochen! Weil dieses scheiß Dorf dir wichtiger war!«
Worte wie Peitschenhiebe. Sie schmerzen mehr als jeder Schlag, den Tsunade hätte austeilen können. Er wollte ihr sagen, dass er in seinen letzten Momenten an nichts anderes mehr gedacht hatte, als daran, zu seiner Familie zurückzukehren. Aber das würde in diesem Moment nur auf taube Ohren stoßen. Also ertrug er es, wie sie mit ihren Fäusten auf seine Schultern einhämmerte, glücklicherweise schon nicht mehr mit ihrer ganzen Kraft. Sie hatte ja Recht. Er hatte sie alle im Stich gelassen.
»Das alles hier ist ein verfickter Scheißhaufen, und er war dir wichtiger als deine Familie!«, fuhr Tsunade mit unverminderter Lautstärke fort. »Du hast dein Leben fortgeworfen für nichts und wieder nichts und jetzt tauchst du hier einfach so auf, als sei nie etwas gewesen! War es das wert? Sag es mir! War es das wert gewesen?!«
Sie packte ihn beim Kragen, sodass er gezwungen war, sich zu ihr hinunterzubeugen. Kakashi war schon längst in sicherer Entfernung in Deckung gegangen.
»Ja und nein«, sagte er so ruhig, wie er nur konnte und löste vorsichtig ihre Finger aus seiner Kleidung. Sie ließ es zu. Gut. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bedauere, was geschehen ist, und würde ich es rückgängig machen können, ich würde es tun. Ich habe einen unverzeihlichen Fehler gemacht, der dir sehr viel Schmerz zugefügt hat. Ich kann das nicht mehr gut machen.«
Tsunade zitterte vor Wut. Tränen glitzerten in ihren Augen. »Sag mir nur eines: Wusstest du es?«
»Wusste ich was?«
Er sah sich einem Sharingan gegenüber. Vollkommen sprachlos starrte er in Tsunades Augen. Drei schwarze tomoe in einem tiefen Karmesinrot. Ohne Zweifel ein Sharingan.
»Über dem kalten Körper Nawakis.« Tsunades Stimme war dunkel vor Zorn. »Oma war dabei und auch Mutter. Und weißt du, was Oma dazu sagte? ›Oh. Dann war es doch Madara gewesen.‹ Das waren ihre Worte gewesen. Ich hab sie bis heute im Ohr. Nur das. Als sei nichts dabei gewesen, dass mein ganzes Leben eine Lüge gewesen war.«
Tobirama verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte Tsunade nur ein Sharingan besitzen?
»Verstehst du nicht oder willst du nicht verstehen?«, knurrte Tsunade. »Kannst du, den alle für so intelligent halten, das Offensichtliche nicht begreifen? Mein richtiger Großvater war Uchiha Madara gewesen.«
Tobiramas gesamtes Weltbild wurde erschüttert. »N-nein. Das wusste ich nicht«, stammelte er, weil ihm nichts anderes einfiel. »Niemand wusste das.«
Tsunade sah ihn schweigend an mit diesem furchtbaren Sharingan, das es nie hätte geben dürfen. Noch immer zitterte sie. Stumm liefen ihr die Tränen über die Wangen. Weil er nicht wusste, was er sonst machen sollte, zog er sie wortlos in seine Arme. Sie schluchzte auf und klammerte sich an ihn.
»Hab dich vermisst, Tobi-oji. Ich hab dich so schrecklich vermisst.«
Erinnert euch daran, wie Kushina sagte, dass Mito eine zweite Schwangerschaft hatte, sie aber das Kind verlor, weil sie da schon jinchuriki war. Let that sink in. Das war übrigens noch nicht alles zu dem Thema ^^
Zu den hier erwähnten Konstellationen: Das sind die Pleiaden, Alpha Centauri sowie Jupiter mit den Galileischen Monden, auch wenn nicht alle an unserer nördlichen und südlichen Hemisphäre gleichzeitig zu beobachten sind. Aber hey, künstlerische Freiheit. Und ja, das Dreikörperproblem ist ein tatsächlich existierendes mathematisches Problem (und der Titel des ersten Bandes von Liu Cixins Reihe, The Three-Body Problem). Wenn Minatos Flirting Methode ist, sich passiv-aggressiv an Tobirama zu heften, dann ist Tobiramas Methode "Fuck yeah, science!"
Das Songzitat ist aus The Heart Asks Pleasure First von Nightwish
Nächstes Kapitel: Tsunade hat eine Menge zu erzählen.
Kapitel 7: Alte und neue Bande
CN Misgendern, TERF talk
Bei der ganzen Aufregung hatte Tobirama gar nicht darauf geachtet, dass Tsunade nicht allein gekommen war. Ihre Begleiterin stellte sich als Shizune heraus, Tsunades Lehrling.
»Sie ist Dans Nichte. Wer Dan war, sag ich dir gleich.«
Zu fünf setzten sie sich an den Tisch und Tobirama brachte ihnen sake. Ihm stand jetzt der Sinn nach etwas stärkerem als bloß Tee. Während er noch die Schalen und die Flasche besorgte, begrüßte auch Ōkami Tsunade und überschüttete sie mit ihrer stürmischen Wolfsliebe, als sie ihr eifrig das Gesicht ableckte. Shizune bekam beinahe einen Herzstillstand, als Ōkami dabei auch ihre Zähne zeigte, und Tobirama musste sie beruhigen, dass es völlig normales Wolfsverhalten war, ein anderes Rudelmitglied mit sanften Bissen zu begrüßen, die nicht verletzten. Shizune war noch immer nicht beruhigt und das Schweinchen auf ihrem Arm quiekte ängstlich.
»Das«, sagte Tsunade und deutete auf das Tier, »ist Tonton, mein Glücksbringer.«
Tobirama verkniff sich eine Bemerkung in Bezug auf Tsunades etwas unrühmliche Reputation. »Ich habe bereits einiges von Saru gehört, wie es dir in der Zwischenzeit ergangen ist. Aber ich würde mich freuen, es von dir zu hören. Was hat dich bewegt, nun doch zurückzukommen? Und warum bist du überhaupt gegangen?«
Tsunade leere ihre Sakeschale auf Ex und füllte nach, bevor sie antwortete. »Es fing mit diesem Typen an, der sich mein Vater schimpft. Ist eines Tages einfach abgehauen und hat Mama mit Nawaki und mir sitzen lassen.«
Oh ja, Tobirama erinnerte sich sehr gut an diesen Kerl. Er hatte noch immer nicht schlecht Lust, ihn zu erwischen und ihm auf unmissverständliche Weise klar zu machen, was er von ihm hielt. Nawaki war nicht einmal ein Jahr alt gewesen, als er einfach abgehauen war. Tobirama hatte seinen Bruder beinahe nicht zurückhalten wollen, etwas sehr Unüberlegtes zu tun. Hashiramas Zorn war berechtigt gewesen.
»Und dann das mit Opa«, fuhr Tsunade fort. »Und zwei Jahre später bist du dann auch noch verschwunden und alle dachten, du seist auch tot. Das scheint so ein Ding zu sein, das sich durch meine Familie zieht. Weißt du noch, wie Nawaki immer allen sagte, dass er mal Hokage werden wollte? Tja, und dann ist er nur ein Tag nach seinem zwölften Geburtstag gestorben. Dan hatte denselben Traum und auch Dan ist gestorben. Scheint so, dass alle, die auch nur daran denken, mal Hokage zu werden, zu Tode verurteilt sind. Natürlich habe ich so meine Probleme damit.«
Tobirama konnte verstehen, woher ihre Sorgen kamen. Sie hatte zu viele ihr nahe stehende Personen sterben sehen. »Wer war nun Dan?«
»Ich hab ihn geliebt.« Tsunade sagte es mit fester Stimme, aber Tobirama konnte noch immer den Schmerz in ihrem Chakra spüren. »Ich hab ihn kennengelernt, als ich anfing, mich für eine Reform der medizinischen Versorgung einzusetzen. Er war noch ein Unbekannter, aber er hatte dieselben Gedanken und Ziele. Gemeinsam machten wir uns dafür stark und erreichten viel. Aber dann starb auch er und ich konnte ihn nicht retten. Ich hab meinen Kopf mit diesem ganzen medizinischen Kram vollgestopft und es war doch nicht genug. Ich bin halt nicht Opa.«
Tobirama ergriff ihre Hand und hielt sie zwischen seinen. Tsunade sah auf seine fehlenden Finger.
»Aber du bist du«, betonte er. »Und mehr kann niemand von dir verlangen. Ich habe mir angesehen, was du geleistet hast und es ist beachtlich. Hashirama wäre ganz sicher stolz auf dich. Ich auf jeden Fall bin es.«
Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Das ist es halt. All die Jahre dachte ich, es wäre was mit mir kaputt, weil ich kein Mokuton hab. Mama nicht, Nawaki nicht, ich nicht. Stattdessen hab ich diese Augen bekommen und da war es natürlich klar. Aber ich nenne Opa trotzdem noch immer Opa, obwohl er es gar nicht war.«
»Familie ist das, was wir daraus machen.« Es war diese Lektion, die Tobirama gelernt hatte, als er Butsuma getötet hatte. Es spielte keine Rolle, ob Miyazaki nun Hashiramas leibliche Tochter gewesen war oder nicht, natürlich war sie dennoch Familie.
»Irgendwie schon«, sagte Tsunade leise. »Weißt du, es ist nicht nur ein gewöhnliches Sharingan. Als … als Dan … als er mir unter den Händen wegstarb, da … ist was passiert. Aber ich hab‘s nie benutzt. Wollte ich auch nie. Ich hatte überlegt, ob ich zu Hayao gehe, weil er wegen Kagami der einzige Uchiha war, mit dem ich wenigstens ein bisschen was zu tun hatte, aber hab‘s dann gelassen. Ich hab‘s einfach ignoriert. War einfacher. Es wissen außer euch eh nur sensei, Jiraiya und Orochimaru davon.«
Und Hiruzen hatte es Tobirama nicht gesagt.
Tsunade schien erraten zu haben, was er dachte. »Ich hab sensei gesagt, er soll es niemandem sagen. Scheint so, als habe er Wort gehalten. Wenigstens eine Sache, die er nicht verbockt hat.«
»Wie kam es, dass du dich so mit Saru zerstritten hast?«, wollte Tobirama wissen.
Tsunade grummelte. »Weißt du das mit Tante Chio und Mama? Und was sie mit Oma gemacht haben?«
Tobirama nickte.
»Dann kannst du es dir doch denken. Ich war so … wütend, als sensei eines Tages Kushina anschleppte und sie Oma unter die Nase hielt. Sie war doch noch ein Kind! Und sensei wusste, was mit Oma beinahe geschehen wäre, als das Siegel fast gebrochen wäre. Er hatte trotzdem Kushina dieses Schicksal aufgezwungen und ihr Leben ruiniert.«
»Ich glaube, Kushina war ganz glücklich.« Es war das erste Mal, dass Kakashi sprach, seit er mit Tobirama nach Hause gekommen war.
»Und trotzdem ist sie jetzt tot«, konterte Tsunade. Dann seufzte sie. »Ich glaube, Oma war einfach müde. Ich mein, guck dir an, was vom Clan geblieben ist. Das ist ein Witz. Er ist nach und nach in Bedeutungslosigkeit versunken. Es ist eine Schande, wie Konoha einen der Gründungsclans behandelt. Mama hatte es irgendwann einfach aufgegeben, noch dagegen anzukämpfen und von dem Moment an waren die Senju nur noch ein Schatten ihrer selbst. Oma hatte mit angesehen, wie sensei zugelassen hat, dass Uzushio zerstört wird. Weißt du schon davon?«
Tobirama nickte erneut.
»Und dann hatte er auch noch die Dreistigkeit besessen, Oma Kushina unterzuschieben und sie sich darum kümmern lassen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Gleich am Tag nach Mamas Beerdigung, hab ich mir gesagt, dass die hier alle mich mal kreuzweise können, hab Shizune geschnappt und bin abgehauen. Ich wollte damit eigentlich nie wieder was zu schaffen haben, und hab sensei gesagt, dass er zusehen kann, wo er bleibt, und gar nicht dran denken braucht, mich irgendwie zur Umkehr zu bewegen. Tja, und dann tauchst du einfach so auf, Tobi-oji.«
»Was hat dich zur Umkehr bewegt?«, fragte Tobirama. »Es ist beinahe zwei Monate her, dass ich Kakashi zu dir schickte.«
Tsunade sah ihm fest in die Augen. Es war bemerkenswert, wie sehr sie gereift war. Noch immer erkannte er in ihr das kleine Mädchen, das er zurückgelassen hatte, aber dieses Mädchen war zu einer Frau geworden, die viel gesehen und noch mehr erduldet hatte. Vierzig Jahre waren eine viel zu lange Zeit.
»Ganz ehrlich: Ich hatte es zunächst nicht vor«, sagte sie geradeheraus. »Da taucht so völlig aus dem Nichts Kakashi vor mir auf und behauptet, sein Großvater, mein Großonkel, sei von den Toten wieder auferstanden. Zugegeben, für einen Moment hatte ich wirklich geglaubt, ich hätte einen über den Durst getrunken. Ich hab‘s versucht zu ignorieren, war eine bewehrte Taktik der Vergangenheit. Hat nicht wirklich funktioniert. Na ja, und dann hab ich gehört, was mit Kushina passiert ist. Und jetzt bin ich hier.«
»Wie du siehst, bin ich noch in einem Stück. Mehr oder weniger.«
Tsunade griff nach seiner verstümmelten Hand und betrachtete sie mit offensichtlich fachkundigem Blick. »Was ist genau passiert? Wie hast du das angestellt?«
Sie lauschte aufmerksam, als er ihr von seinem Kampf mit den Gold und Silber Brüdern berichtete. Er hatte zunächst vorgehabt, die unschöneren Details auszulassen, doch sie fragte nach, also erzählte er auch das. Sie verlangte sogar, dass er ihr die große Narbe zeigte, die er aus dem Kampf davon getragen hatte. Eine ganze Weile betrachtete sie sie und drückte hier und da herum.
»Eigentlich praktiziere ich ja nicht mehr, aber …«, begann sie. »Das ginge noch besser, aber wohl in Anbetracht der Umstände haben die Leute im Krankenhaus doch gute Arbeit geleistet. Wirklich schön verheilt ist das aber nicht.«
»Ich hab nicht vor, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen.«
Tsunade sah ihn überraschend streng an. »Damit meinte ich eigentlich, dass du wieder nicht still sitzen konntest, wie dir gesagt worden war. Habe ich Recht?«
Verdammt. Sie war wirklich kein kleines Mädchen mehr.
»Ich hab zu tun«, knurrte er.
»Und riskierst damit dauerhaft deine Gesundheit«, konterte sie. »An dem, was von deiner Hand noch übrig ist, wird man auch mit Physiotherapie nicht mehr viel machen können, sie wird eingeschränkt bleiben. Und auf magische Weise ein Stück Lunge herbeizaubern kann ich auch nicht. Pass nur auf, dass du es nicht verschlimmerst, ansonsten kann es sein, dass du noch den kompletten Lungenflügel verlierst. Und das willst du nicht.«
Das war irgendwie nicht das, was er sich vorgestellt hatte, wie ihr Wiedersehen verlief. Musste er sich jetzt wirklich von seiner Nichte schelten lassen wie ein kleines Kind? Er sah verstimmt zu ihr auf. Tsunade ließ sich davon nicht beeindrucken. Mit einem Grummeln ließ er das Thema fallen.
»Was willst du jetzt tun?«, fragte er stattdessen.
Tsunade setzte sich wieder an ihren Platz und starrte eine ganze Weile in den Sake in ihrer Schale. Dann hob sie die Schale und trank den Alkohol in einem Zug. »Ich werd wohl erst mal eine Weile hier bleiben, denke ich. Mal sehen. So sicher bin ich mir noch nicht. Wird sich wohl zeigen, was sich ergibt.«
Er lächelte und atmete auf. Irgendwie hatte er befürchtet, dass Tsunade gleich wieder gehen würde, und er wusste nicht, ob er das einfach so einfach würde wegstecken können. »Du weißt, du bist hier immer zu Hause.«
Sie grinste, dasselbe schiefe Grinsen, das auch Hashirama immer zur Schau getragen hatte. »Auf dem Papier ist das hier mein Haus, das du dir einfach so geschnappt hast.«
Er schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Werd nicht frech.«
»Sonst was?« Sie sah ihn herausfordernd an. »Vergiss nicht, dass ich jetzt älter bin als du.«
Ah, ja. Dieser etwas irritierende Fakt, dass seine Nichte in der Tat ganz plötzlich ein paar Jahre mehr als er zählte. Zeitreisen waren so fürchterlich verwirrend.
Tsunade wurde wieder ernst. »Tobi-oji, hast du eigentlich schon gesehen, was Oma dir hinterlassen hat?«
Er runzelte die Stirn. »Warum hätte Mito mir irgendwas hinterlassen sollen? Es gingen doch alle zu Recht davon aus, ich sei tot.«
»Ja, das ist das komische an der Sache, nicht wahr? Oma hatte sich in den Kopf gesetzt, dass das vielleicht nicht der Fall sei. Wir hatten es als Trauerreaktion abgetan, dass es halt einfach zu viel für sie gewesen war. Eine Leiche wurde ja nie gefunden. Oder nun, ich sollte wohl besser sagen, dass sehr wohl Leichen gefunden worden waren, aber keiner konnte mehr sagen, wer die Toten waren. Und dann hatte Oma dieses eine Siegel gefunden. Sie hatte es studiert und je länger sie das tat, umso überzeugter wurde sie davon, dass du vielleicht nie gestorben bist. Mama sagte ihr, dass das Blödsinn sei, dass sie da zu viel hineininterpretiert, aber Oma war nicht davon abzubringen gewesen. Sie hat Tagebuch geschrieben, das weißt du noch, oder?«
»Tsuna, ich bin nicht senil. Für mich waren das nur ein paar Monate.«
»Du solltest sie lesen«, sagte Tsunade geradeheraus.
Das hieße, diese angestaubten Kisten auf dem Dachboden anzurühren. Sich dem zu stellen, was von seiner Familie übrig geblieben war. Greifbar in Händen zu halten, dass nichts mehr davon übrig war außer ihm, Kakashi und Tsunade.
»Zu gegebener Zeit«, sagte er kurz angebunden.
Tsunade öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Die Türklingel unterbrach sie. Tobirama atmete auf. Dieses Gespräch hatte gedroht, in unangenehme Gefilde zu steuern. Eilig stand er auf, um nachzusehen, was Minato von ihm wollte. Denn natürlich war es Minato, wie er feststellte, noch bevor er die Tür erreicht hatte.
»Hey, ich komme gerade bestimmt sehr ungelegen, oder?«, sagte Minato auch sogleich entschuldigend, sobald Tobirama die Tür öffnete. »Das tut mir auch furchtbar leid, aber könnte ich Naruto bei Kakashi lassen?«
Er streckte Tobirama das Baby entgegen. Tobirama sah auf Naruto hinab.
»Das musst du nicht mich fragen, sondern Kakashi«, sagte er nüchtern.
Minato machte einen nervösen Eindruck. War etwas passiert?
»Kakashi hat doch bestimmt nichts dagegen, oder?«
»Komm doch einfach rein«, sagte Tobirama stattdessen.
Minato warf einen Blick an ihm vorbei und blieb, wo er war. »Tsunade ist noch da, oder?«
Tobirama musterte ihn durchdringend. »Ja, und?«
Minato zögerte sichtlich. Dann seufzte er und sagte doch: »Ich hab das Gefühl, dass sie mich nicht wirklich leiden kann.«
Tobirama hob eine Augenbraue. »Und warum sollte das der Fall sein?«
»Tja, keine Ahnung. Das war schon immer so gewesen. Manchmal hatte mich Mito-hime hierher eingeladen, und jedes Mal war Tsunade mir aus dem Weg gegangen.«
Tobirama konnte sich absolut nicht vorstellen, warum sie das hatte tun sollen. »Komm jetzt rein.«
Minato gab nach und folgte ihm in das Haus. Shizune stand sogleich auf und verbeugte sich angemessen, als sie den Raum betraten. Tsunade hatte indes Kakashi beim Wickel, ihn in den Schwitzkasten genommen und verwuschelte seine Haare.
»Ich werd dich garantiert nicht Tante nennen!«, beschwerte er sich gerade.
»Doch, das wirst du«, drohte sie ihm lachend. »Eines Tages krieg ich dich noch dazu.«
Dann bemerkten sie Tobiramas Begleiter. Kakashi verzog wie immer keine Mine. Tsunade jedoch erstarrte und durchbohrte Minato förmlich mit ihrem Blick. Sie presste die Lippen aufeinander. Tobirama registrierte es mit Verwunderung. Da war doch tatsächlich etwas, das sie beschäftigte. Aber was konnte das nur sein?
»Minato«, presste sie hervor. Dann fiel ihr Blick auf das Baby. Sie wurde aschfahl im Gesicht.
»Tsunade-hime, ich freue mich, Sie wieder im Dorf begrüßen zu dürfen«, erwiderte Minato, wenn auch etwas steif.
Sie sagte nichts darauf. Einen Moment lang starrte sie Minato noch an, dann sprang sie auf und stürmte aus dem Raum. Shizune murmelte eine Entschuldigung und eilte ihr nach. Tobirama sah ihnen verwundert nach. Das war seltsam.
»Siehst du, das meine ich«, sagte Minato. »Und ich hab keine Ahnung, warum sie so ist.«
»Ich kann es mir ebenfalls nicht erklären«, räumte Tobirama ein. »Aber nun, sie war sieben, als ich sie das letzte Mal gesehen hab.«
»Und jetzt wäscht sie dir den Kopf für deine Sturheit«, fügte Kakashi an und kam zu ihnen.
Tobirama sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Kakashi erwiderte den Blick ruhig. Entwickelte er etwa bereits eine Resistenz dagegen?
»Kakashi, kannst du noch einmal auf Naruto aufpassen?«, bat Minato.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Klar, kein Problem.«
Ōkami trottete zu ihnen und streckte den Kopf, um das Baby zu beschnüffeln. Ihr Interesse an Naruto schien enorm zugenommen zu haben, dass sie ihn mittlerweile regelmäßig in ihrem Geschirr trug, sprach eine deutliche Sprache. Minato hatte mittlerweile auch keinerlei Probleme mehr damit, seinen Sohn in der Obhut der Wölfin zu lassen. Nachdem er zu Beginn wohl noch gedacht hatte, Ōkami könne ihn jederzeit fressen (und Tobirama sich nicht erbarmt hatte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen), war das eine beachtliche Wendung. Naruto jedenfalls war ganz vernarrt in die Wölfin und wollte den Plüschwolf, den Ōkami ihm zu seiner Geburt geschenkt hatte, am liebsten gar nicht mehr her geben. Falls Ōkami damit geplant hatte, seine frühkindliche Prägung zu beeinflussen, hatte sie definitiv Erfolg damit.
»Brauchst du meine Hilfe bei irgendetwas?«, fragte Tobirama. Minato war doch sicherlich nicht ohne Grund gekommen. Andererseits …
Minato reichte Naruto an Kakashi weiter. Ōkami hechelte fröhlich und begann sogleich, Narutos kleines Gesichtchen abzulecken, was das Baby besonders lustig zu finden schien. Es giggelte.
»In der Tat«, bestätigte Minato. »Ich habe Nachricht vom daimyō erhalten, Jiraiya-sensei hatte mir auch einige Neuigkeiten gebracht, die du hören solltest, und Sandaime-sama hatte ebenfalls gebeten, dass er mit mir noch einmal die Ideen für die neuen Chūnin-Prüfungen besprechen wollte.« Er wandte sich an Kakashi. »Vielen Dank noch einmal. Ich versuche mich zu beeilen.«
»Ich werd pro Stunde bezahlt, also keine Eile«, erwiderte Kakashi geradeheraus.
Der Junge wurde wirklich frech.
Tobirama zog sich rasch angemessenere Kleidung an und folgte dann Minato. Im Hausflur, als sie gerade niemand sah, stahl sich Minato einen raschen Kuss und grinste dabei wie ein frisch verliebter Jugendlicher. Tobirama strich ihm sanft über die Wange. Dann gingen sie.
»Aber, äh, Tobirama, ich hätte da eine Bitte.« Für einen kurzen Moment streife Minato mit seiner Hand Tobiramas und verschränkte ihre Finger miteinander. Dann ließ er wieder los. »Könnten wir das mit uns erst einmal für uns behalten? Wenn das für dich in Ordnung ist.«
»Natürlich. Wenn du dich so wohler fühlst.«
»Die Leute gucken einem immer so auf die Finger.«
»Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen.«
Minato lächelte dankbar. »Ich liebe dich«, wisperte er.
Tobirama erwiderte das Lächeln. Er konnte einfach nicht anders. Minato war zu niedlich.
An diesem Tag war der Himmel zugezogen mit dunklen, grauen Wolken. Es sah ganz nach Niederschlag aus und die Chancen standen gut, dass er als Schnee fallen würde. Die Witterung allerdings erschwerte den Wiederaufbau erheblich. Tobirama zog seinen Pelzkragen fester um seine Schultern, um die Kälte abzuhalten. Ihm entging nicht, wie Minato fröstelnd die Hände rieb. Kurzerhand löste er die Ösen seines Pelzes und legte das kostbare Stück stattdessen Minato um die Schultern.
Minato sah ihn erstaunt an, weil er wohl nicht mit dieser Geste gerechnet hatte. Er fühlte den Pelz und schmiegte seine Wange hinein, um mehr von der Wärme zu erhaschen. »So weich! Was ist das für Pelz? Ist das echter Pelz?«
»Natürlich. Schneefuchs. Ein Andenken.«
Minato war anscheinend hin und weg von dem Pelz und vergrub begeistert seine Hände darin. »Erzählst du mir die Geschichte?«
»Meine erste Jagd mit dem Rudel, nachdem sie mich unter ihresgleichen akzeptiert hatten. Ich hatte mir diesen Platz erkämpfen müssen, und als Mensch habe ich weder Klauen noch Reißzähne, also barg das natürlich ein gewisses Risiko.«
Minato streckte die Hand und fühlte eine von Tobiramas Narben in seinem Gesicht. »Kommen die daher?«
Tobirama nickte. »Anija hätte die Wunden heilen können, aber ich wollte nicht. Es war ein Andenken, und irgendwann hatte ich mir die Narben sogar tätowieren lassen. Nachdem ich nun also Teil des Rudels war, hatten sie mich mit auf die Jagd genommen. Wir hatten einen Schneefuchs gestellt, für ein ganzes Rudel Wölfe natürlich nur eine magere Beute, aber für mich mein erstes Mal. Ich war ein wenig sentimental geworden und habe den Pelz behalten.«
»Aber du hast das Tier nicht wirklich mit bloßen Händen und Zähnen erlegt, oder?«
Tobirama schnaubte. »Natürlich nicht. Warum sollte ich?«
Minato zuckte mit den Schultern und grinste. »Manchmal machst du schon den Eindruck, du seist ein halber Wolf.«
Tobirama schnaubte noch einmal. Das war albern.
»Vielleicht auch eine Dampflok«, neckte Minato.
Tobirama schritt schneller aus. Minato lachte leise und folgte ihm eilig.
»Soll ich Tsuna fragen, was mit ihr los ist?«, wechselte Tobirama das Thema.
Minato sann einen Moment darüber nach. »Wenn es dir nicht zu viele Umstände bereitet.«
»Das tut es nicht«, versicherte Tobirama ihm.
Kurze Zeit später erreichten sie den Hokageturm. Tobirama überließ kurzerhand Minato seinen Pelz und bat nicht darum, dass er ihn zurückhaben könnte. Hiruzen wartete bereits auf sie, und falls er sich wunderte, warum Tobirama es duldete, dass jemand anderes seinen Pelz trug, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Hiruzen hatte anscheinend in der Zwischenzeit weiter an seinen Plänen für die neuen Prüfungen gearbeitet, und während sie noch auf Danzō, Homura und Koharu warteten, begann er bereits davon zu erzählen. Tobirama überließ diese Diskussion größtenteils Minato und Hiruzen. Seine Aufgabe wäre es, für die Sicherheit zu sorgen, sollten diese Pläne wirklich in die Tat umgesetzt werden, aber das konnte warten, wenn es soweit sein würde. Solange machte er nur hin und wieder ein paar Anmerkungen. Grundsätzlich gefiel ihm diese Idee, auch wenn er noch immer einige Bedenken hatte.
Alsbald kamen auch die anderen drei und sie gingen zu den dringenderen Angelegenheiten über.
»Wie Koharu-sama vorgeschlagen hatte, habe ich den daimyō um finanzielle und materielle Hilfe gebeten«, begann Minato. »Jetzt habe ich Antwort von ihm erhalten.«
»Er hat sich aber reichlich Zeit damit gelassen«, sagte Koharu trocken.
»Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam«, brummte Tobirama. »War doch schon immer so.«
»Wohl wahr.« Hiruzen seufzte. Wie immer hatte er sich eine Pfeife angezündet, an der er hin und wieder paffte. »Was schreibt er?«
»Er bittet mich in die Hauptstadt für Verhandlungen.« Minato klang nicht allzu begeistert von der Vorstellung.
»Verhandlungen? Was gibt‘s da zu verhandeln? Wir haben jetzt ein Dorf, das wiederaufgebaut werden muss«, sagte Homura.
Tobirama konnte ihm da nur zustimmen. Er hasste Bürokraten, sie waren eine Pest. Leider kamen sie nicht darum herum.
»Ich weiß, aber es bleibt wohl nichts anderes übrig«, sagte Minato. »Ich plane allerdings auch nicht allein zu gehen, sondern bitte Tobirama, mich zu begleiten. In unserer Abwesenheit ist das Dorf doch immer noch in guten Händen. Nicht wahr?«
Tobirama behielt ein ausdrucksloses Gesicht bei diesen Worten.
»Natürlich, Hokage-sama«, sagte Danzō sogleich und hielt Minatos durchdringendem Blick stand.
Hiruzen sah zu Danzō und schien zu verstehen. »Vielleicht sollte sensei ebenfalls hier bleiben?«
Um ein Auge auf Danzō zu haben, wäre das sicher keine schlechte Idee.
»Ich möchte bei den Verhandlungen nicht gänzlich auf meine Berater verzichten. Bitte sehen Sie es mir nach, aber Sie sind alle nicht mehr die jüngsten und es ist ein langer Weg.« Minato machte eine entschuldigende Geste.
Hiruzen war der einzige, der das anscheinend amüsant fand. Danzō, Koharu und Homura enthielten sich eines Kommentars.
»Meine Leute werden ein paar Tage ohne mich auskommen«, sagte Tobirama nüchtern.
»Und ich werde selbstredend Anweisungen dalassen«, fügte Minato an.
»Wo wir schon von der Anbu reden«, warf Koharu ein. »Sensei, halten Sie es wirklich für einen angemessenen Einsatz der Anbu, wenn sie jetzt nichts weiter als bessere Kindermädchen sind? Natürlich ist Kakashi eine überragende kunoichi, aber gerade deswegen sind ihre Fähigkeiten doch anderweitig sicher sinnvoller angewandt.«
Tobirama sah sie verstimmt an. »Zum Einen weiß wohl immer noch ich am besten, für was ich meine Anbu einsetze, und zum anderen ist Kakashi keine kunoichi.«
Koharu sah ihn fragend an. »Aber natürlich ist sie das. Sie kann sich nennen, wie sie will, aber der Fakt bleibt bestehen, dass sie eine Frau ist.«
»Koharu«, knurrte Tobirama warnend. »Ich verbitte mir, dass du so respektlos über irgendwen redest und am allerwenigsten über meinen Enkel.«
»Natürlich respektiere ich ihren Wunsch, wenn sie auf eine bestimmte Weise angeredet werden will, aber biologische Fakten lassen sich nicht wegdiskutieren, ganz ungeachtet persönlicher Befindlichkeiten«, beharrte sie.
»Koharu-sama, Kakashi ist ein Ninja und er weiß immer noch am besten über sich Bescheid«, warf Minato mit Nachdruck ein. »Wenn Sie so über ihn reden, dann respektieren Sie seinen Wunsch ganz offensichtlich noch immer nicht. So viel Anstand sollten wir alle noch haben, grundlegende Rechte auf Selbstbestimmung zu achten und zu wahren.«
Besonders diese letzte Bemerkung schien Koharu ganz und gar nicht zu schmecken, doch jetzt sagte sie immerhin nichts mehr dazu. Tobirama presste die Lippen aufeinander. Wie respektlos von ihr, das hatte sie garantiert nicht von ihm gelernt. Er war nur froh, dass Kakashi das nicht hatte mit anhören müssen.
»Sensei, sehen Sie mir meine Neugierde nach, aber mir kam zu Ohren, dass Sie ausgerechnet mit den Uchiha zusammen an der Aufarbeitung der Geschehnisse arbeiten«, wandte sich Danzō an Tobirama.
Tobirama hob ob dieser Wortwahl eine Braue. Da Danzō die Ne entzogen worden war, gingen ihn die Details auch nichts mehr an. Wahrscheinlich hatte er dennoch herumgeschnüffelt. »Fugaku ist mir eine große Hilfe, ja.«
»Aber war es nicht so, dass Polizei und Anbu unabhängig voneinander operieren?«
Die Frage war mit einem lockeren Unterton gestellt, und doch verstand Tobirama genau, was Danzō hier eigentlich sagte. »Du brauchst mich ganz sicher nicht an das System zu erinnern, dass ich selbst entwickelt habe.«
»Danzō, du vergisst dich ein wenig«, sagte Hiruzen, und auch in seiner Stimme lag eine leichte, aber unmissverständliche Warnung.
»Ich sage lediglich, dass es seine Berechtigung hat, dass beide Institute solch klar voneinander abgegrenzte Aufgabengebiete haben.« Danzō ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wir sollten diese Gerüchte nicht ignorieren, die davon sprechen, dass die Uchiha etwas mit dem Vorfall zu tun haben.«
Minato sah ihn verstimmt an. »Haltlose Gerüchte, mehr nicht. Fugaku hat mir und meinem Sohn das Leben gerettet, mehr können wir nun wirklich nicht verlangen.«
Danzō ließ das Thema fallen, aber er schien nicht leichtfertig seine Niederlage einzuräumen.
»Eine weitere Sache, die ich besprechen wollte, ist das, was ich von Jiraiya-sensei hörte«, wechselte Minato das Thema. »Er berichtete mir von Unruhen in Amekagure, die beinahe schon bürgerkriegsähnliche Ausmaße annehmen. Die Bevölkerung begehrt gegen Hanzōs Herrschaft auf und die Situation droht zu eskalieren.«
»Und was soll uns das interessieren?«, fragte Koharu. »Ja, wir teilen uns eine Grenze mit diesem kleinen Land, aber trotzdem ist es nicht unsere Sache, was sie innerhalb ihrer eigenen Grenzen machen.«
»Hanzō ist dafür bekannt, auch nicht vor Gewalt zurückzuschrecken, und ich …«, begann Minato.
Tobirama unterbrach ihn. »Was willst du tun? Weltpolizei spielen? Koharu hat Recht. Solange diese Sache uns nicht betrifft, halten wir uns da raus.«
»Aber Uzushio …«, warf Minato ein.
Hiruzen sah betreten zu Boden.
»Das war etwas anderes«, sagte Tobirama. »Das war keine interne Angelegenheit des Landes und hatte zudem sehr wohl Konoha betroffen.«
Minato ließ das Thema nur mit sichtlichem Widerwillen auf sich beruhen. »Da wäre noch die Sache mit den Suna-nin, welche verkleidet als Kumo-nin an der Grenze aufgegriffen wurden.«
Hiruzen horchte auf. »Was wollten sie hier?«
»Es kam nicht zu einer Befragung, sie konnten nur tot gestellt werden.« Minato überging elegant den Fakt, dass Kakashi vorschnell gehandelt hatte. »Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sie versucht hatten, Spannungen zwischen Konoha und Kumo zu erzeugen.«
»Es wäre nicht das erste Mal«, kommentierte Hiruzen.
»Damit ist also bewiesen, dass andere Nationen Konoha sehr wohl ausspionieren«, sagte Danzō. »Ich spreche mich immer noch dafür aus, dass wir Spione in die anderen Dörfer einschleusen sollten. Wie es aussieht, sollte unser besonderes Augenmerk dabei auf Sunagakure liegen.«
»Ich bin weiterhin dagegen«, widersprach Minato. »Es würde nur wieder die Fronten verhärten. Stattdessen möchte ich Sandaime-samas Vorschlag anbringen, die Chūnin-Prüfungen zu öffnen.«
»Und wie soll uns das in irgendeiner Weise von Nutzen sein?«, fragte Homura skeptisch.
Bereitwillig erklärte Minato ihnen, was er und Hiruzen im Sinn hatten. Danzō sprach sich zwar dagegen aus, aber Koharu und Homura waren nach kurzer Diskussion dem Gedanken nicht mehr gänzlich abgeneigt. Zwar sprachen auch sie Sicherheitsbedenken aus, aber Tobirama sagte ihnen, dass das seine Sorge sei.
»Das Projekt in diesen Zeiten anzugehen, würde natürlich auch unsere Stärke demonstrieren«, fügte Minato zum Schluss an. »Es würde allen ganz klar zeigen, dass wir nicht weg vom Fenster sind, ganz im Gegenteil sogar.«
»Das lässt sich in der Tat nicht abstreiten«, räumte Koharu ein. »Ich sage, es ist eine Überlegung wert.«
Damit war vorerst alles besprochen. Minato bedankte sich für ihre Zeit und entließ sie. Tobirama jedoch machte noch keine Anstalten zu gehen, er hatte mit Minato noch etwas im Privaten zu besprechen. Hiruzen sah zwischen Tobirama und Minato hin und her, registrierte den Pelzkragen, den Minato noch immer trug und dachte sich ganz offensichtlich seinen Teil. Dann verabschiedete auch er sich.
Eine verräterische Röte schlich sich auf Minatos Wangen und er tastete nach dem Pelz um seine Schultern, wie als hätte er vergessen, dass er noch da war. »Oh, du meine Güte.«
Tobirama lachte leise. »Saru war mein Schüler, vergiss das nicht.« Dann wurde er wieder ernst. »Minato, ich möchte dich noch etwas fragen. Hast du jemals von einem Jungen namens Tenzō gehört? Vielleicht unter dem Namen Kinoe.«
Minato sann darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Wer soll das sein und warum fragst du?«
»Kakashi erwähnte ihn mir gegenüber und behauptete, er würde Mokuton beherrschen. Ich sagte, das sei unmöglich, aber er beharrte darauf. Er meinte, dieser Junge sei einer von Danzōs Leuten, aber in den Unterlagen, die Danzō mir über die Ne überlassen hatte, fand ich nichts zu ihm.«
Minato runzelte die Stirn. »Wie sonderbar. Meinst du etwas … Denkst du, Danzō verheimlicht uns etwas?«
Tobirama machte ein finsteres Gesicht. »Es mag mir nicht sonderlich behagen, aber der Gedanke kam mir ebenfalls.«
Minato lehnte sich an seinen Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust, während er darüber nachsann. Tobirama trat zu ihm, legte ihm einen Arm um die Hüfte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Minato schmiegte sich an ihn und lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Was würde ich nur ohne dich tun?« Minato seufzte. »Ich mach hier keinen sonderlich guten Job, oder? Du wärst so viel besser als ich.«
Tobirama ergriff sein Kinn und sah ihm fest in die Augen. »Du machst das wunderbar. Denk ja nicht etwas anderes. Dies sind besonders schwere Zeiten und du stehst unter großer Belastung, und dafür machst du das hervorragend.«
Statt einer Antwort nahm Minato sein Gesicht zwischen seine Hände und küsste ihn. Tobirama zog ihn an sich und erwiderte den Kuss. Er vergrub seine Hände in Minatos blondem Haar, und Minato schlang die Arme um seinen Hals, um ihm noch näher zu sein.
»Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe«, raunte Minato und rieb seine Nase an Tobiramas Wange. »Ich könnte singen, tanzen vor Freude. Wären die Zeiten nur schönere.«
Tobirama presste ihn fest an sich. »Ich bin für dich da, komme, was da wolle.«
»Vielleicht …« Minato strich Tobirama über die Brust. »Ich kann zwar nicht wirklich gut singen, aber da gibt es dieses Lied. Wie ging das noch gleich? Ach ja. Freude, schöner Götterfunken, deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt, alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.«
Tobirama musste schmunzeln. »Du weißt, dass das furchtbar kitschig ist?«
»Du hast einfach keinen Sinn für Literatur, so sieht‘s aus.«
Tobiramas Antwort bestand in einem weiteren Kuss. Allzu willig erwiderte Minato ihn.
»Sag, da stehen auch wirklich keine persönlichen Motive dahinter, dass du mich dabei haben willst, wenn du mit dem daimyō sprichst?«, sagte Tobirama neckend, als sie den Kuss schließlich brachen.
Minato rückte dennoch kaum von ihm ab. »Vielleicht ein kleines bisschen«, räumte er grinsend ein. Dann senkte er verschwörerisch die Stimme. »Da gibt‘s aber noch einen Grund. Ich muss dir was gestehen. Der daimyō läd mich zu einer Teezeremonie ein und ich habe keine Ahnung, wie so etwas funktioniert.«
Tobirama hielt ihn auf Armeslänge von sich und sah ihn ungläubig an. »Das ist ein fataler Bildungsmangel.«
»Wozu brauch ich so ein Wissen auch? Und jetzt das. Wie komm ich aus der Sache wieder raus?«
»Gar nicht«, sagte Tobirama bestimmt. »Du bringst deinen besten Kimono und dann kommst du zu mir und ich bringe es dir bei.«
Minato vergrub das Gesicht in seinen Händen und musste lachen. »Du wirst mich jetzt fressen, aber ich habe keinen Kimono.«
Katastrophe! Desaster! Unerhörtheit!
»Das«, sagte Tobirama und bohrte seinen Finger in Minatos Brust, »ist ein Missstand, den wir schnellstmöglich beheben werden.«
Nächstes Kapitel: Tobirama trainiert die Kids.
Kapitel 8: Lektionen fürs Leben
Die Raben in den Bäumen krächzten. Hin und wieder flog eines der Tiere zu einem anderen Ast, um das Geschehen aus einem anderen Winkel zu beobachten. Die mutigeren flogen sogar tiefer und wurden mit mehr Nüssen belohnt. Einige der ganz mutigen kamen sogar beinahe bis auf Armeslänge heran. Itachi warf ihnen bereitwillig noch mehr Erdnüsse zu.
Shisui indes hatte die Spuren im Schnee eingehend studiert. Über Nacht hatte starker Schneefall eingesetzt, und Tobirama hatte die Gelegenheit für eine Übung im Spurenlesen genutzt. Also hatte er Kakashi und Ōkami losgeschickt, und die beiden Kinder sollten nun nachverfolgen, was sie getrieben hatten. Itachi folgte aufmerksam, und die Raben folgten ihm. Tobirama hatte schnell gelernt, dass den Jungen etwas besonderes mit den Tieren verband. Sie waren beinahe allgegenwärtig, wo immer er hinging, und er hatte meist ein paar Erdnüsse für sie in der Tasche. Einige der Tiere folgten ihm gar ein gutes Stück.
Itachi warf noch eine Nuss. Beinahe sofort schnappte sich einer der Raben sie, trug seine Beute zu einem nahen Baum und begann mit dem Schnabel auf die Nuss einzuhacken. Die Erdnüsse zu öffnen, war für die intelligenten Tiere eine Leichtigkeit, und sie liebten die appetitlichen Happen.
»Hm, Kakashi-sans Spur verliert sich hier«, stellte Shisui fest. Sie befanden sich auf einer der viel benutzten Straßen Konohas, zahlreiche Spuren liefen hier durcheinander.
»Ōkami-sans ist noch immer sehr deutlich«, sagte Itachi und deutete auf die großen Wolfstatzen, die sich im Schnee abzeichneten. »Sie scheint hier verharrt zu haben und trat eine Weile auf der Stelle. Ich vermute, sie hat etwas beschnuppert.«
»Gut erkannt«, lobte Tobirama, der hinter den beiden Kindern herlief.
»Aber wir können daraus nicht schließen, ob Kakashi-san sich noch bei ihr befindet«, fügte Shisui an. »Wenn er uns abschütteln will, ist es ihm damit wohl gelungen.«
Tobirama besah sich den Laden, vor dem sie standen. Hier gab es Süßigkeiten zu kaufen. Er ahnte, was Kakashi plante.
»Vorläufig haben wir ein Ziel verloren, aber noch immer ein anderes im Blick«, sagte Itachi und warf noch eine Nuss. »Wir sollten der Spur folgen, die wir noch haben.«
Er blickte Bestätigung suchend zu Tobirama, doch dieser hob die Hände. »Ich beobachte nur. Ihr sollt diesen Fall klären.«
»Na gut, dann los.« Shisui ging voran, Itachi dicht auf. Ein paar der Raben krächzten und flatterten davon.
Sie folgten Ōkamis Spur bis an den Rand des Dorfes. Kurzzeitig sah es so aus, als würden sie auch die Fährte der Wölfin verlieren, aber dann bewies Shisui gute Augen und fand sie wieder. Anders als Itachi hatte Shisui bereits ein Sharingan mit zwei tomoe, was ungewöhnlich jung war. Tobirama konnte Shisui keine große Hilfe bieten mit diesen Augen, hatte aber bereits überlegt, ob er Kakashi darum bitten sollte. Noch zögerte er allerdings. Es war bereits eine große Sache, dass ausgerechnet er sich in die Ausbildung zweier junger Uchiha einmischte, was ihm viele kritische Blicke von Seiten des Clans eingebracht hatte. Er wollte ohne Fugakus Erlaubnis nicht noch mehr Grenzen überschreiten.
Shisui kniete sich in den Schnee, um eine Fußspur genauer zu untersuchen. »Von hier an ist Ōkami-san wieder eindeutig von einer Person begleitet worden. Der Schuhgröße nach zu urteilen, sowie der Tiefe der Spur könnte es auf Kakashi-san passen.«
Sie folgten der Spur bis an den Rand des Waldes. Ōkami war hier zwischen den Bäumen verschwunden, die Fußspur endete jedoch. Die Kinder urteilten aus dem, was sie sahen, dass Kakashi ab hier die Baumpfade gewählt hatte. Sie beschlossen, dass sie sich aufteilten, Itachi sollte weiter Ōkami folgen und Shisui verfolgte Kakashi in den Bäumen.
Sie hatten korrekt geurteilt und zudem ein gutes Auge bewiesen. Itachi konnte die Spuren am Waldboden bereits gut lesen und erkannte abgebrochene Äste, die zu Boden gefallen waren, als Ōkami sie gestreift hatte. Die Spur in den Bäumen zu verfolgen, war wesentlich schwerer, aber Shisui konnte auch das bewältigen.
Weit waren Ōkami und Kakashi nicht gegangen, und sie fanden sie alsbald auf einer kleinen Lichtung. Kakashi hatte sich auf einen Ast gesetzt und auf sie gewartet. Ōkami vertrieb sich die Zeit, indem sie im Schnee spielte. Sie warf sich auf den Rücken und rollte umher. Ihre Beine traten in der Luft. Sie hatte schon immer den Winter geliebt.
Als er sie sah, sprang Kakashi von seinem Ast herab und kam zu ihnen. Er hatte eine Papiertüte bei sich. »Das ging schnell. Hier, das ist für euch.«
Er überreichte den Kindern die Tüte, deren Inhalt sich als mehrere Dango-Spieße herausstellte. Wie Tobirama es sich gedacht hatte. Shisui und Itachi nahmen sie dankend entgegen und verbeugten sich.
»Ihr wart wirklich gut«, lobte Tobirama die Kinder. »Das nächste Mal wird es schwerer.«
»Nidaime-sama, wie unterscheide ich die Spur eines Wolfes von der eines Hundes?«, wollte Itachi wissen. »Mit Ōkami-san war es einfach aufgrund ihrer Größe. Aber wie unterscheide ich einen normalen Wolf von einem großen Hund?«
»Das lässt sich euch leicht zeigen. Kakashi, bitte Pakkun herbei«, sagte Tobirama.
Kakashi tat, wie ihm geheißen, auch wenn Pakkun wie immer nicht allzu erfreut darüber war, sich Ōkami gegenüber zu sehen. Tobirama bat ihn, seine Pfote in den Schnee zu drücken, und Ōkami tat dasselbe. Shisui und Itachi beugten sich über die beiden Abdrücke.
»Anhand eines einzelnen Trittsiegels ist es oft nicht möglich, zu unterscheiden, ob es sich um Wolf oder Hund handelt«, erkläre Tobirama. »Hier seht ihr aber dennoch ein paar markante Unterschiede – abgesehen von dem enormen Größenunterschied. Hundespuren sind oft runder in ihrer Form und die Klauen zeigen in verschiedene Richtungen. Eine Wolfsspur hingegen ist oval und die Krallen zeigen geradeaus. Eine sichere Zuordnung lässt jedoch nur eine länger verlaufende Spur zu. Ōkami, lauf bitte ein Stück.«
Ōkami wandte sich ab und trabte zum anderen Ende der Lichtung.
»Seht genau, wie sie läuft«, sagte Tobirama währenddessen. »Wölfe schnüren, das können Hunde nicht. Das heißt, dass sie in einer nahezu geraden Linie laufen und dabei mit den hinteren Pfoten in die Spuren der Vorderpfoten treten. Dies spart Energie. Auf diese Weise können sie weite Strecken zurücklegen auf der Suche nach ihrer Beute.«
Ōkami kam wieder zu ihnen und rieb ihren Kopf an Tobirama, um sich ein paar Streicheleinheiten zu erbitten. Bereitwillig kraulte er ihren Kiefer. Kakashi entließ Pakkun wieder.
»Nidaime-sama, ich danke für diese Lektion«, sagte Shisui. »Ich habe noch eine Frage, auch wenn sie nicht wirklich etwas hiermit zu tun hat. Aber ich frage mich schon seit einer Weile, warum immer alle darauf bestehen, ich sei ein Junge. Aber das bin ich nicht, ich bin Shisui.«
Tobirama antwortete nicht sofort und sann eine ganze Weile über diese Frage nach. Er hatte nicht das Gefühl, dass er dafür der beste Ansprechpartner sei.
Es war Kakashi, der zuerst sprach. »Weil die Leute immer gern alles in Boxen packen. Menschen sind halt so, sie wollen immer alles ordentlich in Schubladen quetschen, ohne darauf zu achten, ob es auch wirklich passt. Also sehen sie dich an und urteilen, dass du ein Junge bist, und bei mir behaupten sie, ich sei eine Frau, ohne uns überhaupt erst einmal zu fragen, was wir davon halten.«
»Aber warum tun sie das?«, fragte Shisui weiter.
Ja, warum taten sie das? Tobirama ging auf, dass er diese Frage nie gestellt hatte.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Erziehung, Sozialisation, irgendwas in unseren Hirnen, das immer alles in Kategorien packen will. So genau weiß ich das auch nicht. Manche behaupten gar, Geschlecht sei ein biologischer Fakt, aber das ist Blödsinn. Die fragen gar nicht erst andere Leute, wie die sich selber sehen, sondern zwingen denen eine Identität auf, die sie gar nicht sind. Solche Leute kannst du getrost aus deinem Leben werfen, die braucht niemand.«
Itachi legte den Kopf schief und sann darüber nach. Einer der Raben hatte ihn wiedergefunden und setzte sich krächzend in einem nahen Baum auf einen Ast. Beiläufig warf der Junge dem Tier eine Nuss zu. Sie war kaum auf dem Boden aufgekommen, da hatte der Rabe sich seinen Happen schon geschnappt.
»Aber wenn Geschlecht kein biologischer Fakt ist, was macht mich dann zu einem Jungen und Shisui nicht?«, fragte Itachi dann.
»Das musst du Shisui fragen, nicht mich«, sagte Kakashi. »Ich kann für Shisui nicht festlegen, was Shisuis Identität ausmacht. Aber allgemein lässt sich sagen, dass Geschlecht vor allem ein soziales Konstrukt ist. Frauen werden anders behandelt als Männer und nichtbinäre Identitäten werden von viel zu vielen Leuten noch immer belächelt und als Einbildung abgetan. Es wird erwartet, dass Frauen sich auf eine bestimmte Weise kleiden und Männer auf eine andere, und wenn jemand da mal ausbricht, dann reagieren die meisten darauf mit Irritation. Das ist der gesellschaftliche Aspekt und nichts davon hat auch nur im Entferntesten irgendwas mit Geschlechtsorganen zu tun.«
Itachi ließ diese Worte einen Moment lang auf sich wirken. »Was macht mich dann zu einem Jungen?«
»Das schreibt dir niemand vor«, sagte Kakashi. »Das kannst du für dich selbst bestimmen. Wenn es sich richtig anfühlt, dann passt‘s halt, und wenn nicht, dann such dir etwas, das besser passt.«
Was machte Tobirama eigentlich zum Mann? Noch so eine Frage, die er nie gestellt hatte. Es war das, was seine Eltern ihm bei seiner Geburt zugeschrieben hatten, und er hatte es niemals hinterfragt. Vielleicht sollte er es tun.
»Ich will einfach nur Shisui sein«, sagte Shisui. »Es ist komisch, dass Frauen kochen sollen und Männer arbeiten und dass sie sich auf eine bestimmte Weise kleiden sollen statt auf die Weise, die ihnen am besten gefällt.«
»Ja, ich finde auch, dass das Konstrukt Geschlecht als ganzes abgeschafft gehört. Aber wir als Gesellschaft sind da noch weit von entfernt.« Kakashi grub die Hände in die Hosentaschen.
»Was müssten wir tun, um das abzuschaffen?« fragte Shisui.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Eine Revolution.«
Ōkami rieb ihren Kopf an ihm. »Immer einen Schritt nach dem anderen. Jeder Mensch soll so sein dürfen, wie er will, und wenn jemand euch deswegen anfeindet, dann schickt ihn zu mir und ich fresse die Person.«
Das brachte Shisui und Itachi zum Kichern.
»Ihr lacht, aber sie meint das genau so«, sagte Kakashi toternst.
Als wolle sie seine Worte bestätigen, knabberte sie ihm an den Haaren.
»Geht nach Hause«, sagte Tobirama den Kindern. »Ihr habt euch wirklich gut geschlagen, die Lektion ist für heute beendet.«
Shisui und Itachi verbeugten sich vor ihm, bedankten sich für seine Mühen und gingen dann davon, noch immer die Dango naschend, die Kakashi ihnen gegeben hatte. Langsamer folgten Tobirama, Kakashi und Ōkami, als auch sie sich auf den Heimweg machten.
»Heute habe ich etwas von dir gelernt«, sagte Tobirama zu Kakashi. »Das waren Dinge, über die ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte.«
Kakashi antwortete nicht sofort und sah in die Richtung, in der Shisui und Itachi verschwunden waren. »Menschen wie Shisui oder sensei haben es in dieser Gesellschaft schwer, weil sie mit ihrer bloßen Existenz die Idee anfechten, man könne Menschen einfach so in kleine, eng definierte Boxen quetschen. Dass es nur Mann und Frau gäbe und man auch immer nur am anderen Geschlecht interessiert wäre.«
»Wenn überhaupt.« Tobirama war mit dieser Problematik nie direkt konfrontiert worden, weil er ihr einfach nie viele Gedanken gewidmet hatte. Er hatte eine Frau und ein Kind und damit hatten die meisten wohl angenommen, er würde in ihre Boxen passen. Für ihn war es nie wichtig genug gewesen, dieses Konzept anzufechten, aber er verstand, dass es viele Menschen gab, die unter einer solchen Fremdzuweisung litten.
Kakashi sah zu ihm auf. »Es gibt wohl ebenso viele Beziehungskonzepte und Identitäten, wie es Menschen gibt.«
Als sie daheim ankamen, wartete der Schneider bereits auf sie, den Tobirama für diesen Tag hierher beordert hatte. Tsunade hatte den Mann eingelassen und ihm Tee zum Aufwärmen gegeben. Der Mann hatte eine ganze Reihe von Kisten und Koffern mitgebracht, die nun im Zimmer ausgebreitet lagen. Einige davon hatte er bereits geöffnet und eine Sammlung von wertvollen Stoffen für Kimono enthüllt.
Kakashi besah sich das alles skeptisch. »Warum noch einmal muss ich da auch mitmachen?«
Tobirama hatte es auf sich genommen, sowohl Minato als auch Kakashi einen Sinn für angemessene Kleidung zu vermitteln. Minato als Hokage musste in der Lage sein, sich und damit auch das Dorf in angemessener Weise zu repräsentieren. Und was Kakashi anging …
»Du bist mein Enkel, darum«, sagte Tobirama knapp.
Kakashi maulte seinen Unmut, aber Tobirama zeigte keine Gnade. Tsunade hatte das ganze in der Tür gelehnt beobachtet und grinste breit.
»Tja, Kakashi, da mussten wir alle durch«, kommentierte sie.
Kakashi warf ihr einen pikierten Blick zu.
»Sollen wir mit dem jungen Mann anfangen, während wir noch auf Hokage-sama warten?«, fragte der Schneider.
Tobirama schob Kakashi nach vorn und lieferte ihn seinem Schicksal aus.
Der Schneider hatte bereits anhand der Maße, die Tobirama ihm übermittelt hatte, mehrere Kimono vorbereitet, die sie nun nacheinander durchprobierten. Kakashi hatte natürlich an allen etwas auszusetzen, bis der Schneider es schaffte, die Form seiner Hüften zu kaschieren. Dann war Kakashi dem plötzlich nicht mehr gänzlich abgeneigt.
»Ich seh aus, als würde ich zu einer Galaveranstaltung gehen«, schimpfte er dennoch. »Ich dachte, es geht ums Tee trinken.«
Tobirama sah ihn streng an. »Sadō ist weit mehr als nur Tee trinken, Junge.«
Kakashi seufzte übertrieben.
Ōkami, die bis jetzt an ihrem üblichen Platz am Feuer gelegen hatte, richtete die Ohren auf. Ihre Nase nahm Witterung auf. »Minato kommt.«
Tsunade regte sich. »Ich, äh, geh mich mal eben umziehen. Ich wollte mit Jiraiya noch einen trinken gehen.«
Dann ging sie. Tobirama hätte es beinahe als fluchtartig bezeichnet. Was beschäftigte sie so, dass sie Minato offenkundig aus dem Weg ging? Es hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, wo er mit ihr darüber hätte sprechen können.
Er verschob die Frage auf später und ließ Minato ein. Minato hatte wie immer Naruto bei sich, den er dick in warme Winterkleidung und eine Decke eingepackt hatte. Das Baby lächelte, als es Tobirama sah, und unwillkürlich musste er das Lächeln erwidern. Er streckte die Hand aus und strich mit dem Finger über die runden Pausbacken. Naruto lachte und zappelte in seinem Kokon.
»Hallo, Naruto-chan. Bist du schon wieder größer geworden?«, begrüßte Tobirama ihn.
»Es ist erschreckend, wie schnell er wächst«, sagte Minato, während Tobirama ihn einließ und ihm Naruto abnahm, damit er seine Jacke ausziehen konnte. »Gefühlt geht er nächste Woche schon zur Akademie.«
Minatos Wangen und seine Nase waren gerötet von der kalten Winterluft. Einer Intuition folgend beugte sich Tobirama vor und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Minato reagierte mit einem leisen Lachen.
»Sag, was du willst, aber du bist niedlich«, neckte er.
»Blödsinn«, widersprach Tobirama. »Niedlich ist kein Wort, das auf mich passt. Du bist niedlich, aber nicht ich.«
Minato gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er sich zum Gehen wandte. »Wenn du meinst.«
»Ja, meine ich«, knurrte Tobirama ihm hinterher und folgte ihm.
Kakashi ließ sich noch immer von einem der Modelle überzeugen, die der Schneider ihm mitgebracht hatte. Gerade probierte er einen dunkelblauen Kimono mit weißen Streifen und dazu passendem schwarzen haori. Kritisch besah er sich in dem Standspiegel, den Tsunade noch zuvor in den Raum gebracht hatte.
»Wenn ich dir einen Rat geben darf, dann nimm den«, sagte Tobirama.
»In der Tat«, sagte der Schneider. »Senju-sama, Sie haben ein gutes Auge. Junger Herr, dieser Kimono ist aus feinster Wolle und mit einer besonderen Technik in Schlamm gefärbt. Heute beherrscht nur noch eine Familie diese Jahrhunderte alte Technik, das macht diese Kimono so besonders wertvoll.«
Kakashi sah skeptisch an sich herab. »Und wie viel soll der Spaß kosten?«
»Am Geld soll es nicht scheitern, das habe ich dir doch schon gesagt«, erinnerte Tobirama ihn.
Natürlich würde das hier ein kostspieliges Vergnügen werden. Tobirama war froh gewesen, dass der Schneider, den er noch von früher kannte, noch existierte, obgleich nun dessen Sohn, mittlerweile ebenfalls ein alter Mann, das Familiengeschäft übernommen hatte. Tobirama wusste, dass diese Familie etwas von ihrem Fach verstand, immerhin hatte Mito, die immer großen Wert auf Kimono von Qualität gelegt hatte, bei ihnen ihre Kimono anfertigen lassen.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Dann wird‘s halt der.«
»Wunderbar!«, sagte der Schneider und zupfte sogleich am Kimono, um seinen Sitz zu korrigieren und notfalls noch ein paar Nachbesserungen vorzunehmen.
»Ein bisschen mehr Elan, Junge«, rügte Tobirama.
»Juchu«, sagte Kakashi trocken.
Der Schneider präsentierte ihnen verschiedene haori himo und Tobirama half Kakashi, ein passendes Band auszuwählen. Kakashi zupfte ein wenig am obi und besah sich noch einmal im Spiegel.
»Du siehst toll aus, Kakashi«, sagte Minato.
Kakashi warf ihm einen kritischen Blick zu und murmelte: »Wenigstens muss ich das nicht allein über mich ergehen lassen.«
Während nun also Minato mehrere Kimono anprobierte, die der Schneider ihm mitgebracht hatte, ging Tobirama selbst nach oben, um sich umzukleiden. Tsunade hatte sich in der Zwischenzeit aus dem Haus geschlichen. Als er wieder zu ihnen kam, fragte Kakashi Tobirama, wie er den Kimono ohne die Hilfe einer anderen Person anzog, und Tobirama zeigte es ihm. Minato hatte sich immer noch nicht entscheiden können.
»Es gibt so viele Möglichkeiten«, jammerte er, während er gerade vor einem Kimono aus schwarzen Stoff und einem aus teebraunem kniete. Beide waren sie aus dicken Stoff gefertigt, also geeignet für den Winter.
»Nimm den schwarzen«, riet Tobirama ihm.
Minato sah zu ihm auf. Tobirama hatte sich für eine komplett schwarze Garderobe entschieden. Nur der Juban, der am Kragen hervor schien, und das haori himo waren weiß. Für eine Teezeremonie ohne besonderen Anlass wirklich etwas zu viel, aber immerhin machten sie das hier, um schließlich so vor den daimyō zu treten, und dafür war das mehr als angemessen.
»Schwarz sieht so … trist aus«, kommentierte Minato skeptisch.
»Es ist aber auch der formalste Stil«, erwiderte Tobirama unnachgiebig. »Du willst dem daimyō nicht in Alltagskleidung gegenüber treten.«
»Nichts hiervon ist etwas, dass ich jeden Tag tragen würde.« Zu Tobiramas Missfallen entschied sich Minato dann doch für den teefarbenen Kimono und wählte dazu auch noch einen haori in einem satten Ockerton. Der helle Obi war mit einem geometrischen Muster bestickt.
»Das ist erstaunlich warm«, stellte Minato fest. »Für den Sommer ist das nichts, oder?«
»Natürlich nicht«, betonte Tobirama. »Im Sommer trägt man ganz andere Stoffe und Muster.«
»Und da wird mir das schon zu kompliziert«, warf Kakashi trocken ein.
Tobirama warf ihm einen finsteren Seitenblick zu.
»Nun mach doch kein Gesicht, als hättest du auf eine saure Zitrone gebissen.« Minato lachte. »Das sieht doch gut aus an mir, oder? Ungewohnt, aber mir gefällt‘s.«
»Du musst dich noch für ein kamon entscheiden«, sagte Tobirama. »Das wird auf den haori angebracht. Siehst du, wie hier bei mir. Hat deine Familie so etwas?« Als Minato verneinte, fügte er an: »Dann rate ich dir zum Wappen von Konoha. Und du, Kakashi, musst dich auch noch entscheiden, ob du das Wappen der Senju oder Hatake tragen willst.«
Das war jedoch eine Angelegenheit für später. Jetzt wollten diese neuen Kimono erst einmal richtig anprobiert werden, die Finanzen würden hinterher abgewickelt werden. Tobirama führte Kakashi und Minato zu dem Teehaus, das er früher immer mit seinem Bruder genutzt hatte, und das erfreulicherweise noch existierte. Minato nahm Naruto mit, Ōkami jedoch blieb daheim am warmen Herd.
»Du weißt auch nicht, wohin mit deinem Geld«, kommentierte Kakashi auf dem Weg.
Tobirama schnaubte. »Lern erst einmal, richtig zu laufen.«
Minato zupfte am Saum seines neuen Kimono. »Das ist in der Tat gewöhnungsbedürftig. Ich habe das Gefühl, dass ich mich kaum bewegen kann.«
Auf dem Weg gab Tobirama ihnen ein paar Tipps und erklärte ihnen die Etikette, wie man sich in einem Kimono zu bewegen hatte. Der Weg war nicht weit, das Teehaus stand in Hashiramas alten Spielplatz, wie sie das Waldstück immer genannt hatten. Hashirama hatte hier über die Jahre eine ganze Landschaft wachsen lassen und mit seinem Mokuton experimentiert. Tobirama war amüsiert zu hören, dass das Gelände nun der Senju-Park genannt wurde und ein öffentlicher Park war.
Die Bäume raschelten träge und verschlafen mit ihren kahlen Ästen, obwohl kaum ein Wind wehte, als Tobirama an ihnen vorbei ging. Er lächelte wehmütig. Sie erkannten ihn noch immer.
Alsbald schon erreichten sie das Teehaus. Noch immer hatte es seinen eigenen kleinen Garten, der sich in die Landschaft darum herum hinein schmiegte und doch seinen eigenen Bereich bildete.
»Dies ist der roji, der Pfad, der zum chashitsu führt«, sagte Tobirama. »Von hier an beginnt sadō. Der Pfad steht symbolisch für das bewusste Abstreifen den Alltags, Standesunterschiede spielen hier keine Rolle mehr. Daher wird der Raum auch auf Knien betreten.«
Er erklärte ihnen die Abläufe, wie die Gäste einer Teezeremonie den Teeraum betraten und wie sie sich dabei zu verhalten hatten. Schon vor einiger Zeit hatte er einen Doppelgänger vorgeschickt, der alles vorbereitet und den Raum beheizt hatte, sodass er nun keine Zeit mehr darauf verwenden musste, wie er es getan hätte, wenn sie das hier nicht zu Übungszwecken machen würden.
Minato stibitzte sich Tobiramas Pelzkragen. Tobirama wollte schon protestieren, doch dann sah er, was Minato damit vorhatte, und er blieb stumm. Minato hatte Naruto auf das weiche Fell gebettet und ihm so ein kleines Nest daraus gebaut, in dem Naruto in einer Ecke im Teeraum ruhen konnte. Das Baby war sichtlich angetan von seinem neuen kuscheligen Bett. Tobirama schmunzelte.
Kakashi bekam den ersten Klaps auf die Finger mit Tobiramas Fächer, als er beim Betreten des Raumes zu früh wieder aufstehen wollte. Pikiert sah er zu Tobirama auf. »Soll ich jetzt wirklich auf den Knien rumrutschen?«
»Ja, sollst du«, brummte Tobirama. »Und du kniest dich nicht richtig hin. Du musst mit der rechten Hand von links nach rechts über deine Knie streichen, damit der Stoff keine Falten wirft. Und fuchtel nicht so mit den Händen herum. Wenn du sie schon heben musst, dann halt wenigstens den Ärmel fest, damit er nicht zurückrutscht.«
Kakashi seufzte theatralisch.
Tobirama hatte in der Tokonoma einen Bonsai präsentiert. Kakashi schien irritiert von dem Gebrauch, sich vor der Dekoration und auch dem bereits bereitstehenden Wassergefäß zu verbeugen, leistete aber Folge. Dieses Mal war es allerdings Minato, der einen Klaps mit Tobiramas Fächer kassierte. Er zuckte zusammen und sah kleinlaut zu Tobirama auf.
»Ist das seiza?«, wollte Tobirama wissen. »Hat man dir nicht einmal das beigebracht? Rechte über linke Zehe und nicht so wo im Raum. Und du, Kakashi, hältst den Rücken gerade und den Kopf aufrecht. Hier wird nicht gelümmelt.«
Kakashi beugte sich zu Minato hinüber und wisperte laut genug, dass Tobirama ihn sehr wohl verstand: »Er ist anstrengend, oder?«
Minato war im Begriff zu nicken, überlegte es sich allerdings unter Tobiramas strengem Blick rasch anders.
Tobirama reichte statt einem vollen Mahl nur einige Senbon, zu Demonstrationszwecken reichte das. Dankbarerweise war Naruto indes eingeschlafen. Tobirama hatte schon befürchtet, dass das Baby genau jetzt entscheiden könnte, seiner lebhaften Natur nachzugehen und sich lautstark an der ganzen Sache zu beteiligen. Eigentlich hatten Babys bei einer solche Zeremonie nichts zu suchen, aber er hatte ja auch nicht vor, eine tatsächliche Zeremonie durchzuführen.
Minato und Kakashi verfolgten aufmerksam, wie er die Teeutensilien in den Raum trug und sie mit den vorgeschriebenen harmonischen Gesten reinigte. Er tat alles mit Bedacht, denn obgleich das hier nur eine Übung war, war das kein Grund zur Nachlässigkeit. Es war eine gute Gelegenheit, das, was draußen war, für einen Augenblick völlig fallen zu lassen.
Während er den Tee zubereitete, erklärte er, wie die Gäste sich dabei zu verhalten hatten und mit welchen Gesten sie den gereichten Tee entgegen nahmen. Kakashi sah etwas irritiert auf die Schale in seinen Händen, nachdem Tobirama ihm soeben erklärt hatte, wie er sie zu halten hatte.
»Das ist … eine ganz normale Keramikschale mit einem Sprung«, stellte er fest.
Tobirama mahnte sich zur Geduld. War die Jugend dieser Tage wirklich so ignorant oder war er einfach nur mit einem vorlauten Enkel gestraft?
»Ja und nein. Du nimmst dir die Zeit, alles angemessen zu betrachten und zu würdigen. Jedes Stück ist ein Kunstwerk. Das ist eben nicht nur irgendeine chawan. Sie war mir einmal heruntergefallen, also hatte ich die Scherben mit Goldlack wieder zusammengefügt. Indem du dir Zeit nimmst, die Utensilien zu betrachten, würdigst du die Individualität jedes einzelnen davon.«
Minato schien von dem ganzen wesentlich faszinierter und verfolgte eifrig alles, was Tobirama ihnen sagte. Hin und wieder war er etwas voreilig, und Tobirama musste ihn daran erinnern, dass er seinen Tee eben nicht sofort in einem Zug leerte.
Als der Tee schließlich gereicht worden war, reinigte Tobirama die Utensilien erneut und reichte dann die Teedose und den Bambuslöffel an Minato und Kakashi weiter, ehe er ihnen erklärte, worauf sie zu achten hatten. Mit skeptischem Blick hielt Kakashi den Bambuslöffel hoch.
»Das ist ein Stück Bambus. Du sagst mir also, ich soll jetzt ganz fasziniert ein Stück Bambus anschauen?«
Tobirama durchbohrte ihn mit seinem Blick. »Das ist ein chasahku, und wenn ich dir sage, dass du dir den chashaku anschaust, dann schaust du ihn dir an.«
Kakashi erwiderte den Blick gelassen. Verdammt, er entwickelte wirklich eine Resistenz dagegen. Das war nicht gut.
»Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob ich das alles jemals richtig hinbekommen werde«, zog Minato sein Schlussrésumé. »Wann ich mich wann wie zu verbeugen habe und all das.«
»Einfach immer, sensei. Einfach immer«, kommentierte Kakashi.
Tobirama atmete tief durch. »Dann werden wir das eben noch ein paar Mal machen, bevor wir aufbrechen.«
Sie hatten mittlerweile den Reiseplan erstellt. Tobirama würde natürlich Minato begleiten, um ihm beratend zur Seite zu stehen. Ebenfalls würden Raidō, Genma und Iwashi mitkommen, schließlich konnte Tobirama seine Augen nicht überall haben. Und Kakashi war auch mit dabei, um auf Naruto aufzupassen. Er schien sich mit seiner neuen Rolle als Babysitter angefreundet zu haben und ganz zufrieden damit zu sein.
»Ich habe meine alten Kontakte überprüft, und sie haben noch Bestand«, eröffnete Tobirama. »Das heißt, dass ich euch beide auch zu einem Abend im hanamachi einlade. Chios angestammtes ochaya, das Ichiriki, hat noch immer geöffnet.«
»Ist das nicht dieses ausgesprochen exklusive Teehaus?«, wollte Minato wissen. »Ich meine, schon einmal davon gehört zu haben.«
»Das ist es und ich stehe auf der Gästeliste. Ich habe eine Empfehlung für euch ausgesprochen.«
»Muss ich da auch die ganze Zeit auf den Knien herumrutschen?«, fragte Kakashi skeptisch.
»Nein, ein Besuch in einem ochaya ist nicht so stark ritualisiert«, erwiderte Tobirama. »Das heißt aber dennoch nicht, dass du die Maiko-san und Geisha-san nicht mit dem ihnen zustehenden Respekt behandeln wirst.«
Minatos Augen leuchteten vor Begeisterung auf. »Oh, das wird aufregend!«
»Aber bis dahin«, Tobirama deutete mit seinem Fächer auf ihn, »werdet ihr das hier richtig lernen.«
Es war in gewisser Weise eine Androhung und Tobirama hatte auch vor, dieser Taten folgen zu lassen. Vorerst jedoch waren sie hier fertig. Er räumte alles zusammen, dann begaben sie sich auf den Rückweg. Stillschweigend überließ Tobirama seinen Pelz Minato. Daheim angekommen, klärte Tobirama mit dem Schneider alles weitere, und dann war es auch schon früher Abend. Naruto war bereits fest eingeschlafen und wachte nur noch einmal kurz auf, um sein Abendessen einzufordern. Tsunade ließ sich noch immer nicht blicken, also beschloss Tobirama, dass sie eben ohne sie essen würden. Hatte sie nicht ohnehin gesagt, dass sie mit Jiraiya ausgehen wollte? Vielleicht besaß er ein wenig Anstand und lud sie zum Essen ein.
Minato jedenfalls fragte mittlerweile gar nicht mehr, ob er denn bleiben dürfe. Er tat es einfach, und Tobirama hatte nichts dagegen einzuwenden. Kakashi beschloss, an diesem Tag früh zu Bett zu gehen, doch Tobirama und Minato stand noch nicht der Sinn danach. Ganz im Gegenteil, die Aussicht auf einen Besuch im hanamachi hatte in Tobirama die Lust geweckt, wieder einmal zu seinem Shamisen zu greifen. Es war nun schon einige Monate her.
»Du kannst das spielen?«, fragte Minato erstaunt, als Tobirama das Instrument brachte.
Er nickte. »Chio hat es mir beigebracht. Sie war immer viel besser als ich, aber für ein privates Vergnügen reicht es.«
Das Instrument war natürlich weitaus länger als nur ein paar Monate nicht bespielt worden, aber um die Pflege hatte er sich schon vor Wochen gekümmert. Jetzt musste er es nur noch stimmen. Das einzige Problem jedoch waren seine fehlenden Finger. Mit nur noch einem Glied des Mittelfingers und einem komplett fehlenden Ringfinger an seiner linken Hand war es schwer, die Noten richtig zu greifen. Er kniete sich an das Herdfeuer und versuchte zu Beginn ein paar einfache Lieder, aber selbst die erwiesen sich als ungeahnt schwierig mit seiner Einschränkung. Minato setzte sich zu ihm und lauschte ihm dennoch gespannt, obwohl er sich so manches Mal verspielte.
»Jetzt mach doch nicht so ein ernstes Gesicht dabei.« Minato schmunzelte.
Tobirama jedoch runzelte die Stirn. »So wird das einfach nichts.«
»Mehr, als ich mit zwei ganzen Händen hinbekomme.«
Es würde vielleicht besser gehen, wenn er das Instrument anders herum hielte, aber das erforderte eine ganze Menge Umdenken. So, wie es aussah, wäre das noch etwas auf seiner langen Lise der Dinge, die einfach nicht mehr so gingen, wie er das gern hätte. Er versuchte es dennoch, auch wenn er sich andauernd verspielte. Minato aber schien sich daran nicht zu stören und lauschte gebannt, als hätte er nie etwas besseres im Leben gehört.
»Ich bin fasziniert davon, welch neue Seiten ich ständig an dir entdecke«, sagte er irgendwann. »Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass du doch einen Sinn für Kunst hast.«
Tobirama schnaubte, und Minato lachte leise.
»So ist das eben, wenn man mit einer Geisha verheiratet war.«
Die Vergangenheitsform zu verwenden, schmerzte noch immer. Zu wissen, dass er sich nie von ihr hatte verabschieden können. Dass sie lange vor ihrer Zeit gestorben war in dem Glauben, dass er ebenfalls tot sei.
Minato lehnte seinen Kopf an Tobiramas Schulter. »Du musst mir mehr von ihr erzählen. Wie es kam, dass du ausgerechnet eine Geisha geheiratet hast. Ich hatte irgendwie immer angenommen, deine Frau sei ebenfalls eine kunoichi.«
»Nein, das war sie nicht. Miyazaki übrigens auch nicht.«
»Ach? Wirklich?«
»Ja, in der Tat. Sie hatte zwar mit Hashirama trainiert und hatte von ihren Eltern ein so starkes Chakra geerbt, dass sie, wenn sie es darauf angelegt hätte, mit Sicherheit den Rang eines Jōnin hätte bekleiden können. Aber sie wollte nicht. Ihre Leidenschaft war die Gärtnerei.«
Nur dass Miyazaki nie Hashiramas Tochter gewesen war. Tobirama hatte diese Neuigkeit noch immer nicht so wirklich verarbeiten können und auch mit niemandem darüber geredet. Er musste erst einmal damit mit sich selbst im Reinen werden.
»Hat Shodai-sama den Garten hinter deinem Haus wachsen lassen?«, fragte Minato weiter.
»Nein, den haben wir auf ganz herkömmliche Weise angelegt. Anija hätte das natürlich auch alles wachsen lassen können, aber ihm hatte es Freude bereitet, den ganzen Frühling und Sommer über bis in den Herbst hinein im Dreck zu buddeln. Er fing schon im Februar an, Salat, Tomaten, Gurken und eine Menge anderes Gemüse zu ziehen und dann stand immer das ganze Haus voll mit den Setzlingen, die, sobald es warm genug wurde, ausgebracht werden wollten. Und Mitos Erdbeeren, die sich jedes Jahr ein Stück mehr ausbreiteten. Spätestens im Juli wussten wir nicht mehr, wohin mit all den Erdbeeren, also hat Mito Marmelade aus ihnen gemacht und wohl das halbe Dorf damit versorgt.«
»Ich weiß.« Minato schmunzelte. »Manchmal habe ich Kushina hier besucht, und jedes Mal gab es Marmeladenbrote. Ich war ein fürchterlich schüchterner Jugendlicher und wäre beinahe gestorben, als Kushina eines Tages nach einem unsere Dates meinte, mich mit zu sich nach Hause zu schleppen – sie hatte ja hier bei Mito-hime gewohnt, als sie ins Dorf gebracht worden war. Aber dann hatte Mito-hime mir ihre selbstgebackenen Kekse und ihre Marmeladenbrote gegeben und das hatte das Eis irgendwie gebrochen. Ich durfte erst wieder gehen, als ich mindestens die Hälfte meines eigenen Gewichts in Süßgebäck gegessen hatte.«
Tobirama lachte trocken auf. Das klang ganz nach Mito.
Minato kuschelte sich fester an ihn. »Scheint so, als würde ich dem wohl doch nicht entkommen.«
Tobirama legte das Shamisen zur Seite und strich Minato über sein Haar. Minato streckte sich, um ihn zu küssen, und Tobirama zog ihn fest an sich.
So fand sie Tsunade. Mit einem vernehmlichen Klacken schob sie die shōji-Tür auf. Erschrocken zuckte Minato zusammen und rückte eilig von Tobirama ab. Er wurde rot bis unter die Haare. Tsunade stand in der Tür und machte einen ganz und gar nicht zufriedenen Eindruck. Betrunkene Röte lag auf ihren Wangen und ihr Blick war ein wenig glasig. Sie sagte kein Wort.
Verlegen stand Minato auf und schob sich an ihr vorbei. »Ich, äh … ich schau mal nach Naruto.« Dann trat er die Flucht nach vor an.
Tsunade blieb wo sie war und wandte ihren Blick Tobirama zu. »Ihr braucht gar nicht so überrascht zu tun. So, wie ihr euch die ganze Zeit anstarrt, war‘s ja offensichtlich.«
Obwohl sie eindeutig einen Sake oder zwei zu viel hatte, war ihre Stimme noch immer fest.
Tobirama stand auf und trat zu ihr. »Tsunade …«
»Ist er nicht ein bisschen jung für dich?«, unterbrach sie ihn.
Er musterte sie eingehend. »Wir sind beide konsensfähige Erwachsene, also sehe ich da kein Problem.«
»Sind ja nur dreizehn Jahre. Die vierzig Jahre, die du dir gespart hast, nicht mit einberechnet.«
»Tsunade.« Dieses Mal lag eine Warnung in seiner Stimme. »Du sagst mir jetzt, warum du ein Problem mit Minato hast.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ganz so, wie er das sonst immer gern tat. »Ich? Ein Problem? Warum sollte ich?«
»Du gehst ihm eindeutig aus dem Weg.«
»Ich bin nicht diejenige, die hier gerade fluchtartig den Raum verlassen hat.«
»Aber all die anderen Male.«
»Es gibt halt Menschen, mit denen ich überhaupt nicht klar komme«, knurrte sie. »Muss ich jede Person auf der ganzen Welt mögen und braucht es einen Grund, wenn ich es nicht tue?«
Er brummte unwirsch. Es war schon spät und eigentlich wollte er diese Diskussion jetzt nicht führen. Tsunade schien es da wohl ebenso zu gehen. Widerwillig ließ er das Thema fallen.
»Na schön. Aber das ist noch nicht aus der Welt.«
»Ich wünsche ebenfalls eine geruhsame Nacht, Onkel.«
Wenn sie das nicht bald klären konnten, konnte sich das noch zu einem ernsthaften Problem auswachsen. Tobirama sann noch lange darüber nach, nachdem er zu Bett gegangen war, und kam doch nicht zu einer Antwort.
Später in der Nacht schlich sich Minato zu ihm und schlüpfte unter seine Decke. Wenn er es sich recht überlegte, wollte Tobirama jetzt auch eigentlich auch an nichts anderes als den Mann in seinen Armen denken. Er schlief ein.
Nächstes Kapitel: Fluff. Nichts als Fluff.
Kapitel 9: Onsen
Tobirama war froh, dass er auf Ōkami saß. In wohlweislicher Voraussicht war er nicht von ihrem Rücken gestiegen, als sie die Stadt betreten hatten. All diese Menschen und Geräusche und Gerüche, es machte ihn wahnsinnig. Und diese elende Stadt war in den vierzig Jahren, die er verpasst hatte, auch noch enorm gewachsen. Überall blinkten Lichter und alle redeten laut durcheinander und hetzten aneinander vorbei. Es war schrecklich chaotisch.
Minato schien das nicht zu beeindrucken. Ganz im Gegenteil erweckte er gar den Eindruck, ihm würde das gefallen. Auf ihrem Weg zum Palast des daimyō sah er sich mit leuchtenden Augen um und schien jedes noch so kleine Ding furchtbar faszinierend zu finden. Ōkami musste ihn von Zeit zu Zeit mit der Schnauze anstupsen, um ihn daran zu erinnern, dass sie immer noch ein gutes Stück zu laufen hatten. Auf ihren Rücken wollte sie ihn allerdings noch immer nicht lassen, gut möglich also, dass sie ihn bald schon einfach am Kragen packte und mit sich schleifte, ob er nun wollte oder nicht. Kakashi war weise genug, für diesen Fall einen gewissen Abstand zwischen sich und Ōkami zu halten und Genma, Raidō und Iwashi blieben sowieso in ihrer Funktion als Minatos Wächter im Hintergrund.
Vor einigen Tagen schon hatten sie Konoha verlassen und waren die Reise in die Hauptstadt angetreten, um mit dem daimyō über die Hilfen zu verhandeln, die sie für den Wiederaufbau des Dorfes benötigten. Minato war immer noch erbost darüber, dass es da überhaupt etwas zu verhandeln gab, und er für so etwas das Dorf in einer solch kritischen Zeit verlassen musste. Sie hofften, diese Angelegenheit möglichst schnell hinter sich bringen zu können, sie hatten wichtigeres zu tun.
Insgeheim musste sich Tobirama allerdings eingestehen, dass er sich doch ein wenig darauf freute, zumindest für ein paar Tage Minato für sich allein zu haben, weit weg von den neugierigen Augen der Dorfbewohner. Manchmal konnte es eben doch ein wenig lästig sein, stets im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.
Man schien sich im Palast seiner noch zu erinnern, die Neuigkeit, was ihm zugestoßen war, hatte sich also bis hierher verbreitet. Die Bediensteten wirkten jedoch ein wenig verwirrt ob des angemessenen Protokolls. Sollten sie nun ihn oder Minato bevorzugt behandeln? Minato schien von der ganzen Sache einigermaßen amüsiert, und Ōkami machte sich natürlich wie immer den Spaß, ein paar Zähne zu zeigen.
»Sei nicht so gemein zu den armen Pagen«, rügte Tobirama sie halbherzig, weil er genau wusste, dass sie ohnehin nicht auf sie hören würde. »Sie wissen nicht, dass du sie nicht frisst.«
»Ganz genau, sie wissen es nicht. Ich muss doch einen gewissen Ruf bewahren. Und wer weiß, vielleicht steht mir doch mal wieder der Sinn nach Innereien.«
Tobirama seufzte und sagte nichts mehr dazu.
Man zeigte ihnen, wo ihre Quartiere lagen, und Tobirama war erfreut zu sehen, dass sich wenigstens hier nicht viel verändert hatte. Er kannte diesen Teil noch von früher, auch wenn es lange her war, dass er selbst hier gewesen war, auch für seine Zeitrechnung. Es hatte nur selten Anlässe gegeben, zu denen der damalige daimyō ihn oder seinen Bruder hierher gebeten hatte, nachdem das Dorf etabliert gewesen war. Davor jedoch waren sie recht häufige Besucher im Palast gewesen, wenn der Feudalherr wieder einmal einen seiner Feinde hatte eliminieren lassen wollen.
Sobald er seine Sachen abgeladen hatte, machte er sich daran, seine alten Hiraishin-Markierungen zu prüfen, die er schon vor langer Zeit heimlich hier und da im Palast angebracht hatte, sollte es notwendig werden. Einige waren sogar noch vorhanden, andere entfernt oder zerstört worden, vielleicht, weil man die entsprechenden Möbel entfernt oder restauriert hatte, vielleicht auch, weil vielleicht doch das eine oder andere entdeckt worden war. Ōkami schlich ebenfalls in dem Quartier umher, das man ihnen gegeben hatte, und schnüffelte hier und da. An einer bestimmten Stelle kratzte sie am Boden, entschied sich dann, dass das ein guter Ort zum Dösen war, und rollte sich zu einer großen Fellrolle zusammen.
Es dauerte nur einige Minuten, bis Minato bei ihm vor der Tür stand. Tobirama musste schmunzeln. In mancherlei Hinsicht war Minato doch recht vorhersehbar. Er ließ ihn ein.
»Warum finde ich hier überall Hiraishin-Markierungen?«, fragte Minato, sobald Tobirama die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Aus genau demselben Grund, warum du das nachgeprüft hast«, erwiderte Tobirama trocken.
Minato musste lachen. »Und du sagst wirklich, du würdest nicht scherzen, ja?«
Tobirama sah ihn mit betont ausdruckslosem Gesicht an. »Ja.«
Minato schmunzelte. Er trat zu ihm und legte ihm locker die Arme um die Hüften, während er sich gegen seine Brust lehnte. »Heute ist Wintersonnenwende und ich hörte etwas von einem Bad, das man uns bereiten will.«
»Und in Gedanken hast du mich schon entkleidet.« Um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, drückte Tobirama Minato einen Kuss auf die Stirn.
Minato sah mit seinem besten Unschuldsblick zu ihm auf. »Hmhm. Die Arbeit kann bis morgen warten, findest du nicht auch? Der Weg war lang und ermüdend.«
Er schlang die Arme fester um Tobirama und küsste ihn. In der Tat, diese ganzen wichtigen Angelegenheiten konnten bis zum nächsten Tag warten, ihre Audienz beim daimyō war erst für morgen festgelegt. Tobirama stand jetzt ebenfalls der Sinn nach etwas Entspannung. Bereitwillig erwiderte er den Kuss.
Minato presste sich an ihn und schnell wurde ihr Kuss leidenschaftlicher. Tobirama vergrub seine Hände in Minatos Haar. Es tat wirklich gut, endlich einmal weit weg zu sein von irgendwelchen neugierigen Blicken und Minato ganz für sich zu haben. Mehr oder weniger jedenfalls. Auf einer persönlichen Ebene war es in der Tat eine gute Idee gewesen, dass er mitgekommen war.
Sie wurden von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Nur mit sichtlichem Widerwillen löste sich Minato von Tobirama. Eine leichte Röte lag auf seinen Wangen und mit verträumten Blick sah er ihm in die Augen. Tobirama lächelte, gab ihm einen zarten Kuss auf die Nase und trat dann zur Tür, um zu sehen, wer da was von ihnen wollte.
Es war einer der Palastdiener, der sich nach ihrem Wohlergehen erkundete und ihnen dann mitteilte, dass das Bad für sie bereit stünde, so sie es denn wünschten. Tobirama sah fragend zu Minato und dieser nickte.
»Aber lass uns Kakashi fragen, ob er mitkommen will«, fügte er noch an.
Man war so umsichtig gewesen, Kakashi ein Zimmer nicht weit weg von ihren eigenen Unterkünften zu geben. Minato klopfte an und unterbreitete Kakashi dann seinen Vorschlag. Kakashi jedoch zögerte sichtlich.
»Ich, äh … nun … Eigentlich ist das nicht so mein Ding, nicht mal mit einer Verwandlung«, eröffnete er. »Wegen … nun ja. Deswegen halt. Aber ich kann solange auf Naruto aufpassen.«
»Oh. Ja, natürlich. Entschuldige bitte, dass ich gefragt habe«, beeilte sich Minato zu sagen.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Kein Problem.«
Der Diener führte sie zum palasteigenen onsen, und als er sich versichert hatte, dass sie vorläufig nichts mehr von ihm benötigten, überließ er sie sich selbst und ging. Sie fanden Tücher und Seife für sie bereit gelegt vor, und Tobirama entging auch nicht, dass man Yuzu in das Wasser getan hatte. Ein angenehmer Zitrusduft hing in der feuchtwarmen Luft.
»Das ist schon ein ziemlicher Luxus, dass dieser Ort seinen eigenen onsen hat, findest du nicht auch?«, fragte Minato auf dem Weg zu den Umkleiden.
Tobirama hob lediglich eine Braue. »So? Ich habe auch einen in meinem Garten, allerdings muss ich ihn selbst heizen.«
Minato sah ihn mit großen Augen an. »Warum weiß ich das nicht? Ich will ihn ausprobieren!«
»Als ich das letzte Mal nachgeschaut hab, war das noch immer mein Grundstück und nicht deines.«
»Ich könnte es dir befehlen«, neckte Minato.
»Du hast mir noch nie was befohlen.«
»Vielleicht mache ich es ja jetzt.«
»Wirst du aber nicht.«
»Sicher?«
»Sehr.«
Minato wollte schon etwas erwidern, verstummte aber mit einem Mal. Tobirama sah fragend zu ihm und wunderte sich, was er hatte, bis ihm aufging, dass Minatos plötzliche Stille wohl dem Umstand geschuldet war, dass sich Tobirama mittlerweile seiner Kleidung entledigt hatte. Minato starrte ihn an und die Röte in seinem Gesicht ging ganz sicher nicht allein auf die Wärme dieses Ortes zurück. Er musste sich sichtlich anstrengen, den Blick nicht nach unten wandern zu lassen.
»Starr nicht so offensichtlich, das ist immer noch ein öffentlicher Ort«, erinnerte Tobirama ihn, nahm sich ein Handtuch und ging schon einmal voran. Sie waren zwar derzeit allein hier, aber man konnte ja nie wissen.
Minato warf hastig den Rest seiner Kleidung in eines der Fächer und eilte ihm nach. »Ein Grund mehr, dass du mir deinen onsen vorführst.«
Seinen Rat, nicht allzu offensichtlich zu starrten, beherzigte Minato nicht. Tobirama konnte förmlich spüren, wie Minatos Blick über seine Kehrseite glitt. Verstohlen schmunzelte er.
Sie wuschen sich und setzten sich dann in das Becken mit dem warmen Wasser. Der onsen war mit Blick auf einen fein säuberlich kultivierten Garten angelegt, der tief verschneit dalag. Noch immer hatte es nicht getaut, ganz im Gegenteil war seit Wintereinbruch sogar noch mehr Schnee gefallen und es sah auch nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Dick lag der Schnee auf den Büschen und verlieh ihnen weiße Hauben.
Wohlig seufzend ließ sich Tobirama tiefer in das warme Wasser sinken und streckte die Beine aus. Das tat gut. Minato hatte ganz offensichtlich keinen einzigen Blick für den kunstvoll angelegten Garten übrig. Ganz ungeniert schmiegte er sich an Tobirama und hatte ihm einen Hand auf die Brust gelegt. Eine Yuzu dümpelte vorbei und mit einem verschmitzten Lächeln fischte Minato sie aus dem Wasser und legte sie Tobirama auf den Kopf. Tobirama sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
Minato kicherte. »Sag, was du willst, aber du kannst wirklich niedlich sein.«
»Und du bist albern«, knurrte Tobirama, konnte aber nicht verhindern, dass ein Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfte. Er beließ die Frucht, wo sie war.
Minato lachte leise und kuschelte sich wieder an ihn. Mit den Fingern fuhr er eine von Tobiramas Narben nach, die sich über seine Brust zog. »Wie ist das passiert?«
»Izuna, wer sonst. Es war ja sonst kaum jemand in der Lage, nahe genug an mich heranzukommen.«
»Und die hier?« Minato tippte auf eine Narbe an Tobiramas Schulter. »Das sieht aus, als hätte dich jemand mit einer Metallstange oder etwas in der Art aufgespießt.«
»Natürlich auch Izuna. Und das in etwa war auch passiert.«
»Autsch. Und was ist mit der hier? Auch Izuna?« Dieses Mal war es eine der ganz alten Narben auf Tobiramas rechtem Oberarm.
»Nein, das war anija, aber das ist schon eine Ewigkeit her. Wie alt war ich da gewesen? Vielleicht sechs, höchstens. Wir hatten uns gerauft, ich weiß gar nicht mehr, weshalb, und ich war gestürzt und hatte mir den Arm an einem scharfen Stein aufgeschlitzt. Hashiramas Mokuton war gerade erst erwacht und er war noch lange nicht stark genug, um andere zu heilen. Er hatte Rotz und Wasser geheult, das weiß ich noch, und ihm tat das wohl mehr weh als mir.«
Minato musste kichern. »Es ist irgendwie schwer, sich Shodai Hokage als Kind vorzustellen.«
Tobirama schnaubte. »Stell dir vor, alle Menschen waren einmal Kinder gewesen. Ich glaube, es existiert noch ein ganz altes Bild von uns, das kann ich dir zeigen, wenn du willst.«
»Ich wette, du hast auch als Kind schon so grummelig geguckt.«
Laut Mito war das der Fall, und Tobirama bereute, ihr das Bild jemals gezeigt zu haben, weil sie ihn danach über Wochen hinweg damit aufgezogen hatte. Es jetzt erneut erwähnt zu haben, mochte sich ebenfalls als Fehler herausstellen, aber nun hatte er bereits voreilig gesprochen.
Minato streckte sich, um ihn zu küssen. Tobirama legte die Arme um ihn und erwiderte den Kuss. Das mochte im höchsten Maße unanständig sein in einem öffentlichen Bad, aber gerade scherte er sich wenig darum. Ihm entging keineswegs Minatos Erregung, aber Minato gab dem nicht nach und beließ es bei ihrem Kuss.
Verträumt strich er mit den Fingerspitzen über Minatos Rücken, während sie sich langsam und intensiv küssten. Manchmal nahm das Schicksal doch in der Tat seltsame Wendungen. Die Yuzu war ihm indes vom Kopf gerollt und dümpelte wieder unbeachtet im Wasser.
Minato sah ihm tief und voller Zuneigung in die Augen und legte ihm eine Hand auf die Wange. Dieser Blick war es, der in Tobirama das Bedürfnis erweckte, ihn nie wieder loslassen zu wollen.
»Einmal fassen, tief im Blute fühlen, dies ist mein und es ist nur durch dich«, wisperte Minato. »Nicht die Stirne mehr am Fenster kühlen, dran ein Nebel schwer vorüber strich.«
Tobirama lächelte und gab ihm einen sanften Kuss auf die Braue. Minato schmiegte sich an ihn und legte seinen Kopf in Tobiramas Halsbeuge. Eine ganze Weile lang saßen sie so da, keiner rührte sich und erfreulicherweise entschied auch niemand sonst, das Bad nutzen zu wollen, sodass sie ungestört blieben. Tobirama genoss die Wärme des Wassers und Minatos Nähe. Vielleicht sollte er sich doch hin und wieder einen Moment wie diesen gönnen. Es tat ihm gut.
»Tobirama«, sagte Minato irgendwann. »Mir kam ein Gedanke, aber ich will deine Meinung dazu hören.«
»Hm.« Tobirama vergrub seine Nase in Minatos feuchtem Haar.
Minato lachte leise. »Ich hätte dich ja nicht für jemanden gehalten, der gern kuschelt.«
Tobirama grummelte. »Das war deine Idee? Umwerfend.«
Noch immer lachend gab Minato ihm einen Stups auf die Nase. »Nein, das meinte ich nicht. Es geht um Kakashi. Jetzt, wo Tsunade ins Dorf zurückgekehrt ist, kann sie ihm vielleicht helfen. Du weißt schon, geschlechtsangleichende Maßnahmen.«
Tobirama sann einen Moment darüber nach. »Vor vierzig Jahren war die Medizin noch nicht so weit, dass ich bedenkenlos dazu geraten hätte. Aber gut möglich, dass sich da seitdem viel getan hat.«
»So einiges. Ich als sein sensei hätte Kakashi dabei wohl schon viel früher unterstützen sollen, aber nun ja, es war Krieg, und da war es wichtiger, überhaupt erst einmal am Leben zu bleiben.«
»Hm.« Dieses Mal brummte es Tobirama mit einem deutlich missmutigen Ton in der Stimme. »Du hättest ihm wenigstens sagen können, wie er ein sarashi verwendet.«
»Ein was?«
Tobirama seufzte schwer auf. »Er hätte sich ernstlich schaden können.«
»Oh, verdammt. Ich hätte mich wirklich mehr damit beschäftigen müssen. Er hat sich doch nicht verletzt, oder?«
»Nein, zum Glück nicht.« Aber es hätte leicht passieren können. Kakashi hatte ihn schon vor geraumer Zeit gefragt, ob er eine Möglichkeit kannte, Brüste entfernen zu lassen. Er hatte also auf jeden Fall einen Wunsch nach entsprechenden Maßnahmen. »Tsuna zu fragen, ist sicher eine gute Idee. Willst du, dass ich das mache?«
»Mit Kakashis Einverständnis, ja. Das wäre nett. Du hast ja gesehen, wie sie auf mich reagiert.«
Warum auch immer. Noch etwas, das einer Klärung bedurfte.
Tobirama strich Minato eine Haarsträhne aus der Stirn und küsste seine Schläfe. »Dann werde ich das tun.«
»Danke.«
Einen Moment lang schwiegen sie.
»Ich hatte neulich ein interessantes Gespräch mit Kakashi, Shisui und Itachi zu dem Thema«, sagte Tobirama dann. »Und das hat mich zum Nachdenken gebracht.«
»Ach? Was sagten sie denn?«
»Itachi fragte, was ihn zum Jungen macht und Shisui nicht. Ich wusste darauf keine Antwort, und ich denke, ich bin auch nicht die richtige Person für solche Fragen. Aber Kakashi sagte, dass so etwas auch irrtümliche Fremdzuweisungen sein können. Das führte mich zu der Frage, was mich denn eigentlich zum Mann macht.«
»Und? Kamst du zu einer Antwort?« Minato sah neugierig zu ihm auf.
Tobirama konnte jedoch nur mit den Schultern zucken. »Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Es war eine Fremdzuweisung bei meiner Geburt, über die ich nie weiter nachgedacht hatte. Sie hatte sich nie profund falsch angefühlt, aber jetzt frage ich mich, ob sie wirklich richtig passt. Vielleicht ja, vielleicht stellt sich auch heraus, dass es eben doch nicht das ist, was auf mich zutrifft.«
Minato tastete im Wasser nach seiner Hand und ergriff sie. »Was auch immer dein Weg für dich bereithalten wird, ich werde an deiner Seite gehen. Wenn du mich lässt.«
Als Antwort zog Tobirama ihn wieder fest an sich. Ja, ganz gewiss würde er seinen Weg gemeinsam mit Minato beschreiten wollen.
Einen Moment lang genoss Minato die Umarmung. Doch dann regte er sich. »Es widerstrebt mir, ausgerechnet jetzt und hier über die Arbeit zu reden, aber es muss. Das brennt mir schon seit einer Weile auf der Seele. Tobirama, ich möchte dich bitten, ein Auge auf Orochimaru zu halten.«
Der dritte aus Tsunades altem Team. Tobirama war ihm noch nicht begegnet, aber er hatte hier und da von ihm gehört.
»Als er die Entscheidung über seinen Nachfolger hatte treffen müssen, hatte der Professor mir den Vorzug gegeben gegenüber Orochimaru«, fuhr Minato fort. »Seine Gründe sind vielfältig, und ich fürchte, seine Sorgen sind nicht unbegründet. Da ist etwas … Böses in Orochimaru, aus dem großes Leid erwachsen kann.«
Tobirama richtete sich auf und sah auf Minato herab. »Was soll das heißen, Saru entschied über seinen Nachfolger? Wurdest du nicht gewählt?«
Minato setzte sich ebenfalls auf. »Ja und nein. Sandaime-sama setzte sich gegenüber Danzō durch, welcher Orochimaru als nächsten Hokage sehen wollte, und der daimyō stimmte seiner Entscheidung zu, ebenso die Jōnin des Dorfes.«
Tobirama presste missmutig die Lippen zusammen. Je mehr er von Hiruzen hörte, desto enttäuschter war er von seinem einstigen Schüler.
Minato sah ihn fragend an. »Dir scheint das nicht zu passen. Aber hattest du nicht auch den Professor ernannt?«
»Aber aus völlig anderen Gründen«, betonte Tobirama. »Es hatte nicht von Dauer sein sollen, nur so lange, bis die Lage wieder stabil wäre, weil ich genau wusste, dass mein Tod das Dorf enorm geschwächt hätte. Hashirama hatte damals Madara zum Hokage ernennen wollen, aber auf mein Drängen hin hatte es stattdessen eine demokratische Wahl gegeben, und ebenso hatte später auch das Dorf entschieden, dass ich Hokage hatte werden sollen. Demokratie ist einer der Grundsätze, auf denen wir dieses Dorf errichteten. Gerade Saru hätte es besser wissen müssen.«
»Du wirkst sehr enttäuscht von ihm.«
»Immer mehr, mit jedem bisschen, was ich höre. Aber lass das meine Sorge sein. Erzähl mir stattdessen mehr von Orochimaru.«
»Sandaime-sama vermutet seit einiger Zeit, dass Orochimaru in besorgniserregende Dinge verwickelt ist, verbotene Experimente und dergleichen, aber er konnte keine Beweise dafür finden. Ich hege dieselbe Vermutung, aber Orochimaru ist schwer zu fassen. Danzō versucht seit einiger Zeit immer mal wieder, Orochimaru in einflussreiche Positionen zu versetzen, daher vermute ich, dass die beiden wohl etwas miteinander zu schaffen haben, schon allein deswegen, weil Danzō Orochimarus stärkster Befürworter als Yondaime Hokage war.«
»Aber was genau sie planen, weißt du nicht?«
»Nein. Ich habe aber die Vermutung, dass Orochimaru mehrere geheime Verstecke hat.«
»Wo und wie viele?«
»Ebenfalls unbekannt.«
Das war nahezu nichts. Vermutungen und Gefühle, nichts als Schall und Rauch. Aber Tobirama war klüger, als so etwas einfach abzutun, und dass Danzō etwas plante, war ihm keineswegs entgangen.
»Kakashi kann dir vielleicht einen ersten Anhaltspunkt geben«, fügte Minato hinzu. »Er hatte berichtet, dass er ihm auf einer seiner ersten Anbu-Missionen begegnet war.«
Tobirama nickte. Er würde nicht nur Kakashi dazu befragen, sondern auch seine Unterlagen durchsuchen. Vierzig Jahre waren eine enorm lange Zeit, um Protokolle und Berichte aller seitdem durchgeführten Missionen und aller gelisteten Shinobi aufzuarbeiten. Seit seiner Übernahme der Anbu war Tobirama damit beschäftigt und ein Ende war noch lange nicht in Sicht.
»Ich danke dir.« Minato atmete auf, während Spannung sichtlich seine Schultern verließ.
»Ich erfülle nur die Aufgabe, die du mir gegeben hast«, sagte Tobirama nüchtern.
Der altbekannte Schalk schlich sich in Minatos Augen zurück. »Und manchmal muss ich mich einfach selbst dafür loben, denn die Anbu-Ausrüstung sieht verdammt gut aus an dir.«
»Tse.« Tobirama schnaubte und wandte sich ab.
Minato schlang lachend die Arme um ihn und bettete das Kinn auf seiner Schulter. »Du kannst noch so sehr versuchen, grummelig zu wirken, du bist und bleibst niedlich.«
»Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, dass du nicht von dich auf andere schließen sollst?«, konterte Tobirama.
»Niedlich!« Lachend überfiel Minato Tobirama mit einer Reihe von Küssen. Leichtherzig rangen sie miteinander, was darin endete, dass sie beide das Gleichgewicht verloren und in das Wasser fielen. Lachend und prustend rangen sie nach Luft.
»Du tust mir nicht gut, Minato. Sieh, was du mit mir anrichtest«, stellte Tobirama fest, jedoch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.
Minato strahlte förmlich. »Wie ich das so sehe, ist das Gegenteil der Fall.«
»Bild dir bloß was drauf ein.«
»Natürlich! Ich hab dich doch schon längst durchschaut. Du tust doch nur so grummelig die ganze Zeit, um die Leute einzuschüchtern, aber in Wahrheit verbirgst du darunter einen weichen Kern.«
»Und wenn‘s so wäre?«, sagte Tobirama herausfordern. Er gab Minato keine Gelegenheit für eine Antwort, sondern fing ihn sich und küsste ihn nieder.
Sogleich ließ Minato sämtliche Gegenwehr fallen und erging sich vollkommen in dem Kuss. Begierig erwiderte er ihn, während er in Tobiramas Arme sank. Tobirama hielt seinen Kopf, damit er nicht unbequem gegen den Beckenrand lehnen musste, und Minato schlang ihm die Beine um die Hüften.
Dann jedoch brach er denn Kuss und legte Tobirama eine Hand auf die Brust. Schwer atmend sah er zu ihm auf. Seine Wangen waren gerötet. »Wir sollten hier besser aufhören, weil …« Er schloss die Augen und erschauderte. »Ich will mehr, aber …«
Tobirama ließ von ihm ab. »Ja, du hast Recht, das wäre wohl besser.«
Da sie ohnehin lang genug im Wasser gewesen waren, beschlossen sie, den onsen zu verlassen. Es war mittlerweile Abend geworden und morgen würde ein langer Tag werden.
»Wenn ich auch nur daran denke, werd ich schon nervös«, klagte Minato, als sie in der Umkleide waren.
Tobirama bemerkte, dass Minatos Blick ganz woanders verweilte. Er räusperte sich vernehmlich. »Meine Augen sind hier oben.«
Minato grinste anzüglich. »Hier ist sonst niemand, lass mich die Aussicht genießen.«
Tobirama antwortete lediglich mit einer hochgezogenen Augenbraue und fuhr darin fort, sich wieder anzukleiden. »Ich habe dir gezeigt, wie eine Teezeremonie funktioniert. Mach einfach das, was ich auch mache.«
»Noch ein Grund, warum ich hier nicht auf dich verzichten kann.« Dann wurde Minato jedoch wieder ernst. »Politik ist … schwierig, und ich weiß nicht, ob ich dafür geschaffen bin. In einem Kampf kenne ich meinen Gegner, ich habe ihn deutlich vor Augen und weiß, dass ein Kunai in seiner Kehle mir den Sieg bringt. Aber hier … Das ist nichts, das eine Klinge, die nur scharf genug ist, lösen könnte.«
Tobirama sah zu Minato. Das waren unerwartete Worte von ihm. »Politik gleicht einem Kampf, nur die Waffen sind andere.«
»Waffen, die ich nie gelernt habe zu meistern. Man gab sie mir von einem Tag auf den anderen und sogleich musste ich sie schwingen.«
Tobirama trat zu ihm und strich ihm sanft über die Wange. »Du stehst in diesem Kampf nicht allein, wenn du es nicht wünscht.«
Minato seufzte und lehnte seinen Kopf gegen Tobiramas Schulter. »Danke«, wisperte er. »Dass du da bist. Für mich. Trotz allem.«
Tobirama strich ihm über den Rücken. »Natürlich. Aber jetzt ist keine Zeit für Sentimentalitäten, sondern fürs Abendessen.«
Minato richtete sich wieder auf und schmunzelte. »Manchmal kann dein Pragmatismus anstrengend sein. Und dann kommst du wieder mit so etwas an.«
Tobirama zuckte mit den Schultern. »Jahrelange Übung, die davon kommt, Hashirama und Madara im Zaum zu halten. Das waren zwei Chaoten, irgendwer musste doch dafür sorgen, dass alles seinen geordneten Gang ging, und ich konnte das nicht Mito allein überlassen.«
Indes hatten sie sich wieder angekleidet und begaben sich auf den Rückweg. Wie Tobirama bereits vermutet hatte, hatte man ihnen bereits das Essen auf ihre Zimmer gebracht. Erfreut stellte er fest, dass man dabei auch an Ōkami gedacht hatte, die ihren Knochen bereits abgenagt hatte und nun das Knochenmark ausschlabberte.
»Rind«, kommentierte sie abfällig.
Tobirama kniete sich an den Tisch, auf dem man ihm sein Essen angerichtet hatte. »Geh in die Küche und beschwer dich.«
»Das werde ich vielleicht sogar tun«, knurrte sie und nagte dann doch weiter an ihrem Knochen. Dann hob sie erneut den Kopf und nahm Witterung auf. Sie stand sogar auf, um an Tobirama zu schnüffeln. Sie leckte ihm über die Haare. »Du riechst nach menschlichen Paarungsritualen.«
»Mutter!«, grummelte er verstimmt. »Du sollst das lassen. Red nicht so.«
Sie stupste ihn mit ihrer Nase an. »Darf sich eine Mutter nicht einmal mehr freuen, wenn ihr Welpe einen Gefährten gefunden hat?«
Er schnaubte. »Das ist nicht, was ich damit meinte. Es ist … Ach, vergiss es.«
Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er ihr erklären sollte, warum es unangemessen war, auf diese Art darüber zu reden, verwarf den Gedanken dann aber wieder. Sie würde es ja doch ignorieren. Es war genug, wenn sie darauf verzichtete, im Beisein anderer so zu reden.
Sie legte sich neben ihn und rieb ihren Kopf an ihm. Er lehnte sich an sie. Sie rollte sich um ihn zusammen, sodass er förmlich in der Masse ihres weichen Fells einsank.
»Ich freue mich wirklich für dich.« Sie blinzelte langsam. Wärme lag in ihren goldenen Augen. »Er tut dir gut, das sehe ich.«
Unwillkürlich musste er lächeln und er schlang die Arme um sie. Zu Beginn mochte alles schrecklich gewesen sein und der Schmerz war kaum auszuhalten gewesen. Er hätte nicht gedacht, dass die Dinge diese Wendung nehmen würden und jetzt doch nicht mehr alles gänzlich furchtbar war. Sein Verlust schmerzte noch immer, doch der Schmerz war erträglich geworden.
Ōkami beschnüffelte sein Essen. »Willst du das noch?«
Er richtete sich wieder auf und schob ihren Kopf zur Seite, was ihm nur gelang, weil sie ihn gewähren ließ. »Vergiss es. Das ist meins.«
An diesem Tag beschloss Tobirama, früh zu Bett zu gehen, nachdem er sein Mahl beendet hatte. Er wollte morgen möglichst ausgeruht sein. Ōkami suchte sich ebenfalls eine Ecke, die sie sich als ihren Schlafplatz auserkoren hatte. Sie gähnte vernehmlich und fing auch alsbald schon an leise zu schnarchen. Tobirama betrachtete sie lächelnd. Mit Ōkami in seiner Nähe fühlte er sich noch immer am sichersten, da wusste er, dass auch in seinem Schlaf ihm niemand gefährlich werden konnte. Dann ging er ebenfalls zu Bett.
In dem Moment, in dem sich Tobirama die Decke über die Ohren zog, bemerkte er, dass Minato eine seiner Hiraishin-Markierungen nutzte und dort erschien, wo er seine Kunai verstaut hatte. Er hörte Schritte auf den tatami, dann schlüpfte Minato unter seine Decke und schmiegte sich an ihn.
»Schläfst du schon?«
»Hm.«
Minato lachte leise. »Vielleicht sollte ich dich meinen Grummelbären nennen.«
Tobirama brummte missmutig, bis ihm einfiel, dass er sich damit selbst verraten hatte.
»Grummelwolf vielleicht?«
»Minato?«
»Ja?«
»Keine albernen Namen. Weder für mich noch für mein Jutsu.«
Selbst im nur schwach hereinfallenden Licht konnte Tobirama deutlich sehen, wie Minato übertrieben schmollte. Er zog Minato an sich und vergrub seine Nase in Minatos wildem Haar.
»Vergiss nicht, wer mein Bruder war. Hashirama hat genau diesen Blick perfektioniert. Ich bin abgehärtet, das wirkt nicht bei mir.«
»Ach ja? Ich bin gewillt, das auf die Probe zu stellen.« Minato streckte sich und bedeckte Tobiramas Gesicht mit zarten Küssen. »Sie haben uns getrennte Zimmer gegeben, das finde ich nicht in Ordnung.«
Tobirama musste ein Gähnen unterdrücken. Minato war eine unverbesserliche Nachteule. »Musst du nicht auf Naruto aufpassen?«
»Hab einen Doppelgänger dafür abbestellt. Den Trick hab ich von dir.« Mittlerweile war Minato mit seinen Küssen bei Tobiramas Mundwinkeln angekommen. »Ich kann ihm jetzt Milch geben, nicht genug, um ihn allein damit zu füttern, aber als Ergänzung.«
»Das ist großartig! Wie fühlst du dich dabei?« Faszinierend, dass das wirklich funktioniert hatte und zudem auch noch in recht kurzer Zeit.
»Einfach wunderbar! Ich kann meinen Sohn ernähren, ich habe keine Worte dafür, wie glücklich mich das macht. Es fühlt sich so herrlich an, wenn er nuckelt und ich weiß, ich kann ihm geben, was er braucht. Die Ärztin meint, es wäre effektiver, wenn wir den Hormonen, die sie mir gibt, mehr Zeit zum Wirken geben würden, aber in Anbetracht der Umstände ist selbst das Bisschen schon eine Verbesserung.«
Minato wirkte so unendlich glücklich, als er davon erzählte, und allein das war die Mühen wohl schon wert. Tobirama zog ihn noch ein wenig fester an sich, um das Glück bei ihnen zu halten.
»Das Bett ist ein wenig eng für zwei Personen.« Tobirama strich Minato über den Rücken. Eigentlich hatte er nichts gegen etwas Gesellschaft für diese Nacht.
Minato schwang das Bein über seine Hüfte und setzte sich rittlings auf ihn. Er nahm Tobiramas Gesicht zwischen seine Hände und beugte sich zu ihm hinab, dass sich ihre Nasen beinahe berührten.
»Dann müssen wir eben etwas zusammenrücken.«
Er küsste Tobirama. Der Kuss wurde schnell hitziger. Minato presste sich an Tobirama und rieb seine Hüften an ihm. Tobirama hielt ihn auf.
»Minato.« Er sah ihm fest in die blauen Augen und schüttelte den Kopf.
Minato erstarrte. Dann kletterte er hastig von Tobirama herunter und aus dem Bett. »Bitte entschuldige. Ich habe mich gehen lassen. Das wird nicht wieder vorkommen.«
»Komm wieder unter die Decke, es wird kalt«, brummte Tobirama lediglich.
Minato schmunzelte und kuschelte sich wieder an ihn. Tobirama legte einen Arm um ihn, um ihn bei sich zu behalten. Minato schmiegte sein Gesicht in Tobiramas Halsbeuge. Für einen Moment lang sagte niemand etwas. Von draußen hörten sie gedämpfte Stimmen.
»Es wäre für mich kein Problem, wenn du dir dafür jemand anderes suchen willst«, sagte Tobirama in die Stille hinein.
»Will ich aber nicht«, nuschelte Minato. Tobirama konnte spüren, dass er lächelte. »Es ist in Ordnung so.«
Tobirama gab ihm einen Kuss auf das Haar. Er schloss die Augen. Minato war angenehm warm, sein ruhiger Atmen strich über Tobiramas Haut. Er konnte sich vorstellen, jeden Abend so einzuschlafen.
Gerade, als er dachte, dass er jetzt endlich seinen Schlaf erhielt, regte sich Minato doch noch einmal.
»Tobirama?« Minato sprach leise. »Hat Kakashi dir jemals gesagt, wie er sein Sharingan bekommen hat? Und hat er Obito und Rin erwähnt?«
Das Thema schien Minato zu bedrücken, also hielt Tobirama ein Seufzen zurück. Er strich Minato über den Kopf. »Er hat sie einmal erwähnt, aber mehr auch nicht. Das Thema scheint ihn sehr zu belasten, also habe ich ihn nie gedrängt.«
»Dann ist es wohl auch nicht an mir, etwas zu sagen.« Minato seufzte.
»Sie sind tot, nicht wahr?«, schloss Tobirama.
»Ja.« Minato presste sich an ihn, und Tobirama umarmte ihn fester. »Ich habe das Gefühl, dass ich als ihr sensei sie im Stich ließ. Sie waren Kinder des Krieges und ich tat, was ich konnte, um sie am Leben zu erhalten. Aber es war nicht genug. Kakashi hatte schon immer Probleme gehabt, Anschluss an andere zu finden, aber danach zog er sich immer mehr in sich selbst zurück. Ich dachte, ihn in die Anbu zu berufen, würde ihm da heraushelfen. Aber auch das war nicht genug gewesen.«
Tobirama strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und drückte ihm einen Kuss auf die Braue.
»Er ist dein Enkel, und ich konnte ihm nicht helfen. Es tut mir leid.«
»Du tatest, was du konntest. Die Anbu war zu jener Zeit vielleicht nicht der richtige Ort für ihn, aber der Grundgedanke war nicht verkehrt.«
»Auf Naruto aufzupassen, scheint ihm zu liegen.«
Tobirama lachte leise. »Ach, der freut sich nur, dass er keinen Finger krumm machen muss auf richtigen Missionen und trotzdem sein Geld kriegt.«
Minato stimmte in sein Lachen mit ein und kuschelte sich an ihn. Das Bett war wirklich etwas eng für zwei Personen. Tobirama würde einfach Minato gut festhalten, dann ging das schon.
»Tobirama?«
»Will schlafen.«
»Ich liebe dich.«
»Ich weiß.«
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Das hier enthaltene Zitat ist von City "Am Fenster"
Nächstes Kapitel: Politik ist so lästig.
Kapitel 10: Narrenschiff
Nervös tippe Minato mit den Fingern auf seine Knie, während er mit Tobirama in dem kleinen Pavillon vor dem Teehaus wartete. Seine Nervosität schlug sich allmählich auch auf Tobirama nieder und er warf ihm einen verstimmten Blick zu.
»Du hast leicht Reden«, sagte Minato mit gedämpfter Stimme. »Du wirst dich hier wahrscheinlich nicht zu Narren machen.«
Tobirama legte seine Hand auf Minatos, dass er endlich still hielt. »Wir haben das oft genug geübt. Es ist wirklich keine Wissenschaft. Du hast dir selbst mein Hiraishin beigebracht, das ist wesentlich schwerer.«
Minato seufzte und wollte sich erst gegen Tobirama sinken lassen, überlegte es sich dann aber doch anders. Stattdessen zupfte er an seinem Kimono. Wieder hielt Tobirama ihn auf und sah ihn durchdringend an.
»Siehst du, da fängt‘s bei mir schon an«, presste Minato hervor.
Tobirama mahnte sich zur Ruhe. Es war das erste Mal für Minato, dass er sich in einer solchen Position wiederfand. »Hast du die Schriftrolle in der tokonoma bemerkt? Mach zu gegebener Zeit eine kluge Bemerkung dazu«, riet er ihm.
»Habe ich gesehen, ja. Das Haiku ist sehr bekannt«, stellte Minato fest.
»Siehst du.«
»Es ist aber auch langweilig und in meinen Augen nicht gut ausgeführt.«
»Das sag besser nicht.«
»Ach …«
In diesem Moment ertönte der Gong, der sie erneut nach drinnen rief, nachdem der daimyō ihnen bereits ein leichtes Mahl serviert hatte.
»Mach einfach, was ich auch mache«, erinnerte Tobirama Minato leise.
Minato warf ihm einen skeptischen Blick zu, aber dann streckte er doch die Schultern und folgte Tobirama. Anders als Tobiramas kleines Teehaus besaß das des daimyō einen traditionellen Kriecheingang. Kakashi hätte das sicher ganz schrecklich gefunden, aber Kakashi war nicht eingeladen und passte daher derzeit auf Naruto auf. Wahrscheinlich war der Junge sogar ganz froh darum, dem auf diese Weise entkommen zu sein.
Minato trat hinter Tobirama ein und schloss die Tür hinter ihnen mit einem leisen, aber vernehmlichen Klacken. Sie verbeugten sich beide vor der Dekoration in der Wandnische, dann nahmen sie ihre Plätze ein. Tobirama bemerkte, dass Minato die Schriftrolle noch einmal eingehend studierte und wahrscheinlich wirklich über seinen Vorschlag nachsann, etwas dazu zu sagen.
Tobirama kannte die Schule, der der daimyō in seiner Teezeremonie folgte, und hatte Minato entsprechend darauf vorbereitet. Es war Minato daher nicht fremd, und Tobirama konnte spüren, wie nach und nach die Anspannung von ihm abfiel. Minato schlug sich gut, auch wenn er vielleicht nie gänzlich warm mit dem ganzen Procedere werden würde.
Hin und wieder machte Tobirama kleine Bemerkungen und Minato war schlau genug, die subtilen Hinweise darin aufzuschnappen, wenn er mal wieder drohte, einen kleinen Fehler zu machen. Ansonsten verlief die Zeremonie größtenteils schweigend. Mit höflicher Distanziertheit nahm der daimyō das Lob für die Wahl seines Geschirrs entgegen. Am Ende ergab sich in der Tat ein Moment, in dem Minato etwas zu der Wahl des Haiku sagen konnte, was den daimyō überraschte; er hatte wohl nicht erwartet, dass zumindest einer von ihnen etwas für Literatur übrig hatte. Sie ergingen sich einen Moment in höflichem Geplauder, bis damit die Teezeremonie schließlich ihr Ende gefunden hatte. Der daimyō entfernte seine Gerätschaften aus dem Raum, und wie sie gekommen waren, so verließen Tobirama und Minato das Teehaus aus wieder.
Minato atmete erleichtert auf. »Erste Hürde geschafft.«
Tobirama lächelte milde. »Siehst du, alles kein Problem.«
Sie warteten auf den daimyō. Die Einladung zur Teezeremonie war nur der Auftakt zu den eigentlichen Verhandlungen gewesen, eine Höflichkeitsgeste, die er ihnen entgegengebracht hatte, um ihnen Ehre zu erweisen. Sie verbeugten sich vor ihm, als er wieder zu ihnen stieß, und folgten ihm dann zurück in den Palast und in den Empfangsraum. Dort angekommen nahm der daimyō seinen Platz auf einem leicht erhöhten Podest ein, während Tobirama und Minato vor ihm knieten, Tobirama dabei ein kleines Stück hinter Minato.
»Ich war sehr betrübt, als ich von den Vorkommnissen in Konoha hörte«, begann der daimyō. »Wirklich eine bedauerliche Sache, und das auch noch zu dieser Zeit. Ich hoffe doch, das hat keinen Einfluss auf die Sicherheit des Landes.«
»Keinesfalls«, versicherte Minato ihm. »Wir mögen zwar einen herben Schlag erhalten haben, stehen aber noch immer stark. Damit dies aber so bleibt, benötigen wir nun Hilfe, Matsuda-dono.«
Der daimyō nickte wichtig, sein überdimensionierter Kopfschmuck schwang in der Bewegung mit. »Ja, ja, ich habe Ihr Schreiben erhalten, Hokage-sama. Nur erscheint mit Ihre … Bitte doch ein wenig hochgegriffen. Sie erfragen nicht gerade wenig. Muss es denn wirklich so viel sein? Das reicht, um ein zweites Dorf zu errichten.«
Tobirama entging keinesfalls die Spannung in Minatos Schultern, obgleich Minato ansonsten äußerlich ruhig wirkte. Er konnte es ihm nicht verdenken. Es war damals der Großvater des jetzigen daimyō, mit denen Tobirama, Hashirama und Madara verhandelt hatten, als gerade erst die ersten Häuser gebaut worden waren. Es waren ganz ähnliche Worte gefallen.
»Die Zerstörung ist groß«, betonte Minato. »Viele sind obdachlos und müssen derzeit in Notunterkünften leben. Gerade jetzt im Winter eine schwierige Lage. Die Versorgung mit Wasser und Strom war ebenfalls teils unterbrochen und konnte bis jetzt noch nicht wieder allumfassend wiederhergestellt werden. Konohagakure ist nicht in der Lage, diese Notlage aus eigener Kraft zu stemmen, ganz gleich, dass alle tun, was in ihren Möglichkeiten liegt. Aber wir sind Shinobi, keine Handwerker.«
»Nun wächst Geld allerdings auch nicht einfach so an Bäumen, und Hilfskräfte um diese Jahreszeit anzuheuern, ist immer teurer.« Der daimyō ließ sich nicht erweichen. »Es ist Winter, die Witterung macht alles schwerer und das heißt kostspieliger.«
»Gerade deswegen brauch wir jetzt so schnell und so unbürokratisch wie möglich Hilfe. Wir können nicht warten, bis im Frühling der Schnee taut. Die Menschen müssen jetzt auf den Straßen leben.«
»In der Tat ein bedauerlicher Umstand. Da muss wirklich was getan werden. Aber überall im Land gibt es Menschen, die der Hilfe bedürfen. Ich kann nicht allen ein Sack voll Geld geben, wissen Sie. Da wären die Staatskassen ja im Nu leer. Über ein drittel des von Ihnen genannten Preises lässt sich allerdings verhandeln.«
Tobirama konnte Minatos Frustration über diese ganze Situation nur allzu gut nachvollziehen. Bürokraten waren schon immer eine schlimme Pest gewesen, die alles unnötig verkomplizierten. Leider fanden sie sich hier in einer bittstellenden Position wieder und mussten katzbuckeln, damit sie das bekamen, was sie wollten und brauchten.
»Das wird nicht genügen«, gab Minato zu bedenken.
»Aber besser als nichts, oder?« Der daimyō sah sie mit seinen kleinen, wässrigen Augen an, in denen kein Funke Mitgefühl stand.
Tobirama hatte nicht schlecht Lust, diesem Mann seine Meinung klar und deutlich mitzuteilen, aber er hielt sich zurück.
»Ja«, gab Minato zähneknirschend zu. »Besser als nichts. Aber …«
»Ich ließe eventuell auch über eine Steuererhöhung mit mir reden«, unterbrach der daimyō ihn. »Sozusagen Zinsen, Sie sie mir später wieder zurückzahlen. Damit ließen sich Soforthilfen leichter bewerkstelligen. Sie können natürlich auch immer im Spenden aus der Bevölkerung bitten.«
Minato starrte ihn wortlos an. Tobirama konnte deutlich die Anspannung in seinem Kiefer sehen, als er mit aller Gewalt versuchte, jetzt nicht zu explodieren. Unter seiner ruhigen Oberfläche brodelte es.
Der daimyō machte eine gönnerhafte Geste. »Das Angebot steht.«
»So ein Dreckskerl! Elender Geldsack! Korrupter Bastard!«, explodierte Minato wild gestikulierend. »Klabautermann führt das Narrenschiff volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff, so sieht‘s aus! Ich bin hier im Affenzirkus gelandet!«
Kakashi musterte ihn irritiert. Das waren in der Tat ungewohnte Töne von Minato. Es waren mittlerweile einige Stunden vergangen seit ihrem ersten und zunächst noch ergebnislosen Treffen mit dem daimyō, und die Zeit hatte nichts dazu beigetragen, um Minatos Gemüt zu beruhigen.
Tobirama wartete geduldig, bis sich Minato wieder abreagiert hatte. Dieser tigerte schon seit geraumer Zeit im Raum auf und ab. Naruto, der zwischen Ōkamis Pfoten lag, spürte anscheinend die Unruhe seines Vaters und quengelte unruhig. Missmutig verzog er sein kleines Gesicht, bis sich tiefe Runzeln durch den Babyspeck zogen. Ōkami leckte ihm den blonden Haarschopf, aber nicht einmal das zeigte Wirkung.
Minato kniete sich zu ihr und nahm Naruto auf den Arm. Erst das schien sie beide wieder zu beruhigen. Während Minato seinen Sohn durchknuddelte und irgendwelchen Nonsens von sich gab, giggelte das Baby vergnügt.
»Wir müssen langsam gehen«, erinnerte Tobirama ihn.
Ōkami schwang den Kopf zu Minato und Naruto herum, um erneut Narutos Haar abzulecken. Da Minato ihn immer noch knuddelte, bekam er kurzerhand ebenfalls ein paar Wolfsküsse ab. Sein Protest wurde erfolgreich von ihrer Zunge erstickt.
»Ich kann wirklich nicht so gehen?«, wollte Kakashi wissen und deutete auf seine Alltagskleidung.
Tobirama sah ihn finster an. Das hatte Antwort genug zu sein. Grummelnd zog Kakashi ab, um sich umzuziehen. Minato erwehrte sich noch immer erfolglos Ōkamis, aber immerhin regte er sich nicht mehr auf. Wahrscheinlich genau das, was sie ohnehin hatte erreichen wollen.
Nachdem sich Minato gewaschen und Kakashi sich umgezogen hatten, begaben sie sich auf den Weg ins hanamachi. Tobirama hatte sie immerhin ins Ichiriki eingeladen. Naruto ließen sie bei Ōkami, die sich schon darauf freute, dem Welpen endlich ungestört beizubringen, ein Wolf zu sein, wie sie es ausdrückte. Minato schien nicht gänzlich überzeugt zu sein, vertraute ihr aber dennoch seinen Sohn an.
Tobirama hatte im Vorfeld einige Recherchen betrieben, welche Geisha und Maiko derzeit besonders gefragt waren, und hatte mit einiger Ernüchterung festgestellt, dass diese Profession stark im Schrumpfen begriffen war. Er hatte dennoch zwei Damen ausfindig gemacht, deren okiya ihm noch aus seiner Zeit ein Begriff war. Chios alte okiya existierte leider nicht mehr, wie er bedauernd festgestellt hatte.
»Wir hatten damals bei der Dorfgründung mit dem Großvater des jetzigen daimyō zu tun gehabt«, sagte er auf dem Weg. »Statt jedoch selbst mit uns zu verhandeln, hatte er einen seiner Lakaien vorgeschickt, sich von ihm alles berichten lassen und uns dann ein Angebot vorgelegt, das wir annehmen oder ablehnen konnten, und wenn wir es ablehnten, konnten wir sehen, wo wir blieben, und das mit dem Dorf vergessen.«
»Was habt ihr gemacht?«, wollte Minato wissen.
»Es angenommen natürlich, uns blieb ja nichts anderes übrig«, sagte Tobirama. »Er verlangte von uns, dass wir das Stück Land, auf dem wir das Dorf zu errichten gedachten, von ihm erwarben. Zu einem horrenden Preis. Dieses Gelände war damals Niemandsland nahe der Grenzen zwischen den Territorien der Uchiha und Senju. Der Krieg mochte beide Clans reich gemacht haben, aber das war auch für uns nur eine sehr schwer zu stemmende Summe gewesen.«
»Aber offensichtlich habt ihr ja das Geld auftreiben können. Wie?«
»Durch den Anschluss weiterer Clans aber auch, so unromantisch es auch klingen mag, dank Mitos Mitgift. Die Uzumaki waren ein wohlhabender Clan, und Ashina, ihr Vater, war bereit, für eine möglichst vorteilhafte Partie für seine Tochter viel Geld auf den Tisch zu legen. Geld, das wir dringend gebraucht hatten.«
»Hmpf«, kommentierte Minato missmutig. »Ich hatte auf eine aufbauendere Geschichte gehofft.«
»Steht das Dorf nun oder nicht?«, erwiderte Tobirama. »Es wird sich ein Weg finden, auf die eine oder andere Weise.«
Minato seufzte schwer. »Ich will darüber jetzt nicht nachdenken. Morgen ist noch genug Zeit, sich über korrupte Geldwäscher aufzuregen.«
Zumindest das hanamachi hatte sich kaum verändert und war noch größtenteils so, wie Tobirama es in Erinnerung hatte. Die Häuser hier waren alle im traditionellen Stil gehalten und die Straßen wurden überwiegend von Papierlaternen erhellt und weniger von elektrischen Straßenlichtern. Das Straßenbild des Viertels war Tobirama noch gut vertraut, und er fand sich mit Leichtigkeit im abendlichen Betrieb zurecht. Immer mal wieder begegneten ihnen Geisha und Maiko, die von Teehaus zu Teehaus flatterten für ihre Auftritte, aber auch Besucher der Häuser, die locker schwatzend die Straßen entlang gingen. Viele von ihnen trugen moderne Anzüge, aber zumindest einige besaßen noch einen ordentlichen Kleidungsgeschmack und trugen wie Tobirama und seine Begleiter Kimono.
Beim Ichiriki angekommen, musste Tobirama sich nicht einmal mit Namen vorstellen. Der Besitzer höchstselbst, gegenwärtig ein junger Mann, ein Abkömmling derer, die seit Generationen das Etablissement führten, erwartete sie bereits und geleitete sie hinein. Immer wieder verbeugte er sich und beteuerte, wie sehr er sich freute, Tobirama wieder hier willkommen zu heißen. Während sich Minato mit großen Augen umsah, trippelte Kakashi hinter Tobirama her; die Exklusivität des Ichiriki schien ihn einzuschüchtern.
Es war noch alles so, wie Tobirama es in Erinnerung hatte, stellte er zufrieden fest. Das Essen hatte er schon im Vorfeld hierher bestellen lassen, da das Teehaus selbst keine Küche anbot.
Kakashi zupfte ihm am Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. »Die tragen dir hier ja echt den Arsch hinterher«, wisperte er.
»Natürlich«, entgegnete Tobirama. »Das will doch auch so sein. Als Patron investiert man schließlich im Vorfeld viel Geld in diese Exklusivität.«
Der Besitzer führte sie um den im Innenbereich des Hauses gelegenen Garten herum, um die Sehenswürdigkeiten des Hauses zu repräsentieren, die es hier zu bestaunen gab. Dann geleitete er sie zu ihrem Raum, der für sie reserviert war. Hier wurden sie bereits von Geisha Mameka und Maiko Ayame erwartet, die ihnen die Tür öffneten.
Beide hatten sie ihre Gesichter mit der für Damen ihrer Profession typischen Schminke bemalt und ihre Lippen zu einem ewigen zarten Lächeln gemalt. Mameka trug einen schlichten schwarzen Kimono, der mit einem Kranichmuster verziert war, während Ayame neben ihr förmlich wie eine junge Blüte erstrahlte. Ihr Kimono war in einem zarten rosa gehalten und mit einem floralen Muster verziert, das die Erinnerungen an den Frühling in den tristen, dunklen Winter holte. Silberne Kanzashi klingelten in ihrem Haar.
Minato wirkte recht befangen in Gegenwart der beiden Damen und hielt sich offensichtlich an Tobirama. Dieser ließ sich von Mameka und Ayame zu ihrem Platz führen, und Minato und Kakashi folgten ihm.
Tobirama hatte Sushi und Robata bestellt, mehr als reichlich für fünf Personen, zumal zwei von ihnen nur ein paar Bissen aus Höflichkeit essen würden. Aber wenn er sich schon einmal solch einen Abend gönnte, dann wenigstens richtig. Also gab es neben Tee natürlich auch Sake.
Mameka bediente Tobirama, während Ayame Minato und Kakashi übernahm, und schnell entwickelte sich ein anregendes Gespräch. Die beiden Frauen waren gut informiert, was ihre Gäste anging, und machten kluge Bemerkungen. Sie schienen mit Shinobi nicht gänzlich unvertraut, und Tobirama lernte, dass er anscheinend einen dauerhaften Eindruck im hanamachi hinterlassen hatte.
»Mineko-san war für viele von uns ein Vorbild«, sagte Mameka. »Es hatte viele Mädchen gegeben, die darauf hofften, dass sie ihre oneesan wird. Aber da gab es jemanden, der ihnen allen zuvor gekommen war.«
Sie sagte es in einer leichtherzigen Weise, die deutlich machte, dass sie es nicht wirklich bedauerte. Mit einer eleganten Drehung ihres Handgelenks griff sie nach dem Kyūsu und goss Tobirama seinen Tee ein. Ihm entging nicht, wie sie dabei ein winziges bisschen den Stoff ihres Kimono zurückschob und ihre helle Haut im dimmen Licht des Raums aufblitzte.
»Mineko-san hatte solch ein Glück, einen so einflussreichen danna zu haben«, sagte Ayame. »Da können viele nur von träumen. Und, wenn ich sag so sagen darf, auch noch solch ein gutaussehender Mann.«
Sie kicherte. Mameka brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.
»Du und dein vorlautes Mundwerk immer, Ayame-chan.«
Minato schien sich so langsam für die Szene erwärmen zu können, als er in das Geplauder einstimmte. »Ich muss Ayame-san zustimmen.«
Schalk stand in seinen Augen, als er zu Tobirama blickte. Dieser kniff die Augen zusammen.
»Ich weiß was du jetzt denkst.«
Minato tat ganz unschuldig. »Und ich weiß, was du darauf erwidern wirst.«
»Also verkneif‘s dir«, brummte Tobirama.
Minato lachte leise. Kakashi griff wortlos nach dem Sake.
»Streng dich an, Ayame-chan, und wer weiß, vielleicht hast du eines Tages auch so viel Erfolg wie Mineko-san«, sagte Mameka. »Vielleicht beehrt uns Nidaime-sama jetzt wieder regelmäßig und vielleicht entscheidet sich ja Yondaime-sama dazu, dein danna zu werden.«
»Ach? Davon weiß ich ja noch gar nichts. Wann wolltest du mich darüber informieren, Tobirama?«, wollte Minato wissen und schmunzelte.
»Tse.« Tobirama ignorierte ihn und wandte sich an Ayame. »Ich bin erstaunt, dass eine so gefragte Maiko wie du noch keinen Patron hat.«
Sie klimperte mit den Wimpern und tat ihr Bestes, um möglichst süß zu wirken. Augen so blau wie fließende Wasser blitzten auf. Auf elegante Weise neigte sie ihren zarten Nacken. »Vielleicht ist die Zeit einfach noch nicht reif.«
»Die Zeit ist auf jeden Fall reif dafür, dass du uns zeigst, wie gut du tanzt«, sagte Mameko.
Elegant standen die beiden Frauen auf, um sich an ihre Plätze zu begeben. Mameko hatte ihr Shamisen mitgebracht, und Ayame breitete ihren Fächer aus.
Tobirama war in der Tat erstaunt, dass Ayame anscheinend noch keinen Unterstützer gefunden hatte. Hatten sich die Dinge so sehr geändert? Kein Wunder also, dass Mameko sie so offensichtlich anbiederte, und Tobiramas und Minatos Anwesenheit bot eine wunderbare Option für sie. Tobirama erwischte sich dabei, wie er sogar einen winzigen Moment lang darüber nachdachte, ob er wieder auf diese Weise involviert werden wollte, und verwarf den Gedanken dann doch wieder. Chio war eben Chio gewesen.
Ayame war eine passable Tänzerin, auch wenn ihr hübsches Gesicht darüber hinweg täuschte, dass ihre Füße manchmal übereinander zu stolpern drohten. Dennoch wusste sie sich elegant zu bewegen. Als Maiko war sie schon weit gekommen, aber noch hatte sie zu lernen.
Er spürte, wie Minato ihm heimlich unter dem Tisch eine Hand auf das Knie legte. Minato lächelte ihn an, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Darbietung zu. Es war offensichtlich, dass er nicht wirklich benennen konnte, was daran nun gut oder nicht gut war, aber er schien es dennoch zu genießen und das war die Hauptsache. Selbst Kakashi machte keinen allzu gelangweilten Eindruck, obwohl er das Essen eindeutig spannender fand.
Sie verbrachten den Abend mit unverfänglichen Themen. Ihnen stand nicht der Sinn danach, über Politik zu reden, und Mameko und Ayame waren taktvoll genug, ebenfalls nicht Kyubis Angriff zum Thema zu machen. Das wäre kein Gesprächsthema für diesen Abend.
Stattdessen zeigten sie einiges Interesse an Tobiramas und Minatos Hiraishin, und das verblüffte Tobirama, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so gut informiert wären.
»Oh, aber natürlich«, sagte Mameko, als er seinem Erstaunen Ausdruck verlieh. »Auch wir hörten von Konohas Gelben Blitz, und als mir zugetragen wurde, dass Nidaime-sama unsere Gesellschaft erbat, da wurde ich natürlich neugierig. Wer wäre das nicht? Ein paar Neuigkeiten verlassen auch die Verstecken Dörfer.«
»Also sind Zeitreisen wirklich möglich?«, fragte Ayame aufgeregt.
»Offensichtlich«, sagte Tobirama knapp. »Allerdings nicht zu empfehlen.«
Ayame hob ihren Fächer vor ihr Gesicht und kicherte.
Tobirama überließ es Minato, die Fragen der beiden Frauen zu ihrem Jutsu zu beantworten. Ihm stand nicht wirklich der Sinn danach, jetzt weiter darüber nachzudenken, und Minato verstand sich fast ebenso gut darauf wie er. Irgendwann jedoch wandte sich das Gespräch anderen Themen zu und irgendwie kam man auf Poesie zu sprechen. Mameko und Ayame schienen überrascht von Minatos Vorliebe für Poesie und waren ganz begeistert, als er ihnen aus dem Stehgreif das eine oder andere Haiku aufsagte. Und da die Stunde schon etwas fortgeschrittener war und sie alle schon längst mehr als nur Tee getrunken hatten, uferte das recht bald zu einem Rezitationswettstreit aus. Minato forderte Tobirama dazu auf, sich ebenfalls an Poesie zu versuchen und ihnen ein Haiku zu präsentieren.
Es endete darin, dass Minato vor Lachen kaum noch Luft bekam und auch Kakashi ein paar freche Bemerkungen fallen ließ, während Tobirama alles mit stoischer Ruhe ertrug. Womit hatte er das nur verdient?
Minato wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Das wird noch lange dauern, bis wir aus dir einen Poeten machen.«
Er presste die Lippen aufeinander im vergeblichen Versuch, sein Lachen zurückzuhalten. Tobirama starrte ihn nieder, was jedoch erneut in schallendem Gelächter resultierte. Ganz gegen seinen Willen musste auch Tobirama lächeln. Er mochte es, Minato glücklich zu sehen.
»Yondaime-sama, es scheint, als habe Ihr Begleiter noch nicht so wirklich ein Gefühl für den Fluss der Worte«, stellte Ayame fest. »Vielleicht möchten Sie ihm ein wenig helfen und ihm ein gutes Beispiel demonstrieren. Welches Gedicht spricht aus Ihrem Herzen?«
Darüber sann Minato einen Moment lang nach. Er sah zu Tobirama und ein Lächeln bereitete sich auf seinem Gesicht aus. »Die Flamme des Feuers aus dem Herzen scheint, steigt auf, überdauert.«
Kakashi schnaubte amüsiert. »So was ist an Tobirama doch verloren.«
»Sprich für dich selbst, Junge«, knurrte Tobirama.
Auch wenn Minato und Kakashi sich gegen ihn verschworen zu haben schienen, ließen sie alsbald Gnade walten. Doch Mitternacht war nicht mehr fern und die kommenden Tage würden anstrengend genug werden. Tobirama hatte den Eindruck, dass der Abend Minato gefallen hatte und auch Kakashi schien nicht gänzlich abgeneigt zu sein. Er tat zwar immer so gelangweilt und gleichgültig, aber so langsam glaubte Tobirama, ein Gefühl für die Launen seines Enkels zu bekommen.
»Das können wir öfters machen«, stellte Minato mit dem Arm um Tobiramas Hüfte fest.
»Dich auf meine Kosten verköstigen lassen, meinst du?«, neckte Tobirama.
»Definitiv keine Erfahrung, die ich täglich mache. Die Damen waren ausgesprochen nett.«
»Ist ja auch ihr Job«, warf Kakashi ein.
»Geisha ist nicht nur eine Berufung, es ist eine Kunst, Junge. Würdige das«, brummte Tobirama. »Deine eigene Großmutter war eine Geisha, vergiss das nicht.«
Kakashi wurde still. Dann fragte er: »War sie wirklich so berühmt?«
»Beim großen Frühlingsfest tanzte sie immer die Hauptrolle und sie durfte hohe Würdenträger bis hin zum daimyō unterhalten. Sie war sehr gefragt, eine so begabte Künstlerin wie sie gibt es nur selten.«
»Ich finde, wir sollten uns öfters Zeit nehmen für einen Besuch hier«, warf Minato ein. »Jetzt bin ich neugierig geworden.«
Tobirama sagte nichts darauf.
Ja, der Abend war nett gewesen. Aber etwas hatte doch gefehlt. Ohne Chio würde es nie wieder dasselbe werden. Er konnte sich nicht helfen, die ganze Zeit über hatte er Mameko und Ayame mit seiner Frau verglichen und war zu dem Schluss gekommen, dass die beiden zwar gut waren, aber das Talent Chios hatten sie nicht.
Chio war nicht mehr und hatte eine Leere hinterlassen, die nicht gefüllt werden konnte.
Die Verhandlungen mit dem daimyō waren zähl und ermüdend und erweckten noch so manch eine Tirade Minatos. Irgendwann fingen sie an, um jeden Pfennig zu schachern, weil keiner so recht nachgeben wollte. Tobiramas Frustration nahm mit jedem Tag zu und er konnte nur allzu gut nachvollziehen, wie sich auch Minato dabei fühlte. Er tat, was er konnte, um ihn zu unterstützen, aber dennoch hatten sie beide am Ende gut Lust, auf irgendetwas einschlagen. Sie beherrschten sich, allerdings nur gerade so.
Am Ende fanden sie eine Einigung. Keiner ging so wirklich zufrieden aus der ganzen Sache heraus, aber zumindest doch nicht mit leeren Händen. Jetzt endlich konnten sie nach Konoha zurückkehren und den Wiederaufbau vollends in Gang bringen. Es war Licht am Ende des Tunnels.
»Ja, schön. Ich hatte dich eine ganze Woche für mich allein. Aber zu welch einem Preis …« Minato seufzte schwer.
Tobirama schwieg dazu und war einfach nur froh, dass sie es hinter sich gebracht hatten. Er hasste Bürokraten aus ganzem Herzen.
Die Zitate in diesem Kapitel stammen aus "Das Narrenschiff" von Reinhard Mey und Aníron von Enya.
Nächstes Kapitel: Kakashi ist auf einer wichtigen Mission
Kapitel 11: Mission Babysitten
Kakashi wanderte durch die teils noch immer stark beschädigten Straßen Konohas. In einer Hand hielt er das Buch, in dem er las, die andere hatte er in seiner Hosentasche vergraben. Jiraiya hatte ihm in der Tat all seine Bücher signiert und ihm sogar eine Druckfahne seines neuesten Bandes überlassen.
Ōkami lief neben ihm her und redete die ganze Zeit von Jagdtaktiken und welchem Wolf im Rudel dabei welche Rolle zukam. Er hörte nicht wirklich hin und ließ sie reden; er hatte festgestellt, dass das ohnehin der beste Weg war, um mit ihr umzugehen. Aufhalten konnte er sie ja doch nicht.
Er trug Naruto bei sich, dick eingewickelt in seine Babydecke und sicher verstaut in dem Tragetuch, sodass Kakashi die Hände frei hatte. Das Baby drehte seinen Kopf zur Seite und fand anscheinend absolut alles höchst spannend. Es blubberte vor sich hin. Wenn das eine Imitation von Sprache sein sollte, dann hatte Naruto noch einen langen Weg vor sich.
Was Naruto an den Trümmern allerdings so spannend fand, entzog sich Kakashi. Konoha machte mittlerweile nach über drei Monaten einen besseren Eindruck als noch unmittelbar nach Kyubis Angriff, aber doch waren die Spuren noch mehr als deutlich. Minato und Tobirama gingen davon aus, dass der Wiederaufbau noch etliche Monate in Anspruch nehmen würde, aber mit der Hilfe, die sie dem daimyō aus dem Kreuz geleiert hatten, würde es schneller gehen. Eine leichte Geburt war das allerdings nicht gewesen.
Obito hatte immer Hokage werden wollen, aber jetzt, wo Kakashi einen Blick aus nächster Nähe auf das Amt erhalten hatte, fragte er sich, ob Obito sich überhaupt bewusst gewesen war, was er sich da eigentlich wünschte. Kakashi jedenfalls wusste: Das war nichts für ihn.
»Es ist dann von allerhöchster Wichtigkeit, die Beute am Boden zu halten und den Huftritten auszuweichen«, sagte in diesem Moment Ōkami. »Ein Biss in die Kehle, um die Beute zu ersticken … He, hörst du mir überhaupt zu?«
»Ja, natürlich«, log Kakashi.
Ōkami knurrte. Hatte sie die Lüge erschnüffelt?
Rettung kam von unerwarteter Seite, als er an Asumas und Kurenais liebsten Dangoladen vorbeikam. Gai erspähte ihn und winkte sogleich energisch.
»He, Kakashi!«, rief er ihm über die halbe Straße hinweg zu und winkte. »Komm her, es gibt Dangos!«
»Bin auf einer Mission«, sagte Kakashi knapp.
»Blödsinn, das ist nur eine Ausrede«, widersprach Gai. »Angeblich bist du immer auf einer Mission.«
»Weil ich auch ständig was zu tun hab. Und sprich leiser, Naruto verträgt Lärm nicht so gut.«
Ganz ungeachtet des Faktes, dass Naruto selbst viel und deutlichen Gebrauch von seiner eigenen Stimme machte. Kakashi wollte sich gar nicht vorstellen, wie unerträglich laut der Junge werden würde, wenn er erst einmal das Jugendalter erreicht haben würde.
Gai schlug sich die Hände vor den Mund. Ōkami schien es allerdings auch für eine gute Idee zu halten, Kakashi zu einer geselligen Runde zu zwingen, denn sie nahm seinen Ärmel zwischen ihre Zähne und zerrte ihn zu dem Laden. Gai führte ihn hinein und an seinen angestammten Platz, wo bereits Kurenai und Asuma saßen.
Kurenai winkte ihm zu. »Hey, so sieht man sich wieder.«
»Der hat schon wieder die Ausrede mit der Mission versucht«, beschwerte sich Gai.
»Die Kraft der Jugend und so. Immer am Rabotten«, kommentierte Asuma mit unüberhörbarem Sarkasmus in der Stimme in Parodie auf Gais Lieblingsphrase.
»Stimmt doch auch. Ich bin auf einer Mission.« Kakashi deutete auf Naruto. »Nennt sich, ihn zum Mittagsschlaf bewegen. Klappt nur nicht, wenn ständig irgendwer dazwischen brüllt.«
»Ehh?«, machte Gai und schien immer noch nicht überzeugt.
Kurenai aber gab verzückte Laute von sich. »Aww! Ist das Hokage-samas Sohn? Du bist aber ein ganz niedlicher Wonneproppen. Dutsidutsidu.«
Sie wedelte mit dem Finger vor Narutos Gesicht herum, was seine Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Er giggelte und schaffte es, ein Ärmchen aus der Decke zu befreien. Eifrig grapschte er nach ihrem Finger. Er konnte ihn gerade so umfassen, was Kurenai anscheinend besonders niedlich fand. Sie bekam sich kaum noch ein.
Ōkami, die sich neben den Tisch gesetzt habe, hob stolz den Kopf. »Eines Tages wird der Welpe ein wertvolles Mitglied des Rudels sein. Dafür sorgen mein kleiner Welpe und ich. Nicht wahr?«
Sie sah Kakashi durchdringend an.
Er erwiderte ihren Blick seelenruhig. »Ich glaube, Minato-sensei hat da eine andere Meinung zu.«
»Ach, was weiß der schon. Der wird schon noch erkennen, was das beste für seinen Welpen ist. Was meinem Welpen nicht geschadet hat, kann bei seinem auch nur helfen.«
Hatte sich Minato wirklich gut überlegt, auf was er sich da bei Tobirama einließ? Manchmal hatte Kakashi so seine Zweifel. Aber nun gut, wo die Liebe hinfiel …
»Also bestehen eure super geheimen Missionen bei der Anbu jetzt aus Babysitten?«, frotzelte Asuma.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Ja. Und? Ich sehe da kein Problem. Und nimm die Fluppe weg, hier ist ein Baby.«
»Ich war zuerst da«, protestierte Asuma.
»Fluppe weg«, sagte auch Kurenai mit einer deutlichen Warnung in der Stimme. Dieses Mal leistete Asuma Folge.
Kurenai wandte sich wieder Kakashi zu und senkte die Stimme. »Aber sag mal. Ich hab da was gehört, aber ich kann‘s nicht so recht glauben. Stimmt es, dass Hokage-sama den Kyubi in seinem eigenen Sohn versiegelt hat?«
Kakashi wusste nicht genau, wie viele Details er ausplaudern durfte, andererseits war das wohl ein offenes Geheimnis. Minato hatte bisher keine offizielle Verkündung herausgegeben, aber irgendwie wussten es doch alle. Also nickte er.
»Eine Hälfte in sich selbst und die andere in Naruto.«
Die Stimmung kippte merklich. Kurenai, Asuma und Gai machten lange Gesichter.
»Er ist doch nur ein Baby«, sagte Kurenai vorsichtig. Sie sah skeptisch auf Naruto herab. »Ist das sicher?«
»Minato-sensei weiß unheimlich viel über Siegel«, versicherte Kakashi ihr. Irgendwie hatte er sich nie allzu viele Sorgen um dieses Thema gemacht, trotz all dessen, was passiert war. »Und außerdem haben wir doch jetzt auch wieder Tobirama im Dorf.«
»Du redest immer so respektlos über Nidaime-sama«, stellte Gai fest. Der Themenwechsel rettete ihn wohl aus dem unangenehmen Thema und auf sichereres Gelände.
»Wie soll er meinen Welpen denn sonst anreden? Sofu hört er nicht gern«, sagte Ōkami an Kakashis Stelle.
Kakashi starrte sie mit einem Todesblick an. Das hatte sie jetzt nicht wirklich gesagt?! Ōkami wedelte mit dem Schwanz, als sei nichts dabei. Er überlegte, ob er einen Ringkampf mit ihr riskieren sollte und wie seine Chancen standen, einen solchen auch zu gewinnen. Wahrscheinlich nicht allzu gut. Er war gewillt, es trotzdem auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Gai starrte sie einen Moment lang irritiert an. Dann sprang er auf und gestikulierte wild in Richtung Kakashis. »Wie konntest du mir das nie sagen! Du hast uns allen verschwiegen, dass Nidaime-sama dein Großvater ist, ich fass es nicht! Mein ewiger Rivale ist der Nachkomme eines Hokage!«
»Soll vorkommen«, warf Asuma trocken ein. »Da ist jetzt wirklich nicht so viel Besonderes dran.«
»Gai …«, versuchte es Kakashi.
»Du hast Geheimnisse vor mir! Wieso hast du Geheimnisse vor mir?« Tränenbäche strömten über Gais Gesicht.
»Gai, komm mal wieder runter«, warf Kurenai ein. »Kakashi wird schon seine Gründe haben.«
»Das heißt, jetzt muss ich mich doppelt anstrengen, um noch mit meinem ewigen Rivalen mitzuhalten!«, proklamierte Gai. »Es ist ja solch eine Ehre, dass der Nachkomme eines Hokage mein Rivale ist!«
»He, und was ist mit mir?«, warf Asuma ein. »Mein alter Herr war auch mal Hokage, und das sogar ziemlich lange.«
»Du bist aber nicht mein Rivale.«
Bestechende Logik. Zumindest wenn es nach Gai ging.
Ironischerweise war es Tobirama, der Kakashi von Gai erlöste. Er tauchte aus dem Nichts heraus auf, wie es seine lästige Angewohnheit war. Er trug seine Dienstausrüstung, hatte aber auf die Wolfsmaske verzichtet. Kakashi hatte keine Ahnung, wo er sich dieses Mal wieder herumgetrieben hatte, es war ihm aber eigentlich auch egal. Er sprang auf.
»Du hast sehr wohl irgendwo an meiner Kleidung ein Siegel angebracht!«, rief er aufgebracht. »Gib‘s zu! Ich hab doch nicht mal Minato-senseis Kunai bei mir!«
Tobirama verschränkte ruhig die Arme vor der Brust. »Das Siegel ist an Narutos Decke.«
Kakashi musste ein Seufzen zurückhalten. Da hatten sich ja wirklich zwei gefunden mit Tobirama und Minato.
Tobirama schnappte sich das Buch, das Kakashi gelesen hatte, und blätterte durch die Seiten. Er machte ein finsteres Gesicht, umso mehr, als er sah, wer der Autor war. Kakashi wünschte sich ein Loch herbei und betete, dass sein Großvater ihn verschonte. Natürlich hatte Tobirama keine Gnade mit ihm.
»Das nehme ich an mich, Junge«, sagte er streng.
Kakashi verzog unwillig das Gesicht. »Könntest du das bitte lassen, Tobirama?«
»Das ist nichts, was du lesen solltest! Schon gar nicht in deinem Alter.«
Kakashi hörte noch Asumas hämisches Kichern, als Tobirama ihn aus dem Laden schleifte und Ōkami hinter ihnen her trottete. Seine Reputation war definitiv zerstört, und wahrscheinlich durfte er sich auch vom Rest seiner Icha-Icha-Sammlung verabschieden. Dieser Tag hatte eine ganz schreckliche Wendung genommen.
»Was willst du eigentlich von mir, sofu?«
Tobirama sah ihn ob der Anrede finster an. Wenigstes eine kleine Genugtuung. »Ich habe einen Auftrag und einen Vorschlag für dich. Über den Auftrag reden wir später.«
»Und der Vorschlag?«
»Du wolltest doch deine Brüste loswerden, nicht wahr? Ich könnte Tsunade für dich um Hilfe bitten, wenn du das willst.«
»Äh.« Sprachlos starrte Kakashi ihn an.
»Doch nicht?« Fragend sah Tobirama auf ihn herab.
»Nein, nein, das ist es nicht«, beeilte sich Kakashi zu sagen. »Es ist nur … Ich hatte irgendwie nicht damit gerechnet, dass das wirklich eine Option wäre. Das ist ziemlich plötzlich für so einen großen Schritt.«
»Das war nur ein Angebot«, betonte Tobirama. »Es geht hier um dich, um niemanden sonst. Denk in Ruhe darüber nach.«
Kakashi nickte und tat genau das auf ihrem Heimweg. Aber je länger er darüber nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass es da eigentlich nichts gab, über das er groß nachdenken musste. Er kannte die Antwort bereits.
Er hatte wirklich nie groß darüber nachgedacht, dass es eine reale Möglichkeit wäre, seinen Körper dem anzupassen, wie er sich selbst sah, und hatte sich bis jetzt damit vergnügt, sich so gut es ging zu verstecken, auch wenn er dafür auf ein paar Dinge verzichten musste. Er kannte ja sonst niemanden, der dieselben Probleme wie er hatte und mit dem er darüber reden konnte. Na gut, Shisui, aber Shisui war noch einmal ein anderer Fall und außerdem erst neun Jahre alt. Er wollte nicht mit einem Kind über die intimeren Details reden.
Als sie schon daheim angekommen waren, sagte er daher: »Ja, bitte frag für mich Tsunade.«
Tobirama nahm es mit einem Nicken hin.
Zufälligerweise war Tsunade auch gerade anwesend und trieb sich nicht im Dorf herum, wie sie es gern einmal tat. Tobirama bat sie zu sich und sie setzten sich an den kotatsu. Kakashi hatte noch immer Naruto bei sich, der mittlerweile doch endlich eingedöst war. Als Kakashi zu Tsunade sah, war er ganz froh, dass Tobirama das von sich aus vorgeschlagen hatte. Er hatte nichts gegen Tsunade per se, sie war lediglich ein wenig … anstrengend hin und wieder, und dass sie ihn manchmal noch ihre Nichte genannt hatte, half auch nicht gerade. Aber trotzdem war sie wohl die beste Chance für Kakashi, sich endlich mehr wie er selbst zu fühlen, und sollte sie etwas unangebrachtes sagen, war hoffentlich Tobirama da, um sie zurechtzuweisen.
»Tsuna, kannst du eine Mastektomie durchführen?«, fragte Tobirama geradeheraus.
Sie hob fragend eine Braue, doch dann fiel ihr Blick auf Kakashi. »Ahh. Ich verstehe. Wollte schon fragen, warum du das willst, Onkel.«
»Die Medizin ist in den letzten vierzig Jahren weit gekommen«, fuhr Tobirama fort. »Es scheint mir viel mehr Möglichkeiten zu geben und auch sicherere.«
»Jede Operation ist natürlich mit einem Restrisiko verbunden, das versteht sich von selbst. Aber das ist mittlerweile alles viel sicherer, stimmt schon. Das einzige Problem, das ich sehe, ist der Umstand, dass ich nicht mehr praktiziere, egal was. Einen Schnupfen behandle ich vielleicht noch, mehr nicht.«
Kakashi glaubte, ihm rutschte das Herz in die Hose. Da gingen sie dahin, seine Hoffnungen.
»Aber«, fügte Tsunade an, »Shizune kann den Eingriff durchführen.«
Kakashi atmete auf.
Tobirama sah Tsunade fragend an. »Warum sagst du, du praktizierst nicht mehr?«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Macht sich schlecht mit einer Hämatophobie. Aber das ist eigentlich auch egal. Also, wenn du das wirklich willst, Kakashi, kann Shizune dich operieren, sie ist sehr gut in der plastischen Chirurgie, und ich kann die Nachbehandlung übernehmen. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, wenn du das willst, zum Beispiel eine Hormonbehandlung mit Testosteron.«
Der Tag war vielleicht doch nicht so völlig schrecklich. »Oh, wirklich? Das geht?«
»Klar. Es hat allerdings einige Nebenwirkungen, das muss dir bewusst sein, manche kommen dir vielleicht sogar entgegen.«
Sie verbrachten die nächste Zeit damit, über all die Möglichkeiten zu sprechen, die die moderne Medizin Kakashi bot. Privat mochte Tsunade vielleicht anstrengend sein, aber fachlich war sie auf jeden Fall eine der besten. Sie klärte Kakashi über die Möglichkeiten auf, die er hatte, und welche Vor- und Nachteile sich daraus für ihn ergaben und mit welchen Nebenwirkungen er zu rechnen hatte. Es war immerhin ein großer Schritt, seinen Körper seinem Geschlecht anzupassen, und das ließ sich nicht einfach so machen.
Nicht alles davon klang sonderlich angenehm, besonders, als Tsunade im im Detail erklärte, wie so eine Mastektomie ablief. Flaschen an den Wundrändern, um Wundwasser abzulassen? Das war wirklich nicht sehr appetitlich. Aber dafür hatte er die Aussicht, endlich diese lästigen Brüste loszuwerden, und dafür war das nun wirklich nur ein kleines Hindernis, das er gern in Kauf nahm.
Je mehr Kakashi davon hörte, umso euphorischer wurde er. Das klang alles nach genau dem, was er sich vorstellte. Tobiramas sarashi war ein Anfang gewesen, der enorm geholfen hatte, aber es war eben nur der erste Schritt gewesen.
Tsunade sagte ihm, dass er über all dem ein paar Nächte schlafen sollte, und dann würden sie noch einmal miteinander sprechen, um die Details festzulegen, wie Kakashi sich für sich vorstellte. Die ganze Zeit über konnte er sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das war alles so aufregend.
Am Nachmittag kam Minato, um Naruto abzuholen – und wahrscheinlich auch, um mal wieder hier zu übernachten, mittlerweile wohnte er schon quasi hier. Doch Tobirama sagte ihm, dass er noch zu tun hatte.
»Du wirst den Abend ohne mich zubringen müssen, ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
Minato seufzte theatralisch. »Ich werd‘s schon überleben.«
Wirklich eine Tragödie.
Tobirama trug Kakashi auf, sein Team zusammenzurufen und ihn dann in seinem Büro zu treffen. Zeit also für den Auftrag, den er erwähnt hatte. Eine halbe Stunde später fand sich Team Ro im Hauptquartier der Anbu ein, wo Tobirama mit Ōkami bereits auf sie wartete. Die Wölfin lag vor seinem Schreibtisch wie ein gigantischer Fellvorleger. Ihre Nase zuckte, als sie Witterung aufnahm. Kakashi fragte sich, was Tobirama vorhatte.
»Wir werden Danzō einen Besuch abstatten«, sagte Tobirama geradeheraus.
Yuki wurde sogleich hellhörig. »Wir?«
»Ja, wir. Ōkami und ich kommen mit. Minato und ich haben nun schon seit einer Weile Danzō im Verdacht, Geheimnisse zu hegen. Um genau zu sein, vermute ich, dass er entgegen seiner Anweisungen die Ne nicht vollständig aufgelöst hat und noch immer im Verborgenen Shinobi hat, die ihm allein dienen, unter ihnen vielleicht auch dieser Tenzō, den du einmal erwähnt hast, Kakashi.«
Kakashi sagte zunächst nichts dazu.
»Des weiteren will Minato, dass wir ein Auge auf Orochimaru haben«, fuhr Tobirama fort. »Das heißt, dass ich wissen will, in welcher Verbindung die beiden zueinander stehen und ob Orochimaru nicht eventuell sogar in die Geheimnisse Danzōs verstrickt ist. Kakashi, Minato sagte mir, dass du auf einer deiner ersten Anbu-Missionen auf Orochimaru getroffen warst. Ich will, dass du mir davon erzählst. Alles dieses Mal, dein Bericht zu der Mission ist unvollständig.«
Kakashi blinzelte überrascht. Damit war Tobirama der erste, dem aufgefallen war, dass Kakashi Tenzō nicht erwähnt hatte. »Minato-sensei hatte mich geschickt, um ein paar Gerüchten um einen im Verborgenen lebenden Clan nachzugehen. Dabei handelte es sich um den Iburi Clan, der, wie ich schrieb, dieses kekkei genkai hat, das ihnen die Fähigkeit verleiht, ihren Körper in Rauch zu verwandeln. Sensei hatte den Verdacht, dass sie eventuell in verbotene Experimente involviert sind, und er behielt Recht. Wie sich herausstellte, hatte Orochimaru sie benutzt – ausgenutzt, sollte ich wohl sagen –, um an ihnen zu experimentieren. Irgendwas mit einem Siegel, das angeblich das kekkei genkai des Clans stabilisieren sollte, aber genaueres hatte ich nicht herausfinden können. Er hatte Kinder des Clans mitgenommen und keiner hat sie jemals wieder gesehen, und am Ende hat er den ganzen Clan getötet.
Ja, das ist die Mission, auf der ich Tenzō begegnet bin. Er nannte sich Kinoe, aber ein Mädchen aus dem Clan war überzeugt davon, dass er ihr Bruder Tenzō sei. Er selbst wusste nichts von seiner Herkunft und hat mir auch nicht gesagt, wo er herkommt, nur dass er im Auftrag Danzōs da gewesen sei. Am Ende half er, Yukimi, das Mädchen, und mich vor Orochimaru zu retten, der Yukimis Blut wollte, um ihr kekkei genkai zu erlangen. Hinterher trennten sich unsere Wege wieder und ich versprach Tenzō, mit niemanden darüber zu reden.«
Das war zwar immer noch sehr stark zusammengefasst, aber dieses Mal doch die ganze Wahrheit.
»Welchen Auftrag genau hat Danzō Tenzō gegeben?«, fragte Tobirama.
»Orochimaru zu überwachen, aber ich kann nicht sagen, ob das wirklich der Wahrheit entspricht. Ich weiß nur, dass Tenzō schlussendlich seinen Auftrag nicht in seinem ursprünglichen Sinne erfüllte, als er mit Yukimi verschwand. Wo das Mädchen jetzt ist, weiß ich nicht. Dasselbe gilt für Tenzō.«
»Und seitdem hat niemand sonst etwas von diesem Jungen gehört?«
Kakashi schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht einmal, dass Danzō weiß, dass ich von Tenzō weiß.«
»Nidaime-sama, wenn ich mir die Frage erlauben darf, aber warum haben Sie ein solches Interesse an diesem Tenzō?«, fragte Kō.
»Kakashi sagte mir, dass er Mokuton beherrscht. Ich brauche wohl nicht zu erklären, warum das für mich bei weitem nicht nur von privatem Interesse ist.«
Hashiramas Mokuton war legendär. Jeder wusste, dass es nicht nur unheimlich stark war, sondern auch einen Bijū kontrollieren konnte, selbst wenn nur Wenige Details darüber kannten.
»Unser Auftrag ist es also, Danzō zu überraschen und ihn vielleicht sogar auf frischer Tat zu ertappen«, schloss Sukea.
»Korrekt. Noch Fragen?« Sie schüttelten die Köpfe, und Tobirama stand auf und griff nach seiner Wolfsmaske. »Gut. Los geht‘s. Wir fangen im alten Quartier der Ne an.«
Nächstes Kapitel: Sie statten Danzo einen Besuch ab. Der ist darüber nicht allzu glücklich.
Kapitel 12: Ne
Sie folgten Tobirama und Ōkami durch das unterirdische Tunnelnetz. Auf stillen Pfoten trabte die Wölfin neben ihm her, während Tobirama zielstrebig seines Weges ging. Es war das erste Mal, dass Kakashi mit ihm direkt zusammenarbeitete auf einer Mission (ihm dabei zu helfen, kleinen Uchiha was beizubringen, zählte nicht), und Kakashi war schon gespannt darauf, wie das laufen würde. Es war schon ungewöhnlich genug, dass Tobirama sie überhaupt begleitete, statt das einfach seinen Untergebenen zu überlassen. Er schien zu erwarten, dass er persönlich gebraucht würde.
In all den Monaten, in denen er seinen Großvater nun kannte, hatte Kakashi noch nicht wirklich die Beziehung ergründen können, in denen Tobirama zu seinen einstigen Schülern stand. Sie schien angespannt zu sein, selbst zu Sarutobi, mit dem er sich noch am besten zu verstehen schien. Irgendwie hatte er das Gefühl, hier auf einem Pulverfass zu sitzen, und Tobirama hielt verzweifelt die Lunte vom Schwarzpulver fern, um nicht alles explodieren zu lassen – ungeachtet des Faktes, dass eine Explosion vielleicht das beste wäre.
Kakashi fragte sich ohnehin, wie das alles bis jetzt so glimpflich hatte vonstatten gehen können. Selbst ihm war bewusst, dass Sarutobi als Hokage keine allzu gute Figur gemacht hatte, von seinen Beratern ganz zu schweigen. Tobirama war bisher verblüffend still geblieben, aber stille Wasser waren tief.
Vielleicht war ja jetzt endlich die Zeit gekommen, da ein wenig Bewegung hineinzubringen.
Tobirama hatte anscheinend nicht vor, sich heimlich in das alte Quartier der Ne einzuschleichen. Erwartete er, dass es leer war, oder dass doch jemand noch da war? Konnte er eigentlich Danzō mit seinen Fähigkeiten aufspüren? Kakashi jedenfalls konnte ihn mit seinem Sharingan nicht ausmachen. Das war ihm schon immer suspekt vorgekommen. Warum verbarg sich Danzō? Was hatte er zu verbergen?
Wieso hatte Sarutobi überhaupt zugelassen, dass so jemand wie Danzō in einer solchen Machtposition blieb? Und wie hatte jemand, der einmal Tobiramas Schüler gewesen war, so werden können? Das traf doch auf den ganzen Haufen zu. Mit Ausnahme Torifus vielleicht, aber den hatte Kakashi noch nicht kennen gelernt.
All diese Fragen hatte Kakashi nie laut gestellt, aber sie waren doch da gewesen, ganz leise. Er war in keiner Position, solche Fragen zu stellen.
Das änderte nichts daran, dass er gern Antworten darauf haben wollte.
Etwas war falsch an diesem Dorf, selbst er konnte es spüren. Wie musste es da erst Tobirama ergehen? Er hatte entscheidend dazu beigetragen, dass das Dorf heute so aussah, wie es aussah, dass es überhaupt erst existierte. Was machte es mit einem zu sehen, was die eigenen Schüler daraus machten? War er enttäuscht? Wütend? Resigniert? Immerhin hatte er beinahe sein Leben dafür gegeben, und was aus seinem Dorf geworden war, war wahrscheinlich recht enttäuschend im Vergleich zu dem, was es einmal gewesen war.
Die Ne war, wie Kakashi an diesem Abend lernte, durch einige Untergrundtunnel mit dem Hauptquartier der Anbu verbunden. In Anbetracht dessen, wie gut sich Tobirama hier unten zurechtfand, stellte sich Kakashi die Frage, ob er damals noch diese Tunnel angelegt hatte oder ob er bereits im Vorfeld einige Nachforschungen angestellt hatte.
Das Quartier stellte sich als großer Untergrundbunker heraus, der tief in die Erde gegraben war. Alles lag still und verlassen da, und doch war Kakashi erstaunt, dass an den Wänden noch immer ein paar Neonleuchten brannten, wohl betrieben von einem Notstromaggregat. Also doch nicht so verlassen, wie erwartet. Ihre Schritte hallten gespenstisch von den Betonwänden wieder, ansonsten war nichts zu hören.
Tobirama hielt inne. Auch Team Ro blieb stehen, instinktiv flankierten sie ihn, um ihm Deckung zu geben. Er kniete sich hin und berührte mit dem Finger den Boden. Einen Moment blieb er still. Ōkami nahm Witterung auf.
»Danzō ist anwesend«, sagte Tobirama, als er sich wieder erhob. »Aber er ist allein.«
»Also kannst du ihn erspüren?«, wollte Kakashi wissen.
»Nein, er hat seine Siegel gut gelernt von mir und weiß, wie er seine Anwesenheit verschleiern kann«, sagte Tobirama. »Aber er versucht, sein komplettes Chakra restlos zu verbergen, und das hinterlässt eine große Leere, wo eigentlich etwas sein sollte. Das kann ich spüren.«
Was wahrscheinlich extrem feine Sinne erforderte, denn Kakashi konnte mit seinem Sharingan nichts ausmachen. Seine Sinne sagten ihm, dass sie allein waren.
Sie folgten Tobirama. Ōkami derweil trabte vornweg und folgte der Fährte, die sie gefunden hatte. Eine Jägerin auf der Pirsch, unerbittlich und absolut tödlich. Ganz plötzlich war Kakashi ganz froh, auf dieser Seite zu stehen. Nannte man Tobirama nicht auch den Blutroten Geist der Senju?
Ōkami führte sie zu einer einzelnen Tür, durch deren Spalt tatsächlich etwas Licht fiel. Tobirama fackelte nicht lang und öffnete die Tür. Danzō machte keinen allzu überraschten Eindruck, als die Anbu plötzlich bei ihm erschien.
Ōkami lief in den Raum und Tobirama folgte ihr. Lässig stellte er sich mitten in den Raum, während Team Ro die Tür versperrte. Danzō selbst kniete an einem Tisch und schien an einer Schriftrolle zu schreiben, Kakashi konnte aber von seiner Position aus nicht erkennen, um was genau es sich handelte.
Ruhig legte Danzō den Pinsel zur Seite, trotz Ōkamis, die das Fell sträubte und die Zähne fletschte. Ihre ganze Haltung wirkte angespannt, als wäre sie bereit, jeden Augenblick auf ihre Beute zu springen.
»Sensei, hätte ich das gewusst, hätte ich mich besser auf Ihren Besuch vorbereitet. Tee?«
»Nein, danke. Ich bin dienstlich hier. Du wirst sicher nichts dagegen haben, wenn meine Leute sich hier ein wenig umsehen.«
Danzō runzelte die Stirn. »Nein, natürlich nicht, aber … Brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl vom Hokage?«
»Sicher. Gib mir nur ein Blatt Papier und etwas zu schreiben und ich kann dir einen entsprechenden Befehl vorlegen.«
Danzō legte sich hier mit dem Falschen an. Das schien ihm in diesem Moment ebenfalls klar zu werden, denn zähneknirschend gab er nach. Tobirama bedeutete Team Ro, mit der Durchsuchung zu beginnen. Sie verteilten sich im Zimmer und begannen, die Schubladen zu durchsuchen, und waren auch gründlich genug, nach Geheimfächern zu suchen.
»Ich muss sagen, ich bin erstaunt, dich hier anzutreffen, Danzō«, fuhr Tobirama im Plauderton fort. »Du hattest doch versichert, dass die Ne vollständig aufgelöst ist.«
»Das ist sie auch, sensei, Sie haben doch sicher meinen abschließenden Bericht dazu gelesen. Das hier ist mein altes Büro und ich nutze es einfach noch immer gern. Hab mich eben dran gewöhnt, hier zu arbeiten, statt bei mir daheim.«
Sicher. Irgendwie glaubte Kakashi ihm kein Wort. Und doch konnte er einfach nichts Verdächtiges finden. Alles, was Danzō hier hatte, waren Rechnungen, eine alte Einkaufsliste und ein paar Notizen zu Sachen, die er mit Sarutobi besprechen wollte, nichts von Belang. Aber irgendetwas hieran sorgte dafür, dass sich die Haare in seinem Nacken aufstellten.
Er sah zu Danzō, immer wieder eine unangenehme Erfahrung. Sein normales Auge konnte nichts ungewöhnliches Erkennen, doch sein Sharingan blickte in eine große Leere. Es war, als hätte Danzō sich in Luft aufgelöst.
»Sag, Danzō, da ist eine Sache, die ich dich schon eine ganze Weile fragen wollte.« Tobirama sprach noch immer locker, aber Kakashi wusste, dass nichts hieran einfach nur ein Plausch zwischen zwei alten Bekannten war. »Warum verbirgst du deine gesamte Präsenz? Die Maßnahmen, die du dafür ergreifst, erscheinen mir sehr, nun, umfassend. Außergewöhnlich gar.«
»Was Sie natürlich trotzdem nicht aufhält, sensei. Aber haben Sie uns nicht beigebracht, dass wir stets so wenig Spuren wie möglich hinterlassen sollen? Sie selbst haben uns die Siegel dazu beigebracht.«
»Und du warst immer sehr gut darin.«
Kō trat zu Tobirama und reichte ihm ein kleines Notizbüchlein. »Wolf-san, das sollten Sie sich ansehen.«
Wortlos nahm Tobirama das Buch entgegen und blätterte durch die Seiten. Seine Haltung verriet nicht, was er dachte, und dank der Masken, die sie alle trugen, konnte Kakashi natürlich auch seine Mimik nicht sehen. Tobirama hielt Danzō eine aufgeschlagene Seite unter die Nase.
»Was soll das?«, verlangte er zu wissen. Sein Ton war scharf. »Was für Experimente in Bezug auf Mokuton sollen das sein?«
Danzō beugte sich vor, um besser zu sehen, was Tobirama ihm da hinhielt. Ōkamis Knurren wurde tiefer, Kakashi konnte beinahe spüren, wie die Luft vibrierte.
»Oh. Das.« Danzōs Ton klang beiläufig. »Alte Versuche, Shodai-samas Mokuton zu reproduzieren, Sie können sich ja sicher denken, warum. Sie sollten mit Sarutobi reden, wenn Sie mehr darüber erfahren wollen. Das war seine Idee gewesen.«
Tobirama klappte das Buch wieder zu und steckte es sich in die Tasche. »Das nehme ich an mich. Team, Bericht.«
»Sonst nichts, Wolf-san«, sagte Kakashi. »Das scheint das einzige von Interesse zu sein.«
Tobirama nickte. »Dir noch einen schönen Abend, Danzō.«
»Ihnen ebenfalls, sensei.« Danzō lächelte freudlos. Es war mehr eine Grimasse als eine freundliche Geste.
Dass seine Gesichtsmuskeln überhaupt dazu in der Lage waren. Danzō wirkte innerlich vollkommen tot, regelrecht verdorrt. Manche behaupteten, das würde den ultimativen Shinobi ausmachen, bar jeglicher Emotionen und stets rational handelnd, aber Kakashi hatte so seine Zweifel. Die Leute, die sie von der Ne bekommen hatten, waren allerdings nicht besser, emotional kalt und mehr Maschine denn Mensch. Es war unheimlich.
Danzō hatte ihnen allen ein Siegel gegeben, das sie zum Schweigen verpflichtete. Niemand von ihnen konnte also darüber reden, was sie in der Ne getan hatten, und es verhinderte auch, dass sie Danzō verrieten. Minato hatte seine Erlaubnis gegeben, dass sie dieses Siegel behalten durften, aber es erschien Kakashi doch suspekt, dass Danzō überhaupt erst dieses Siegel angewandt hatte. Warum hatte Tobirama noch nichts dagegen unternommen? Er war doch sicher dazu in der Lage. Oder stimmte er dem zu? Das sähe ihm allerdings nicht ähnlich.
Team Ro folgte Tobirama wieder zurück zur Anbu. Tobirama schwieg sich den ganzen Weg über aus. Erst als sie wieder in seinem Büro waren und er sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte, die Maske neben sich gelegt, ergriff er wieder das Wort.
»Ich will wissen, was ihr denkt. Und sprecht offen, nur keine falsche Scheu, nur weil Danzō einmal mein Schüler gewesen war.«
Ōkami hatte den Kopf auf seinen Schoß gelegt und erbettelte sich Streicheleinheiten. Er kraulte sie zwischen den Ohren.
»Danzō hat offensichtlich Geheimnisse«, sagte Kakashi. »Das ganze fühlte sich so … aufgesetzt an. Klinisch. Als hätte er gewusst, dass wir kommen, und das alles sorgfältig platziert, damit wir es finden. Wer hat an so einem Ort schon eine Einkaufsliste?«
Tobirama legte das Buch, das er konfisziert hatte, vor sich auf den Tisch und betrachtete es nachdenklich.
»Nidaime-sama, vor einiger Zeit gab es Gerüchte, dass immer wieder Leute verschwanden«, sagte Kō. »Ich weiß nichts genaues darüber, ich könnte Ihnen nicht einmal sagen, wer da alles involviert war. Aber es gab Gerüchte, dass das von ganz oben kam. Vielleicht steht das damit in Verbindung.«
Kakashi hatte auch davon gehört, aber Kō war der Dienstälteste in Team Ro, er hatte es vielleicht sogar miterlebt.
»Wenn ich offen sprechen darf, dann … nun …« Yuki räusperte sich. »Danzō ist ein Mistkerl. Er hat seine Leute bei der Ne gehirngewaschen und zu hirnlosen Kampfmaschinen gemacht. Keine Ahnung, warum Sandaime-sama ihm überhaupt erlaubt hat, so etwas wie die Ne einzuführen. Ich mein, mir steht‘s nicht zu, darüber zu urteilen. Aber man fragt sich eben doch das eine oder andere. Dass Danzō uns nun das Buch da präsentiert, kann nur eine falsche Fährte sein, die von irgendetwas ablenken soll, wahrscheinlich ihm.«
Tobirama nickte anerkennend. »Das dachte ich mir ebenfalls. Nichtsdestotrotz werde ich dem nachgehen und mit Saru sprechen. Ich will, dass ihr in der Zwischenzeit Orochimaru überwacht. Geht zu seinem Haus und späht es aus, doch vorläufig nur aus der Ferne. Überwacht seine Aktivitäten und wann und wie er ein und aus geht. Lasst euch selbstredend nicht dabei erwischen. Und Kakashi, komm heute nicht zu spät nach Hause.«
Kakashi machte ein langes Gesicht. »Falls es dir entgangen sein sollte, aber ich bin kein Kind mehr. Du brauchst mir nicht mehr sagen, dass ich nicht zu spät ins Bett gehen soll.«
Tobirama kniff missmutig die Augen zusammen. »Ich brauch dich noch für etwas anderes. Und nun husch, husch. Ich hab euch gesagt, was ihr tun sollt.«
Sie standen stramm, setzten ihre Masken wieder auf und waren schon auf dem Weg.
»Hey, Hund-san, das wollte ich dich schon seit einer Weile fragen«, sagte Yuki unterwegs. »Aber warum wohnst du jetzt ausgerechnet bei unserem Boss?«
»In Momenten wie diesen bereue ich es«, grummelte Kakashi ausweichend.
»Deine Wohnung hat‘s erwischt, oder?«, schloss Sukea. »Aber das ist doch schon eine Weile her.«
Dankenswerterweise erlöste Kō Kakashi von diesem Thema. »Konzentriert euch auf die Mission.«
Ja, das war in der Tat schon eine Weile her, und Kakashi hatte mitbekommen, dass der Wohnblock, in dem seine Wohnung lag, mittlerweile wieder bewohnbar war. Er hatte trotzdem nicht wieder seine Wohnung bezogen, er hatte nicht einmal darüber nachgedacht. Das schien jetzt eine permanente Lösung geworden zu sein, und Tobirama hatte offensichtlich nichts dagegen.
»Orochimaru also.« Sukea erschauderte. »Hab gehört, der soll in richtig kranken Scheiß verwickelt sein.«
»Wem sagst du das.« Mit Unbehagen dachte Kakashi an seine Begegnung mit dem Mann zurück.
»Hab gehofft, dass es wen anders erwischt, wenn es gegen ihn geht, aber nun ja. Man kann nicht alles im Leben haben.« Sukea seufzte.
»Hund-san, da ist was, das ich mich frage«, begann Yuki. »Aber warum hatte Yondaime-sama Orochimaru nicht dafür bestraft, dass er anscheinend einen ganzen Clan getötet hat. Klar, die gehörten zu keinem Dorf und standen mit Konoha nicht in Verbindung. Aber trotzdem.«
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er war zwar mal mein sensei und jetzt übernehm ich für ihn das Babysitten, aber er erzählt mir auch nicht alles, weißt du.«
Sie kannten Mittel und Wege, sich ungesehen durch das Dorf zu bewegen und fanden sich alsbald an ihrem Ziel ein. Mittlerweile war es dunkel geworden und Ruhe kehrte in den Straßen ein. Ihr Zielobjekt war jedoch in Dunkelheit gehüllt, kein Licht brannte in den Fenstern. Sie bezogen Posten rings um das Haus und beobachteten es eine ganze Weile. Doch ihnen wurde schnell klar, dass entweder niemand daheim war oder Orochimaru ein Geheimversteck in seinem Haus hatte. Nach allem, was Kakashi von diesem Kerl wusste, konnte das sogar stimmen.
Sie sammelten sich wieder und besprachen ihr weiteres Vorgehen. Da Tobirama ausdrücklich gesagt hatte, dass sie zunächst nur beobachten sollten, einigten sie sich darauf, in Schichten zu arbeiten, um Orochimaru rund um die Uhr beschatten zu können, bis Tobirama ihnen etwas anderes sagte. Sukea übernahm die erste Schicht, der Rest ging von dannen.
Daheim erwartete Kakashi ein wütender Tobirama und eine ebenso wütende Tsunade. Er konnte sie hören, wie sie offensichtlich versuchten, nicht hemmungslos ihrem Zorn nachzugehen, aber dennoch sprach ihre Stimmlage Bände. Sie schienen jedoch nicht miteinander zu streiten. Kakashi nahm die Maske ab, stellte seine Schuhe im genkan ab und sah dann nach, was das alles zu bedeuten hatte.
Tsunade lief aufgebracht im Raum auf und ab. Tobirama saß am kotatsu, aber obwohl vor ihm eine Schale Tee stand, schien ihm nicht der Sinn danach zu stehen. Sein Gesicht war eine Maske des Zorns. Kakashi hoffte ganz plötzlich, ihn niemals gegen sich aufzubringen. Ōkami stand ebenfalls im Raum, ihre Haltung war angespannt und ihre Ohren angelegt.
»Ich kann‘s einfach nicht fassen!«, fauchte Tsunade in diesem Moment. »Wie konnte er nur?«
Kakashi überlegte, ob er etwas sagen sollte oder ob Schweigen seiner Gesundheit zuträglicher wäre. Er entschied sich fürs Schweigen. Dennoch bemerkte Tobirama ihn. Er winkte ihn herein und bemühte sich sichtlich, seine Gesichtszüge zu glätten, aber so wirklich wollte es ihm nicht gelingen. Er schob Kakashi seinen Tee zu.
Kakashi nahm das Getränk zögerlich entgegen. »Ist was passiert?«
»Und ob!«, fauchte Tsunade. »Wie konnte er das nur wagen! Nach allem, was er schon angerichtet hatte!«
»Äh …« Kakashi war verwirrt und sah besorgt auf Tsunades Fäuste.
»Ich habe mit Hiruzen geredet«, knurrte Tobirama, und Kakashi entging keinesfalls, dass er ihn nicht wie sonst bei seinem Spitznamen nannte. »Er hat bestätigt, was Danzō uns gesagt hatte. Es gab Experimente, um anjias Mokuton nachzubilden, undurchdachte, unvorsichtige und sinnlos risikoreiche Experimente. Und am Ende haben diese Experimente Menschenleben gekostet.«
Plötzlich stand auch Kakashi nicht mehr wirklich der Sinn nach Tee.
»Aber wie? Ich verstehe nicht, wie«, fügte Tsunade an. »Wie will Sarutobi das angestellt haben? Opa selbst hat doch immer vermutet, dass sein kekkei genkai eine einmalige genetische Mutation war, und du selbst hast diese These unterstützt; ich hab gelesen, was ihr dazu geschrieben habt.«
Tobirama seufzte und rieb sich die Stirn. »Ich weiß es nicht, Tsuna, und in diesem Moment will ich nicht darüber nachdenken. Es ist schlimm genug, wie es ist, ganz gleich dass die Versuche erfolglos blieben und eingestellt worden waren.«
»Wenigstens was«, knurrte Tsunade. »Dieses Dorf ist ein einziger riesiger Scheißhaufen geworden.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich dir da zustimmen würde, und ich hätte es vielleicht anders formuliert, aber … ja.«
Sowohl Kakashi als auch Tsunade sahen erstaunt zu Tobirama.
Tobirama atmete tief durch. »Kakashi, wie ist es gelaufen?«
»Es war niemand da, also haben wir beschlossen, Schichten zu fahren, um ihn rund um die Uhr zu bewachen.«
Tobirama nickte. »Gut. Ihr fahrt damit fort, bis ich euch was anderes sage. Tsunade, bist du gewillt, mir mit Orochimaru zu helfen?«
Sie hob eine Braue, eine Geste, die verblüffend stark an Tobirama erinnerte, dann setzte sie sich endlich zu ihnen an den kotatsu. »Was hat er angestellt?«
»Eine Menge, schenkt man den Gerüchten Glauben. Ich habe wenig handfeste Beweise, aber Minato hat ihn im Verdacht, ein paar unlauteren Dingen nachzugehen. Die Indizien sprechen dafür.«
»Ich hab ganz ehrlich keine Ahnung, wo er sich derzeit herumtreibt«, gestand Tsunade. »Was schon irgendwie fragwürdig ist, wenn ich so darüber nachdenke. Jiraiya jedenfalls hatte nicht lange gezögert, um mir Hallo zu sagen. Ich habe Orochimaru nicht gesehen, seit ich wieder im Dorf bin. Ich meine, klar, er hatte schon immer eine sadistische Ader, und sensei hatte von Anfang an versucht, ihm das auszutreiben, aber so wirklich Erfolg hatte er damit nicht. Aber meinst du wirklich, dass er jetzt zu weit gegangen ist?«
»Ich will es nicht hoffen, aber wer weiß. Du aber kannst dich ihm anders nähern als ich oder gar meine Leute, daher bitte ich dich, mir zu helfen. Ich weiß, er war einmal dein Kamerad. Dennoch.«
Tsunade antwortete nicht sofort und sann eine ganze Weile darüber nach. »Na gut. Es fällt mir nicht leicht, aber wir waren alle schon immer gut beraten, deiner Intuition zu folgen. Ich schau, was ich machen kann.«
»Danke, Tsuna.«
»Du wolltest noch etwas von mir, Tobirama«, warf Kakashi ein. »Es sei denn, du willst mir wirklich nur sagen, ich soll ins Bett.«
Tobirama schnaubte. »Werd nicht frech, Junge.«
»Du stellst mich ständig vor meinen Freunden und Kameraden bloß«, protestierte Kakashi. »Das ist echt nicht lustig. Und mein Buch will ich auch wiederhaben.«
Tsunade musste ein Lachen zurückhalten. »Tja, Onkel. Plötzlich hast du einen Jugendlichen an der Backe mit all den Problemen, die Pubertät so mit sich bringt.«
Tobirama blickte sie finster an. »Sakumo wusste sich in dem Alter sicher besser zu benehmen.«
Dieses Mal hielt Tsunade das Lachen nicht zurück. »Oh, ich kann dir versichern, er war genau so.«
Die Erwähnung seines Vaters versetzte Kakashi noch immer einen Stich. Er wollte nicht daran erinnert werden. Daher war er ganz froh, als Tobirama statt einer Antwort ein Siegel auf den Tisch packte.
»Das erlaubt dir den Zutritt zu meinem Labor, ohne den ganzen Ort in die Luft zu sprengen«, erklärte Tobirama und heftete das Siegel an Kakashis Brust. Er aktivierte es. Kakashis Chakra geriet kurz in Wallung und beruhigte sich dann wieder.
»Warte. Das, wo man nur mit Hiraishin hinkommt?«
»Ja.« Tobirama ignorierte jeglichen Protest, legte Kakashi eine Hand auf die Schulter, und dann machte Kakashi am eigenen Leib seine erste Erfahrung mit Hiraishin.
Kakashi blinzelte und befand sich plötzlich an einem völlig anderen Ort. Sein Magen machte einen Salto, und er würgte. Das war ein widerliches Gefühl. Jetzt wusste er, warum Minato sich immer geweigert hatte, ihm dieses Jutsu beizubringen. Er sollte sich vielleicht bei Gelegenheit bei ihm entschuldigen, ihn damit immer genervt zu haben.
»Denk nicht mal dran, mir auf den Boden zu kotzen«, warnte Tobirama.
»Dann mach dein Jutsu anwenderfreundlicher«, keuchte Kakashi, während er noch immer verzweifelt versuchte, seinen Mageninhalt bei sich zu behalten. Scheiße, wenn man hier nur mit Hiraishin hinkam, kam man auch nur so wieder weg. Das war nicht gut.
»Du gewöhnst dich schon noch dran.« Tobirama wartete geduldig, bis Kakashi sich wieder gesammelt hatte.
Kakashi blickte sich um. Er befand sich in etwas, das in der Tat wie ein Labor aussah. Der ganze Ort war in einem sterilen Weiß gehalten, erleuchtet von kaltem Neonlicht, und an den Wänden hingen Schränke. Ein paar Zettel mit Notizen waren an die Türen geheftet worden, die eindeutig Tobiramas Handschrift trugen. Ebenfalls befanden sich hier Anrichten, auf denen verschiedenste Kolben und andere Aufbauten standen, in einigen davon blubberten Experimente, wie es schien. Im Zentrum des Raumes stand ein Tisch, der verdächtig nach einem Seziertisch aussah. Kakashi dachte lieber gar nicht weiter darüber nach.
»Du redest mit niemandem darüber, was du hier siehst, Minato eingeschlossen«, sagte Tobirama streng.
»Und wenn er es mir befiehlt?«, fragte Kakashi.
»Dann sagst du ihm, dass ich es dir verboten habe.«
»Aber er ist der Hokage …«
»Und zu seiner eigenen Sicherheit muss er nicht alles wissen. Jetzt hör gut zu. Du wirst mittlerweile die Siegel bemerkt haben, die diesen Ort schützen.«
Sie waren ja auch nur schwer zu übersehen. Das Labor glich einer Festung, bei der Kakashi keine Ahnung hatte, wie irgendwer hier rein kommen sollte, der hier nicht hinein gehörte.
»Jemand ist hier eingebrochen, und ich habe in all den Monaten nicht herausfinden können, wer es gewesen ist.«
Kakashi blinzelte überrascht. »Aber … wie?«
»Tja, das wüsste ich auch gern. Die Siegel sind intakt. Ich habe alles dutzendfach geprüft und konnte doch keine Sicherheitslücke finden oder auch nur einen Hinweis darauf, wie meine Siegel umgangen worden sind. Aber dein Sharingan sieht mehr als meine Augen, daher will ich dich jetzt um Hilfe bitten.«
Kakashi blickte sich um, aber auf einen ersten Blick hin konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. »Wann soll das passiert sein?«
»Irgendwann in den vierzig Jahren, die ich verschwunden war.«
Also hätte es quasi jeder sein können. Wobei … »Also kommt man hier nur mit deiner Erlaubnis rein, verstehe ich das richtig?«
Tobirama nickte. »Die einzigen Personen, die ich hier jemals erlaubt habe, sind anija und Mito. Nun, und jetzt auch Minato und du.«
»Nicht mal Tsunade?«, fragte Kakashi erstaunt.
»Nicht mal Tsunade. Eine Siebenjährige hat hier auch nichts zu suchen.«
Auch wieder wahr.
»Aber das ist noch nicht alles. Komm.«
Tobirama führte ihn in einen angrenzenden Raum, und Kakashi glaubte, dass es kaum möglich war, aber dieser war noch stärker gesichert. Er sah allerdings auch, dass vor kurzem erst jemand hier gewesen sein musste, um die Siegel zu lösen, wenn auch nicht gewaltsam. Etwas, das wie ein offener Steinsarkophag aussah, dominierte diesen Raum. Ansonsten war er leer.
»Das ist der Ort, an dem ich Madaras Körper aufbewahrte. Aber nun, sieh selbst.« Tobirama deutete auf den Sarg.
Kakashi zögerte. Die Vorstellung, dass er sich doch tatsächlich an Uchiha Madaras letzter Ruhestätte befand, war irgendwie … beunruhigend. Als könne dieser Mann noch aus dem Grab heraus Unheil anrichten. Jetzt verstand Kakashi auch, warum Tobirama jede nur erdenkliche Schutzmaßnahme ergriffen hatte, um diesen Ort zu schützen.
Dennoch trat er vor. Er erwartete, einen Haufen staubiger Knochen zu erblicken oder schlimmer noch einen mumifizierten Körper. Er war sich nicht sicher, ob er da seine Nerven hätte beisammen halten können. Stattdessen erblickte er ein großes Nichts. Verwundert beugte er sich vor, um einen besseren Blick in den Sarg zu erhalten, aber da war immer noch nichts. Wie konnte das sein?
»Leichen fangen nicht einfach wieder so an zu laufen«, sagte Tobirama.
Kakashi hatte da so seine Zweifel, nachdem er gesehen hatte, was Tobirama mit diesen Suna-nin angestellt hatte.
»Diese Siegel sind dazu geschaffen, dass nichts hinein gelangt – oder hinaus«, fuhr Tobirama fort. »Dieses Mal bin ich mir auch absolut sicher, dass nichts an diesen Siegeln verändert worden war. Madara hat sich einfach so in Luft aufgelöst. Eigentlich war ich mir sicher, dass er das nicht kann.«
Kakashi untersuchte die Sargwände, aber konnte nicht einmal die typischen Spuren entdecken, die eine Leiche hinterlassen würde. Madara war vor mehreren Jahrzehnten gestorben, Kakashi hätte erwartet, noch ein paar letzte Reste von Leichensekreten ausfindig machen zu können. Aber da war nichts. Als hätte hier nie eine Leiche gelegen.
»Ich versteh‘s nicht«, sagte er. »Ganz ehrlich, ich verstehe diese ganzen Siegel ja noch nicht einmal ansatzweise. Ich habe absolut keine Ahnung, wie das sein kann. Denkst du, diese beiden Sachen stehen in Verbindung zueinander?«
»Die Möglichkeit besteht«, sagte Tobirama. »Es kann genauso gut ein Zufall sein. Ich schließe die Möglichkeit nicht aus, dass Madaras Mangekyō doch eine geheime Fähigkeit besaß, die vielleicht nach seinem Tod aktiviert worden war. Mir kam das nie in den Sinn, weshalb ich Hikaku nie danach gefragt hatte. Er hätte es mir vielleicht auch nicht einmal gesagt, die Uchiha waren immer sehr verschwiegen, was ihr kekkei genkai anging.«
»Was du nicht sagst«, murmelte Kakashi verstimmt. Er hatte sich alles über sein Mangekyō selbst beibringen müssen, die Uchiha waren nicht gewillt gewesen, ihm dabei zu helfen. Ihm kam eine Idee. »Aber was ist mit Tsunade? Sie hat doch auch ein Mangekyō.«
Es war noch immer höchst befremdlich, daran auch nur zu denken, geschweige denn es auszusprechen. Kakashi verdrängte den Gedanken daran üblicherweise. Machte es einfacher.
»Du hast gehört, was sie gesagt hat. Sie benutzt es ja nicht einmal. Vielleicht werde ich auch sie fragen, aber ich glaube nicht, dass sie mir da groß helfen kann.«
»Ich …« Kakashi holte tief Luft. »Ich weiß es auch nicht. Obwohl ich auch ein Mangekyō hab.«
Tobirama sah ihn erstaunt an, aber dankenswerterweise stellte er keine Fragen. Es wäre wirklich an der Zeit, ihm davon zu erzählen. Aber nicht hier, nicht an diesem Ort.
»Nun … Kannst du also etwas erkennen, das ich nicht sehen kann?«
Kakashi schüttelte den Kopf. »Nein, aber gib mir noch etwas mehr Zeit.«
Tobirama gewährte sie ihm geduldig. Kakashi machte sich daran, alles gründlich zu betrachten, aber ihm wollte einfach nichts Ungewöhnliches auffallen. Tobirama erklärte ihm die Siegel, die er vorfand, aber auch mit diesem Wissen konnte er nichts erkennen, das nicht so war wie es sein sollte.
»Woran willst du überhaupt festmachen, dass hier jemand gewesen war?«, fragte Kakashi. »Außer dass offensichtlich eine Leiche verschwunden ist. Fehlt noch etwas?«
»In gewisser Weise. Ich hinterlasse hier immer alles exakt gleich. Als ich mich von meinen Verletzungen erholt hatte, war einer meiner ersten Gänge der in mein Labor. Alles war so, wie ich es in Erinnerung hatte, bis auf ein Detail. Einige Schriftrollen waren nicht so angeordnet, wie sie sollten. Ich vermute, dass jemand sich ihr Wissen angeeignet hat.«
»Was steht in diesen Schriftrollen?«
Tobirama zögerte. Doch dann sagte er: »Edo Tensei. Ein Jutsu, um die Toten wiederzubeleben.«
Kakashi starrte ihn ungläubig an. »Bei jedem anderen hätte ich vermutet, er verarscht mich.«
»Ich meine es ernst, sehr ernst sogar, denn in den falschen Händen könnte dieses Jutsu enormen Schaden anrichten. Und kurze Zeit später finde ich heraus, dass Madaras Leiche verschwunden ist. Um Edo Tensei anzuwenden, braucht man Teile des Originalkörpers. Ein Haar reicht bereits. Du verstehst, warum ich so besorgt bin, nicht wahr?«
»Scheiße, ja.« Kakashi nahm sich einen Moment, um sich wieder zu sammeln. »Aber wer hätte einen Anlass dazu? Vielleicht … Du sagst, Mito-hime hatte Zugang zu deinem Labor.«
»Das hatte sie. Allerdings hat sie mir sogar geholfen, an Edo Tensei zu arbeiten, sie hat keinen Grund dazu. Zumal sie es gewesen war, die überhaupt erst auf einigen der Sicherheitsmaßnahmen hier bestand. Die Siegel, die du hier siehst, sind zum Großteil Uzumaki-Handwerkskunst.«
Aber wer konnte es dann gewesen sein? »Tobirama, vielleicht ist es an der Zeit, dass du dir anschaust, was Mito-hime dir hinterlassen hat.«
Tobirama machte ein finsteres Gesicht, und Kakashi verstand ihn irgendwie. Er rannte ja selbst lieber vor seiner Vergangenheit davon, statt sich ihr zu stellen.
»Was ist, wenn es Danzō gewesen war?«
Tobirama selbst hatte sein Fūinjutsu gelobt.
Der Blick in Tobiramas Augen verriet Kakashi, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
Nächstes Kapitel: Tsunade hat noch ein großes Geheimnis
Kapitel 13: Mitos Erbe
CN milde sexuelle Inhalte
Tobirama wollte nicht weiter über Kakashis Implikation nachdenken, aber er musste. Denn ja, nach allem, was er mittlerweile wusste, war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass Danzō sich unerlaubt Zugang zu Tobirama geheimen Forschungen verschafft hatte.
Wie hatten seine Schüler nur so werden können? Was hatte er falsch gemacht?
Noch immer vermied er die Kisten auf dem Dachboden, aber Kakashi hatte Recht. Irgendwann einmal musste er sie öffnen.
Vorläufig jedoch ging er seine alten Unterlagen zu Hashiramas Mokuton durch. Er hatte zusammen mit Hashirama und Mito viele Jahre daran geforscht und so Hashirama geholfen, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sie zu ihrem vollen Potenzial zu bringen.
Hiruzen hatte gesagt, dass er die Experimente eingestellt hatte, nachdem er die verheerenden Folgen für die Versuchspersonen erkannt hatte. Aber wo kam dann dieser Tenzō her? Vielleicht steckte die Antwort in dem, was er vor vielen Jahren schon niedergeschrieben hatte. Aber irgendetwas passte da dennoch vorn und hinten nicht zusammen.
»Du verschanzt dich schon seit über einer Woche hier drin. Was machst du da nur?« Minato kniete sich neben ihn und gab ihm einen Kuss auf die Schläfen.
Es stimmte, Tobirama hatte seine private Bibliothek bei sich daheim seit Tagen kaum verlassen. Aber das ließ ihm einfach keine Ruhe. Unermüdlich forschte er nach und versuchte, diesem Rätsel auf die Schliche zu kommen. Vielleicht hätte er Ruhe bewahren und mit Hiruzen reden sollen, statt ihn wütend anzuknurren, dass er einen großen Fehler begangen hatte, und dann davonzustürmen. Aber Tobirama konnte sich einfach nicht dazu durchringen, jetzt schon wieder mit Hiruzen zu reden, noch war er zu enttäuscht und wütend. Gerade Hiruzen hätte es wirklich besser wissen müssen.
»Tobirama, sag schon. Du siehst besorgt aus«, drängte Minato ihn.
Tobirama seufzte und riss den Blick von dem Text vor sich. Minato würde ja doch keine Ruhe geben. »Ich habe erfahren, dass Hiruzen Dinge getan hat, die er nicht hätte tun dürfen, obwohl er wusste, dass es ein Fehler war.«
Minato schlang die Arme um seine Hüften und bettete den Kopf auf seine Schulter. Immerzu suchte er Tobiramas Nähe, und wenn sie allein waren, konnte er kaum seine Finger von Tobirama lassen. Tobirama hatte nichts dagegen einzuwenden.
»Hiruzen? Nicht Saru? Dann muss er dich ja wirklich sehr verärgert haben.«
Tobirama grummelte. »Du ahnst ja nicht, wie sehr. Er hat Versuche an Menschen gebilligt mit dem Ziel, anijas Mokuton zu kopieren. Es hat Tote gegeben, die hätten vermieden werden können. Du wirst davon wahrscheinlich wissen, aber einer meiner Leute sagte mir, dass vor einigen Jahren, Menschen verschwanden. Es war wegen dieser Versuche.«
»Ja, ich erinnere mich. Ich hatte ja keine Ahnung.«
Tobirama küsste Minato auf sein Haar und legte einen Arm um ihn. Er war froh, dass er jetzt nicht allein war.
Minato griff nach dem Buch, in dem Tobirama gelesen hatte, und blätterte ein wenig hindurch. Er schien fasziniert vom Inhalt des Textes, doch an einer Stelle hielt er besonders aufmerksam inne.
»Felder bewirtschaften mit Mokuton, wie faszinierend! Darüber habe ich ja noch nie nachgedacht.«
Tobirama musste schmunzeln. »Die wenigsten scheinen daran als erstes zu denken, dabei ist es doch das naheliegendste. Noch in jungen Jahren, lange vor dem Dorf, nutzten wir meine Affinität für Suiton, um in Dürrezeiten unsere Felder zu bewässern, und Hashiramas Mokuton, um Häuser zu reparieren. Mein Haus hier ist komplett mit Mokuton errichtet worden.«
»Das ist es also«, stellte Minato erstaunt fest. »Mir war von Anfang an, als wäre etwas anders hieran. Als würde das Holz … wispern.«
»Das ist Hashiramas Chakra, das noch immer im Holz verweilt. Aber es war schon ein wenig ironisch. Es brauchte nur ein paar Jahre Übung und anija war in der Lage, ganze Landstriche einzuebnen. Aber auch nur einen Apfelbaum mit nur einer genießbaren Frucht wachsen zu lassen, hat ihn Jahrzehnte gebraucht. Wir hatten lange daran gerätselt, wie das zu bewerkstelligen sei, obwohl wir früh erkannten, dass es möglich sein musste. Mito hatte schließlich die zündende Idee.«
»Senjutsu, wie es hier steht.«
»Genau. Hashirama hatte immer versucht, das, was er erschaffen wollte, so genau wie möglich nachzubilden, aber der Trick war, dass er vielmehr sein Senjutsu als eine Art Katalysator benutze, um seinen Willen zu übermitteln.«
Minato sah ihn verwirrt an. »Und wer oder was war der Empfänger?«
»Bäume träumen. Ja, auch ich hielt das viele Jahre lang nur für eine blumige Metapher meines Bruders, aber Mito hatte bewiesen, dass ich im Unrecht war. Die Natur spricht ihre eigene Sprache, und Hashiramas Senjutsu diente als Übersetzer. Das war die eigentliche Stärke seines kekkei genkai. Alle denken sie immer nur daran, wie stark er im Kampf gewesen war, und übersehen, was er wirklich leisten konnte.«
»Ich sehe. Konoha hätte nie wieder Ernteausfälle fürchten müssen, nie wieder Lieferengpässe.«
»Richtig. Aber dann hat er uns verlassen …«
Tobirama umarmte Minato fester. Er wollte nicht daran denken. Dankenswerterweise lies Minato das Thema fallen.
»Tobirama, du siehst nicht gut aus. Ich weiß, dass du die letzten Nächte nur wenig geschlafen hast. Kamst du letzte Nacht überhaupt ins Bett?«
»Seit wann hat es dich zu interessieren, was ich in meinem Bett tue oder nicht tue?« Tobirama sah ihn finster an.
Minato schmollte übertrieben. »Hab mich eben einsam gefühlt. War kalt neben mir.«
Tobirama seufzte und küsste ihn dann doch auf sein blondes Haar. Minato streckte sich und fing seine Lippen zu einem Kuss ein. Er schmolz dahin, als Tobirama den Kuss erwiderte, aber Tobirama war nur halb bei der Sache. Er konnte einfach seine Sorgen nicht vergessen.
»Hiruzen versicherte mir, dass die Experimente erfolglos blieben und aufhörten«, sinnierte er. »Aber warum hat Kakashi dann diesen Jungen gefunden, der angeblich Mokuton beherrscht? Ich habe das Gefühl, dass die Antwort direkt vor meiner Nase liegt, und ich kann sie doch nicht greifen.«
»Tobirama.« Minato sah ihm fest in die Augen. »Lass gut sein für einen Augenblick, du brauchst eine Pause.« Mit einem Augenzwinkern fügte er an: »Das ist ein Befehl.«
Das brachte Tobirama doch tatsächlich zum Schmunzeln. »Na, schau an. Ganz neue Töne hier.«
Minato schob sich zwischen Tobirama und den Tisch und setzte sich auf Tobiramas Schoß, sodass Tobirama gar nicht erst die Chance hatte, wieder nach seiner Lektüre zu greifen. Er nahm Tobiramas Gesicht zwischen seine Hände und sah zärtlich auf ihn herab.
»Du scheinst mir ein unverbesserlicher Sturkopf zu sein«, stellte Minato fest. »Sieht so aus, als müsste ich dich hin und wieder zu deinem Glück zwingen. Also bitte tu mir den Gefallen, und schone dich ein wenig mehr. Dein Hokage wünscht es so, und du würdest dich doch nicht gegen etwas stellen, das dein Hokage dir aufträgt, nicht wahr?«
Tobirama griff nach seiner Hand und hauchte zarte Küsse auf seine Finger. Minato seufzte wohlig. Erneut küsste er Tobirama, und Tobirama ließ es zu, dass er ihn sacht aber bestimmt zu Boden drückte, sodass Minato nun auf ihm lag. Sanft strich er eine Haarsträhne hinter sein Ohr.
»Minato«, begann er. »Ich möchte dich um etwas bitten. Würdest du es zulassen, dass ich ein Hiraishin-Siegel in deine Acht Trigramme einarbeite?«
Minato lächelte. »Ja. Natürlich.« Leise lachend fügte er an: »Das ist wohl die Art Romantik, die nur von dir kommen kann.«
Tobirama schnaubte. »Los, runter von mir. Dann können wir gleich anfangen.«
»Natürlich. Wo kämen wir da auch hin, auch nur einen winzigen Funken Romantik zuzulassen?«
Tobirama schob ihn von sich.
Minato entblößte seinen Oberkörper und machte es sich in den Kissen in der Sitzecke bequem. Tobirama indes brachte seine Siegelutensilien und begann damit, die Tinte anzurühren. Er hatte die Mixtur schon immer selbst hergestellt, so konnte er sicher gehen, dass sie auch wirklich seinen Ansprüchen genügte. Minato beobachtete ihn aufmerksam.
Tobirama sah ihn fragend an. »Ist was? Du weißt doch, wie das funktioniert.«
»Oh, natürlich. Aber es ist ungleich faszinierender, dir höchstselbst bei der Arbeit zuzusehen.«
»Hmpf.« Tobirama brachte Tinte und Pinsel zu Minato und kniete sich über ihn. »Halt still.«
Mit einem kleinen Chakrastoß ließ er die Acht Trigramme sichtbar werden. Dann machte er sich mit bedächtigen, sorgfältigen Pinselstrichen an die Arbeit. Minato hatte dasselbe mit Kushinas Siegel gemacht; wenn man erst einmal verstanden hatte, wie diese Siegel aufgebaut waren, war es nicht allzu schwer. Dennoch ging Tobirama mit Bedacht vor. So konnte er in Zukunft immer sofort zur Stelle sein, sollte Minato seiner bedürfen, ohne darauf hoffen zu müssen, dass gerade eine Hiraishin-Markierung in der Nähe war.
Ihm entgingen keinesfalls Minatos gerötete Wangen und sein rascher werdender Atem.
Die Tinte sank rasch in die Haut ein und verschmolz mit dem bereits existierenden Siegel. Der Vorgang dauerte nicht lang, Tobirama kannte beide Siegel immerhin zur Genüge. Als er fertig war, prüfte er die neue Hiraishin-Markierung und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass sie funktionierte. Und weil er schon einmal dabei war, prüfte er auch gleich sein anderes Siegel, das um Minatos Herz. Es war bereits das zweite Mal, das er das tat und wie beim ersten Mal stellte er fest, dass die Chakrareserven im Siegel schneller versiegten, als er gedacht hatte. Er erneuerte sie sogleich, fragte sich aber dennoch, wo der Fehler in seiner Kalkulation liegen mochte. Ansonsten hielt das Siegel jedoch.
»Entspann dich«, murmelte er.
Minato schluckte sichtlich. »Ich liege gerade halb nackt unter dir. Was denkst du, geht mir gerade durch den Kopf? Dass du dich so über mich beugst, hilft auch nicht gerade.«
Oh. Natürlich. Tobirama überlegte einen Moment hin und her und rang kurz mit sich und fragte dann doch: »Willst du, dass ich mich darum kümmere?«
Minato sah ihn fragend an. »Aber du sagtest doch …«
Tobirama küsste ihn auf die Braue. »Ich weiß, was ich sagte, und ich weiß auch, wo meine Toleranzgrenzen liegen. Also, willst du nun?«
»Oh ja, und wie«, hauchte Minato. Begierde schien aus seinen Augen.
»Dann lass mich machen.«
Er griff Minato zwischen die Beine, und bereitwillig öffnete Minato die Schenkel. Tobirama konzentrierte sich auf sein Gesicht, statt daran zu denken, was er mit seiner Hand tat, dann war es eigentlich gar nicht so unangenehm. Minato hatte die Augen geschlossen und auf seinem Gesicht stand pure Wonne. Seine Lippen waren leicht geöffnet.
Tobirama beugte sich vor, um ihn zu küssen. Hitzig erwiderte Minato den Kuss und grub seine Hände in Tobiramas Haar, während er sich unter ihm wand, um jedes bisschen Reibung zu erhaschen, dessen er habhaft werden konnte. Tobirama öffnete seine Hose und ließ seine Hand hinein gleiten, und von da an dauerte es nicht mehr lang für Minato.
Er klammerte sich an Tobirama. »Oh, Tobira … ahhh!«
»Schh, wir sind nicht allein im Haus.« Tobirama küsste ihn auf die Wange.
Minato zog die Brauen zusammen in purer Ekstase. Sein ganzer Körper spannte sich an, dann ließ er sich mit einem tiefen Seufzen fallen. Er sank in die Kissen. Tobirama küsste ihn die ganze Zeit.
Nach und nach kam Minato wieder zu Atem. Er lachte auf. »Ich komm mir vor wie ein ungeduldiger Jugendlicher beim ersten Mal.«
Tobirama schmunzelte. »Besser?«
Minato kuschelte sich an ihn. »Besser. Danke. Tausendmal danke.«
Tobirama zog ihn in seine Arme. Das war es allemal wert.
»Tobirama?«
»Hm?«
»Darf ich dir auch ein Hiraishin-Siegel geben?«
»Natürlich.«
Er lächelte und strich Minato über sein Haar, als dieser sein Hemd nach oben schob und ihm eine Hand auf seine Brust legte, genau über seinem Herzen. Tobirama stellte fest, dass es leicht kribbelte, wenn sein Siegel auf ihn selbst angewandt wurde.
»Jetzt trägt auch dein Herz ein Siegel, das dich mit mir verbindet.«
Tobirama umarmte ihn erneut. Minato kuschelte sich an ihn. Hoffnungsloser Romantiker.
Eine ganze Weile schwiegen sie und genossen einfach nur die Gegenwart des anderen. Minato hatte den Kopf an Tobiramas Brust gelehnt und die Augen geschlossen. Tobirama fragte sich, ob er vielleicht eingedöst sei, aber da regte sich Minato doch wieder.
»Tobirama, sag, warum sagst du nie, dass du mich liebst?«
Ah. Er hätte damit rechnen müssen, dass diese Frage früher oder später kommen würde. Er nahm Minatos Gesicht zwischen seine Hände und sah ihm tief in die Augen.
»Bitte versteh das nicht falsch. Du bist mir sehr wichtig und bedeutest mir enorm viel, so wie auch Hashirama und Chio. Aber sie haben versucht, mir zu erklären, wie sich Liebe für sie anfühlt und … das ist einfach nicht das, wie ich es beschreiben würde.«
Minato sah ihn einen Moment lang an, und Tobirama fürchtete schon, dass er das mit ihnen ruiniert hatte, doch dann lächelte Minato doch. »Weißt du, eigentlich spielt es doch keine Rolle, wie wir das nennen. Ich fühle, was du für mich empfindest, und das ist genug.«
Tobirama konnte nicht anders, er musste ihn dafür einfach küssen. Minato in seinen Armen strahlte förmlich Glück aus. Tobirama ging das Herz auf, ihn so zu sehen. Vielleicht spielte es ja wirklich keine Rolle, welche Worte sie dafür fanden, Hauptsache sie konnten fühlen, was sie füreinander empfanden.
»Komm, ich mach dir ein frühes Abendessen«, sagte Minato schließlich, »und dann machst du Feierabend und schläfst dich ordentlich aus. Ich hab dich jetzt lang genug aufgehalten. Und sei gewarnt, notfalls fessle ich dich ans Bett, wenn du dich dagegen sträubst.«
»Ach. Das würde dir also gefallen, oder wie?«
»Nun … Ja.« Minato sagte es mit ernster Mine.
Tobirama sah ihn verwundert an.
Minato erwiderte den Blick ebenso verwundert. »Was?«
»Ich hätte nicht erwartet, dass du der Typ für so etwas bist.«
Minato stand auf und kleidete sich wieder ordentlich an. »Da siehst du mal.«
Minato schlich sich ins Bad, um sich fix zu waschen. Dann gingen sie gemeinsam in die Küche, um zu sehen, was Tobirama gerade im Haus hatte, was wie üblich nicht viel war. Irgendwie schaffte es Minato dennoch, daraus etwas zu machen, auch wenn er wie üblich schimpfte, dass Tobirama mehr auf seine Ernährung achten sollte. Kakashi und Tsunade waren nicht besser. Kakashi begnügte sich meist mit Fertiggerichten und Tsunade trank lieber Alkohol. Tobirama hatte Minato im Verdacht, dass er es sich zur persönlichen Agenda gemacht hatte, ihnen zu einem gesünderen Speiseplan zu verhelfen.
In einem hatte Minato aber doch Recht: Tobirama sollte wirklich eine Pause einlegen. Er war erschöpft und allmählich spürte er, wie es sich auf seine Konzentration niederschlug. Es war derzeit alles sehr viel auf einmal.
Ihr intimer Moment schien Minatos Laune enorm zuträglich zu sein, denn die ganze Zeit pfiff er fröhlich eine Melodie vor sich hin und sein Gang war federnd. Das entging weder Tsunade noch Kakashi, aber niemand sagte etwas. Ōkami nahm Witterung auf. Ihre Ohren richteten sich auf. Tobirama sah sie streng an. Sie sollte nicht einmal daran denken, das auszusprechen, was ihr anders als Tsunade und Kakashi mit Sicherheit klar war. Dankenswerterweise schwieg sie und dann fand sie doch Naruto wieder spannender, der zwischen ihren Pfoten lag.
Kakashi hatte sich an ihre Flanke gelehnt und las eines seiner Bücher. Ein rascher Blick versicherte Tobirama, dass dieses nicht von Jiraiya war. Gut. Er würde noch ein ernstes Wort mit Minato darüber reden müssen. Auch Tsunade saß am kotatsu und las die aktuelle Tageszeitung.
Minato hatte Tobirama aus seiner eigenen Küche verbannt, was eigentlich eine ziemliche Frechheit war, aber Tobirama ließ es dennoch zu. Hin und wieder kam er dennoch zu Tobirama, um sich den einen oder anderen Kuss zu erhaschen. Er ignorierte Tsunades finstere Blicke so gut, wie es eben ging.
Tsunade beobachtete das alles mit sichtlichem Unbill, und das wiederum ließ Missmut in Tobirama aufkommen. Er verstand nicht, was Tsunades Problem war, sie wollte es ihm ja auch nicht sagen. Aber früher oder später musste die Spannung, die sich seit Wochen zwischen ihnen aufgebaut hatte, ja platzen, und anscheinend war ausgerechnet heute der Tag, an dem das passieren sollte.
Minato klapperte mit den Töpfen in der Küche. Tsunade ließ die Zeitung sinken und sah Tobirama finster an.
»Aber du hast ihn nicht irgendwie verführt oder so?«, fragte sie ihn lauernd.
Für einen Bruchteil einer Sekunde überlegte Tobirama, ob er sein Temperament beherrschen sollte. Dann pfiff er darauf. Tsunade war kein kleines Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau. Sie musste es besser wissen.
»Es reicht, Tsunade!«, knurrte er. »Ich dulde das nicht länger. Das geht von Anfang an schon so und wenn du schon darauf bestehst, das fortzusetzen, dann nenn mir endlich einen Grund für dein Verhalten!«
»Ich habe meine Gründe«, fauchte sie zurück. »Reicht dir das etwa nicht?«
»Nein! Ich will wissen, warum. Nenn mir auch nur einen Grund, warum du Minato gegenüber so feindselig bist.« Wütend starrte er sie an.
»Weil er verdammt noch mal mein Sohn ist!« Tsunade schlug mit der Faust auf den Tisch und zerschmetterte ihn. »Minato ist mein Sohn!«
Etwas zersprang klirrend in der Küche. Stille senkte sich über sie alle.
»Was?«, hauchte Tobirama und sah Tsunade ungläubig an. Aller Zorn war mit einem Male verpufft.
»Du hast mich schon richtig verstanden«, knurrte Tsunade.
»Aber …« Er hörte die Worte. Er verstand ihre Bedeutung. Und doch konnte er einfach nicht begreifen.
»Nichts aber.« Tsunade starrte ihn wütend an. »Das stimmt schon so.«
Minato erschien in der Tür. Völliges Unglauben war auf sein Gesicht geschrieben. »Das ist ein Scherz, oder?« Er lachte nervös aus. »Das ist nichts weiter als ein Scherz. Das … das kann doch nicht sein. Niemand weiß, wer meine Eltern sind.«
»Doch, ich weiß es«, sagte Tsunade unerbittlich. »Und ich weiß nicht, wie er es herausgeschnüffelt hat, aber sensei weiß es auch, aber er ist der einzige und er hat mir schwören müssen, mit niemandem darüber zu reden. Ich war gerade einmal achtzehn und Dan war gerade erst gestorben. Und dann hatte ich auch noch diese Augen bekommen und ich war einfach nur fertig mit der Welt. Was sollte ich da noch mit einem Baby? Ich war völlig überfordert, ich konnte da nicht auch noch ein Kind großziehen.«
Minato brachte keinen Ton heraus und stand einfach nur still da.
»Dan ist dein Vater. Und sieh mir tief in die Augen und du weißt noch mehr über deine Familie«, fuhr Tsunade unerbittlich fort. Ihr Mangekyō schien ihr aus den Augen.
»Tsunade, du bist grausam«, brachte Tobirama mühsam hervor.
»Was ist daran grausam?«, verlangte sie zu wissen. »Oma hatte in ihren jungen Jahren eine Menge Spaß, wie‘s scheint, und der ganze Rest von uns muss es ausbaden.«
»Du sorgst dafür, dass wir es ausbaden müssen mit deinem Jammern!«, rief mit einem Male Kakashi. »Ich hab auch ein Sharingan, das ich nie haben wollte, und hörst du mich jammern? Nein, also reiß dich zusammen!«
»Du hast leicht reden, dein Großvater war ja auch nicht Madara!«
»Dafür hab ich das linke Auge Obitos und als ich Rin getötet hab, war‘s auch noch ein Mangekyō! Du bist hier nicht die einzige, die es ach so schwer hat.«
»Ruhe!«, brüllte Tobirama dazwischen. Zu viel auf einmal, viel zu viel.
Wohltuende Stille kehrte ein. Sie alle starrten einen Moment lang schweigend und regungslos an. Einzig Narutos Schreie waren zu vernehmen. Er spürte, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
Minato riss sich aus seiner Starre und nahm seinen Sohn auf den Arm, um ihn wieder zu beruhigen. Offensichtlich dachte er jetzt lieber daran, als an das, was Tsunade ihnen allen gerade gesagt hatte.
Tobirama rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Er hatte Kopfschmerzen. Das musste alles ein schlechter Scherz sein. Oder ein Alptraum, sicher würde er gleich aufwachen. Er hatte sich wirklich überarbeitet.
Aber er wachte nicht auf.
Minato nahm seinen ganzen Mut zusammen und fragte: »Warum jetzt? Warum erfahre ich das erst fast dreißig Jahre später?«
»Stell dir vor, du bist jung und schwanger und dir stirbt dein Partner unter den Händen weg. Plötzlich hast du ein Mangekyō und bist noch nicht mal über Dan hinweg, geschweige denn die Erkenntnis, was deine Großmutter angerichtet hat, und hast schon Dans Baby im Arm. Stellt sich heraus, ich bin gut im Weglaufen, aber eben nicht gut genug.«
»Also bist du nicht nur wegen mir zurückgekommen«, stellte Tobirama fest.
»Auch. Aber nicht nur«, räumte Tsunade widerwillig ein. »Ich hab dir doch gesagt, es war nachdem ich hörte, was mit Kushina passiert ist.«
Minato drückte Naruto an sich. Er machte ein finsteres Gesicht. »Soll ich dich jetzt Mutter nennen? Nachdem du dich erfolgreich mein ganzes Leben lang um diese Rolle gedrückt hast? Ich hatte Eltern, sie waren sehr gut zu mir. Aber ich hätte doch sehr gern gewusst, dass meine leibliche Mutter die ganze Zeit hier gewesen war und ihren Sohn ignoriert hat.«
Er zischte es regelrecht. Naruto quengelte unruhig.
»Besser spät als nie, oder nicht?«, entgegnete Tsunade.
»Jetzt, wo alles den Bach runter gegangen ist!«, fauchte Minato. »Jetzt kommst du plötzlich an, weil du dich schuldig fühlst. Aber jetzt ist es zu spät. Kushina ist tot! Kushina ist tot und ich steh auf einem Trümmerhaufen mit einem Sohn, der ohne seine Mutter aufwachsen muss. Dein Enkel, ist dir das überhaupt bewusst?«
Tsunades verbitterte Schale bekam Risse. Ihre Kiefer mahlten und sie wich Minatos Blick aus. »Ich wusste nichts von ihm. Erst, als du plötzlich mit ihm vor mir standest.«
»Was willst du jetzt hier?«, verlangte Minato zu wissen. »Willst du wieder gut machen, was du seit dreißig Jahren ignorierst? Ich weiß nicht, ob ich das will. Ich kam die ganze Zeit ganz gut ohne dich zurecht.«
Tsunades Blick huschte zu Tobirama, Hilfe und Halt suchend. Aber er wusste auch nicht, was er tun sollte. Er konnte einfach nur dasitzen und versuchen zu begreifen, was hier gerade passierte.
Tsunade sank in sich zusammen. »Vielleicht können wir einfach vergessen, dass das hier gerade passiert ist.«
»Pah!«, schnaubte Minato. »Dann hättest du besser gar nicht erst zurückkommen sollen.«
Naruto quengelte wieder. Minato wiegte ihn, um ihn wieder zu beruhigen, aber er war offensichtlich nur halb bei der Sache. Nachdenklich betrachtete er seinen Sohn.
»Wird Naruto auch diese Augen haben?«
Tsunade zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. So ironisch es auch sein mag, dass ich die mit dem angeborenen Sharingan bin, aber wahrscheinlich weiß von uns hier Tobirama am besten Bescheid.«
Endlich eine Frage, die er beantworten konnte. »Sehr wahrscheinlich nicht. Ich weiß noch, dass es einen ziemlich Aufschrei bei den Uchiha gab, als Hikaku und Tōka heirateten, und viele dann erstaunt waren, als deren Sohn Kagami trotzdem solch ein starkes Sharingan besaß. Uchiha heiraten deswegen nur selten außerhalb des Clans, weil es ihr kekkei genkai schwächt. Es ist zugegebenermaßen verwunderlich, dass es in Tsunades Fall eine Generation übersprungen hat … es sei denn, du hast nicht erwähnt, dass Miyazaki auch eines hatte.«
Tsunade schüttelte den Kopf. »Spätestens in dem Moment, in dem ich meines erhalten hab, hätte es sich bei ihr auch gezeigt, aber das war nicht der Fall.«
»So hart es klingen mag, Minato, aber nach allem, was passiert ist, können wir wohl sicher davon ausgehen, dass du es auch nicht hast. Und was Naruto angeht, halte ich es wie gesagt für sehr unwahrscheinlich.«
Naruto runzelte die Stirn, wie als würde er auch nur ansatzweise etwas von dem verstehen, was sie hier beredeten. Viel wahrscheinlicher war es, dass er einfach nur auf die Unruhe seines Vaters reagierte.
Madara. Wie konnte es sein, dass er nach all den Jahren noch immer einen solch enormen Einfluss auf Tobiramas Familie hatte? Eine Familie, der ganz plötzlich auch Minato angehörte.
Tobirama beendete diesen Gedanken hier ganz schnell.
Ōkami sprang auf. Ihre Nase nahm Witterung auf. »Rauch!«
»Oh, scheiße! Das Essen!« Minato legte hastig Naruto ab und eilte in die Küche.
Nach all dem Chaos wirkte das so trivial.
Schwer seufzend sank Tsunade nun vollends zusammen. »Beantwortet das deine Frage, Tobirama? Warum ich ein Problem damit hab, euch beide zusammenzusehen?«
Er ließ seinen Kopf in seine Hände sinken. »Ja, und ich will nicht weiter darüber nachdenken. Es ist bereits mehr als genug.«
»Ich hab‘s verkackt, oder? So richtig mit Ansage versaut.«
»Ich weiß es nicht, Tsunade. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß einfach gar nichts mehr.«
Kakashi schwieg und saß einfach nur da. Auch er wirkte restlos überfordert mit der Situation.
Minato rettete vom Essen, was zu retten war, und jeder nahm sich etwas und aß schweigend für sich. Keine gesellige Runde, keine lockere Stimmung. Sie schwiegen sich an und alsbald schon ging Tsunade lieber dazu über, ihren Trübsal in Alkohol zu ertränken. Er sollte etwas sagen, dachte Tobirama müde, aber er konnte sich einfach nicht dazu durchringen. Gerade jetzt stand ihm eigentlich auch lieber der Sinn danach, das alles zu vergessen.
Das war nichts, das er aufschneiden und hineinschauen konnte. Das war keines seiner Experimente. Das war ein verdammter Scherbenhaufen, und er hatte keine Ahnung, wie er das wieder zusammenfügen sollte. Ob er das überhaupt konnte.
Wortlos ging Tsunade von dannen, wahrscheinlich, um sich eine Kneipe zu suchen. Tobirama ließ sie ziehen. Minato nahm Naruto und ging mit ihm nach oben. Auch dieses Mal sagte Tobirama nichts. Am Ende blieb er allein mit Kakashi und Ōkami.
»Willst du reden?«, fragte Tobirama irgendwann einmal in die Stille hinein.
Kakashi drehte die leere Schale in seinen Händen hin und her. »Das sollte ich dich fragen.«
Ōkami lief in der Küche auf und ab. »Na kommt, das ist kein Ort dafür.«
Sie folgten ihr zum irori, wo sie sich hinlegte. Tobirama und Kakashi setzten sich zu ihr und lehnten sich an ihre Flanke. Eine ganze Weile sagte niemand etwas.
»Ich hätte wohl nicht so laut werden sollen«, begann Kakashi.
»Du hattest jedes Recht dazu«, versicherte Tobirama ihm.
»Na ja.« Kakashi stocherte im Feuer herum. »Ich hab immer überlegt, wie ich dir das mit Rin und Obito sage, aber ich wusste einfach nicht wie.«
»Du hattest deine Gründe.«
Kakashi zog die Beine an die Brust. »Es war meine erste Mission, nachdem ich zum Jōnin ernannt worden war, und Minato hatte mir die Teamführung übertragen, damit wir uns für größere Effektivität aufteilen konnten. Wir hatten unseren Teil zu erledigen, und er ging und tat, was er am besten konnte, und das war, feindliche Einheiten im Alleingang niederzumachen. Rückblickend habe ich mich fürchterlich benommen, arrogant und selbstsicher. Ich dachte, ich wüsste alles besser, aber das stimmte nicht.
Es kam natürlich, wie es kommen musste, und Rin wurde von feindlichen Ninja gefangen genommen. Ich dachte damals, dass die, die sich nicht an die Regeln halten, Abschaum sind, und die Regeln besagen in so einem Fall nun mal, dass die Mission weitergehen muss. Ich dachte, dass Rin sehr wahrscheinlich nicht in Gefahr wäre aufgrund ihres medizinischen Ninjutsu, also bestand ich darauf, dass wir die Mission fortsetzten. Aber Obito, er sagte, dass die, die ihre Freunde im Stich lassen, schlimmer sind als Abschaum. Weißt du? Das waren seine Worte.«
»Ich weiß …« Tobirama blicke traurig auf seinen Enkel. Er erinnerte sich, was Kakashi ihm am Grab ihrer Familie gesagt hatte. Jetzt verstand er. Jetzt verstand er wirklich. Obgleich ein Puzzleteil noch fehlte.
Sakumo …
»Ich bin Obito gefolgt und gemeinsam haben wir die feindlichen Ninja ausgeschaltet und Rin befreit. Aber einem ist es gelungen, die Höhle, in der wir Rin gefunden hatten, über uns zum Einsturz zu bringen. Beim Kampf gegen die Feinde ist das mit meinem Auge passiert, mein linkes Auge war vollkommen zerstört. So hab ich den Fels nicht gesehen, der mich zu zerquetschen drohte. Obito packte mich und warf mich zur Seite und … und …«
Es erwischte stattdessen Obito.
»Um zu feiern, dass ich jetzt ein Jōnin war, hatte Rin mir ein spezielles Medikit geschenkt und Minato eines seiner Kunai. Obito hatte es natürlich vergessen. Aber als er da unter dem Stein lag und sein ganzer rechter Körper zerschmettert war, da war sein letzter Wunsch, mir sein verbliebenes Auge zu geben. Rin konnte es transplantieren, bevor die Höhle vollends einstürzte.«
Im Haus war es still.
»Und dann habe ich Rin getötet.«
Wie sehr sich Tobirama doch wünschte, dass alles anders gekommen wäre. Hatte seine Familie denn nicht schon genug gelitten? Er hatte alles dafür gegeben, um diesem Dorf eine Zukunft zu geben. Das Dorf hätte verhindern sollen, dass jemals wieder irgendwer solch ein Leid hatte erfahren müssen. Aber das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm.
»Mein Chidori direkt durch ihr Herz, es war wenigstens schnell gegangen. Ich wollte das nicht. Ich wollte sie beschützen, das habe ich Obito doch versprochen. Aber nicht mal das konnte ich. Dieses Mal waren es Ninja aus Kirigakure, die sie entführt hatten. Sie hatten ihr Sanbi eingepflanzt und wollten sie nach Konoha einschleusen, wo der Bijū großen Schaden hätte anrichten sollen. Rin war sich dessen bewusst und hat sich mir in den Weg geworfen, um sich auf meinem Chidori selbst zu töten, das eigentlich für jemand anderes bestimmt war. Und dann war das passiert.«
Sein Mangekyō.
»Ich hab das erst später erfahren, das mit Sanbi und so. In dem Moment sah ich einfach nur, wie meine Hand ihr Herz durchbohrte.«
Kakashi hatte sich ganz klein gemacht. Er saß zusammengekauert da, die Arme fest um die Knie geschlungen. Kurz entschlossen zog Tobirama ihn in seine Arme.
»Komm her, mein Junge.«
Erst wurde Kakashis ganzer Körper steif und dann sackte er gegen Tobirama. Kakashi schluchzte.
»Warum, Opa? Warum muss immer alles noch viel schlimmer werden?«
»Ich weiß es nicht.«
»Es hätte doch besser werden sollen mit dem Dorf. Warum ist es das nicht?«
»Auch darauf kann ich dir keine Antwort geben.«
Kakashis Schultern bebten.
»Aber ich kann dir versichern, dass ich mein Möglichstes tun werde, damit es besser wird«, versprach Tobirama ihm.
Einige Minuten lang war Kakashis Weinen das einzige, was zu hören war. Ōkami rollte sich um sie beide zusammen, und mit einem Male fühlte sich Tobirama wieder wie der kleine Welpe, der er für sie immer noch war. Es war irgendwie … befreiend. Es war viel gewesen für einen Tag, viel zu viel. Er war mental ausgelaugt. Aber wenigstens Ōkami war noch immer für ihn da und würde es auch immer sein.
So fand Minato sie. Gut möglich, dass er vielleicht sogar schon eine Weile da gestanden hatte, Tobirama hatte nicht darauf geachtet. Er näherte sich nur zögerlich, offenbar selbst unsicher, wie er mit der ganzen Situation umgehen sollte. Kakashi, dessen Tränen mittlerweile wieder versiegt waren, verstand schnell. Er stand auf.
»Macht das mal unter euch aus. Ich brauch jetzt wirklich eine Runde Schlaf.«
Minato wünschte ihm eine gute Nacht und wartete dann, bis er gegangen war. Dann wandte er sich wieder an Tobirama. »Eigentlich wollte ich dich auch nur bitten, ins Bett zu kommen. Naruto schläft bereits.«
»Minato …« Tobirama wusste nicht, wie er es ihm am besten sagen sollte, und entschied sich dann einfach für den direkten Weg. »Bitte schlaf heute im Gästezimmer.«
Minato sah ihn erst verwirrt und dann verletzt an. »Tobirama, du … du kannst mich damit doch jetzt nicht allein lassen. Bitte nicht. Bitte nicht ausgerechnet jetzt.«
Tobirama war müde, so unendlich müde. Und doch nahm er den letzten Rest seiner Kräfte zusammen. »Ich will dich damit nicht allein lasen. Aber gerade in diesem Augenblick brauche ich ein wenig Abstand zu allem. Ich habe heute erfahren, dass du der Sohn meiner Nichte bist.«
Minato kniete sich vor ihn. Etwas Flehendes lag in seinem Blick. »Ja, und? Mito-hime … meine Urgroßmutter war mit deinem Bruder verheiratet und das ist die einzige Verbindung, die wir haben.«
»Du hast zu all diesen Menschen keine Verbindung, für dich sich sie nur Namen. Aber sie sind meine Familie, verstehst du? Tsunade ist meine Nichte.«
»Tobirama, bitte.« Minato streckte die Hand nach ihm aus und ließ sie dann doch wieder sinken.
»Gib mir einfach etwas Zeit, ja?«
In dieser Nacht schliefen sie in getrennten Betten.
Nächstes Kapitel: Problemlösung Wolfart
Kapitel 14: Familie
»Du bist dir wirklich sicher?«
»Ja! Nun mach schon. Greif mich an.«
Kakashi wirkte noch immer nicht überzeugt, leistete dann aber doch Tobiramas Aufforderung Folge. Sein Chidori zwitscherte in seiner Hand.
Sie befanden sich in einem der Trainingsräume der Anbu, und Tobirama hatte vor, sich endlich einmal Kakashis Jutsu vorführen zu lassen. Kakashi hatte gesagt, dass es auf hoher Geschwindigkeit basierte und erst mit seinem Sharingan wirklich vollständig gewesen war. Tobirama war neugierig, in Aktion zu sehen, was sein Enkel sich da ausgedacht hatte.
Sie hatten ein paar Zuschauer, die lässig am Rand des Trainingsfeldes standen. Hin und wieder hörte Tobirama sie »Shunshin« murmeln, als sie darauf warteten, dass sie endlich anfingen. Sie schienen ganz richtig zu erwarten, dass Tobirama seine eigene Geschwindigkeit nutzen würde, aber anscheinend wussten sie nicht exakt, wie er das anstellte. Wie interessant. Hatte nicht auch Chōza nicht gewusst, dass Minatos Hiraishin Tobiramas Erfindung war? War es also doch nicht allgemein bekannt? Tobirama fragte sich, ob er das vielleicht nutzen konnte, wenn Gegner ihn dadurch unterschätzen würden.
Kakashi griff an. Das Chidori grub eine tiefe Furche in den Boden. Raiton, ganz wie Sakumo. Kakashis Chakra fühlte sich fast so an wie das seines Vaters, es war verblüffend. Und auch ein wenig schmerzlich.
Der Junge schaffte es, ihm näher zu kommen, als er erwartet hätte. Dennoch war er mit einem Hiraishin verschwunden, bevor Kakashi ihm hätte gefährlich werden können. Kakashi hatte dank Minato Erfahrung mit diesem Jutsu und hatte sich schon längst darauf eingestellt, dass das passieren würde. Trotz seiner hohen Geschwindigkeit änderte er die Richtung und griff Tobirama erneut an. Sein Sharingan glomm auf.
Wieder wich Tobirama aus. Chidori schien wie eine scharfe Klinge zu funktionieren und machte Kakashis Arm zu einem Schwert, das durch alles schnitt. Auch die Geschwindigkeit war beeindruckend und auch Kakashis Fähigkeit, diese zu kontrollieren. Nur wenige würden da mithalten können. Als Minatos Schüler hatte Tobirama auch nichts geringeres von ihm erwartet.
Nach seinem fünften vereitelten Angriff atmete Kakashi bereits schwer. »Du bist ja sogar schneller als Minato.«
»Er hat‘s beinahe geschafft, mich zu treffen.«
Tobirama bemerkte, wie ein paar ihrer Zuschauer erstaunt darauf reagierten.
»Und wie soll ich das da erst schaffen?«, grummelte Kakashi.
»Du schaffst es näher als die meisten anderen. Komm, Taijutsu jetzt. Versuch, mich mit einem Genjutsu zu belegen.«
»So, wie du das schon wieder sagst, werd ich auch das nicht schaffen.« Kakashi versuchte es dennoch.
Auch sein Taijutsu war exzellent, aber Kakashi hatte schon ganz richtig vermutet, dass er auch dieses Mal Schwierigkeiten hatte, ein Genjutsu auf Tobirama anzuwenden. In all den Jahren, in denen er sich mit Izuna gemessen hatte, nach Madara der stärkste Uchiha, den er kannte, hatte Tobirama sehr viel Erfahrungen darin, ein Sharingan zu vermeiden. Aber darum ging es ihm nicht. Er wollte sehen, wie gut Kakashi darin war, es auch zu benutzen, und er war zufrieden mit dem, was er sah. Kakashi konnte sich nicht mit einem reinblütigen Uchiha messen, aber für seine eigenen Verhältnisse war er extrem gut.
»Minato hat das neulich echt nicht gut aufgenommen«, sagte Kakashi leise genug, dass es nur Tobirama hören konnte.
»Das hat niemand«, entgegnete Tobirama, während er einen von Kakashis Schlägen blockte. Tsunade trank seit jenem Abend noch mehr als ohnehin schon, und mittlerweile sorgte es ihn ernsthaft.
»Aber dass du ihn jetzt auf Armeslänge Abstand hältst, hilft auch nicht. Ganz im Gegenteil.«
Tobirama trat Kakashi die Beine unter dem Körper weg und schickte ihn zu Boden. »Wir sind hier fertig. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte.«
Kakashi rappelte sich wieder auf und eilte ihm nach, als Tobirama sich schon zum Gehen wandte. Tobirama warf ihren Zuschauern einen finsteren Blick zu, und sie zerstreuten sich hastig. Hier gab‘s nichts mehr zu sehen.
»Scheint so ein Familiending zu sein, dass wir alle lieber davonlaufen, statt uns den Problemen zu stellen«, sagte Kakashi.
Tobirama reagierte darauf lediglich mit einem Grummeln.
»Muss ich‘s wirklich sagen?«, fuhr Kakashi fort. »Muss von uns beiden jetzt wirklich ich der Verantwortliche sein? Das mit dem Davonlaufen funktioniert nicht.«
Tobirama blieb abrupt stehen und faste ihn in den Blick. »Denkst du, mir fällt das leicht? Erst das mit Tsunade, aber irgendwie kann ich damit noch leben. Auch wenn ich‘s von Madara nicht erwartet hätte, er hatte doch nur Augen für meinen Bruder. Das jedoch, das ist noch einmal eine ganz andere Ebene.«
Kakashi seufzte. Er schien noch etwas sagen zu wollen, und ließ es dann doch.
Eigentlich hatte er ja Recht. Davonlaufen funktionierte nicht und es war auch nicht Kakashis Aufgabe, das Tobirama zu sagen. Es sollte anders herum sein, er war hier der ältere. Aber das, was Tsunade ihm gesagt hatte, hatte ihn aufgewühlt und er hatte Abstand gesucht, um seine Gedanken zu sortieren.
Dabei hatte Minato doch Recht. Sie waren nur entfernt miteinander verwandt und das auch nur durch Heirat. Aber der Fakt blieb bestehen, dass er immer noch Tsunades Sohn war, und Tsunade hatte offensichtlich ein Problem mit ihrer Beziehung. Was Tobirama allerdings mittlerweile endlich verstand. Es war in der Tat die Antwort auf seine Frage gewesen, allerdings hätte er sich vielleicht besser fragen sollen, ob er die Antwort wirklich hören wollte.
»Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte Kakashi und fügte rasch an: »Geht um was anderes.«
»Natürlich.«
Sie erfrischten sich und begaben sich dann in Tobiramas Büro, wo sie ungestört reden konnten. Tobirama bereitete ihnen beiden Tee.
Kakashi blickte amüsiert auf die Schale in seinen Händen. »Andere sind von Kaffee abhängig, du von Tee.«
Tobirama kniff die Augen zusammen. »Was willst du besprechen?«
Kakashi wurde wieder ernst. »Meine Mangekyō-Fähigkeit.«
Tobirama merkte auf. »Ich höre.«
Einen Moment noch schien Kakashi mit sich zu ringen. Dann straffte sich seine Haltung.
»Es ist auch Kamui und zwar die andere Hälfte.« Kakashi sprach so schnell, dass er beinahe über seine eigene Zunge stolperte. Sein Blick wanderte rastlos durch den Raum und seine Hände drehten die Teeschale hin und her.
»Die andere Hälfte …«, wiederholte Tobirama bedächtig. Wie höchst eigenartig.
»Du erinnerst dich doch sicher an das, was Fugaku dir darüber erzählt hat«, fuhr Kakashi fort. »Ich kann Kamui auf lange Distanzen hin anwenden, während das andere Kamui nur auf kurze Distanz zu wirken scheint. Ich mein, ich hab keine Ahnung davon, ich hab mir alles darüber selbst beigebracht, weil die Uchiha sich wenig kooperativ gezeigt hatten. Aber das ist zumindest, was ich darüber im Selbststudium herausgefunden habe.«
»Und du hast dein Auge von Obito erhalten.«
»Aber Obito ist tot.«
Das ergab alles keinen Sinn.
»Vielleicht sind Mangekyō-Fähigkeiten einmalig. Vielleicht nicht, ich habe keine Ahnung«, sagte Kakashi. »Die einzige Erfahrung, die ich damit habe, ist mein eigenes Sharingan. Ich weiß, dass ich ungleich mehr Chakra als ein geborener Uchiha aufbringen muss, um mein Sharingan zu benutzen, und Kamui einzusetzen, ist noch einmal wesentlich anstrengender.«
Tobirama rieb sich die Stirn. Die Puzzleteile lagen alle vor ihm, und doch konnte er sie einfach nicht zusammenfügen. Etwas fehlte noch immer.
»Ich danke dir, dass du es mir gesagt hast«, sagte er stattdessen.
»Tut mir leid, dass ich damit nicht eher herausgerückt bin. Aber … Nun ja.«
»Ich verstehe, dass das ein sehr schweres Thema für dich ist. Kein Grund, dich dafür zu entschuldigen. Sag mir lieber, wie der Stand mit Orochimaru ist.«
Kakashi fiel zurück in seinen Dienstton und berichtete sachlich und nüchtern: »Wenn er da ist, nichts auffälliges. Er tut ganz normale Dinge, trifft sich aber nie mit Leuten, sondern bleibt immer für sich.«
»Wenn er da ist?«
Kakashi nickte. »Das ist der Punkt, an dem es komisch wird. Manchmal verschwindet er komplett und wir wissen nicht, wohin. Manchmal nur für Stunden, manchmal Tage. Dann ist er nirgends im Dorf auszumachen. Und dann taucht er ohne Vorwarnung wieder auf und wir haben keine Erklärung, wo er in der Zwischenzeit war. Sollen wir sein Haus durchsuchen?«
Tobirama sann einen Moment darüber nach, dann nickte. »Wenn er das nächste Mal verschwindet. Hinterlasst keine Spuren. Ich werde derweil andere Teams damit beauftragen, seine Geheimverstecke ausfindig zu machen, die er angeblich unterhalten soll.«
»Der Typ ist unheimlich, ich sag‘s dir. Hast du mal seine Augen gesehen? Da ist nichts Menschliches in ihnen.«
Tobirama hatte die Photos in Orochimarus Akten gesehen und er musste Kakashi Recht geben. Etwas daran gab ihm ein ganz ungutes Gefühl.
Sie wurden unterbrochen, als sie das Klacken von Ōkamis Krallen auf dem Linoleum draußen im Flur hörten. Sie stieß die Tür mit ihrem Kopf auf und ohne ein Wort ging sie direkt zu Tobirama, packte seinen Ärmel und zog ihn mit sich.
»Mutter, was … ?«, setzte Tobirama irritiert an, als er ihr hinterher stolperte.
»Mitkommen«, knurrte sie. »Du auch, kleiner Welpe.«
Kakashi sah zu, dass er dem rasch Folge leistete.
»Ist was passiert?«, fragte Tobirama.
»Gerade du, Welpe, müsstest es besser wissen«, scholt Ōkami. »Du weißt, wie Wölfe Konflikte innerhalb des Rudels lösen, und du weißt auch, warum das notwendig ist. Nur ein Rudel, das zusammenhält, ist ein starkes Rudel, und dieses ist es nicht. Also bringe ich euch jetzt dazu, das wieder in Ordnung zu bringen.«
»Indem sich einer auf den Boden wirf, hin und her rollt und in einer Geste der Unterwerfung die Kehle darbietet?«, rutschte es Kakashi heraus, bevor Tobirama ihn aufhalten konnte.
Ōkami schnappte nach ihm. Natürlich nicht in der Absicht, ihm wirklich das Gesicht zu zerbeißen, aber Kakashi zuckte dennoch zurück, als die großen Fänge nur wenige Fingerbreit vor seinem Gesicht zuschnappten. Er wurde ganz fahl im Gesicht und verzichtete zugunsten seiner Gesundheit auf weitere Kommentare. Ōkami knurrte, ihre Ohren waren angelegt und ihr Fell sträubte sich. Die Stimmung in der Familie schien sie sehr zu verärgern. Tobirama war weise genug, auf den Hinweis zu verzichten, dass Konfliktlösung bei Menschen nicht damit getan war, dass der Unterlegene seine Unterwerfung demonstrierte und mit eingeklemmter Rute davon schlich.
Schweigend folgten sie Ōkami, welche anscheinend einer Fährte folgte. Hin und wieder hielt sie an, um Witterung aufzunehmen, und trabte dann weiter. Schließlich sah Tobirama, wo sie sie hinführte: eine Kneipe. Die Antwort auf die Frage, wen sie hier suchte, war ebenfalls rasch ausgemacht, als Ōkami ungeachtet der anderen Gäste, die sie irritiert ansahen, einen Tisch ansteuerte. An diesem saßen Tsunade und Jiraiya über dem, was anscheinend nicht ihre erste Flasche Sake an diesem Tag war. Beide hatten sie gerötete Gesichter und ihre Haltung war nicht mehr ganz aufrecht. Auch Tsunade wurde von Ōkami von ihrem Platz gezerrt. Jiraiya lallte seinen Protest.
Ōkami knurrte ihn an. »Halt dich von meinem kleinen Welpen fern.«
Dann schob sie Tsunade nach draußen. Verdattert sah Jiraiya ihnen nach, erhielt aber keine Antwort.
»Was wird‘n das hier?«, fragte Tsunade. Ihr Blick war unfokussiert.
Ihr Alkoholkonsum war das nächste Problem, das Tobirama auf keinen Fall länger ignorieren sollte. Er hatte es schon viel zu lange toleriert.
»Konfliktlösung auf Wolfsart«, sagte er knapp und erzeugte mit einem Suiton einen Schwall Wasser, der Tsunade ins Gesicht klatschte. Mit Hashirama hatte es meistens funktioniert.
»Onkel!«, rief sie empört, während das Wasser von ihr tropfte. Wenigstens wirkte sie nun etwas klarer.
»Du hättest wirklich nicht die schlechtesten Eigenschaften meines Bruders übernehmen müssen«, brummte er.
»Wir sind hier noch nicht fertig«, knurrte Ōkami.
Tobirama ahnte, worauf das hinaus lief, und er war sich nicht sicher, ob er für das Gespräch schon bereit war. Denn natürlich führte Ōkami sie zu Minatos Haus. Als auch Tsunade dämmerte, was Ōkami vorhatte, wollte sie sich schon davon machen.
»Oh. Nein, nein, nein. Dafür bin ich viel zu nüchtern. Ohne mich.«
Ōkami knurrte. Tsunade zog den Kopf ein, und folgte ihr dann doch weiter.
Beim Haus angekommen, biss Ōkami auf den Türknauf im Versuch, die Tür zu öffnen, was natürlich nicht funktionierte. Sie drückte mit dem Kopf gegen die Tür und beschloss dann kurzerhand, es mit der rabiaten Variante zu versuchen und kratzte an der Tür. Ihre Krallen hinterließen tiefe Rillen im Holz. Wenn sie es wirklich gewollt hätte, hätte sie die Tür einreißen können, aber dankenswerterweise verzichtete sie auf weitere Gewaltanwendung.
Minato war offensichtlich irritiert, als er die Tür öffnete, und schien sich zu fragen, was das zu bedeuten hatte. Seine Verwirrung steigerte sich nur, als er Tobirama mit Kakashi und Tsunade ausmachte, die hinter Ōkami standen.
Ōkami scheuchte sie alle wortlos ins Haus, und sie taten besser daran, ihrem Willen Folge zu leisten. Als sie alle drin waren, stellte sie sich mitten in den Raum, den Kopf gesenkt und die Ohren angelegt. Ihre Rute stand still.
»Ihr macht jetzt das, was Menschen machen, wenn sie nicht harmonieren«, grollte sie. Die Luft vibrierte regelrecht von ihrem tiefen Knurren.
»Äh«, war alles, was Minato dazu sagte.
Das Knurren wurde warnender.
Tsunade seufzte schwer. »Sie will, dass wir uns aussprechen. Ich bevorzuge die Variante, bei der wir uns dabei nicht gegenseitig an die Kehlen gehen.«
Minato sah sie verstimmt an. »Sollen wir uns jetzt alle fröhlich um den Hals fallen und so tun, als sei alles in Ordnung? Dafür habe ich keine Zeit.«
Er wandte sich ab. Knurrend versperrte Ōkami ihm den Weg.
Tobirama wünschte sich einmal mehr seinen Bruder herbei. Hashirama würde wissen, was zu tun war und wie er diese Situation handhaben musste.
Tsunade fügte sich in ihr Schicksal. Sie schien zu beschließen, dass sie das hier nicht im Stehen abhandeln wollte, und setzte sich kurzerhand auf das Sofa. Zögernd folgt der Rest von ihnen und suchte sich ebenfalls Plätze.
»Ich glaube, ich sollte anfangen«, begann Tsunade nach einem Moment des Schweigens. »Ich hab‘s verbockt und mit einer einfachen Entschuldigung ist es wahrscheinlich nicht getan.«
»Ach«, kommentiere Minato trocken. Er schien noch immer verärgert, und das wohl zurecht.
»Nachdem mein eigener Vater sich aus dem Staub gemacht hab und meine Mutter mit zwei kleinen Kindern allein zurückließ, hätte ich mir eigentlich denken können, was passiert. Aber nun ja …« Etwas hilflos zuckte Tsunade mit den Schultern. »In der Situation war ich nicht in der Lage, auch noch eine Elternrolle zu übernehmen.«
»Aber Chio, Mito und Miyazaki waren doch auch noch da«, warf Tobirama ein. Das hatte ihn schon die ganze Zeit beschäftigt.
Tsunade wich seinem Blick aus. »Ich hab‘s ihnen verheimlicht, weil ich selbst nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Also habe ich das Baby anonym weggegeben.«
»Das Baby hat einen Namen, seine Eltern haben es Minato genannt«, sagte Minato eisig. »Hattest du überhaupt einen Namen für mich?«
»Nein. Die Frage hatte sich mir überhaupt nicht gestellt. Dan … dein Vater starb, bevor wir überhaupt anfingen, uns um so etwas Gedanken zu machen.«
Tsunade war so jung gewesen, selbst noch fast ein Kind. Es verwunderte Tobirama daher nicht, dass sie damit völlig überfordert gewesen war und die ganze Situation so eskaliert war. Es war eine Verkettung unglücklicher Ereignisse, wo eines zum anderen geführt hatte.
»Wenn du mich nicht in deinem Leben willst, dann … kann ich das akzeptieren. Denke ich«, fuhr Tsunade fort. »Ich geh einfach, und lass mich nie wieder blicken.«
»Das kannst du ja so gut«, knurrte Minato.
Tsunade zuckte zusammen.
Minato bemühte sich sichtlich um Fassung. »Ich … ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Es fällt mir ja schon schwer, von dir als meiner Mutter zu denken. Diese Rolle hatte immer jemand anders eingenommen.«
Tsunade nahm Haltung an. »Weil ich dir nie eine Mutter gewesen war. So sieht‘s doch aus. Ich hab dich geboren und das war alles, aber das macht noch lange keine Mutter aus. Genauso wie der Kerl, der mich in die Welt gesetzt hat, auch kein Vater gewesen war. Gerade ich hätte es besser wissen müssen, aber ich tat es nicht, und jetzt ist es an der Zeit, dass ich dafür auch einstehe. Wenn du willst, dass ich gehe, gehe ich, und wenn du willst, dass wir stattdessen einen Neuanfang versuchen, dann versuche ich auch das.«
Eine ganze Weile lang dachte Minato darüber nach und nach und nach schien seine Verärgerung von ihm abzufallen. »Na gut, ich bin gewillt, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, aber ich weiß nicht, ob ich jemals von dir als meiner Mutter denken kann. Für den Anfang würde es mir reichen, wenn du dich nicht mehr zwischen mich und Tobirama stellst.«
»Ah, ja, diese Sache«, murmelte Tsunade. »Da hab ich mich wohl auch ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt.«
Minato sah sie missbilligend an. Dann wandte er sich an Tobirama. »Das hat wehgetan, weißt du. Das tut es noch immer. Ich verstehe ja, dass es auch für dich eine seltsame Situation ist. Aber trotzdem.«
Tobirama spürte Ōkamis durchdringenden Blick in seinem Rücken. »Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Ich hätte mir denken müssen, was das für dich bedeutet. Aber eigentlich hast du ja Recht. Mein größtes Bedenken ist lediglich Tsuna.«
»Ich hab kein Recht, mich da einzumischen«, sagte Tsunade. »Ich hab überhaupt kein Recht, mich in irgendwas aus deinem Leben einzumischen, Minato, nachdem ich mich die ganze Zeit selbst daraus ferngehalten habe. Tut mir leid, wenn ich mich in den letzten Wochen so daneben benommen habe.«
»Halleluja! Erwachsene Menschen, die sich wie erwachsene Menschen benehmen!«, rief mit einem Male Kakashi dazwischen.
Irgendwie war es das, was die Stimmung wieder lockerte. Ein erleichtertes Lachen ging durch die Runde, und auch Ōkamis Haltung entspannte sich sichtlich. Schwanzwedelnd kam sie zu Minato und leckte ihm über das Gesicht. Halbherzig wehrte er sich dagegen und hatte doch keine Chance.
»Jetzt bist du auch ein Welpe des Rudels«, sagte sie geradeheraus. »Vielleicht darfst du auf mir reiten, aber das muss ich mir noch überlegen.«
»Wenn, dann schon gleiches Recht für alle, Ōkami-oba-san«, kommentierte Tsunade grinsend.
»Sie haben ja keine Ahnung, auf was Sie sich da einlassen, sensei«, warf Kakashi ein.
»Weißt du, Kakashi, lass das mit dem sensei. An diesem Punkt können wir das wirklich hinter uns lassen«, bot Minato ihm an, während er noch immer erfolglos versuchte, Ōkamis Zunge zu entkommen.
Nächstes Kapitel: Minato hat quasi einen Wolf gedatet.
Kapitel 15: Teil des Rudels
CN ein Tier wird erlegt
»Ich kann natürlich nicht tolerieren, dass ein Welpe meines Rudels nicht weiß, wie man jagt.«
Das waren Ōkamis Worte gewesen, die Minatos Schicksal besiegelt hatten. Von diesem Moment an hatte es für ihn kein Zurück mehr gegeben, und vielleicht hatte er sich wirklich nicht gut überlegt, auf was er sich da einließ. Aber jetzt gab es für ihn keine Fluchtmöglichkeit mehr.
Auch als Hokage konnte Minato nicht nur arbeiten und den ganzen Tag Papierstapel hin und her schieben. Also hatte Ōkami beschlossen, dass heute sein freier Tag zu sein hatte und sie gemeinsam mit dem Rest des Rudels in den Wald hinauszogen. Widerworte hatte sie keine geduldet. Minato war mittlerweile weise genug, es auch gar nicht erst darauf ankommen zu lassen.
Seit einigen Stunden schon verfolgten die Wölfe eine Fährte. Ihre Sinne waren um ein Vielfaches feiner als die der beiden Menschen, die sie begleiteten, aber mittlerweile hatte auch Tobirama die Spur der Hirsche ausgemacht, die die Wölfe entdeckt hatten. Auch wenn Tobirama die Tiere noch nicht gesehen hatte, ging er davon aus, dass sie bereits wussten, dass sie gejagt wurden. Das Tempo seines Rudels war gleichbleibend. Sie verweilten nicht, doch noch hatten sie keine Eile.
Tobirama führte seinen Bogen bei sich, er würde sich aktiv an der Jagd beteiligen. Minato jedoch hatte er angewiesen, sich im Hintergrund zu halten und einfach nur zu beobachten.
Da jedoch hatte Minato auf einmal Widerworte geben wollen. »Du kannst durchaus davon ausgehen, dass ich mich in der Wildnis zurechtfinde. Stell dir vor, so etwas lernen wir heutzutage immer noch.«
»Werd nicht frech«, drohte Tobirama ihm. »Jeder Wolf im Rudel hat seinen Platz zu kennen und ein kleiner Welpe auf seiner ersten Jagd ist nur im Weg und hat daher von den Alttieren zu lernen.«
Minato starrte ihn verdattert an. Dann bohrte er ihm einen Finger in die Seite. »Zweifelsohne ein halber Wolf.«
Sie folgten dem Rudel über die Äste der Bäume hinweg, während die Wölfe unter ihnen mit Leichtigkeit ihren Weg durch das Unterholz fanden. Tobirama verließ sich auf die Sinne der Tiere und dass sie die Fährte schon nicht verlieren würden. Sein Rudel war erfahren.
»Wieso bist du der einzige, von dem ich weiß, dass er jemals einen Vertrag mit den Wölfen abgeschlossen hat?«, wollte Minato wissen.
»Weil Wölfe wild sind«, lautete Tobiramas Antwort knapp. »Und die, die den Versuch gewagt hatten, hatten sich als nicht würdig erwiesen und es selten überlebt.«
»Da sind mir die Kröten vom Berg Myōboku doch allemal lieber«, sagte Minato leichthin.
Er hatte es natürlich leichter mit ihnen. Wahrscheinlich hatte er den Vertrag von Jiraiya erhalten, gut möglich, dass er ihn eines Tages an Naruto weitergeben würde.
»Ōkami-san sagt zwar, dass ich jetzt Teil des Rudels bin, aber das Kuchiyose no Jutsu werden die Wölfe mich nicht anwenden lassen, oder?«, fragte Minato weiter.
»Nein. Ihre Toleranz hat Grenzen. Selbst das hier ist eine große Ausnahme und auch nur, weil ich dabei bin.«
Ōkami als Erfahrenste führte die Jagd an. Sie trabte voran und der Rest folgte. Plötzlich erhöhte sie die Geschwindigkeit, die Wölfe sprangen ihr nach.
»Horch«, wies Tobirama Minato darauf hin. »Vor uns.«
In einiger Entfernung konnten sie nun endlich die Geräusche der Hirschherde ausmachen. Die Tiere wirkten in Aufregung, wahrscheinlich witterten sie das herannahende Rudel. Ōkami wusste, dass sie zwischen den Bäumen bessere Chancen hatten, weshalb sie sich nun beeilte, die Hirsche einzuholen, bevor sie offenes Gelände erreichen konnten. Die Wölfe bellten und knurrten und sprangen davon.
»Komm.« Tobirama bedeutete Minato, ihm zu folgen.
Sie beide wählten eine abweichende Route, auf der sie sich den Hirschen aus einer anderen Richtung her nähern konnten. Bald schon konnten sie die Geräusche der beginnenden Jagd ausmachen. Äste knackten, Wölfe bellten, Hirsche stießen panische Laute aus.
Der Wald wurde lichter und eine Flur öffnete sich vor ihnen, auf der nur noch vereinzelt Bäume standen. Die Hirsche, etwa dreißig Stück an der Zahl, hatten sich hierher gerettet, weil sie wussten, dass sie hier sicherer waren. Das Rudel hatte sie bereits gestellt und begann damit, sie zu umstellen. Nervös röhrten die Hirsche, einige schwangen ihr Geweih abwehrend.
»Warum bleiben sie stehen?«, wollte Minato wissen. Er hatte mit Tobirama auf einem der Bäume am Rande des Waldes Position bezogen.
Tobirama legte die Hände an den Mund und heulte wie ein Wolf, um Ōkami seine Position mitzuteilen. Die Hirsche zuckten nervös, weil sie ihn für einen weiteren Wolf hielten. Minato schien ebenfalls überrascht, dass er in der Lage war, einen Wolfsruf täuschend echt zu imitieren. Tobirama ging nicht weiter darauf ein.
»Wölfe sind Hetzjäger«, beantwortete er stattdessen die Frage. »Jetzt versuchen sie, eines der Tiere aus dem Herdenverband zu isolieren, indem sie die Herde in Panik versetzen. Ihr Opfer verfolgen sie dann über lange Strecken hinweg, bis es entkräftet zu Boden geht. Die Hirsche wissen das, also bleiben sie zusammen, denn die Gruppe bietet ihnen Schutz.«
Ōkami wagte einen Vorstoß. Das reichte aus, um die Herde in kopflose Panik zu versetzen, und die Hirsche stoben davon. Die Wölfe hatten sich jedoch bereits so positioniert, dass sie ihnen die Flucht weiter hinaus auf das offene Gelände abschnitten und sie jetzt entlang der Waldlinie verfolgten. Direkt auf Tobiramas und Minatos Position zu.
»Es gibt bei dieser Jagd jedoch eine Besonderheit und die bin ich.« Tobirama nahm seinen Bogen von der Schulter.
Schon längst hatte er das Tier ausgemacht, das er schießen wollte. Ōkami mit ihrem Verständnis dafür, welches Tier die beste Beute abgeben würde, hatte es ebenfalls erspäht und gemeinsam mit dem Rest des Rudels isoliert. Die Hirschkuh lahmte und fiel bald schon zurück. Doch noch immer rannte sie um ihr Leben, ganz gleich, dass sie nicht mit den gesunden Tieren mithalten konnte. Während die Wölfe stetig zu ihrer Beute aufschlossen, stob der Rest der Herde unbehelligt davon. An diesem Tag waren sie mit einem Schrecken davon gekommen.
Tobirama legte einen Pfeil an und suchte sich einen festen Stand. Als er klares Schussfeld hatte, spannte er in einer Bewegung den Bogen und zielte. Der Pfeil schnellte davon und traf sein Ziel in die Schulter. Tobirama hatte auf die Brust gezielt, doch ein bewegliches Ziel zu treffen, das in Panik davonrannte, war nicht ohne.
Es reichte dennoch, die Hirschkuh stolperte. Sofort waren die Wölfe über ihr und rangen das Tier zu Boden. Während Ōkami der Hirschkuh noch die Kehle zudrückte, rissen andere Wölfe bereits an der Bauchdecke. Der Hirsch röchelte und trat noch ein paarmal schwach mit den Hufen aus, dann lag das Tier still.
Tobirama und Minato sprangen von ihrem Ast herab und näherten sich dem Kampfplatz. Ōkami kläffte scharf, um die anderen Wölfe des Rudels an ihre Plätze zu verweisen und um Tobirama und Minato Platz zu verschaffen.
»Leber?«, wollte Tobirama wissen. »Oder Rücken?«
»Leber klingt nicht schlecht.«
»Das beste und du hattest noch nicht mal die Arbeit damit.«
Minato grinste und zuckte mit den Schultern. »Dann frag nicht.«
Tobirama zog den Pfeil aus dem Kadaver, stellte aber fest, dass die Spitze am Schulterblatt abgebrochen war. Er warf den nutzlosen Pfeil zur Seite. Dann machte er sich daran, die Bauchhöhle weiter zu öffnen und die Leber herauszuholen. Dampf stieg aus dem warmen Inneren des Kadavers in die kalte Winterluft auf.
Sie beschlossen, dass ihnen der Sinn danach stand, mal wieder eine Mahlzeit unter freiem Himmel zu genießen, zubereitet über offenem Feuer. Tobirama schickte einen Doppelgänger zurück nach Hause, der alles brachte, was sie für ihr Essen benötigten, derweil machten sie sich daran, ein kleines Feuer zu entzünden. Die Wölfe fielen über ihre Beute her. Es war begleitet von gelegentlichem Knurren und hin und wieder auch einem Jaulen, wenn einer den anderen zwackte, um ihn seines Platzes zu verweisen.
»Du hast dich an der Jagd beteiligt, also übernehme ich das Kochen«, sagte Minato.
Tobirama hatte nichts dagegen einzuwenden. Mittlerweile hatte er es zu schätzen gelernt, wenn Minato ihn bekochte, weil sich sein Speiseplan dadurch in der Tat um einiges erweitert hatte, und Minato schien Freude daran zu haben. Außerdem schmeckte es wirklich gut, was Minato zustande brachte.
Der Doppelgänger erschien wieder bei ihnen und Minato machte sich an die Arbeit. Bald schon stieg ihnen der aromatische Duft von gebratener Leber in die Nase. Das weckte Erinnerungen.
»Ganz früher, als sie alle noch Genin waren, hatte Koharu immer die Nase gerümpft, wenn wir auf einer Mission waren und Torifu uns die Hasen zubereitete, die ich gefangen hatte«, sagte Tobirama. »Sie konnte den Geruch überhaupt nicht leiden und war lieber hungrig schlafen gegangen, als auch nur ein kleines Stück Leber anzurühren. Dabei hatte es wirklich gut geschmeckt; es hat nur Vorteile, einen Akimichi im Team zu haben.«
»Das war also reiner Eigennutz, dass du Torifu als deinen Schüler angenommen hattest?«, neckte Minato.
»Nein, das war Hashiramas Idee. Er kannte meine Essgewohnheiten zur Genüge, dabei war er nicht besser. Entweder diese fürchterliche Pilzsuppe, nach der er süchtig war, oder Photosynthese.«
»Was? Wirklich?«
Völlige Verwunderung stand auf Minatos Gesicht geschrieben. Er kaufte ihm das wirklich ab. Tobirama konnte nicht anders als zu lachen.
»Nein, natürlich nicht. Anija hat keine Photosynthese betrieben.«
Minato schmollte. »Erlaub dir nur deine Scherze mit mir.«
Noch immer leise lachend strich Tobirama ihm über das Haar und gab ihm einen Kuss auf die Schläfe. Das versöhnte Minato wieder.
»Das hat gut getan, heute endlich wieder einmal rauszukommen«, sagte er. »Es ist ermüdend, den ganzen Tag immer nur dieselben Wände zu sehen und diesen schrecklichen Papierkram erledigen zu müssen.«
»Ich weiß«, sagte Tobirama mitfühlend. Er hatte es auch gehasst.
Minato wendete die Leber in der Pfanne. »Dabei hatten du und dein Bruder alle Möglichkeiten der Welt. Ihr habt dieses Amt doch überhaupt erst erfunden. Ihr hättet es viel spannender machen sollen.«
»Zum Beispiel?«
»Es sollte verpflichtend werden, mit den Wölfen durch die Wälder zu laufen. Das war so aufregend! Ich habe mich schon lange nicht mehr so frei gefühlt.«
Ōkami hatte indes ihr Mahl beendet. Sie verschlang ein paar letzte Gedärme, leckte sich das Maul und kam dann zu ihnen. Sie legte sich hinter Tobirama und Minato zu Boden. Das Fell um ihr Maul war rot vom Blut des Hirsches, aber daran hatte sich Tobirama noch nie gestört.
»Eine gute Jagd«, sagte sie. »Ohne Zwischenfälle und mit reicher Beute.«
»Warum dieser Hirsch und keines der anderen Tiere? Es gab doch größere in der Herde«, fragte Minato.
»Größere, die einen Wolf mit Leichtigkeit auf das Geweih nehmen können«, sagte Ōkami. »Viel zu risikoreich. Ein verletzter Wolf, der nicht jagen kann, ist ein toter Wolf, nicht immer kann das Rudel ihn noch versorgen.«
»Diese Hirschkuh hat gelahmt«, fügte Tobirama an. »Ein verletztes Bein, sie hätte ohnehin nicht mehr lange mit der Herde mithalten können und hätte die anderen Tiere verlangsamt. Damit war sie die einfachste Beute. Auf diese Weise sorgen Wölfe dafür, dass vor allem die starken, gesunden Tiere überleben, was einen enormen Einfluss auf das Ökosystem hat. Durch die Bejagung ihrer typischen Beutetiere sorgen sie dafür, dass deren Bestand nicht zu stark wächst. Gerade Hirsche können einen Wald stark beschädigen, wenn sie im Winter die Rinden abnagen. Durch die Bejagung sorgen Wölfe dafür, dass ihre Beute immer in Bewegung bleibt und daher ein Gebiet nie zu lange begrast. Dies wiederum sorgt für einen starken Baumbestand, der Vögeln und allerlei anderen Tieren zunutze kommt. Und so weiter. Es gibt zahlreiche solcher Verkettungen.«
»Wie habt ihr das gemacht? Wie wusstet ihr, wann wer was zu tun hat?«, fragte Minato weiter.
»Instinkt«, lautete Tobiramas schlichte Antwort.
»Du bist ein halber Wolf«, betonte Minato. »Hör auf, es zu leugnen. Ich hab mich in einen halben Wolf verliebt.«
»Der dir gerade zu einer Mahlzeit verholfen hat, also beschwer dich nicht.«
»Liebe geht eben durch den Magen.«
Ōkami leckte Minato über das Haar. »Du wirst schon noch lernen, wie ein Wolf zu jagen. Es kann nur von Vorteil sein.«
Irgendwie fühlte sich Tobirama heute in Plauderlaune. Die erfolgreiche Jagd und die Aussicht auf ein leckeres Essen waren seiner Laune sehr zuträglich.
»Weiß du, deswegen nannte man mich den Blutroten Geist der Senju«, sagte er daher. »Vielleicht tun es manche ja noch immer, das weiß ich nicht. Aber stell dir vor, diese Hirsche wären feindliche Shinobi gewesen.«
»Es wäre ein leichtes gewesen, sie in eine Falle zu locken.«
Tobirama nickte. »So hatte ich die Gefolgsleute der Gold und Silber Brüder ausschalten können. Nur mithilfe meines Rudels habe ich so über zwanzig Mann töten können, bevor sie mich am Ende doch erwischt hatten.«
»Doch zu meinem Glück nur beinahe.« Minato beugte sich zu ihm, um sich einen Kuss zu erhaschen. »Es wäre wirklich ein Jammer, wenn sie Erfolg gehabt hätten.«
Mit den Mitteln, die der daimyō ihnen zugesichert hatte, ging der Wiederaufbau des Dorfes rasch vonstatten und schon wenige Wochen später hatte man reparieren können, was nicht allzu stark beschädigt worden war. Viele konnten wieder in ihre Wohnungen und Häuser einziehen. Zwischen Tobirama und Kakashi bestand ein stillschweigendes Übereinkommen, dass Kakashi jetzt einfach bei Tobirama wohnte.
Schwierig war es noch für jene, deren Häuser und Wohnungen völlig unbewohnbar geworden waren, für sie gab es kaum eine andere Möglichkeit, als den Winter über in den Notunterkünften zu verbringen. Viele Hände packten mit an und so war zumindest der Schutt alsbald auch beseitigt und man rettete aus den Trümmern, was zu retten war. Die Witterung hatte es von Anfang an schwer gemacht, doch irgendwie schafften sie auch das.
Minato war tagein tagaus damit beschäftigt, endlose Zahlenkolonnen hin und her zu wälzen und ihre Finanzen zu verwalten. Das war derzeit seine Hauptsorge, besonders mit den Zinsen, die der daimyō für seine Hilfe gefordert hatte. Ein Dorf wiederaufzubauen, war kostspielig, besonders, wenn andere auch noch Kapital aus ihrer Notlage schlagen wollten.
Tobirama half ihm, wo er konnte, doch sein Fokus lag derzeit auf der Sicherheit des Dorfes. Konoha war geschwächt, und ihre Feinde witterten das wie Bluthunde. Es verging keine Woche, in der seine Anbu nicht wieder Spione aus anderen Nationen abfingen. Die meisten ließen sich in die Flucht schlagen, fangen konnten sie aber niemanden.
Minato hielt an Hiruzens Idee mit den Chūnin-Prüfungen fest, er war noch immer der Überzeugung, dass dies ein Schritt nach vorne wäre. Und auch wenn es für sie alle eine doppelte Belastung bedeutete, trieb Minato die Pläne dafür nach vorn und allmählich nahm die Idee Gestalt an.
Tobirama hielt sich aus dieser Sache größtenteils heraus. Er sagte, seine Aufgabe wäre es, für die Sicherheit während der Prüfungen zu sorgen, aber eigentlich ging er damit nur Hiruzen aus dem Weg, und Hiruzen mied ihn. Jedes Mal, wenn sie einander über den Weg liefen, sah Tobirama ihn finster an und Hiruzen zog den Kopf ein. Tobirama war zutiefst enttäuscht von ihm. Als er im Krankenhaus erwacht war, hatte er sich nicht einmal ausmalen können, dass es jemals so weit kommen könnte, dass ausgerechnet sein talentiertester Schüler ihn jemals so würde enttäuschen können.
Minato entging das keinesfalls und er achtete darauf, Tobirama und Hiruzen möglichst selten zusammentreffen zu lassen, auch wenn es sich nicht immer vermeiden ließ. Jedes Mal sanken die Temperaturen im Raum in eisige Gefilde.
»Weißt du«, sagte Minato eines Abends, »eigentlich wollte ich diese alten Leute schon lange loswerden. Ich habe auch jetzt noch viel Respekt für Sandaime-sama, und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, ob ich es an seiner Stelle besser gemacht hätte. Aber der Rest von ihnen … Sie sind ein Erbe meines Vorgängers und genießen viel Ansehen im Dorf. Ich hatte sie nicht einfach so vor die Tür setzen können, vor allem anfangs in meiner nicht allzu starken Position. Jetzt jedoch …«
War Minato in einer Position, um so etwas wagen zu können? Mittlerweile war Tobirama längst klar, warum Minato damals ihm so schnell den Vorschlag unterbreitet hatte, dass er die Anbu wieder übernehmen konnte, und es hatte funktioniert. Auch wenn es Tobirama verdächtig erschien, dass Danzō sich seitdem so fügsam gezeigt hatte, vor allem nach dem, was er mittlerweile über ihn herausgefunden hatte. Es hatte Danzō nicht gefallen, dass Tobirama ihm seine Ne weggenommen hatte, und Tobirama achtete mit Argusaugen darauf, dass Danzō auf keine dummen Gedanken kam.
Aber wie war die Situation jetzt? Das Dorf war in einem vulnerabel Zustand und jede innere Unruhe würde es noch weiter schwächen.
Hiruzen hatte versagt und Danzō führte nichts Gutes im Schilde. Wenn Hiruzen bereits so tief gefallen war, was hatte dann erst der Rest von ihnen angestellt? Sie klammerten sich an ihre Positionen und übten damit noch weiter Einfluss auf das Dorf aus, wo es doch längst an der Zeit war, das Feld der jüngeren Generation zu überlassen.
Aber dasselbe könnte man auch über Tobirama sagen. Womöglich war er sogar derjenige, der am meisten Einfluss auf Minato üben konnte, was wirklich kein gutes Licht auf ihre Beziehung werfen würde. Sie hatten richtig daran getan, das nicht sofort dem ganzen Dorf unter die Nase zu reiben. Hiruzen hatte natürlich trotzdem keine vierundzwanzig Stunden gebraucht, um es herauszufinden, schwieg sich dazu aber aus. Wie es um Koharu, Homura und Danzō stand, wusste Tobirama nicht.
»Im Moment ist es besser, einfach nichts zu tun«, riet Tobirama Minato daher. »Aber hüte dich vor ihnen, besonders vor Danzō.«
Minato umarmte ihn. Er brauchte nichts zu sagen, um deutlich zu machen, wie viel Kraft er aus Tobiramas Gegenwart zog.
Die Situation mit Tsunade war zu anfangs seltsam, um es gelinde auszudrücken. Keiner von ihnen wusste so wirklich, wie er den anderen gegenüber auftreten sollte, besonders zwischen Tsunade und Minato war die Spannung beinahe schon greifbar. Minato hatte offensichtlich Probleme damit, sie als seine Mutter zu akzeptieren, und war nicht mit sich im Reinen, ob er sie nun doch in seinem Leben akzeptieren wollte oder nicht. Zumindest aber gab er sich Mühe, seinen Gefühlen für Tobirama in ihrer Gegenwart nicht allzu deutlich Ausdruck zu verleihen, und Tsunade sah davon ab, das ganze weiterhin mit finsteren Blicken zu verfolgen.
Tobirama wählte den bequemen, wenn vielleicht auch nicht schlauesten Weg aus der ganzen Sache, indem er sie ignorierte. Sie hatten sich alle ausgesprochen, und er konnte ja nun wirklich nicht Minato und Tsunade vorschreiben, wie sie das jetzt unter sich ausmachten. Oder?
Also Minato einige Wochen später Tsunade erlaubte, Naruto zu halten, nahm er das als Zeichen, dass die beiden allmählich zu einer Einigung kamen. Vielleicht würden sie sich nie wirklich als Mutter und Sohn sehen können, aber zumindest gingen sie winzige Schritte aufeinander zu. Leider fing Naruto derzeit an zu fremdeln und fand das überhaupt nicht in Ordnung, dass Minato ihn an jemand anderes überreichte, womit Tsunade zu ihrem sichtlichen Verdruss nicht lange in den Genuss kam, ihren Enkel auf den Arm halten zu können.
So neigte sich der Winter allmählich dem Ende zu und der Frühling kam und mit ihm auch einige große Veränderungen für Kakashi. Über die vergangenen Wochen hinweg hatte er sich oft mit Tsunade zusammengesetzt und mit ihr seine Wünsche und Vorstellungen besprochen. Tobirama hatte akzeptiert, dass er dabei wenig zu suchen hatte, und war daher nicht über jedes Detail im Bilde, was Kakashi nun wirklich für sich wollte. Aber er machte deutlich, dass er alles unterstützen würde, was Kakashi für sich als richtig ansah. Er wollte, dass Kakashi sich wohl fühlte, dabei hatten Tobiramas Vorstellungen keine Rolle zu spielen.
Wahrscheinlich war er am Tag der Operation nervöser als Kakashi selbst, und wartete rastlos, bis der Eingriff vorüber war. Minato hatte sich extra für diesen Tag freigenommen und ihn begleitet. Er tat ganz ruhig, aber er brauchte Tobirama nichts vorzumachen, Tobirama wusste ganz genau, dass Minato genauso nervös war. Als er ihm das sagte, lachte Minato jedoch nur.
»Tja«, war alles, was er dazu sagte.
Wie Tsunade gesagt hatte, war es Shizune, die den eigentlichen Eingriff vornahm. Tsunade setzte vollstes Vertrauen in sie, und Tobirama vertraute auf Tsunades Einschätzung. Und solange es kein Blut beinhaltete, hatte Tsunade ja auch bereitwillig jede weitere Behandlung übernommen. Kakashi schien ihr zu vertrauen, auch wenn er anfangs nicht allzu begeistert von Tsunade gewirkt hatte.
Gemeinsam mit Ōkami und Minato wartete Tobirama an Kakashis Bett im Krankenhaus, als er nach der Operation allmählich aus der Narkose aufwachte. Minato hatte sich an Tobirama gelehnt und hielt seine Hand. Er hatte Naruto in einem Tragetuch bei sich, der tief und fest eingeschlafen war. Ōkami döste mal wieder.
»Ich denke an den Moment zurück, als du mir vor die Füße gefallen bist, und was seitdem alles passiert ist«, sagte Minato leise. »Damals hätte ich nicht gedacht, dass wir jetzt hier sitzen würden wie eine recht eigenwillig zusammengewürfelte Familie.«
Familie. Irgendwie hatte Tobirama von ihnen noch nie so gedacht. Aber irgendwie hatte Minato doch Recht.
»Es wäre doch schön, wenn Naruto mit einem älteren Bruder aufwachsen könnte, oder? Und nicht nur mit mir, seinem Vater. Wenn er mehr als nur mich hätte, der für ihn die Elternrolle einnimmt.«
Tobirama wusste nicht sogleich, was er darauf antworten sollte. Von Anfang an hatte für ihn außer Frage gestanden, dass er Minato half, wo er nur konnte, und hin und wieder auf Naruto aufzupassen, war nun wirklich keine Herausforderung gewesen. Irgendwann einmal auf diesem Weg hatte sich Minato in ihn verliebt, und vielleicht war das nur ein logischer nächster Schritt und sie gaben dem, was sie füreinander waren, einfach nur einen Namen.
Kakashi war sein Enkel, aber wenn Tobirama so darüber nachsann, war es doch eher, als hätte er einen weiteren Sohn dazu gewonnen. Wäre es da so ein großes Ding, Naruto einfach als seinen Stiefsohn anzunehmen? Eigentlich nicht.
»Willst du es offiziell machen?«, fragte er daher. »Willst du, dass ich Naruto adoptiere?«
Minato kuschelte sich fester an ihn. »Ja«, hauchte er. »Das wäre schön. Vielleicht nicht gleich sofort, alles zu seiner Zeit. Aber auf kurz oder lang.« Er sah lächelnd zu ihm auf. »Jetzt habe ich dich einmal gefunden, jetzt will ich dich nicht mehr hergeben.«
Tsunade riss in ihrer üblichen nicht allzu subtilen Art die Tür auf. Sie hatte ein Klemmbrett bei sich und ihre ganze Haltung weckte in Tobirama unangenehme Erinnerungen an Doktor Fuyuko. Kakashi sollte sich glücklich schätzen, dass seine behandelnde Ärztin Tsunade war.
»Ist der immer noch nicht aufgewacht?«, kommentierte sie, als sie Kakashi sah. Ohne lange zu fackeln, ging sie zum Bett und schüttelte Kakashi nicht allzu sanft an der Schulter. »Tu nicht so, ich weiß, dass die Narkose längst aufgehört hat zu wirken.«
Kakashi röchelte und schreckte dann auf. Er hatte einfach weitergeschlafen. Verschlafen blinzelte er zu Tsunade auf.
»Guten Morgen«, wünschte sie ihm, obwohl bereits später Nachmittag war. »Nickerchen ist beendet. Wie fühlst du dich?«
Kakashi gähnte und streckte sich, stellte aber sogleich fest, dass es noch keine gute Idee war, seine Arme weiter als bis Schulterhöhe zu heben. »Durst.«
Tsunade reichte ihm ein Glas Wasser, das auf dem Beistelltisch gestanden hatte. Es war im Nu gelehrt.
»Frag deinen Großvater«, sagte Tsunade auf Kakashis unausgesprochene Frage hin, wo denn mehr sei.
»Ich bin kein Wasserspender«, grummelte Tobirama, füllte dann aber doch mit einem einfachen Suiton Kakashis Glas nach.
Nach dem vierten Glas hatte Kakashi erst einmal genug. Er atmete auf. »Ah, besser. Fühlte sich an, als sei mein Mund eine Wüste.«
»Abgesehen davon irgendwelche Beschwerden?«, fragte Tsunade weiter.
Kakashi schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht abseits von dem, was du mir schon im Vorfeld gesagt hattest.«
»Gut, dann lass es langsam angehen. Keine Belastung auf die Wunde und für den Anfang auch kein Wasser in Kontakt mit der Wunde. Aber das habe ich dir alles schon gesagt. Sollte irgendwas sein, sag sofort Bescheid.«
Kakashi konnte sein Grinsen kaum zurückhalten. Seine Freude war offensichtlich. Er wirkte noch immer etwas benommen von den Nachwirkungen der Operation, aber doch auch so glücklich. Es war schön, ihn so zu sehen.
»Kakashi, ich hab was für dich, eine Kleinigkeit nur«, sagte Minato. Er zückte einen Rasierer und reichte ihn Kakashi. »Den wirst du immerhin bald brauchen.«
Einen Moment lang starrte Kakashi verdattert auf das kleine Gerät in seinen Händen. Dann musste er lachen. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal über so etwas Triviales so freuen würde.«
Nächstes Kapitel: Tobirama und Minato testen ein neues Jutsu aus.
Kapitel 16: Zwei Hiraishin
Die Entwürfe für die neuen Chūnin-Prüfungen nahmen Gestalt an. Den ganzen Frühling über brachten sie damit zu, alles dafür vorzubereiten und vor allem Minato musste viel Überzeugungsarbeit den anderen Kage gegenüber leisten, um sie für die Idee zu begeistern. Das nahm tatsächlich den Löwenanteil der Vorbereitungen ein, während Tobirama im Hintergrund daran arbeitete, die Sicherheit bei diesem Ereignis zu gewährleisten. Eine Aufgabe, die ihm einiges Kopfzerbrechen bescherte.
Kakashi genoss seine freie Zeit. Tsunade hatte ihn für mindestens drei Monate vom Dienst befreit und auch danach durfte er nur einfache Missionen erledigen, die nicht allzu viele körperliche Aktivitäten erforderten. Das hieß für ihn derzeit vor allem nichts tun und hin und wieder auf Naruto aufpassen. Kakashi hatte die Zeit seines Lebens.
»Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass etwas so scheinbar einfaches seinem Gemüt so zuträglich sein könnte«, stellte Minato eines Tages fest.
»Bei ihm setzt jetzt allmählich der Stimmbruch ein«, sagte Tobirama. »Du hättest das neulich erleben müssen, als seine Stimme auf einmal kippte und er erst überhaupt nicht verstand, was da gerade passiert war. Aber als es ihm dann klar wurde, war auf einmal alles vergessen, was er mir eigentlich hatte sagen wollen, und er wollte von nichts anderem mehr reden.«
Minato lachte leise. »Das ist schön zu hören. Ich freue mich wirklich sehr.« Er gab es auf, noch so zu tun, als würde er an den Dokumenten vor sich auf dem Tisch arbeiten und schob sie von sich. »Die ganze Zeit über hatte ich mir solche Gedanken gemacht, wie ich Kakashi helfen konnte. Sandaime-sama übertrug mir die Teamführung damals schon mit den Worten, dass Kakashi Probleme mit dem Zwischenmenschlichen hatte, und ich kannte ja seine Vorgeschichte. Und dann Obito und auch noch Rin …«
»Es ist damit nicht getan«, betonte Tobirama. »Noch immer trägt er eine schwere Last auf seinen Schultern.«
Auch wenn zumindest ein Teil davon ihm nun genommen worden war. Er war sprichwörtlich leichter, um fünfhunderteinunddreißig Gramm, um genau zu sein. Kakashi hatte es anscheinend besonders betonenswert gefunden, das herauszustellen.
»Aber zumindest hat er jetzt eine Familie«, sagte Minato. »Vielleicht war es ein Fehler, dass ich ihn damit beauftragt hatte, über Kushina zu wachen. Es war grausam, ihm etwas unter die Nase zu halten, was er nicht hatte. Aber dann bist du aufgetaucht. Ich wusste, dass Kakashi ein schwieriges Verhältnis zu seiner Familie hatte und nicht mit dem Namen Senju in Verbindung gebracht werden wollte. Aber ich hatte trotzdem darauf gehofft, dass die Dinge so kommen würden, wie sie es dann auch tatsächlich taten. Ich würde sagen, es hat funktioniert. Oder siehst du das anders?«
Tobirama musste schmunzeln. »Du bist ein schlauer Fuchs. Ja, es hat funktioniert.«
Auch wenn es noch immer eine Sache gab, der sowohl Tobirama als auch Kakashi aus dem Weg gingen, und das war das, was mit Sakumo passiert war. In all der Zeit, in denen Tobirama die Unterlagen der Shinobi des Dorfes und alter Missionen durchgegangen war, um ein Gefühl für das zu bekommen, was in seiner Abwesenheit passiert war, hatte er dieses eine Thema doch stets penibel vermieden.
»Wie sieht es eigentlich derzeit mit Kakashis Team aus?« wechselte Minato das Thema.
»Kō hat zeitweilig die Leitung übernommen, bis Kakashi sich wieder aktiv an Missionen beteiligen darf«, berichtete Tobirama. »Noch immer überwachen sie Orochimaru, wie ich es ihnen auftrug, aber der Mann ist schwer zu fassen. Wenn er etwas zu verbergen hat, dann weiß er es gut zu verbergen. Ich habe auch andere Teams auf ihn angesetzt, die nach den Verstecken suchen sollen, die du erwähnt hattest, aber auch das blieb bisher ergebnislos.«
Ganz so wie die Suche nach der Identität des Mannes, der Minato angegriffen hatte. Kakashis Enthüllung, dass auch er Kamui besaß, hatte dem ganzen nur noch ein weiteres großes Fragezeichen hinzugefügt. Tobirama hatte das Gefühl, dass er hier auf der Stelle trat.
»Hast du überlegt, Jiraiya-sensei mit in die Suche einzubeziehen?«, schlug Minato vor.
»Ich habe Tsuna gebeten, mir bei der Sache zu helfen, bisher ergebnislos.«
»Dann sollten wir Jiraiya-sensei vielleicht auch mit einbeziehen. Wie passend, dass ich ihn eh gebeten hatte, heute vorbei zu kommen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Ich hab ihm gesagt, dass dein Tee gut schmeckt.«
Tobirama hob eine Augenbraue. »Mein Tee? Seit wann lädst du Leute zu mir ein?«
»Na ja …« Minato grinste verlegen.
»Ich muss ohnehin ein Wörtchen mit ihm reden«, grummelte Tobirama. »Eigentlich mit dir.«
»Oh je.«
»Ja. Ist dir eigentlich bewusst, was Kakashi für Bücher liest? Ich hab mitbekommen, dass du Jiraiya für einen guten Autoren hältst und dein Einfluss hat Kakashi dazu veranlasst, nun auch dessen Romane zu lesen.«
»Er hat eine neue Reihe angefangen zu schreiben. Wie war noch mal der Titel? Ach ja, Icha Icha. Ich kam noch nicht dazu, da hineinzulesen. Sind sie gut, was sagt Kakashi?«
»Unanständiger Schund ist das! Ich will nicht, dass mein Enkel so etwas liest.«
Leider war er clever genug, seine Bücher vor Tobirama sicher in seiner Kamui-Dimension aufzubewahren.
»Ach, komm schon, Tobirama. So schlimm kann es nicht sein. Jiraiyas erster Roman war großartig! Du solltest ihn wirklich einmal lesen.«
Hatte Minato nicht einmal erwähnt, dass er Naruto nach dem Protagonisten aus diesem Roman benannt hatte? Und Tobirama war sich auch nur allzu schmerzlich bewusst, wie Minato seine Jutsus zu nennen pflegte. Er nahm sich fest vor, Minato ein striktes Benennungsverbot für alles auszusprechen.
Tobirama hielt Minato seinen Finger warnend unter die Nase. »Mein Enkel liest so etwas nicht, und ich will auch nicht, dass du ihn dazu ermutigst. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Minato sank ein winziges bisschen auf seinem Stuhl zusammen. Gut. Dann hatte er sich wenigstens noch einen Rest Respekt vor Tobirama bewahrt.
»Wir sollten jetzt besser gehen«, sagte Minato ausweichend. »Ich glaube, Jiraiya-sensei wollte bald kommen.«
Tobirama grummelte missmutig und folgte dann Minato, als er in einem Hiraishin verschwand. Sie nahmen den direkten Weg zu Tobirama nach Hause. Tobirama fand Kakashi draußen auf dem engawa liegend vor, wo er in einem seiner Romane las, einem anständigen dieses Mal. Sein Glück. Heute war einer der ersten warmen Tage, an denen die Sonne wieder an Kraft zunahm nach diesem langen und strengen Winter. Tobirama sollte sich langsam Gedanken machen über die Neugestaltung seines Gartens. Mittlerweile war ja wieder alles aufgeräumt. Dabei war Gartenarbeit immer Hashiramas und Miyazakis Ding gewesen. Ōkami lag nahebei mit Naruto zwischen ihren Pfoten und ließ sich den Pelz von der Sonne wärmen. Das Baby schlief.
»Was willst du eigentlich von Jiraiya?«, fragte Tobirama.
Minato suchte ihnen ein paar kleine Häppchen zusammen und dann setzten sie sich zu Kakashi und Ōkami auf den engawa. Für einen kurzen Moment überlegte Tobirama, ob er empört sein sollte, dass Minato sich mittlerweile durch dieses Haus bewegte, als würde er hier wohnen, und dann verwarf er diesen Gedanken doch wieder. Wobei es schon ein wenig dreist war, einfach so Leute einzuladen. Tobirama konnte sich immer noch nicht dazu durchringen, darüber empört zu sein, obwohl er es sollte.
»Ich dachte, dass es vielleicht an der Zeit wäre, mal ein paar der Ideen auszuprobieren, die wir hatten«, sagte Minato. »Jiraiya-sensei ist einer der wenigen, dem ich zutraue, da mithalten zu können, also hatte ich ihn gebeten, sich für ein Versuchstraining zur Verfügung zu stellen.«
In ihrer Freizeit hatten sich Tobirama und Minato hin und wieder damit vergnügt, Kampftechniken zu überlegen, die daraus resultierten, wenn zwei Hiraishin-Anwender gleichzeitig auf dem Kampffeld waren. Dass sie sich gegenseitig mit Markierungen belegt hatten, spielte da mit hinein. Tobirama konnte nicht abstreiten, dass er neugierig darauf war, ihre Ideen auch einmal tatsächlich anzuwenden.
»Ich hab mich auch schon einen Namen überlegt«, fuhr Minato fort.
»Minato, nein.«
»Hiraishin Goshun Mawashi no Jutsu. Wie klingt das?«
Stille.
Kakashi presste eine Hand auf den Mund. Tobirama sah Minato mit dem finstersten Blick an, den er aufbringen konnte. Minato erwiderte ihn mit dem besten Welpenblick, zu dem er fähig war. Er machte Hashirama wirklich Konkurrenz. Tobirama kniff seine Augen noch ein wenig mehr zusammen. Kakashi konnte nun ein Lachen endgültig nicht mehr zurückhalten und kippte prustend hinten über.
»Also ich halte das für einen guten Namen für eine gute Technik.«
Tobirama bohrte seinen Finger in Minatos Brust. »Ab sofort wirst du es strickt unterlassen, mein Jutsu umzubenennen. Was du mit deinem machst, ist mir egal. Du musst es mir immer noch demonstrieren. Aber mein Jutsu lass in Frieden!«
»Ich hab schon schlimmere Namen von Minato gehört«, eilte Kakashi ihm zur Hilfe. »Wie ging der noch mal? Rasen Senkō Chō Rinbukō Sanshiki war es.«
»Hiraishin!«, betonte Tobirama. »Ende der Diskussion.«
Die Diskussion wurde in der Tat beendet, als Jiraiya an der Tür erschien, was Minato vor einer Schimpftirade Tobiramas bewahrte. Tobirama ließ ihren Gast ein und servierte ihm ebenfalls Tee. Zu dritt setzten sie sich an den mittlerweile von Tsunade ersetzten kotatsu.
»Nidaime-sama, es ist mir eine Ehre«, begann Jiraiya. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals das Schloss der Schneckenprinzessin von innen sehen würde, daher bedanke ich mich für die Einladung. Womit habe ich die Ehre verdient?«
Tobirama bemerkte, dass Ōkami Jiraiya einen wachsamen Blick zuwarf. Er hatte schon mitbekommen, dass sie anscheinend etwas gegen diesen Mann hatte. Hatte sie etwas erschnüffelt, das ihm entgangen war? Er würde sie fragen müssen.
»Es war Minatos Idee«, sagte er. »Ich bin nur hier, um Tee auszuteilen, wie‘s scheint.«
»Ich hatte Sie doch um eine Trainingsrunde gebeten, sensei«, sagte Minato. »Tobirama und ich hatten uns ein paar Techniken überlegt, die wir ausprobieren wollten. Würden Sie sich uns als Versuchsperson zur Verfügung stellen?«
Das war in Anbetracht dessen, was Tobirama sonst unter Versuchspersonen verstand, nicht unbedingt die beste Wortwahl, aber Tobirama schwieg sich dazu aus.
Jiraiya schien zu verstehen. »Oh! Ich nehme an, das beinhaltet Hiraishin. Das könnte spannend werden. Klar, warum nicht?«
Da nichts dagegen sprach, beschlossen sie, sich gleich auf den Weg zu machen. Ōkami stand auf und trug Naruto zu Minato, indem sie vorsichtig den Strampler des Babys zwischen die Zähne nahm, als würde sie einen Welpen halten. Kakashi schien wohl ebenfalls zu beschließen, sich das ebenfalls mit anzusehen, also holte Tobirama das Tragegeschirr, in dem Ōkami Naruto bei sich tragen konnte; ein Baby lag noch definitiv über dem, was Kakashi derzeit heben durfte.
»Hältst du das für eine gute Idee, Minato?«, fragte Jiraiya skeptisch, als er Naruto zwischen Ōkamis Zähnen sah.
Minato sah ihn fragend ja. »Ja. Warum nicht?«
»Nun ja. Sie ist ein ninken, und das ist dein Sohn.«
Oh, das war ein Fehler. Wenn Ōkami nicht schon im Vorfeld etwas gegen Jiraiya einzuwenden hatte, so war es jetzt definitiv der Fall. Sie reichte Naruto weiter an seinen Vater und grollte dann warnend.
»Ninken?«, fauchte sie. »Du vergleichst mich mit einem lahmen Köter! Soll ich dir ein Bein abkauen, damit du lernst, dass ich kein Hund bin?«
Sie drängte sich zwischen Minato und Jiraiya und sträubte das Fell. Ihre Zähne blitzten. Jiraiya machte den Eindruck, in diesem Moment mit seinem Leben abzuschließen.
»Das mit dem Weißen Wolf war also wörtlich gemeint«, krächzte er. »Ich bitte vielmals um Verzeihung.«
Teuchi hatte wenigstens noch den Anstand besessen, Ōkami ein paar schmackhafte Knochen zu überlassen. Jiraiya tat nichts dergleichen und sank damit tief in Ōkamis Missgunst, ob er es nun beabsichtigt hatte oder nicht. Immerhin war sein Selbsterhaltungstrieb stark genug, dass er von weiteren Kommentaren dieser Art absah.
Tobirama legte Ōkami ihr Geschirr an und Minato vertraute ihr Naruto an, dann machten sie sich auf den Weg. Die ganze Zeit über behielt Ōkami Jiraiya im Blick und achtete darauf, dass er Naruto nicht zu nahe kam.
Tobirama hatte schon vor Wochen Jiraiyas Akte gelesen, er wusste, dass Tsunades Kamerad ein starker Shinobi war, der sogar Senjutsu gemeistert hatte. Minatos Überlegung, dass Jiraiya mit ihnen würde mithalten können, war also nicht aus der Luft gegriffen, und Tobirama brauchte sich keine Sorgen zu machen, wenn er alles gegen Jiraiya geben würde.
»Ich muss sagen, ich bin gespannt auf das hier«, sagte Jiraiya, als sie den Trainingsplatz erreicht hatten und Stellung bezogen.
»Ich werde mein Bestes geben«, versicherte Minato ihm. »Schau gut hin, Tobirama. Du wolltest doch eine Demonstration meines Jutsus.«
Er warf sein Kunai und war sogleich verschwunden. Quasi im selben Augenblick tauchte er bei Jiraiya wieder auf, Rasengan in der Hand. Jiraiya schien damit gerechnet zu haben, den sein Haar formte im letzten Augenblick einen schützenden Kokon um ihn, an dem das Rasengan nahezu wirkungslos abprallte.
Das Ablenkungsmanöver hatte Tobirama genutzt, um seine eigenen Kunai zu werfen und den Kampfplatz zu markieren. Sogleich beschwor er einen Wasserdrachen herauf, der sich auf Jiraiya stürzte. Dieses Mal blieb Jiraiya nichts anderes übrig, als auszuweichen, um Distanz zwischen sich und seine Gegner zu bringen.
Tobirama erschien unmittelbar hinter ihm und trat ihm die Beine unter dem Leib weg. Jiraiya stolperte und konnte sich gerade noch so wieder fangen, aber da war schon Minato heran, um mit einem weiteren Rasengan anzugreifen. Dieses Mal traf er.
Jiraiya wurde ein ganzes Stück von ihnen davongeschleudert, überschlug sich ein paar Mal und bliebt dann auf dem Rücken liegen, Arme und Beine von sich gestreckt. Er lachte. Minato hatte wohl nicht mit der ganzen Stärke des Rasengan zugeschlagen.
»Mit so einer Geschwindigkeit kann ich nicht mithalten.«
»Geben Sie schon auf, sensei?«, fragte Minato und klang ein wenig enttäuscht.
»Nein, natürlich nicht«, versicherte Jiraiya ihm. »Ich werd wohl einen Zahn zulegen müssen und darauf achten, nicht noch einmal in so eine simple Falle zu laufen.«
Tobirama lächelte grimmig. Jiraiya hatte durchschaut, was er getan hatte. Natürlich hatte er Jiraiya genau dorthin getrieben, wo er ihn hatte haben wollen, direkt zu seiner Markierung.
Jiraiya wechselte in den Sennin Modus und Minato tat dasselbe. Tobirama konnte spüren, dass er für sein Rasengan nun nicht mehr nur Windchakra benutzte und die Stärke seines Jutsus enorm zugenommen hatte.
Dieses Mal war es Jiraiya, der zuerst angriff, indem er eine große Menge Öl auf sie spuckte. Tobirama und Minato stoben in unterschiedliche Richtungen auseinander, um nicht von dem Öl getroffen zu werden. Bevor Jiraiya es jedoch zu seinem eigenen Vorteil nutzen konnte, zündete Tobirama es mit einem Katon an. Fauchend ging das Öl in Flammen auf, schwarze Rauchwolken stiegen auf. Jiraiya schien damit nicht gerechnet zu haben, Minato allerdings ebensowenig.
»Wo kam denn das her?«, fragte er verwundert.
»Ich hatte in meinem Leben genug Zeit zu lernen«, lautete Tobiramas schlichte Antwort.
Jiraiya beschwor eine Kröte herbei, um seinen Angriff fortzusetzen. Dieses Mal konzentrierte er sich jedoch auf Tobirama. Er versuchte es mit einer ähnlichen Technik, doch dieses Mal war es die Kröte, die das Öl spie und Jiraiya entzündete es sofort mit einem Katon. Tobirama wehte den Angriff mit einer Erdwand ab. Öl und Feuer prallten daran ab und noch aus dem Schutz der Mauer heraus beschwor Tobirama einen weiteren Wasserdrachen. Jiraiya wehrte ihn zusammen mit seiner Kröte ab, indem sie ein weiteres flammendes Ölgeschoß auf ihn abfeuerten, doch gänzlich konnten sie den Drachen damit nicht aufhalten. Brüllend wand er sich über den Kampfplatz und griff erneut an, womit er gleichsam eine Öffnung für Minato schuf, der die Gelegenheit für seinen Angriff nutzte.
Verwunderlicherweise war er jedoch nicht schnell genug, wo er es eigentlich hätte sein müssen. Jiraiya gelang es, sich seiner zu erwehren, indem er erneut seine Haare als Waffe benutzte. Sie formten lange Stränge, die Minato in dem Moment aus der Luft pflückten, als er bei Jiraiya erschien, um ihn mit seinen durch Senjutsu verstärkten Rasengan zu treffen. Wirkungslos verpuffte das Rasengan. Minato war gefesselt.
Zeit für ihren kleinen Trick und Tobirama hatte zudem noch ein Ass im Ärmel. Er tauschte in nur einem Herzschlag mit Minato die Plätze, Chidori zerschnitt die Haarfesseln und sofort war Minato wieder an Tobiramas Seite und schickte Jiraiya mit einem weiteren Rasengan zu Boden.
Jiraiya grub eine tiefe Furche in den Boden. »Autsch«, kommentierte er, als er liegen blieb. Er schien jedoch nicht ernstlich verletzt zu sein. Wäre das ein echter Kampf, wäre er jetzt allerdings wohl nicht mehr am Leben.
»Chidori«, stellte Minato erstaunt fest. »Wann hast du das gelernt?«
»Kakashi hat‘s mir gezeigt«, sagte Tobirama schlicht. »Wie dein Rasengan funktioniert, habe ich nun auch begriffen.«
Er streckte die Hand aus und ließ sein Chakra in der Weise rotieren, wie er es bei Minato gesehen hatte. Noch war er allerdings noch nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, ein wenig Übung fehlte noch, um sein Chakra wirklich genau so zu kontrollieren, wie er das wollte. Minato sah ihn verblüfft an.
Noch immer am Boden liegend hob Jiraiya die Hände. »Jetzt geb ich auf.«
Minato trat zu ihm und half ihm wieder auf die Beine. Jiraiya klopfte sich den Staub von den Kleidern. Seine Kröte löste sich in Rauch auf und kehrte in ihre Heimat zurück. Sie verbeugten sich voreinander. Kakashi rannte über den Platz hinweg zu ihnen.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte er Tobirama völlig baff. »Du hast vielleicht ein, zweimal zugesehen, wie ich Chidori benutzt hab, aber ich hab dir nie im Detail erklärt, wie das geht. Wie hast du es trotzdem anwenden können?«
»Ich bin ein schneller Lerner«, sagte Tobirama schlicht.
»Jetzt weiß ich, warum die Senju der Clan mit den Tausend Fähigkeiten genannt werden«, sagte Jiraiya. »Ich bin ein wenig neidisch, ich habe Jahre gebraucht, um Minatos Rasengan zu meistern.«
Tobirama nahm es schweigend hin.
»Sensei, ich danke Ihnen für Ihre Zeit«, wandte sich Minato an Jiraiya.
Dieser winkte ab. »Nichts doch, ich habe zu danken. Das war wirklich sehr aufschlussreich.«
Sie verabschiedeten sich voneinander, dann ging Tobirama mit Minato, Kakashi und Ōkami zurück nach Hause. Ōkami warf ein paar Blicke über die Schulter, um sicher zu gehen, dass Jiraiya wirklich gegangen war.
»Was hast du gegen ihn?«, fragte Tobirama. »Abgesehen davon, dass er Majestätsbeleidigung begangen hat.«
»Er hat den Geruch eines Taugenichts«, grollte Ōkami. »Ständig treibt er sich an irgendwelchen Orten herum, wo er nichts zu suchen hat, und stiftet Tsuna an, sich die Sinne zu benebeln.«
»Ich kann versichern, dass Jiraiya-sensei ein wirklich großartiger Mann ist«, betonte Minato. »Ich kann mit keinen besseren Lehrmeister vorstellen.«
Tobirama wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er doch eher in Richtung von Ōkamis Einschätzung tendierte. Aber das war erst einmal nebensächlich.
»Minato«, wandte er sich an ihn. »Sag mir eins. Wie hatte es sein können, dass Jiraiya dich festgesetzt hat? Meiner Einschätzung nach hätte er dazu nicht in der Lage sein können.«
Minato wurde ernst. »Du hast Recht. Aber Kyubis Chakra hat mit meinem Senjutsu interferiert. Das hatte mich verlangsamt.«
Scheiße. Er hatte befürchtet, dass so etwas passieren könnte. »Ist das Siegel bereits so weit geschwächt?«
»Nein«, versicherte Minato ihm. »Ich bin mir sicher, dass es noch hält. Aber vielleicht überprüfst du es dennoch. Das gibt mir nämlich auch zu denken.«
Tobirama nickte. Er wusste nicht, wie sich das Chakra eines Bijū auf Senjutsu auswirkte, sie würden das im Auge behalten müssen. Damit war nicht zu spaßen.
Nächstes Kapitel: Tobirama öffnet die Kisten, die er so lang schon vermieden hat.
Kapitel 17: Sakumos letzte Worte
CN Abschiedsbrief, Suizidgedanken in besagtem Brief, Trauer, Verlust von Familienangehörigen
Daheim erwartete sie bereits Tsunade, umgeben von einigen verstaubten Kisten. Als Tobirama den Raum betrat und sie fragend ansah, was das hier zu bedeuten hatte, stellte sie sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihn.
»Wir wissen alle, dass diese Familie eines gut kann, und das ist davonlaufen«, sagte sie geradeheraus. »Uns ist auch bewusst, dass das nicht funktioniert, und doch tun wir es. Onkel, es wird Zeit, dass du dich dem stellst.«
»Warum jetzt, Tsunade?«, grollte er. »Ich hab zu tun.«
»Du hast immer zu tun«, konterte sie. »Aber früher oder später wirst du in diese Kisten schauen müssen.«
Kakashi war in der Tür erstarrt. Er wusste, was in diesen Kisten war: das Erbe seines Vaters.
Tobirama starrte die Kisten an, als seien sie sein Erzfeind. Monatelang schon hatte er sich gefragt, was zu dieser Tragödie geführt hatte, und war doch stets zu feige gewesen, sich der Antwort zu stellen. Dabei hatte sie sich die ganze Zeit in greifbarer Nähe befunden.
»Tobirama, sie hat Recht«, sagte Minato sanft und legte ihm eine Hand auf den Arm.
Ōkami stieß Kakashi mit dem Kopf an und drängte ihn sacht aber unnachgiebig in den Raum, um zu verhindern, dass auch er wieder einmal davor floh.
»Fang mit Omas Tagebüchern an«, schlug Tsunade vor.
»Weißt du, was drin steht?«, wollte Tobirama wissen.
»Ja.«
»Dann sag‘s mir doch einfach.«
Doch Tsunade schüttelte den Kopf. »Nein. Glaub mir, du musst es selbst lesen.«
»Komm.« Minato führte ihn zum kotatsu und sie setzten sich alle darum. Minato nahm Ōkami seinen Sohn ab und setze sich dann neben Tobirama. Tsunade holte die erste Kiste herbei und öffnete sie. Es war, als würde sie die Büchse der Pandora öffnen. Sie reichte Tobirama das Buch, das obenauf lag neben einer Handvoll weiterer Bücher, gebettet auf einem von Mitos kostbaren Kimono, die sie über alles geliebt hatte. Tobirama wusste noch, wie sich Chio und Mito sofort verstanden hatten, als sie sich das erste Mal getroffen hatten, weil das eine Leidenschaft war, die sie beide geteilt hatten.
Sein Herz schmerzte. Nur zögernd griff er nach dem Buch und öffnete es. Er wurde von Mitos vertrauter, sauberer Handschrift begrüßt. Tobirama begann zu lesen.
Mito hatte hier nicht nur ihre innersten Gedanken festgehalten, ihre Tagebücher waren auch ein Zeugnis all dessen, was sie erlebt hatte. Zufälligerweise hatte Tobirama jene Seiten geöffnet, die Mitos Reaktion auf die Zerstörung Uzushios dokumentierten. Bestürzung und Trauer sprachen aus den Zeilen, aber auch Resignation. Keine Wut jedoch.
»Ich bin müde«, schrieb Mito. »So müde. Etwas ist mit diesem Dorf geschehen und ich habe keine Kraft mehr, dagegen anzukämpfen. Miyazaki geht es ebenso und auch Tsunade spürt es. Ich bin nur froh, dass Hashirama und Tobirama das nicht mehr sehen müssen. Vielleicht hat es ja doch etwas Gutes, dass sie uns vor ihrer Zeit verlassen haben. Sie wären entsetzt über das, was aus ihrem Lebenswerk geworden ist, das, wofür sie gestorben sind.«
Tobirama blätterte ein paar Seiten weiter. Die Einträge waren nicht regelmäßig. Mal schrieb Mito fast täglich, dann vergingen wieder Wochen oder gar Monate ohne einen einzigen Eintrag. Wenn sie jedoch schrieb, dann waren die Einträge lang und ausführlich. Selten schrieb sie nur wenige Zeilen.
»Heute brachte Hiruzen das Mädchen zu mir, von dem er gesprochen hatte«, schrieb Mito. Tobirama war sofort klar, dass sie von Kushina sprach, und auch Minato beugte sich vor, um besser lesen zu können. »So ein verängstigtes, kleines Ding fernab der Heimat in der Fremde. Ich verstehe es nicht. Ich kann es einfach nicht begreifen. Wie kann jemand, der einmal Tobiramas Schüler gewesen war, das nur gutheißen? Er wird doch wissen, was wir davon halten! Aber was wir davon halten, spielt schon längst keine Rolle mehr. Ich kann nur noch die Aufgabe erfüllen, die man mir zugedachte, und mehr nicht. Wenigstens kann ich es Kushina so leicht wie möglich machen. Sie wird viel zu lernen haben, aber sie hat mich. Ich kann sie lehren, was es heißt, ein jinchūriki zu sein. Dann hat sie es vielleicht ein bisschen leichter.«
Tobirama legte das Buch auf den Tisch und wandte sich an Minato. »Mito hat an anderer Stelle über ihre Erfahrungen als jinchūriki geschrieben, du kannst die Bücher lesen, wenn du das willst. Das solltest du vielleicht sogar.«
Mito war der erste jinchūriki gewesen, davor war all das nur eine Theorie gewesen, die die Uzumaki hatten. Sie hatten die Siegel entwickelt und sie hatten Hypothesen, was es brauchte, um ein jinchūriki zu sein. Aber erst Mito hatte die Theorie in der Praxis bewiesen, als sie während Hashiramas und Madaras letztem Kampf Kyubi an sich band. Ansonsten wäre das vielleicht gänzlich anders geendet.
Minato nickte. »Das werde ich.«
»Lest weiter«, forderte Tsunade sie auf.
Es folgten etliche Seiten, in denen Mito schilderte, wie sie Kushina auf ihr Leben als jinchūriki vorbereitete. Kushina schien ihr recht schnell ans Herz gewachsen zu sein und alsbald sprach sie von ihr schon als ihr »kleines Mädchen«. Es schien ganz so, als wäre Kushina ein weiteres Enkelkind geworden. Tobirama lächelte ob dieser bittersüßen Vorstellung.
Natürlich musste da auch früher oder später Minato Erwähnung finden. Die junge Liebe aufblühen zu sehen, schien Mito einige Freude zu bereiten, doch das war es nicht, was Tobiramas Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
»Der Junge ist mir seltsam vertraut«, schrieb Mito. »Dabei bin ich ihm doch noch nie zuvor begegnet. Doch er hat etwas an sich, das mich an meine Familie denken lässt. Tsunades abweisende Reaktion auf ihn gibt mir ebenfalls zu denken. Ich kann es mir nicht erklären, sie weicht allen Fragen zu dem Thema aus. Aber ich kann mich noch erinnern, als Tsuna noch jünger war und sich plötzlich für einige Monate nicht mehr hatte blicken lassen. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her, zufällig das Alter, in dem Minato jetzt ist. Ich frage mich, ob es wirklich sein kann. Es würde eine Menge erklären.«
»Sie hat‘s gewusst oder zumindest geahnt«, kommentierte Tsunade. »Wir hatten uns immer gewundert, warum Oma ausgerechnet dir die Acht Trigramme beibrachte; sie hat‘s ja nicht mal Tobi-oji gelehrt. Uzumaki sind alle sehr empfindlich, was ihre geliebten Siegel angeht. Aber nachdem ich das gelesen hatte, war‘s mir klar. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie Oma das erschnüffelt hat, aber sie hatte für so etwas schon immer einen Riecher gehabt.«
Minato sagte nichts dazu. Das war noch immer ein wunder Punkt und würde es vielleicht auch lange noch bleiben.
Der letzte Eintrag war nur ein kurzer: »Heute ist der Tag, an dem ich sterbe. Ich gehe in dem Wissen, dass ich geliebt wurde und eine wunderbare Familie habe. Mehr kann ich nicht von meinem Leben erbeten. Kushina, ich hoffe, du wirst glücklich in deinem Leben. Ich hätte dir ein leichteres Schicksal gewünscht. Hashirama, ich freue mich, dich bald schon endlich wiederzusehen. Lang genug musstest du auf mich warten.«
»Kushina war glücklich gewesen«, sagte Minato leise. »Sie war geliebt worden. Aber sie hätte so viel mehr vom Leben verdient.«
Er trauerte noch immer um sie, Tobirama wusste das. Aber das war eine Wunde, die vielleicht nur die Zeit heilen konnte.
Tsunade zog ein weiteres Buch aus der Kiste und blätterte zu einer bestimmten Stelle. Sie reichte es an Tobirama weiter. »Lies das. Das wirst du interessant finden.«
Es war ein alter Eintrag, etwa ein Jahr nach Tobiramas angeblichen Tod. »Ich habe mir noch einmal Tobi-nii-sans Siegel angesehen, noch immer lässt es mir keine Ruhe. Miyazaki sagt, ich habe mich da an etwas verbissen und soll die Sache fallen lassen, bevor ich mich zu sehr hinein steigere. Sie mag zwar meine Tochter sein, aber Siegel sind noch immer mein Spezialgebiet, und ich weiß, dass etwas an diesem Siegel nicht so ist, wie es sein sollte. Ich hatte Tobirama gesagt, dass er die Finger davon lassen soll, aber der Sturkopf hatte ja nie auf mich hören wollen. Musste immer alles besser wissen.«
Es folgten etliche Skizzen und Diagramme, in denen Mito die Komponenten von Tobiramas speziellem Langstrecken-Hiraishin auseinandernahm. Mito hatte alles mit Kommentaren und Überlegungen versehen, oftmals wieder durchgestrichen und verworfen und ersetzt durch neue Ideen.
Fasziniert beugte sich Minato über das Buch. »Wahnsinn, mit was für einem tiefen Verständnis sie hier arbeitete, und das sind nur ein paar Vorüberlegungen. Kushina und ich hatten Wochen gebraucht, um auch nur ansatzweise so weit zu kommen.«
»Ganz ehrlich, auch ich versteh davon nur die Hälfte«, gestand Tsunade. »Oma hat Siegel auseinander gepflückt und wieder zusammengefügt wie andere die Zutaten für ihr Essen, und am Ende kam immer etwas mehr als nur Genießbares raus.«
Tobirama war vertraut mit Mitos Arbeitsweise und er brauchte daher nicht lange, um nachzuvollziehen, welchen Gedankengang sie hier verfolgt hatte. Mito hatte nicht lange gebraucht, um die Fehlerquelle zu lokalisieren, und hatte sie mit einem dicken, roten Kringel markiert. Eine Reihe von Zahlenkolonnen folgte. Gut. Mito hatte ihm damit eine Menge Arbeit abgenommen.
Mito wusste wie er, wo der Fehler lag, aber zumindest hier hatte sie noch keine Lösung für das Problem finden können.
»Ganz offensichtlich hat Tobirama sich mit der Zeitkomponente vertan«, hatte sich Mito notiert. »Es sieht ihm überhaupt nicht ähnlich, ein so offensichtlich nur halbfertiges Siegel irgendwo zu platzieren, und das ist es, was mir an der ganzen Sache so verdächtig erscheint. Warum ist dieses Siegel hier im Büro? Warum hat er es hier platziert, obwohl er gewusst haben musste, dass es noch nicht zur Anwendung bereit war? Ich kann nicht sagen, ob er es jemals benutzt hat, aber wenn das der Fall sein sollte, dann muss er in höchster Not gewesen sein. So wie in seinem letzten Kampf. Ich frage mich, ob Tobirama vielleicht noch lebt.«
Mito hatte ihn wirklich sehr gut gekannt.
»Offensichtlich hat sie recht behalten«, sagte Tsunade. »Damals konnte ihr das nur keiner glauben. Eigentlich sprach alles dagegen, aber Oma hielt daran fest, bis zuletzt, wie es schien. Denn wir fanden das hier in ihrem Nachlass.«
Sie überreichte Tobirama eine versiegelte Schriftrolle. Er runzelte die Stirn, als er das Siegel genauer betrachtete. Eindeutig Mitos Handschrift, doch das war nicht das Eigenwillige daran. Sie hatte das Siegel so konzipiert, dass nur Tobirama es würde öffnen können. Viele Jahre nach seinem Verschwinden.
»Es ist offensichtlich für dich bestimmt, Onkel«, sagte Tsunade. »Niemand hat es öffnen können, also weiß ich auch nicht, was da drin steht.«
Tobirama sandte sein Chakra in das Siegel und löste es damit. Er entrolle das Papier.
»Tobi-nii-san, wenn du das hier liest, lebe ich wahrscheinlich nicht mehr. Ich bedauere, dass wir uns nicht noch einmal sprechen konnten, obwohl ich jetzt eine alte Frau bin und du … Ich weiß nicht, wo du jetzt bist. Ich weiß nur, dass du nicht tot bist. Aber ich weiß um deine Abneigung Sentimentalitäten gegenüber, deswegen halte ich mich kurz. Du hast später noch Zeit, meine Tagebücher zu lesen.
In all den Jahren habe ich mich um dein Labor gekümmert, und an dieser Stelle ist es wohl Zeit für ein Geständnis: Ich habe mir dein Hiraishin angeeignet, hatte die Sache einfacher gemacht, die Siegel zu prüfen. Ich kann sie im Schlaf nachzeichnen. Daher weiß ich auch, dass etwas verändert worden war. Eine Winzigkeit nur, selbst du könntest sie leicht übersehen. Jemand hat sich widerrechtlich Zugang verschafft und seine Spuren verwischt.
Tobirama, du musst vom Schlimmsten ausgehen. Jemand hat sich deines Jutsus bemächtigt, der dazu nicht berechtigt war, und es gibt nur eine Handvoll Leute, denen ich das zutraue: deine einstigen Schüler. Wer von ihnen es war, weiß ich nicht, und jetzt fehlt mir auch die Zeit und die Kraft, das herauszufinden. Mir bleibt nur noch, dir diese Warnung zu hinterlassen.
Pass auf dich auf. Das ist nicht mehr dein Konoha.
Deine kleine Schwester Mito«
Dein Jutsu. Edo Tensei. Sie hatten es außerhalb der geschützten Räume des Labors so gut wie nie beim Namen genannt und schriftlich schon gar nicht.
Mito hatte damit nur Tobiramas schlimmste Befürchtung bestätigt.
»Deinem Gesicht nach zu urteilen, ist es was Schlimmes«, bemerkte Tsunade.
Tobirama nickte. »Du ahnst ja nicht, wie sehr.«
Tsunade seufzte. »Gut. Behalte deine Geheimnisse. Ist vielleicht besser so. Aber eines habe ich noch.«
Die letzte Kiste, die sie vom Dachboden geholt hatte.
»Gut, ich geh dann mal«, sagte Kakashi eilig.
Tsunade hielt ihn auf. »Nein. Gerade das solltest du auch sehen. Wir hatten dir das alles damals nicht gezeigt, weil du noch zu jung dafür warst. Aber jetzt solltest du wirklich einen Blick darauf werfen.«
Tausend Gefühle lagen in Kakashis Blick und seine ganze Haltung sprach von Flucht. Und doch setzte er sich wieder.
Tsunade schob die Kiste zu Tobirama. Alles, was von seinem Sohn noch geblieben war. Ein paar wertlose, leblose Dinge hineingestopft in eine staubige Kiste. Das, was von einem ganzen Leben geblieben war. Einem Leben, an dem Tobirama keinen Anteil gehabt hatte.
Mit zitternden Händen hob er den Deckel an. Sein Herz raste. Er würde sich jetzt tausendmal lieber Madaras Susanoo gegenüber sehen, als in diese Kiste greifen zu müssen. Es war vielleicht das Mutigste, was er jemals in seinem Leben getan hatte.
Ein Bild lag zuoberst, vielleicht eines der letzten, die von Sakumo aufgenommen worden waren. Auf diesem trug er seine Dienstausrüstung und lächelte in die Kamera. Doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. Tobirama sah ihn ihnen eine tiefe Traurigkeit geschrieben, ein Schmerz, der ihn schlussendlich gebrochen hatte.
Tobirama blickte in das Gesicht eines Mannes und sah in ihm den Jungen, den er gekannt hatte. Der Junge, der ohne seinen Vater hatte groß werden müssen. Dieses Lächeln hatte er definitiv von seiner Mutter und auch seine sanften, gütigen Augen.
Ein kleiner Junge, der viel lachte, und es liebte, zwischen den Bäumen zu spielen, und zu den Sternen aufblickte. Ein Junge mit unendlich vielen Fragen, der alles ganz genau hatte wissen müssen und Tsunade und Nawaki wie ein großer Bruder gewesen war.
Ein Junge, der zum Mann geworden war und über dessen Leben Tobirama doch kaum etwas wusste.
»Er war ein Held, der Weiße Reißzahn von Konoha. Ich habe immer zu ihm aufgeblickt«, sagte Minato. Es war nur ein schwacher Trost.
»Und was hat es ihm genützt?«, knurrte Tsunade verärgert. »Schall und Rauch. Das waren doch nur Worte. In dem Moment, wo die Leute der Ansicht waren, dass er mal nicht ganz so heldenhaft gehandelt hatte, hatten sie ihm den Rücken gekehrt. Sie hatten ihn mit zweierlei Maß gemessen. Es war Rufmord, nichts weiter. Und Sarutobi hat‘s zugelassen.«
Tsunade griff in die Kiste und reichte Tobirama ein Stück gefaltetes Papier. »Das haben wir bei ihm gefunden.«
Wie automatisch griffen seine Hände danach. Er sah die dunklen Flecken auf dem Papier. Blut. Das Blut seines Sohnes. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er las.
»Vater,
du wirst diese Zeilen niemals lesen, denn du bist schon vor langer Zeit gegangen und nie wieder zurückgekehrt. Dennoch schreibe ich diese Worte, ich weiß nicht einmal, wieso. Für wen mache ich das eigentlich? Für mich? Für dich? Für mein Kind? Am Ende sind es doch nur tote Worte von toten Menschen.
Du bist gegangen und nie wieder zurückgekommen. Ich weiß noch bis zu diesem Tag, wie Tsunade, Nawaki und ich dich angefleht hatten, uns nicht zu verlassen. Irgendwie hatten wir spüren können, was passieren würde. Erst zwei Jahre zuvor war doch auch Hashi-oji gegangen. Du versprachst uns, dass du uns etwas aus Kumo mitbringen würdest, und hast doch dein Versprechen gebrochen.
Ich war wütend, so wütend. Erst später verstand ich, doch es hat sich herausgestellt, dass ich bis heute nichts verstanden habe. Damals war ich nur ein kleiner Junge, der von seinem Vater alleingelassen worden war. Ein trauriger und wütender Junge, der nicht verstehen wollte, warum das Dorf wichtiger sein sollte als das eigen Fleisch und Blut.
Manchmal sind die Menschen, die einem am wichtigsten sind, besser ohne einen dran. Das weiß ich jetzt.
Was hast du in deinen letzten Momenten gedacht? Oder war es schnell gegangen? Niemand konnte etwas Genaues herausfinden, wir hatten ja nicht einmal einen Körper, den wir unter die Erde bringen konnten.
Hat sich dein Opfer gelohnt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr. Alles, was ich zu wissen glaubte, stellte sich als Schall und Rauch heraus. Sie sagen, gerade ich hätte es doch besser wissen müssen. Gerade ich hätte mir an dir ein Beispiel nehmen sollen.
Tagtäglich blickte ich zu dir auf und jetzt frage ich mich, wie ich sehen und doch so blind sein konnte. Bis zuletzt hast du zu schützen gesucht, was du für das größte Gut hieltest. Du hattest alles daran gesetzt, um das Dorf zu schützen, und dafür das größte Opfer gebracht.
Sie nannten dich den Weißen Wolf von Konoha und mir gaben sie den Namen Weißer Reißzahn. Aber ich habe meinen Biss schon lange verloren. Ich bin das schwarze Schaf der Familie, so sieht‘s aus. Ich stehe in eurem Schatten und kann doch nicht daraus hervortreten. Vielleicht war es ja deswegen, weshalb ich den Namen meiner Frau annahm, als wir heirateten. Weil ich ein Feigling bin und dem Namen Senju nicht gerecht werden kann.
Sie sagen, dass ich es hätte besser wissen müssen. Dass ich von allen die Regeln am besten kennen müsste. Ich bin doch der Sohn des Mannes, der sie aufgestellt hat.
›Nimm dir ein Beispiel an deinem Vater‹, sagen sie. ›Er stellte die Mission über alles. Er opferte sich gar für die Mission. Er tat alles, damit Konoha sicher bleibt. Er gab sein Leben dafür.‹
Ich bin ein Fehler. Ich dachte, ich hätte verstanden. Aber ich bin nicht nur ein Fehler, ich bin auch noch ein törichter Narr. Es wird Zeit, dass ich das berichtige. Die einzige Sache in meinem Leben, die ich jemals richtig mache. Jetzt habe ich verstanden. Du hast für Konoha dein Leben gegeben. Jetzt werde ich deinem Beispiel folgen. Vielleicht kannst du dann ja zumindest einmal auf deinen Sohn stolz sein.
Ich weiß, ich war eine Enttäuschung. Ich habe dir Schande bereitet. Ich werde diesen Fehler nun berichtigen und den Namen Senju mit meinem Blut wieder reinwaschen. Ich weiß nicht, was dann passieren wird. Werden wir uns im Jenseits sehen? Vielleicht kann ich ja dann wagen, dir wieder unter die Augen zu treten.
Bis gleich, Vater.
~Sakumo«
Voller Entsetzen starrte Tobirama auf diese Zeilen, die letzten Gedanken seines Sohnes. Mit diesen Worten war er aus der Welt getreten, im vollen Glauben, dass dies die Wahrheit sei. Wäre er doch nur da gewesen, um ihn zu beschützen. Das wäre seine Aufgabe als Vater gewesen. Er hatte versagt. Er hatte nicht schützen könnten, was das wichtigste in seinem Leben war.
In diesem Moment war er bereit, ganz Konoha bis auf die Grundfesten niederzubrennen, wenn es ihm nur seinen Sohn wiedergeben würde.
Seine Sicht verschwamm, als ihm Tränen in die Augen stiegen. Er zitterte am ganzen Leib. Der Brief glitt ihm aus den kraftlosen Fingern.
»Wie?«, hauchte er.
»Seppuku«, sagte Tsunade knapp.
Kakashi griff ebenfalls nach dem Brief und las.
Es schnürte Tobirama die Kehle zu. Er konnte nicht mehr atmen unter dem Ansturm der Gefühle, des Schmerzes. Es war zu viel, zu viel, zu viel. Er ertrug es nicht, er konnte es nicht.
Minato zog ihn in seine Arme. Tobirama heulte auf.
»Es war Rufmord, und Sarutobi wusste das genau.« Tsunades Gesicht war eine Maske des Zorns. »Er wusste, was abging, und er war in der Position, etwas dagegen zu unternehmen. Aber wieder einmal legte er nur die Hände in den Schoß und tat das was er am besten konnte: nichts. Die Anzeichen waren da, es war abzusehen, worin das enden würde. Aber er ignorierte alles.«
Jedes Wort ein weiterer Stoß mitten in sein Herz.
Knurrend sprang Ōkami auf, die Zähne gefletscht und das Fell gesträubt. »Er verdient es nicht länger, ein Welpe dieses Rudels zu sein! Mein Welpe hat ihn als Welpe akzeptiert, doch er hat sich dessen als gänzlich unwürdig erwiesen! Es wird Zeit, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen wird!«
Und damit sprang sie davon.
Minato sah ihr alarmiert nach. »Aber sie wird doch wohl nicht … Sie wird ihm doch jetzt nichts antun?«
Tobirama hing noch immer kraftlos in seinen Armen. Sein ganzer Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Es schmerzte so entsetzlich.
»Soll sie doch!«, rief Tsunade erbost aus. »Und wenn sie ihm die Kehle rausreißt! Verdient hat er es!«
Kakashi knüllte das Papier zusammen und warf es von sich. Er zog die Beine an die Brust und schlang die Arme um die Knie.
»Abfall«, war alles, was er dazu sagte, und verbarg das Gesicht unter seinen Armen.
»Kakashi …«, mahnte Minato.
»Lies den Mist doch einmal!«, fuhr Kakashi ihn an. »Kein Wort über mich! Ich bin nur ein Nachgedanke. Er hat keinen Augenblick lang an mich gedacht. Er hat entschieden, dass wir alle besser ohne ihn dran sind. Aber das stimmt nicht. Er hat sein Leben weggeworfen wie Abfall und alles andere war ihm nicht wichtig gewesen. Ihm war egal, was das mit mir machen würde. Ihm war egal, dass ich mir meinen Vater gewünscht hätte. Ihm war einfach alles egal, selbst sein eigener Sohn! Also hat er einfach für mich entschieden, dass ich besser ohne ihn dran wäre. Abfall.«
Es polterte im Haus, als Ōkami wiederkehrte. Sie zerrte Hiruzen mit sich und war offensichtlich nicht allzu sanft mit ihm umgegangen. Seine Kleidung war zerrissen, obwohl er schlau genug gewesen war, sich nicht gegen sie zu wehren. Er schien verwundert, was das hier sollte, doch als er sie alle erblickte, schien er es doch irgendwie zu begreifen.
»Du!«, zischte Tobirama. Mit einem Mal loderte der Zorn heiß in ihm. Er sprang auf und packte Hiruzen beim Kragen. Hiruzen war schon immer klein gewesen, doch jetzt sank er förmlich in sich zusammen. Er schien mit allem abzuschließen, denn mit einem Male war er ganz ruhig.
»Sarutobi Hiruzen«, knurrte Tobirama. »Du hast das Blut meines Sohnes an deinen Händen und obgleich du die Klinge nicht gehalten hast, ist es doch, als hättest du sie geführt. Du hast ihn ermordet. Deine Untätigkeit hat ihm das Leben gekostet, und mein Sohn musste in Schimpf und Schande sterben.«
Er ließ ihn los, als hätte er sich an ihm die Finger verbrannt. Hiruzen fiel auf die Knie und presste die Stirn auf die tatami. Mit einem Laut des Abscheus wandte sich Tobirama ab.
»Sie haben Recht, Nidaime-sama. Es war mein Versagen, das Sakumo das Leben kostete. Ich erwarte Ihr Urteil in Demut.«
Nidaime-sama. Immerhin. Denn er hatte das Recht verwirkt, Tobirama noch seinen sensei nennen zu dürfen.
»Geh mir aus den Augen.« Tobiramas Stimme hatte eine Schärfe, die schnitt wie das schärfste Katana.
Hiruzen hob den Kopf, ein bisschen nur. »Yondaime-sama, ich erbitte in aller Förmlichkeit, mit sofortiger Wirkung aus allen beratenden Funktionen entlassen zu werden.«
Minato sah irritiert auf ihn herab. Er wirkte völlig überfordert mit der Situation. »Das ist … falsch. Das … ich kann das nicht.«
»Doch, es ist das Richtige«, sagte Hiruzen, der es als einziger in dieser Situation geschafft hatte, seine Ruhe zu bewahren. »Ich wünsche es so. Es ist das Beste für alle.«
Minato schwieg.
»Verschwinde aus meinem Haus«, zischte Tobirama.
Hiruzen schlich sich davon.
Nächstes Kapitel: Irgendwie geht das Leben doch weiter.
Kapitel 18: Ein Licht am Ende des Tunnels
CN Trauer, Erwähnung von Suizid
»Halt still.«
»Tobirama …«
»Halt still, hab ich gesagt.«
Minato seufzte und gab es dann doch auf, sich gegen Tobiramas Willen zu stellen.
Tobirama richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Minatos Siegel. Das hatte er schon vorhin tun wollen, aber dann war ja Tsunade dazwischen gekommen. Er konnte und wollte das hier nicht länger aufschieben. Also hatte er all seine Gefühle sicher weggeschlossen und sich an die Arbeit gemacht.
»Tobirama, wenn du reden willst …«
»Will ich nicht«, unterbrach Tobirama ihn. »Ich will meine Arbeit in Ruhe erledigen.«
»Ich sorge mich um dich.«
»Weiß ich zu schätzen, vielen Dank.«
Minato gab einen frustrierten Laut von sich. »Fein. Wenn du es nicht anders willst.«
Immerhin war er danach still.
Von außen machte das Siegel noch einen guten Eindruck, aber wie es mit so hochkomplexen Siegeln eben so war, musste man mitunter in die Tiefe gehen, um wirklich eine Veränderung festzustellen. Sie waren vielschichtig und vielfach in sich verschachtelt. Zugegeben sehr beeindruckend, dass Minato so ein Siegel in dieser Situation hatte anwenden können und dann auch noch so tadellos.
»Achtung, das wird vielleicht ein klein wenig unangenehm.«
Das war die einzige Warnung, die Minato erhielt. Dann rammte Tobirama seine Finger in Minatos Eingeweide und ließ sein Chakra auf das Siegel einwirken.
Er fand sich in Minatos Unterbewusstsein wieder, das sich als langer dunkler Korridor manifestierte. Wasser stand hier knöcheltief und unzählige Rohre verliefen entlang der Wände und der Decke. Irgendwo in der Ferne tropfte Wasser herab.
Minato war ebenfalls hier. »Huch.«
Vor ihnen ragte ein gigantisches Gitter auf, hinter dem eine schwarze Masse aufragte. Ein tiefes Grollen sandte winzig kleine Wellen durch das Wasser. Im Dunkeln blitzte etwas Weißes auf.
»Verpiss dich, Arschloch«, knurrte Kyubi.
»Halt‘s Maul, Flohteppich«, antwortete Tobirama reflexartig. Das alte Spiel.
Er machte sich daran, die Sicherheitsmaßnahmen zu prüfen. Es brauchte nur wenige Blicke und er sah, unter welch großer Belastung das Schloss stand, das Kyubi gefangen hielt. Normalerweise würde es durch das Chakra des jinchūriki unterstützt, aber Minatos Chakra war dafür nicht geeignet und konnte das daher nicht genügend gewährleisten. Wie Tobirama von Anfang an vermutet hatte, würde das zu Problemen führen. Er hatte gehofft, dass diese noch ein wenig länger auf sich warten ließen.
Minato beobachtete ihn, wie er mit weiten Gesten verschiedene Formeln in die Luft malte – metaphorisch jedenfalls, sie befanden sich hier ja nicht an einem real existierenden, physischen Ort. Kyubi knurrte; er wusste, was Tobirama da tat.
»Denk nicht mal dran«, drohte er Tobirama. Er versuchte, seine Klaue durch das Gitter zu stecken, aber es gelang ihm nicht.
»Und wie willst du mich daran hindern, Flohteppich?«, erwiderte Tobirama nüchtern.
Kyubi nagte an den Gitterstäben. Tobirama sah die Kratzer, die seine Fänge hinterließen. Nicht gut. Er ließ sein Chakra auf die Verstärkungssiegel wirken.
Heulend wurde Kyubi zurückgeworfen. Er kauerte sich in der Finsternis seines Gefängnisses zusammen.
»Rikudō!«, jaulte er.
»Du weißt doch, wer mein Urahn gewesen war«, erinnerte Tobirama ihn. »Mistvieh. Du bleibst dort, wo du hingehörst.«
Tobirama löste seine Finger von Minato. Dieser rieb sich über den Bauch.
»Aua. Das nächste Mal warn mich bitte vor. Das war eine … eigenwillige Erfahrung.«
»Ich hoffe, sie nicht allzu häufig wiederholen zu müssen.« Doch Tobirama ahnte bereits, dass das vergebliche Hoffnungen waren.
Minato lehnte sich in den Kissen zurück. »Und? Deine Einschätzung?«
»Die Siegel halten, aber sie stehen unter hoher Belastung. Wir werden sie häufiger überprüfen müssen.«
»Irgendetwas, das ich tun kann?«
»Hab ein anderes Chakra«, schlug Tobirama vor. Er stand auf und ging zu einem der Bücherregale. Sie hatten sich in seine Bibliothek gesetzt, weil Tobirama hier auch Mitos Aufzeichnungen aufbewahrte. Ebenjene zog er nun aus dem Regal und brachte sie Minato. »Das ist das einzige, was du wirklich tun kannst, fürchte ich.«
Minato nahm sie entgegen und schlug eines davon auf. Er überflog die Seite. Dann sah er wieder zu Tobirama, der selbst seine eigenen Unterlagen genommen hatte, um daran weiterzuarbeiten. Es gab immer etwas zu tun.
»Komm her.«
Er breitete die Arme aus. Tobirama sah skeptisch auf ihn herab.
»Ich hab …«
»Zu tun, ich weiß«, unterbrach Minato ihn sogleich. »Das hast du immer, und es ist deine liebste Ausrede. Aber gerade jetzt will ich, dass du dir einen Moment Ruhe gönnst. Es reicht, wenn einer von uns arbeitet. Und wer weiß, vielleicht habe ich ja höchst komplexe Fragen, die deine ganze Aufmerksamkeit erfordern. Ist immerhin eine heikle Angelegenheit.«
Minato kannte ihn mittlerweile doch ganz gut, musste sich Tobirama mit einem widerwilligen Lächeln eingestehen. Er setzte sich wieder zu Minato und akzeptierte die Umarmung. Mit einer Hand hielt Minato das Buch, mit der anderen fuhr er Tobirama sanft durch die Haare. Es fühlte sich angenehm an.
Tobirama spürte, wie all die Anspannung von ihm abfiel, all der emotionale Stress der letzten Wochen nachließ und allmählich einer schweren aber doch wohltuenden Müdigkeit wich. Er brauchte wirklich eine Pause, wenn auch nur für einen Moment.
»Es ist okay, wenn du traurig bist«, sagte Minato irgendwann einmal in die Stille hinein. »Ich bin da, wenn du reden willst, und wenn nicht, dann auch. Nur dass du‘s weißt.«
Tobirama sagte nichts darauf. Minato schmiegte seine Wange an Tobiramas Scheitel.
»Du kannst nicht immer nur davonrennen, ohne zurückzublicken. Manchmal musst du auch innehalten und Luft holen.«
Aber wenn er zurückblickte, dann sah er die Trümmer dessen, was einst sein Leben gewesen war. Also blickte Tobirama immer nur voran. Zeit war gerichtet, sie floss immer nur in eine Richtung, kein einziges Naturgesetz konnte etwas daran ändern.
»Kakashi hat sich in seinem Zimmer eingeschlossen«, informierte Minato ihn. »Ich hatte sehen wollen, wie es ihm geht, aber scheint so, als würde er erst einmal für sich bleiben wollen. Aber ich fürchte, dass er zu leicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen könnte, wo er sich von allem und jedem isoliert.«
Trauer überwand man nicht einfach so. Trauer überlebte man. Den Schuldgefühlen konnte sich Tobirama dennoch nicht erwehren. Er hatte Sakumo nicht retten können, er war nicht für seinen Sohn da gewesen, als er ihn am meisten gebraucht hatte.
Er kniff die Augen zusammen und presste das Gesicht in Minatos Hemd. Vielleicht konnte er ja so wenigstens für einen Moment die Realität ausblenden.
Minato trug dafür Sorge, dass sich Tobirama in den nächsten Wochen möglichst wenig Arbeit aufhalste, und zu Tobiramas Verdruss war Minato mittlerweile sehr gut darin, herauszuschnüffeln, wenn Tobirama versuchte, das zu umgehen. Das einzige, woran Tobirama noch aktiv arbeiten durfte, waren derzeit die Vorbereitungen für die kommenden Prüfungen, weil das etwas Erfreuliches sei, so Minatos Worte. Also tat Tobirama eben das, hauptsächlich, um sich ewig lange Diskussionen mit Minato zu ersparen, die sich doch nur im Kreis drehen würden.
Mittlerweile hatte Minato genügend Süßholz geraspelt, um die anderen Kage von seiner Idee zu überzeugen, und irgendwie hatte er auch das Interesse der daimyō geweckt. Die wollten nämlich mit einem Male dem ebenfalls beiwohnen. Die versteckten Dörfer mochten zwar eigenständige Institutionen darstellen und weitestgehend unabhängig von den jeweiligen Landesregierungen agieren, aber sie stellten immer noch deren militärische Stärke. Natürlich hatten die daimyō ein Interesse daran, wenn ihnen das vorgeführt wurde.
Es stellte natürlich für Konohas Bevölkerung eine doppelte Belastung dar, ihr Dorf wieder aufzubauen und gleichzeitig die Prüfungen vorzubereiten, aber irgendwie war es doch das, was die Stimmung nach der schrecklichen Katastrophe wieder anhob. Das war etwas, dem die Leute entgegenblicken konnten, ein Licht am Ende des Tunnels.
Wie er es erbeten hatte, entließ Minato Hiruzen aus allen Posten, die er noch inne hatte, auch wenn es Minato sichtlich nicht behagte, das zu tun. Die offizielle Begründung war schlicht Hiruzens Alter, mit dreiundsechzig Jahren hatte er sich wohl auch seinen Ruhestand verdient. Zu Tobiramas Zeiten konnten Shinobi froh sein, wenn sie überhaupt die Vierzig erreichten, und hatten damit schon als alt gegolten, und ein klein wenig rechnete Tobirama immer noch damit, dass auch er bald ins Gras beißen würde. Ein Leben voller Krieg, wo es ihn jeden Augenblick hätte erwischen können, ließ man nicht so einfach zurück. So etwas wie Ruhestand kam für ihn gar nicht in Frage.
Offiziell mochte Hiruzen in den Ruhestand gehen, aber Koharu, Homura und Danzō schienen zu wittern, dass da weit mehr dahinter stand. Ihnen war nicht entgangen, wie die Stimmung zwischen Tobirama und Hiruzen umgeschlagen war. Da sie selbst spürten, dass Tobirama ihnen gegenüber misstrauisch geworden war, wurden sie allmählich nervös. Vielleicht fürchteten sie, dass es auch sie erwischen würde.
Tobirama wusste, wann es für den Jäger auf der Jagd am gefährlichsten wurde, nämlich dann, wenn er seine Beute in die Enge getrieben hatte. Dann würde jedes waidwunde Tier mit seinen letzten Kräften alles versuchen, um noch irgendwie am Leben zu bleiben. Seine einstigen Schüler waren nun die in die Enge getriebenen Beutetiere, sie spürten den Odem des Jägers in ihrem Nacken. Er würde wachsam sein müssen.
Kakashi hatte die Nachwirkungen seiner Operation gut überstanden. Tsunade war zufrieden mit dem Heilungsprozess, schonte Kakashi aber dennoch. Dieser tat einen Teufel, sich darüber zu beschweren. Als er allmählich wieder in den Dienst eingegliedert wurde, waren es zu Anfangs nur einfache Aufgaben wie, Tobirama mit seinem Papierkram zu helfen und derlei mehr.
Die letzten Worte seines Vaters hatte er nicht so gut überwunden. Es mochte nun zehn Jahre her sein, aber die Wunde, die Sakumo hinterlassen hatte, hatte seitdem nur immer weiter geschwärt und war nie richtig abgeheilt.
Kurzerhand beschloss Tobirama, auch Kakashi sein Teleskop vorzuführen. Also gingen sie eines Abends hinaus in den Wald, dorthin, wo man die Sterne so gut sehen konnte. Die Bedingungen waren gut, der Himmel wolkenlos und die Luft klar. Tobirama machte sich Hoffnungen, endlich etwas vor die Linse zu bekommen, das er schon lange hatte erhaschen wollen.
Kakashi schien ein wenig verwundert, was Tobirama hier vorhatte, machte aber einfach mit und beobachtete semi-interessiert, wie Tobirama das Teleskop aufbaute und justierte.
Tobirama drehte noch an ein paar Rädchen und schwenkte vorsichtig das Teleskop noch ein ganz kleines Stück weiter. Das Bild im Okular wurde scharf. Ha! Da! Endlich. Die Bedingungen waren heute wirklich perfekt.
»Schau«, wies er Kakashi an. »Siehst du den roten Punkt dort am Himmel? Das ist kein Stern, sondern ein Planet. Und jetzt schau ihn dir durch das Okular an.«
Was Kakashi sah, war die rostrote Oberfläche eines Planeten, natürlich immer noch nicht einmal von der Größe eines Fingernagels, so stark war das Teleskop dann doch nicht. Aber es war deutlich genug erkennbar, was Tobirama hoffte zu sehen.
»Die weißen Kappen an den Polen sind Eisschilde«, sagte Tobirama. »Das ist der uns am nächsten stehende Planet mit durchschnittlich etwa siebzigmillionen Kilometern Abstand. Dieser ändert sich natürlich stets.«
Kakashi war immer noch damit beschäftigt, das Bild im Okular zu betrachten. »Warum flimmert das so? Und der bewegt sich ja echt schnell.«
»Das Flimmern wird durch Fluktuationen der Atmosphäre hervorgerufen«, erklärte Tobirama ihm. »Würdest du ein Teleskop außerhalb der Atmosphäre platzieren, wäre das nicht mehr so, das Bild wäre auch klarer. Die Bewegung kommt durch die Rotation der Erde, auf der wir stehen.«
Kakashi richtete sich wieder auf. »Das ist alles echt spannend und so. Aber warum zeigst du mir das?«
»Kann ich meinem Enkel nicht einmal eine Freude machen?«
»Schon. Aber du tust selten etwas ohne Hintergedanken.«
»Das ist eine dreiste Unterstellung.« Dann gab Tobirama doch klein bei: »Sakumo hatte sich als Kind dafür interessiert.«
Kakashi stopfte die Hände in die Hosentaschen. »Nicht nur in seiner Kindheit. Ich weiß noch, dass wir Sternenkarten an den Wänden hängen hatten und er hatte ein kleines Modell vom Mond in seinem Arbeitszimmer stehen. Aber ich hab das alles samt Haus verkauft.«
Er hatte Sakumo vollkommen aus seinem Leben gestrichen.
»Ich war wütend, für eine Zeit jedenfalls«, sagte Kakashi leise und starrte zu Boden. »Und jetzt bin ich‘s wieder. Er hat einfach so die Entscheidung getroffen, dass ich ohne ihn besser dran sei, und hat mich allein gelassen. War ich ihm wirklich so egal? Dass er nicht mal einen Gedanken an mich verschwendet hatte?«
Tobirama brauchte die Details nicht zu wissen, damit ihm klar war, dass Sakumo anscheinend Zeit seines Lebens damit zu kämpfen hatte, in seinem Schatten zu stehen. Der Sohn des Zweiten Hokage, einer der Gründerväter dieses Dorfes, der dafür gekämpft und zumindest eine Zeitlang auch dafür gestorben war. Die Erwartungen, die man an ihn gestellt hatte, mussten astronomisch gewesen sein. Wäre Tobirama da gewesen, hätte er ihn davor vielleicht bewahren können, er hätte es zumindest mit all seiner Kraft versucht.
»Du musst dir eines klar machen, Kakashi«, sagte Tobirama mit möglichst fester Stimme, obwohl er sich überhaupt nicht danach fühlte. »Die Worte in diesem Brief waren nicht die deines Vaters. Ich bin sicher, er hat dich geliebt. Aber in diesen Worten spricht seine Krankheit aus ihm. Das, was man ihm angetan hat, hat ihn krank werden lassen, und Suizid ist nur eines von vielen möglichen Symptomen dieser Krankheit. Er hat gelitten und irgendwann einfach keinen anderen Ausweg mehr aus diesem Leid gesehen. Menschen, die diesen Schritt gehen, wollen eigentlich nicht sterben. Sie wollen nur nicht mehr leiden müssen.«
»Und trotzdem ist er jetzt nicht mehr da und nichts bringt ihn wieder zurück.«
»Ich weiß …«
Es war doch nur ein schwacher Trost.
»Es fühlt sich an, als hätte er den feigen Ausweg gewählt.« Kakashi knirschte mit den Zähnen.
»Nein«, widersprach Tobirama sogleich. »Es war nicht feige. Sakumo sah sich mit etwas konfrontiert, das so schrecklich ist, dass kein Mensch es allein bewältigen kann. Er hätte Hilfe gebraucht, doch die, die ihm hätten helfen können, taten nichts.«
Kakashi blinzelte und wandte sich hastig ab, um seine Tränen zu verbergen. Auch Tobirama war nach Weinen zumute, aber irgendwie blieben ihm die Tränen im Hals stecken. Das waren doch alles nur Worte. Der Fakt blieb bestehen, dass Sakumo ihnen genommen worden war.
Ein leichtes Kribbeln an der Stelle, wo Minato das Siegel angebracht hatte, verriet ihm, dass Minato ebenjenes Siegel benutzte, und schon erschien er bei ihnen. Er hielt ein paar Zettel in der Hand. Tobirama war froh um die Unterbrechung.
»Was hast du den ganzen Tag gemacht?«, wollte er wissen. Minato war nicht zum Abendessen erschienen. Was die Frage aufwarf, warum Tobirama das überhaupt erwartet hatte, weil Minato schließlich nicht bei ihm wohnte – auch wenn es dieser Tage manchmal nicht mehr so wirkte.
»Ich habe Nachforschungen angestellt«, sagte Minato. »Zu dem, was Sakumo passiert ist. Ich will nicht denselben Fehler machen wie mein Vorgänger und einfach untätig zusehen, wenn ich doch eigentlich in der Position wäre, etwas daran zu ändern. Also habe ich herauszufinden versucht, wer damals alles an der Rufmordkampanie beteiligt gewesen war und werde Anklage gegen diese Leute erheben.«
»Das ist doch zehn Jahre her, was bringt das jetzt noch?« Kakashi tat möglichst lässig.
Tobirama konnte nicht leugnen, dass er selbst schon ganz tief in sich drinnen mit dem Gedanken gespielt hatte, diese Arschlöcher eigenmächtig ausfindig zu machen und Selbstjustiz zu üben. Dann hatte er sich doch gegen dieses Bedürfnis gestellt. Er stand nicht über dem Gesetz, und seinen Sohn würde es ihm auch nicht wiederbringen.
»Gerechtigkeit würde es bringen«, sagte Minato bestimmt. »Und die verjährt nicht. Der Fakt bleibt bestehen, dass der Weiße Reißzahn ein Held gewesen war und den Leuten soll das wieder bewusst werden. Ich will euch beide daher fragen, ob ihr in dieser Sache als Kläger auftreten oder lieber Abstand dazu nehmen wollt. Ob ihr überhaupt wollt, dass ich das mache.«
Tobirama nahm sich Zeit für seine Antwort. Er wollte Gerechtigkeit für das, was man seinem Sohn angetan hatte, aber ganz eigentlich wollte er Rache. Er wollte diese Mistkerle fühlen lassen, was sie Sakumo hatten fühlen lassen.
»Du hast meine Einwilligung, aber lass mich außen vor«, sagte er. »Ich denke, es ist besser so.«
Minato nickte und wandte sich an Kakashi. Dieser zuckte mit den Schultern.
»Meinethalben. Aber ich taug ja nicht mal als Zeuge.«
»Das macht nichts«, versicherte Minato ihm. »Sandaime-sama hat mir bereits zugesichert, dass er aussagen will, selbst wenn es zu seinen Ungunsten sein sollte.«
»Wenigstens dazu hat er noch den Mumm«, knurrte Tobirama. Er wusste nicht, ob er das Hiruzen jemals würde verzeihen können.
»Nach zehn Jahren wird es natürlich etwas schwierig, die genauen Ereignisse noch zu rekonstruieren und den Verantwortlichen wird kaum mehr als Verleumdung vorzuwerfen sein, aber es ist zumindest etwas«, sagte Minato. »Vielleicht kann dann das ganze zu einem Ende gebracht werden.«
Tobirama wünschte, das wäre es bereits. »Ich … will darüber jetzt nicht mehr reden.«
»Natürlich.«
Tobirama stand auf den weit ausladenden Ästen einer Eiche und beobachtete aus dem Schatten des Laubs heraus, wie die ersten Teilnehmer der bevorstehenden Prüfungen das Dorf erreichten. Eine Gruppe von sechzehn Genin und ihren Betreuern aus Sunagakure. Er stellte fest, dass es ein sonderbarer Anblick war, diese Leute einfach so durch sein Dorf spazieren zu sehen, als würden sie hierher gehören.
Nach und nach lösten sich seine Doppelgänger auf, sodass er erfuhr, wie es an den anderen Posten aussah. Er hatte seine Doppelgänger losgeschickt, um seine Anbu zu mobilisieren. All die Wochen und Monate, wo er sich darüber das Hirn zermattert hatte, zahlten sich jetzt hoffentlich aus und er hatte ein Sicherheitssystem auf die Beine gestellt, das verhindern sollte, dass Fremde Dinge sahen, die sie nicht sehen sollten. Konoha trug noch immer sichtliche Spuren von Kyubis Angriff, die ließen sich nicht verbergen, aber vor allem sollte Konoha trotz dessen stark erscheinen. Er war sich sicher, dass er zumindest seinen Teil dazu beigetragen hatte.
Die kleine Gruppe machte einen selbstsicheren Eindruck. Sie schwatzten miteinander, machten aber auch keinen Hehl daraus, dass sie sich neugierig umsahen. Wenn sie schlau waren, dann prägten sie sich bereits ein paar taktische Positionen ein.
Tobirama zog das kleine Büchlein aus der Tasche, das die Informationen über die angemeldeten Teilnehmer beinhaltete, und glich sie mit den Suna-nin ab, die da nichtsahnend über seine Anwesenheit die Hauptstraße entlang gingen. Sah alles rechtens aus.
Zwei Shinobi aus Konoha waren derweil aufgetaucht, um die Gäste zu begrüßen. Sie wirkten alle etwas angespannt. Tobirama jedenfalls hatte nicht die Suna-nin vergessen, die Kakashi vor einigen Monaten schon beim Herumschnüffeln erwischt hatte. Da war noch mehr unter der ruhigen Oberfläche, er konnte es fühlen. Was plante Rasa?
Er klappte das Buch wieder zu und steckte es weg. Mittlerweile hatten auch seine restlichen Doppelgänger ihren Dienst getan und das Jutsu vollständig aufgelöst. Kurzerhand benutzte er ein Hiraishin direkt zu Minato.
Minato befand sich in seinem Büro und tat zumindest so, als würde er arbeiten. Er hob den Kopf, als Tobirama bei ihm erschien. Tobirama nahm die Maske ab und gönnte sich einen Moment, um durchzuatmen. Der Sommer kam merklich, allmählich wurde es warm unter diesen Masken.
»Und? Wie sieht‘s aus?«, wollte Minato wissen.
»Alle auf ihren Posten. Unsere ersten Gäste sind soeben eingetroffen. Sollte etwas vorfallen, werde ich es als erstes wissen und damit auch du«, berichtete Tobirama.
Eigentlich waren die Anbu keine Wachen, das war Aufgabe der Polizei, die in besonderen Zeiten wie beispielsweise momentan von Shinobi des Dorfes unterstützt wurde. Aber Tobirama wollte auf Nummer Sicher gehen und ließ die Geschehnisse im Dorf auch aus dem Verborgenen heraus überwachen. Er wollte all diese fremden Leute keinesfalls unbeaufsichtigt lassen.
»Immer so förmlich. Freu dich doch einmal ein bisschen. Ist das nicht aufregend?«
»Ich kann auf zusätzliche Aufregung verzichten, davon hab ich genug.« Tobirama besah sich, woran Minato gesessen hatte. Es stellte sich als eine weitere Teilnehmerliste heraus, die Minato mit allerlei Anmerkungen versehen hatte. Tobirama drehte das Buch so, dass er lesen konnte, was Minato da geschrieben hatte.
»Du sollst arbeiten und nicht Wetten abschließen, wer es wie weit schaffen wird bei den Prüfungen«, schollt er Minato.
»Ich hab hart dafür gearbeitet, dass wir das jetzt überhaupt abhalten, ich finde, ich darf mir ein kleines Vergnügen gönnen und die Früchte meiner Arbeit genießen«, maulte Minato.
Und da hatte Tobirama gedacht, nur sein Bruder sei ein unverbesserlicher Kindskopf. Er gab Minato einen mahnenden Blick. »Erzähl mir von der ersten Prüfung und dem Prüfer.«
»Morino Ibiki«, informierte Minato ihn. »Vor einem Jahr erst zum Tokubetsu Jōnin ernannt für seine herausragenden Fähigkeiten beim Verhör von Feinden, weil er sich hervorragend auf psychologische Folter versteht.«
»Ah. Er leitet zusammen mit Yamanaka Inoichi die Verhöreinheit, nicht wahr?« Tobirama erinnerte sich, er hatte den Namen schon einmal gelesen, mit diesem Mann aber noch nichts zu schaffen gehabt.
»Genau. Er hat den Ruf, eine etwas sadistische Ader zu haben, aber in Anbetracht dessen, was wir bei dieser ersten Prüfung testen, genau die richtige Fähigkeit«, fuhr Minato fort. »Er hat mir bereits die Prüfungsfragen vorgelegt, die er sich ersonnen hat, das sieht vielversprechend aus.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Es geht um Informationsbeschaffung, vor allem aber auch Teamzusammenhalt«, erklärte Minato. »Und nun, zugegeben, Ibiki standzuhalten, ist wohl auch schon ein Test für sich. Er hat die Fragen mit Absicht so gestaltet, dass ein Genin sie kaum wird beantworten können. Sie werden also spicken müssen, wer dabei erwischt wird, ist disqualifiziert.«
Ganz ähnlich also einer Informationsbeschaffungsmission in feindlichem Gebiet. Wer dabei erwischt wurde, erhielt ebenfalls selten eine zweite Chance. Tobirama gefiel dieses Konzept.
»Die eigentlich entscheidende Frage wird jedoch die zehnte Frage sein«, sagte Minato. »Ibiki wird die Prüflinge vor eine Entscheidung stellen. Ihnen wird die Wahl gelassen, nun auszuscheiden und ihr Glück bei den nächsten Prüfungen zu versuchen, aber wenn sie gehen, ist auch der Rest des Teams disqualifiziert. Wenn sie sich aber entscheiden zu bleiben, dann werden sie gegen ihre Kameraden antreten und einer von ihnen wird ausscheiden und für immer Genin bleiben.«
»Die richtige Entscheidung ist es zu gehen«, stellte Tobirama fest.
Minato schmunzelte. »Bravo, du hast die erste Prüfung bestanden.«
Tobirama nickte anerkennend. »Dieser Ibiki scheint mir in der Tat der richtige Mann dafür zu sein. Hart, aber das Leben als Shinobi ist schließlich auch kein Ponyhof.«
All ihr Können nutzte den Genin nichts, wenn sie bereitwillig ihre Kameraden ans Messer lieferten für ihren eigenen Vorteil. Das war kein Prinzip, auf dem Tobirama zukünftige Shinobi seines Dorfes ausbilden wollte. Sie mussten also erkennen, worum es bei dieser Prüfung wirklich ging, und bewiesen somit nicht nur Teamgeist, sondern auch die Fähigkeit, das zu sehen, was sich hinter dem Schein verbarg.
»Eine kleine Besonderheit hat diese Prüfung, und das ist der Umstand, dass Ibikis kleiner Bruder Idate an der Prüfung teilnehmen wird«, fügte Minato an.
Tobirama hob wortlos eine Braue.
»Ibiki besitzt genügend Professionalität, um sich davon nicht beeinflussen zu lassen«, versicherte Minato ihm. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Das wird alles ganz aufregend.«
»Nachdem du deine Arbeit erledigt hast«, erinnerte Tobirama ihn.
Minato maulte missmutig.
Nächstes Kapitel: Die Prüfungen starten. Minato hat eine Menge Spaß. Tobirama ... nicht so sehr.
Kapitel 19: Das Schwert des Donnergotts
Sechzig Prozent waren bei der ersten Prüfung durchgefallen, darunter auch Ibikis kleiner Bruder. Das hatte selbst Tobirama überrascht; er hatte mit weniger gerechnet. Ibiki hatte in der Tat die Erwartungen, die an ihn gestellt worden waren, sogar übertroffen. Der Mann hielt, was er versprach, das war gut. Minato hatte ihn dennoch zusammen mit den anderen Prüfern zu einer Nachbesprechung in sein Büro berufen.
Auch Tobirama war anwesend zusammen mit Koharu, Homura und Danzō. Er stand hinter Minatos Stuhl und nahm sich einen Augenblick, Ibiki zu mustern.
Er kannte sein offizielles Foto und hatte indes auch ausführlich seine Akte studiert. Ibiki hatte in der Tat bereits einige beeindruckende Leistungen präsentiert und war aus diesen Kämpfen auch nicht unversehrt wieder hervorgegangen. Mehrere Narben verunstalteten sein Gesicht und verliehen ihm einen noch härteren Zug. Seine Augen waren kalt, die Augen eines Mörders. Die ganze Haltung dieses Mannes sprach davon, dass er nicht davor zurückschreckte, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn es darauf ankam. Minato hatte wohl recht, als er gesagt hatte, dass es schon eine Prüfung für sich war, Ibiki standzuhalten.
»Die erste Prüfung ist damit also abgeschlossen«, sagte Minato. »Die Rate derer, die nicht bestanden haben, ist höher, als ich erwartet hätte, aber das muss nicht unbedingt etwas schlechtes sein. Wenn sie etwas so Grundlegendes noch nicht begriffen haben, dann haben sie auch noch nicht, was es braucht, um ein Shinobi zu sein. Ich will wissen, wie die Stimmung unter den Prüflingen ist, nachdem sie nun einen ersten Geschmack auf das bekommen haben, was sie erwartet.«
Ibiki trug einen langen, schwarzen Mantel und hatte in einer lässigen Haltung die Hände in die Taschen gesteckt. Dennoch hatte er etwas an sich, mit dem er den Raum vollkommen dominierte, vielleicht gerade weil er sich so lässig gab.
»Die armen Schweine, die‘s nicht geschafft haben, waren natürlich nicht unbedingt dankbar für die Gelegenheit, die ich ihnen gegeben habe«, sagte Ibiki. »Entweder sie finden es in den nächsten Jahren noch heraus oder eben nicht, und dann ist jede Mühe an ihnen ohnehin verschwendet, weil sie dann nur ein Klotz am Bein wären. Ein paar ihrer Vorgesetzten traten bereits an mich heran, um sich zu beschweren, dass ich das doch nicht machen könne, ungeachtet des Faktes, dass sie den Regeln im Vorfeld zugestimmt hatten, die wir aufgestellt hatten.«
»Wer waren diese?«, wollte Minato wissen.
»Zwei aus Iwa und einer aus Kumo«, berichtete Ibiki. »Von ihren Teams sind die meisten durchgefallen. Der Großteil scheint ihr Schicksal jedoch akzeptiert zu haben. Ich denke nicht, dass sie Schwierigkeiten machen werden, sie sind gewillt, nach unseren Regeln zu spielen.«
»Es wird eine Zeit kommen, da werden sie die Regeln aufstellen, das ist nur fair«, sagte Minato.
»Der Rest, der bestanden hat, kann‘s kaum abwarten, sich bei der nächsten Prüfung zerfleischen zu lassen«, sagte Ibiki lässig. »Das junge Blut scharrt schon mit den Hufen.«
Dass die Jugend immer so versessen darauf war, sich zu beweisen. Na, sie würden ihre Gemüter schon abkühlen.
»Dann wollen wir sie nicht länger warten lassen, nicht wahr?« Minato lächelte.
Die nächste Prüfung wäre gleich für den nächsten Tag angesetzt, ein Überlebenstraining auf Trainingsfeld 44, das schon zu Tobiramas Zeit den Spitznamen Wald des Todes erhalten hatte. Seit damals diente es als Übungsgelände, um das Überleben in gefährlichen und unwirtlichen Wildnissen zu trainieren. Die Gefahren, die dort auf die Genin lauerten, waren nicht zu unterschätzen, verstärkt dadurch, dass die Teams gegeneinander antreten würden.
Ihre Aufgabe würde es sein, zwei Schriftrollen zum Turm im Zentrum des Geländes zu bringen. Jedes Team erhielt eine Schriftrolle, die entweder mit Erde oder mit Luft beschriftet war. Sie mussten die jeweils andere Rolle von einem anderen Team erbeuten, sich gegen Feinde erwehren, die wiederum sie überfielen und es dann noch zum Turm schaffen. Es war ihnen nicht gestattet, die Schriftrollen zu öffnen, ansonsten wären sie disqualifiziert.
Die zweite Prüfung wurden von einer recht jungen Kunoichi namens Mitarashi Anko überwacht, die erst vor kurzem zum Tokubetsu Jōnin ernannt worden war. Es wäre ihre erste Bewährungsprobe auf diesem Posten.
Tobiramas Interesse hatte jedoch der Umstand geweckt, dass sie als einstige Schülerin Orochimarus gelistet war. Der Mann war noch immer nicht zu fassen, und Tobirama hatte die Möglichkeit in Betracht gezogen, vielleicht auch Anko mit in die Suche einzubeziehen. Ihm gingen allmählich die Möglichkeiten aus.
Minato entließ die Prüfer, nachdem Ibiki ihm noch einen schriftlichen Bericht der ersten Prüfung überlassen hatte. Er las, was Ibiki ihm zu berichten hatte. Stille senkte sich über den Raum.
»Minato, mir kam zu Ohren, Sie streben ein gerichtliches Verfahren gegen einige Shinobi des Dorfes an«, sagte Danzō in die Stille hinein.
Minato bemühte sich nicht einmal, den Blick von dem Dokument zu heben. »Dem ist so.«
»Zehn Jahre scheint reichlich spät, um ein Verfahren zwecks Verleumdung beginnen«, sagte Danzō in betont neutralem Tonfall.
Tobirama musste an sich halten, jetzt nichts zu sagen. Er hatte sich selbst gesagt, sich aus der Sache herauszuhalten. Sie war emotional viel zu aufgeladen für ihn, um einen kühlen Kopf zu behalten.
»Dafür ist es nie zu spät«, betonte Minato.
»Sie lassen damit zu, dass auch Hiruzen in die Schusslinie gerät, und das so kurz, nachdem Sie ihn in den Ruhestand geschickt haben. Ich hätte davon abgeraten, weil es Unruhe in das Dorf bringen könnte in einer Zeit, in der wir Stabilität mehr denn je gebrauchen können«, sagte Koharu. »Aber in letzter Zeit ersuchen Sie recht selten unseren Rat. Scheint so, als hätten Sie einen besseren Berater gefunden.«
Tobirama warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Nein, auf dieses Niveau würde er sich nicht herabbegeben. Koharu musste es besser wissen als seine einstige Schülerin.
»Lassen Sie sich nicht täuschen, ich schätze Ihren Rat und Ihre Erfahrung noch immer sehr.« Minato bemühte sich sichtlich um einen ruhigen Tonfall. »Aber in manchen Angelegenheiten bin ich mir absolut sicher, dass es das richtige ist. Das ist so eine. Ich will keine weitere Diskussion darüber.«
Koharu war sichtlich nicht glücklich darüber, fügte sich aber wie auch Danzō und Homura widerwillig.
»Sie können gehen.« Minato verfolgte die Drei mit seinem Blick, bis sie den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatten. Er hatte die Stirn gerunzelt.
Tobirama schwieg noch immer. Ansonsten fürchtete er, würde er seine Stimme erheben, und das sah ihm ganz und gar nicht ähnlich.
»Sie werden dreist«, stellte Minato fest.
»Lass uns nicht darüber reden«, knurrte Tobirama. »Nicht jetzt jedenfalls. Sonst vergesse ich mich noch.«
»Und dann will ich nicht in der Haut dieser Drei stecken …«
Sie hatten den Startschuss für die zweite Prüfung von einem kleinen Überwachungsraum aus verfolgt, in dem einige Monitore platziert waren, die wiederum mit Kameras verteilt über das ganze Gelände verbunden waren. So konnten sie in Echtzeit verfolgen, was im Wald vor sich ging. Tobirama war einigermaßen beeindruckt von dieser Technik; zu seiner Zeit hatte die Bildqualität solcher Fernsehgeräte noch stark zu wünschen übrig gelassen und von Farbbildern hatte man nur träumen können.
Minato hatte es sich mit ein paar Snacks in einem Sessel gemütlich gemacht und verfolgte gespannt das Geschehen auf den Monitoren. Ōkami lag zu seinen Füßen und döste. Er hatte Naruto mit sich gebracht, weil Kakashi derzeit anderweitig im Dorf gebraucht wurde und daher nicht auf das Baby aufpassen konnte, und Tsunade hatte er seinen Sohn anscheinend noch nicht anvertrauen wollen. Sie beschäftigte sich ohnehin derzeit verstärkt mit der Infrastruktur des Krankenhauses und war wohl so etwas wie dessen inoffizielle Chefin geworden, hätte also wahrscheinlich auch kaum Zeit dafür erübrigen können. Naruto jedenfalls interessierte das alles nicht und angelte mit kleinen Patschehändchen eifrig nach den Dango, die sein Vater naschte.
Tobirama stand hinter ihm in kompletter Dienstuniform und behielt die Monitore im Blick, während er gleichzeitig mit seinen Sensorfähigkeiten die Umgebung überwachte. Mit diesen ganzen fremden Leuten im Dorf wollte er lieber nahe bei Minato bleiben, dessen offizielle Wachen hatten sich ja als nicht allzu nützlich erwiesen. Tobirama trug es ihnen immer noch nach, und Raidō, Genma und Iwashi besaßen genug Selbsterhaltungstrieb, um sich nicht gegen ihn zu stellen.
Anko war ebenfalls bei ihnen und stopfte eine beachtliche Menge Dango in sich hinein. Jedes Mal, wenn sie einen weiteren Spieß leergenagt hatte, schnippte sie ihn davon. Allmählich ließ sich das Zeichen von Konoha erkennen, das die Spieße formten, wo sie in der Wand stecken bleiben.
»Die Typen aus Kiri sollten wir im Auge behalten«, nuschelte sie. »Die haben‘s drauf, da können die wenigsten mithalten. Kein Wunder nach dem, was ich so über Kirikagure gehört habe.«
Das Dorf des Blutigen Nebels, dieses Detail war auch Tobirama nicht entgangen. Absolventen der Akademie mussten bis zum Tod kämpfen, wenn sie Ninjas werden wollten. Gerüchten zufolge hatte der Mizukage diese Praxis mittlerweile unterbunden, nachdem ein Schüler einen ganzen Jahrgang getötet haben sollte, aber Tobirama war sich nicht sicher, ob das nur Propaganda zur Abschreckung war.
»Dies ist ein Test unter realen Bedingungen«, sagte Minato. »Da können sie gleich alle zeigen, was sie bereits gelernt haben und wie gut ihr Teamzusammenhalt wirklich ist.« Er hielt die Dango, die er gerade hatte essen wollen, außerhalb von Narutos Reichweite. »Finger weg, Naruto, das ist noch nichts für dich.«
Naruto verdoppelte seine Anstrengungen, aber seine Arme stellten sich als zu kurz heraus.
Anko schnippte einen weiteren Spieß davon. Ihre Treffsicherheit war bemerkenswert. »Da sind ein Haufen Hitzköpfe dabei, die den Mund nicht voll genug bekommen. Tönten rum, sie würden ganz bestimmt nicht die vollen fünf Tage brauchen, um ihr Ziel zu erreichen, nicht mal einen. Ha! Das will ich sehen!«
»Der gegenwärtige Rekord liegt bei fünfundzwanzig Stunden und dreizehn Minuten«, warf Minato ein.
»Exakt. Ihr Team hat das geschafft, Hokage-sama«, sagte Anko. »Es braucht schon ein außerordentliches Talent, um das zu unterbieten. Und Kakashi war da gerade mal sechs gewesen. Wenn er nur ein paar Jahre älter gewesen wäre, hätten sie vielleicht nicht einmal vierundzwanzig Stunden gebraucht. Bei diesem wilden Haufen ist keiner dabei, der es damit aufnehmen kann.«
Minato machte einen ziemlich stolzen Eindruck, und das konnte er auch sein. Tobirama war immer noch der Meinung, dass man Kakashi viel zu früh den Abschluss gewährt hatte, aber das war ja nicht Minatos Entscheidung gewesen. Er hatte lediglich die Aufgabe erfüllt, die man ihm gegeben hatte, und das hatte er ausgesprochen gut gemacht.
Eine der Kameras fing eines der Teams aus Konoha ein. Die drei Genin hatten sich in den Schutz eines riesigen Baumes zurückgezogen und steckten die Köpfe zusammen. Die Kameras übertrugen keinen Ton, aber von dem, was Tobirama von ihren Lippen ablesen konnte, debattierten sie wohl darüber, ob sie die Schriftrolle öffnen sollten oder nicht. Das ging eine Weile hin und her und am Ende schien der Konsens zu sein, sie zu öffnen.
Anko schlug die Hand vors Gesicht. »Idioten.«
Mit einem Puff und einer Rauchwolke erschien der Jōnin, der in der Schriftrolle versiegelt gewesen war, und schleifte die drei Genin an den Ohren wieder aus dem Wald. Sie waren disqualifiziert.
Auf einem anderen Monitor konnte Tobirama eines der Teams aus Kirigakure sehen. Sie hatten sich ein Team aus Sunagakure als Opfer auserkoren, drei kleine Genin, die offensichtlich jünger und unerfahrener waren. Sie dachten wohl, das wäre leichte Beute, und dem war auch so.
Die Kiri-nin machten kurzen Prozess mit ihnen, und wie Anko vorhergesagt hatte, gingen sie dabei nicht gerade zimperlich mit ihren Gegnern um. Sie töteten sie nicht, obwohl sie es gekonnt hätten, aber Tobirama war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht doch bleibenden Schaden anrichteten.
Sie durchsuchten ihre Opfer und fanden deren Schriftrolle, mussten aber feststellen, dass beide Teams dieselbe Schriftrolle besessen hatten. Eines der Risiken bei diesem Test, da niemand wusste, welche Schriftrolle bei welchem Team war. Die Kiri-nin behielten die Schriftrolle dennoch.
»Na, so kann man die Konkurrenz natürlich auch ausdünnen«, kommentierte Anko. Noch ein Spieß blieb zitternd in der Wand stecken. Sie hatte das Symbol bald beendet.
Kakashi erschien mit einem Shunshin bei Tobirama. Tobirama trat mit ihm ein wenig zur Seite.
»Bericht«, sagte er leise.
»Alles ruhig, keine nennenswerten Zwischenfälle, jedenfalls keine, bei der wir hätten eingreifen müssen«, sagte Kakashi.
»Sehr gut. Weitermachen«, trug Tobirama ihm auf.
Kakashi nickte und verschwand bis zu seinem nächsten Bericht. Er würde regelmäßig wiederkommen, um dies zu wiederholen, so wäre Tobirama stets über alles informiert.
Interessanterweise tauchten bei den besiegten Team aus Sunagakure nun Ninja aus Konoha auf, ein Dreierteam aus einem Hyūga, einem Aburame und einer Inuzuka. Die Kunoichi besaß einige nennenswerte Heilfähigkeiten. Erstaunlicherweise nutzte sie sie, um den Suna-nin zu helfen.
Anko beugte sich interessiert vor. »Na, schau mal an. Das ist unerwartet.«
Vor ihren Augen formte sich eine interessante Allianz, in der sich beide Teams gegen die Kiri-nin zusammenschlossen, um die gestohlene Schriftrolle zurückzuerlangen. Was sich die Konoha-nin davon erhofften, war Tobirama zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, aber das war eine Entwicklung, die er auf alle Fälle im Auge behalten würde.
Ein winziges Aufflackern seiner Siegel verriet Tobirama, dass jemand sich widerrechtlich Zugang zu seinem Heim verschafft hatte. Ohne zu zögern, erzeugte er einen Schattendoppelgänger, der sogleich in einem Hiraishin verschwand.
Minato war das nicht entgangen. Er wandte sich Tobirama zu. »Ist was passiert?«
»Jemand ist gerade bei mir zu Hause eingebrochen«, informierte Tobirama ihn.
»Und das weißt du woher?« Dann fiel es Minato von allein ein. »Warte, sag‘s nicht. Siegel.«
»Natürlich.«
Ōkami richtete die Ohren auf und knurrte. Sie trat zu Tobirama. »Soll ich den kleinen Dieb jagen?«
Tobirama nickte. Er legte ihr eine Hand in den Nacken und sandte sie mit einem Hiraishin ebenfalls nach Hause. Sie würde die Fährte schnell ausfindig machen können.
Tobirama verblieb bei Minato, aber die Geschehnisse auf den Bildschirmen verloren ihren Reiz. Es gab eine ganze Menge, das man aus seinem Haus stehlen konnte und das für noch mehr Leute von Interesse wäre, vor allem mit so vielen Fremden im Dorf. So ein Mist, dass das ausgerechnet jetzt passieren musste.
Er wartete, bis sich sein Doppelgänger auflöste und ihm seine Informationen übertrug. Diese trugen allerdings nicht dazu bei, Tobiramas Sorgen zu zerstreuen. Ōkami hatte sich sogleich an die Verfolgung der Fährte gemacht, somit war sich Tobirama sicher, dass der Dieb nicht weit würde kommen können. Aber es war ausgerechnet sein Raijin no Ken, das ihm entwendet worden war. In den falschen Händen konnte es großen Schaden anrichten.
Es konnte kein Zufall sein, dass nicht ganz eine halbe Stunde später Ibiki erbat, Minato sprechen zu dürfen. Minato ließ ihn ein.
»Was gibt es?«
Dieses Mal hatte Ibiki nichts von seiner lässigen Haltung mehr an sich. Er kniete nieder. »Hokage-sama, ich muss Sie darüber informieren, dass Rokushō Aoi und Morino Idate vermutlich desertiert sind und bei ihrer Flucht wertvolle Informationen gestohlen haben.«
Eins und eins zusammenzuzählen, war da nicht schwer. »Dann haben sie auch mein Raijin no Ken«, schloss Tobirama.
Ibiki nahm diese Information mit Fassung auf. »Ich bitte darum, persönlich das Suchteam anführen zu dürfen, das sie verfolgt.«
Minato nickte. »Gewährt. Du hast mein Vertrauen, diese Sache zu einem möglichst schnellen Ende zu bringen und das Schwert seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen.«
»Ōkami jagt die Diebe bereits«, fügte Tobirama an. »Finde sie und du findest auch die Deserteure.«
Falls es Ibiki irgendwie emotional beeinflusste, dass einer davon sein kleiner Bruder war, zeigte er es jedenfalls nicht. »Verstanden.«
»Brauchst du sonst noch Informationen zu meinem Schwert?«, fragte Tobirama.
»Nein, Wolf-san, ich weiß darüber Bescheid.«
Ibiki verschwendete keine weitere Zeit und machte sich sogleich auf den Weg.
Minato wandte sich an Tobirama. Er versuchte Zuversicht auszustrahlen. »Das wird nicht lang dauern. Mit Ōkami und auch noch Ibiki auf ihren Fersen werden sie nicht weit kommen.«
Das war es auch, was sich Tobirama sagte. Dass die beiden aber sein Schwert gestohlen hatten, machte die Sache um einiges kniffliger. Und dass sie allein handelten, war ebenfalls nicht sicher.
Anko hatte einen Blick in das Büchlein mit den Steckbriefen geworfen. »Idate war einer derer, die Ibiki bei der ersten Prüfung hatte durchfallen lassen«, stellte sie fest. »So eine kleine Ratte. Das hat er sich nicht gut überlegt.«
Tobirama sann darüber nach, wie es ihnen gelungen sein mochte, in sein Haus einzubrechen und weit genug zu kommen, dass Ōkami sie nicht sofort gestellt hatte. Der Name Rokushō Aoi sagte ihm nichts. Auf seine Frage hin, wer das sei, sagte Minato ihm, dass er ein Jōnin aus Konoha sei, jedoch nicht von allzu großer Bedeutung. Wenn er immerhin Jōnin war, würde das zumindest erklären, warum er überhaupt erst Tobiramas Siegel hatte überwinden können. Was für eine Dreistigkeit. Würde Tobirama jetzt auch aus seinem Haus eine Festung machen müssen wie auch sein Labor, damit er vor so etwas sicher war?
Da es ohnehin bereits später Nachmittag war, beschlossen sie, an dieser Stelle Feierabend zu machen. Sie konnten ja eh nur zuschauen und nach dem Diebstahl stand Tobirama ohnehin nicht der Sinn danach, sich mit so etwas zu vergnügen. Anko blieb noch, doch Tobirama und Minato gingen nach Hause. In Minatos Fall hieß das wie üblich, sich selbst bei Tobirama einzuladen.
Daheim fanden sie Ōkami vor, wie sie das ganze Haus abschnüffelte. Tobirama runzelte die Stirn.
»Was machst du hier? Hast du die Diebe schon gefunden?«
»Sie sind clever«, knurrte Ōkami aufgebracht. »Beim Fluss habe ich ihre Spur verloren. Aber hier finde ich einfach keine andere Fährte.«
»Hast du mit Ibiki gesprochen?«, fragte Tobirama sie.
»Ja. Er kam zu mir und informierte mich über die Lage. Als sich die Spur der Diebe dann verlor, schickte er mich zurück, um dir Bescheid zu geben, und setzte die Verfolgung fort.«
»Na immerhin«, sagte Minato. »Er wird das schon regeln, keine Sorge. Du hast jetzt genug gearbeitet, mach Schluss für heute.«
»Nicht, bevor ich nicht meine Siegel überprüft habe.«
Minato seufzte, gab aber kleinbei.
Auch wenn er wusste, dass Ōkami bereits jeden Millimeter des Hauses gründlichst abgesucht hatte, tat Tobirama noch einmal dasselbe. Die Diebe waren clever genug, einige seiner Siegel zu umgehen, aber doch nicht alle. Das war es gewesen, das ihn alarmiert hatte. Dass sie es immerhin geschafft hatten, ausgerechnet ihm etwas zu stehlen, zeigte in der Tat, dass sie nicht völlig unfähig waren. Idate allein wäre dazu jedoch nicht in der Lage gewesen, davon ging Tobirama aus. Er musste Hilfe gehabt haben, mindestens von diesem Aoi.
Kakashi erschien pünktlich zum Abendessen und Ibiki war noch immer nicht zurückgekehrt. Das fand Tobirama verdächtig. Das war nun schon über drei Stunden her, es konnte doch nicht so schwer sein, zwei Flüchtende ausfindig zu machen.
Zumindest Kakashi berichtete, dass sein Tag ruhig verlaufen war, und dann verbot Minato ihnen, auch nur noch ein weiteres Wort über die Arbeit am Abendbrottisch zu verlieren. Irgendwann einmal mussten sie auch abschalten, sagte er. Da war er ziemlich eisern, was das anging.
Tobirama fand dennoch lange keinen Schlaf in dieser Nacht. Seine Gedanken verweilten immer noch nach dem Diebstahl. Ja, es kratzte an seinem Stolz, dass zwei so unbedeutende Shinobi es geschafft hatten, ihm ausgerechnet das Schwert des Donnergottes zu stehlen. Aber vor allem sorgte es ihn, was sie damit anstellen konnten.
Er lauschte auf Minatos ruhige Atemzüge neben ihm. Minato war schon längst eingeschlafen, hielt aber selbst im Schlaf noch Naruto schützend in seinen Armen.
Tobirama wusste, dass Minato und Naruto einen schwierigen Start miteinander gehabt hatten, überschattet von Kushinas Tod. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen, es war klar, dass Naruto zu Minatos Lebensmittelpunkt geworden war. Für Minato gab es nichts wichtigeres als sein Sohn.
In seinem Schlaf wirkte Minato so entspannt, frei von Sorgen. Er hatte nur noch selten Alpträume von dem, was passiert war, und darum war Tobirama ganz besonders froh. Er war sich sicher, dass er Minato vor den allermeisten Gefahren würde schützen können, aber dagegen war er machtlos.
Aber vielleicht hätte er selbst dafür einen Weg gefunden. Für Minato hätte er es versucht.
Einer Intuition folgend beugte er sich vor und gab Minato einen Kuss auf die Schläfe. Dann legte er sich neben ihn und legte einen Arm um ihn und Naruto. Endlich fand auch er Ruhe in dieser Nacht.
Ibiki kehrte auch am nächsten Tag nicht zurück von seiner Mission und auch nicht, als die zweite Prüfung abgeschlossen war und die Sieger feststanden. Vier Teams hatten es geschafft, darunter auch die beiden aus Suna und Konoha, die dieses bemerkenswerte Bündnis geschlossen hatten.
Doch das war Tobirama derzeit herzlich egal. Ibiki war noch nicht wieder zurückgekommen und Tobiramas Schwert blieb weiterhin verschwunden.
Kurzerhand informierte er Minato darüber, dass er sich mit Team Ro selbst auf die Suche danach begeben würde.
»Du musst nicht alles selbst in die Hand nehmen, Tobirama«, sagte Minato. »Ich vertraue auf Ibiki, dass er das schon regeln wird.«
»Üblicherweise werden die Dinge aber erst so, wie ich das will, wenn ich selbst Hand anlege. Ich lass dir einen Doppelgänger da.«
Minato gab ihm einen mahnenden Blick. Tobirama zog dennoch nur eine Stunde später mit Team Ro aus.
Ōkami führte sie zu der Stelle, wo Ibiki die Verfolgung der Diebe aufgenommen hatte. Tobirama stieg auf ihren Rücken und dann eilten sie Ibikis Fährte nach, bevor sie noch kalt wurde. Es war ihr Glück, dass die letzten Tage sonnig und warm gewesen waren, Regen hätte die Suche erheblich erschwert.
Ōkami legte ein hohes Tempo vor, mit dem Kakashis Team jedoch mithalten konnte. Nur hin und wieder musste Ōkami anhalten, um erneut die Fährte aufzunehmen. Nach einigen Tagen war sie bereits schwächer geworden und nicht mehr so klar und deutlich, dass Ōkami ihr einfach nachlaufen musste.
Sie brauchten dennoch beinahe einen Tag, um ihr Ziel zu finden. Wie hatten Aoi und Idate so weit kommen können trotz all ihrer Verfolger?
»Ich wittere Rauch, der den Geruch der Spur überdeckt«, informierte Ōkami sie. »Aber zuletzt hat die Spur in dieselbe Richtung geführt, aus der ich nun den Rauch rieche.«
Sie näherten sich in langsameren Tempo, da sie annahmen, dass sie in der Tat ihr Ziel gefunden hatten. Der Wald hier war dicht und gab ihnen genügend Deckung, durch die sie sich schleichen konnten.
Rauch stieg über den Baumwipfeln auf und mittlerweile konnte auch Tobirama es riechen. Es musste ein großes Feuer sein.
Er behielt Recht. Vor ihnen öffnete sich der Wald zu einem lockeren Baumbestand. Entlang des Weges stand hier ein einzelnes Haus, das Reisenden als Unterkunft dienen konnte. Es brannte lichterloh und bereits griff das Feuer auf umstehende Bäume über.
»Wolf-san, hier drüben!«, informierte Sukea ihn.
Tobirama stieg von Ōkami und besah sich, worauf Sukea ihn hatte aufmerksam machen wollen. Wie sich herausstellte, hatte Sukea in einem Gebüsch die Körper derer ausfindig gemacht, die Ibiki mit auf die Verfolgung genommen hatte, Ibiki selbst war jedoch nicht dabei. Er prüfte den Puls. Definitiv tot. An den Körpern fand er charakteristische gezackte Brandwunden. Er kannte nur ein Schwert, das solche Wunden erzeugte.
»Hmpf«, kommentierte er den Fund missmutig. »Aber guter Fund, Rabe-san.«
Tobirama kniete sich hin und sandte seine Sensorfähigkeiten aus. Kakashi aktivierte ebenfalls sein Sharingan, um die Hütte vor ihnen zu begutachten. In den Flammen konnte Tobirama die Chakren dreier Personen ausmachen, zwei recht starke, die zu Jōnin gehören mussten, und ein mickriges, das nur einem Genin gehören konnte.
»Scheint so, als hätten wir unser Ziel gefunden«, kommentierte Kakashi.
Tobirama nickte.
»Wie lautet der Plan?«, fragte Kō.
Tobirama wandte sich an ihn. »Bär-san, du nimmst Rabe-san und Hase-san und sicherst die Umgebung für den Fall, dass Aoi Verstärkung hat. Mein Schwert gibt ihm einen Vorteil im Kampf, also denkbar, dass er diese Shinobi wirklich auf eigene Faust getötet hat. Aber sicher ist sicher. Hund-san, du wirst mir Rückendeckung geben. Ich werde das Feuer mit einem Suiton löschen, damit es keine Gefahr mehr darstellt, aber du wirst die Struktur des Hauses mit einem Doton unterstützen müssen, damit es nicht über unserem Ziel zusammenbricht. Ziel ist es, alle drei Personen lebend da herauszubekommen und Aoi und Idate für ein Verhör festzusetzen. Sollte einer von den beiden sterben, ist das tolerierbar. Verstanden?«
Alle vier nickten sie. »Verstanden.«
Tobirama prüfte den Sitz der verborgenen Klinge an seinem linken Unterarm. »Los!«
Kō, Sukea und Yuki stoben davon, Kakashi hielt sich hinter Tobirama. Mit einer raschen Folge von Fingerzeichen erzeugte Tobirama einen Wasserdrachen, der sich durch die Fenster hindurch in das Haus wand. Es zischte und fauchte, als das Wasser mit den Flammen in Berührung kam. Wasserdampf hüllte die Szenerie ein. Deswegen hatte Tobirama Kakashi bei sich haben wollen, weil dessen Sharingan dennoch durch den Dampf sehen konnte, und Tobirama selbst ließ sich davon nicht behindern. Nachdem Izuna ihm einmal zu oft einen Kinnhaken verpasst hatte, hatte Tobirama gelernt, sich nicht nur auf seinen Sehsinn im Kampf zu verlassen.
Das Haus schwankte unter dem Ansturm des Wasserdrachen und drohte einzustürzen. Die Struktur war bereits zu stark geschwächt, um länger standzuhalten. Kakashi erzeugte Erdsäulen, die die Balken des Hauses stützten.
Tobirama nutzte die Deckung des Wasserdampfes und schickte einen Doppelgänger vor, während er selbst aus einer anderen Richtung kam. Kakashi folgte dem Doppelgänger, um den Anschein zu wahren, dies sei der echte Körper. Sie stürmten das Haus, Kakashi und der Doppelgänger durch die Fronttür, Tobirama durch ein Seitenfenster.
In Sekundenschnelle griffen sie an. Das, was vom Wasserdrachen noch übrig war, löschte noch die letzten Feuerherde, da attackierten Kakashi und Tobiramas Schattendoppelgänger bereits Aoi. Er stellte derzeit die größte Gefahr dar. Idate war nur ein verängstigter kleiner Genin, der nicht begriff, was da vor sich ging, und sich nicht von der Stelle rührte.
Chidori zwitscherte, als Kakashi voranstürmte. Aoi reagierte im letzten Augenblick und blockte den Schlag mit dem Raijin no Ken ab. Die elektrische Klinge summte. Kakashi musste zurückweichen, doch die Lücke nutzte Tobiramas Doppelgänger sogleich für seinen Angriff mit einem Rasengan. Tobirama hatte immerhin in der Zwischenzeit geübt. Doch auch das konnte das Schwert abwehren. Tobirama hatte damit gerechnet, er wusste, was sein eigenes Schwert konnte.
»Hey, ich bin beeindruckt«, kommentierte Aoi. »Jetzt schickt Konoha sogar die Anbu, das muss euch ja ganz schön gepiesackt haben, dass ich euch das Spielzeug hier weggenommen hab. Aber solche Angriffe wirken gegen mich nicht, ich weiß, dass das Raijin no Ken alles durchschneiden kann, sogar Chakra.«
Warum mussten derlei Idioten immer mit ihren ach so bösen und doch dämlichen Plänen angeben? Na gut, so lange er redete, war er abgelenkt. Tobirama hielt ihm seine versteckte Klinge an den Hals.
»Das hast du richtig erkannt«, informierte er Aoi. »Und jetzt gibst du mir wieder, was mir gehört, haben wir uns verstanden? Eine Regung und du bist tot, die Klinge ist vergiftet.«
Aoi erstarrte. »Scheiße.«
Er hatte den Mund eindeutig viel zu voll genommen. Tobirama deutete mit dem Kinn auf Idate. »Hund-san, übernimm ihn.«
So einfach gab Aoi allerdings doch noch nicht auf, obwohl er doch gesehen haben musste, dass er Kakashi und Tobirama unterlegen war. Er zuckte mit den Fingern. Tobirama war schneller. Ein kräftiger Schlag mit der Handkante auf den Nacken und Aoi sackte bewusstlos zu Boden. Tobirama ließ ihn fallen. Wenn er mit Kopfschmerzen davon aufwachen sollte, geschah es ihm Recht.
Kakashi hatte indes Idate gepackt, ihm die Hände auf den Rücken gedreht und ihn gefesselt. Um sicher zu gehen, belegte er ihn noch mit einem Genjutsu. Idate sank in sich zusammen, ihn jedoch behandelte Kakashi etwas sanfter.
Ibiki hatte sich indes wieder auf die Beine gekämpft, trotz des Umstandes, dass er schwer verletzt war. An seinen Handgelenken konnte Tobirama Spuren von Fesseln ausmachen und Ibikis Kleidung war zerrissen. Sein Körper trug die Spuren von Folter, offensichtlich hatte Aoi Tobiramas Schwert gegen ihn eingesetzt. Am schlimmsten sah jedoch sein Gesicht aus. Seine Haare waren vollkommen verschmort und seine Haut gerötet. Sein Schädel war überzogen von Brandblasen. Er brauchte dringend Behandlung.
»Ich stehe in Ihrer Schuld, Wolf-san«, sagte er. »Das war Rettung in letzter Sekunde.«
»Das kann warten«, hielt Tobirama ihn auf. Er nahm sein Schwert wieder an sich, packte Aoi beim Nacken und schleifte ihn nach draußen. Ibiki und Kakashi mit Idate folgten.
»Bär-san!«, befahl Tobirama.
Sogleich war Kō bei ihm. Er mochte mit seiner bulligen Erscheinung nicht den Eindruck erwecken, dass er außer roher Gewalt noch andere Qualitäten besaß, doch in Team Ro war er für die medizinische Versorgung zuständig. Er begriff sofort, als er Ibiki sah, und machte sich an die Arbeit.
Sukea und Yuki kamen ebenfalls zusammen mit Ōkami zu ihnen, da mittlerweile klar war, dass außer Aoi und Idate niemand sonst hier war, der ihnen feindlich gesinnt war. Sie nahmen um Ibiki und die beiden Gefangenen herum Stellung auf, während Kō den im Gras sitzenden Ibiki behandelte.
»Ich habe das Raijin no Ken wohl doch unterschätzt«, gestand Ibiki. »Ich hätte nicht gedacht, dass es in den Händen eines einzelnen Kerls von mittelmäßigem Talent so viel Schaden anrichten kann.«
Tobirama deaktivierte die Klinge und versiegelte sein Schwert wieder in dem tätowierten Siegel an seinem Arm.
»Was ich bisher weiß, ist folgendes«, fuhr Ibiki fort. »Aoi ist ein Spion Kirigakures. Er hatte den Auftrag, das Schwert zu ihnen zu bringen. Idate hatte sich da als einfach zu manipulierender Komplize herausgestellt. Er hatte ihm gesagt, dass er doch noch Chūnin werden kann, wenn er ihm das Schwert bringen würde.«
»Man muss dem Bengel zumindest lassen, dass er es geschafft hat, trotz meiner Sicherheitsmaßnahmen bei mir daheim einzubrechen«, sagte Tobirama nüchtern.
Ibiki schüttelte Kōs Hände ab und verneigte sich vor Tobirama. »Ich erbitte Ihre Vergebung, dass ausgerechnet mein kleiner Bruder Ihnen so viele Scherereien bereitet hat, Wolf-san.«
»Er ist ein Narr, der mit mehr Glück als Verstand aus der Sache herauskam«, sagte Tobirama streng. »Dennoch wird er eine Strafe nicht umgehen können. Beide werden sie an Inoichi für ein Verhör übergeben.«
»Ich bitte darum, das selbst übernehmen zu dürfen«, sagte Ibiki. »Es war mein Bruder, der das anrichtete, ich will es wieder gut machen.«
»Nichts da, Sie brauchen ärztliche Behandlung«, widersprach Tobirama. »Wir sind zu weit von Konoha entfernt für ein Hiraishin, das heißt, wir werden laufen müssen. Fühlen Sie sich dazu in der Lage?«
»Ja.«
»Dann los.«
Nächstes Kapitel folgt mal wieder ein Zwischenspiel und schließ damit den zweiten Teil der Geschichte ab. Wir gehen zurück zu Minato und schauen, wie es ihm in der Zwischenzeit erging.
2. Zwischenspiel / My Demon
CN Gewalt, Blut, Gore, Tod
Naruto giggelte vergnügt, als er seine kleine Hand nach der Rassel ausstreckte, die Minato über ihn hielt. Pure Freude schien aus seinem kleinen runden Gesicht und seine eisblauen Augen funkelten. Er wusste nichts von all den Sorgen und Ängsten, die seinen Vater plagten. Er wusste nichts von dem Dämon, den Minato in ihnen eingeschlossen hatte. Noch war er nur ein kleines Kind, noch nicht einmal ein Jahr alt, dessen Welt einzig und allein aus Minato bestand.
»Na los, streng dich an. Du kannst das.«
Naruto war bereits in der Lage, sich an Möbelstücken hochzuziehen und für einen Moment zu stehen. Aber noch plumpste er recht schnell wieder um. Dennoch war er bereits eifrig dabei, das selbstständige Stehen zu üben. Nicht mehr lange, und er würde seine ersten Schritte tun. Wie aufregend das werden würde.
»Warte nur ab, wenn er alt genug ist, um zu begreifen, was du ihm angetan hast«, wisperte Kyubi in seinen Gedanken. »Du hast zugelassen, dass er ohne Mutter aufwächst und hast in ihm die Kreatur eingeschlossen, die ihm seine Mutter nahm. Sobald er nur alt genug ist, wird er sich von dir abwenden. Er wird dich hassen, dich verabscheuen, dich verfluchen.«
Seit ein paar Wochen war Naruto bereits eifrig dabei, seine Krabbelkünste auszubauen, und er war sehr schnell erstaunlich flink geworden. Schaute Minato einen Moment lang nicht hin, konnte es sein, dass Naruto ihm schon entwischt war.
»Er wird dir schneller entfliehen, als dir lieb ist.«
Minato rang sich ein Lächeln ab und fürchtete, dass es doch zu einer Grimasse verkam. Naruto bemerkte es nicht. Seine kleinen Finger öffneten und schlossen sich, und er versuchte noch immer, an die Rassel zu gelangen, mit der Minato ihn lockte. Naruto streckte sich. Mit einer Hand hatte er sich auf Minatos Knie abgestützt, der vor ihm am Boden saß, die andere griff nach dem begehrten Spielzeug, das sich gerade so außerhalb seiner Reichweite befand.
»Na los, großer Mann. Ich weiß, du kannst das.«
Naruto löste seine Hand von Minatos Knie und richtete sich auf. Er stand wacklig auf kleinen Pummelbeinen und drohte, gleich wieder umzufallen. Minato streckte seinen Finger aus, den Naruto ergriff, um sich darauf abzustützen. Jetzt endlich erreichte er die Rassel. Minato überließ sie ihm. Naruto quietschte vergnügt ob seines Erfolges und schüttelte begeistert die Rassel. Die Glöckchen klingelten wild.
»Bravo! Toll machst du das!«
Naruto war solch ein fröhliches Baby. Immerzu lachte er und war voller Energie. Alles war für ihn ein Abenteuer und wollte erkundet werden, bevorzugt mit dem Mund. Derzeit musste Minato aufpassen, dass das nicht seine Finger waren, denn Naruto bekam seine ersten Zähne, und das war schon mit ein paar dicken Tränchen verbunden gewesen.
»Wenn du das nur sehen könntest, Kushina …«
Das energetische Schütteln der Rassel brachte Naruto nun endgültig aus dem Gleichgewicht und er fiel um. Problemlos fing Minato ihn auf und setzte ihn sich auf den Schoß.
»Dada«, brabbelte Naruto und spielte weiter unbeirrt mit seiner Rassel.
Minato war überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Naruto sein erstes Wort sagen würde (und Minato hoffte natürlich, dass es »Papa« lauten würde und nicht »Wolf«), aber Tobirama war der festen Meinung, dass er sich da zu früh freute und sich noch etwas würde gedulden müssen. So sehr Minato ihn auch liebte, manchmal konnte Tobirama ein echter Spielverderber sein.
»Du hintergehst Kushina. Du flüchtest dich in die Arme eines anderen. Sie war noch nicht einmal kalt, da wolltest du dich schon von jemand anderen vögeln lassen.«
Minato griff nach dem Plüschwolf. Das Stofftier hatte sich schon sehr schnell zu Narutos Lieblingsspielzeug gemausert, und wenn er nicht gleich bei Ōkami schlief, dann nur mit seinem Plüschtier. Er liebte es, wenn Minato mit dem weichen Stoff über sein Gesicht strich.
Minato hatte den Wolf erst heute morgen in die Wäsche getan, was er regelmäßig machen musste, weil Naruto das Plüschtier viel zu gern vollsabberte. Naruto hingegen mochte den Geruch des Waschmittels an seinem Spielzeug nicht wirklich und begegnete dem, indem er der Wolf mal wieder einer intensiven Untersuchung durch seinen Mund unterzog. Was dazu führte, dass der Plüschwolf nur umso schneller wieder in der Wäsche landete. Minato hatte noch kein Waschmittel gefunden, mit dem Naruto einverstanden war. Kleiner Sturkopf.
»Wenn das so weiter geht, wirst du wirklich noch ein halber Wolf. Ich weiß nicht, ob ich damit einverstanden bin.«
Naruto zog das Plüschtier in seine Arme und hatte plötzlich nicht genug Hände, um mit dem Plüschtier und der Rassel zugleich zu spielen. Das mit der Koordination konnte noch immer etwas schwierig sein.
»Bist du damit einverstanden? Natürlich bist du das. Ōkami-san ist weich und warm, das liebst du.«
Draußen wurden die Schatten lang. Ein weiterer Tag voller Abenteuer für Naruto und voller Scherereien für Minato ging zu Ende. Naruto wurde nach und nach leiser, Zeichen genug, dass er müde wurde. Zeit für sein Abendessen. Er bekam mittlerweile fast nur noch Babybrei, was jedes Mal ein Abenteuer war, weil Naruto darauf bestand, den Löffel selbst zu halten. Der fand dann allerdings selten sein Ziel, und Minato musste doch nachhelfen.
Naruto hatte nie Muttermilch erhalten. Anfangs hatte sich Minato schrecklich darum gesorgt, dass das ein Problem werden würde, aber die Kinderärztin hatte gesagt, dass es genügend Ersatzmittel gab, sodass er kein Grund zur Sorge haben brauchte. Ein paar Restbedenken waren dennoch verblieben.
Minato tat, was er nur konnte, um seinen Sohn mit all der Liebe zu überschütten, die er hatte, aber seine Mutter würde er nie ersetzen können. Sie hatten im Vorfeld dutzende Ratgeber gekauft, und sie alle sprachen von der Mutter als der engsten Bezugsperson für das neugeborene Baby. Hinzu kam, dass er fürchtete, dass er für Naruto nicht so oft da war, wie er sollte. Dass er ihn zu oft in der Obhut anderer ließ, einfach weil er ihn nicht überall mit hinnehmen konnte. Was, wenn Naruto Trennungsängste erlitt? Oder er nicht in der Lage war, eine enge Bindung zu seinem Vater zu entwickeln?
»Du hast versagt. In dem Moment, in dem Naruto das Licht der Welt erblickte, hast du versagt. Du ergingst dich in deinem eigenen Kummer und gingst lieber deinen eigenen Gelüsten nach, statt für deinen Sohn dazusein. Du warst selbstsüchtig, als du es am wenigsten hattest sein dürfen.«
Minato schlang die Arme fest um Naruto. So ein kleines Würmchen, das doch nichts von all dem Leid in der Welt verstand. Es verstand nicht, dass es ein jinchūriki war. Es verstand nicht, dass ein Dämon in ihm schlummerte. Es verstand nicht die Last, die Minato auf seinen viel zu kleinen Schultern abgeladen hatte. Es verstand nicht, aber es würde leiden, und Minato konnte nichts dagegen unternehmen, denn er hatte dieses Leid verursacht.
Naruto quengelte unruhig. Minato zog die Beine an die Brust und beugte sich so schützend wie nur möglich über seinen Sohn. Er hielt ihn dicht bei sich, mit einer Hand auf seinem blonden Haarschopf, und gab ihm tausend Küsse auf die Stirn, die doch nicht die Leere füllen konnten, die Kushina hinterlassen hatte.
»Verzeih mir«, wisperte er unter Tränen. »Ich habe dir alles genommen. Mutter, Liebe und eine Zukunft. Alles. Verzeih mir.«
Nun weinte auch Naruto. Minato konnte sich gar nicht vorstellen, was für einen immensen Schaden dieses Trauma an einer so jungen Seele hinterlassen haben mochte, und er wusste nicht, wie er das jemals wieder würde gutmachen können.
»Hasse mich. Verfluche mich. Du hast jedes Recht dazu. Aber ich werde immer da sein, um dich zu schützen. Immer. Und wenn es das letzte ich, was ich tue.«
Naruto weinte, weil er nicht verstand, was hier passierte, und die Trauer seines Vaters spürte. Minato wiegte ihn sanft und machte leise Geräusche, um ihn wieder zu beruhigen. Er zwang sich, durch seine Tränen hindurch zu lächeln, obwohl er sich gerade überhaupt nicht danach fühlte. Er wollte weinen, weinen, weinen, sich die Augen aus dem Kopf weinen, bis in ihm nichts mehr war, nichts, das noch Trauer empfinden konnte. Nichts. Nur Leere.
Er summte eine ruhige Melodie. Naruto hickste und allmählich versiegten seine Tränen.
»Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein«, sang Minato leise und wusste doch nicht, für wen er das hier sang. »Ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein. Nichts ist von Dauer, wenn‘s keiner recht will. Auch die Trauer wird dasein, schwach und klein.«
Naruto wurde ruhig. Alle Emotionen fielen von Minato ab. Er wusste, dass der Fremde hinter ihm eine blanke Klinge in der Hand hielt.
»Eine hübsche Melodie«, sagte der Fremde.
Er wusste auch, dass der Mann nicht allein war. Sieben an der Zahl waren sie, die sich in sein Haus geschlichen hatten. Draußen war niemand mehr. Narren. Dachten, sie könnten ihn überraschen. In seinem eigenen Heim.
Minato rührte sich nicht. »Soll ich dir noch etwas singen?«
»Es wird das letzte sein, was du tust, Gelber Blitz.«
Naruto regte sich unruhig. Angst lag in seinem Blick, als er zu seinem Vater aufsah. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. Das erweckte mit einem Mal eine unbändige Wut in Minato. Wie konnten diese gemeinen Verbrecher es wagen, seinen Sohn zu ängstigen?
»Ja. Ja. Gib ihm nach, dem Zorn, der Wut. Dem Blutdurst. Töte sie, bevor sie dich töten.«
Ganz sanft legte Minato seinen Sohn ab. »Papa ist gleich wieder für dich da«, wisperte er und gab Naruto einen Kuss auf die Stirn. Dann erhob er sich.
Er war unbewaffnet, aber nicht mehr für lang. Einer der Narren stand ganz nahe bei einer seiner Markierungen. Es wäre sein letzter Fehler.
»Wir wissen, wer du bist«, sagte der Fremde. »Also glaub ja nicht, wir würden dich unterschätzen.«
»Ach.« Minato warf ihm einen Blick über die Schulter zu.
Sie waren gekommen, um ihn zu töten. Er brauchte keine weiteren Fragen zu stellen. Früher oder später hatte es ja passieren müssen.
»Gib deinen dunklen Gelüsten nach. Stehe zu dem, was du bist. Du bist geschaffen, um zu töten. Wate in ihrem Blut. Entweder du oder sie. Entfessle das Biest. Werde eins mit dem Dämon. Kämpfe nicht dagegen an.«
Minato verschwand in einem Hiraishin und tauchte sogleich bei seinem ersten Opfer auf. Der Mann fluchte und weiter kam er nicht, als Minatos Faust auch schon in seinen Zähnen landete. Es knirschte befriedigend. Minato schlug noch einmal zu und zielte dieses Mal auf das Nasenbein.
Ein weiterer Meuchelmörder rannte herbei und schlug mit seinem Tanto nach Minato. Der tauchte unter dem Schlag weg und rammte dem Mann seinen Ellbogen in die Eingeweide. Die Klinge fuhr über seinen Kopf hinweg und blieb wirkungslos im Türrahmen stecken. Sein Angreifer klappte in der Mitte zusammen. Der erste versuchte nach Minato zu greifen, doch da war er schon wieder verschwunden und tauchte bei seinem nächsten Gegner auf. Und jetzt hatte er eine Klinge in der Hand.
Er hatte sie seinem ersten Opfer entrissen noch in dem Moment, als er auf ihn eingeschlagen hatte. Die Angreifer schrien. Ihr Anführer brüllte im vergeblichen Versuch, Ordnung in das Chaos zu bringen, einen Befehl. Doch da war es schon zu spät.
Blut spritzte. Röchelnd sank einer der Männer zu Boden. Seine Kehle klaffte weit offen. Es war solch ein befriedigender Anblick.
»Ja!«, brüllte Kyubi. »Ja, das ist es, was du willst! Du willst deinen Sohn schützen? Weide sie aus, reiße und zerfetze.«
Naruto schrie, helle, durchdringende Schreie eines winzigen, wehrlosen Wesens, das instinktiv wusste, dass etwas Furchtbares passierte. Eine unbändige Wut erfasste Minatos ganzes Wesen, durchdrang jede Faser seines Körpers.
»Wie könnt ihr es wagen?«, zischte er. »Wie könnt ihr es wagen, meinen Sohn zu ängstigen?«
»Na los, Leute! Er ist nur einer!«, rief der Anführer.
Die verbliebenen Meuchelmörder umzingelten Minato. Zwei von ihnen nahmen ihn in die Zange, einer von vorn, einer von hinten. Minato verschwand in dem Moment, als sie zuschlugen. Statt ihm rammten sie sich gegenseitig schreiend ihre Klingen in die Leiber.
Jetzt versuchte es derjenige, dem Minato zu Beginn das Gesicht eingeschlagen hatte. Er bleckte seine blutigen Zähne in einer kampfeslustigen Grimasse. Das Messer, das Minato ihm entrissen hatte, war nicht seine einzige Waffe gewesen, und schon traf Stahl auf Stahl. Statt jedoch den Druck zu erwidern, den der Mann auf ihre gekreuzten Klingen ausübte, ließ sich Minato nach hinten fallen und nutzte seinen eigenen Schwung, um dem Mann kräftig unters Kinn zu treten. Noch mehr Zähne flogen davon. Mit einem eleganten Salto kam Minato wieder auf die Beine und sprang sogleich nach vorn, um mit einem gezielten Schlag auf den Kehlkopf seine Beute endgültig zu Fall zu bringen. Der Mann hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit zum Schreien.
Einer der Verblieben hatte dies genutzt, um einen Angriff von hinten zu starten. Die verblieben drei Männer standen alle auf einem Haufen. Minato tauchte mitten unter ihnen auf und stieß dem Angreifer die Klinge in die Niere. Mit einem Ruck riss er sie nach oben, riss dem Mann die Flanke auf und zerfetzte ihm die Gedärme. Blut ran ihm über die Hände, warm und samten. Noch bevor die zwei letzten reagieren konnten, war er schon wieder verschwunden.
Er konnte ihre Furcht riechen, ihre Panik, ihre nackte Todesangst. Das hier lief ganz und gar nicht so, wie sie sich das gedacht hatten.
»Scheiße!«, fluchte der Angreifer und schob seinen letzten Begleiter vor sich. Nicht gerade kameradschaftlich.
Kalter, tödlicher Zorn brannte in Minato. Er hatte nicht vor, Gnade mit ihnen walten zu lassen. Sie sollten sich vor Angst einpissen, würdelos von dieser Welt gehen. Dieser menschliche Dreck hatte nichts Besseres verdient.
Er brauchte nicht einmal ein Hiraishin, um den vorletzten auszuschalten. Er konnte auch so nicht mit Minatos Geschwindigkeit mithalten. Schneller, als er wohl selbst begreifen konnte, klatschten seine Gedärme auf den Boden. Erst einige Augenblicke später fing er zu schreien an, schrille, unmenschliche Schreie, die durch Mark und Bein gingen. Er schrie und schrie und schrie und verstummte dann abrupt, als Minato ihn enthauptete. Dumpf prallte der Körper zu Boden.
»Keinen Schritt weiter!«
Plötzlich waren Narutos Schreie das einzige, was zu hören war. Minato erstarrte. Der letzte, der noch übrig war, war der Anführer. Als Minato noch mit seinem Lakaien beschäftigt war, hatte er sich Naruto geschnappt. Er war zurückgewichen, dabei achtlos über das am Boden liegende Spielzeug getreten und stand nun auf Narutos Babydecke. In seiner Hand blitzte eine blanke Klinge auf, die er dem Baby an die Kehle hielt.
»Zuck auch nur mit einem Finger und das Balg stirbt.«
»Töte!«, brüllte Kyubi. »Töte! Töte! Töte!«
Der Kerl hatte unterschätzt, was Minato alles für sein Hiraishin markiert hatte. Selbst jetzt noch machte er den Fehler, Minato maßlos zu unterschätzen. Minato griff nach der Markierung auf der Decke. Der Mann sah nicht einmal, was da auf ihn zukam, und schon hatte Minato seine Fesseln zerschnitten und trat in derselben Bewegung seinen Brustkorb ein, um ihm Naruto zu entreißen. Schreiend ging der Mann zu Boden.
Sanft legte Minato seinen Sohn ab. Nun eilte ihn nichts mehr, also ließ er sich Zeit, als er zu seinem letzten Opfer zurückging. Verzweifelt versuchte der Mann wieder auf die Beine zu kommen, aber sie trugen ihn nicht mehr. Er stürzte wieder zu Boden. Panisch tastete er in seiner Tasche nach weiteren Waffen, die er werfen konnte, doch da war Minato schon über ihm und zertrümmerte ihm unter seiner Ferse erst das eine Handgelenk und dann das andere. Er kniete sich über sein nun vollkommen wehrloses Opfer und hielt ihm die Klinge an die Wange. Eisige Rache brannte in seinen Augen.
»Ich soll singen, sagst du, ja? Ich habe ein Schlaflied für dich. Es wird das letzte sein, was du hören wirst, also hör gut zu«, sagte Minato leise.
Die scharfe Klinge schlitzte dem Mann die Wange auf, Blut rann ihm über das Gesicht.
»Wölfe unter den Bäumen schlummern, Fledermäuse im Winde schwingen. Doch eine Seele wacht voller Furcht vor Ghulen und Weibern und derlei Gemurch.«
Noch als er sang, nahm Minato die Klinge weg und setzte sie erneut am Bauch seines Opfers an, während er ihn noch immer mit seinem eigenen Gewicht am Boden hielt. Der Mann zappelte verzweifelt, doch seine nutzlosen Beine und Hände ließen keine nennenswerte Gegenwehr zu. Er atmete hektisch. Seine Augen waren weit aufgerissen.
»Scheiße!« Seine Stimme überschlug sich. »Was für ein sadistischer Psychopath bist du?!«
»Mein hübsches Püppchen, schließe deine Augen. Liege still, liege ruhig, weine nicht.« Minato lächelte, als er die Klinge in den Leib des Mannes unter sich sinken ließ. Ganz langsam, er sollte doch genau sehen, wie er endete.
Der Mann schrie und seine Schreie wurden immer schriller und panischer, je tiefer die Klinge sank. Er rollte mit den Augen, und dann quollen sie ihm beinahe aus dem Kopf, als Minato ihm ganz langsam den Bauch aufschlitzte, einmal über die gesamte Breite.
Mit einer raschen Drehung des Handgelenks schlitzte Minato dem Mann die Kehle auf. Die Schreie endeten abrupt. Eine Blutlache breitete sich unter ihm aus und durchtränkte Minatos Kleidung. Auch seine Hände waren blutbefleckt und im Gesicht hatten ihn ebenso Spritzer getroffen. Doch darum konnte er sich später kümmern. Jetzt war nur wichtig, dass Naruto sich wieder beruhigte.
Er kniete sich neben sein Baby und zog es in seine Arme. Sanft wiegte er Naruto und drückte ihm immer wieder Küsse auf die Stirn.
»Schhh, schhh. Alles gut. Papa ist da. Dir kann nichts passieren.«
Er strich Naruto über die Wange, auch wenn er ihm damit ebenfalls mit Blut beschmierte.
So fand ihn Tobirama. Er musste den wiederholten Gebrauch von Hiraishin bemerkt haben und hatte sich wohl denken können, dass etwas passiert war. Mit nur einem Blick erfasste er die Situation. Wortlos kniete er sich zu Minato und zog ihn in seine Arme.
»Geht es euch gut?«
Minato lächelte und schmiegte sich wohlig seufzend an Tobirama. Das dunkle Timbre seiner Stimme schaffte es immer wieder, ihn zu erden. Tobirama hatte doch eigentlich die beiden Deserteure jagen wollen, er war doch selbst auf einer Mission. Und dennoch war er zurückgekommen, um nach Minato zu sehen.
»Er wird dir nie geben, wonach es dich begehrt. Du verzehrst dich nach etwas, das er dir auf immer verweigern wird.«
»Ja, alles bestens. Naruto hat nur einen Schrecken bekommen, das ist alles.« Minato lächelte noch immer. Tobirama sollte sich keine Sorgen machen müssen.
Die Anspannung fiel sichtlich von Tobirama ab. Er küsste Minato auf sein Haar. Dann sah er zu den Leichen, das Blut, das im Holzboden versickerte, die zertrümmerten Gliedmaßen, die offenliegenden Gedärme.
»Wer waren sie?«
Minato zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Sie waren sehr unhöflich und haben sich nicht vorgestellt.«
Naruto schrie noch immer. Vielleicht war es der Geruch nach Tod, der ihn so ängstigte.
Tobirama gab ihm noch einen Kuss, dann stand er auf und ging zu einem der Toten. Er besah sich den Körper, sah den zertrümmerten Kehlkopf und ging dann zu der nächsten Leiche. Minato beobachtete ihn und fragte sich, wonach Tobirama suchte.
Er erhielt seine Antwort, als Tobirama dem Toten mit einem sauberen Schnitt den Brustkorb öffnete und hineingriff. Minato runzelte die Stirn. Was machte Tobirama da?
Der Tote zuckte mit einem Male wieder. In unnatürlichen Winkeln standen seine Glieder ab und er röchelte.
»Ich weiß, dass ihr Suna-nin seid«, sagte Tobirama in seinem Befehlston. »Seid ihr im Auftrag des Kazekage hier?«
Der Tote stöhnte gequält. »Hng. Nnnnnnn …«
»Lüg mich nicht an!«, knurrte Tobirama.
»Jaaaa«, hauchte der Tote.
»Na endlich einer, der redet. Warum will Rasa Minato tot sehen?«
»Ahhhh … Iiich …« Der Rest seiner Worte ging in unverständliches Röcheln über. Noch einmal zuckte der Tote. Dann lag er wieder still.
Tobirama gab einen missmutigen Laut von sich. »Der Rest von denen taugt zu nichts mehr.«
Minato war erstaunt, dass er nicht beunruhigter von dem war, was er da gerade gesehen hatte. Immerhin hatte Tobirama gerade mit dem Arm bis zur Schulter in einem Toten ebenjenen wieder zurück ins Leben geholt. Das war nichts, das ein gewöhnlicher Shinobi tagtäglich machte. Ganz im Gegenteil sah es verdächtig nach einem Kinjutsu aus.
»Sagst du mir, was du da gerade gemacht hast?«
Tobirama stand wieder auf und ließ die Toten, wo sie waren. Minato erhob sich ebenfalls und trat zu ihm.
»Als du das letzte Mal gefragt hattest, wolltest du keine Details wissen«, sagte Tobirama ausweichend.
»Er hat Geheimnisse vor dir. Nicht einmal dir vertraut er«, wisperte Kyubi. »Er weiß, wie sehr du noch immer um Kushina trauerst. Wie sehr du dir wünscht, sie würde noch leben. Er weiß das und sagt dir doch nicht, dass er ein Jutsu kennt, um sie vollständig wiederzubeleben. Er könnte dir Kushina wiedergeben und tut es doch nicht.«
Minato erstarrte.
»Edo Tensei.«
Tobirama zog ihn wieder in seine Arme, wohl um gleichermaßen Kraft daraus zu ziehen, wie er Minato damit gab. »Was für ein Durcheinander. Du siehst furchtbar aus. Geh dich waschen, und ich schick ein paar meiner Leute, die hier aufräumen sollen.«
Minato schüttelte das ungute Gefühl ab, das ihn ob Kyubis Worten beschlich. Nein, darüber wollte er nicht weiter nachdenken, er verbot es sich. Denn wenn es stimmen würde … Er legte Tobirama eine Hand in den Nacken und küsste ihn.
Tobirama erwiderte den Kuss, wie er es immer tat, und Minato versank darin. Ihn scherte es nicht, dass er noch immer mit Blut besudelt war und es hier nach Innereien stank. Ihn scherte es nicht, dass er soeben erst sieben Menschen niedergemetzelt hatte, als sei nichts dabei gewesen. Ihn scherte es nicht, dass der Kazekage höchstselbst ein Attentat auf ihn befohlen hatte. Das waren Sorgen, die warten konnten. Jetzt wollte er nichts weiter, als in die Arme des Mannes zu sinken, den er liebte.
Als sie sich wieder voneinander lösten, musterte Tobirama Minato eindringlich. Sorge stand in seinen roten Augen geschrieben. Es erfüllte Minato immer wieder mit Wärme, wie Tobirama seine kühle Fassade ausgerechnet bei Minato fallen ließ. Dass er Minato erlaubte, seine sanfte Seite zu erleben.
»Minato, ich will, dass du zu mir ziehst.«
Minato lächelte und legte ihm eine Hand auf die Wange. »Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen.«
»Ich weiß, dass du sehr gut auf dich allein aufpassen kannst«, widersprach Tobirama. »Aber denk auch an Naruto. Stell dir nur einmal vor, was wäre, wenn du heute nicht bei ihm gewesen wärst.«
Minato sah auf seinen Sohn hinab. Naruto hatte indes aufgehört zu schreien, aber er machte noch immer keinen glücklichen Eindruck. Zart strich er ihm mit einem Finger über die Wange. Ja, Tobirama hatte Recht.
»Ich verbringe mittlerweile ohnehin mehr Zeit bei dir als in meinem eigenen Heim.«
Tobirama nickte. »Geh jetzt und überlass mir den Rest hier.«
Voller Liebe sah Minato zu ihm auf und lächelte. Über alles weitere wollte er jetzt nicht nachdenken.
Er würde nur in die Abgründe seiner eigenen Seele blicken.
Der Titel ist von My Demon von Stitched Up Heart, das erste Lied zitiert aus Als ich Fortging von Karrussell und das zweite aus Lullaby of Woe aus dem Witcher 3: Blood and Wine Soundtrack
Nächstes Kapitel: Ein paar Suna-nin haben ein paar arge Probleme.
Teil 3, Kapitel 1: Valkyria
CN Gewalt, Blut, Gore, Tod
Minato hatte sämtliche Suna-nin, die derzeit im Dorf weilten, in den Audienzraum beordert, wo er nun auf sie wartete. Er saß vor dem Flammenornament auf einem Kissen und trug zu diesem Anlass nicht nur seinen Mantel, sondern auch seinen Hut, was er recht selten tat. Er wollte wohl noch einmal besonders unterstreichen, wen diese Attentäter hatten töten wollen.
Tobirama und Kakashi flankierten ihn und auch Ōkami stand bei ihm mit gesenktem Kopf und angelegten Ohren. Der Rest von Team Ro stand bei der Tür. Sie alle trugen ihre vollständige Anbu-Ausrüstung.
Tobirama hatte die Leichen gesehen, die Minato zurückgelassen hatte, und fragte sich seitdem, ob er besorgt über deren Zustand sein sollte. Ihnen einfach die Kehlen aufzuschlitzen, hatte Minato offensichtlich nicht gereicht. Und dann fragte sich Tobirama, was es über ihn aussagte, dass er sich nicht daran gestört hatte.
Genma und Raidō führten die Suna-nin herein, allesamt, die Genin und ihre Betreuer. Sie wussten ja nicht, wer von ihnen allen in diese Sache verwickelt gewesen war. Das würde sich hoffentlich in den nächsten Augenblicken klären.
Tobirama hätte wirklich auf mehr Aufregung verzichten können. Erst die Sache mit Aoi, der sich als Spion Kiris herausgestellt hatte, und jetzt das hier. Kaum blickte er einmal nicht hin, schon meinten irgendwelche Arschlöcher, ihr Glück gegen Minato versuchen zu müssen. Er hatte ja von Anfang an Bauchschmerzen dabei gehabt, so viele fremde Ninja ins Dorf zu lassen.
Die Suna-nin wirkten irritiert ob der Order, beim Hokage vorzusprechen, und wenn sie es nicht waren, dann täuschten sie es gut vor. Ōkami grollte dennoch warnend, ein deutliches Zeichen, jetzt ja nichts Dummes zu versuchen oder sie würde ihre Fänge in die Eingeweide des erstbesten Feindes versenken, dessen sie habhaft werden konnte.
Ein älterer Mann mit ergrautem Haar und violetter Kleidung trat dennoch vor. Auf seiner Kleidung prangte ein Wappen bestehend aus drei stilisierten tomoe, doch Tobirama erkannte den Clan nicht.
»Hokage-sama, was hat das zu bedeuten?«, verlangte er zu wissen. »Es ist bereits später Abend.«
»Shirogane Ibushi, das müsste ich Sie fragen«, erwiderte Minato in einem lockeren Ton. Er gab Kakashi ein Zeichen.
Kakashi hatte bis jetzt einen Sack bei sich getragen, den er nun den Suna-nin vor die Füße warf. Der Sack landete mit einem schweren Geräusch, öffnete sich und heraus rollten zwei der sieben Köpfe der Attentäter. Ein Raunen ging durch die Suna-nin.
»Diese sieben Männer haben heute versucht, mich zu töten«, fuhr Minato fort. »Es ist ihnen offensichtlich nicht gelungen. Ich weiß, dass sie aus Sunagakure stammten und im Auftrag des Kazekage handelten, also besteht kein Anlass, es zu leugnen. Jetzt will ich wissen, wer noch in diese Sache involviert ist und was dahinter steht. Warum greift Rasa mich an? Ich rate Ihnen, nicht zu lügen, ansonsten wird Ōkami sehr ungemütlich.«
Einer der Genin rührte sich. Es war einer derer, die Tobirama die Allianz mit den Konoha-nin hatte schließen sehen. »Das ist mein alter sensei Shigeru!«, sagte der Junge erstaunt und schockiert.
»Halt den Mund, Makoto!«, schnauzte Ibushi ihn an.
»Aber nicht doch«, widersprach Minato. »An der Geschichte bin ich interessiert.«
Makoto sah unsicher zwischen Minato und Ibushi hin und her und wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte.
»Hokage-sama, ich bedauere zutiefst, was vorgefallen ist«, sagte Ibushi einen Hauch zu hastig. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir nichts damit zu schaffen haben. Shigeru wurde schon vor Monaten als Abtrünniger verbannt.«
Tobirama behielt Makoto im Blick. Dessen Augen weiteten sich einen winzigen Moment lang und Unglaube, gefolgt von Empörung flackerte in seinem Chakra auf. Ibushi log.
»Ist das so?«, sinnierte Minato. Noch immer schlug er einen lockeren Plauderton an. »Warum habe ich dann Indizien dafür, dass der Kazekage ihn geschickt hat, wenn er doch eigentlich ein Verbannter ist?«
»Hokage-sama, ich weiß nicht, aus welcher Quelle Sie das erfahren haben wollen, aber ich schwöre, dass diese Männer aus eigenem Antrieb heraus handelten. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
Nichts als lahme Ausreden von Ibushi.
»Aber Sie würden sicher sehr gern erfahren, woher ich das weiß, nicht wahr?« Minato fasste ihn fest in den Blick. »Sie würden überhaupt gern eine ganze Menge über Konoha in Erfahrung bringen, und da war das hier die perfekte Gelegenheit. Ihre Genin mögen vielleicht nicht in den ganzen Plan eingeweiht sein, vielleicht haben zumindest sie mit dem Attentat wirklich nichts zu schaffen. Sie sind jedoch damit beauftragt, Informationen zu sammeln von den anderen Teilnehmern der Prüfungen. Deswegen hat Makotos Team dieses ungewöhnliche Bündnis bei der zweiten Prüfung angestrebt. Zugegeben, eine bemerkenswerte Leistung, das muss man ihnen lassen. Aber Sie, Ibushi-san, haben mit diesen toten Männern hier zusammengearbeitet und jetzt fallen Ihnen nicht einmal gute Ausreden ein. Dabei dachte ich, die Dörfer hätten sich darauf geeinigt, die Prüfungen als Chance zu nutzen, einander näher zu kommen, statt alte Feindschaften zu befeuern. Noch weiß ich nicht, was genau Rasa vorhat, aber so viel ist mir bereits klar.«
Ibushi war bei diesen Worten sichtlich ins Schwitzen geraten. Das konnte nicht mehr als eine fundierte Vermutung Minatos sein, aber offenbar war sie nahe genug an der Wahrheit dran.
»Um des lieben Friedens willen will ich Sie alle nicht auf der Stelle exekutieren lassen, aber dennoch werde ich Sie festsetzen, bis die ganze Sache geklärt wurde«, informierte Minato sie.
Ibushi spannte sich an. »Rückzug!«, befahl er seinen Leuten. »Wir sind aufgeflogen!«
Sie flohen mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
Minato erhob sich. »Darauf hatte ich irgendwie gehofft, langsam wurde es langweilig.« Er setzte seinen Hut ab. »Valkyria fliegt durch die Himmel.«
Dann war er verschwunden.
»Verfolgt sie!«, befahl Tobirama Team Ro und folgte Minato sogleich, indem er die Markierung nutzte, die er in Minatos Siegel eingearbeitet hatte.
Die Suna-nin hatten es immerhin aus dem Turm heraus geschafft, bis Minato und Tobirama sie stellten. Sie versperrten ihnen den Weg, als sie sich selbstbewusst auf die Straße stellten. Hinter ihnen rannte Ōkami die Haupttür ein, als sie ebenfalls nach draußen stürmte und den Feinden somit in den Rücken fiel.
»Töten oder am Leben lassen?«, erkundigte sich Tobirama.
»Wenn ein paar drauf gehen, ist es wohl nicht allzu schade drum«, sinnierte Minato. »Aber die Genin nehmen wir nicht so hart ran, das wäre unfair.«
Auf Tobiramas Pfiff hin stürmte Ōkami voran und riss den erstbesten Feind zu Boden. Ihre gewaltigen Kiefer zerfetzten ihm mit Leichtigkeit die Kehle. Blut spritzte und besudelte ihr weißes Fell. Wohl mehr zur Abschreckung als alles andere vergrub sie ihre Fänge in den Eingeweiden des Toten und riss seine Gedärme heraus.
Sie hatte immer noch einen gewissen Ruf, und der kam nicht von ungefähr.
Zumindest auf die kleinen Genin hatte es den erwarteten Effekt, sie erstarrten vor Angst. Die verblieben drei Jōnin nahmen eine Verteidigungsstellung ein.
»Reißt euch zusammen!«, fuhr Ibushi die Genin an.
Wenn sie klug wären, flohen sie, sie konnten es nicht gegen Tobirama und Minato zugleich aufnehmen. Aber sie hatten Tobirama anscheinend noch nicht erkannt, was ja auch eigentlich Sinn und Zweck der Masken der Anbu war.
»Der Shirogane-Clan ist für seine Puppenspielerkünste bekannt«, informierte Minato Tobirama. »Der Rest von ihnen sollte keine besonderen Fähigkeiten besitzen.«
Tobirama eröffnete den Kampf mit einem Suiton. Die Suna-nin stoben auseinander, und Minato nutzte die Ablenkung und warf seine Kunai, um den Kampfplatz für ihrer beider Hiraishin zu markieren. Ibushi warf eine Schriftrolle aus und aktivierte das Siegel, das darauf geschrieben stand. Drei Puppen erschienen. Tobirama konnte die dünnen Chakrafäden spüren, mit denen Ibushi sie steuerte. Er wusste nicht allzu viele Details über diese Technik, aber er hatte die starke Vermutung, dass, wenn er die Fäden durchtrennte, Ibushi die Kontrolle über seine Puppen verlor.
Zwei der Puppen hatten annähernd menschliche Formen, die dritte ähnelte einem Salamander mit einem Rückenschild. Puppen konnten nach Belieben verändert werden, je nach mechanischen Fähigkeiten des Puppenspielers. Tobirama ging davon aus, dass die beiden menschenähnlichen Puppen offensive Fähigkeiten besaßen, während der Salamander der Verteidigung diente. Es würde sich zeigen, was für ein Arsenal sie tatsächlich besaßen.
Zunächst jedoch würde er sich der beiden anderen Jōnin annehmen. Er griff nach einer der Markierungen und tauchte bei seinem ersten Ziel auf. Dieser Mann trug einen gigantischen Fächer bei sich, wie es viele in Sunagakure taten; im Laufe der Jahre hatte sich eine besondere Neigung zu Fūton unter den Bewohnern des Wüstendorfes herauskristallisiert. Tobirama erwies sich jedoch als zu schnell, als dass der Mann seinen Fächer hätte nutzen können.
»Shunshin!«, brüllte er noch, dann landete Tobiramas Faust zwischen seinen Augen.
Sollten sie nur denken, er würde einfach nur Shunshin anwenden, dann würden sie ihn weiterhin unterschätzen.
Der Mann ging zu Boden wie ein gefällter Baum. Tobirama ging sogleich zum nächsten über, welcher ein Kunai gezückt hatte. Tobirama tat es ihm gleich, und klirrend trafen die Klingen aufeinander. Mit einem weiteren Hiraishin war Tobirama schon im nächsten Moment wieder verschwunden, sein Gegner blieb verwirrt zurück.
Team Ro hatte mittlerweile ebenfalls den Kampfplatz erreicht. Tobirama erschien bei ihnen.
»Übernehmt die Genin«, befahl er ihnen. »Nehmt sie fest, aber fügt ihnen möglichst keinen Schaden zu.«
»Verstanden!«
»Rückzug!«, befahl Ibushi seinen Leuten. »Lasst euch nicht in einen Kampf verwickeln.«
Schlau, aber so einfach würden sie nicht davonkommen.
Ibushi gab seinen Leuten mit seinen Marionetten Rückendeckung. Minato griff sie frontal mit einem Rasengan an, während Tobirama eine der über das ganze Dorf verteilten Markierungen nutzte, um den Suna-nin den Weg zu versperren. Er beschwor einen Wasserdrachen herauf, der sich brüllend auf seine Gegner warf. Ibushi war gezwungen, seine Salamanderpuppe aus dem Kampf mit Minato abzuziehen und sie zur Verteidigung gegen den Drachen einzusetzen. Das Schild auf dem Rücken der Puppe weitete sich aus, sodass die feindlichen Ninja dahinter in Deckung gehen konnten. Der Wasserdrache prallte daran ab, das Wasser floss zu allen Seiten ab.
Tobirama setzte es mit einem Chidori unter Spannung. Mit anzuhören, wie diese idiotischen Suna-nin vor Schmerzen aufheulten, hatte etwas befriedigendes. Das hatten sie nun davon.
Minato erschien an Tobiramas Seite. Er hielt ein Rasengan in der linken Hand. »Rasengan und Chidori zur gleichen Zeit auf den Salamander, dann ist er nur noch Kleinholz.«
Tobirama nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Er streckte die rechte Hand aus. Chidori zwitscherte. Ihre Finger berührten einander. Die Blitze des Chidori flossen in die Chakrawirbel von Minatos Rasengan über, ein Sturm in Händen gehalten.
Dann griffen sie an.
Beide Jutsus zusammen verstärkten einander signifikant. Chidori schnitt durch die Verteidigung des Salamanders und Rasengan fügte ihm eine enorme Durchschlagskraft hinzu. Gemeinsam zerfetzten sie förmlich das Holz der Puppe, rissen es in tausend kleine Splitter, die nach allen Seiten davon flogen. Von dem Salamander blieb kaum noch etwas übrig, definitiv jedoch nicht genug, das Ibushi noch nutzen konnte.
Triumphierend stand Minato im Zentrum der Zerstörung, die sie gerade angerichtet hatten. »Ich nenne diese Technik Ranton: Super Hurricane Tobender Blitztanz.«
»Minato«, knurrte Tobirama warnend. Dass er es auch einfach nicht lassen konnte.
»Du hast nur gesagt, ich soll die Finger von deinem Jutsu lassen«, erinnerte Minato ihn.
Ibushi machte keinen allzu glücklichen Eindruck darüber, dass sie ihm gerade eine seiner Puppen genommen hatten. Er musterte Tobirama. »Dieses Blitzjutsu und das weiße Haar … Du musst der Weiße Reißzahn sein!«
Na ja, immerhin fast. »Gebt auf und ihr kommt unbeschadet aus der Sache heraus«, wies Tobirama ihn an.
Team Ro hatte indes kurzen Prozess mit den Genin gemacht. Sie alle lagen gefesselt am Boden. Einige wehrten sich gegen die Fesseln, ein paar waren anscheinend bewusstlos. Sie hatten natürlich keine Chance gegen vier Anbu gehabt.
Ibushi brachte seine beiden verblieben Puppen in Position. »Nichts da, wir werden unsere Mission erfüllen!«
Wie auch immer diese im Wortlaut lauten mochte. Aber das würde Tobirama schon bald herausfinden.
Der Typ mit dem Fächer holte mit ebenjenem aus. Der Fächer war komplett ausgeklappt, er wollte also dessen gesamte Stärke nutzen. Sein Chakra erzeugte verstärkt durch die Waffe eine Orkanböe, die durch die Straße fegte. Die Trümmer des Salamanders wurden spielend mitgerissen. Minato wich mit einem Hiraishin aus und brachte sich hinter ihre Feinde. Tobirama hingegen brach den Wind mit einem Erdwall und formte aus dessen Deckung heraus das Wasser, das von seinen vorigen Angriffen noch in Pfützen auf der Straße lag, zu einem nadelspitzen Strahl. Das Wasser schoss wie ein mit hoher Geschwindigkeit abgefeuertes Geschoss durch den Fächer hindurch und in die Brust des Mannes. Schreiend ging er zu Boden.
Sein Kumpane türmte – und rannte direkt in Ōkami hinein. Knurrend sprang sie ihn an und riss ihn zu Boden. Er versuchte, vor ihr davon zu kriechen und bettelte heulend um sein Leben, aber davon wollte Ōkami offensichtlich nichts hören. Sie riss ihm die Eingeweide heraus und ließ ihn zusehen, wie sie sie fraß. Er lebte lang genug, um zu begreifen, was sie da tat.
Ibushi war willensstark genug, auch davor nicht in die Knie zu gehen. Seine Entschlossenheit schien gar zuzunehmen, die Informationen, die er sich ergaunert hatte, auch wieder zurück nach Sunagakure zu bringen. Seine verblieben Puppen mochten Offensivwaffen sein, dennoch brachte er sie in Verteidigungsstellung vor sich. Wenigstens ihn sollten sie lebend ergreifen, er schien der Anführer dieser Operation zu sein und würde damit am meisten wissen. Aus den Genin wäre wahrscheinlich kaum etwas herauszuholen.
Minato erschien wieder bei Tobirama. »Du die linke Puppe, ich die rechte.«
Tobirama war freilich nicht entgangen, wie Minato beide Puppen im Vorfeld bereits markiert hatte mit seinen Angriffen. Er brauchte kein weiteres Wort und griff sogleich an, Minato tat es ihm gleich.
Sie waren zu schnell, als dass Ibushi die Waffensysteme seiner Puppen gegen sie einsetzen konnte. Er starrte noch entgeistert auf das, was Tobirama und Minato von den Puppen übrig gelassen hatten, dann sank er bewusstlos zu Boden. Zu guter Letzt hatte Kakashi ihn mit einem Genjutsu belegt.
»Perfektes Timing«, lobte Minato.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Uns überlasst ihr die Kinder und habt den ganzen Spaß für euch allein.«
»Damit sind dann wohl sämtliche Teams aus Sunagakure disqualifiziert«, kommentierte Minato trocken. »Der Kazekage wird wahrscheinlich nicht allzu froh darüber sein.«
Er sah auf Ibushi herab, der zu seinen Füßen lag. Kurzerhand trat er auf dessen Hände und brach ihm sämtliche Finger, um ihm die Fähigkeit zum Puppenspielen zu nehmen.
»Führt sie ab und übergebt sie der Verhöreinheit«, trug er Team Ro auf. »Das war gute Arbeit.« Er sah zu Tobirama. »Was machst du so ein finsteres Gesicht?«
»Erst stiehlt mir ein kleiner Spion aus Kiri mein Schwert und dann komme ich damit wieder und sehe, wie ein paar Idioten aus Suna versuchen, dich zu töten«, grollte Tobirama. »Ich will einfach nur meine Ruhe und diese ganzen Fremden in Dorf arbeiten aktiv dagegen an. Ich hab‘s von Anfang an geahnt.«
Minato ergriff seine Hände und lächelte. »Ach, komm schon. Dass nicht alles reibungslos ablaufen würde, war uns allen von Anfang an klar. Das waren doch nur Kleinigkeiten.«
Tobirama hob skeptisch eine Augenbraue. »Ein Attentat nennst du eine Kleinigkeit?«
»Sie haben offensichtlich unterschätzt, zu was ich in der Lage bin, sonst hätten sie ein paar mehr geschickt. Du machst dir wirklich zu viele Sorgen.«
Tobirama brummte missmutig. Er wollte das jetzt nicht auf offener Straße diskutieren. Er wandte sich ab. »Geh schon einmal vor, ich erledige den Rest hier.«
»Mach nicht zu lange, sonst bist du morgen früh wieder unausstehlich«, sagte Minato ihm. »Ich lass dir was vom Abendessen übrig.«
Tobirama sah ihn finster an und hoffte, dass genug von seiner Aura durch die Maske schien, um die Botschaft zu transportieren. Leise lachend ging Minato von dannen, Ōkami hinterdrein. Kakashi musterte Tobirama.
»Kein Wort«, grollte Tobirama.
Sie sammelten die Leichen und Gefangenen auf und begaben sich dann zur Folter- und Verhöreinheit Konohas. Tobirama schickte einen Doppelgänger vor, um Inoichi zu informieren, dass er zu später Stunde noch gebraucht wurde, auch wenn er darüber wohl nicht allzu erfreut sein dürfte.
Insbesondere die Genin aus Makotos Team wirkten verängstigt, als ihnen klar wurde, wo sie von den Anbu hingeführt wurden. Irgendwie kaufte Tobirama ihnen ab, dass sie nur Bauernopfer in der Verschwörung waren, die sich hier abgespielt hatte. Dennoch konnten sie wertvolle Informationen besitzen, er konnte sie nicht mit Samthandschuhen anfassen, nur weil sie wahrscheinlich vor ein paar Monaten erst Genin geworden waren.
Zumindest bettelten sie nicht um ihr Leben, so viel Würde als Shinobi besaßen sie bereits. Sie konnten ja nicht wissen, dass Tobirama nicht plante, ihnen wirklich Leid zuzufügen, womit sie sich im Gegenzug zu Ibushi glücklich schätzen konnten. Es war vielleicht ihr erster Geschmack auf das, was das Leben als Shinobi wirklich ausmachte.
Inoichi erwartete sie bereits mit seinem Team im Verhörraum. Also hatte er Tobiramas Nachricht erhalten und war über alles informiert.
»Mit wem fangen wir an?«, fragte er zur Begrüßung.
Tobirama deutete auf den noch immer bewusstlosen Ibushi. »Er wird am meisten wissen.«
Inoichi nickte und übergab den alten Mann an seine Leute.
Makoto zappelte in seinen Fesseln. »Bitte tun Sie ihm nichts!«, rief er. »Ja, es stimmt. Wir sollten Informationen sammeln und weitergeben. Aber Ibushi-sensei würde doch niemals … ich meine … er kann doch nicht wirklich …«
Tobirama griff ihn bei den Schultern und führte ihn in einen anderen Teil des Gebäudes. »Hund-san, dich brauche ich jetzt. Den Rest sperrt weg für‘s erste, bis ihre Zeit gekommen ist.«
Tobirama brachte den Jungen in einen weiteren Verhörraum, leer bis auf einen einzigen Tisch mit einem Stuhl darin. Er befestigte die Handschellen, die Makotos Hände zusammenbanden, an einer Kette, die ihn am Tisch festhielten, dann ließ er ihn im Raum zurück. Der Raum besaß ein Fenster, das von innen verspiegelt war, sodass niemand darin hinaussehen konnte, umgekehrt war der Blick jedoch frei. Tobirama und Kakashi stellten sich davor.
»Und jetzt?«, erkundigte sich Kakashi.
»Lassen wir ihn erst einmal in seinem eigenen Saft schmoren«, sagte Tobirama. Er erklärte ihm, welche Art Genjutsu Kakashi im Anschluss auf den Jungen wirken sollte, dann warteten sie.
Makoto machte einen zu Tode verängstigten Eindruck. Er war allein, getrennt von seinen Freunden und wusste, dass er in großen Schwierigkeiten steckte, wenn herauskommen sollte, dass er auch nur im Entferntesten etwas mit einer Verschwörung gegen den Hokage von Konohagakure zu tun hatte.
»Du verpasst doch nicht ohne Grund dem Jungen den Schreck seines Lebens«, stellte Kakashi fest. »Oder willst du ihn wirklich Inoichis und Ibikis Leuten überlassen?«
»Nein, natürlich nicht«, betonte Tobirama. »Das sollte bereits reichen, um ihn weichzuklopfen. Ich denke nicht, dass er wusste, was seine Vorgesetzten planten. Am Ende hat er auch bloß Befehle ausgeführt, wie jeder gute Shinobi das tun sollte.«
Makoto versuchte, die Kette zu lösen, natürlich vergebens. Dennoch riss er daran und erreichte doch nur, dass er sich die Handgelenke aufscheuerte. Er ließ den Kopf in die Hände sinken und machte eine ziemlich elenden Eindruck.
»Was ist deine Theorie zu der ganzen Sache?«, fragte Kakashi. »Du hast doch bestimmt schon eine.«
Tobirama nickte. »Sunagakure hatte seit jeher einen Nachteil gegenüber den anderen Ländern, und das ist die Wüste. Sie ist ihre beste Verteidigungsstrategie, niemand weiß sich besser in der sengenden Hitze besser zurechtzufinden als die Wüstenclans, aber wie Reto einst sehr treffend sagte: Sand bringt nichts hervor. Wirtschaftlich sind sie in Suna den anderen Ländern unterlegen und sie sind darauf angewiesen, sogar Grundnahrungsmittel zu importieren. Also hatten sie schon immer das beste aus der Situation gemacht und ihren Nachteil zu ihrem Vorteil gewandelt.
Konoha hingegen ist wirtschaftlich stark wie eh und je. Es wäre in Rasas Interesse, uns zu schwächen, und gerade jetzt sind wir angreifbar. Also hat er genau das versucht, sobald sich eine Gelegenheit dazu bot. Erinnerst du dich an die Suna-nin, die sich als Shinobi aus Kumo ausgegeben hatten? Da wird er schon versucht haben, uns auszuspionieren.«
Kakashi betrachtete den Jungen durch das Fenster. Makoto wusste nicht, dass sie ihn noch beobachteten und hatte sich jetzt vollends seinen Tränen hingegeben. Tobirama beließ ihn in der Illusion, allein zu sein, und wartete, bis er sich ausgeweint hatte. Er wollte ihn nicht beschämen.
»Wir haben noch einen langen Weg vor uns«, sagte Kakashi leise.
»Ja. Den haben wir wohl.«
Und jetzt oblag es Minato, die Sache irgendwie zu deeskalieren. Er würde es mit Fingerspitzengefühl angehen müssen.
Makoto hatte indes die Arme auf den Tisch gelegt, so weit es seine Fesseln zuließen, und das Gesicht in den Armbeugen vergraben. Seine Tränen schienen allmählich zu versiegen. Vielleicht hatte er ja mit seinem Schicksal abgeschlossen.
Tobirama nickte Kakashi zu. »Jetzt.«
»Verstanden.«
Kakashi ging vor und betrat den Raum. Tobirama folgte ihm. Sogleich richtete sich Makoto auf und verwischte die letzten Spuren seiner Tränen. Ein letzter Hauch Widerstand stand in seinen großen brauen Augen, doch vor allem stand in ihnen Angst. Das würde gleich schon bedeutend zunehmen.
Kakashi belegte ihn wortlos mit einem Genjutsu. In diesem sah Makoto, wie Ōkami nach und nach seine Freunde fraß, einer nach dem anderen. Sie alle wurden vor ihn gebracht, und dann riss Ōkami ihnen die Gedärme heraus.
Der Junge schrie schrill auf, für ihn erschien all das als die Realität. Panik stand in seinen weit aufgerissenen Augen und er zerrte erneut an den Ketten, um vor der vermeidlichen Gefahr zu fliehen.
»Nein!«, kreischte er. »Haltet dieses menschenfressende Monster von meinen Freunden fern!«
»Dann sag uns, was wir wissen wollen«, befahl Tobirama ihm.
»Ich weiß nichts! Ich weiß nichts!«, heulte Makoto.
»Erzähl mir von Shigeru«, verlangte Tobirama. »Du hast ihn erkannt.«
»Er war mein sensei, ihr habt ihn getötet.« Makoto heulte Rotz und Wasser.
»Er hat versucht, unseren Hokage zu töten. Du wirst verstehen, dass wir darüber nicht allzu erfreut waren«, konterte Tobirama.
»Nicht Kazuko«, bettelte Makoto. »Bitte verschont sie.«
War das das Mädchen, an dem er einen Gefallen gefunden hatte? Tobirama gab Kakashi ein Zeichen, das Genjutsu entsprechend zu verändern, sodass es aussehen würde, dass diese Kazuko vorerst verschont bliebe.
»Wie kommt es, dass dein sensei geschickt wird, um einen Anschlag auf Minato zu verüben?«, drang Tobirama weiter auf den Jungen ein. »Sprich und sie überlebt das vielleicht.«
»I-ich weiß nicht«, stammelte Makoto sogleich. Er schluchzte. »Bitte. Ich weiß es wirklich nicht. Kazuko hat doch nichts damit zu schaffen, sie ist unschuldig, ich schwöre!«
»Nicht genug.« Tobirama tat so, als würde er Ōkami das Zeichen geben weiterzumachen.
»Nein! Halt!«, schrie Makoto. »Ich weiß nur, dass es vor ein paar Wochen, vielleicht höchstens zwei Monate her, hieß, wir kriegen einen neuen sensei, und dann hab ich nie wieder was von Shigeru-sensei gehört. Aber Shigeru würde niemals … er würde nicht das Dorf verraten. Ganz bestimmt nicht.«
Also hatte er eine Geheimmission erhalten und sie hatten es verschleiert, indem sie allen erzählten, er wäre verbannt.
Tobirama hielt inne. »Besser. Aber noch immer nicht alles.«
»Bitte!« Makoto sah flehend zu ihm auf. »Ich bin doch nur ein Genin. Ja, Ibushi-sensei hat uns gesagt, wir sollen Informationen sammeln, und dann kamen im Wald diese Leute aus Konoha und haben gesagt, dass wir zusammenarbeiten könnten, jedenfalls für eine Weile. Also hatten wir eingewilligt. Aber sie waren doch auch so nett und es war unsere einzige Chance, bei den Prüfungen noch weiter zu kommen. Ich will doch nur Chūnin werden. Ich will keinen Krieg zwischen den Dörfern verursachen. Wirklich nicht! Das müsst ihr mir glauben! Was macht ihr jetzt mit mir? Lasst ihr das Monster auf mich los? Ich will nicht sterben!«
»Diese Entscheidung habe nicht ich zu treffen«, sagte Tobirama knapp. Er winkte Kakashi und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Sie ließen den Jungen allein zurück.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um zu sehen, wie es bei Inoichi lief. Kakashi hatte die Hände in den Hosentaschen.
»Haltung, Junge«, rügte Tobirama ihn.
»Pff«, machte Kakashi. Nach einer kurzen Pause fügte er an: »Was denkst du?«
»Das ist alles, was der Junge weiß«, war sich Tobirama sicher. »Er hat genug durchgemacht, lassen wir ihn in Ruhe, bis Minato entschieden hat, was wir mit ihnen machen.«
Inoichi befand sich im Hauptverhörraum. Vor ihm am Boden kniete Ibushi, der mit Ketten an den Boden gefesselt war, die seine Hände und Arme fixierten. Um ihn herum befand sich ein Siegelbereich. Mehrere Linien gingen strahlenförmig davon weg und an drei der Außenpunkte saßen weitere Shinobi, die unter Inoichis Kommando arbeiteten. Inoichi selbst stand vor dem Gefangenen und hatte ihm eine Hand auf die Stirn gelegt.
Tobirama wurde einmal mehr daran erinnert, warum er so froh war, dass die Yamanaka sich damals so früh dem Dorf angeschlossen hatten. Ihr spezielles Clanjutsu machte sie zu gefährlichen Gegnern in Kämpfen, da sie Verbündete schnell gegeneinander aufhetzen konnten. Ihre wahre Stärke lag jedoch in der Informationsbeschaffung, was sie zu gefürchteten Spionen machte.
Inoichi bemerkte sie und löste die Hand von Ibushis Stirn. »Pause«, sagte er seinen Leuten. Dann trat er zu Tobirama und Kakashi und verbeugte sich leicht vor ihnen. »Ich hoffe, es war in Ihrem Sinne, dass ich das hier vorziehe und Aois Verhör so lange pausiere.«
Tobirama nickte. »Ganz Recht. Wobei es mich auch interessiert, was Sie bereits über Aoi hatten herausfinden können.«
»Ein Überläufer«, sagte Inoichi. »Er weiß selbst nicht viel, und es scheint mir, dass ich aus ihm auch kaum mehr herausholen kann, als wir bisher wissen. Zumindest bei Idate bin ich mir sicher, dass er das Bauernopfer in der ganzen Sache ist. Womit ich nicht entschuldigen will, was er tat.«
»Sein unbedachtes Handeln führte immerhin dazu, dass Ibiki schwer verletzt worden ist«, brummte Tobirama. Närrischer Junge. Er deutete auf den Gefangenen vor ihnen. »Und? Erste Ergebnisse?«
»Er ist willensstark, sehr sogar. Wer auch immer ihn geschickt hat, hat einen guten Mann gewählt«, sagte Inoichi. »Vermutlich wird es noch einige Tage dauern, bis wir seine mentale Verteidigung durchbrochen haben.«
»Es wird Rasa selbst gewesen sein, dessen bin ich mir mittlerweile sehr sicher«, sagte Tobirama. »Ich habe mir angehört, was der kleine Genin zu sagen hat. Auch sie sind Bauernopfer in einem größeren Komplott. Ihre Aufgabe war es gewesen, Informationen über Konoha zu beschaffen. Der Junge kennt keine Details, aber aus dem, was er weiß, lässt sich vermuten, dass Ibushi Teil einer geheimen Operation ist, bei der die Prüfung nur eine Maskerade ist. Die Attentäter wurden als Verräter gebrandmarkt, um jegliche Assoziation mit Suna zu verschleiern.«
»Eine Vermutung, welches Motiv dahinter stehen könnte?«
»Wirtschaftliche Interessen. Konoha destabilisieren, um den eigenen Vorteil dadurch zu erhöhen.«
Inoichi nickte. »Klingt einleuchtend. Ich werde sehen, was ich aus dem Schädel dieses Mannes bekomme, aber das sind gute Anhaltspunkte.«
»Gut. Dann gutes Gelingen.«
Tobirama wandte sich Kakashi zu, um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Es war Zeit, dass sie nach Hause gingen. Doch Kakashi wehrte seine Hand ab.
»Ich hab immer noch zwei funktionierende Beine. Du hast dein Jutsu immer noch nicht verbessert und so lange laufe ich.«
»Wenn du meinst. Ich warte nicht auf dich«, informierte Tobirama ihn.
»Kann ich mit leben.«
Tobirama nutzte die Markierung in Minatos Siegel. Minato war bereits im Bett, las aber noch in einem seiner Bücher. Tobirama nahm seine Maske ab und kniete sich neben das futon, um ihm einen Kuss zu geben. Minato streckte sich, um ihm entgegen zu kommen.
»Du hast dir Zeit gelassen«, stellte er fest. »Dein Abendessen ist sicher schon kalt, aber du kannst es ja noch mal in der Mikrowelle aufwärmen.«
Tobirama kniff die Augen zusammen. Hatte Minato das mit Absicht angesprochen, weil er so spät Heim gekommen war und er ihn daher ein wenig piesacken wollte? Jene peinliche Szene, bei der er sich dieses Ding von Kakashi hatte erklären lassen müssen, war nicht vergessen, und der Stachel saß tief.
»Es gab eben noch viel zu tun«, sagte Tobirama nüchtern. »War ja auch viel passiert. Wie geht es dir jetzt?«
Minato strich ihm über die Wange. »Ich hab dir doch gesagt, du brauchst dir um mich keine Sorge zu machen. Das war nicht das erste Mal, dass jemand mir nach dem Leben trachtete.«
Tobirama runzelte die Stirn. »Ich mache mir aber Sorgen um dich. Darf ich mich jetzt nicht einmal mehr um dich sorgen? Das mag nicht das erste Mal gewesen sein, es wird aber mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein.«
»Natürlich nicht. Aber ich weiß, dass du da bist, um ein Auge auf mich zu haben.«
»Ich war eben nicht da gewesen, das ist der Punkt!«, widersprach Tobirama heftiger, als er beabsichtigt hatte. »Ich war für einen Moment nicht da gewesen und sofort haben sie das ausgenutzt.«
Minato brachte ihn mit einem weiteren Kuss zum Schweigen. »Tobirama, ich will, dass du jetzt nicht mehr daran denkst. Ich will, dass du jetzt überhaupt nicht mehr an irgendetwas denkst, das mit deiner oder meiner Arbeit zu tun hat. Du stehst immerzu so unter Spannung, du musst auch mal entspannen.«
Tobirama lachte trocken auf, dann ließ er doch die Schultern hängen. Er lehnte seine Stirn gegen Minatos. »Das hat mir auch anija immer gesagt.«
»Dann muss was dran sein.« Ohne Tobiramas Zustimmung abzuwarten, löste Minato die Schnallen von Tobiramas Weste und legte sie zur Seite. Dann entfernte er auch die Armschoner und legte sie ebenfalls zur Seite.
Tobirama verfolgte das mit leichtem Amüsement. »Was wird das?«
Minato kniete sich hinter ihn. »Dich ein klein wenig verwöhnen, würde ich es nennen.«
Er bohrte seine Finger in Tobiramas Schultermuskeln. Tobirama zuckte zusammen.
»Au!«
»Du bist so angespannt. Es war ein langer Tag für uns alle, wird Zeit, dass du endlich mal richtig Feierabend machst. Leg dich hin.«
Tobirama beschloss, Minato diese kleine Freude zu gönnen, und legte sich bäuchlings auf das futon. Minato setzte sich auf seine Hüfte und fuhr darin fort, ihm die Schultern durchzukneten. Es knirschte und zudem packte Minato nicht gerade sanft zu, aber irgendwie zeigte es doch Wirkung. Bald schon fühlten sich Tobiramas Schultermuskeln warm und weich an. Es war ein angenehmes Gefühl.
Minato beugte sich vor und irgendwann einmal lag er der Länge nach auf Tobirama. Er kuschelte sich an ihn und kraulte ihm den Kopf. Tobirama erwischte sich dabei, wie er einen Laut des Wohlgefallens von sich gab. Das Gewicht auf ihm presste ihn auf angenehme Weise nieder, ohne dass Minato ihn dabei mit seinem vollen Gewicht belastete.
»Ich bin dankbar für alles, was du für mich tust. Wirklich sehr«, raunte Minato. »Aber lass mich ab und zu auch etwas davon zurückgeben, ja?«
Tobirama lächelte. Er schloss die Augen und dann war er eingeschlafen.
Valkyria fliegt durch die Himmel ist ein Zitat aus Valkyria von Follow the Cipher.
Nächstes Kapitel: Rasa wird für das, was er versucht hat, zur Rechenschaft gezogen.
Kapitel 2: Urteile werden gefällt
Tobirama sah auf das Schreiben in seiner Hand mit gemischten Gefühlen. Zwar war damit die ganze Sache mit Sakumo zu einem offiziellen Ende gekommen. Andererseits stellte sich einfach nicht die Befriedigung ein, die sich Tobirama davon erhofft hatte, wenn der endgültige Gerichtsbeschluss vorlag. Eine Geldstrafe, Degradierung und einige Monate gemeinnützige Arbeit für die Täter, dafür, dass sie Sakumos Namen so sehr in den Dreck gezogen hatte, dass er sich schließlich das Leben genommen hatte. Es fühlte sich einfach nicht gerecht an.
»Ich konnte leider nicht mehr erwirken«, sagte Minato bedauernd. »Trotz der Folgen ließ sich ihnen eben nur Verleumdung anhängen.«
Es war Mord gewesen, ganz gleich, ob sie nun die Klinge selbst geführt hatten oder nicht. Das Gericht hatte das natürlich anders gesehen.
»Das ist bereits bedeutend mehr gewesen, als dein Vorgänger zuwege gebracht hat«, sagte Kakashi. Auch er machte keinen allzu zufriedenen Eindruck, aber er schien damit doch besser seinen Frieden machen zu können als Tobirama.
Hiruzen war zu einer offiziellen Stellungnahme verpflichtet worden, in der er seine Fehler einzuräumen hatte und sich entschuldigen sollte. Außerdem war es ihm untersagt worden, jemals wieder ein politisches Amt innezuhaben. Worte, mehr war das doch nicht. Und das Geld gab ihm seinen Sohn auch nicht wieder. Tobirama reichte das Schreiben mit dem Gerichtsurteil wieder zurück an Minato.
»Nimm das Geld und verwende es für den Wiederaufbau des Dorfes.«
Minato sah ihn fragend an. »Bist du sicher?«
Tobirama nickte. »Jeden einzelnen Pfennig. Ich will‘s nicht.«
Minato schien ein wenig verwundert darüber, akzeptierte die Entscheidung dann jedoch. War die Sache damit zu einem Abschluss gebracht worden? Tobirama wusste es nicht. Dem Recht war Genüge getan worden, doch nicht der Gerechtigkeit.
»Ich kann gegen das Urteil in Berufung gehen«, schlug Minato vor, als habe er erraten, was Tobirama durch den Kopf ging.
»Nein«, widersprach Tobirama. »Es ist gut so.«
Minato musterte ihn eindringlich. »Ist es das wirklich?«
Tobirama sah ihn streng an. Dann seufzte er doch. »Nein, und das wird es auch nie sein. Der Fakt bleibt bestehen, dass Sakumo tot ist, und ich als sein Vater war nicht da gewesen, um ihn zu beschützen, wie es meine Pflicht gewesen wäre.«
Minato legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Dich trifft keine Schuld. Es gab nichts, das du hättest tun können.«
»Doch, es ist meine Schuld«, widersprach Tobirama heftig. »Ich habe einen Fehler in meinem Siegel gemacht, einen einzigen nur, und doch so komplex, das ich auch nach fast einem Jahr noch nicht herausgefunden habe, was genau ihn verursacht hat. Das hätte nie geschehen dürfen! Ich hätte keinen Fehler machen dürfen, das Siegel hätte perfekt sein müssen!«
»Aber das war es nicht, und hättest du es nicht benutzt, wärst du tot gewesen, und das Ergebnis wäre immer noch dasselbe«, sagte Minato ruhig.
»Ich hätte …« Aber da unterbrach sich Tobirama selbst. Ja, was hätte er denn tun sollen? Einfach nicht nach Kumo gehen, wie ihn Sakumo, Tsunade und Nawaki angefleht hatten? Dann wäre es nie zu Friedensverhandlungen gekommen und der Krieg wäre weitergegangen. Das Siegel nicht nutzen? Dann wäre er tot, und Minato hatte Recht, das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Sakumo hätte immer noch ohne seinen Vater aufwachsen müssen. Das Siegel verbessern? Dafür hatte er nie die Zeit gehabt. Wie er es auch drehte und wendete, Tobirama wusste nicht, was er hätte anders machen sollen.
»Ich hatte nie so werden wollen wie Butsuma«, sagte er leise. »Ich hatte nie als Vater so kolossal versagen wollen wie er. Und doch tat ich es.«
Ein Teil von Tobirama hatte sich immer davor gefürchtet, Vater zu sein. Hashirama schien das anders gegangen zu sein, er war noch sehr jung gewesen, als Miyazaki geboren worden war. Tobirama hatte sich für ihn gefreut, aber es hatte lange gebraucht, bis er wirklich Zugang zu seiner Nichte gefunden hatte. Eine eigene Familie zu gründen, war noch viel länger absolut undenkbar gewesen. Die Furcht, wie Butsuma zu werden, war sein steter Begleiter gewesen. Hashirama hatte vielleicht etwas davon geahnt, aber Chio war die einzige gewesen, mit der er jemals darüber gesprochen hatte. Ihre Karriere war nicht der einzige Grund gewesen, warum er so lange kinderlos geblieben war.
Minato schien etwas sagen zu wollen, doch Kakashi war schneller.
»Das hast du nicht«, sagte er. »Ja, ich geb‘s zu, Pa hat selten von dir gesprochen. Aber wenn er es getan hatte, dann stets voller Bewunderung. Keine Ahnung, was dein Va… Butsuma alles angestellt hat, aber es muss schon wirklich sehr viel gewesen sein, wenn er es so weit getrieben hatte, dass sein eigener Sohn ihn ermordet – zurecht nehme ich an. Pa aber hatte nie schlecht von dir geredet, mit keinem Wort.«
Pa. Es war das erste Mal, dass Tobirama Kakashi so über Sakumo reden hörte. Irgendwie war es das, was ihm das Herz wärmte. Vielleicht konnte er ja jetzt endlich Abschied von seinem Sohn nehmen.
Tobirama drückte die Schultern durch. »Nun denn. Minato, ich danke dir für deine Mühen. Aber wir haben noch Arbeit vor uns.«
Minato schmunzelte. »So kenne ich dich.«
Beinahe ein Monat war seit dem Zwischenfall mit den Suna-nin vergangen. Dies war auch die Zeit, den Teilnehmern der Chūnin-Prüfung als Pause zwischen den Prüfungen vergönnt gewesen war. Genug Zeit, um nicht nur Minatos Klage zu einem Abschluss zu bringen (was durch Hiruzens umfassende Aussage erheblich verkürzt worden war), sondern auch ein Urteil über Aoi und die Gefangenen aus Suna zu fällen.
Aoi hatte Verrat am Dorf begangen, und so etwas war noch nie leichtherzig hingenommen worden. Er würde das Licht der Sonne so schnell nicht mehr ohne Gitter sehen und seine Karriere als Shinobi war beendet. Tobirama hatte sich eine Bemerkung nicht verkneifen können, dass Aoi froh sein sollte, dass Tobirama nicht mehr im Amt war; zu seiner Zeit wäre das mit Seppuku bestraft worden. Idate als größtenteils unwissender wenn auch töricht naiver Mitläufer hatte eine mildere Strafe erhalten. Zwar würde auch er sich nie wieder Shinobi nennen dürfen, aber seine Gefängnisstrafe betrug nur wenige Jahre. Reumütig und unter Tränen hatte er sich entschuldigt für das, was er angerichtet hatte. Zumindest hatte er also Einsehen, etwas, das man von Aoi nicht behaupten konnte.
Aois Hirn war von Inoichis Einheit gründlichst zerpflückt worden. So hatten sie herausfinden können, dass Aoi nach Kiri übergelaufen war in der Hoffnung, es dort weiter bringen zu können als in Konoha, wo er stets das Gefühl gehabt hatte, dass seine Fähigkeiten nicht genügend gewürdigt worden waren. Das war natürlich töricht, das Kastensystem Kiris hätte ihm niemals Aufstiegschancen gewährt und er hätte für den Rest seines Lebens die Drecksarbeit erledigen müssen. Das war ihm anscheinend sogar ein Stück weit bewusst gewesen, denn er hatte ihnen Tobiramas Schwert als Willkommensgeschenk überbringen wollen, um ihnen sein Können unter Beweis zu stellen und sich ihren Gutwillen zuzusichern.
Ibiki war ein extrem willensstarker Mann und hatte seine schweren Verbrennungen anscheinend beinahe spielend weggesteckt. Dennoch wäre er für den Rest seines Lebens entstellt, auch wenn er kaum der Typ dafür wäre, der sich an so etwas sonderlich störte. Seine Beziehung zu seinem kleinen Bruder war jedoch eine gänzlich andere Geschichte. Ob sie das jemals würden fixen können, war fraglich.
Auch Ibushis Geist war von Inoichi einmal komplett umgekrempelt worden. Er hatte sich als härtere Nuss herausgestellt, aber auch ihn hatte die Verhöreinheit schließlich knacken können und dabei noch ein paar wertvolle Informationen über Sunagakure herausfinden können.
Wie es Tobirama bereits vermutet hatte, war es Rasa dabei in der Tat um wirtschaftliche Aspekte gegangen. Es war natürlich unmöglich gewesen, zu verhindern, dass Neuigkeiten über das, was am Tag von Narutos Geburt im Dorf passiert war, nach außen sickerten. Gefühlt hatte schon am nächsten Tag die gesamte Shinobiwelt darüber Bescheid gewusst, auch wenn jeder etwas anderes über die Details zu wissen meinte.
Rasa war nahe genug an die Wahrheit herangekommen und hatte versucht, eine erneute Schwächung des Siegels zu provozieren und damit Kyubi erneut ungezügelt Zerstörung anrichten zu lassen. Er hatte Konoha klein halten wollen, wirtschaftlich wie militärisch.
Die Beziehungen zwischen Konoha und Suna waren bestenfalls als angespannt zu bezeichnen, aber in Wahrheit standen sie hier kurz vor einem internationalen Zwischenfall, der jeden Augenblick zu bewaffneten Auseinandersetzungen und damit einem weiteren Krieg führen konnte. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, die eigentlich der Festigung des Friedens zwischen den Ländern hätte dienen sollen.
Dieser eine Monat Pause zwischen den Prüfungen diente nicht nur den Teilnehmern als Erholung und Zeit für ihr Training, sondern auch der Promotion der letzten Prüfung. Die Nachricht über die Teilnehmer, samt und sonders unter Ausschluss aller aus Sunagakure, hatte sich herumgesprochen und sollte so die Aufmerksamkeit der daimyō und der anderen Kage erregen. Die meisten von ihnen hatten ihr Interesse bekundet, sich die letzte Runde bestehend aus Zweikämpfen zwischen den Finalisten persönlich anzusehen.
Minato hatte beschlossen, dass es das beste wäre, wenn sie so weiter machten wie bisher, um keine allzu große Aufmerksamkeit auf den Zwischenfall zu lenken. Natürlich war es nicht gerade unauffällig, wenn zwei Hokage ein paar arme Suna-nun durch das halbe Dorf jagten und ein paar davon auch noch zwischen Ōkamis Fängen geendet waren, und so gab es allerlei Gerüchte über das, was wirklich vorgefallen war. Noch schwieg sich Minato dazu aus.
Stattdessen hatte er Rasa herbeordert, um mit ihm zu verhandeln. Minato lag nichts daran, die Sache weiter eskalieren zu lassen, aber es einfach ignorieren konnte er auch nicht. Rasa hatte ihn ermorden lassen wollen, um Kyubi erneut auf Konoha loszulassen. Das war nicht gerade ein Kavaliersdelikt, ganz im Gegenteil sogar eine schwere Verletzung internationaler Verträge.
Tobirama richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen um ihn herum. Er hatte sich mit Ōkami, Minato und Kakashi erneut im Audienzraum eingefunden, da das Kommende nichts war, das sich mal eben im Büro klären ließ. Rasa wäre vielleicht auch ein wenig milder gestimmt, wenn Minato ihn trotz allem angemessen empfangen würde, wenn er ihn schon herbei zitierte.
»Bereit?«, fragte Minato.
Tobirama steckte das Gerichtsschreiben weg und nickte. Kakashi und er setzten ihre Masken auf, und Ōkami stellte sich zu Minato. Hoffentlich würde sich die Sache hier glimpflich klären lassen. Minato gab der Wache an der Tür ein Zeichen, dass es nun Zeit war für ihren Gast.
Der Mann nickte und war schon verschwunden. Kurze Zeit später kam er wieder und führte Rasa und einen weiteren Suna-nin herein. Die Gruppe, die Rasa hierher begleitet hatte, bestand aus insgesamt einer Handvoll Shinobi, aber Minato hatte ihn, in seinen Worten, freundlich darum gebeten, dieses Treffen in kleiner Runde zu halten. Schlussendlich hatte er sich dazu überreden lassen, Rasa zumindest eine Person als Wächter zuzugestehen, er selbst war hier ja auch nicht allein.
Tobirama hatte natürlich längst seine Recherche getan, er wusste über diesen Baki Bescheid. Er war ein angesehenes Mitglied von Sunagakures Rat und ein fähiger Jōnin, dessen Kampfkraft weit über die Grenzen des Landes hinweg bekannt war. Baki trug die Standarduniform von Sunagakure sowie einen Turban. Er verbarg die linke Hälfte seines Gesichts mit einem Tuch, was in Tobirama sogleich die Frage aufkommen ließ, warum er das tat. Was verbarg er darunter?
Rasa war ein Mann von mittlerer Statur mit rostrotem Haar und einem harten Zug um Augen und Mund. Interessant war jedoch sein Jiton, das kekkei genkai, das es ihm erlaubte, seinen berüchtigten Goldsand einzusetzen. Als Tobirama davon gehört hatte, hatte es natürlich sofort seine Aufmerksamkeit erregt. Es hieß, der Goldsand sei die ultimative Verteidigung, erschaffen in Anlehnung an Shukakus eigenen Sand, den der Bijū nutzte.
Tobirama hoffte wirklich sehr, dass sich die Sache hier glimpflich klären ließ. Er wollte es nicht auf einen Versuch gegen den Goldsand ankommen lassen.
Minato saß ganz entspannt da, nichts in seiner Haltung verriet Nervosität, obgleich Tobirama dennoch eine gewisse Unruhe in seinem Chakra bemerkte. Rasa betrat mit selbstsicherem Schritt den Raum, direkt gefolgt von Baki. Der Shinobi, der sie hergeführt hatte, schloss hinter ihnen die Tür und blieb draußen davor stehen. Rasa selbst begnügte sich mit einem knappen Neigen des Kopfes, während Baki sich verbeugte.
»Ich freue mich, dass Sie meine Einladung angenommen haben, Kazekage-sama«, begrüßte Minato ihn.
»Sparen Sie sich die Floskeln, Hokage-sama«, erwiderte Rasa scharf. »Wir wissen beide, warum ich hier bin.«
»Wollte nur höflich sein.« Minato deutete auf das Kissen im Raum. »Tee?«
Rasa kniete sich hin, sagte aber nichts zu dem Angebot. Minato schob ihm dennoch das bereits bereitstehende Tablett zu, auf dem eine kleine Kanne Tee und eine Schale standen.
Tobirama behielt Baki im Auge. Der Mann hatte sich nahe der Tür positioniert und schien ebenso wachsam zu sein wie Tobirama. Falls er von Ōkamis Präsenz beunruhigt war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Seine Hände waren entspannt, aber doch nahe seiner Waffen.
»Um gleich zum Punkt zu kommen«, begann Minato. »Ich kann nicht einfach ignorieren, was vorgefallen ist, und so tun, als wäre nie etwas gewesen. Ebenso wenig liegt mir jedoch auch etwas an einem weiteren Krieg, nachdem wir erst vor so kurzer Zeit einen beendet haben. Ihre Tat hat jedoch den Vertrag, der geschlossen wurde, verletzt.«
»Ach? Ist dem so?«, fragte Rasa scheinheilig. »Von meinem Standpunkt aus haben Sie einige meiner Leute getötet und halten noch mehr gefangen.«
»Über deren Freilassung lässt sich natürlich verhandeln«, betonte Minato. »Allerdings hatte ich sie nicht einfach so davon spazieren lassen können, nachdem sie sich an einem Mordversuch gegen mich beteiligt haben. Sie hätten im umgekehrten Falle sicher ebenso gehandelt, verehrter Kazekage.«
Rasa verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte den Tee immer noch nicht angerührt. »Hmpf. Ich sehe schon, Konohas Verhöreinheit arbeitet gut. Aber Sie hätten vielleicht ebenso gehandelt, wenn Ihr daimyō Ihnen die Mittel radikal einkürzt und Sie nach Wegen suchen, um wirtschaftlich stark zu bleiben.«
Minato ließ seine freundliche Maske fallen. »Es ist mir vollkommen gleich, warum Sie das taten. Der Fakt bleibt bestehen, dass Sie versucht haben, einen Kage zu ermorden. Wenn das bekannt wird, wird das den anderen Dörfern sicher nicht gefallen und sehr wahrscheinlich ihr Missfallen erwecken, und dann steht Sunagakure noch schlechter da.«
Rasa kniff die Augen zusammen. »Ist das eine Drohung?«
»Wie ich das sehe, gibt es genau zwei Wege aus dieser Situation«, fuhr Minato fort. »Entweder ich lasse öffentlich bekannt machen, wer und warum man mir nach dem Leben trachtete. Oder wir begnügen uns mit ein paar symbolischen Reparationszahlungen und lassen diese Sache im einvernehmlichen Schweigen hinter uns.«
»Und warum sollte es mich scheren, was die anderen Kage denken?«, wollte Rasa provokant wissen.
»Wie Sie gerade selbst zugaben, ist Sunagakure wirtschaftlich geschwächt«, erinnerte Minato ihn. »Sie haben ein anderes Land angegriffen, indem Sie diese Attentäter auf mich ansetzten. Solch ein Akt der Aggression wird von der internationalen Gemeinschaft mit Sicherheit nicht gutgeheißen, zumal wir eigentlich zu dieser Zeit hier zusammenkommen wollten, um nach langen Konflikten einen Schritt aufeinander zugehen wollten. Sie haben das gefährdet.«
»Gleichzeitig ist das aber eine Sache zwischen Ihnen und mir«, stellte Rasa klar. »Es ist ebenso denkbar, dass das die anderen Kage nicht juckt, und die ganzen kleinen Länder schon gar nicht. Die hielten sich schon immer lieber aus dem Kreuzfeuer.«
»Möglich«, räumte Minato ein. »Aber selbst dann frage ich Sie: Wollen Sie es darauf ankommen lassen?«
Selbstsicher blickte Rasa ihm in die Augen. »Konoha ist auch nicht gerade auf der Höhe seiner Stärke.«
»Wie Sie zweifelsohne wissen, Ihre Spione sind nicht die schlechtesten«, räumte Minato ihm ein, »Sie wissen offenbar um unsere Schwächen, immerhin haben Sie versucht, sie erneut gegen uns zu wenden. Dann wissen Sie allerdings auch um unsere Stärken. Die Rechnung ist relativ einfach.«
Rasa schwieg eine ganze Weile. Ōkami rührte sich und fixierte ihn mit ihrem Blick. Sie gab keinen Ton von sich, doch ihr Kopf war gesenkt und ihre Lefzen leicht gekräuselt. Rasa hielt ihr stand, doch seine Haltung war mit einem Male wesentlich angespannter.
»Uns allen liegt der Frieden am Herzen, für den wir so hart gekämpft haben, auf allen Seiten«, sagte Rasa diplomatisch. »Wäre doch schade, das über einer kleinen Meinungsverschiedenheit zu riskieren. Von was für einer Summe reden wir?«
»Zehn Millionen ryō«, sagte Minato geradeheraus.
Rasa lachte trocken auf. »Sie haben sich sicher versprochen, Sie meinen doch bestimmt zehntausend ryō, richtig?«
»Nein, Sie haben schon ganz richtig gehört«, versicherte Minato ihm. »Das dürfte in etwa der Summe entsprechen, die Sie unter denen aufgeteilt hätten, die Sie mit einer S-Rank-Mission von solcher Brisanz beauftragt hatten. Leider kehren sie ja nun nicht mehr lebend Heim, da klingt es doch ganz angemessen, das Geld stattdessen uns, den Geschädigten, zugute kommen zu lassen. Ich würde mich auch auf acht Millionen ryō und Hilfsgüter in Form von Nahrung und Baumaterialien herunterhandeln lassen; Ihnen ist sicher nicht entgangen, dass das Dorf noch immer nicht gänzlich wieder aufgebaut ist.«
Rasa blinzelte und starrte ihn einen Moment lang an. Dann knirschte er sichtlich mit den Zähnen. Er musste wissen, dass ihm kaum eine andere Wahl bliebe, als dieses Angebot anzunehmen. Minato hatte ihm ein Ultimatum gestellt.
»Vorher will ich mich davon überzeugen, dass Sie meine Leute gut behandelt haben«, sagte Rasa ausweichend.
»Kein Problem«, versicherte Minato ihm.
Er gab Tobirama ein Zeichen, der sogleich einen Schattendoppelgänger erzeugte und ihn zum Gefängnis schickte. Rasa bemerkte diese Jutsukombination und schien eins und eins zusammenzählen zu können, wer sich unter der Wolfsmaske verbarg. Doch er sagte nichts dazu.
»Die Freilassung der Gefangenen ist lediglich an eine Bitte um ein Versprechen geknüpft«, fuhr Minato fort. »Tun Sie das nie wieder, Kazekage.«
Rasa musterte Tobirama. Dann wandte er sich wieder an Minato. »Ich gestehe, ich habe Sie unterschätzt, weil Sie dieses Amt erst so kurze Zeit innehaben. Aber Sie haben ein paar bemerkenswerte Shinobi in Ihrem Gefolge. Sie haben mein Versprechen.«
»Gut.«
Kurze Zeit später kehrte Tobiramas Doppelgänger wieder und führte die Gefangenen herein. Ibushi schien zu wissen, welches Schicksal ihm blühte, als er seinen Kazekage sah; immerhin hatte er die Geheimnisse seines Dorfes nicht wahren können. Makoto ging hinter seinen Kameraden in Deckung, als er Ōkami erblickte. Er schien die Behandlung, die Tobirama ihm hatte angedeihen lassen, nicht ganz so gut weggesteckt zu haben.
»Sie werden sehen, dass wir unsere Gefangenen gut behandeln«, sagte Minato. »Sie wurden keiner unnötig grausamen Folter unterzogen oder anderweitig misshandelt.«
Rasa musterte seine Leute, um sich vom Wahrheitsgehalt von Minatos Worten zu überzeugen. Sein Gesicht verriet nicht, was er dachte.
»Was ist mit Ibushis Händen passiert?«, fragte er. »Das sieht mir nicht danach aus, als hätten Sie meine Leute gut behandelt.«
Die Knochen der Finger, die Minato dem Mann unmittelbar nach dem Kampf gebrochen hatte, waren nicht gut zusammengewachsen, auf Minatos Anweisung hatten die Gefängniswärter Ibushi nur die nötigste medizinische Versorgung zugestanden. Ibushis Hände waren nun krumm und steif, sie würden niemals wieder die Feinfühligkeit besitzen, die das Puppenspiel erforderte.
»Er war einer derer, die mich angegriffen hatten«, sagte Minato knapp. »Ich hatte mich lediglich verteidigt.«
»Der Shirogane-Clan besitzt besondere Fähigkeiten im Puppenspiel, Ibushi wird niemals wieder die Technik seines Clans anwenden können«, ließ Rasa nicht locker.
»Bedauerlich. Ich hatte mich dennoch lediglich verteidigt«, wiederholte Minato unbeeindruckt. »Er kann froh sein, dass er noch lebt.«
Rasa gab einen missmutigen Laut von sich. »Was ist mit den Toten?«, verlangte er zu wissen. »Ich will sie ihren Familien übergeben, das ist meine Pflicht.«
»Was von ihnen übrig ist, wird Ihnen überlassen«, sicherte Minato ihm zu.
»Was von ihnen übrig ist …«, echote Rasa tonlos.
»Nun …« Minato deutete auf Ōkami. Ōkami leckte sich das Maul.
Nun wurde Rasa doch ein wenig blass. »Dann stimmen die Gerüchte. Ich dachte, das bezieht sich auf, nun, Sie.«
Das letzte war an Tobirama gerichtet.
»Entgegen des allgemeinen Irrglaubens bin ich kein halber Wolf«, betonte Tobirama.
»Sind wir damit zu einer Einigung gekommen?«, fragte Minato.
»Acht Millionen und Hilfsgüter«, sagte Rasa reserviert. »Über die Details können wir später verhandeln.«
Minato lächelte. »Wunderbar! Ich freue mich, dass Sie Einsicht zeigen. Sie sind natürlich weiterhin herzlich eingeladen, mein Gast zu sein bei der letzten Prüfung.«
Er reichte Rasa seine Hand. Widerwillig schlug Rasa ein. Den Tee hatte er immer noch nicht angerührt.
Nächstes Kapitel: Die Chuunin Prüfungen kommen zu einem Ende.
Kapitel 3: Die letzte Prüfung
Die letzte Prüfung fand schon am nächsten Tag statt. In den letzten Tagen waren von nah und fern Besucher gekommen, die sich die Duelle ansehen wollten, darunter auch die Kage der anderen Dörfer und die meisten der daimyō. Das hatte Tobirama noch einmal ordentlich Kopfzerbrechen bereitet, besonders in Anbetracht dessen, dass Rasa bereits versucht hatte, Minato zu schaden, und Tobirama auch den anderen Kage keinen Fingerbreit über den Weg traute, es nicht vielleicht auch zu versuchen. Mit so vielen Fremden im Dorf war alles denkbar, und auch wenn es nun an Minato war, ihm zu sagen, er würde sich zu viele Sorgen machen, wich Tobirama ihm doch Tag und Nacht nicht von der Seite.
Erstaunlicherweise verlief jedoch alles glatt.
»Siehst du«, kommentierte Minato trocken. »Ich hab‘s dir gesagt.«
Tobirama gönnte ihm diesen kleinen Sieg.
Die Tribünen der Arena hatten für diesen Anlass erweitert werden müssen und waren trotzdem brechend voll. Im ganzen Dorf waren Konohas Shinobi unermüdlich im Einsatz, um gemeinsam mit der Polizei der Uchiha für Ordnung zu sorgen, und auch Tobiramas Anbu taten wieder ihren Anteil. Ein paar seiner Leute hatten schon gemeint, dass sie sich für die ganze Extraarbeit einen Bonus verdient hätten, und Tobirama hatte ihnen zugestimmt. Das hatten sie in der Tat. Es war eine Mehrbelastung für sie, und sie hatten ihre Arbeit gut erledigt.
Den Kage stand eine eigene Loge zu, von der sie einen guten Blick auf das Geschehen unten in der Arena hatten. Tobirama hatte sein Bestes getan, um den Ort so gut es ging zu sichern. Er selbst war natürlich ebenfalls anwesend und stand direkt hinter Minato. Ōkami war nicht weit und patrouillierte auf dem Dach des Gebäudes und einige weitere Anbu waren nur unweit von ihnen positioniert, wo sie aus dem Verborgenen heraus die Umgebung im Auge behielten.
Tobirama war nicht der einzige, der hier die Rolle eines Leibwächters übernahm. Rasa war erneut mit Baki gekommen, und auch über die anderen hatte Tobirama bereits seine Recherchen betrieben.
Sandaime Tsuchikage Ōnoki war in Begleitung seines Sohnes Kitsuchi erschienen. Ōnoki war alt geworden, wie Tobirama feststellte, aber es wunderte ihn nicht; er war ein Kind gewesen, als die Dörfer gegründet worden waren, überhaupt erstaunlich, dass er noch im Amt war und auch nicht den Anschein erweckte, so schnell etwas daran zu ändern. Ōnoki war ein Schüler Mūs gewesen, zu Tobiramas Zeit sein Amtskollege, und wie Mū konnte auch Ōnoki fliegen und Jinton anwenden.
Kitsuchi verfügte über keine vererbte Fähigkeit, war aber auch so ein besonders starker Doton-Anwender, selbst für die Verhältnisse Iwas. Vielleicht war es ja deswegen, weshalb Ōnoki ihn als seinen Wächter auserwählt hatte.
Godaime Mizukage Terumī Mei, eine junge, elegant gekleidete Frau, war erst seit wenigen Monaten im Amt. Ihr Amtsantritt hatte einen radikalen Umbruch in Kirigakure markiert, aber so recht wollte Tobirama noch immer nicht glauben, dass sie wirklich beendet hatte, was ihrem Dorf den Ruf des Blutigen Nebels eingebracht hatte. Angeblich hatte sie sich an einem Staatsstreich beteiligt, der ihren Vorgänger Karatachi Yagura des Amtes enthoben und seine kurze aber blutige Herrschaft beendet hatte, aber Tobirama hatte keine Details herausfinden können. Bedauerlich, denn er wusste damit auch nichts über den Verbleib des Sanbi, der angeblich zuletzt in Yagura versiegelt gewesen war.
Mei selbst verfügte über einige bemerkenswerte Fähigkeiten, darunter Yōton und sogar Futton. Sie mochte jung sein, aber ihr Talent war unbestreitbar.
Ihr Begleiter war Ao, ein berüchtigter Shinobi, der besonders in Konoha keinen guten Ruf genoss. Es war etwas dreist von Mei, ausgerechnet diesen Mann mitgebracht zu haben, denn er war vor allem dafür bekannt, vor einigen Jahren den Hyūga ein Byakugan gestohlen zu haben. Er verbarg sein rechtes Auge zwar unter einer Augenklappe, aber Tobirama wusste trotzdem, dass es da war. Und schenkte er seinen Quellen glauben, dann wusste Ao mit seinem gestohlenen Gut auch noch umzugehen.
Der letzte im Bunde war Yondaime Raikage A, womit Kumogakure also wieder einmal der Benennung ihrer Kage treu geblieben war, wie Tobirama mit einem gewissen Amüsement festgestellt hatte. Wie auch die Raikage vor ihm war A ein wandelnder Muskelberg, der sie alle hier winzig erscheinen ließ.
Seit jeher hatten die Raikage von Kumogakure einige besondere Traditionen nicht nur, was ihre Namen anging. Sie bildeten mit ihren Leibwächtern ein spezielles Tag-Team, und A und Killer B waren da keine Ausnahme. Nach allem, was Tobirama nicht zuletzt von Minato persönlich gehört hatte, waren die beiden ausgesprochen effektiv. Minato hatte sogar anerkennend hinzugefügt, dass A mit seiner eigenen Geschwindigkeit mithalten konnte, was eine beachtliche Leistung war.
Besonders bemerkenswert war jedoch der Fakt, dass Killer B der jinchūriki des Hachibi war. Tobirama musste sich eingestehen, dass dieser Umstand ihn ein klein wenig nervös machte, zumal Minato ihm bestätigt hatte, dass Killer B in der Lage war, Hachibis Chakra effektiv zu nutzen. Tobirama hatte es ihm nicht so wirklich glauben wollen, das ging wider allem, was Mito ihm immer und immer wieder gesagt hatte, aber Minato hatte es mit eigenen Augen gesehen, als er vor einigen Jahren mit A und Killer B im letzten Krieg aneinander geraten war.
Tobirama hatte dennoch vorsichtshalber hinzugefügt, dass Minato besser gar nicht erst daran denken sollte, etwas ähnliches zu versuchen.
»Tja, hätt‘ ja nicht gedacht, dass du mit deinen Worten bei unserem letzten Treffen Recht behalten hast und wir uns jetzt wirklich als Kage wiedersehen, Minato«, sagte A. »Hast es weit gebracht, wie ich so hörte, was man so einem Hänfling wie dir gar nicht zutraut.«
Muskelkraft war eben nicht alles.
»Ich geb mein Bestes«, sagte Minato knapp, wenn auch in einem freundlichen Ton.
»Jetzt ist der Gelbe Blitz der Boss, schießt krass los wie ein Geschoss«, warf B ein.
Ihm antwortete Stille.
»B, halt die Klappe«, wies A ihn an.
»Du bist ein Banause, Bruder«, beschwerte sich B. »Da hab ich den ganzen Weg drüber nachgedacht.«
»Dein Rap ist immer noch scheiße«, konterte A gnadenlos. »Üb das für dich und nicht auf Kosten unseres Gastgebers.«
Minato zog es vor, dazu zu schweigen, was wahrscheinlich die eleganteste Lösung war, um B nicht weiter zu brüskieren.
Sie wurden von weiteren Reimversuchen Bs erlöst, als unter ihnen Genma das Feld betrat, um die beiden ersten Duellanten anzukündigen, eine Kunoichi aus Kiri und ein Ninja aus Iwa.
»Jetzt passen Sie gut auf, verehrte Mizukage«, sagte Ōnoki. »Rikū wird als heißer Kandidat unter den Neulingen meines Dorfes gehandelt.«
»Und Nanami wird nicht umsonst der Drache des Nebels genannt«, konterte Mei selbstsicher. »Ich habe hart dafür gearbeitet, dass wir unsere unrühmliche Vergangenheit hinter uns lassen können, aber wir aus Kiri haben doch nicht unseren Biss verloren.«
Die beiden jungen Genin, die soeben das Feld betraten, machten jedenfalls den Eindruck, es gar nicht abwarten zu können, ihre Kräfte gegeneinander messen zu können. Nanami war Teil des Teams gewesen, das Tobirama schon bei der zweiten Prüfung aufgefallen war. Rikū machte ebenfalls einen guten Eindruck dem nach zu urteilen, was Tobirama in seiner Akte gelesen hatte, aber ob er mit Nanamis Härte würde mithalten können, blieb abzuwarten.
Sie grüßten einander, dann gab Genma das Zeichen, dass sie beginnen konnten. Sogleich griff Rikū erwartungsgemäß mit einem Doton an. Nanami wich aus und warf einige Shuriken. Sie war auf diesem Gelände im Nachteil, da der Platz zum Großteil nur aus Sand und festgestampfter Erde bestand. Ein ideales Gelände für einen Doton-Anwender.
Aber eben nur größtenteils. Eine kleine Baumgruppe stand hier ebenfalls und in ihrem Schatten befand sich ein Tümpel, kaum mehr als eine glorifizierte Pfütze. Die wenigsten konnten wie Tobirama ihr Chakra zu Wasser umformen und mussten stattdessen mit bereits vorhandenem Wasser arbeiten, so auch Nanami. Laut ihrer Akte war sie jedoch sehr gut darin.
Sie wich Rikūs Angriffen geschickt aus und zog sich langsam aber sicher in die Richtung des Tümpels zurück. Rikū schien das nicht zu bemerken und setzte selbstsicher seine Angriffe fort. Rein technisch war er gut, sonst hätte er es nicht so weit gebracht. Aber er war unaufmerksam.
»Kazekage, ich habe gehört, dass es aus Ihrem Dorf keiner in die Endrunde geschafft hat«, warf Ōnoki beiläufig ein. »Sie sind alle vorzeitig disqualifiziert worden.«
Rasa verzog keine Mine. »Pech. Beim nächsten Mal strengen sie sich besser an.«
Derweil hatte Nanami ihr Ziel erreicht. Tobirama erkannte die Fingerzeichen für ein starkes Suiton. Nein, das war kein Suiton. Er sah genauer hin, und dann erkannte er es. Nanami war vom Yuki-Clan und schien anscheinend das kekkei genkai ihres Clans geerbt zu haben. Sie wendete Hyōton an.
Einer der Felsen, die Rikū bis jetzt auf sie geworfen hatte, landete im Tümpel. Das Brackwasser spritzte auf. Nanami vollendete ihr Jutsu.
Sie war umgeben von scharfen Eisnadeln, die sie nun auf ihrem Gegner richtete. Rikū nahm das nicht so ernst, wie er sollte. Nanami machte eine Bewegung, als würde sie einen Speer auf ihrem Gegner werfen und eine der Nadeln schoss auf Rikū zu.
Erwartungsgemäß wehrte er den Angriff mit einer Erdwand ab. Anders als Tobirama entging ihm dabei jedoch, dass die Nadel seine Wand zwar nicht durchschlagen, aber dennoch einen tiefen Krater hinterlassen hatte. Das Eis des Hyōton war hart wie Stahl.
Nanami lächelte selbstsicher. Dann warf sie auch den Rest ihrer Nadeln. Zusammen durchschlugen sie Rikūs Abwehr und spießten ihn auf. Blutend ging er zu Boden. Es war offensichtlich, dass er so schnell nicht wieder aufstehen würde. Der Kampf war entschieden.
Sanitäter trugen den Besiegten vom Feld, während Genma Nanami als Siegerin dieses Duells proklamierte. Das Publikum jubelte. Ōnoki gab einen mürrischen Laut von sich. Mei lehnte sich zufrieden in ihrem Sitz zurück.
»Sie hatte Glück«, grummelte Ōnoki.
»Glück würde ich das nicht nennen«, hielt Mei dagegen. »In einem Gelände, in dem sie eigentlich im Nachteil ist, hat sie dennoch den Sieg errungen.«
Zudem noch mit einem Jutsu, das über dem Niveau eines Genin lag.
Genma kündigte die nächsten Duellanten an: Hyūga Shota, ein Angehöriger der Zweigfamilie, wie Tobirama wusste, und Hayato, ein Ninja aus Kusagakure, der bisher nicht mit allzu großem Talent hervorgestochen war, aber doch auch nicht gänzlich unfähig sein konnte.
Mei beugte sich zu Minato hinüber. »Na, jetzt bin ich ja mal gespannt, was der berühmte Hyūga-Clan alles drauf hat.«
Sie brauchte gar nicht so zu tun, Aos Anwesenheit bewies, dass sie sehr gut darüber im Bilde war.
»Sie besitzen ein bemerkenswertes kekkei genkai. Sicher sind Sie daran interessiert, es einmal in seiner vollen Stärke zu sehen.« Minato sagte es mit einem galanten Unterton in der Stimme, aber die Spitze konnte Mei keinesfalls entgangen sein.
Ao mochte sich zwar ein Byakugan ergaunert haben, aber er war nicht dazu in der Lage, es vollumfänglich einzusetzen. Die spezielleren Kampftechniken der Hyūga konnte er nicht anwenden.
Mei klimperte mit den Wimpern. »Aber sicher doch. Konoha hat ein paar formidable junge Männer zu bieten.« Noch immer hielt sie den Blick auf Minato gerichtet.
Tobirama hatte das ganz dringende Bedürfnis, diese Frau möglichst weit weg von Minato zu halten, koste es, was es wolle.
»Kann man so sagen, ja«, stammelte Minato verlegen, plötzlich gar nicht mehr wortgewandt.
Tobirama warf Mei einen vernichtenden Blick zu, was sie durch die Maske natürlich nicht bemerkte. Er tat es für seinen Seelenfrieden.
Es war A, der Minato aus dieser etwas verfänglichen Situation errettete, als er sagte: »Aber einen Uchiha haben wir dieses Jahr nicht dabei, wie ich hörte. Schade, dabei hört man von denen doch immer so viel.«
»Der Clan hat jedoch ein paar bemerkenswerte Nachwuchstalente«, sagte Minato eilig, sichtlich froh, von Mei so schnell erlöst worden zu sein. »Schon in ein paar Jahren werden sie sicherlich von sich hören lassen.«
Shota und Hayato hatten indes Aufstellung genommen und Genma gab erneut das Zeichen zum Beginn. Shota verfiel sogleich in die Grundhaltung der Sanften Faust. Hayato hatte sicher seine eigenen Recherchen betrieben und wusste, was für ein Gegner ihn erwartete. Er führte einen Bogen bei sich, eine Waffe, die man nur selten bei Shinobi sah.
Shota wartete offensichtlich darauf, dass sein Gegner zuerst angriff, um ihn dann mit der Sanften Faust anzugreifen. Hayato tat auch genau dies, jedoch auf eine recht ungewöhnliche Art und Weise. Er benutzte ein Beschwörungsjutsu, noch ein Jutsu, das unerwartet für einen Genin kam, und rief damit ein Steppenpferd herbei. Das Tier war gedrungen und kurzbeinig und besaß ein zotteliges Fell, ganz eindeutig ein Bewohner der weiten Grasebenen Kusagakures.
Hayato sprang in den Sattel, doch statt im vollen Galopp Shota direkt anzugreifen, begann er, im weiten Kreis um seinen Gegner herum zu reiten. Interessiert verfolgte Tobirama das Geschehen. Das war ein ungewöhnliches Vorgehen für einen Shinobi.
Auch Shota schien irritiert davon, umso mehr, als Hayato den kurzen, geschwungenen Bogen von der Schulter nahm und sich auf den Sattel stellte. Er bewies damit großes Geschick, das war bei weitem kein leichtes Manöver. Er legte einen Pfeil an, schoss und legte sogleich einen weiteren an.
Shota konnte die Angriffe mit einer Rotation abwehren, doch Hayato schoss unermüdlich weiter Pfeile auf ihn, während er um ihn herum ritt. Wusste er um den blinden Fleck des Byakugan? Bemerkenswert war jedoch auch, dass Shota dieses Jutsu überhaupt beherrschte; soweit Tobirama wusste, war es der Hauptfamilie vorbehalten.
Weder hatte Hayato einen unbegrenzten Pfeilvorrat noch Shota unerschöpfliche Chakrareserven. War es Hayatos Ziel, Shota zu erschöpfen? Es erweckte den Anschein, denn er schoss seinen gesamten Köcher leer, obgleich keiner seiner Pfeile sein Ziel fand. Shota machte keinen allzu frischen Eindruck mehr, als er schließlich innehielt. Ein kreisförmiger Krater hatte sich um ihn herum gebildet.
Hayato setzte sich wieder in den Sattel und ergriff erneut die Zügel. Sein Pferd tänzelte, als er es zum Halten brachte. Er musterte seinen Gegner, während er sich den Bogen wieder über die Schulter hing. Aus seiner Tasche holte er eine Schriftrolle und entsiegelte eine eigenwillige Waffe. Sie ähnelte einer Sichel, war jedoch größer. Die Klinge war lang und gebogen und beidseitig geschliffen. Eine Waffe geschaffen, um den Gegner im berittenen Kampf zu enthaupten.
Hayato nahm Maß. Er musste sich bewusst sein, dass der begrenzte Raum der Arena seinem Angriff signifikant Schwung nahm, dieser Kampfstil war auf weiten Ebenen weitaus effektiver. Dennoch trieb er sein Pferd mit einem lauten Ruf an. Das Tier stürmte voran. Hayato hob die Klinge.
Shota erkannte, was da auf ihn zukam, und er erkannte auch, was seine beste Chance wäre, seinen Kopf auf seinen Schultern zu behalten. Erneut nahm er eine Abwehrhaltung ein.
Im letzten Moment machte er einen Hechtsprung zur Seite, wich damit dem Schlag der Klinge aus, die in einem blitzenden Bogen auf ihn niederfuhr, und rammte gleichzeitig dem Pferd seine Finger in die Flanke, um es mit einer Sanften Faust zu Boden zu schicken.
Schrill wiehernd brach das Pferd zusammen. Seine Beine gaben unter ihm nach und es kippte zur Seite. Hayato schaffte es nicht mehr rechtzeitig, sich aus dem Sattel zu befreien und wurde unter seinem Reittier begraben. Seine Klinge flog ihm aus der Hand. Zu spät löste er das Jutsu auf. Zwar löste sich das Pferd in Rauch aus, doch der Schaden war bereits angerichtet. Als er sich wieder aufrappelte, humpelte er sichtlich.
Auch Shota war wieder auf die Beine gekommen. Er sah ebenfalls recht mitgenommen aus, doch noch war er nicht besiegt. Er nahm erneut die Grundhaltung der Sanften Faust ein.
Hayato humpelte zu seiner am Boden liegenden Waffe. Auch ohne den Vorteil des berittenen Kampfes war sie noch immer ein tödliches Instrument. Er dachte gar nicht erst daran, jetzt aufzugeben, auch wenn es bedeutete, sich in Shotas Nahkampfbereich zu begeben. Die Waffe schwingend stürmte er voran.
Tobirama konnte spüren, wie Shota sein Chakra kanalisierte. Unter Hayatos ersten Schlag tauchte er hinweg, und dann ließ er eine Reihe von Schlägen auf seinen Gegner niedergehen, immer mehr und in immer schnellerer Reihenfolge. Der berüchtigte Hakke-Kampfstil der Hyūga, der einen verheerenden Effekt auf den Gegner hatte. Shota schaffte es immerhin bereits bis zu den vierundsechzig Händen, und auch das war bereits genug. Mit jedem Schlag sandte er ein winziges bisschen seines eigenen Chakra in die Chakrapfade seines Gegners, und dank seines Byakugan konnte er die Punkte präzise treffen. Jeder der Schläge mochte einzeln vielleicht nicht mit allzu viel Kraft ausgeführt werden, dafür blockierten sie aber den Chakrafluss des Gegners.
Hayato hatte keine Chance. Er spuckte Blut und brach zusammen. Shota atmete schwer und würde sicher selbst nicht mehr lange in einem Kampf standhalten. Doch noch stand er.
Genma deklarierte ihn als Sieger. Minato machte einen zufriedenen Eindruck. Immerzu blickten sie auf die Uchiha, aber auch die Hyūga hatten offenbar das eine oder andere bemerkenswerte Talent in ihren Reihen. Es war eine Schande, dass dieser Junge in die Zweigfamilie geboren worden war. Hoffentlich würde Hiashi sein Talent nicht vergeuden.
Während die Sanitäter Hayato vom Feld trugen und auch Shota zur Krankenstation begleiteten, kündigte Genma bereits das nächste Paar an: Mabui aus Kumogakure und Yua, eine Kunoichi aus Amegakure. Mabui stand schon bereit, doch von Yua war zunächst nichts zu sehen.
»Wo wir schon von besonderen Talenten sprechen.« A lehnte sich zu Minato hinüber. »Mabui beherrscht ein ganz besonderes Teleportationsjutsu, mit dem sie Objekte mit Lichtgeschwindigkeit transportieren kann. Dachte, das interessiert dich vielleicht. Aus Gründen.«
»Oh, ich hab davon gehört«, sagte Minato. »Gerüchteweise war Ihr Vorgänger der einzige, der es aushalten konnte, wenn diese Technik auf ihn angewandt wurde.«
A lachte selbstsicher aus. »Ja, der hatte ein bisschen was auf dem Kerbholz. Du hast eine ähnliche Technik, wie ich weiß.«
»Streng genommen ist Hiraishin nicht meine Technik«, betonte Minato. »Und sie funktioniert auch anders, auch wenn sie oberflächlich betrachtet denselben Effekt haben mag.«
Wenigstens sagte er offen, dass Hiraishin nicht seine Erfindung war. Was ihn trotzdem nicht daran hinderte, sich alberne Namen dafür auszudenken.
»Ich geb zu, ich hab seit unserem letzten Treffen ein paar Recherchen angestellt«, sagte A. »Das ist das Jutsu des Nidaime Hokage, er hat‘s erfunden. Und dann kamen mir gewisse Dinge zu Ohren. Dass er gar nicht so tot ist, wie alle in den letzten vierzig Jahren dachten. Es würde mich ja schon reizen, mal mit ihm zu reden. Mein Dorf hat eine gewisse Geschichte mit ihm.«
Rasa regte sich. Sein Blick huschte zu Tobirama, aber er sagte nichts. Minato schmunzelte und ließ sich nichts anmerken. Er hatte wohl vor, A weiterhin im Unklaren über Tobiramas Anwesenheit zu lassen.
B räusperte sich. »Hüte dich vorm großen bösen Wolf, der Nummer Zwei, schlägt dich so schnell wie sonst keiner zu Brei.«
»Halt endlich deine Klappe!«, fuhr A ihn an. »Das ist ja peinlich mit dir.«
»Ich war noch nicht fertig!«, protestierte B.
»Keiner hier will deinen Rap hören!«
Minato musste sichtlich an sich halten, um nicht allzu offensichtlich zu lachen, und Tobirama knirschte mit den Zähnen. Und der Idiot sollte ein jinchūriki sein? So schrecklich, wie seine Reime waren, war das kaum zu glauben.
Unten auf dem Kampfplatz trat nun ein Konoha-nin an Genma heran und sagte leise etwas zu ihm. Beide wirkten sie etwas ratlos, da Yua noch immer nicht aufgetaucht war. Was auch immer der Mann zu Genma sagte, Genma antwortete darauf mit einem Schulterzucken.
»Was Sie Tobirama sagen wollen, können Sie auch mir sagen und ich richte es aus«, bot Minato an. »Er ist leider ein sehr beschäftigter Mann.«
Er warf Tobirama einen verschmitzten Blick aus dem Augenwinkel zu. Offensichtlich hatte er sehr viel Spaß hieran.
»Dann sagen Sie ihm, dass er den beiden Arschlöchern ruhig noch etwas fester hätte in den Arsch treten können«, sagte A. »Aber deren Gefolgsleute im Alleingang kaltzumachen und dann auch noch Ginkaku und Kinkaku so zuzusetzen, das ist schon nicht ohne.«
Schien so, als hätte Tobirama einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Kakashi erschien mit einem Shunshin bei ihm. Auch er trug seine komplette Ausrüstung samt Maske, er war immerhin im Einsatz. Allerdings hatte Tobirama nicht damit gerechnet, dass Kakashi jetzt schon seinen Bericht abliefern würde. Er war etwas früh dran. Tobirama führte ihn ein kleines Stück von den anderen weg.
»Was gibt es?«, fragte er leise.
»Rabe-san ist heute nicht zum Dienst erschienen«, erwiderte Kakashi ebenso leise, damit nur Tobirama ihn hörte. »Weißt du etwas?«
Tobirama legte fragend den Kopf schief. »Nein. Er hatte sich nicht bei mir krankgemeldet.«
»Seltsam, denn bei sich zu Hause ist er auch nicht.«
Seltsam in der Tat.
»Wie sieht es sonst aus?«, wollte Tobirama wissen.
»Alles ruhig.«
»Gut. Dann durchsuche seine Wohnung und sieh nach, ob du Hinweise findest, wo er sein könnte.«
Das sah Sukea ganz und gar nicht ähnlich. Tobirama hatte ihn als gewissenhaften Shinobi kennengelernt, der ganz sicher nicht einfach so seine Dienstpflicht verletzen würde. Etwas musste passiert sein.
»Verstanden«, bestätigte Kakashi.
»Sonst noch etwas?«
Kakashi nickte und reichte ihm eine kleine Schriftrolle. »Von Jiraiya für Minato. Soll ich ausrichten.«
»Gut. Du kannst gehen. Ach, und tu mir einen Gefallen und halte auf deinem Weg die Ohren offen nach den Ame-nin. Yua hätte schon längst hier auftauchen sollen.«
Kakashi deutete auf die Schriftrolle. »Das hat, glaube ich, was damit zu tun. Hab schon gehört, dass ein paar Ame-nin verloren gegangen sein sollen.«
Na, das waren ja interessante Neuigkeiten. Hatte Jiraiya dazu etwas herausgefunden? »Du kennst deinen Auftrag.«
»Bin schon unterwegs, Boss.«
Mit diesen Worten verschwand Kakashi, bevor Tobirama ihm noch hinterher knurren konnte, dass er einen etwas weniger sarkastischen Ton bevorzugen würde. Er seufzte stumm, trat dann zu Minato, legte ihm eine Hand auf die Schulter und reichte ihm wortlos die Schriftrolle. Kurz sah Minato ihn fragend an, dann nahm er das Schriftstück entgegen und öffnete es. Er hielt es so, dass Tobirama mitlesen konnte.
»Gerüchte über einen Umsturz in Amegakure in diesen Momenten. Hanzō angeblich tot. Ame-nin abgezogen und zurück in die Heimat beordert«, schrieb Jiraiya.
Na, das waren ja mal spannende Neuigkeiten. Tobirama würde dem ganz sicher auf den Grund gehen. Das erklärte zumindest, wo Yua blieb.
Wieder trat der Konoha-nin auf Genma zu und richtete ihm etwas aus. Genmas einzige Reaktion bestand aus einer hochgezogenen Augenbraue und dann einem Schulterzucken. Er wandte sich an die Zuschauer.
»Alle Teilnehmer aus Amegakure haben sich selbst disqualifiziert«, verkündete er. »Gewinnerin dieses Duells ist daher automatisch Mabui aus Kumogakure. Herzlichen Glückwunsch.«
Mabui nahm es mit einem Schulterzucken auf und zog unverrichteter Dinge wieder ab.
»Feiglinge«, knurrte A. »Mabui hat einen richtigen Kampf verdient.«
»Entschuldigt mich bitte einen Moment«, wandte sich Minato an seine Gäste. Während Genma bereits die nächsten Kämpfer ankündigte, stand Minato auf und ging mit Tobirama in den angrenzenden Raum. Hier waren einige Erfrischungen und Snacks aufgetischt, gegenwärtig hielt sich hier aber niemand auf, sodass sie ungestört reden konnten.
»Was sagst du dazu?«, fragte Minato und hielt Jiraiyas Schreiben hoch.
»Abwarten«, riet Tobirama ihm. »Jiraiya hat selbst geschrieben, dass es nur Gerüchte sind. Ich werde ein Auge auf die Entwicklung der Ereignisse haben, aber für den Moment sollten wir den Dingen einfach erst einmal ihren Lauf lassen.«
Minato wirkte nicht allzu glücklich. »Ich habe bei der ganzen Sache kein gutes Gefühl. Irgendwas sagt mir, dass uns das auf die Füße fallen kann.«
»Ein Bürgerkrieg in einem angrenzenden Land ist nie eine erfreuliche Sache«, sagte Tobirama und legte Minato beruhigend eine Hand auf den Arm. »Aber es ist nie gut geendet, wenn sich die großen Nationen in die Angelegenheiten kleiner Länder einmischten. Das war genau das, was schlussendlich zum ersten Großen Ninjakrieg geführt hatte.«
Das und Hashiramas Tod. Als er noch gelebt hatte, hatte es niemand gewagt, sich mit Konoha anzulegen.
Minato schien nicht gänzlich überzeugt davon. Dennoch nickte er. »Na gut. Dann machen wir hier erst einmal weiter, wie bisher. Läuft ja bisher ganz gut, nicht wahr?«
»Verdächtig gut«, räumte Tobirama ein.
Minato sah sich rasch um, dass derzeit auch wirklich niemand im Raum war. Dann hob er Tobiramas Maske an und stahl sich einen raschen Kuss.
»Typisch du. Bloß nicht zugeben, dass andere auch einmal gute Ideen haben können.« Er lachte leise.
Tobirama richtete seine Maske und schnaubte. »Vorsicht hat noch nie jemandem geschadet.«
Minato tat gespielt ernst. »Der große Nidaime Hokage hat natürlich immer Recht. In meiner bescheidenen Rolle als Yondaime Hokage soll ich dir übrigens von Raikage A ausrichten lassen, dass du den Gold und Silber Brüdern einen noch etwas kräftigeren Arschtritt hättest verpassen sollen.«
Tobirama schüttelte den Kopf, musste aber dennoch schmunzeln. »Kindskopf.«
Minato knuffte ihn. »Lass mir meinen Spaß. Nach den Scherereien, die er mir damals beschert hatte, habe ich mir das verdient. Los, komm. Lass uns sehen, wie der Rest der Prüfung verläuft.«
Er verlief recht unspektakulär. Die verbliebenen Duelle liefen ohne weitere Zwischenfälle ab und so, wie es zu erwarten gewesen wäre. Es gab keine weiteren Überraschungen, es tat sich jedoch auch niemand mehr mit einem außergewöhnlichen Talent hervor.
Die Gewinner der heutigen Runde würden im Laufe der nächsten Woche in weiteren Runden gegeneinander antreten, bis am Ende ein Gewinner feststand. Das musste jedoch nicht unbedingt heißen, dass diese Person dann auf jeden Fall zum Chūnin ernannt werden würde. In der darauf folgenden Zeit würden sie die Ergebnisse der Teilnehmer auswerten und sehen, ob sich unter ihnen einige hervorgetan hatten, die es trotz eines vorzeitigen Ausscheidens verdient hatten, sich Chūnin nennen zu dürfen.
Tobirama war kein großer Befürworter, aus der Sache solch ein öffentliches Spektakel zu machen, aber die Tickets für die Zuschauerränge bei der letzten Runde waren weggegangen wie heiße Semmeln, und das zusätzliche Geld kam ihnen nun einmal sehr gelegen.
Minato jedenfalls machte einen sehr zufriedenen Eindruck, als sie an diesem Abend nach Hause gingen. Tobirama war in erster Linie froh, Minato endlich außerhalb der unmittelbaren Reichweite dieser Bluthunde zu wissen, ganz besonders Mei. Die ganze Zeit über hatte sie ihre Augen nicht von Minato lassen und beinahe auch ihre Finger nicht bei sich behalten können. Tobirama hätte darüber hinweg geblickt, wenn es nicht so offensichtlich auch Minato nicht zugesagt hätte. Diese Frau war unangenehm, und Minato schien ganz froh, sie zumindest für diesen Tag loszusein. War es ihre Rache für Minatos Spitze in Bezug auf Aos Byakugan, das er sich gestohlen hatte?
Tsunade war bereits daheim, Kakashi schien aber ebenfalls gerade erst heim gekommen zu sein. Es war bereits spät, die Schatten wurden lang, da Minato, um der Gastfreundschaft Genüge zu tun, die anderen Kage noch zu einem Diner geladen hatte. Tobirama wollte an diesem Tag definitiv kein Essen mehr sehen, er hatte genug gegessen für eine ganze Woche.
»Ich hab mir überlegt, was wir für das nächste Mal verbessern könnten«, sinnierte Minato, während sie gerade im genkan die Schuhe auszogen.
Tobirama wollte eigentlich nur noch seine Ruhe haben und an diesem Tag nichts mehr von irgendwas hören. Wurde er doch langsam alt? Das war bedenklich. Die Nächte schlug er sich schon lange nicht mehr so um die Ohren wie noch vor zwanzig Jahren.
»Und das wäre?«, sagte er dann doch.
»Wir könnten ein Dorffest daraus machen«, schlug Minato vor. »Gerade für die Kinder wäre das sicher toll. Und Leute feiern nun mal gern.« Er hielt inne und sah zu Tobirama. Dann musste er lachen. »Nun mach doch nicht so ein Gesicht!«
»Großartig. Noch mehr Arbeit«, grummelte Tobirama und ignorierte die leise Stimme, die verräterisch wisperte, dass das eigentlich eine gute Idee war. Das war es auch, was damals unter anderem Uchiha und Senju näher zusammengebracht hatte. Sich gemeinsam mit dem einstigen Feind besaufen, war anscheinend etwas, das in der Tat sehr friedensstiftend wirkte.
Minato bohrte ihm einen Finger in die Seite. »Du verstehst wirklich keinen Spaß.«
Tobirama gab ihm einen Klaps auf die Finger. »Tse.«
Kakashi saß am kotatsu und knabberte an etwas, das aussah wie ein schneller Imbiss, den er sich auf dem Weg noch fix gekauft hatte. Er hatte ein Notizbuch vor sich, durch das er nachdenklich blätterte. Tsunade saß draußen im Garten und sog die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf. Vielleicht war sie ja auch schon im Liegestuhl eingeschlafen, Tobirama war sich da nicht so sicher. Ōkami lag bei Kakashi und beobachtete ihn. Sie hatte Naruto bei sich, der zwischen ihren Pfoten lag und vor sich hin döste. Es war schon längst Schlafenszeit für ihn.
Tobirama setzte sich zu Kakashi, während Minato seinen Sohn an sich nahm, um ihn ins Bett zu bringen.
»Irgendetwas Neues bezüglich Sukea?«, fragte Tobirama.
Kakashi sah auf und schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich bin noch mal die Dienstpläne der letzten Wochen durchgegangen und hab auch Kō und Yuki befragt. Sie hatten mir bei der Suche geholfen, aber wir haben nichts finden können. Als letztes hatte Yuki ihn gestern Abend gesehen; anscheinend haben die beiden eine Affäre, von der ich nichts wusste. Sukea war bei ihr für … nun ja, das eben. Gegen zehn war er dann nach Hause gegangen, aber kam dort anscheinend nie an. Yuki meinte, ihr sei nichts Unnormales aufgefallen und auch sonst gab es in letzter Zeit nichts, das irgendwie auffällig wäre. Er ist einfach so im Nichts verschwunden.«
»Wer ist im Nichts verschwunden?«, fragte Minato in diesem Moment, als er wieder zu ihnen stieß. Er setzte sich neben Tobirama.
Tobirama wiederholte, was Kakashi ihm gerade gesagt hatte. Minato lauschte mit gerunzelter Stirn.
»Seltsam in der Tat«, sagte er dann. »Sukea ist niemand, der seinem Dienst ohne Grund fernbleiben würde. Etwas muss passiert sein.«
Davon waren auch Tobirama und Kakashi überzeugt. Fragte sich nur was.
»Kakashi, ich will, dass ihr da dran bleibt«, wies Tobirama ihn an.
»Zusätzlich zu unserem üblichen Dienst?«
»Nein, das ist jetzt eure neue Mission. Konzentriert euch darauf. Findet Sukea so schnell wie möglich. Wer weiß, was vorgefallen ist.«
»Gut, dann mache ich mich besser gleich wieder auf den Weg.«
»Wenn ihr Unterstützung braucht, gebt Bescheid.« Kakashi wollte schon aufstehen, doch Tobirama hielt ihn auf und fügte hinzu: »Hast du zufällig auch etwas von Jiraiya gehört? Wegen dieser Sache mit Amegakure.«
Doch Kakashi schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, wo der steckt. Es gibt ein paar Gerüchte über Aufstände in dem Land, aber niemand weiß was genaues. Sollen wir uns auch darum kümmern?«
»Nein«, widersprach Minato. »Ihr habt schon genug zu tun. Ich hab noch ein oder zwei andere Shinobi im Dorf, die wollen auch etwas Arbeit.«
»Geht klar.« Mit diesen Worten machte sich Kakashi sogleich wieder auf den Weg. Tobirama und Minato blieben allein zurück.
»Das gibt mir zu denken«, sinnierte Minato. »Ausgerechnet einer aus der Anbu verschwindet doch nicht einfach so spurlos. Ich frag mich nur, was vorgefallen ist. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.« Er streckte die Schultern. »Nun ja, sich Sorgen zu machen, hilft am Ende niemanden. Lass uns abwarten, was Kakashi herausfindet. Was die Sache mit Amegakure angeht, werde ich morgen mit Jiraiya-sensei sprechen. Wie ich ihn kenne, hat er da sicher schon seine Nase hineingesteckt. Aber das kann jetzt warten, Zeit für Feierabend.«
Er lehnte sich gegen Ōkami und zog dabei Tobirama mit sich, um ihn zu knuddeln. Tobirama grummelte nur symbolisch und ließ es ansonsten widerstandslos zu.
»Im Großen und Ganzen war diese Prüfung ein Erfolg«, sagte Minato, während er seine Finger durch Tobiramas Haare gleiten ließ. Tobirama stellte fest, dass er das wirklich sehr mochte. »Ich habe den Eindruck, dass auch die anderen Kage offener für die Idee sind, aufeinander zuzugehen und mehr zu kooperieren.«
»Ein versuchter Diebstahl einer gefährlichen Waffe, eine verschwundene Person und ein gescheitertes Attentat auf dich nennst du gelungen?«, hielt Tobirama dagegen.
»Typisch du, immer der Skeptiker«, tadelte Minato. »Ja, ich nenne das trotz allem gelungen, denn statt eines neuen offenen Konflikts haben wir mit den anderen Dörfern gemeinsam an etwas gearbeitet. Natürlich ist das noch nicht perfekt, dass nicht alles reibungslos verlaufen würde, war doch von Anfang an klar. Aber das hätte doch auch gänzlich anders enden können.«
Das stimmte allerdings. Das Potenzial war da gewesen, dass sich das alles zu einer Katastrophe ausweiten würde. Aber das war nicht eingetreten. Tobirama war zugegebenermaßen positiv überrascht. Jetzt hoffte er nur, dass sich auch die Sache mit Sukea schnell klären ließ.
Minato schmiegte seine Wange an Tobiramas Scheitel und zog ihn fest an sich. »Tobirama?«
»Hm?«
»Halte bitte Mei von mir fern. Sie macht mir Angst. Hast du gesehen, wie sie mich ansieht? Als wäre ich die Beute und sie die Jägerin.«
Tobirama lachte leise. »Ich werd mein Bestes geben.«
»Das ist nicht lustig!«, beschwerte sich Minato. »Keine Ahnung, was sie im Schilde führt. Aber sie soll sich gefälligst anderswo nach Heiratsmaterial umsehen.«
»Natürlich werde ich mein Bestes geben und meinen Hokage vor heiratswilligen jungen Damen schützen«, versicherte Tobirama ihm. Er richtete sich auf, um Minato direkt ansehen zu können, und wurde mit einem ausgesprochen niedlichen Schmollen belohnt.
»Dein Hokage findet das ganz und gar nicht lustig«, grummelte Minato.
Tobirama schmunzelte und ließ Minato in Frieden.
Nächstes Kapitel: Minato trifft mehr Familie.
Kapitel 4: Eine Frage der Perspektive
Naruto hustete schon wieder, was zur Folge hatte, dass Minato noch nervöser im Warteraum der Kinderärztin auf und ab lief und damit nicht nur Tobirama auch den letzten Nerv raubte.
»Jetzt setzt dich endlich wieder hin!«, zischte er.
Sie warteten gerade einmal seit zehn Minuten und Tobirama könnte schon die Wände hochlaufen. Naruto schien sich eine Erkältung eingefangen zu haben, die erste ernsthafte Erkrankung seines jungen Lebens. Nun, so ernsthaft nun auch wieder nicht. Minato flippte trotzdem aus.
»Aber was, wenn das doch was Schlimmes ist?«, sagte Minato nicht zum ersten Mal an diesem Tag.
»Nichts aber«, knurrte Tobirama. »Der Junge hat einen Schnupfen, mehr nicht.«
Minato war an diesem Morgen wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett gestürmt, als er Naruto hatte husten hören. Sonst war Minato überhaupt kein Morgenmensch (sehr zu Tobiramas Verdruss), aber an diesem Tag hatte er sich kaum zu einem Kaffee zum Frühstück überreden lassen und wäre beinahe sofort mit seinem Sohn zur Praxis gestürmt.
»Das könnte alles mögliche sein«, fuhr Minato fort und ignorierte Tobiramas Einwand. »Ich hab gelesen, dass manchmal plötzlicher Kindstod eintreten kann. Was, wenn …«
»Halt den Mund und setz dich!«, fauchte Tobirama ihn an. Die anderen Eltern, die ebenfalls am frühen Morgen in der Praxis erschienen waren, warfen ihnen bereits vielsagende Blicke zu. Absolut niemand hier hatte den Nerv für einen übernervösen Hokage und zumindest offiziell alleinerziehenden jungen Vater.
Nur widerwillig setzte sich Minato neben Tobirama auf den bunten Plastikstuhl, wippte aber noch immer nervös mit den Füßen. Tobirama mahnte sich zur Ruhe. Es konnte auch niemand, inklusive ihm, einen entnervten ehemaligen Hokage gebrauchen.
Minato wurde aufgerufen und war quasi im selben Moment aufgesprungen, um in den Behandlungsraums zu stürmen. Tobirama atmete auf. Jetzt konnte ihm die Ärztin auch noch einmal sagen, dass Naruto nichts weiter als eine harmlose Erkältung hatte, und dann hatte er endlich seine Ruhe.
Entsprechend dauerte das ganze nur wenige Minuten, bis Minato wieder zu ihm kam. Er wirkte sichtlich erleichtert und deutlich entspannter. Tobirama rieb sich die Stirn und folgte dann Minato nach draußen. Die Kinderarztpraxis befand sich im Krankenhaus, und Tobirama hatte nicht vor, diesen Ort länger als nötig von innen zu sehen. Weckte unangenehme Erinnerungen an Doktor Fuyuko.
»Du hast Recht, es ist eine Erkältung«, sagte Minato.
Tobirama warf ihm einen langen Blick zu. »Ich hab‘s dir gesagt.«
Eine kleine Rotzblase bildete sich vor Narutos Nase. Minato zückte ein Taschentuch und wischte ihm die Nase ab. Mit einem Baby gewöhnte man sich erstaunlich schnell an allerhand unappetitliche Körpersekrete, und Tobirama hatte sich schon längst in sein Schicksal gefügt, dass ihm das mit Naruto erneut bevorstand. Im Geiste überlegte er bereits, ob sie daheim noch genügend Taschentuchvorräte hatten oder ob er noch schnell welche einkaufen sollte.
»Aber es hätte ja sein können«, protestierte Minato schwach.
»Es könnte auch einfach sein, dass du mit deiner übertriebenen Nervosität alle in den Wahnsinn treibst«, hielt Tobirama dagegen.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, konterte Minato. »Das sagst du höchstselbst immer wieder, wenn es um Siegel geht.«
Tobirama hob eine Braue. »Weshalb du von Anfang an lieber mich das erledigen ließest, obwohl du selbst sehr wohl wusstest, dass mit deinen Siegeln alles in Ordnung war.«
Minato machte ein unschuldiges Gesicht und grinste dann frech. »Na gut, ich gebe zu, dass das ein oder zweimal nur eine Ausrede war, um mich bei dir einzuladen. Hat funktioniert, würde ich sagen.«
Tobirama schnaubte, konnte ein Schmunzeln aber nicht verhindern. Hatte in der Tat funktioniert. Leise lachend hakte sich Minato bei ihm unter.
»Hey, ihr beiden!«, hörten sie Tsunade hinter sich rufen.
Sie wandten sich um und sahen, wie Tsunade ihnen mit langen Schritten nacheilte. Sie trug einen weißen Kittel, der hinter ihr her wehte, sie hatte derzeit also offenbar hier im Krankenhaus zu tun. Mittlerweile war es so etwas wie ihr kleines Reich geworden, über das sie die Herrschaft an sich genommen hatte. Darum gebeten hatte keiner, sie hatte es einfach getan, und der Rest hatte es ohne Protest hingenommen.
»Was macht ihr hier?«, wollte sie wissen, als sie bei ihnen angekommen war.
»Naruto ist krank«, sagte Minato.
Tsunade besah sich das Baby in seinen Armen mit einem Blick. »Schnupfen«, stellte sie fest. »Kommt vor, deswegen muss man keinen Arzt behelligen. Ein paar Tropfen Kochsalzlösung in die Nase und schon ist das Problem gelöst.«
»Ich hab‘s …«, setzte Tobirama an.
»Sag‘s nicht«, unterbrach Minato ihn.
Tobirama wandte sich wieder an Tsunade. »Willst du etwas von uns?«
»Ja, zwei Dinge«, begann sie. »Nein, eigentlich drei. Denn wenn wir jetzt alle dauerhaft unter einem Dach leben, müssen wir noch mal über die Raumverteilung reden, die da beinhaltet, dass mein Zimmer möglichst an einem Ende des Hauses liegt und Narutos am anderen Ende. Das Haus ist groß genug, ich will nicht ständig mitten in der Nacht geweckt werden.«
Das sollte kein Problem sein, sie würden sicher eine Lösung finden.
»Zweitens will ich, dass du dem Krankenhaus mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellst, Minato«, wandte sie sich an ihn.
Etwas überrumpelt blinzelte er. »Ich dachte, es wäre genug.«
»Nein, es ist nie genug«, betonte sie. »Wäre es vielleicht, wenn du damit einverstanden bist, dass hier alle mit veralteter Technik von vor zwanzig Jahren arbeiten, aber davon rate ich dringend ab. Es müssen neue Geräte angeschafft und die alten ersetzt werden und generell könnten ein paar Renovierungen nicht schaden. Hat fast den Eindruck, dass sich seit Opas Zeiten hier kaum was geändert hat.«
»Ich schaue, was ich machen kann«, versicherte Minato ihr.
»Was Politikersprech für drei Notgroschen ist«, sagte Tsunade geradeheraus.
»Finanzen sind auch nicht gerade mein Lieblingsthema, aber nun ja, was soll ich machen.« Minato zuckte mit den Schultern.
»Du hättest Rasa durchaus noch mehr abknöpfen können«, schlug Tobirama vor.
»Stimmt. Aber ich wollte es nicht übertreiben.«
Da Minato und Rasa sich noch nicht darüber geeinigt hatten, wie der materielle Teil der Entschädigung aussehen sollte, wäre das allerdings eine Option, die Minato noch offenstand.
»Hab gehört, ihr habt den Typen aus Suna eine ordentliche Tracht Prügel verpasst«, warf Tsunade ein. »Verdient haben die‘s.«
»Sozusagen«, sagte Tobirama knapp. »Es gab noch eine dritte Sache?«
»Ah. Ja. Ich lad euch zum Brunch ein. Shizune kommt auch, auch wenn sie davon noch nichts weiß.«
Tobirama sah sie fragend an. »Hast du hier nicht zu tun?«
»Die kommen schon ein paar Stunden ohne mich klar, ich muss denen hier nicht ständig das Händchen halten.«
Da eigentlich nichts dagegen sprach, folgten sie Tsunade, als sie sich auf die Suche nach Shizune machte. Sie fanden sie in dem kleinen Büro, von dem aus Tsunade ihr Reich regierte. Shizune schien etwas überrascht von Tsunades plötzlichem Einfall und wagte ihren Protest, dass hier noch eine Menge Arbeit bevorstünde, aber Tsunade überging das alles.
»Minato, hast du eine halbwegs kompetente Person, die für dich das Sekretariat übernimmt?«, wollte Tsunade wissen.
»Äh, nein, das hatte ich bisher nicht für nötig erachtet. Wieso?« Er sah sie irritiert an.
»Gut. Dann ist das ab sofort Shizunes Job«, legte Tsunade fest.
»Was?«, rief Shizune empört aus. »Du kannst doch hier schon kaum Ordnung halten, Tsunade, und da soll ich mich auch noch um ein zweites Büro kümmern? Vergiss es!«
»Wer redet denn von zwei Büros? Ich komm hier allein klar«, sagte Tsunade verblüffend selbstsicher.
Wenn sich Tobirama in dem kleinen Raum so umsah, wagte er das jedoch zu bezweifeln. Die Papiere stapelten sich und etliche Aktenordner standen ohne System in den Regalen. Genau wie Hashirama. Er hatte auch immer behauptet, sein Chaos hätte System, aber wenn dem so gewesen wäre, hatte es Tobirama nie durchschauen können.
Minato hob beschwichtigend eine Hand. »Das ist doch nicht nötig.«
»Doch, ist es«, widersprach Tsunade. »Shizune ist wirklich die beste Person für diesen Job.«
Tonton das Schweinchen quiekte, aber ob es zustimmend oder ablehnend war, konnte Tobirama nicht verstehen.
Tsunade eröffnete Shizune, dass auch sie zum Brunch eingeladen war, und auch Shizune wirkte etwas irritiert ob Tsunades Vorschlag. Dennoch hob sie Tonton hoch und fügte sich in ihr Schicksal. Sie schien schon lange gelernt zu haben, dass sie gegen Tsunades Sturkopf nicht ankam.
Vor dem Krankenhaus hatte Ōkami auf sie gewartet und sich den Pelz in der Vormittagssonne gewärmt, bevor es dafür zu heiß wurde. Sie schnüffelte an Naruto und stellte zufrieden fest, dass er noch lebte, dann lenkte Tonton ihre Aufmerksamkeit auf sich. Wieder quiekte das Schweinchen, und dieses Mal war sich Tobirama sehr sicher, dass es wehleidig klang.
Tsunade hatte ein ganz bestimmtes Café im Sinn, zu das sie sie führte. Die ganze Zeit über versteckte sich Tonton in Shizunes Armen vor Ōkamis Blicken.
Das Café war an diesem Vormittag nur mäßig besucht. Sie setzten sich draußen an einen der Tische, und Ōkami wählte sich einen Platz neben Tobirama. Das war zufälligerweise auch eine gute Position, um weiter Tonton zu beobachten. Tonton wollte offensichtlich keinen Millimeter von Shizune abrücken und versuchte zitternd, sich in ihrem haori zu verstecken.
»Kleiner Welpe, wann bekomme ich endlich meinen Appetithappen?«, wollte Ōkami von Tsunade wissen. »Du lässt mich schon so lange darauf warten.«
»Tonton ist kein lebender Speck«, betonte Tsunade.
Ōkami jaulte wehleidig und warf ihr ihren besten Welpenblick zu. »Wieso nicht?«
Tsunade seufzte schwer.
»Was ist der Anlass hierfür?«, warf Tobirama ein.
»Ich hab mir vorgenommen, vor unbequemen Wahrheiten nicht mehr davon zu laufen, und das tu ich am besten in einem nicht gänzlich nüchternen Zustand. Kellner!«
Tsunade winkte den Kellner herbei und bestellte sich einen Sake. Der Mann nahm auch die restliche Bestellung auf, ging, um kam kurze Zeit später mit ihren Getränken wieder.
Wortlos griff Tobirama nach Tsunades Schale, kippte den Sake aus und füllte mit einem kleinen Suiton Wasser nach. Tsunade sah ihn empört an.
»Ich hab gesagt, dass ich euch einlade, aber das geht auf deine Rechnung!«
»Du trinkst zu viel, Tsuna«, sagte Tobirama ruhig.
»Ich bin kein kleines Mädchen mehr«, protestierte Tsunade.
»Aber immer noch meine Nichte.«
»Ich hab‘s unter Kontrolle, glaub mir.«
Tobirama sah sie streng an. »Sicher?«
»Meistens«, räumte Tsunade ein. »Na schön, dann eben auf leeren Magen.« Sie sammelte sich kurz. »Minato, Shizune, ihr seid Cousins. Dachte, ihr wollt das vielleicht wissen.«
Shizune kippte beinahe vom Stuhl. Minato jedoch nahm das erstaunlich ruhig auf.
»Was soll das heißen? Cousins?«, verlangte Shizune zu wissen.
»Der Sohn deines Onkels ist logischerweise dein Vetter«, sagte Tsunade.
Shizune klappte den Mund ein paar Mal auf und zu und starrte Tsunade ungläubig an. »Onkel Dan soll ein Kind gehabt haben? Mit we…« Sie unterbrach sich selbst. »Ach du Scheiße!«
»Falls es dich tröstet, ich weiß es auch erst seit kurzer Zeit«, sagte Minato.
Tsunade sah ihn unsicher an. »Du bist mir nicht böse deswegen?«
»Dieses Mal hast du keine dreißig Jahre gewartet, um es mir zu sagen«, sagte Minato ruhig. »Ich frage mich lediglich, ob ich noch mehr Verwandtschaft habe, von der ich nichts weiß.«
»Nicht dass ich wüsste.« Tsunade wandte sich an Shizune. »Oder ist da was bei dir, von dem ich nichts weiß?«
Shizune schnappte nach Luft und schien diese Neuigkeit immer noch verarbeiten zu müssen. »Du und Onkel Dan … Und dann ist es auch noch der Hokage.«
Sie wurde aus dieser etwas sonderbaren Situation erlöst, als der Kellner erneut wiederkam und ihnen das Essen brachte, das sie bestellt hatten. Das lockerte die Stimmung wieder etwas, und Shizune schien sich auch von ihrem ersten Schock erholt zu haben.
Für Tobirama war das keine Neuigkeit gewesen. Er hatte zwar, seit er sie kennengelernt hatte, nicht viel mit Shizune zu schaffen gehabt, zumal sie sich eine eigene kleine Wohnung im Dorf gesucht hatte, aber er hatte ja schon vorher gewusst, dass sie Dans Nichte war, was sie logischerweise zu Minatos Base machte. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, weil Tsunade es nur in einem Nebensatz erwähnt hatte, aber diese Frage hatte sich ja nun von selbst geklärt.
Es fiel Tsunade schwer, darüber zu reden, das ganze Thema war kein leichtes für sie. Dennoch hatte sie den Mut dazu aufgebracht, und es war doch recht gut verlaufen. Tobirama war stolz auf sie.
Nachdem die anfängliche Überraschung abgeklungen war, entwickelte sich auch alsbald ein Gespräch zwischen Minato und Shizune. Mit ihr schien es ihm leichter zu fallen als mit Tsunade. Auch wenn er Tsunade gegenüber langsam auftaute, war da doch noch immer eine gewisse Distanz zwischen ihnen. Shizune jedoch befand sich in einer zumindest ähnlichen Situation wie er, das schien es ihm leichter zu machen.
Tobirama legte Minato unter dem Tisch eine Hand auf das Knie und lächelte leicht. Minato erwiderte das Lächeln. Er wirkte fröhlich. Das war gut.
Das späte Frühstück wuchs sich zu einem Mittagessen aus. Minato schien anscheinend in der Stimmung, Naruto zu verwöhnen, der er hatte ihm eine Schale mit Apfelmus bestellt. Tobirama war der Ansicht, dass es dem Jungen nicht gut tun würde, mit Süßkram vollgestopft zu werden, aber Minato hielt dagegen, dass Naruto immerhin krank sei und sich das jetzt verdient hätte. In aller Seelenruhe und unter Tobiramas missbilligenden Blick schob er Naruto noch einen Löffel in den Mund.
Tsunade beobachtete die Szene stumm. Widerstreitende Gefühle standen auf ihrem Gesicht geschrieben. Sie schien nach einem Weg zu suchen, Anteil daran zu haben, und fand gleichzeitig keinen wirklichen Zugang. Die Art und Weise, wie sie von Naruto erfahren hatte, schien ebenfalls ihren Teil dazu zu leisten. Aber vielleicht konnte Tobirama ihr dabei helfen? Er hatte immerhin ebenso plötzlich erfahren, dass er auf einmal einen Enkel hatte.
Shizune war weitaus lebhafter. Nachdem die anfängliche Scheu überwunden war, war sie hin und weg von Naruto. »Der Strampler ist so niedlich!«, quietschte sie begeistert.
»Ja, oder?«, stimmte Minato ihr zu. »Ich hatte ihn gesehen und musste ihn einfach kaufen. Er passt perfekt zu Naruto. Hoffentlich hält er dieses Mal auch ein wenig länger; in den ersten Monaten war Naruto so schrecklich schnell gewachsen.«
Tobirama war da anderer Ansicht als Minato. Dieses Ding war schon wieder orange, wie mittlerweile alles in Narutos Garderobe. Irgendwie hatte sich das so ergeben. Tobirama wusste nicht, was Minato so großartig an dieser Farbe fand, aber Tobirama fand sie schrecklich. Vielleicht sollte einfach er das nächste Mal Kleidung für Naruto kaufen gehen, statt es Minato zu überlassen.
Naruto bemerkte, dass über ihn geredet wurde, und sah neugierig zu Shizune. Er kannte sie noch nicht, und das schien sein Interesse zu wecken, viel mehr schien er sich aber noch für Tonton zu begeistern.
»Dada«, brabbelte er und deutete auf das Schweinchen.
Tonton sah von Naruto zu Ōkami und schien dann zu dem Schluss zu kommen, sich nicht kooperativ zu zeigen und sich weiter bei Shizune zu verstecken.
»Das ist Tonton. Tonton ist ein Schwein«, erklärte Minato seinem Sohn.
Naruto sah ihn groß an. Wenn Minato darauf gehofft hatte, dass Naruto mehr als nur inhaltsloses Gebrabbel verlauten ließ, dann wurde er mal wieder enttäuscht. Tobirama verzichtete auf den Hinweis, dass Naruto etwas früh dran wäre mit seinem ersten richtigen Wort.
»Willst du ihn einmal halten?«, wandte sich Minato an Shizune.
Shizune schien von der Idee angetan, Tonton weniger, denn das bedeutete, dass sie nun zu Tsunade fliehen musste, was sie auch näher an Ōkami brachte. Die Wölfin leckte sich schon wieder das Maul, wohl in einer unbewussten Geste. Tobirama stupste sie mit dem Fuß an, um sie daran zu erinnern, das Schweinchen in Ruhe zu lassen. Missmutig bettete Ōkami den Kopf auf ihre Pfoten, nicht jedoch ohne Tobirama noch einen letzten anklagenden Blick zuzuwerfen, dass auch er ihr den Appetithappen verwehrte.
Minato reichte Naruto weiter an Shizune, die den Jungen vorsichtig unter den Armen griff. Naruto wollte sich nicht setzen und stemmte seine kleinen Hände gegen ihre Schultern. Sein kleines Gesichtchen verzog sich und damit bahnte sich bereits die Katastrophe an. Shizune lächelte und wippte ihn auf ihrem Schoß, aber damit war er endgültig nicht einverstanden. Sein Gesicht knitterte zusammen und dann fing er an zu quengeln. Da es Minato wagte, nicht noch im selben Moment wieder bei ihm zu sein, wuchs sich das sehr schnell zu einem ausgewachsenen Heulanfall aus. Schnell nahm Minato ihn wieder an sich und wiegte ihn, aber noch immer weinte Naruto. Jetzt war es allerdings mehr Trotz als alles andere. Er krallte seine Hände in Minatos Kleidung und presste sein Gesicht in den Stoff, als wolle er sich so vor der fremden Person verstecken, an die sein Vater ihn gerade einfach so abgeschoben hatte. Ōkami stand auf und streckte den Kopf, um Naruto mit der Schnauze anzustupsen.
Tsunade tätschelte Shizune den Arm. »Nimm‘s nicht persönlich, Schätzchen, mich kann er auch nicht leiden.«
Shizune schien es allerdings persönlich zu nehmen, denn sie machte ein langes Gesicht.
Naruto klammerte sich an Minato und setzte ein paar demonstrative Schluchzer nach. Minato strich ihm über den Kopf und machte beruhigende Geräusche. Das schien Naruto endlich ein wenig zu versöhnen, aber loslassen wollte er trotzdem noch nicht.
Tobirama entging nicht, wie müde Naruto mittlerweile wirkte. »Wir sollten langsam nach Hause gehen.«
Minato sah zu Naruto. »Hmmhmm. Der arme Kleine hat genug Aufregung für einen Tag.«
Naruto unterstrich das, indem er besonders anhänglich wurde und nicht den Eindruck erweckte, seinen Vater so schnell wieder hergeben zu wollen. Derweil beglich Tsunade die Rechnung und blieb ihrem Wort treu, als sie Tobirama den verschütteten Sake zahlen ließ.
»Es war schön, euch kennenzulernen. Wenn ich das so informell sagen darf«, sagte Shizune zum Abschied. »Aber Tsunade, wir haben noch ein Wörtchen miteinander zu reden, klar?«
Naruto sah demonstrativ weg und ignorierte sie.
»Hmpf«, war alles, was Tsunade dazu sagte.
Sie verabschiedeten sich voneinander. Tsunade und Shizune gingen zurück zum Krankenhaus, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen, und Tobirama und Minato begaben sich auf den Heimweg. Ōkami trottete neben ihnen her.
»Wie geht es dir?«, erkundigte sich Tobirama.
»Naruto hat den Schnupfen, nicht ich«, versicherte Minato ihm leichthin.
»Ich meine wegen Shizune.«
»Nun.« Minato nahm sich einen Moment, darüber nachzudenken. »Zu erfahren, dass man irgendwo noch eine verschollene Cousine hat, hat nicht ganz den Schockeffekt, als plötzlich der leiblichen Mutter gegenüber zu stehen. In erster Linie bin ich einfach froh, dass sie dieses Mal gleich so ehrlich war.«
»Tsunade gibt sich wirklich Mühe«, betonte Tobirama.
»Ich weiß. Es ist nur …« Minato seufzte. »Es ist einfach immer noch seltsam. Ich weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Ich versuch‘s, aber … Es ist seltsam.«
»Gib dem ganzen einfach noch etwas Zeit«, sagte Tobirama sanft.
Statt einer Antwort ergriff Minato seine Hand. Tobirama sah ihn fragend an, doch Minato lächelte einfach nur. Nun denn. Wenn er das nicht mehr ganz so diskret behandeln wollte, würde Tobirama keine Einwände erheben. Er verschränkte ihre Finger miteinander.
Bei ihnen daheim angekommen, erwartete sie eine kleine Überraschung. Tobirama hatte nicht damit gerechnet, Jiraiya hier anzutreffen, wie er offensichtlich auf sie gewartet hatte.
»Hey, Minato, da bist du ja«, begrüßte er sie. »Hab dich gesucht. Im Büro warst du nicht und dann hat man mir gesagt, dass sich deine Adresse jüngst geändert hat.«
Zumindest offiziell. Wenn man es ganz genau nehmen wollte, hatte Minato ja schon seit einigen Monaten quasi bei Tobirama gewohnt.
»Naruto ist krank«, sagte Minato. »Wir waren beim Arzt mit ihm.«
»Oh je, was hat der kleine Racker denn?« Jiraiya beugte sich vor, um Naruto besser sehen zu können, der drückte sich jedoch stattdessen tiefer in die Arme seines Vaters und quengelte.
»Zum Glück nur eine Erkältung«, versicherte Minato ihm. »Wollen Sie nicht hineinkommen, sensei?«
Jiraiya sah zu Tobirama. »Wenn das in Ordnung ist?«
Tobirama warf Minato einen vielsagenden Blick zu. »Es gibt Tee.«
Minato lachte leise und ließ Jiraiya ein. Sie setzten sich an den kotatsu und Tobirama brachte ihnen mal wieder Tee. Naruto wollte Minato noch immer nicht loslassen; seine Erkältung machte ihn anscheinend besonders anhänglich. Ōkami hielt sich nahe bei ihnen, und Tobirama erkannte ihre schützende Haltung, die sie Jiraiya gegenüber eingenommen hatte. Ihr gefiel es anscheinend nicht, dass er Naruto nahe kam.
»Was gibt es, sensei?«, erkundigte sich Minato.
»Zuerst die erfreulichen Dinge.« Mit diesen Worten zog Jiraiya ein Buch aus der Tasche, die er bei sich geführt hatte, und schob es Minato zu. »Kam heute frisch aus der Druckerei. Die erste Druckfahne meines neuesten Romans und du darfst sie als erstes lesen. Ist natürlich signiert.«
Minatos Augen leuchteten. Tobirama verschränkte mit einem finsteren Blick die Arme vor der Brust. Minato ließ sich davon nicht beirren und blätterte neugierig durch die Seiten.
»Das klingt alles so spannend!«, stellte er begeistert fest. »Aber ich muss ein Geständnis machen. Ich habe den ersten Band noch immer nicht gelesen. Aber Kakashi meinte, er sei gut.«
»Für den hab ich auch noch ein Exemplar«, verkündete Jiraiya. »Wo steckt der Junge? Dann kann ich es ihm gleich geben.«
Tobiramas Blick wurde immer finsterer. »Auf einer Mission.«
Und wenn es nach ihm ging, würde Kakashi auch noch ein bisschen länger unterwegs sein, wenn es bedeuten würde, dass er diesen Schund nicht so bald in die Finger bekäme.
Minato stupste ihn an. »Was machst du so ein Gesicht?«
»Das weißt du genau«, knurrte Tobirama.
»Du bist doch nur beleidigt, weil Kakashi seine Exemplare auf eine Weise vor dir in Sicherheit brachte, die du nicht überwinden kannst«, neckte Minato.
Nicht dass Tobirama nicht daran arbeiten würde, etwas dagegen zu unternehmen, und er hatte sogar schon eine Idee. Er hatte nur noch keine Gelegenheit gefunden, sie auszuprobieren. Aber die Zeit würde schon kommen, ein wenig mit Kakashis Kamui zu experimentieren.
»Aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund hier.« Jiraiyas Ton wurde ernst. »Ich nehme an, du hast meine Botschaft gestern erhalten.« Minato nickte. »Gut. Ich hab mich ein bisschen umgehört wegen dem, was in Amegakure gerade passiert. Der Buschfunk funktioniert noch, auch wenn noch immer viel Unklarheit zu herrschen scheint. Es scheint aber in der Tat so zu sein, dass Hanzō der Salamander Opfer eines Putsches geworden ist. Ob das nun gut oder schlecht ist, bleibt abzuwarten. Es kam zu blutigen Ausschreitungen, angeblich soll es sogar Tote gegeben haben, aber über das tatsächliche Ausmaß gibt es noch keine einheitlichen Berichte.«
»Deswegen sind die Teilnehmer aus Amegakure also so plötzlich verschwunden«, stellte Minato fest.
Jiraiya nickte. »Ja, in der Tat. Wie die aktuelle Lage im Land aussieht, weiß ich nicht; es war ja schon vorher schwer hineinzukommen. Gerüchteweise hat wohl irgendeine militaristische Organisation übernommen, aber was die im Schilde führen, weiß ich nicht. Sie nennen sich Akatsuki. Der Name ist mir hier und da schon begegnet, aber die Berichte darüber sind widersprüchlicher Natur. Mal heißt es, das ist eine Söldnertruppe, dann wieder, dass sie Freiheitskämpfer sind, die für ein Ende von Hanzōs Herrschaft gekämpft haben. Keine Ahnung, was davon näher an der Wahrheit ist.«
Naruto unterbrach ihn, als er erneut anfing zu quengeln. Er zappelte und streckte seine Arme nach Tobirama aus. Tobirama wunderte sich, weshalb Naruto so plötzlich zu ihm wollte, statt bei Minato zu bleiben. Als Minato ihm jedoch Naruto reichte, beantwortete sich diese Frage. Naruto krallte seine Hände in Tobiramas Pelzkragen und drückte das Gesicht hinein.
Minato schmunzelte. »Dagegen komme ich nicht an.«
»Der kleine Welpe weiß eben, was gut ist«, kommentierte Ōkami.
Jiraiya lachte laut auf. »Ha! Erziehst du jetzt einen Miniaturwolf, Minato?«
Das plötzliche laute Geräusch erschreckte Naruto und er begann zu greinen. Beschützend drückte Tobirama ihn ein wenig fester an sich. »Ich bringe ihn ins Bett. Er braucht Ruhe.«
Minato strich ihm über den Arm. »Tu das. Der arme kleine Sonnenschein. Hoffentlich wird er bald wieder gesund.«
»Und du machst dir immer noch zu viele Sorgen.« Mit diesen Worten stand Tobirama auf und trug Naruto nach oben. Ōkami folgte ihm auf den Fuß.
Naruto hatte schon längst nicht mehr nur ein provisorisches Zimmer im Haus. Schon vor vielen Wochen war abzusehen gewesen, dass Minato kein häufiger Gast mehr war. Dass Minato jetzt offiziell bei Tobirama eingezogen war, war an diesem Punkt kaum mehr als eine Formalie, seine Adresse zu ändern.
Naruto suchte Tobiramas Wärme. Die ganze Zeit über gab er unwillige Laute von sich. Ihm machte seine Erkältung mittlerweile sichtlich zu schaffen. Wirklich höchste Zeit, dass er ins Bett kam, um sich auszuschlafen.
Tobirama wollte ihn in die Wiege legen, doch Naruto weigerte sich, seinen Pelz loszulassen. Vorsichtig löste er Narutos Finger aus dem kostbaren Pelz, was Naruto jedoch mit unwilligem Ningeln quittierte. Seufzend ließ Tobirama es bleiben und behielt Naruto auf dem Arm.
»Dann eben nicht.«
Er lief ein wenig im Zimmer auf und ab und wiegte Naruto, um ihn zum Einschlafen zu bewegen. Schützend hielt er eine Hand über den kleinen Kopf. Naruto kuschelte sich an ihn. Oder vielleicht wollte er auch einfach nur den weichen Pelz kuscheln.
»Du bist ein kleiner Unruhegeist, der uns ganz schön auf Trapp hält, weißt du das?«, sagte Tobirama leise, doch mit einem Lächeln. »Dein Papa hat sich einfach so in mein Leben geschlichen und du gleich mit. Ziemlich frech von euch beiden.«
Naruto gähnte, direkt gefolgt von einem Niesen, das den ganzen Schnodder in der kleinen Nase an Tobiramas kostbaren Pelz abschmierte. Tobirama grummelte und dankte wieder einmal sich selbst, dass er schon vor etlichen Jahren entsprechende Siegel in den Pelz gearbeitet hatte. Er brauchte nur mit einem Taschentuch den Pelz abzuwischen, um die Verunreinigung zu entfernen. Anders hätte es Tobirama nie geschafft, seinen geliebten Pelz unbeschadet durch all die Kämpfe mit Izuna zu bringen.
Immerhin konnte Naruto jetzt etwas freier atmen, was seinem Wohlbefinden sichtlich zuträglich war. Er lächelte Tobirama an und war sich ganz offensichtlich keiner Schuld bewusst. Einem Impuls folgend drückte Tobirama ihm einen Kuss auf den Haarschopf. Naruto streckte die kleinen Ärmchen aus, um sie ihm um den Hals zu legen. Tobirama konnte einfach nicht anders, er knuddelte Naruto noch ein wenig mehr.
»Bei mir bist du sicher«, versprach er dem kleinen Jungen. »Dafür sorge ich.«
Naruto war indes bedeutend ruhiger geworden. Von unten hörte Tobirama leise die Stimmen Minatos und Jiraiyas, konnte aber nicht verstehen, was sie besprachen.
Ōkami beobachtete ihn. »Er ist jetzt auch dein Welpe.«
Das konnte man wohl so sagen. Tobirama setzte sich auf den Boden, und Ōkami kam zu ihm und beschnüffelte Naruto. Sie rieb ihren Kopf an Tobirama.
»Unser Welpe«, sagte er ihr.
Ōkami schnaubte zum Zeichen, dass sie damit einverstanden war.
Narutos Atemzüge wurden ruhiger und tiefer. Er war endlich eingeschlafen. Tobirama wartete noch ein paar Minuten, dann wagte er einen weiteren Versuch, Naruto in seine Wiege zu legen. Doch selbst im Schlaf wollte Naruto den Pelz nicht hergeben. Leise lachend gab sich Tobirama geschlagen und überließ Naruto seine Beute. Er legte das Baby samt Pelz in die Wiege und baute ihm aus dem Pelz ein Nest. Das schien Naruto ja ohnehin zu mögen. Ein letztes Mal strich er ihm über den Kopf, dann wandte er sich zum Gehen. Ōkami blieb und legte sich vor die Wiege, um über Naruto zu wachen. Tobirama ging wieder nach unten.
»Minato, mir kamen gewisse ... Dinge in Bezug auf sensei zu Ohren«, sagte in diesem Moment Jiraiya, doch als er Tobirama sah, unterbrach er sich.
Tobirama setzte sich wieder zu ihnen. »Er schläft jetzt«, sagte er Minato. Dann wandte er sich an Jiraiya. »Bitte fahren Sie fort, lassen Sie sich nicht von mir stören.«
Jiraiya machte keinen allzu glücklichen Eindruck. »Vielleicht sollte ich eher Sie fragen, was das sollte, Nidaime-sama. Das war in allem außer dem Namen nach eine unehrenhafte Entlassung.«
Tobirama zog die Brauen zusammen. Mit welchem Recht nahm sich Jiraiya die Freiheit heraus, diese Entscheidung anzuzweifeln? Er war nicht in der Position dazu.
»Um die er selbst gebeten hatte«, sagte Minato eilig, noch bevor Tobirama etwas sagen konnte. »Ich war zunächst dagegen, aber Sandaime-sama selbst bestand darauf, und mittlerweile bin auch ich davon überzeugt, dass es richtig war.«
Jiraiyas Gesicht verdunkelte sich. »Gerade von dir als meinem Schüler hätte ich das nicht erwartet. Soll das sein Lohn sein für all die Mühen, die er in der ganzen Zeit auf sich genommen hatte? Fast vierzig Jahre hat er das Dorf regiert.«
»Und dafür verdient er meinen vollen Respekt«, fiel Minato ihm ins Wort. »Doch manche Dinge konnten einfach nicht länger stillschweigend hingenommen werden.«
»Also stellst du ihn öffentlich an den Pranger für Dinge, die vor zehn Jahren geschehen sind. Das ist doch schon längst verjährt.«
»Sakumo war mein Sohn!«, fauchte Tobirama. Er konnte nicht länger still sein. »Er war mein Sohn und Hiruzens Untätigkeit trieb ihn in den Tod.«
Minato legte ihm eine Hand auf den Arm. Die Geste beruhigte Tobirama zumindest etwas. Ansonsten würde er sich hier noch allzu leicht vergessen.
»Ich habe niemanden an den Pranger gestellt«, sagte Minato betont ruhig. »Sandaime-sama tat seine Aussage freiwillig im vollen Bewusstsein der möglichen Konsequenzen. Und außerdem war Sakumo doch auch Kakashis Vater, und ich habe Kakashi gegenüber noch immer eine Verantwortung. Gerade Sie werden das sicher verstehen, sensei.«
Jiraiya machte nicht den Eindruck, als ob er das verstehen wollte. Tobirama biss die Zähne zusammen und blieb allein Minato zuliebe still. Ansonsten hätte er diesen Mann schon längst seines Hauses verwiesen.
»Es ist dennoch nicht rechtens, nicht nach allem, was er für das Dorf getan hat«, beharrte Jiraiya.
»Seine mangelnde Entschlossenheit zögerte zwei Kriege in die Länge«, zählte Tobirama auf. »Ebenso ließ er wissentlich zu, dass Uzushio von seinen Feinden vernichtet wird, und das im vollen Bewusstsein des gegenseitigen Pakts, der zwischen Uzushio und Konoha bestand. Ein alter und einflussreicher Clan ist wegen ihm bis an den Rand der Auslöschung getrieben worden, doch da endete es nicht. Er ließ zu, dass mein Clan in Bedeutungslosigkeit versank und ließ Mito allein mit der Bürde des Kyubi. Er überließ Kushina ihrem Schicksal im vollen Bewusstsein der möglichen Konsequenzen für sie, und das war ultimativ ihr Tod. Hiruzen kann froh sein, dass er sich nur für seine Tatenlosigkeit in Bezug auf Sakumo zu verantworten hat.«
»Manches muss sich ändern, ansonsten wird Konoha auf immer in der Vergangenheit feststecken«, fügte Minato hinzu. »Und dazu gehört, vergangene Fehler nicht mehr stillschweigend hinzunehmen und zu ignorieren.«
»Du willst die Vergangenheit hinter dir lassen, aber hörst auf ihn?« Jiraiya deutete auf Tobirama. »Mir scheint, dass das hier eher etwas Persönliches ist.«
»Sensei, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen«, sagte Minato eisig kalt.
Das schien Jiraiya zu verblüffen. Er war diesen Ton von Minato wohl nicht gewohnt. Einen Moment lang starrte er Minato schweigend an.
»Na gut«, sagte er schließlich. »Du bist jetzt Hokage. Mach, was du denkst, ich kann dich ja ohnehin nicht daran hindern. Ich danke für den Tee.«
Tobirama schwieg, ansonsten würden Worte fallen, die er hinterher bereuen würde.
Jiraiya fand allein den Weg zur Tür. Tobirama wartete immerhin noch, bis er hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann sprang er mit einem wütenden Ausruf auf.
»Was erlaubt er sich eigentlich!«
Minato trat sogleich zu ihm und umarmte ihn, um ihn zu beruhigen. Tobirama schnaufte aufgebracht, Zorn brodelte in seinem Bauch. Doch gleichzeitig merkte er, dass auch Minato nur schwer seine Wut zurückhalten konnte. Also erwiderte er die Umarmung.
»Ich hatte befürchtet, dass das passieren könnte«, sagte Minato düster. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen. »Dass man unsere Beziehung in Frage stellen könnte, besonders im Licht der jüngsten Ereignisse. Aber dass ausgerechnet mein sensei der erste ist, der es auch wirklich ausspricht, kam unerwartet. Es tut weh.«
Tobirama drückte ihn an sich, wohl gleichsam Halt suchend, wie er damit Minato gab. Es war Minato nicht genug. Er krallte seine Hände in Tobiramas Hemd, um ihn an sich zu ziehen und ihn hart zu küssen. Tobirama spürte all den Trotz in diesem Kuss, und erwiderte ihn bereitwillig in gleicher Manier. Sollten sie nur versuchen, sie beide zu trennen. Es würde ihnen nicht gelingen.
Nächstes Kapitel: Tobirama setzt seine Nachforschungen fort und stößt auf immer nur neue Fragen.
Kapitel 5: Fragen und keine Antworten
Aufmerksam lauschte Tobirama auf Kakashis Bericht. Er war mit seinen beiden verbliebenen Teamkameraden zum Zwischenreport in Tobiramas Büro gekommen, um ihn auf dem Laufenden zu halten, wie die Suche nach Sukea voranging. Schon längst waren sie nicht mehr die einzigen, die nach dem Vermissten suchten, Tobirama hatte weitere Teams auf die Suche angesetzt und überlegte sogar, ob er Fugaku und seinen Polizeitrupp um Hilfe bitten sollte. Denn Sukea war wie vom Erdboden verschluckt.
»Es passierte an dem Tag nichts Ungewöhnliches«, fasste Kakashi noch einmal zusammen. »Sukea selbst hatte nichts bemerkt oder zumindest nichts gesagt und auch sonst niemand, der mit ihm an diesem Tag zu schaffen gehabt hatte. Was größtenteils ohnehin nur wir waren. Er verließ Yukis Wohnung, um zu seiner zurückzugehen, und kam dort nie an, das ist mittlerweile klar. Wir haben jeden nur erdenklichen Weg untersucht, den er dabei hätte nehmen können, aber es ist unmöglich, eine klare Spur zu finden. Wir müssten vielleicht das gesamte Dorf auf den Kopf stellen, aber das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.«
»Hat er Feinde?«, fragte Tobirama.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Such dir wen aus aus den ganzen Leuten, die wir schon umgelegt haben.«
Auch wieder wahr. Berufsrisiko. Tobirama würde dennoch gleich im Anschluss noch einmal Sukeas Akte durchgehen.
»Schließen wir die Möglichkeit aus, dass er einfach desertiert sein könnte?«, warf Kō ein.
»Sukea würde niemals desertieren!«, protestierte Yuki sogleich.
Tobirama konnte nicht abstreiten, dass ihm diese Möglichkeit ebenfalls bereits in den Sinn gekommen war. »Warum ist das keine reale Option?«
»Sukea ist treu«, beharrte sie. »Ich kenne ihn, ich weiß, dass er das niemals tun würde. Er hatte nie Anlass dazu gegeben, zu vermuten, dass er solche Gedanken hegt. Er zieht einigen Stolz aus seinem Dienst und ist dankbar, Konoha auf diese Weise dienen und seinen Teil dazu beitragen zu können. Sukea haut nicht einfach so ab wie diese kleine Ratte neulich.«
»Zugegeben, auch ich halte das für unwahrscheinlich, möchte diese Möglichkeit aber nicht gänzlich ausschließen«, sagte Tobirama ruhig. »Ein Unfall war es höchst wahrscheinlich nicht, irgendwer hätte ihn längst gefunden. Bleibt also Entführung, aber wir haben niemanden mit einem Motiv.«
»Und wenn er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war?«, fragte Kakashi.
»Dann haben wir ein noch viel größeres Problem.«
Denn das würde die Suche noch einmal erschweren. Wenn sie niemanden mit einem Motiv hatten, konnten sie auch nicht gezielt danach suchen. Sie tasteten blind im Dunklen herum.
Und außerdem implizierte das, dass irgendwer Leute verschwinden ließ, und Tobirama wusste nicht, wieso. Vielleicht war Sukea nur ein zufälliges Opfer, der wirklich nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Aber wer war es? Und warum?
»Wir sollten weitersuchen«, sagte Kakashi nüchtern, aber auch aus seiner Stimme war zu hören, dass er langsam die Hoffnung verlor, das noch zu einem guten Ende bringen zu können. Es war schon zu viel Zeit verstrichen.
Tobirama nickte. »Er kann sich nicht in Luft aufgelöst haben. Das ist unmöglich.«
Yuki verließ beinahe sofort den Raum, Kō folgte ihr. Als letzter wandte sich Kakashi zum Gehen, doch Tobirama hielt ihn auf.
»Warte bitte noch einen Moment.«
Kakashi sah ihn fragend an, schloss aber wieder die Tür. Seine beiden Kameraden würden draußen auf ihn warten. »Was gibt‘s?«
»Ich will einen kleinen Versuch mit deinem Kamui unternehmen.« Tobirama zog eines seiner für Hiraishin markierten Kunai und hielt es hoch. »Transportiere es in die Kamui-Dimension.«
Der Blick wurde kritisch. »Damit du da einbrechen und meine Bücher konfiszieren kannst? Vergiss es.«
Tobirama kniff die Augen zusammen. »Damit ich sehen kann, ob beide Dimensionen, die von Kamui und Hiraishin, miteinander kombinierbar sind. Behalte deine Bücher.«
Für‘s erste.
Kakashi hatte anscheinend den Braten gerochen, tat dann aber doch, um was Tobirama ihn gebeten hatte. Das Kunai verschwand in einem Wirbel aus seiner Hand. Tobirama versuchte, das Siegel zu aktivieren, stellte jedoch fest, dass er es nicht mehr mit seinen Sinnen wahrnehmen konnte. Es war verschwunden.
»Der maskierte Mann«, sagte Kakashi langsam. »Der, der auch Kamui besitzt.«
»Was ist mit ihm?«
»Der ist doch auch einfach so spurlos verschwunden«, erinnerte sich Kakashi. »Ob der vielleicht etwas damit zu tun hat? Es wäre möglich, ganze Menschen mit Kamui zu transportieren. Das ist am Ende genau das, was er mit sich selbst getan hatte.«
»Es wäre eine Möglichkeit«, räumte Tobirama ein. »Aber eine von viel zu vielen. Da sind noch immer zu viele offene Fragen. Ich hätte jetzt gern mein Kunai wieder.«
»Was? Das war‘s schon?«
»Freu dich, ich kann es nicht benutzen.«
Das Kunai fiel aus dem Vortex, der sich zwischen ihnen in der Luft bildete und traf klirrend auf dem Boden auf. Tobirama hob es auf und steckte es weg. Dann schickte er Kakashi los, damit er seinem Auftrag weiter nachging.
Tobirama wandte sich seinen Akten zu. Noch einmal wollte er alles zu Sukea durchgehen, was er besaß. Es musste doch irgendwo einen Hinweis darauf geben, warum ausgerechnet er das Opfer war.
Gleichzeitig sann er über Kakashis Kamui nach. Auch da waren zu viele Fragen offen, dabei hatte er das Gefühl, dass Kamui der Schlüssel zur Identität des Angreifers sein könnte. Er sollte vielleicht auch mit Fugaku darüber reden, er selbst wusste zu wenig darüber und auch Kakashi konnte ihm seine Fragen nicht beantworten. Ihn hatten die Uchiha genauso im Dunkeln gelassen, obgleich er ihr kekkei genkai teilte.
Tobirama besah sich die Unterlagen in seinen Händen. Sein Blick wanderte zu seinem Notizbuch. Die Seite war voller Fragezeichen. Missmutig ließ er die Papiere sinken. Das war doch nicht zu fassen. Irgendwie musste er hier doch vorankommen. Wieso trat er auf der Stelle? Was übersah er?
Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann packte er seine Unterlagen weg, schloss den Raum ab und teleportierte sich direkt zu Minato.
Ihn erwartete eine Überraschung.
»Was soll denn das werden?«, grummelte er.
Minato war tatsächlich schon am Arbeiten oder tat zumindest so. Denn vor ihm auf dem Schreibtisch saß ein kleines Kätzchen, das Tobirama protestierend anmaunzte, als er aus dem Nichts heraus auftauchte. Es machte einen wilden Eindruck, das Fell war verdreckt und das Tierchen wirkte allgemein recht mager.
»Das ist Menma«, verkündete Minato. »Du wirst doch sicher nichts gegen eine kleine Katze zu Hause haben. Oder? Ich konnte sie einfach nicht allein in der Gosse lassen.«
Er sah bittend zu Tobirama auf und tat ganz unschuldig.
Menma. Minato hatte nicht ernsthaft auch noch eine Katze nach Essen benannt. Tobirama musste an sich halten, dazu nichts zu sagen, nahm sich aber still vor, Minato von jeglicher Benennung fernzuhalten.
»Das ist immer noch mein Haus«, sagte er stattdessen.
»In dem ich jetzt auch wohne«, konterte Minato frech. »Und streng genommen gehört es Tsunade.«
Tobirama schnaubte. »Details.«
Minato lachte leise. »Aber es gibt doch bestimmt einen Grund, warum du hier bist.«
Wieder maunzte das Kätzchen. Es wirkte eigentlich zu jung, um ohne seine Mutter zu sein. Ob ihr etwas passiert war?
»Sukea bleibt immer noch verschwunden«, sagte Tobirama. »Es sind jetzt bereits mehr als achtundvierzig Stunden vergangen, und mittlerweile wird es kritisch. Wenn es noch länger dauert, fürchte ich, werden wir vom schlimmsten ausgehen müssen.«
Minato wurde ebenfalls ernst. »Aber wer könnte es auf ihn abgesehen haben? Hatte er irgendwelche Feinde?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Tobirama. »Sukea hat wenige Freunde und außerhalb der Anbu so gut wie gar keine Beziehungen. Und was Feinde angeht, so ist das nun mal Teil seines Berufs. Ich bin seine Akten durchgegangen, konnte aber keinen Hinweis darauf finden, dass irgendwer jemals seine Tarnung durchschaut haben könnte. Ich bin ratlos.«
Tobirama setzte sich auf den Schreibtisch. Menma maunzte ihn protestierend an und setzte zu einem Angriff an. Tobirama starrte das kleine Kätzchen nieder, das sich davon allerdings nicht beeindrucken ließ, packte es im Nacken und setzte es von sich weg. Menma startete einen weiteren Versuch, den Eindringlich zu vertreiben, scheiterte allerdings erneut.
»Des weiteren habe ich mit Kakashis Kamui experimentiert«, fuhr Tobirama fort. »Wie wir feststellten, kann ich mich nicht mit Hiraishin in seine Dimension begeben, wenn er eines meiner Kunai hinein versetzt. Bedauerlich, aber nun ja. Vielleicht lässt sich das ja umgehen, aber das ist bisher nur eine wage Theorie.«
Minato schmunzelte. »Du gibst einfach nicht auf. Lass doch Kakashi einfach seine Bücher. Denkst du wirklich, dass sich die Dimensionen von Kamui und Hiraishin verbinden lassen?«
Genau das hatte auch Tobirama überlegt. Das war nur ein erster Versuch, um eine Idee auszuprobieren. Es würde noch weit mehr Versuche benötigen, wenn er wirklich zu brauchbaren Ergebnissen kommen wollte.
»Denk lieber darüber nach, was es heißt, dass du denselben Gedanken hast wie ich«, rügte er Minato. »Denn ja, genau das habe ich überlegt. Aber bis ich da zu einer Antwort komme, wird noch eine lange Zeit vergehen. Dringender ist die Frage, wie es sein kann, dass Kakashi eine Hälfte von Kamui besitzt und der maskierte Angreifer die andere.«
»Kakashi hat sein Auge von Obito«, sinnierte Minato. »Vielleicht … wurde Kamui dabei getrennt. Aber dann bliebe die Frage, wie irgendwer Obitos anderes Auge erlangen konnte.« Er unterbrach sich selbst. »Nein. Das kann unmöglich sein. Obito ist tot.«
»Hast du jemals seine Leiche gesehen?«, fragte Tobirama.
Minato schüttelte den Kopf. »Nein, habe ich nicht. Aber Rin hatte mir erzählt, was passiert war. Sie hatte Obitos intaktes Auge in Kakashi transplantiert, und dann war die gesamte Höhle über ihnen eingestürzt. Obito ist jetzt für alle Ewigkeiten darunter begraben, niemand wäre an ihn herangekommen.«
»Hm«, kommentierte Tobirama kurz angebunden. »Hat Rin einen Bericht über die genaue Prozedur der Transplantation verfasst?«
Dieses Mal nickte Minato. »Ja. Du findest sie bei dir in den Anbu-Archiven. Meinst du, das wird uns weiterhelfen?«
»Keine Ahnung«, räumte Tobirama widerwillig ein. »Aber mir gehen die Möglichkeiten aus. Spielen wir für einen Moment mit dem Gedanken, dass dies wirklich Obitos Auge ist, das der Angreifer besaß. Wie konnte er daran kommen? Kakashi erhielt sein Mangekyō erst mit Rins Tod. Heißt das, dass sich das andere Sharingan zur selben Zeit weiterentwickelte? Oder war es zu einem anderen Zeitpunkt? Hatte die Person ebenfalls Rins Tod mit ansehen müssen?« Tobirama stand vom Tisch auf und lief durch den Raum. »Alles Spekulationen. Das bringt doch nichts.«
Immer nur immer wieder Fragen und keine Antworten. Er hatte gehofft, dass das Gespräch mit Minato seine Gedanken ein wenig ordnen würde, aber das war nicht der Fall. Er konnte dieses Rätsel immer noch nicht lösen.
Und was, wenn der maskierte Mann wiederkäme? Wenn er es erneut auf Minato abgesehen hätte? Tobirama konnte das nicht zulassen.
Minato umarmte ihn. Tobiramas Gedanken kamen wenigstens ein klein wenig zur Ruhe. Er schlang die Arme um Minato und hielt ihn fest und war froh, dass er ihn hatte. Minato schien es ähnlich zu ergehen, denn er legte ihm eine Hand auf die Wange und küsste ihn. Tobirama schloss die Augen und ließ für einen Moment all seine Sorgen von sich abfallen.
Ein dumpfer Aufprall gefolgt von einem Maunzen unterbrach sie. Ach ja, Menma war ja auch noch da und anscheinend gerade vom Tisch geplumpts.
»Niemand gönnt uns auch nur einen romantischen Moment für uns allein«, jammerte Minato. »Vielleicht sollte ich dich einfach schnappen und für ein paar Wochen mit dir in die Flitterwochen abhauen.«
»Du hast die Katze angeschleppt«, erinnerte Tobirama ihn.
Minato grinste und zuckte mit den Schultern. Er nahm sich mittlerweile so viel heraus wie Kakashi. Warum ließ Tobirama das eigentlich zu?
»Heute wird von zu Hause aus gearbeitet«, beschloss Minato.
Tobirama sah ihn streng an. »Du weißt, dass ich deine Arbeit nicht für dich mache.«
Minato wedelte mit der Hand. »Jaja. Mach du nur dein Ding. Ich stürze hier schon nicht alles ins Chaos.«
Tobirama kniff skeptisch die Augen zusammen. Dann gab er doch Minato einen Abschiedskuss und verschwand mit einem Hiraishin. Er hatte selbst noch Arbeit zu erledigen.
Dieses Mal wählte er den direkten Weg in die Archive der Anbu, eine gut gesicherte Untergrundanlage, zu der nur wenige Zugang hatten. Hier lagerten die sensibelsten Informationen, die auf keinen Fall in falsche Hände geraten durften. Die Archivare waren es mittlerweile gewohnt, dass er gelegentlich ohne Vorwarnung auftauchte, und gingen daher unbeeindruckt ihrer Arbeit nach. Tobirama wusste, wo er suchen musste; das hier war immerhin seine Erfindung gewesen.
Er suchte sich seinen Weg durch lange Regalreihen. Die Regale waren schlicht und aus Metall und konnten mit schweren Handkurbeln hin und her geschoben werden, je nachdem, welche Reihe man aufsuchen wollte. Die Unterlagen waren mit Nummern und Buchstaben sortiert, je nach Themengebiet. So fand er schnell, was er suchte.
Für einen Moment fuhr er mit den Fingern über die Endstücke der Schriftrollen, die allesamt mit einer einmaligen Kombination aus Buchstaben und Zahlen beschriftet waren, die ihre Position in dem ganzen System anzeigten. Dann hatte er gefunden, was er suchte, und zog die entsprechende Schriftrolle aus dem Regal. Mit einem weiteren Hiraishin begab er sich in sein Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann zu lesen.
Rin hatte ausführlich beschrieben, wie sie den Eingriff vorgenommen hatte und in welchem Zustand sich Kakashi und Obito dabei befunden hatten. Dass Obito überhaupt noch gelebt hatte, war erstaunlich. Rin beschrieb, dass er nicht nur unter dem Felsen begraben worden war, sondern, so ihre Worte, regelrecht darin feststeckte. Tobirama wunderte sich über diese Beschreibung, Rin ging jedoch nicht genauer darauf ein. Vielleicht war es nur bildhafte Sprache (die in solchen Berichten eigentlich zu vermeiden war), aber eventuell sollte er auch Kakashi dazu befragen.
Tobirama verstand ein wenig von Medizin, ein natürlicher Nebeneffekt, wenn man Hashirama als Bruder hatte. So konnte er nachvollziehen, was Rin genau getan hatte, doch ihm erschien nichts Ungewöhnliches daran. Allerdings war es auch so, dass er nicht bis ins kleinste Detail über die Anatomie eines Sharingan Bescheid wusste, trotz gewisser … Untersuchungen noch lange vor der Gründung des Dorfes.
Hier kam er auch nicht weiter. Mittlerweile gingen ihm die Optionen aus und allmählich wusste er nicht weiter. Was konnte er noch versuchen, welche Spur noch verfolgen? Es gab kaum noch etwas, das er bisher unversucht gelassen hatte.
Er rieb sich die Stirn in Frustration. Hatte Minato nicht gesagt, dass er heute ohnehin von zu Hause arbeiten wollte? Vielleicht würde es ihm ja helfen, wenn er nicht die ganze Zeit in seinem kleinen, nur von elektrischem Licht beleuchteten Büro saß.
Minato hatte außerdem eine Katze angeschleppt, die definitiv eine art- und altersgerechte Versorgung benötigte. Minato hatte gesagt, dass er sie von der Straße aufgesammelt hatte und anscheinend hatte er auch vor, sie zu behalten.
Dachte Tobirama allen Ernstes darüber nach, wie er jetzt eine Katze bei sich daheim halten würde? Und dann erwischte er sich bei dem Gedanken, auf dem Heimweg noch geeignetes Futter zu kaufen. Er gab nach und tat genau das.
Statt also den direkten Weg nach Hause zu wählen, legte er einen Zwischenhalt im Tierbedarfshandel ein und kaufte eine Packung Kittenfutter. Er nahm sich fest vor, dass es das erste und einzige Mal gewesen war. Das war Minatos Idee, er sollte sich auch um diese Katze (Tobirama weigerte sich, sie Menma zu nennen) kümmern. Dann begab er sich zu seinem Haus, dieses Mal auf dem schnellen Wege.
Minato saß am kotatsu, Naruto auf dem Arm, der tief und fest eingeschlafen war, und hatte vor sich doch tatsächlich die Unterlagen, an denen er hatte arbeiten sollen. Menma hatte er nahebei in den Laufstall gesetzt, wohl um zu verhindern, dass das Kätzchen wild durch das ganze Haus tollte. Sie würden sich rasch eine bessere Lösung einfallen lassen müssen.
Wortlos stellte Tobirama die Packung vor Minato auf den kotatsu und gab ihm zur Begrüßung einen Kuss aufs Haar. Erstaunt sah Minato zu ihm auf, dann musste er doch schmunzeln.
»Na, schau an. Hat da wer dein Steinherz erweicht?«
Tobirama schnaubte. Statt einer Antwort setzte er sich zu Minato, strich Naruto über den Kopf und besah sich dann Minatos Aufzeichnungen. Minato hatte an den Ergebnissen der Chūnin-Prüfungen gearbeitet. Die letzte Runde war abgeschlossen und die Gewinner, Yuki Nanami, stand fest. Minato hatte die Ergebnisse der anderen Teilnehmer ausgewertet, um zu bestimmen, ob noch jemand unter ihnen war, der zum Chūnin ernannt werden konnte.
Minato kuschelte sich an Tobirama. »Von den insgesamt neunzig Teilnehmern habe ich fünf ausgewählt, die befördert werden können. Zwei davon aus Konoha. Aber zunächst möchte ich noch andere Meinungen hören.«
Tobirama besah sich Minatos Vorschläge. »Du hast ja tatsächlich gearbeitet.«
Minato knuffte ihn. »Hey!«
Es klingelte an der Tür, und wer auch immer es war, ersparte Minato damit eine Tirade Tobiramas. Er reichte Naruto weiter an Tobirama und stand auf, um nachzusehen, wer da etwas von ihnen wollte. Tobirama blieb zurück, wusste aber dennoch nach einer kurzen Überprüfung, dass es sich bei ihrem Besucher um Jiraiya handelte. Er runzelte missmutig die Stirn. Er wollte diesen Mann so schnell nicht mehr in seinem Haus wissen.
Minato kam jedoch kurz darauf schon wieder. »Sensei fragte mich, ob ich Lust auf eine Trainingsrunde mit ihm hätte, und ich sagte zu.«
»Hmhm«, kommentierte Tobirama das kurz angebunden.
»Das tut mir vielleicht ganz gut«, fügte Minato an.
»Geh nur, ich passe auf Naruto auf.«
Minato strich Naruto mit dem Finger über die Wange und gab Tobirama einen Kuss zum Abschied. Dann ging er. Tobirama blieb mit Naruto allein zurück. Er schob das Baby in eine andere Position, dann widmete er sich erneut Minatos Aufzeichnungen. Naruto regte sich in seinem Schlaf und krallte seine kleinen Fäuste in Tobiramas Kleidung. Tobirama schmunzelte.
Er widmete sich wieder den Aufzeichnungen vor sich. Minato hatte sich einen dicken Ordner mit den Auswertungen der Ergebnisse aller Prüfungsteilnehmer geben lassen und sie selbst noch einmal mit etlichen Anmerkungen versehen. Er hatte ein paar Favoriten, und während Tobirama selbst ihre Ergebnisse noch einmal studierte, kam auch er allmählich zu dem Schluss, dass es gute Vorschläge waren.
Im Haus war es still. Im Garten hörte er das Wasserspiel plätschern und einige Vögel zwitschern, die sich an der Futterstelle eingefunden hatten. Naruto schlief tief und fest. Allein Menma meldete sich immer mal wieder.
Minato hatte den Laufstall mit einem Gitter abgedeckt, und das war auch nötig, denn die kleine Katze stellte sich aus ausgesprochen agil heraus. Sie kletterte eifrig überall hoch und wäre wahrscheinlich ausgebrochen, wäre ihr kleiner Stall nicht abgedeckt. Ihr Fell wirkte noch feucht, dafür aber mittlerweile deutlich sauberer, sodass die schwarzweiße Fellzeichnung nun deutlicher hervorkam. Minato hatte ihr außerdem ein Schälchen mit Wasser hingestellt und sie wahrscheinlich auch schon gefüttert. Also war eigentlich alles in Ordnung.
Tobirama erwischte sich dennoch dabei, wie er immer mal wieder einen Blick zu dem Tier warf. Nein, er überlegte hier ganz bestimmt nicht, wie sie es besser versorgen konnten. Das sollte Minatos Sorge sein, nicht seine.
Was hieß, dass er akzeptiert hatte, dass sie jetzt eine Katze im Haus hatte. Frei herumstreunen lassen wollte er sie eben sowenig, sie würde ihm nur die Vögel verscheuchen. Und es war auch ganz bestimmt nicht er, der das Ōkami erklären würde.
Naruto regte sich, aber es war wohl nur ein Traum, der ihn leise vor sich hin brabbeln ließ. Tobirama schob ihn in eine leicht andere Position auf seiner Hüfte und ließ ihn weiterschlafen. Minatos kleiner Sonnenschein.
Und vielleicht auch seiner. Der Gedanke kam Tobirama erneut in den Sinn. Es bedurfte lediglich ein wenig lästigen Papierkrams, dann hätte er Naruto adoptiert, mit allen Rechten und Pflichten, die damit einher gingen. Es ging ihm dabei nicht hauptsächlich um das Sorgerecht, das war eher ein bürokratischer Nebeneffekt, der ein paar Dinge etwas einfacher machen würde. Vielmehr würde es sich dann wirklich wie eine Familie anfühlen, dann würden sie alle auch offiziell zusammengehören. Dann würde das niemand mehr abstreiten können.
Er beobachtete Naruto in seinem Schlaf. Elf Jahre war das nun her, seit er ein ähnlich junges Kind in Armen gehalten hatte, aber irgendwie vergaß man das nicht. Und Sakumo war ja nicht einmal das erste Kind der Familie gewesen. Lange war da die Angst gewesen, dass er nicht zum Vater taugte, dass er viel zu sehr wie Butsuma werden würde. Er wollte das, was Butsuma ihnen angetan hatte, nicht an die nächste Generation weitergeben.
Aber irgendwie war dann doch alles anders gekommen, und Minato hatte ihm seinen Sohn vom ersten Moment an anvertraut, seinen kostbaren kleinen Sonnenschein, der ganz frech Tobiramas Herz gestohlen hatte.
Jemand klingelte an der Tür und schreckte damit Tobirama aus seinen Gedanken und Naruto aus seinem Schlaf. Naruto quengelte missmutig, ihm gefiel das gar nicht, besonders da Tobirama auch noch aufstand und seinem Besucher öffnete. Es war Torifu, wie er wusste, noch bevor er die Tür erreichte.
Naruto schlang seine Ärmchen um Tobiramas Hals, als dieser die Tür öffnete, und machte so deutlich, dass er jetzt lieber weiterschlafen wollte. Anscheinend taugte Tobirama gut als Kinderbett.
»Hey, sensei, Sie sind ja wirklich da«, begrüßte Torifu ihn.
Tobirama hob eine Augenbraue. »Was soll das heißen?«
Naruto warf dem Besucher einen kritischen Blick zu. Torifu war ein Fremder für ihn, und die mussten immer erst einmal kritisch beäugt werden.
»Dass Sie immer ach so viel zu tun haben und sich nie die Zeit für die kleinen Freuden im Leben gönnen«, sagte Torifu leichthin. Er deutete auf Naruto. »Aber ich seh schon, wichtige Mission, hm? Ist das Hokage-samas Sohn? Äh, Sie wissen schon, wie ich das meine. Er sieht ja wirklich aus wie eine Miniaturversion seines Vaters. Ein bisschen mager, der Kleine, könnte etwas mehr auf den Rippen vertragen.«
Tobirama musste unwillkürlich schmunzeln. So kannte er Torifu.
Torifu wollte Naruto anstupsen, aber Naruto zappelte in Tobiramas Armen und drückte sein Gesichtchen in Tobiramas Hemd, um so Torifu auszuweichen. Tobirama legte ihm schützend eine Hand auf den Kopf, und Torifu ließ die Hand wieder sinken.
»Fremde sind ihm derzeit noch nicht wirklich geheuer«, sagte Tobirama. »Aber sag, was führt dich her, Torifu? Du hast dich schon eine Weile nicht mehr blicken lassen. Willst du reinkommen?«
»Sie machen sich rar, sensei«, konterte Torifu. »Und danke für das Angebot, aber eigentlich bin ich nur auf dem Sprung und wollte nur eine Nachricht vorbeibringen. Das wollte ich schon seit ein paar Tagen, aber Sie einmal anzutreffen, ist mittlerweile wirklich eine Kunst für sich. Viel los?«
»Oh, frag nicht.«
»Hm, verstehe schon. Aber vielleicht haben Sie ja trotzdem Zeit, mal wieder auf ein Essen vorbeizukommen? Ōkami-san ist freilich ebenfalls eingeladen. Das letzte liegt ja nun schon eine ganze Weile zurück und kam auch zu einem etwas unrühmlichen Ende.«
Das Angebot war verlockend, wie auch das letzte Mal. Und wieder einmal überlegte Tobirama, ob er dafür wirklich die Zeit erübrigen konnte. Der Zeitpunkt war auch dieses Mal nicht gerade passend mit Sukeas Verschwinden und allem.
Torifu schien sein Zögern zu merken, denn er fügte hinzu: »Ich muss ehrlich sein, sensei. Eigentlich bittet das Ino-Shika-Chō-Trio um ein Treffen mit Ihnen, und sie hielten mich für einen guten Mediator.«
Tobirama sah ihn fragend an. »Was wollen sie von mir?«
Torifu senkte die Stimme. »Das hat wohl mit einigen der jüngsten Entwicklungen zu tun, das hat sie unruhig werden lassen. Und ganz ehrlich, würde es mich auch interessieren, was dahinter steckt. Ich weiß, das geht mich wahrscheinlich nicht einmal etwas an. Aber nun ja, Sarutobi und ich haben immerhin mal zusammen unter Ihnen gedient, sensei.«
Tobirama wollte das wirklich nicht auf offener Straße vor seiner Haustür besprechen. »Damit sollen sie sich an Minato wenden, er ist Hokage, nicht ich.«
»Ja, das ist so eine Formalie, das hab ich ihnen auch gesagt. Sie blieben dabei. Vielleicht können Sie sich ja trotzdem einfach mal anhören, was sie zu sagen haben? Außerdem gibt‘s gutes Essen.«
Es gefiel Tobirama nicht, dass sich manche im Dorf anscheinend lieber an ihn wendeten, statt an Minato. Das würde im schlimmsten Falle noch ein falsches Signal senden. Aber vielleicht sagte er ihnen das lieber selbst. Die ganze Angelegenheit hatte wohl doch weitere Wellen geschlagen, als er gehofft hatte. Er glättete sie besser, bevor die Wogen zu groß wurden.
»Wann?«
Torifu grinste triumphierend. »Gutes Essen ist eben doch ein unschlagbares Argument! Wie sieht‘s in drei Tagen aus?«
Tobirama ging im Geiste seinen Terminplan durch, dann nickte er. Ein Tag so gut wie jeder andere auch, er würde so oder so etwas anderes dafür hinten an stellen müssen.
»Sehr schön!«, rief Torifu aus. »Es gibt frischen Fisch, ganz so, wie Sie ihn mögen. Solch wichtige Dinge vergesse ich auch nach vierzig Jahren nicht.«
»Das erwarte ich auch von meinen einstigen Schülern«, betonte Tobirama, wenn auch mit einem nicht allzu ernsten Unterton.
Torifu klopfte ihm auf die Schulter und rammte ihn dabei beinahe in den Boden. »Dann bis in drei Tagen. Und füttern Sie den Kleinen ein bisschen großzügiger, muss nicht jeder so asketisch leben wie Sie, sensei.«
Tobirama kniff missmutig die Augen zusammen. »Minato stopft ihn schon mit genug Süßkram voll, jetzt nicht du auch noch.«
Etwas blitzte in Torifus Augen auf, als er wohl nun endlich eins und eins zusammenzählte. Aber er enthielt sich eines Kommentars, so viel Anstand besaß er dann doch noch. Er verabschiedete sich und ging wieder seines Weges. Tobirama ging wieder in das Haus.
Die Unterbrechung hatte Naruto vollends aufgeweckt und anscheinend wollte er jetzt wieder erst einmal wach sein und die Welt erkunden, statt weiterzuschlafen und Tobirama seine Ruhe zu gönnen. Er brabbelte fröhlich vor sich hin und zupfte an Tobiramas Kleidung, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Tobirama hob ihn auf Blickhöhe hoch und sah ihn an. »Kleiner Unruhegeist. Nur weil dein Vater dich nach Strich und Faden verwöhnt, heißt das nicht, dass ich das auch tun werde.«
Naruto streckte seine Arme aus und patschte ihm im Gesicht herum. Er ließ es geschehen. Naruto giggelte fröhlich.
»Dada«, quietschte er.
»Denk nicht einmal daran, dein erstes richtiges Wort nicht im Beisein Minatos von dir zu geben. Du brichst ihm das Herz.«
Um Naruto beschäftigt zu halten, während er weiter seiner Arbeit nachging, suchte er ihm etwas Spielzeug zusammen. Naruto fand die Rassel besonders spannend und schien ganz glücklich mit sich und der Welt, als Tobirama sie ihm gab und sich dann mit dem Baby auf dem Schoß wieder an den kotatsu setzte. Irgendwie würde er schon noch etwas Arbeit schaffen.
Es war jedoch nicht Naruto, der sein Vorhaben endgültig über den Haufen warf. Minato tauchte bei ihm auf, und Tobirama wusste sofort, dass etwas geschehen sein musste. Minato ließ sich vor ihn auf die Knie fallen, packte ihn bei den Schultern und starrte ihn mit weit aufgerissenen, geradezu panischen Augen an.
»Tobirama, ich … ich glaube, ich hab einen Fehler gemacht«, stammelte er.
Tobirama nahm sein Gesicht zwischen seine Hände und sah ihm fest in die Augen. »Tief durchatmen und dann erzählst du mir in Ruhe alles der Reihe nach.«
Minato schien völlig durch den Wind und brauchte einen Moment, bis er seine Gedanken gesammelt hatte. »Das … das Siegel. Es … Was, wenn … I-ich habe ihn verletzt. Ich wollte das nicht. Ich meine, ich würde doch niemals … Ich glaube, ich verliere die Kontrolle.«
Tobirama runzelte die Stirn. Er wusste zwar noch immer nicht genau, was vorgefallen war, aber das reichte ihm bereits als Warnung. Er machte sich an die Arbeit, schob Minatos Hemd hoch und aktivierte das Siegel. Ihn erwartete ein Desaster.
Schon von Anfang an hatte er befürchtet, dass Minatos Siegel allzu schnell brüchig werden könnte, weil sein Chakra es ihm schwer machen würde, Kyubi unter Kontrolle zu halten. Das Siegel glich einem Sieb. Tobirama konnte förmlich sehen, wie Kyubis Chakra heraussickerte und sich mit Minatos vermengte. Minato konnte es kaum noch zurückhalten.
Was hatte Mito gesagt? Dass Kyubi sich all die negativen Emotionen seines Wirts zu eigen machte, um so die Kontrolle zu erlangen? Was also hatte Minato so aufgebracht?
Und dann erinnerte sich Tobirama Jiraiyas und er ahnte etwas. Jiraiya musste irgendetwas gesagt haben, das Minato hatte wütend werden lassen, und in Anbetracht ihres Konflikts neulich würde es damit zu tun haben.
Aber das musste erst einmal warten. Jetzt war vor allem wichtig, dass er das Siegel wieder stabilisierte, bevor das Biest noch mehr Unheil anrichten konnte.
Kyubi knurrte ihn an und nagte an den Gittern seines Gefängnisses. Sie waren gefährlich geschwächt. Tobirama arbeitete schnell.
»Ich schwöre dir, wenn du ihm noch mehr Leid zufügst, werde ich dir dein Leben zur Hölle machen«, drohte er dem Fuchs an.
Leise lachend zog sich Kyubi in die Dunkelheit zurück. »Was willst du schon ausrichten?«
»Ich werde einen Weg finden, du weißt das.«
Und wenn es das letzte wäre, was er tat. Er würde nicht zulassen, dass Kyubi das zerstörte, was sie hier hatten.
Als er fertig war, rückte er wieder von Minato ab und sah ihn ruhig an. »Alles wieder so, wie es sein sollte.«
Minato schien nicht beruhigt. »Aber das kann wieder passieren, oder? Was, wenn es wieder passiert? Ich will nicht zu diesem Monster werden. Oh, Tobirama, was, wenn es die Kontrolle gewinnt? Wenn ich zu ihm werde?«
Tobirama zog ihn in seine Arme. Minato schluchzte auf. Sanft strich Tobirama ihm über den Rücken.
»Das wird nicht passieren«, versicherte Tobirama ihm. »Das werde ich nicht zulassen.«
Minato klammerte sich an ihn. Er wirkte so aufgebracht, wie Tobirama ihn erst einmal erlebt hatte. Tobirama konnte seine Angst nachvollziehen und wünschte, er könnte mehr tun. Doch nun war alles so gekommen und er konnte nichts weiter tun, als Minato dabei zu helfen, das Siegel irgendwie zusammenzuhalten.
Er hielt Minato die ganze Zeit, bis Minato wieder etwas ruhiger wirkte. Naruto quengelte, wie er immer auf die Unruhe seines Vaters reagierte, und das schien Minato wieder vollends zurückzuholen. Er nahm Naruto und drückte ihn an sich. Sorge schien aus seinem Blick.
»Ich glaube, ich habe ihn ernstlich verletzt«, sagte er leise.
Tobirama musterte ihn. »Kann ich dich allein lassen?«
Minato nickte wortlos.
Tobirama gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Alles wird wieder gut. Gib mir nur einen Augenblick.«
Minato sah zu ihm auf, und Tobirama sah in seinem Blick, dass er ihm verzweifelt Glauben schenken wollte. Tobirama lächelte aufmunternd. Dann griff er nach einer der Hiraishin-Markierungen, die Minato zuletzt benutzt hatte.
Tobirama fand sich an einem Ort wieder, der ihm nach einem alten Kloster weit draußen im Wald aussah. Das Kloster wirkte verlassen, doch zumindest die Trainingsanlagen schienen noch genutzt zu werden, wahrscheinlich von Jiraiya und Minato.
Er hielt sich nicht damit auf, den Ort genauer zu untersuchen. Jiraiya war schnell ausgemacht, der an einer Steinsäule lehnte. Er saß aufrecht und war bei Bewusstsein, hatte aber eindeutig Schmerzen. Tobirama stellte fest, dass sich sein Mitleid für diesen Mann in Grenzen hielt.
Jiraiya sah auf, als er bemerkte, dass Tobirama zu ihm trat. Er grinste, was allerdings zu einer Grimasse verkam. »Das ist jetzt aber ziemlich ironisch.«
Tobirama besah sich Jiraiyas Wunden. Minato schien ihn mit Rasengan angegriffen zu haben, und dieses Mal hatte er sich nicht zurückgehalten. Jiraiya sollte von Glück reden, dass er überhaupt noch lebte, geschweige denn bei Bewusstsein war. Das hätte mit Leichtigkeit auch anders ausgehen können.
»Können Sie stehen?«, fragte Tobirama knapp.
»Ich denke schon«, sagte Jiraiya. »Mit Hilfe jedenfalls.«
Tobirama reichte ihm die Hand und half ihm auf die Beine. Jiraiya stöhnte vor Schmerzen und lehnte sich schwer auf Tobirama. Seine Brust war aufgerissen und wahrscheinlich hatte er auch einige gebrochene Rippen, wenn nicht gar schlimmeres. Er musste dringend ins Krankenhaus.
»Scheiße!«, fluchte Jiraiya. Seltsamerweise musste er erneut lachen. Schräger Vogel. »Der Junge hat‘s echt drauf. Das hab ich mir wohl selbst eingehandelt.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«, verlangte Tobirama zu wissen.
»Ein paar nicht ganz so kluge Dinge«, sagte Jiraiya ausweichend. »Belassen wir es dabei.«
Brummend gab sich Tobirama damit zufrieden. Vorerst. »Ihre Wunden müssen so schnell wie möglich behandelt werden.«
»Bloß kein Hirai… ARGH!«
Tobirama hatte sie auf direktem Wege zum Krankenhaus gebracht. Die etwas unangenehmen Nebenfolgen von Hiraishin sorgten immerhin dafür, dass Jiraiya jetzt endlich still war. Tobirama zerrte ihn in die Notaufnahme.
Natürlich war es Doktor Fuyuko, die gerade Dienst hatte, wer auch sonst. Sie sah ihn missmutig an, bevor ihre Professionalität wieder übernahm. Er übergab Jiraiya an sie, er war jetzt ihr Problem. Tobirama blieb dennoch noch einen Augenblick, um ein paar Formalitäten zu klären, während Doktor Fuyuko Jiraiya bereits abführte, um ihn ärztlich zu versorgen.
Der Buschfunk schien exzellent zu funktionieren, denn es dauerte nicht lang, da fand Tsunade ihn. »Mir kam zu Ohren, dass du mit Jiraiya aneinandergeraten bist.«
Er sah sie irritiert an. So gut war der Buschfunk dann wohl doch nicht. »Ich nicht«, versicherte er ihr. »Ich räume nur den Schlamassel wieder auf.«
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Das erzähle ich dir, wenn wir heute Abend unter uns sind«, sagte er. Er wollte das nicht in aller Öffentlichkeit auf einem Krankenhausflur besprechen. »Für‘s erste soll es reichen, dass es allen Beteiligten entsprechend gut geht. Jiraiya wird das schon überstehen.«
»Und wer ist noch beteiligt?«
»Heute Abend.«
»Hmpf.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, schien sich dann aber damit zufrieden zu geben.
Tobirama wollte sich jetzt nicht um Jiraiya Gedanken machen. Gerade hatte er gänzlich andere Sorgen und er wollte Minato nicht länger als nötig allein lassen. Die Schwäche des Siegels nahm allmählich gefährliche Ausmaße an, und er sollte sich schleunigst etwas überlegen, das er dagegen unternehmen konnte.
Um zu verstehen, was hier passiert, musste ich wissen, was parallel im Hintergrund abläuft. Das einfachste war, es einfach zu schreiben. Also habe ich genau das getan. Das nächste Kapitel ist quasi dasselbe noch einmal von Minatos Perspektive. Es erklärt, wie er zu dem Kätzchen kommt und was Jiraiya zu ihm gesagt hat.
Die Katze ist ein kleiner joke. Als ich den Text zum Posten vorbereitet hatte, hatte ich ein paar Tage zuvor bereits einen Entwurf angelegt, in dem ich Klappentext und Taggs bearbeitete. Erst im letzten Moment vor dem Posten merkte ich, dass ich im Klappentext NamikaTze geschrieben hatte. Also ist Minato jetzt eine cat person.
Bonus: Dads with cats they didn't want
Minato war so tief in Gedankenversunken, dass er das Miauen beinahe überhört hätte. Ungewöhnlich für ihn, sonst konnte er doch an keiner Katze vorbei gehen. Er hielt inne und sah sich um. Noch ein Miauen, das ihn dieses Mal in eine Nebenstraße lockte, gleich hinter Ichiraku Ramen.
»Mietzmietzmietz.«
Die kleine Katze antwortete mit einem weiteren Miauen. Es klang nach einem Kätzchen, definitiv kein Alttier. Minato sah sich um und wurde hinter ein paar weggeworfenen Kisten fündig.
Ein Kätzchen saß hier zwischen den Pappkartons, keinesfalls älter als ein paar Wochen. Es maunzte aufgebracht und zeigte winzig kleine Milchzähnchen. Als es Minato sah, wirkte es unentschlossen, was es tun sollte. Es kannte wohl keine Menschen. Auf wackeligen Beinen drehte es einen Kreis in seiner Ecke und maunzte noch einmal.
Das Fell des kleinen Tieres war schwarzweiß gemustert, auch wenn das Weiß kaum als solches erkennbar war. Das Fell war glanzlos und wild. Offensichtlich ein wildes Tier.
»Wo ist denn deine Mutter?«
Natürlich antwortete das Kätzchen ihm nicht. Minato sah sich um. Er fand ein paar alte Fischreste, die allerdings mindestens eine Woche alt waren. Schnell ging er wieder weg; es roch unangenehm. Ansonsten waren hier keine weiteren Spuren älterer Katzen auszumachen. Das Kätzchen war allein.
»In dem Fall …«
Er hatte noch nie nein zu Katzen sagen können. Offensichtlich war etwas mit der Mutter dieses kleinen Kätzchens geschehen, sonst hätte sie es nicht so verwahrlost zurückgelassen. Außerdem waren streunende Katzen ohnehin ein Problem.
Vorsichtig näherte er sich dem kleinen Kätzchen. Es schien immer noch nicht zu wissen, was es von ihm halten sollte, und zog sich weiter in seine Ecke zurück. Demonstrativ zeigte es seine Zähnchen. Minato stellte sich auf zerkratzte Hände ein.
Den recht ungeschickten Versuchen, nach seiner Hand zu schlagen, ausweichend griff er das Kätzchen beim Nacken und hob es hoch. Sofort wurde es steif und streckte seine vier kleinen Pfötchen von sich. Minato stand auf.
»Du armes, kleines Ding kannst hier nicht bleiben«, informierte er das Kätzchen. »Aber ich hab genau den richtigen Ort für dich, du wirst es lieben. Keine Ahnung, ob Tobirama damit einverstanden ist, aber der wird schon nicht einzuwenden haben. Wer kann zu dir schon nein sagen?«
Das Kätzchen sah ihn aus großen blauen Augen an und maunzte. Minato lächelte und hielt es vorsichtig auf dem Arm. Dann setzte er seinen Weg fort. Eigentlich hatte er heute noch Arbeit zu erledigen, aber ein kleiner Fellball ließ gerade in ihm den Verdacht aufkommen, dass daraus jetzt nicht mehr viel wurde. Besagter Fellball rammte seine kleinen Krallen in Minatos Ärmel und begann, die Welt aus dieser neuen Perspektive zu erkunden. Minato musste aufpassen, dass das Kätzchen nicht herunterfiel.
»Du brauchst einen Namen«, stellte er fest.
Sein Blick fiel auf die Angebotstafel vor Ichiraku Ramen, die für den heutigen Tag Menma anpries. Dann sah er wieder auf das Kätzchen auf seinem Arm. Warum eigentlich nicht?
»Du bist jetzt Menma.«
Ein Maunzen, aber ob es zustimmend oder ablehnend war, konnte Minato nicht sagen. Er beschloss einfach, dass das ein guter Name für seinen neuen Freund war. Oder vielleicht auch Freundin? Er hob Menma hoch. Freundin also.
Von hier war es nicht mehr weit bis zu seinem Büro im Hokage-Turm. Die bereits anwesenden Shinobi standen stramm, als er an ihnen vorbeiging und sie grüßte. Kakashi behauptete immer, dass Minato genauso schlimm sei wie Tobirama und immer und überall Hiraishin nutzte, um an sein Ziel zu gelangen, aber das war eine dreiste Lüge. Hin und wieder genoss er es durchaus, einen Spaziergang durch sein Dorf zu unternehmen. Sonst hätte er doch nie Menma gefunden.
In seinem Büro erwartete ihn bereits Shizune. Er sah sie fragend an. Sie verbeugte sich vor ihm, als er eintrat, doch er machte eilig eine abwehrende Geste.
»Oh bitte, Shizune, nicht doch. Wir sind doch verwandt«, sagte er, um sie aufzuhalten.
Immer noch ein seltsamer Gedanke, das so zu sagen. Er hatte seine Mutter nach seinem Vater gefragt, aber irgendwie war es ihm nicht in den Sinn gekommen, dass er noch mehr Verwandtschaft haben könnte. Es war schon seltsam genug, von Tsunade und Dan als seinen Eltern zu denken, nachdem er dreißig Jahre in dem Glauben verbracht hatte, niemand wisse um seine leiblichen Eltern. Stellte sich heraus, dass seine Mutter die ganze Zeit in seiner Nachbarschaft gelebt und keinen Ton gesagt hatte. Minato konnte sich einfach nicht helfen, er war noch immer verärgert deswegen, obgleich er sich wirklich Mühe gab, es Tsunade nicht mehr allzu deutlich unter die Nase zu reiben.
»Ja, aber …«, setzte Shizune an. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ach, was soll‘s. Tsunade hat ihre Androhung wahr gemacht und mich jetzt hierher verbannt. Sie ist der absoluten Überzeugung, dass ich hier sinnvoller aufgehoben bin. Was ist das da eigentlich?»
Sie deutete auf das Kätzchen auf Minatos Arm.
»Menma«, stellte Minato sie vor. »Ich habe sie auf dem Weg hierher gefunden und es schien, als habe ihre Mutter sie zurückgelassen. Also habe ich sie mitgenommen.«
Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, pulte Menmas Krallen aus seiner Kleidung und setzte sie vor sich auf den Tisch. Menma maunzte und begann sogleich, den neuen Ort zu erkunden.
»Also habe ich jetzt eine Sekretärin?«, fragte er Shizune.
»Sieht so aus.«
Das war Tsunades Idee gewesen, und Shizune war offensichtlich nicht allzu begeistert davon. Das lag allerdings weniger an Minato als an dem Umstand, dass Tsunade laut Shizune allein recht aufgeschmissen war.
»Wo soll ich anfangen?«, erkundigte sich Shizune.
»Keine Ahnung«, gestand Minato. »Ich hatte noch nie eine Sekretärin.«
Sie seufzte. »Na wunderbar. Ich fang einfach an, deine Post zu sortieren.«
»Klingt nach einem guten Plan.«
Menma erklomm indes den kleinen Schriftrollenhalter auf dem Tisch. Minato hob sie hoch und setzte sie wieder vor sich. Entschlossen strebte Menma erneut ihrem Ziel entgegen, und wieder hielt Minato sie davon fern.
Seine Cousine nahm den Stapel Dokumente, den irgendwer bereits früher auf seinem Schreibtisch abgeladen haben musste, und ging damit in den angrenzenden Raum. Damit fiel für Minato sein üblicher erster Tagespunkt weg und er beschloss, gleich mit dem nächsten zu beginnen. Die Chūnin-Prüfungen waren abgeschlossen und die Gewinnerin des abschließenden Turniers, Yuki Nanami aus Kirigakure, stand fest. Er wollte nun auch die Ergebnisse der anderen Teilnehmer sichten, um zu sehen, ob unter ihnen sonst noch irgendwer war, der es vielleicht verdient hätte, sich von nun an Chūnin nennen zu dürfen.
Ein leichtes Kribbeln in seinem Hiraishin-Siegel, das Tobirama in seine Acht Trigramme eingearbeitet hatte, verriet ihm, dass Tobirama ebenjene Markierung nutzte. Und schon stand Tobirama auch schon bei ihm. Beiläufig beugte er sich zu Minato hinab, um ihm einen Kuss zu geben. Dann sah er Menma.
»Was soll denn das werden?«, grummelte er.
»Das ist Menma«, informierte Minato ihn. »Du wirst doch sicher nichts gegen eine kleine Katze zu Hause haben. Oder? Ich konnte sie einfach nicht allein in der Gosse lassen.«
Bittend sah er zu Tobirama auf. Es hatte den erhofften Effekt. Nach fast einem Jahr, in dem er ihn nun schon kannte, hatte Minato eine gewisse Expertise erworben, wenn es um Tobiramas Mimik ging. Die meiste Zeit tat er immer so finster und abweisend, was bei den meisten auch wirkte. Aber dieses Mal zog Tobirama seine Augenbrauen nur ein kleines bisschen zusammen, und das bedeutete, dass er dem eigentlich nicht gänzlich abgeneigt war.
»Das ist immer noch mein Haus«, erinnerte Tobirama ihn.
»In dem ich jetzt auch wohne«, hielt Minato dagegen. Es war immer noch toll, es so zu sagen. »Und streng genommen gehört es Tsunade.«
Tobirama schnaubte. »Details.«
Minato lachte leise. »Aber es gibt doch bestimmt einen Grund, warum du hier bist.«
Ihm lag schon ein Liebling auf den Lippen, er verkniff es sich allerdings. Er wusste doch, dass Tobirama Kosenamen nicht mochte. Minato fand das ein wenig bedauerlich, aber nun ja. So war Tobirama eben. Und irgendwie waren es ja auch ebenjene Eigenheiten, die er an Tobirama so liebte.
Tobirama warf noch einen missbilligenden Blick auf Menma, dann wandte er sich wieder an Minato. »Sukea bleibt immer noch verschwunden. Es sind jetzt bereits mehr als achtundvierzig Stunden vergangen, und mittlerweile wird es kritisch. Wenn es noch länger dauert, fürchte ich, werden wir vom schlimmsten ausgehen müssen.«
Minato wurde ebenfalls ernst. Das waren keine guten Neuigkeiten. Wenn nicht einmal Kakashi und der Rest von Team Ro ihren Kameraden aufspüren konnten, dann war das in der Tat ein schlechtes Zeichen.
»Aber wer könnte es auf ihn abgesehen haben?«, sinnierte er. »Hatte er irgendwelche Feinde?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Tobirama. »Sukea hat wenige Freunde und außerhalb der Anbu so gut wie gar keine Beziehungen. Und was Feinde angeht, so ist das nun mal Teil seines Berufs. Ich bin seine Akten durchgegangen, konnte aber keinen Hinweis darauf finden, dass irgendwer jemals seine Tarnung durchschaut haben könnte. Ich bin ratlos.«
Und das kam selten genug vor. Es musste Tobirama zu schaffen machen, er bevorzugte es doch sonst, dass er über alles die Kontrolle hatte und immer Bescheid wusste.
Tobirama setzte sich auf den Schreibtisch. Menma maunzte ihn protestierend an. Tobirama starrte das kleine Kätzchen nieder, das sich davon allerdings nicht beeindrucken ließ, packte es im Nacken und setzte es von sich weg. Menma startete einen neuen Versuch, den Eindringlich zu vertreiben, scheiterte allerdings erneut.
Während Minato Tobirama noch betrachtete, erwischte er sich dabei, wie seine Gedanken hin zu recht unanständigen Fantasien wanderten. Es gleich hier auf diesem Schreibtisch zu tun, ja, das würde ihm gefallen. Am Ende waren das nur Träume, Minato respektierte Tobiramas Wunsch, auf Sex zu verzichten. Aber ein bisschen zu fantasieren, war schließlich kein Problem.
»Freu dich nur über deine süße kleine Familie hier«, grollte Kyubi. »Wie du sie dir alle nach und nach zusammengesucht hast. Wie putzig das mit anzusehen ist. Am Ende werde ich dir doch alles nehmen, du wirst sehen.«
»Halt dein Maul«, schoss Minato zurück. Sein Vorsatz, nicht auf die Worte des Dämons zu hören, den er in sich selbst eingeschlossen hatte, war mit den Monaten immer mehr ins Wanken geraten.
Kyubis Antwort bestand lediglich in einem boshaften Lachen.
»Was kannst du schon ausrichten?«, erinnerte Minato ihn. »Du bist in mir gefangen, da kannst du keinen Schaden anrichten.«
»Bist du dir da so sicher?«
Minato antwortete nicht.
»Des weiteren habe ich mit Kakashis Kamui experimentiert«, fuhr Tobirama fort. »Wie wir feststellten, kann ich mich nicht mit Hiraishin in seine Dimension begeben, wenn er eines meiner Kunai hinein versetzt. Bedauerlich, aber nun ja. Vielleicht lässt sich das ja umgehen, aber das ist bisher nur eine wage Theorie.«
Minato sah ihn milde amüsiert an. »Du gibst einfach nicht auf. Lass doch Kakashi einfach seine Bücher. Denkst du wirklich, dass sich die Dimensionen von Kamui und Hiraishin verbinden lassen?«
»Denk lieber darüber nach, was es heißt, dass du denselben Gedanken hast wie ich«, rügte Tobirama ihn. »Denn ja, genau das habe ich überlegt. Aber bis ich da zu einer Antwort komme, wird noch eine lange Zeit vergehen. Dringender ist die Frage, wie es sein kann, dass Kakashi eine Hälfte von Kamui besitzt und der maskierte Angreifer die andere.«
Dessen Identität hatte in über neun Monaten immer noch nicht geklärt werden können. Er war spurlos verschwunden, und Minato hatte keine Ahnung, was der Unbekannte als nächstes planen mochte. Das machte ihn allmählich nervös. Er tat Tobirama gegenüber zwar immer so selbstsicher, weil er nicht wollte, dass Tobirama sich um ihn sorgte. Aber das war eine Gefahr, die er einfach nicht ignorieren konnte. Wenn der Unbekannte es schon einmal versucht hatte und gescheitert war, konnte er jederzeit wiederkommen. Minato wusste nicht, was dieser Unbekannte planen mochte, und warum er es auf das Dorf im Allgemeinen und Kyubi im Speziellen abgesehen hatte. Ging es ihm nur um Macht? Wollte er Rache an Konoha für irgendetwas üben? Oder war es etwas gänzlich anderes? Zu viele Fragen und keine Antworten. Minato mochte dieses Gefühl nicht. Er bevorzugte es, wenn er der Jäger und nicht die Beute war.
»Kakashi hat sein Auge von Obito«, sinnierte Minato. »Vielleicht ... wurde Kamui dabei getrennt. Aber dann bliebe die Frage, wie irgendwer Obitos anderes Auge erlangen konnte.« Noch während er das sagte, merkte er selbst, wie absurd das klang. »Nein. Das kann unmöglich sein. Obito ist tot.«
»Hast du jemals seine Leiche gesehen?«, fragte Tobirama.
Minato schüttelte bedauernd den Kopf. Eigentlich wollte er gar nicht darüber reden, aber gleichzeitig konnte er das auch nicht vermeiden. »Nein, habe ich nicht. Aber Rin hatte mir erzählt, was passiert war. Sie hatte Obitos intaktes Auge in Kakashi transplantiert, und dann war die gesamte Höhle über ihnen eingestürzt. Obito ist jetzt für alle Ewigkeiten darunter begraben, niemand wäre an ihn herangekommen.«
»Hm«, kommentierte Tobirama das lediglich. »Hat Rin einen Bericht über die genaue Prozedur der Transplantation verfasst?«
Dieses Mal nickte Minato. »Ja. Du findest sie bei dir in den Anbu-Archiven. Meinst du, das wird uns weiterhelfen?«
»Keine Ahnung«, räumte Tobirama mit sichtlichem Widerwillen ein. »Aber mir gehen die Möglichkeiten aus. Spielen wir für einen Moment mit dem Gedanken, dass dies wirklich Obitos Auge ist, das der Angreifer besaß. Wie konnte er daran kommen? Kakashi erhielt sein Mangekyō erst mit Rins Tod. Heißt das, dass sich das andere Sharingan zur selben Zeit weiterentwickelte? Oder war es zu einem anderen Zeitpunkt? Hatte die Person ebenfalls Rins Tod mit ansehen müssen?« Tobirama stand vom Tisch auf und lief durch den Raum. »Alles Spekulationen. Das bringt doch nichts.«
»Frag ihn nach Edo Tensei«, sagte Kyubi. Als Minato nicht reagierte, fügte er hinzu: »Na los. Mach schon. Oder schmeckt es dir nicht, dass er Geheimnisse vor dir hat? Willst du dich lieber blind stellen, statt dich unbequemen Wahrheiten zu stellen?«
»Du hast kein Recht, dich da einzumischen!«, fauchte Minato.
»Findest du? Ich wohne jetzt in dir und muss euch zwei Turteltauben die ganze Zeit ertragen. Also habe ich sehr wohl ein Recht dazu.«
»Wer sagt mir, dass nicht du derjenige bist, der lügt?«
»Wenn du ihn nicht fragst, wirst du es nie erfahren.«
Minato presste die Lippen aufeinander. Er gab sich alle Mühe, Kyubi zu ignorieren, und stand stattdessen auf und ging zu Tobirama. Er umarmte ihn. Tobirama ahnte nichts von dem inneren Konflikt, den Minato mit Kyubi austrug, und Minato wollte auch nicht, dass er davon erfuhr. Tobirama hatte bereits genug Sorgen, die ihn belasteten, er brauchte nicht noch mehr.
Vielleicht ahnte er doch zumindest etwas oder vielleicht war er auch selbst einfach nur froh um Minatos Nähe, denn er erwiderte die Umarmung. Minato schmiegte sich an ihn und genoss Tobiramas Wärme. Er mochte stets so kühl und abweisend wirken, aber Minato wusste es besser, und er war dankbar darum, dass Tobirama ihm erlaubte, diese Seite an ihm zu sehen. Diese sanfte, liebende Seite, das herzliche Lachen, das er nur für Minato übrig hatte, die Zärtlichkeit in seinen roten Augen immer dann, wenn er Minato ansah.
Er streckte sich, um Tobirama zu küssen. Es spielte für Minato keine Rolle, ob Tobirama das, was er für ihn empfand, nun Liebe nannte oder nicht. Wichtig war, dass Minato das Band fühlte, das sie miteinander verband. Es war nicht von Bedeutung, dass Tobirama vielleicht anders empfinden mochte als Minato, seine Gefühle waren nicht minder tief.
Ein dumpfer Aufprall gefolgt von einem Maunzen unterbrach sie. Ach ja, Menma war ja auch noch da und anscheinend gerade vom Tisch geplumpts.
»Niemand gönnt uns auch nur einen romantischen Moment für uns allein«, wehklagte Minato sein Leid. »Vielleicht sollte ich dich einfach schnappen und für ein paar Wochen mit dir in die Flitterwochen abhauen.«
»Du hast die Katze angeschleppt«, erinnerte Tobirama ihn in seinem üblichen Pragmatismus.
Auch wieder wahr. Nur ein klein wenig widerwillig löste sich Minato von ihm und hob Menma auf. Das Kätzchen miaute laut seinen Protest. Minato fasste einen Entschluss.
»Heute wird von zu Hause aus gearbeitet«, verkündete er.
Tobirama sah ihn streng an. »Du weißt, dass ich deine Arbeit nicht für dich mache.«
Minato wedelte mit der Hand. »Jaja. Mach du nur dein Ding. Ich stürze hier schon nicht alles ins Chaos.«
Tobirama kniff skeptisch die Augen zusammen. Dann gab er doch Minato einen Abschiedskuss und verschwand mit einem Hiraishin.
Minato sammelte die Unterlagen auf, die er eigentlich hatte durchsehen wollen, gab Shizune Bescheid und ging dann ebenfalls, allerdings auf normalem Wege. Er wusste, wie unangenehm es sein konnte, mit Hiraishin transportiert zu werden, wenn man nicht selbst der Anwender war (und selbst dann konnte es einem den Magen umdrehen, wie er aus leidvollen ersten Erfahrungen mit diesem Jutsu wusste), und er wollte Menma schonen.
»Freust du dich schon, dein neues Zuhause kennenzulernen?«, fragte er Menma.
Menma antwortete natürlich nicht und war derzeit außerdem mehr daran interessiert, auf Minatos Schulter zu klettern. Er ließ sie gewähren, auch wenn er dabei mehrmals von kleinen spitzen Krallen gepieckst wurde.
Es war nicht weit bis zu dem alten Anwesen, das die Gründerfamilie seit Gründung des Dorfes bewohnt hatte. Es war irgendwie ein ganz sonderbares Gefühl, das jetzt sein Heim zu nennen, aber doch ein Gefühl, das Minato ganz hibbelig vor Freude werden ließ.
Naruto hatte mit Minatos Doppelgänger draußen im Garten gespielt. Minato mochte es nicht, einen Doppelgänger zu nutzen, um Naruto zu betreuen, wenn er selbst keine Zeit dafür hatte und auch Kakashi und Tobirama anderweitig beschäftigt waren. Aber manchmal ging es nun einmal nicht anders. Minato löste das Jutsu auf und ging zu seinem Sohn.
Naruto hatte den Garten erkundigt. Tobirama hatte den ganzen letzten Herbst und Winter damit zugebracht, den Garten von all dem Unkraut zu befreien, das in den Jahren gewuchert war, in dem niemand das Anwesen bewohnt hatte. Er war Mitos alter Tradition treu geblieben und hatte wieder ein Erdbeerbeet angelegt, aber auch ein Hochbeet mit verschiedensten Kräutern und etliche Blumenrabatten, für die die Insekten besonders dankbar schienen. Besonders der große Lavendelstrauch war bei den Bienen beliebt. Für Naruto war das natürlich alles ganz aufregend, weil es so viel zu entdecken gab. Den Garten zu erforschten, regte ihn dazu an, sich aus eigener Kraft zu bewegen, und das wollte Minato unbedingt fördern. Auch wenn Naruto mittlerweile ziemlich flink geworden war, und Minato unheimlich aufpassen musste, dass er ihm nicht entwischte. Kaum zu glauben, wie schnell diese Pummelbeinchen sein konnten, wenn sie nur wollten.
Naruto quietschte vergnügt, als er seinen Vater sah. Minato hob ihn hoch und knuddelte ihn zur Begrüßung.
»Ich habe eine Überraschung für dich, mein Großer. Sag hallo zu deiner neuen Freundin Menma.«
Naruto hatte schon längst das Kätzchen ausgemacht und streckte seine Arme aus. »Daaaaa!«, machte er begeistert.
Menma war das anscheinend nicht geheuer. Minato musste sie festhalten, damit sie nicht abhaute, während er Naruto auf dem anderen Arm balancierte.
»Wollen wir Menma zeigen, wo sie jetzt wohnt? Was sagst du dazu, Sonnenschein?«
Naruto war sichtlich interessiert an der Katze, und es wurde ohnehin höchste Zeit, dass Minato ihr Futter und Wasser gab und auch sonst nach dem Rechten sah. Also trug Minato beide in die Küche und setzte sie auf den Küchentisch ab. Naruto war brav und blieb sitzen. Menma wurde natürlich sogleich wieder fahnenflüchtig und begann den Tisch zu erkunden. Vorsichtshalber schloss Minato die Küchentür, damit sie nicht abhauen konnte.
Ein Vorteil, mit einer Wölfin zusammenzuleben, war der Umstand, dass sie immer mal wieder frisches Wildbret im Haus hatten. Das hatte Minato schon das eine oder andere Mal wieder versöhnt, wenn Ōkami ihn mal wieder mit ihrem Wolfsgeheul direkt unter dem Schlafzimmerfenster geweckt hatte. Wie Tobirama das aushielt, war ihm schleierhaft. Allerdings hatte er Tobirama schon manches Mal dabei erwischt, wie er einfach mitmachte. Und da behauptete Tobirama immer noch, kein halber Wolf zu sein ... Einen Wolfsruf jedenfalls konnte er täuschend echt imitieren, so gut sogar, dass ihn wilde Tiere antworteten. Minato hatte das einmal versucht und war jämmerlich gescheitert.
Minato holte etwas von dem frischen Rehsteak des Vorabends aus dem Kühlschrank und schnitt ein kleines bisschen davon ab. Menma wirkte noch etwas jung, um ausschließlich feste Nahrung zu sich zu nehmen, aber im Moment hatte er nichts anderes da. Als allererste Notlösung würde es reichen, er konnte später noch geeigneteres Futter kaufen gehen.
Er schnitt das Fleisch in kleine Würfel und tat es dann in einen Topf mit heißem Wasser, um es zu kochen. Den Rest tat er in den Kühlschrank zurück. Dann durchsuchte er die Schränke nach einer geeigneten Schüssel, füllte sie mit Wasser und stellte sie auf den Küchentisch. So konnte Naruto Menma besser beim Trinken beobachten.
Menma war schon wieder drauf und dran, vom Tisch zu fallen. Minato nahm sie und setzte sie zur Schale. Er ließ etwas von dem Wasser auf ihre Nase tröpfeln, und Menma schien zu begreifen. Erst beschnupperte sie das Wasser, dann schlabberte sie und machte dabei eine ziemliche Unordnung. Wasser spritze nach allen Seiten davon. Irgendetwas veranlasste Menma dazu, mit der Pfote in die Schüssel zu langen, und Minato konnte sie gerade noch so festhalten, bevor sie umkippte. Menma maunzte protestierend, das war jetzt ihr Wasser.
Sie schlabberte eifrig ihr Wasser und als sie damit fertig war, fuhr sie darin fort, den Küchentisch zu erkunden. Minato setzte sich auf einen Stuhl und nahm sie an sich. Naruto beobachtete ihn neugierig. Minato streckte ihm das Kätzchen entgegen.
»Du kannst sie streicheln, aber ganz vorsichtig«, sagte Minato ihm. »Schau, so.«
Er nahm Narutos Hand und führte sie über Menmas kleinen Kopf. Menma maunzte, wehrte sich aber nicht dagegen. Naruto giggelte, ihm schien das zu gefallen. Minato lächelte und gab seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn. Das Lachen seines Sonnenscheins war einfach immer noch das schönste auf der ganzen Welt für ihn.
Minato konnte fühlen, wie mager Menma war. Die Rippen stachen deutlich hervor, nach dem glanzlosen Fell ein weiteres deutliches Zeichen für Mangelernährung. Minato war jedoch erleichtert, als er keine Verletzungen ausmachen konnte.
Inzwischen war auch das Fleisch fertig. Er setzte Menma wieder ab, um ihr Essen zuzubereiten. Er kühlte es unter fließend Wasser ab, und noch während er das tat, hörte er es scheppern. Menma hatte es jetzt doch geschafft, die Schüssel umzuwerfen.
Minato lachte. »Oh je, das müssen wir noch üben.«
Menma maunzte empört und schüttelte sich das Wasser von den Pfoten. Immerhin veranlasste sie das, sich hinzusetzen und sich, wenn auch noch etwas linkisch, das Fell zu putzen. Minato würde sie dennoch später noch einmal selbst waschen und ihr das Fell kämmen müssen, anders war dagegen nicht anzukommen.
Er nahm einen kleinen Teller und legte das Fleisch darauf, das er der Katze dann hinstellte. Um sie neugierig zu machen, hielt er ihr einen Bissen unter die Nase. Menma schnupperte sogleich daran, maunzte und knabberte dann an dem Fleisch. Na immerhin. Sie erkannte es als Futter, aber noch schien sie nicht so recht gelernt zu haben, wie man es auch aß. Menma ließ das Fleisch fallen und beschnupperte es weiter, wie es da vor ihr auf dem Tisch lag.
»Was mache ich jetzt mit dir?«, sinnierte Minato. »Ich kann dich noch nicht einfach so im Haus herumlaufen lassen, dafür bist du noch zu jung. Ah. Naruto, nein, Finger weg.«
Naruto hatte nach dem Fleisch gegriffen. Minato gewöhnte ihn zwar derzeit an richtiges Essen und nicht mehr nur Babybrei, aber das hier war für Menma. Naruto sollte gar nicht erst auf die Idee kommen, dass er auch das essen konnte, was die Katze bekam. Naruto ningelte beleidigt, und Minato brachte ihm stattdessen eine Banane. Das war derzeit Narutos Lieblingsnascherei – jedenfalls von den gesunden, die von Tobirama abgesegnet worden waren. Minato schälte die Banane und brach die Spitze ab, um sie Naruto zu reichen. Narutos Motorik war mittlerweile gut genug, dass er den Happen selbst greifen und sich in den Mund stecken konnte. Glücklich kaute er darauf herum.
Naruto hatte Minato allerdings auf eine Idee gebracht.
»Sag, kleiner Sonnenschein, willst du dein Laufgitter mit Menma teilen?«, fragte Minato. »Zumindest, bis ich etwas besseres gefunden habe.«
Naruto sah ihn groß an. Dann deutete er auf die Banane. Minato gab ihm noch einen Happen.
Das Laufgitter könnte funktionieren, wenn Minato noch eine Abdeckung darauf legte, damit Menma nicht darüber kletterte. Als erste Notlösung wäre es praktikabel.
Menma hatte indes herausgefunden, dass das Fleisch schluckbar war, wenn sie darauf herumkaute. Na immerhin. Minato fütterte Naruto noch mit ein paar weiteren Bananenstücken, den Rest aß er selbst. Dann wartete er, bis Menma genug gefuttert hatte. Er hob Katze und Baby hoch und brachte Naruto zu seinem Laufgitter, wo er in Ruhe spielen konnte, während Minato das Kätzchen wusch.
Im Bad ließ Minato etwas Wasser im Waschbecken ein und senkte Menma langsam hinein, damit sie das Wasser mit den Pfoten erfühlen konnte und sich nicht erschrak. Menma hatte eine klare Meinung von dem ganzen, aber Minato hinderte sie am Entkommen. Der ganze Schmutz musste dringend abgewaschen werden. Menma maunzte, als wäre das Wasser tödliches Gift, und es half auch nicht, dass Minato sie die ganze Zeit über sanft massierte. Aber immerhin lösten sich so die schlimmsten Zotteln im Fell und der Schmutz kam ab. Hinterher wickelte Minato sie in ein Handtuch und rubbelte sie vorsichtig trocken, und damit war die Sache auch schon überstanden. Mit dem noch immer feuchten Fell sah Menma besonders miesepetrig aus.
Minato betrachtete sie und musste lachen. »Ich hätte dich Tobirama nennen sollen, du machst ihm Konkurrenz.«
Menma maunzte besonders laut und lang.
Minato trug sie wieder nach unten zu Naruto, setzte die Katze in das Laufgitter und nahm Naruto an sich. Das Notdürftigste war erledigt, jetzt rief die Pflicht.
»Dein Papa muss jetzt arbeiten«, sagte er Naruto. »Hilfst du mir dabei?«
Naruto schlang die Arme um seinen Hals, was es immer wieder aufs Neue schaffte, Minato beinahe zu Tränen zu rühren. Es war solch eine herzallerliebste Geste.
Er setzte sich mit Naruto an den kotatsu und legte die Unterlagen über die Prüfungsteilnehmer vor sich auf den Tisch. Die Daten zu sichten, konnte er einfach erledigen, während er Naruto auf dem Arm hielt. Naruto fand das ziemlich langweilig und spielte mit Minatos Mantel herum. Die letzten Nachwehen seiner Erkältung sorgten jedoch dafür, dass Naruto alsbald schläfrig wurde und er kuschelte sich an Minato. Minato knuddelte ihn und summte eine Melodie vor sich hin. Da dauerte es nicht mehr lange und Naruto war eingeschlafen. Minato behielt ihn im Arm. In Momenten wie diesen wollte er seinen Sohn am liebsten nie wieder hergeben.
Tobirama kam früher heim, als Minato erwartet hatte, und hatte zudem auch noch eine Überraschung mitgebracht. Er gab Minato einen Kuss auf sein Haar und stellte dann kommentarlos eine Packung mit Kittenfutter vor ihn auf den Tisch. Erstaunt sah Minato zu ihm auf, dann musste er doch schmunzeln.
»Na, schau an. Hat da wer dein Steinherz erweicht?«
Tobirama schnaubte. Bloß nicht zugeben, dass er vielleicht nicht durch und durch der unnahbare Shinobi war, der er immer zu sein vorgab. Statt einer Antwort setzte er sich zu Minato, strich dem noch immer schlafenden Naruto über den Kopf und besah sich dann Minatos Aufzeichnungen. Minato betrachtete ihn. War sich Tobirama eigentlich bewusst, wie sehr Minato jedes Mal das Herz aufging bei solch kleinen Gesten? All diese kleinen Dinge, die ihm zeigten, dass Tobirama sie beide ins Herz geschlossen hatte, dass er auch Naruto als Teil seiner Familie akzeptiert hatte und vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft sogar offiziell als sein Adoptivsohn.
»Wie niedlich deine kleine, zusammengestoppelte Familie doch ist«, grollte Kyubi. »Aber sei dir nur stets bewusst, wie vergänglich das alles ist.«
Minato ignorierte ihn mit aller Macht und kuschelte sich an Tobirama. »Von den insgesamt neunzig Teilnehmern habe ich fünf ausgewählt, die befördert werden können. Zwei davon aus Konoha. Aber zunächst möchte ich noch andere Meinungen hören.«
Tobirama besah sich Minatos Vorschläge. »Du hast ja tatsächlich gearbeitet.«
Minato knuffte ihn. »Hey!«
Es klingelte an der Tür, und wer auch immer es war, ersparte Minato damit eine Tirade Tobiramas. Er reichte Naruto weiter an Tobirama und stand auf, um nachzusehen, wer da etwas von ihnen wollte.
Ihr Besucher stellte sich als Jiraiya heraus. Er begrüßte Minato mit seinem üblichen breiten Grinsen. Minato erwiderte es mit einem eher schmallippigen Lächeln. Ihre Auseinandersetzung von vor ein paar Tagen war noch nicht vergessen. Minato war kleinlich genug, Jiraiya deswegen nicht sofort hineinzubitten, zumal er ahnte, dass es Tobirama ähnlich ergehen würde.
»Hey, Minato!«, begrüßte Jiraiya ihn. »Ich wollte mal sehen, wie‘s dir geht.«
Das war ungewöhnlich für ihn. Sonst war er meist mit seinen eigenen Dingen beschäftigt, und nicht einmal jetzt sagte er Minato immer vorher Bescheid, bevor er zu seiner nächsten Reise aufbrach.
»Oh, mir geht‘s gut, danke der Nachfrage«, erwiderte Minato reserviert und fragte sich, was Jiraiya wollte.
Jiraiya redete immerhin nicht lange um den heißen Brei herum und kam sogleich zur Sache. »Ich hab mir überlegt, dass wir vielleicht mal wieder zusammen trainieren könnten. Nur du und ich, wie in guten alten Zeiten.«
Eigentlich bedauerlich, dass selbst Jiraiya nur noch an sie beide dachte, wenn er von seinem alten Team sprach. Minatos Teamkameraden waren schon vor langer Zeit gestorben, noch bevor sie überhaupt Chūnin hatten werden können und irgendwie war es nie dazu gekommen, dass Team Jiraiya wieder auf vier Mann aufgestockt worden war.
»Dachte, das könnte dir gut tun«, fügte Jiraiya an. »Mal wieder etwas Dampf ablassen und so, statt immer nur den ganzen Tag hinter deinem Schreibtisch zu sitzen. Du warst doch schon immer mehr der Typ für‘s Praktische.«
Irgendwie hatte Minato das Gefühl, dass da noch mehr dahinter stand. Vielleicht Jiraiyas Art, sich zu entschuldigen für seine unangebrachten Worte? Aber eigentlich war das keine allzu schlechte Idee. Er nickte.
»Das klingt gut. Geben Sie mir nur einen Moment, sensei.«
Er ging wieder nach drinnen, um Tobirama Bescheid zu geben und sich mit einem Kuss zu verabschieden. Dann ging er wieder zu Jiraiya. Seine Ausrüstung trug er ja ohnehin bei sich, etwas, das man Shinobi von Beginn an einbläute. Gerade er als Hokage musste ohnehin jederzeit bereit sein.
Zu zweit begaben sie sich ein ganzes Stück außerhalb des Dorfes zu dem Ort, den sie schon seit vielen Jahren für ihr Training nutzten. Es handelte sich dabei um eine Höhle einige Kilometer außerhalb Konohas. Vor vielen Jahren war das Gelände einmal von einem Mönchsorden benutzt worden, doch das Kloster stand schon lange verlassen da. Jiraiya hatte irgendwann einmal angefangen, die alten Trainingsanlagen, die er hier vorgefunden hatte, zu restaurieren und zu erweitern. Anscheinend hatte es sich bei den Mönchen hier um einen Kriegerorden gehandelt. Minato hatte aus Neugierde ein wenig nachgeforscht, aber nicht viel über sie herausgefunden, und irgendwann einmal war er auch einfach nicht mehr dazu gekommen, sich mit so etwas zu befassen.
»Also ist das jetzt was Dauerhaftes, ja?«, fragte Jiraiya auf dem Weg. Sein Ton war auffallend zurückhaltend, man könnte schon fast sagen unterkühlt.
»Was?«
»Dass du jetzt bei ihm wohnst.«
»Hmmhmm«, machte Minato leichthin, auch wenn ihm nicht gefallen wollte, worauf das hinauslaufen konnte. Jiraiya schien seiner Beziehung mit Tobirama nicht zuzustimmen. Minato bevorzugte es, wenn sich Jiraiya aus diesem Teil seines Privatlebens heraushalten würde, und seine Abneigung gegenüber Tobirama war nur ein Grund von vielen.
Dankenswerterweise nahm Jiraiya das jedoch schweigend hin.
Sie legten ein straffes Tempo vor, sie wollten immerhin heute noch ankommen und auch wieder zurückkehren und das alte Kloster befand sich ein ganzes Stück entfernt von Konoha. Minato hätte natürlich einfach ein Hiraishin benutzen können, der Ort lag noch gerade so in Reichweite, aber das wäre Jiraiya gegenüber unhöflich gewesen, und Jiraiya hatte schon vor langer Zeit deutlich gemacht, dass er darauf verzichtete, dass Minato das Jutsu an ihm anwandte.
Das Gelände lag wie immer verlassen vor ihnen. Das Kloster war in eine Felswand eingelassen, die versteckt im Wald lag. Der Weg hierher war unwegsam, und es würde kaum jemand aus Versehen über diesen Ort stolpern, was wohl auch im Sinne der Mönche gewesen war, die einst hier gelebt hatten. Minato hatte keine Ahnung, wie Jiraiya diesen Ort jemals gefunden hatte, sein einstiger Lehrer hatte immer ein großes Geheimnis daraus gemacht. Sah ihm ähnlich, und Minato hatte ihm diese kleine Freude gelassen, aus sich ein Mysterium zu machen.
Er schob ein paar Ranken zur Seite und trat aus dem Wald heraus. Vor ihm lag ein See, über den sich malerisch eine Brücke spannte. Auf der anderen Seite ragte die Felswand auf, in die die Gebäude des Klosters geschlagen worden waren, teils in den Fels hinein, teils klammerten sie sich außen an der Wand fest.
Alles wirkte ruhig und genau so, wie Minato es in Erinnerung hatte. Unwillkürlich musste er lächeln.
Jiraiya ging voran und winkte ihm, ihm zu folgen. »Komm, ich hab ein paar Verbesserungen an der Anlage vorgenommen, die werden dir gefallen.«
Neugierig geworden folgte Minato ihm. Die Mönche waren clever gewesen und hatten sich allerlei Gerätschaften ersonnen, die sie zum Training genutzt hatten und die auch Shinobi von Nutzen waren. Ein Nachteil war jedoch, dass einige der Mechanismen immer nach demselben Muster verliefen, die Minato längst im Schlaf beherrschte. Sie waren keine Herausforderung mehr.
Jiraiya führte ihn zu einer der Anlagen, einem Parcours, bei dem es darum ging, den rotierenden Puppen auszuweichen und dabei nicht von den Schlägeln getroffen zu werden. Minato erinnerte sich noch gut daran, wie sehr das wehtun konnte, auch wenn es viele Jahre her war, seit er sich das letzte Mal hatte erwischen lassen.
»Ich hab die Muster verändert«, erklärte Jiraiya. »Jetzt sind sie zufallsbasierter. Wer zuerst auf der anderen Seite ist!«
Die Puppen waren in einer losen Formation angeordnet und konnten sich auf Schienen zumindest in einem gewissen Radius bewegen. Es schien, als habe Jiraiya ein paar Weichen eingebaut, sodass die Puppen auch auf andere Bahnen wechseln konnten. Die Puppen selbst waren segmentiert und besaßen grob die Form eines Menschen, sodass sie sich biegen und um sich schlagen konnten, um so einen echten Gegner zu imitieren.
Minato rollte mit den Schultern. Jiraiya betätigte den Hebel, der die Anlage aktivierte. Minato stürmte voran.
Der Trick war, nicht greifbar und flexibel zu sein wie Luft. Auch wenn Jiraiya sagte, dass die Bewegungsmuster jetzt zufälliger waren, hatten die Puppen doch noch immer einige Limitationen, die ihnen doch ein gewisses Muster aufzwangen. Das galt es herauszufinden.
Luft floss ungehindert dahin, Luft ließ sich nicht von Hindernissen aufhalten, sondern floss daran vorbei. Und genauso glitt Minato an den Puppen vorbei, mit leichtem Schritt, sich drehend und biegend, fast schon wie ein Tanz. Er sah die neuen Muster und welche Auswirkungen die Veränderungen hatten, die Jiraiya vorgenommen hatten. Es waren clevere kleine Kniffe, die das hier in der Tat um einiges schwerer machten. Aber er schaffte es dennoch mit Leichtigkeit, und das sogar als erster.
Jiraiya atmete sichtlich schwer, als auch er am Ziel ankam. Er hatte wie Minato den Schlägeln ausweichen können, teils war es jedoch knapp geworden.
»Verdammt, Minato, wann bist du noch schneller geworden?«, keuchte er, doch noch mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Minato zuckte leichthin mit den Schultern. »Jetzt habe ich jemanden, der mit meiner eigener Geschwindigkeit mit Leichtigkeit mithalten kann.«
Tobirama war sogar schneller. Minato war immer noch verblüfft, wie er seinem Hiraishin: Ni no Dan ausgewichen und dann auch noch seinen Angriff mit Rasengan hatte abwehren können. Hatte etwas damit zu tun, wie er Suiton nutzte, hatte er Minato erklärt. Minato hatte nicht einmal für möglich gehalten, dass irgendwer Wasser so präzise kontrollieren konnte. Es war jedes Mal eine helle Freude und eine Herausforderung sondergleichen, sich mit Tobirama zu messen.
»Ich hatte schon befürchtet, dass die ganze Papierarbeit dich einrosten lässt«, stellte Jiraiya fest. »Aber das ist offensichtlich nicht der Fall.«
So langsam kam Minato in Fahrt. »Was ist mit Ihnen, sensei? Sie werden doch wohl nicht etwa alt?«
»Pah! Du wirst schon sehen, du junger Hüpfer!«, rief Jiraiya aus und stürmte voran.
Dem ersten Teil schloss sich ein Parcours über mehrere hängende Balken hinweg an, bei dem man erneut beweglichen Objekten ausweichen musste, um nicht von den Balken gestoßen zu werden. Das erforderte Geschwindigkeit, Beweglichkeit und Balance. Es wäre einfacher, wenn sie Chakra nutzen würden, um sich auf den Balken zu halten, aber es ging hier nicht darum, etwas möglichst einfach zu machen.
Minato hatte Jiraiya bald schon wieder eingeholt. Der Parcours war für mehrere Personen gleichzeitig gemacht, sodass sie sich einen Wettlauf bieten konnten. Entlang des Pfads standen hölzerne Nachbildungen von Nagitana, die dazu genutzt werden konnten, um die Konkurrenz herunterzustoßen.
Minato erreichte seine Waffe als erstes. Auch wenn sie keine Klingen besaßen, konnte das harte Holz noch immer ernstlich verletzen, da es nicht gepolstert war. Das machte diese Attrappen zu ernstzunehmenden Waffen.
Eigentlich bevorzugte Minato den unmittelbaren Nahkampf mit kurzen Klingen, besonders seinen speziellen Kunai. Aber er hatte auch den Umgang mit anderen Waffentypen trainiert; man konnte nie wissen, wann man es einmal gebrauchen könnte.
Er griff nach der langen Stangenwaffe und schlug sogleich damit nach Jiraiya, der seine eigene Waffe erreicht hatte. Er konnte Minatos Schlag ausweichen und sich selbst bewaffnen. Minato rannte weiter den Pfad entlang und wich einem Schlegel aus, der ihm sonst die Knie zertrümmert hätte.
Jiraiya setzte ihm nach. Sein Alter machte sich noch lange nicht bemerkbar, was wirklich bemerkenswert war. Der Gedanke ließ Minato jedoch aufmerken. Jiraiya war nicht so viel älter als Tobirama, und Tobirama bestand darauf, dass er noch lange nicht »alt« sei. Minato musste schmunzeln. Wenn Tobirama nur Gedanken lesen könnte, er hätte jetzt sicher wieder viel zu schimpfen.
»Was ist so lustig?«, wollte Jiraiya wissen, während er nun seinerseits einen Versuch startete, Minato aus der Balance zu bringen.
Minato konnte den Speerstoß mit seiner eigenen Waffe ablenken, musste Jiraiya jedoch zugestehen, dass er tatsächlich ein wenig ins Wanken geraten war. »Ach, nichts. Ich frage mich nur, ab wann es akzeptabel wäre, Sie alt zu nennen, sensei.«
Jiraiya lachte dröhnend. »Da kannst du warten, bis du schwarz wirst!«
»Sie sind trotzdem langsamer als ich!«
Auch Jiraiya hatte sichtlich Spaß hieran. Er schenkte Minato nichts, und Minato musste wirklich alles geben, um ihn sich vom Hals zu halten. Laut klackend trafen ihre Holzwaffen aufeinander, um im nächsten Moment schon wieder auseinanderzugehen. Jiraiya versuchte es mit einem besonders gemeinen Schlag auf Kniehöhe. Minato brachte sich mit einem Rückwärtssalto in Sicherheit. Er nutzte seine Waffe, um die Balance zu halten, und huschte dann weiter den Pfad entlang.
Jiraiya wechselte die Seiten und war nun direkt hinter Minato. Er stieß mit dem Nagitana nach ihm. Minato ließ sich nach hinten fallen, die Waffe zischte nur wenige Fingerbreit über ihn hinweg.
Er nutzte den Schwung für einen weiteren Salto und trat dann die Flucht nach vorn an. Auch ohne Hiraishin war er schnell, Jiraiya sollte nur versuchen, da mit ihm mitzuhalten.
Minato erreichte das Ende des Parcours erneut als erster. Jiraiya versuchte zwar dennoch mehrmals, ihn von den Füßen zu holen, aber Minato beschloss, auf seine Stärke zu setzen und ihm einfach davonzulaufen.
Sobald seine Füße wieder festen Boden berührten, wirbelte er herum, die Waffe fest in der Hand. Wie er erwartet hatte, war Jiraiya nicht weit hinter ihm und gab ihm keinen Moment zum Durchatmen. Erneut trafen ihre Waffen aufeinander.
Es folgte ein hitziger Schlagabtausch, der hin und her ging. Jiraiya mochte älter und erfahrener sein, aber Minato war schneller und wendiger, und außerdem kannte er seinen sensei. Sie begegneten sich hier auf Augenhöhe.
»Wow, du machst mir langsam echt zu schaffen«, räumte Jiraiya ein. »Das kratzt an meinem Stolz.«
Minato setzte zu einem Sprungangriff an. »Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, sensei.«
»Und jetzt ernte ich meine eigenen Lorbeeren, sehe schon.« Jiraiya wehrte den Schlag ab, doch seine Arme erzitterten unter dem Aufprall.
Minato wich wieder zurück, um Distanz zu gewinnen. Er hielt das hölzerne Nagitana in einer Hand und in der anderen eines seiner Kunai. »Sollen wir den Schwierigkeitsgrad ein wenig erhöhen?«
»Zeit für Ninjutsu also? Dann lass die Funken sprühen!«
Minato warf das Kunai. Jiraiya wich ihm aus, genau in die Richtung, wie Minato das geahnt hatte. Statt die Markierung zu nutzen, griff Minato auf herkömmliche Weise an, und Jiraiya lief genau in seinen Angriff hinein.
Jiraiya lachte auf. »Clever!«
»Ich hatte einen guten Lehrer.«
Denn natürlich hatte Jiraiya damit gerechnet, dass Minato Hiraishin nutzen würde, es war sein großer Vorteil in jedem Kampf. Jiraiya hatte aber auch eine gewisse Erfahrung, diesem Jutsu auszuweichen, also musste sich Minato mittlerweile das eine oder andere gegen seinen einstigen Lehrmeister ausdenken.
Jiraiya hatte nicht gesehen, wie Minato noch weitere Markierungen platziert hatte. Minato teleportierte sich hinter ihn und rammte ihm das dumpfe Ende des Nagitana ins Kreuz. Jiraiya stolperte nach vorn und konnte sich gerade noch fangen.
»Au!« Er rieb sich den Rücken. »So einen miesen Trick hab ich verdient nach neulich, was?«
Minato richtete das, was bei einem richtigen Nagitana das spitze Ende wäre, wieder auf Jiraiya und klemmte den Schaft unter die Achsel.
»Ich hab da ein paar Sachen gesagt, die dich ziemlich verärgert haben«, fuhr Jiraiya fort. »Dafür wollte ich mich noch entschuldigen.«
Minato griff erneut an. Jiraiya zerstörte sein hölzernes Nagitana mit einem Rasengan. Splitter flogen nach allen Seiten davon, und Minato griff nach einer der weiter entfernt gelegenen Hiraishin-Markierungen, um ihnen auszuweichen. Er warf die nutzlos gewordenen Reste der Stange davon.
»Ich weiß Ihre Entschuldigung zu schätzen, sensei«, sagte er kurz angebunden.
»Denn ja, als dein einstiger sensei kann ich gut nachvollziehen, wie du dich in Bezug auf Kakashi fühlst«, fügte Jiraiya an. »Aber so geht‘s mir eben auch mit dir, und ich frage mich, ob das wirklich so eine gute Idee war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das allen gefällt, besonders ein paar in einflussreichen Positionen, wenn du verstehst.«
Minato runzelte missmutig die Stirn. »Wenn einer mit ihnen fertig wird, dann doch Tobirama.«
»Und gerade das ist es, was mir so Kopfzerbrechen bereitet.«
Minato griff erneut an und verwickelte Jiraiya in einen raschen Schlagabtausch. Jiraiya konterte jeden Schlag, aber ihm konnte nicht entgangen sein, dass Minato etwas härter zuschlug, als er es sonst in einem Übungskampf tun würde. Das Thema frustrierte ihn.
»Und da fällt es zusammen, das Kartenhaus deiner glücklichen kleinen Welt«, wisperte Kyubi ihm ins Ohr.
»Warum sollte Tobirama ein Problem sein?«, verlangte Minato zu wissen.
»Du lässt dich von ihm beeinflussen.« Auch Jiraiya holte stärker aus, das Thema brachte auch ihn auf.
»Also soll ich stattdessen tun, was Sie wollen?«, konterte Minato. »Ist das nicht ein wenig voreingenommen?«
»Hör, mich geht‘s nichts an, was du mit deinem Privatleben machst«, sagte Jiraiya in einem beschwichtigenden Tonfall.
»Dann halten Sie sich da heraus!«, fauchte Minato.
»Aber du bist auch Hokage!«, schoss Jiraiya zurück. »Was du mit ihm hinter verschlossenen Türen anstellst, hat da nichts zu suchen!«
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zorn loderte in Minato auf, rot und heiß flutete er seine Venen und tränke jede Faser seines Seins. Sein Chakra kochte auf, war nicht länger eine ruhige See, sondern ein tobender Ozean unter dem Ansturm einer viel größeren Macht als er selbst.
»Wut ist ein herrliches Gefühl«, wisperte Kyubi. »Gib ihr nach, lass sie raus, sonst frisst sie dich von innen heraus auf.«
»Ich liebe ihn!«, rief Minato aus. »Und er liebt mich.« Auf seine Weise.
»Bist du dir da so sicher?«
Frustriert schrie Minato auf. Dieses Mistvieh sollte endlich sein dreckiges Maul halten!
»Minato, das bist nicht du«, sagte Jiraiya viel ruhiger, als Minato sich fühlte.
»Warum sollte das nicht ich sein?«, fuhr Minato ihn an. »Sie waren ja nicht da! Sie haben nicht gesehen, was geschehen ist! Sie haben nicht gesehen, wie Kushina hatte sterben müssen! Sie haben nicht gesehen, zu was ich gezwungen war! Ich muss jetzt mit dieser Bürde leben, ich allein. Nicht Sie. Ist es mir da nicht gestattet, wenigstens wieder etwas Freude im Leben zu finden? Denn Tobirama war da, und er ist es immer noch. Ja, ich liebe ihn, und zufälligerweise denke ich auch, dass er Recht hat. Wo ist das verdammte Problem?«
Jiraiya sah ihn ungewöhnlich ernst an. »Ist dir auch nur einen Moment lang in den Sinn gekommen, dass er seine eigene Agenda verfolgen könnte? Ja, er war mal Hokage, und ja, er hat das Dorf überhaupt erst mitbegründet. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass er in allem Recht haben muss. Er ist ein Relikt der Vergangenheit, er hat keine Ahnung, wie die Dinge heutzutage stehen.«
»Ich bin nicht hier, um mir Ihre Anschuldigungen anzuhören«, knurrte Minato. »Ich will nichts mehr davon hören, nie mehr. Das ist ein Befehl.«
Er hielt ein Rasengan in der Hand. Wann hatte er es beschworen? Es brannte wie Feuer.
»Minato!«
Er war schneller als Jiraiya und erwischte ihn mit der vollen Wucht seines Jutsu. Jiraiya schrie schmerzhaft auf und wurde etliche Meter davongeschleudert. Er krachte durch mehrere Trainingspuppen, Splitter spritzten davon, und erst eine dicke Steinsäule bremste seinen Fall. Risse zogen sich durch den Stein, wo er aufgeprallt war. Stöhnend sank er an der Säule herab und blieb liegen. Sein Gesicht war gezeichnet vom Schmerz.
Kyubi lachte leise. »Hmm, ja. Zorn schmeckt am besten ganz heiß, nicht wahr?«
Minato erstarrte. Was hatte er getan? Das war nicht sein Chakra gewesen. Das war überhaupt nicht er gewesen. Er würde doch niemals Jiraiya so ernstlich angreifen.
Hektisch überprüfte er das Siegel, das Kyubi gebannt hielt. Es glich einem Sieb.
»Scheiße, scheiße, scheiße«, murmelte er vor sich hin und raufte sich die Haare. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Er hatte doch gelesen, was Mito geschrieben hatte. Er hatte gelesen, wie essenziell es war, dieses spezielle Chakra zu besitzen, das nötig war, um die Acht Trigramme stabil zu halten. Ebenjenes Chakra, das er nicht besaß.
Tobirama. Tobirama würde Rat wissen. Er wusste immer, was zu tun war.
Jiraiya regte sich schwach. Minato teleportierte sich direkt zu Tobirama.
Tobirama saß noch immer mit Naruto am kotatsu, wo Minato sie beide zurückgelassen hatte. Minato ließ sich neben ihn auf die Knie fallen und packte ihn bei den Schultern. Tobirama sah ihn fragend an; er wusste sofort, dass etwas passiert sein musste.
»Tobirama, ich … ich glaube, ich hab einen Fehler gemacht«, stammelte Minato.
Tobirama nahm sein Gesicht zwischen seine Hände und sah ihm fest in die Augen. »Tief durchatmen und dann erzählst du mir in Ruhe alles der Reihe nach.«
Wie konnte Minato da nur ruhig bleiben nach allem, was er erlebt hatte? »Das … das Siegel. Es … Was, wenn … I-ich habe ihn verletzt. Ich wollte das nicht. Ich meine, ich würde doch niemals … Ich glaube, ich verliere die Kontrolle.«
Tobirama runzelte die Stirn. Hatte er auch nur ein Wort von all diesem sinnlosen Gestammel verstanden? Minato konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles war so furchtbar und unkontrollierbar.
Dennoch machte sich Tobirama ohne ein weiteres Wort an die Arbeit. Er schob Minatos Hemd hoch und aktivierte das Siegel. Das altbekannte frostige Gefühl rann durch Minatos Glieder und ließ ihn erschaudern, als Tobiramas Chakra auf sein eigenes einwirkte. Tobirama machte ein ernstes Gesicht, während er das Siegel prüfte. Das war nicht gut, oder? War sogar er besorgt? Das konnte nicht gut sein.
Tobirama benötigte einige Minuten. Die Anspannung zerriss Minato schier innerlich. Tausend Katastrophen kamen ihm in den Sinn, eine schlimmer als die andere. Er konnte nicht versagen, er durfte einfach nicht. Aber was, wenn er nicht stark genug war? Wenn es einfach nichts gab, was er tun konnte? Wenn er das Unvermeidliche nur hinausgezögert hatte?
Schließlich rückte Tobirama wieder von ihm ab. Er sah Minato ruhig an. »Alles wieder so, wie es sein sollte.«
Irgendwie beruhigte Minato das überhaupt nicht. »Aber das kann wieder passieren, oder? Was, wenn es wieder passiert? Ich will nicht zu diesem Monster werden. Oh, Tobirama, was, wenn es die Kontrolle gewinnt? Wenn ich zu ihm werde?«
Tobirama zog ihn in seine Arme. Minato schluchzte auf. Sanft strich Tobirama ihm über den Rücken.
»Das wird nicht passieren«, versicherte Tobirama ihm. »Das werde ich nicht zulassen.«
Minato klammerte sich an ihn. Er wollte es so sehr glauben.
Nächstes Kapitel: Tobirama trifft ein paar Clananführer.
Kapitel 6: Verhandlungen
Tobirama war sich der Blicke der drei Clanoberhäupter bewusst, die auf ihm ruhten. Inoichi, Shikaku und Chōza sahen ihn erwartungsvoll an, während Torifu etwas verloren zwischen ihnen saß und sein Bestes tat, um ein guter Gastwirt zu sein. Anders als beim letzten Mal waren heute nur sie fünf anwesend zusammen mit Ōkami, die von dem ganzen jedoch wenig Notiz nahm. Die Hirschkeule war spannender.
Tobirama hatte Chōza und Inoichi bereits kennengelernt, mit letzteren hatte er schon zusammengearbeitet, als es darum ging, die Suna-nin zu verhören. Lediglich Shikaku war ihm noch weitestgehend unbekannt, aber wenn er auch nur ein klein wenig wie die Nara war, die Tobirama kannte, dann hatte er bereits eine ungefähre Ahnung, was für ein Mann Shikaku war.
»Der Fisch ist dir exzellent gelungen, Torifu«, lobte Tobirama. Zanderfilet in Buttersauce mit einem Spritzer Zitrone. Torifu hatte wirklich nicht vergessen, wie er seinen Fisch mochte.
»Die wichtigen Dinge im Leben merke ich mir«, sagte Torifu leichthin.
Tobirama warf ihm einen vielsagenden Seitenblick zu. »Über deine Siegel sprechen wir besser nicht.«
Torifu lachte dröhnend. »Ich habe ganz offensichtlich andere Qualitäten.«
»Definitiv«, ergriff Chōza das Wort. »Torifu, wir müssen dir für den heutigen Abend danken. Auf dass er dieses Mal nicht so abrupt endet.«
»Beschwör es nicht noch«, warf Inoichi ein.
Chōza rammte ihm seinen Ellbogen in die Seite. »Seit wann bist du abergläubisch?«
Tobirama presste die Lippen aufeinander und schwieg. Er wollte darüber nicht scherzen.
Shikaku warf seinen beiden Freunden einen kritischen Blick zu, dann wandte er sich direkt an Tobirama. »Nidaime-sama, ich muss Ihnen unseren Dank aussprechen, dass Sie der Bitte um ein Treffen nachgekommen sind. Sicher sind Sie ein vielbeschäftigter Mann.«
»Ich bin gespannt zu erfahren, worum es Ihnen geht«, erwiderte Tobirama.
Und Minato erging es ebenfalls so. Er hatte sich erstaunt gezeigt, als Tobirama ihm von der Einladung und vor allem ihrem Hintergrund erzählt hatte. Er teilte zwar Tobiramas Bedenken und hatte sich ebenfalls gefragt, warum sie sich nicht direkt an ihn gewandt hatten. Dann hatte er jedoch wie auch Tobirama gemeint, dass Tobirama dem vielleicht einfach nachgehen und geradeheraus sagen sollte, dass sie mit welchem Anliegen auch immer jederzeit zum Hokage kommen konnten, der derzeit nun einmal Minato war.
»Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden«, sagte Shikaku. »In letzter Zeit kam uns wieder vermehrt zu Ohren, dass Leute verschwinden.«
Auch Chōza und Inoichi wandten ihre Aufmerksamkeit wieder dem eigentlichen Gespräch zu.
Tobirama runzelte die Stirn. »Wieder?«
»Inwiefern sind Sie darüber im Bilde, dass etwas Ähnliches bereits vor einigen Jahren geschehen ist?«, fragte Shikaku.
Tobirama ahnte, worauf er anspielte. Er nickte. »Ich weiß darüber Bescheid, Hiruzen sagte es mir.«
»Ah, dann wissen Sie jetzt wahrscheinlich mehr als wir«, räumte Shikaku ein. »Das ganze wurde unter den Teppich gekehrt, aber dass einfach so Leute verschwinden, fiel eben doch auf. Und jetzt hat es den Anschein, dass es wieder losgeht.«
Hiruzen hatte jedoch gesagt, dass die Experimente eingestellt waren. Das alles war höchst sonderbar. »Haben Sie sich an die Polizei gewandt?«
Inoichi schnaubte abfällig. »Die sind ein Schlägertrupp, nichts weiter. Die taugen zu nichts, außer des abends Besoffene vor Kneipen niederzuknüppeln.«
Das kam Fugaku besser nicht zu Ohren.
»Also gehen Sie jetzt einen Schritt weiter und wollen die Anbu einschalten«, schloss Tobirama.
Shikaku nickte. »Exakt.«
»Mit so etwas wenden Sie sich noch immer besser zuerst an Minato«, betonte Tobirama.
»Wenn Sie darauf bestehen«, sagte Shikaku sachlich.
»Aber wenn wir schon einmal dabei sind, dann sagen Sie mir doch, wieso Sie der Meinung sind, dass das damalige Verschwinden und das jetzt in Verbindung stehen könnte«, sagte Tobirama ebenso sachlich.
»Bauchgefühl«, sagte Chōza.
»Und man war schon immer gut beraten, auf das Bauchgefühl eines Akimichi zu hören«, fügte Shikaku an.
»In der Tat«, sagte Tobirama mit Blick auf Torifu. Dieser Clan hatte nicht nur einen Sinn für gutes Essen und Gastfreundschaft, sondern auch Gefahr.
Tobirama fragte sich, ob Sukeas Verschwinden damit irgendwie in Verbindung stand. Das konnte kein Zufall sein. Aber wer konnte dahinter stecken? Ein ganz ungutes Gefühl beschlich Tobirama.
»Ihrem Blick entnehme ich, dass Sie etwas wissen, sensei«, sagte Torifu.
»Eine wage Vermutung, mehr nicht«, sagte Tobirama ausweichend.
Inoichi sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. Sorge schien aus seinem Blick. »Sagen Sie nicht, dass sogar aus der Anbu Leute verschwunden sind.«
»Ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen«, beschwichtigte Tobirama ihn.
»Nun denn, behalten Sie ihre Geheimnisse, Nidaime-sama.« Inoichi lehnte sich zurück und nahm noch einen Bissen von seinem Fisch. »Da ist allerdings noch eine Sache, die ich ansprechen möchte. Bezüglich der Polizei.«
»Und erneut sage ich Ihnen, dass Sie sich damit besser an Minato wenden«, warf Tobirama ein. »Das ist nun wirklich nicht mehr mein Aufgabengebiet.«
»Mag sein«, räumte Inoichi ein. »Allerdings war doch die Polizei Ihre Erfindung und, nun … Sie haben nun einmal einen starken Einfluss auf den Hokage.«
Daher wehte der Wind also. Tobirama hatte es befürchtet. »Minato macht seinen Job und ich meinen, und uns beiden ist wichtig, da eine klare Trennlinie zu ziehen. Wenn Sie Beschwerden zur Polizei haben, wenden Sie sich an ihn und nicht mich. Ich habe im Moment wirklich Dringenderes zu tun, als Nachrichten zu überbringen.«
Obwohl er schon wirklich gern hören würde, was Inoichi ihm zu berichten hatte, er hatte die Uchiha schon immer lieber im Blick behalten. Aber was auch immer es war, Minato würde es ihm sicher schon zu gegebener Zeit beim Abendessen sagen. Das mussten die hier Anwesenden nur nicht unbedingt wissen.
Inoichi senkte den Blick. »Natürlich.«
»Aber Beschwerden zu Ihrem Wolf hören Sie sich schon noch an, oder?«, warf Shikaku ein.
Sogleich hob Ōkami den Kopf und richtete die Ohren auf. »Was heißt hier sein Wolf? Er ist mein Welpe und ich gehöre niemandem.«
»Oh, Shikaku-san, jetzt bist du in ein ganz großes Fettnäpfchen getreten«, amüsierte sich Torifu.
Shikaku wirkte eingeschnappt. »Die Rehe im Nara-Wald sind uns heilig und wir sehen es wirklich nicht gern, wenn sie aus reinem Vergnügen gejagt werden.«
»Nur jage ich nicht aus reinem Vergnügen«, betonte Ōkami schnippisch. »Schließlich muss ich auch von irgendetwas leben. Und der Wildbestand kann ebenfalls nicht unkontrolliert belassen werden. Muss ich erklären, was für enormen Schaden Rehe anstellen können, die die Rinde der Bäume abnagen? Ich dachte, Menschen wissen so etwas.«
Shikaku sah empört zu Tobirama, doch dieser hob abwehrend die Hände. »Wo sie Recht hat …«
»Aber doch nicht in unserem Wald!«
»Den Rehen ist es egal, wem das Land gehört«, fuhr Ōkami fort, »und ich mache da auch keinen Unterschied. Schließlich wäre es unklug, immer nur ein und dasselbe Gebiet zu bejagen.«
Shikaku klappte den Mund auf und zu.
»Wenn ich dir einen Rat geben darf, Shikaku-san, dann versuche es erst gar nicht«, warf Torifu ein.
Shikaku beherzigte den Rat. Zufrieden nagte Ōkami weiter an ihrer Keule.
»Nidaime-sama, Sie haben nun deutlich genug gemacht, wo Ihre Position ist, aber erlauben Sie dennoch noch eine Frage?«, wollte Chōza im diplomatischen Ton wissen. Als Tobirama nickte, fuhr er fort: »Wieso wurde Sandaime-sama suspendiert?«
Tobirama runzelte die Stirn. »Die Gerichtsanhörung war öffentlich. Jeder, der nur wollte, konnte dabei zuhören.«
»Ja, ich kenne das offizielle Urteil. Aber … warum jetzt? Haben Sie das veranlasst? Sie verstehen sicher, dass das alles einige Fragen aufwarf, als das plötzlich aufkam.«
Tobirama atmete tief durch, bevor er antwortete. Das Thema ging ihm immer noch nahe. »Es war Minatos Idee gewesen und die Entscheidung, diesen Schritt zu gehen, war im Einverständnis mit Hiruzen getroffen worden. Minato fragte mich gar, ob ich mich daran beteiligen will, doch ich lehnte ab. Aus verschiedensten Gründen.«
Torifu musterte ihn.
Chōza nickte. »Hm. Ich verstehe. Aber trotzdem drängte sich uns da eine Frage auf: Werden sich jetzt die Dinge wirklich einmal ändern?« Tobirama stand seine Frage wohl auf das Gesicht geschrieben, denn Chōza fügte sogleich an: »Wenn ich offen sprechen darf, dann wünschen zumindest wir uns eine Veränderung. Die Ältesten sind lange nicht mehr wirklich beliebt, um es einmal gelinge auszudrücken. Hokage-samas Schritt gegen Sandaime-sama kam unerwartet, aber doch nicht unerwünscht. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mir gewünscht hätte, es hätte wen anders erwischt.«
»Das ist eine delikate Angelegenheit«, sagte Tobirama zurückhalten. »Sie mögen zwar einmal meine Schüler gewesen sein, aber das heißt nicht, dass ich einfach so über sie bestimmen kann.«
»Ich verstehe das«, sagte Chōza. »Daher lassen Sie sich versichern: Sollten Sie oder Hokage-sama sich dazu entschieden, dann haben Sie zumindest unsere Unterstützung. Die Dinge müssen sich ändern.«
Shikaku und Inoichi nickten.
Nun, das war doch schon einmal gut zu hören.
Was Inoichi zur Polizei zu sagen hatte, erfuhr Tobirama schon am nächsten Abend, als er mit Minato, Kakashi und Tsunade am Essenstisch saß. Naruto saß in seinem Kinderstuhl und war eifrig dabei, sein Essen überall dort zu verteilen, wo es nichts zu suchen hatte.
»Das war nicht das erste Mal, dass mir Beschwerden zur Polizei zu Ohren kamen«, sagte Minato, während er mal wieder Naruto das Gesicht abwischte und ihm den Löffel in den Mund schob, wo er auch hingehörte. »Nicht alle scheinen mit ihren Methoden zufrieden zu sein.«
»Die wenigsten lassen sich gern Handschellen anlegen, um die Nacht in einer Ausnüchterungszelle zu verbringen«, warf Tsunade ein.
»Wenn‘s nur das wäre«, hielt Kakashi dagegen. »Füge dem Ganzen Prügel und Drangsaleien hinzu. Die tun nicht nur ihren Job, sie tun ihn auf möglichst gemeine Weise.«
»Seit wann ist das so?«, fragte Tobirama.
»Es gab immer mal wieder Fälle von Polizeigewalt in der Vergangenheit, aber das waren nur Einzelfälle«, sagte Minato. »Aber das scheint so stark zuzunehmen, dass man da nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann. Ich kann das nicht mehr länger stillschweigend hinnehmen. Ich habe bereits Fugaku darüber unterrichtet, dass ich ein Gespräch mit ihm suche.«
»Oh, das kann ja nur gut ausgehen«, warf Tsunade zynisch ein.
»Ja, ich weiß«, räumte Minato widerwillig ein. »Tobirama, ich möchte dich daher bitten, mit mir zu kommen.«
Tobirama sah ihn skeptisch an. »Damit gießt du nur Öl ins Feuer.«
»Mag sein, aber du hast mehr Erfahrung mit diesem Clan und die Situation ist bereits angespannt. Ich will das nicht noch weiter eskalieren lassen.«
»Habe ich dir jemals gesagt, warum man mich den Blutroten Geist der Senju nannte?«, erinnerte Tobirama ihn. »Weil ich sehr gut in dem war, was ich tat, so gut, dass die Uchiha mich den Fluch ihres Clans nannten.«
»Aber das ist doch Jahrzehnte her«, protestierte Minato. »Sie können doch nicht wirklich noch daran festhalten.«
»Fugaku war der Meinung, ich hätte den Uchiha die Polizei gegeben, weil ich sie nicht leiden kann.«
»Man muss allerdings auch dazu sagen, dass du nicht gerade heiter Sonnenschein in Gegenwart der Uchiha bist«, warf Tsunade ein.
»Shisui hat er allerdings nicht gefressen«, bemerkte Kakashi.
Tobirama sah ihn finster an. Kakashi erwiderte den Blick seelenruhig.
Minato ergriff Tobiramas Hand. »Bitte. Ich denke wirklich, dass es eine gute Idee ist, wenn du mich begleitest. Du könntest damit auch Fugaku deinen guten Willen zeigen. Ihr habt doch in der Vergangenheit schon so gut zusammengearbeitet.«
»Wenn auch ergebnislos.«
»Aber es ist auch nichts explodiert. Ich werte das als Erfolg.«
Tobirama sah ihn lediglich mit hochgezogener Braue an.
Schlussendlich ließ er sich dennoch beschwatzen, Minato bei diesem Gespräch zu begleiten, obgleich er immer noch der Meinung war, dass es nicht die beste Idee war. Ōkami blieb jedoch erneut zurück.
Das Treffen mit Fugaku fand schon wenige Tage später statt, er hatte Minato und Tobirama zu sich nach Hause geladen. Das Haus war mittlerweile vollständig renoviert worden, vom Schaden, der beim Angriff des Kyubi entstanden war, war kaum noch etwas zu sehen außer einigen etwas kargen Flecken im Garten, wo diesen Sommer erst neue Pflanzen gepflanzt worden waren, um die Lücken zu füllen. Dieses Mal mussten sie sich nicht im Kinderzimmer zusammendrängen.
Itachi betrachtete sie neugierig, als sie das Haus betraten. Wie beim letzten Mal hielt er seinen kleinen Bruder auf dem Arm, der, seit Tobirama ihn das letzte Mal gesehen hatte, beträchtlich gewachsen war. Er musste jetzt gut ein Jahr alt sein, wenn Tobirama das richtig in Erinnerung hatte.
»Itachi-chan, pass bitte auf deinen Bruder auf«, wies Mikoto ihn an. »Wolltest du ihn nicht ohnehin Izumi vorstellen?«
»Ja, Mutter.« Itachi verbeugte sich vor den zwei Gästen, dann verabschiedete er sich und verließ das Haus.
Mikoto führte sie in einen angrenzenden Raum, wo Fugaku gerade dabei war, ihnen allen etwas Tee und Gebäck zu bereiten. Die Wände waren zur Seite geschoben, um den Blick auf den Garten freizugeben und die warme Sommerluft hereinzulassen.
»Ich freue mich, Sie als unseren Gast zu begrüßen, Hokage-sama, Nidaime-sama«, sagte Mikoto. »Bitte verzeihen Sie mir die Frage, aber ich wollte mich schon so lange einmal Naruto erkundigen, es ergab sich nur nie die Gelegenheit dazu. Wie geht es dem Kleinen?«
»Oh, prächtig!«, sagte Minato begeistert. »Nun, neulich hatte er eine Erkältung, aber die hat er ohne Probleme weggesteckt. Er wächst und gedeiht, so schnell sogar, dass ich kaum hinterher komme.«
Mikoto lachte leise. »Ja, das ist mit unserem Sasuke-chan genau so. Kaum schaut man einmal nicht hin, ist er schon wieder gewachsen.«
»Ja, genau! Wenn sie wollen, können Sie gern einmal bei uns vorbei kommen, dann können wir uns in Ruhe darüber unterhalten.«
Tobirama räusperte sich und warf Minato einen strengen Blick zu, wovon dieser sich allerdings nicht beeindrucken ließ. Er sollte nicht ständig Leute zu ihnen nach Hause einladen, ohne Tobirama vorher zu fragen. Wobei gegen Mikoto wohl weniger einzuwenden war als gegen Jiraiya.
Mikoto ignorierte Tobiramas nonverbalen Einwand ebenfalls. »Das Angebot nehme ich sehr gern an.«
Sie setzten sich zu Fugaku und tauschten ein paar höfliche Floskeln aus. Tobirama kam nicht umhin, die Qualität des Tees zu loben, was ihm einen amüsierten Blick Minatos einbrachte.
»Aber kommen wir doch besser zur Sache«, sagte Fugaku alsbald. »Wir sind schließlich nicht zum Plaudern zusammengekommen.«
»Das stimmt.« Minato fand zu seinem ernsten Ton zurück. »Mir kamen in letzter Zeit vermehrt Berichte zu Ohren, demnach die Polizei mit besonderer Härte auch bei kleinen Vergehen vorgeht. Viele im Dorf sind damit nicht einverstanden. Ich möchte daher Ihre Seite hören und will wissen, wie es dazu kam.«
Fugaku verschränkte die Arme vor der Brust. »Hat ja recht lange gedauert, bis das mal passiert.«
»Fugaku!«, rügte Mikoto ihn sogleich.
Fugaku ging nicht darauf ein. Minato musterte ihn, und wie Tobirama konnte er mit Sicherheit auch Fugakus Unmut spüren.
»Mir scheint, dass gewisse Spannungen zwischen Ihnen und dem Dorf herrschen, und das schon seit längerem«, fügte Minato diplomatisch an.
»Kann man so sagen, ja«, sagte Fugaku kurz angebunden. »Lassen Sie mich offen sprechen. Viele meiner Leute haben das Gefühl, dass uns oft nur die Drecksarbeit überlassen wird. Abends Besoffene von der Straße fegen, kleine, lausige Ladendiebe festsetzen und dergleichen. Das ist nicht gerade das, was man sich so als Shinobi für das eigene Leben vorstellt. Aber wenn es wirklich einmal darauf ankommt, dann werden wir zurückgehalten.«
»Sie spielen auf den Angriff vor mehr als acht Monaten an.«
Fugaku nickte. »So ist es. Der Befehl dazu kam von Danzō, aber das wird er doch nicht einfach so angeordnet haben. Oder?«
Danzō also. Warum nur verwunderte Tobirama das nicht?
Minato verzog keine Mine, aber Tobirama wusste, dass es ihm trotzdem einen Stich versetzen musste, daran erinnert zu werden.
»Nun, streng genommen tat er das in der Tat in Eigenregie«, räumte Minato ein. »Ich war ja aus bekannten Gründen nicht in der Lage, selbst vor Ort alles zu koordinieren. Allerdings hätte ich dem zugestimmt.«
Fugaku nahm es mit einem mürrischen Laut hin. »Nun, ich seh ja den Sinn dahinter ein. Aber wenn Danzō vorgehabt hat, den Unmut unter meinen Leuten zu schüren, dann hat er damit Erfolg gehabt. Sie fühlen sich außen vor gelassen, als zweite Wahl, wenn es darum geht, ihr Dorf zu schützen.«
»Was also schlagen Sie vor, um dem entgegenzuwirken?«, ergriff Tobirama das Wort. »Sie selbst haben eine entscheidende Rolle dabei gespielt, Kyubi wieder zu bändigen, und wir haben zusammengearbeitet, um die Identität des Angreifers zu klären. Wenn auch bisher ohne Erfolg, aber das soll erst einmal nebensächlich sein.«
»Hört, hört, ein Senju, der sich nach der Meinung eines Uchiha erkundigt«, bemerkte Fugaku.
Mikoto warf ihm einen strengen Blick zu.
»Das kommt öfters vor, als Sie vielleicht glauben mögen.« Tobirama bemühte sich um einen möglichst neutralen Ton. Er hatte es Minato ja gesagt, dass das nicht zwangsweise gut ausgehen würde, wenn er sich hier ebenfalls zeigte.
»Nun.« Fugaku streckte die Schultern. »Wenn Sie meine Ansicht dazu wirklich hören wollen, dann schlage ich vor, dass die Polizei direkter in die Angelegenheiten des Dorfes eingebunden wird. Die jüngsten Ereignisse rund um die Prüfungen wären eine gute Gelegenheit dazu gewesen, uns in die Erstellung eines Sicherheitskonzepts zu involvieren. Ich wage zu behaupten, dass ich immer noch am besten weiß, wie ich meine Leute am effektivsten einsetze. Stattdessen haben Sie über unsere Köpfe hinweg entschieden.«
»Das ist in der Tat ein guter Punkt«, stimmte Minato zu. »Ich werde das in Zukunft berücksichtigen. Allerdings bleibt immer noch eine Begründung aus, wieso es in letzter Zeit vermehrt zu Beschwerden über Polizeieinsätze kam.«
»Wie ich bereits sagte, macht sich Unmut unter meinen Leuten breit«, sagte Fugaku. »Ich versuche, dem entgegenzuwirken, und sie respektieren mich. Aber ich bin nur ein Mann, und ich kann ihnen nicht befehlen, glücklich darüber zu sein, der Buhmann für jedes kleine Wehwehchen zu sein. Es mangelt den Leuten im Dorf an Respekt für die Polizei. Wir können die Leute schlecht höflich darum bitten, sich Handschellen anlegen zu lassen, und je weniger sie die Anordnungen der Polizei respektieren, umso härter müssen wir durchgreifen.«
»Ich sehe ein, dass Sie Ihren Job machen müssen«, sagte Minato. »Allerdings befürworte ich keine Gewalt gegen Dorfbewohner, erst recht keine unnötige. Ich wünsche, dass Sie dieses Vorgehen noch einmal neu evaluieren und notfalls Maßnahmen ergreifen, um dagegen vorzugehen. Es muss andere Mittel und Wege geben, die Autorität der Polizei durchzusetzen. Gleichzeitig verspreche ich Ihnen, Sie in Zukunft direkter mit einzubinden.«
»Das sagt sich so leicht.« Fugaku sah ihn skeptisch an.
»Ich weiß.«
Minato sah aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, wurde jedoch von einem energischen Klingeln an der Tür unterbrochen. Mikoto stand auf, um nachzusehen, wer etwas von ihnen wollte. Schon kurz darauf kam sie in Begleitung Kakashis wieder. Er wirkte aufgebracht. War etwas passiert?
»Tobirama! Wir haben ihn gefunden! Ich weiß, wo Sukea ist!«
Nächstes Kapitel: *author's evil laugh*
Kapitel 7: Fuchsrot
CN: Gewalt gegen Menschen, Leichen
Tobirama horchte sofort auf. Endlich!
Kakashi nahm sich gar nicht erst die Zeit, irgendwie zu Atem zu kommen, sondern fuhr sogleich fort. »Wir haben endlich eine Spur gefunden, von der wir sicher sind, dass sie zu ihm führt. Aber wir brauchen Verstärkung.«
»Ich werde selbst kommen.« Tobirama sah zu Minato.
Dieser nickte. »Geh. Die Suche nach dem Vermissten ist wichtiger.«
Tobirama verabschiedete sich mit knappen Worten von Fugaku und Mikoto und ging mit Kakashi nach draußen, wo er sich von ihm über die Entwicklung der Ereignisse unterrichten ließ.
»Die Spur führt zu Orochimaru«, klärte Kakashi ihn auf, sobald sie das Haus verlassen haben. »Wir haben den Verdacht, dass er über unsere Operation Bescheid weiß, und ich bin mir nicht sicher, ob wir allein mit ihm fertig werden. Ich bin nur ein Doppelgänger. Mein Original hat wie immer Minatos Kunai bei sich, du solltest so schnell wie möglich dorthin.«
Tobirama nickte und griff sogleich nach der Markierung. Es galt keine Zeit zu verlieren, und seine Dienstausrüstung trug er ja ohnehin. Er traf Kakashi, Kō und Yuki in einer Seitengasse an, wo sie bereits Postion bezogen hatten, um das Zielobjekt zu stürmen, ein Haus, das Tobirama als Orochimarus Wohnstätte erkannte.
»Bericht«, verlangte er.
Kakashi hob Sukeas Rabenmaske hoch. »Die haben wir im Abfall gefunden … frag besser nicht. Wir konnten den Ursprung zurückverfolgen, die Spur führt eindeutig zu Orochimaru. Ich habe mir schon vor einiger Zeit den Grundriss des Hauses angesehen, und mir sind ein paar Ungereimtheiten aufgefallen.«
»Orochimaru muss einen Geheimgang haben«, fiel Yuki ihm energisch ins Wort. »Ich bin mir sicher. Nur so lässt sich erklären, wieso er sich einfach so in Luft auflösen konnte.«
»Wisst ihr, wo genau dieser Geheimgang ist?«, fragte Tobirama.
Kakashi schüttelte den Kopf. »Nicht mit Sicherheit. Das konnten wir noch nicht herausfinden, jedenfalls nicht ohne Verdacht zu erregen. Aber ich habe ohnehin die Vermutung, dass er über uns Bescheid weiß.«
»Erwartet er also diese Operation?«
»Denkbar.«
Tobirama schnaufte. Nicht gut. »Wo führt dieser Gang hin?«
»Das weiß ich nicht mit Sicherheit«, sagte Kakashi. »Aber was ich von diesem Kerl weiß, wette ich auf irgendein geheimes Labor voller ekligem Zeug.«
Ein Sprung ins Unbekannte also. »Kakashi, du führst«, beschloss Tobirama. Das wäre das beste, Kakashi hatte bereits Erfahrungen mit dem Mann und konnte die Lage am besten einschätzen.
Kakashi nickte. Er prüfte den Sitz seiner eigenen Maske, dann gab er das Zeichen zum Vorrücken. Während Tobirama ihm folgte, ging er im Geiste die Aufzeichnungen über Orochimaru durch. Er kannte alles, was es da zu wissen gab, aber Papierwissen war das eine, echte Erfahrung etwas anderes.
Yuki war gleichauf mit Kakashi, ihr Schritt war energisch. Tobirama sah, wie sie am liebsten einfach voranstürmen würde, wie es sie drängte, so schnell wie möglich zu Sukea zu gelangen. Sie konnte sich gerade so zurückhalten. Tobirama zog in Betracht, sie von dieser Mission abzuziehen.
An dem Haus, das Orochimaru bewohnte, war zumindest von außen nichts Ungewöhnliches. Es handelte sich um ein kleines Gebäude, eingepfercht zwischen anderen Häusern und nicht gerade in der besten Wohngegend. Es war jüngst renoviert worden, also war es in Kyubis Angriff wohl auch beschädigt worden wie so viele anderen Gebäude im Dorf, aber allzu liebevoll war man dabei nicht vorgegangen. Die Wand war noch immer mit Naturputz verputzt und die Fenster waren leer. Sonderlich wohnlich wirkte es nicht.
Kakashi signalisierte Kō, dass er die Tür aufstemmen sollte. Mit der Schulter voran warf er sich dagegen. Das dünne Holz bot quasi keinen Widerstand und das Schloss brach splitternd heraus. Kō stürmte als erstes das Haus, der Rest folgte ihm auf den Fuß.
Tobirama fand sich in einem karg eingerichteten Haus wieder, das kaum das nötigste zu haben schien. Nirgends sah er persönliche Gegenstände, irgendetwas, das auf die Persönlichkeit des Bewohners schließen ließe. Alles hieran wirkte steril und ungastlich. Die Räume wirkten regelrecht leergefegt und dienten lediglich den grundlegendsten Bedürfnissen.
Kakashi schien zu wissen, wo er hin musste, und führte sie in einen der hinteren Räume. Tobirama bemerkte, dass dieser von der Straße aus nicht gut einzusehen war. Kakashi klopfte den Boden ab, und als es auf einmal hohl klang, hatte er gefunden, was er suchte. Tobirama hielt ihn auf, bevor er die Falltür öffnen konnte.
»Hast du die Falle bemerkt?«
Kakashi hielt inne und betrachtete den Boden vor seinen Füßen intensiv mit seinem Sharingan. »Wenn da eine ist, ist sie sehr gut getarnt. Ich sehe nichts.«
»Sie ist da«, versicherte Tobirama ihm. »Tretet zurück.«
Selbst Tobirama hätte sie beinahe übersehen, nur ein winziges bisschen Chakra, das leicht unter all den anderen Sinneseindrücken untergegangen wäre.
Kakashi, Yuki und Kō taten, wie ihnen geheißen, und gaben Tobirama Rückendeckung. Tobirama kniete sich vor die Falltür und untersuchte sie gründlich, um die Grenzen des Siegels zu erahnen, das die Falle ausgelöst hätte. Dann entschied er sich für die direkte Methode, das Siegel einfach mit einer Haftbombe zu sprengen.
»Deckung«, wies er seine Begleiter an.
Sie suchten Schutz hinter einer Wand und positionierten sich beiderseits der Türöffnung. Dann aktivierte Tobirama sein eigenes Siegel. Es gab einen vernehmlichen Knall und Splitter und Rauch wehten durch die Tür. Einige Holzplanken waren fortgerissen worden und fielen krachend wieder zu Boden.
»Klopf, klopf«, merkte Kakashi spitz an.
Tobirama gab ihm einen missmutigen Blick. »Anders ging‘s nicht. Sei lieber froh, dass ich die Falle vor dir bemerkt hab, ansonsten wäre dasselbe mit dir passiert.«
Im Boden klaffte nun ein großes Loch, in das eine steile Treppe hinabführte. Schwaches Neonlicht brannte an den Wänden, gerade genug, um den Gang in ein schummriges Licht zu tauchen. Ein muffiger Geruch wehte zu ihnen herauf.
»Da kann nichts Gutes bei rum kommen«, bemerkte Yuki.
Kakashi ging voran, Yuki gleich hinterher, dann Kō und zuletzt Tobirama. Sie stiegen in den geheimen Keller hinab, mitten hinein in die Schlangengrube, ohne wirklich zu wissen, was sie erwartete. Tobirama aktivierte seine Sensorfähigkeit, musste jedoch feststellen, dass etwas seine Sinne trübte. Missmutig runzelte er die Stirn und versuchte die Quelle der Störung auszumachen. Er fühlte sich blind und das machte ihn nervös.
Tobirama schätzte, dass die Treppe etwa fünf Meter in die Erde führte. Die Luft hier unten war kühl und modrig und die Wände waren feucht. Als sie am Grund der Treppe ankamen, fanden sie sich in einem gewöhnlich wirkenden Kellerraum wieder, der mit einigem Gerümpel, Kisten und Regalen gefüllt war. In den Regalen standen einige Konservendosen, nichts davon wirkte auf den ersten Blick ungewöhnlich.
Kakashi beschwor Pakkun. »Such«, trug er ihm auf. »Hier muss es irgendwo weiter gehen.«
Pakkun schnüffelte an ihm. »Eww, Boss, du brauchst ein Bad«, stellte er fest. »Wen suchen wir?«
Kakashi überhörte die spitze Bemerkung in Bezug auf seine durch die vorausgehende Suchaktion beschmutzte Kleidung. »Orochimaru.«
»Schlangen zu finden, ist schwer, die haben keinen Eigengeruch. Aber ich geb mein Bestes.«
Der kleine Mops begann sogleich, den Boden abzuschnüffeln. Die vier Menschen hatten ebenfalls damit begonnen, die Wände abzusuchen nach versteckten Mechanismen und dergleichen.
Pakkuns Bemerkung ließ Tobirama jedoch aufmerken. Kein Eigengeruch … Kurz nach Kyubis Angriff hatten sie eine abgetrennte Hand gefunden, und auch damals hatten Ōkami und Pakkun festgestellt, dass sie keinen Geruch hatte. Konnte es sein, dass Orochimaru der Angreifer gewesen war? Aber das würde das Sharingan nicht erklären.
Tobirama konzentrierte sich wieder auf den Moment und suchte weiter. Nur so würde er Antworten erhalten.
Pakkun kratzte am Boden. Er hatte sich zwischen zwei Regale gequetscht und die entlegeneren Ecken durchsucht, wo sie nicht so einfach hinkamen.
»Ich hab hier was«, informierte er sie.
Tobirama half Kō, das schwere Metallregal zur Seite zu schieben. Pakkun presste ein Ohr an die Wand.
»Hört ihr das? Von der anderen Seite kommen Geräusche.«
Yuki kniete sich neben den Mops und lauschte ebenfalls. »Tatsächlich. Das klingt … wie eine Flöte? Seltsam.«
Seltsam in der Tat. Etwas war hier nicht richtig, Tobirama konnte es fühlen, aber er konnte einfach den Finger nicht darauf legen. Kurzerhand aktivierte er sein Chakra und flutete den ganzen Raum damit. Das brach effektiv sämtliche Tarnsiegel, als er sie mit seinem eigenen Chakra überlud. Dort, wo Yuki kniete, wurde ganz schwach der Umriss einer Tür sichtbar, die sich auch jetzt noch beinahe unsichtbar in die sie umgebende Wand fügte.
Kakashi schüttelte das unangenehme Gefühl, das Tobiramas Chakra hinterlassen haben musste, wieder ab. »Das nächste Mal warn mich bitte vor.«
Tobirama deutete auf die Tür. »Nach dir.«
Er konnte Kakashis Augen durch die Maske hindurch funkeln sehen.
Yuki hatte bereits damit begonnen, die Tür abzutasten. An einer Stellte drückte sie, etwas klackte und die Tür öffnete sich einen Spalt weit. Sie stemmte sich dagegen und schob sie auf. Knirschend ließ sich die Tür nach innen drücken.
Sogleich wurde das Flötenspiel deutlicher, und Tobirama hatte das Gefühl, als würde irgendwer ihm Watte in die Ohren stopfen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Sie traten durch die Tür, Kakashi voran. Sie gingen langsam voran, die Waffen im Anschlag und immer in Erwartung eines Hinterhalts.
Die Tür öffnete den Durchgang zu einem weiteren Tunnel. Er war leicht abschüssig und die Wände nur grob gemauert. Hier war niemand Professionelles am Werk gewesen. Das einzige Licht war das der schwache Neonschein, der hinter ihnen in den Gang fiel, und er nahm rasch ab. Die Schatten waren dicht und dunkel und klebten förmlich an den Wänden und am Boden. Wie Öl waren sie, krochen langsam und zäh dahin und wollten nichts durch sie hindurch lassen.
Das Flötenspiel wurde intensiver. Kakashi hob die Hand.
»Das ist ein Genjutsu.«
Das war in der Tat die einzige Erklärung für all die seltsamen Sinneseindrücke, die Tobirama wahrnahm. Kakashi bewies ein feines Gespür, wenn er das bemerkte, und er zögerte auch keinen Moment, das Genjutsu zu brechen. Er aktivierte sein Sharingan, und beinahe augenblicklich zogen sich die Schatten zurück. Keine beinahe undurchdringliche Schwärze mehr, sondern ganz ordinäre Schatten im dimmen Licht.
Sie enthüllten einen beinahe leeren Raum. Die Wände waren gemauert und der Boden mit Beton ausgegossen, doch ansonsten war er leer. Bis auf die vier jungen Shinobi, die hier auf sie gewartet hatten. Oder waren es fünf? Tobirama war sich da nicht so sicher.
Einer von ihnen, er schien der Anführer zu sein, schien zwei Köpfe zu haben, doch als Tobirama ihn mit seinen Sensorsinnen betrachtete, hatte er eher das Gefühl, zwei Personen gegenüber zu stehen, die ein und denselben Körper teilten. War das ein besonders Jutsu? Ein kekkei genkai?
Neben der ersten Person stand ein weiterer Shinobi. Er machte einen grobschlächtigen Eindruck und schien sich ähnlich wie Kō vor allem auf körperliche Stärke zu verlassen. Außerdem war da noch eine junge Frau mit langen roten Haaren, die eine Flöte in der Hand hielt. Also hatte sie das Genjutsu gewirkt, mit Musik? Es machte den Eindruck. Tobirama würde sie im Auge behalten müssen.
Der letzte im Bunde war ein dunkelhäutiger Shinobi mit sechs Armen, der wie eine Spinne in einer Ecke an der Decke hing. Tobirama war einiges gewöhnt, aber das war selbst für ihn ein wenig seltsam.
Wer waren diese Leute? Und viel wichtiger noch: Was waren ihre Fähigkeiten? Denn in diesem Moment standen sie vor allem zwischen Tobirama und seinem Ziel und waren ein Hindernis, das es zu überwinden galt, um jeden Preis.
»Ihr seid nicht aus Konoha«, stellte Kakashi fest.
»Korrekt«, sagte der mit den zwei Köpfen. Sein zweiter Kopf wuchs ihm aus dem Nacken und war von den Anbu abgewandt. »Wir wissen trotzdem, wer uns da ins Netz der Spinne gegangen ist. Nicht wahr, Kidōmaru?«
Das letzte war an den Typen mit den sechs Armen gerichtet.
»Seid unsere Gäste«, sagte Kidōmaru aus seiner Ecke heraus. »Wir bestehen darauf.«
»Groß Töne spucken könnt ihr ja«, stellte Kakashi betont gelangweilt fest.
»Oh, nicht nur das«, versicherte Kidōmaru ihm. Er holte tief Luft und spuckte dann etwas aus, das verdächtig nach großen Spinnennetzen aussah. Die Anbu duckten sich hastig, um dem Geschoss auszuweichen, das stattdessen den Durchgang hinter ihnen versperrte.
»So ein Mist!« Yuki wandte sich um und zerrte an dem Netz, doch es hielt, egal was sie machte. Es schien eine elastische, aber doch reißfeste Substanz aus Chakra zu sein, wie sie Tobirama noch nicht begegnet war. Ein kleiner Teil seines Hirns wollte sofort herausfinden, was das war, aber das musste vorläufig warten.
Yuki wirbelte herum. »Wo ist Orochimaru? Sagt es uns! Ihr arbeitet doch mit Sicherheit für ihn!«
»Sakon, Bruder, du bist sehr unhöflich und hast uns unseren Gästen noch immer nicht vorgestellt.«
Tobirama brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass die Stimme von dem Typen mit den zwei Köpfen kam, genauer gesagt hatte sein hinterer Kopf gesprochen.
»Du hast Recht, Ukon, das ist in der Tat nicht sonderlich höflich von mir.« Sakon verbeugte sich spöttisch. »Ich bin Sakon und er hier ist mein Zwillingsbruder Ukon. Kidōmaru habt ihr bereits kennengelernt. Tayuya war diejenige, die euch das hübsche Liedchen gespielt hat. Hat es euch gefallen? Und zum Schluss haben wir noch Jirōbō.«
»Schluss mit dieser Farce!«, rief Yuki aufgebracht. Sie zog Katana und Tanto und machte sich zum Angriff bereit. »Mir egal, wer ihr seid! Ich werde Sukea finden!«
Närrin! Tobirama hätte sie von der Mission abziehen sollen, als er noch die Gelegenheit dazu hatte. Jetzt war es zu spät.
Yuki stürmte voran. Tayuya hob die Flöte an die Lippen und begann zu spielen. Yuki erstarrte zur Salzsäule.
»Team, Angriff!«, befahl Tobirama.
Chidori zwitscherte, als Kakashi damit Kidōmaru angriff, und Kō nahm sich Jirōbō vor, um seine Stärke mit der des feindlichen Shinobi zu messen. Tobirama nahm sich Sakons und Ukons an.
In nur einem Augenblick warf er eine Rauchbombe, platzierte mehrere Hiraishin-Markierungen im Raum und griff seinen Gegner mittels eines Doppelgängers mit einem Zangenangriff an. Sakon und Ukon sahen nicht, was da auf sie zukam. So dachte Tobirama jedenfalls.
Denn auf einem Male war da ein zweiter Körper, der aus Sakons Rücken wuchs und den Angriff von Tobiramas Doppelgänger abgewehrt hatte. War das Ukon? Inwieweit konnten sie sich voneinander trennen? Konnten sie losgelöst voneinander existieren?
»Überrascht?«, wollte Sakon wissen. »Ich schätze, ich sollte mich geehrt fühlen, dass ich den Erfinder von gefühlt der Hälfte aller existierenden Jutsus überrascht hab. Hab doch gesagt, wir wissen, mit wem wir es hier zu tun haben.«
Großmaul. »Wer so viel redet, hat keine Luft mehr zum Kämpfen.«
Mochte ja sein, dass er über Tobirama Bescheid wusste, aber er konnte keine Erfahrungen darin besitzen, wie er gegen ein Hiraishin kämpfen musste. Tobirama teleportierte sich erst aus seiner Reichweite und dann zu seinem Doppelgänger. Er nutzte den Schwung seines eigenen Angriffes, um Ukon einen besonders heftigen Kinnhaken zu verpassen. Ukons Kopf flog nach hinten und kollidierte mit Sakons Schädel. Beide fluchten sie und stolperten von Tobirama fort. Sie konnten mit seiner Geschwindigkeit nicht mithalten.
Ukon rieb sich das Kinn. Es sah grotesk aus, wie Sakon ein weiterer Oberkörper aus dem Rücken wuchs.
»Sakon, scheint so, als müssten wir gleich auf Stufe zwei gehen.«
»Sehe ich auch so, Bruder.«
Gepunktete, schwarze Linien zogen sich mit einem Male über ihre Haut. Sie glommen feuerrot auf und dann begannen sie sich auszudehnen. Sakons und Ukons Haut nahm einen ockerfarbenen Ton an und ihre Gesichter veränderte sich zu etwas, das Tobirama bestenfalls als dämonische Fratzen bezeichnen konnte.
Doch das Bemerkenswerteste war auf jeden Fall die Veränderung ihres Chakras. So viel kraftvoller und boshafter. Was war das? Ein Fluchmal? Was auch immer es war, Tobiramas Gegner war soeben deutlich stärker geworden.
Als er zu den anderen drei Feinden blickte, sah er, dass mit ihnen dasselbe geschehen war. Jetzt stellten sie wirklich einen angemessenen Gegner für Team Ro dar, wo sie sie vorher kaum hatten hinhalten können.
Tobirama wandte seine Aufmerksamkeit wieder Sakon und Ukon zu. Diese grinsten ihn an. Ukons Kopf wuchs mittlerweile aus Sakons Schulter. Konnte er sich beliebig in Sakons Körper bewegen und daraus hervorkommen?
»Oh, das wird ganz aufregend!«, kommentierte Ukon. »Ich bin schon ganz hibbelig. Los, Sakon, mach schon. Steh nicht so dumm rum.«
Tobirama ließ ihn gar nicht erst zum Zuge kommen. Er griff nach der Markierung hinter seinem Gegner und schnitt durch Sakon und Ukon wie durch Luft. Erst als er ein fieses Lachen hörte, realisierte er, dass seine Klinge wirklich nichts weiter als Luft durchtrennt hatte.
Sakon und Ukon standen als zwei eigenständige Körper da. Sakons rechte und Ukons linke Hälfte wirkten, als seien sie während des Trennungsprozesses aus mechanischen Bauteilen oder etwas ähnlichem gebildet worden. Tobirama hatte eigentlich nicht vorgehabt, diesen Kampf in die Länge zu ziehen und herauszufinden, was sein Gegner alles für Fähigkeiten besaß, aber nun denn. Er würde es dennoch schnell beenden.
»Na komm schon her!«, forderte Ukon ihn heraus. »Dein Suiton nützt dir hier unter der Erde nichts.«
»Für einen vorlauten Bengel wie dich immer noch Nidaime-sama«, korrigierte Tobirama ihn, während er bereits durch eine Reihe von Handzeichen ging. Sein Chakra flammte auf, stark genug, dass man nicht einmal ein Sensor sein musste, um es zu bemerken.
Sakon und Ukon machten einen milde besorgten Eindruck, und dann rammte der Wasserdrache auch schon mitten in sie hinein. Damit hatten sie offensichtlich nicht gerechnet. Sie wurden davon gespült und in die Wand hinter ihnen geschmettert, mit genug Wucht, dass sich ein Krater bildete. Benommen blieben sie liegen.
Tobirama trat zu ihnen, packte Sakon bei der Kehle und hob ihn hoch. »Ihr seid Orochimarus Handlanger. Sagt mir, wo er ist.«
Sakon wehrte sich gegen seinen eisernen Griff, konnte ihn jedoch nicht lösen. »Ha! Da …« Er keuchte. »Da wäre ich ja schön blöd.«
Tobirama rammte ihn erneut in die Wand. »Ich kann euch auch foltern, ganz langsam. Damit habe ich kein Problem. Und wenn ihr mir dann noch immer keine Antwort geben wollt, töte ich euch und entreiße die Information euren toten Körpern. Glaubt mir, ich bin dazu in der Lage.«
»Sakon, du Nichtsnutz!« Ukon brüllte auf und stürzte sich auf Tobirama. Widerwillig musste sich Tobirama eingestehen, dass er das nicht hatte kommen sehen, als er im letzten Augenblick mit einem Hiraishin auswich.
So dachte er jedenfalls. Wo war Ukon hin? Eilig sah er sich um.
»Suchst du vielleicht mich?«
Erschrocken zuckte Tobirama zusammen, als er die Stimme direkt an seinem Ohr hörte. Ukon stand direkt neben ihm. Wie hatte er das geschafft? Nein, er stand nicht neben ihm, Ukon war Teil seines Körpers geworden.
Tobirama riss die Augen auf und schlug mit einem Kunai nach Ukon. Plötzlich war da ein Arm an Tobirama, der da nicht hingehörte und seine Hand aufhielt. Er bleckte die Zähne. Was für ein widerliches Gefühl!
Ukon lachte. »Das ist unser kekkei genkai. Ich kann mich frei in jedem Körper bewegen und seine Zellen zu meinen machen. Ich bin jetzt du.«
Tobirama stemmte sich gegen Ukons Griff, doch Ukon hielt sein Handgelenk fest umklammert. Tobirama konnte ihn nicht mit dem Kunai verletzen.
Nicht auf diese Weise jedenfalls.
»Ich sollte mich wohl für deine Redseligkeit bedanken«, informierte Tobirama ihn. Er ließ das Kunai fallen, fing es mit seiner freien Hand auf und rammte es sich dann selbst in den Bauch. Er biss die Zähne zusammen, doch Ukon brüllte vor Schmerzen auf.
Es hatte den erhofften Effekt. Jaulend wand sich Ukon, löste sich aus Tobiramas Körper und stolperte davon. Er umklammerte seinen eigenen Unterleib, wo auch er blutete.
»Du Bastard!«, fluchte er. »Das ist gegen die Spielregeln! Wie konntest du nur?«
»Ich hab schon schlimmeres überlebt«, informierte Tobirama ihn gelassen. Und damit hielt er ein Rasengan in Händen. Er schlug damit nach Ukon und traf ihn mitten in die Brust. Tobirama hatte all seine Kraft in das Jutsu gelegt und dementsprechend wurde Ukon förmlich in die Wand gehämmert, mit der er bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Es gab ein krachendes und knirschendes Geräusch und Staub wurde aufgewirbelt, als die Wand zusammenbrach. Steine und Mörtel bröckelten herab und je instabiler die Wand wurde, umso mehr Steine lösten sich aus ihr.
Als sich der Staub allmählich legte, sah Tobirama, dass er fast die gesamte Wand zum Einsturz gebracht hatte. Dahinter tat sich ein weiterer Raum auf, den Tobirama mit einem Blick als ein Labor erkannte. Sie hatten ihr Ziel gefunden.
Denn hier stand Orochimaru, hinter einem Seziertisch mitten im Raum und die Hände bis zu den Ellbogen mit Blut besudelt. Vor ihm auf dem Tisch lag ein nackter menschlicher Körper mit weit offenem Brustkorb und ohne erkennbaren Lebenszeichen. Sukea.
Sie waren zu spät.
Tobirama war Orochimaru noch nie zuvor begegnet, er kannte nur Berichte und Fotos von ihm. Und doch wusste er sofort, wer dieser Mann mit der boshaften Aura war. Er war bleich, beinahe bar jeglichen Blutes und sein Haar war lang und ölig. Und erst seine Augen, voller Boshaftigkeit und tot wie die eines Reptils. Unweigerlich fragte sich Tobirama, wie viel Mensch in dieser Kreatur noch steckte.
Orochimaru sah auf, als die Wand einstürzte. Ein raubtierhaftes Grinsen teilte seine Lippen. »Ah, Nidaime-sama. Endlich begegnen wir uns persönlich. Wurde ja auch mal Zeit. Ich bin nämlich ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit, wissen Sie.«
Was deutete er damit an? Tobirama schritt über den Schutt und achtete dabei nicht weiter auf Sakon und Ukon, die stöhnend und mit Staub bedeckt unter einigen Trümmern lagen. Dass sie sich überhaupt noch regten, konnte nur an ihrem Fluchmal liegen.
»Orochimaru, du bist verhaftet wegen Entführung und Mord an Sukea«, informierte Tobirama ihn. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Und das wird sicher nicht das einzige gewesen sein, das man dir bald schon vorwerfen wird.«
Tobirama konnte nicht abstreiten, dass ihm ein solcher Anblick vertraut war. In den letzten Jahren mochte er zwar von den fragwürdigeren Experimenten abgelassen haben, aber sein Wissen um das Sharingan und auch Edo Tensei waren nicht aus luftleerem Raum geboren worden. Gläser voller Körperteile, eingelegt in Konservierungsflüssigkeit und aufgereiht in Regalen, waren ihm nicht fremd.
»Das sagt der richtige, nicht wahr?«, bemerkte Orochimaru, als er Tobiramas Blick richtig deutete. »Ich habe so viele Frage zu Edo Tensei. Ein faszinierendes Jutsu, das muss man einfach sagen. Beinahe … perfekt.«
Ein Schauder lief Tobirama eiskalt den Rücken hinab, doch er ließ sich nichts anmerken. »Ich habe nicht vor, sie zu beantworten.«
Woher wusste Orochimaru davon? War er es, der in sein Labor eingebrochen war und ihm sein Wissen gestohlen hatte? Wie war er an diese Informationen gekommen? Wer hatte sie ihm beschafft? Arbeitete er mit irgendwem zusammen?
Orochimaru zuckte mit den Schultern. »Schade. Ein paar Fragen konnte ich mir selbst beantworten und der hier hatte ein gutes Versuchsobjekt abgegeben.«
Die Kämpfe zwischen Team Ro und den verbliebenen Türwächtern Orochimarus waren zum Erliegen gekommen. Sie alle verfolgten, was hier geschah.
Yuki schrie auf. Sie hatte Sukea ausgemacht oder das, was von ihm noch übrig war. Tobirama hätte ihr diesen Anblick erspart, ihren Liebhaber zu sehen, wie er wie ein Versuchstier seziert und sein Innerstes nach außen gekehrt worden war. Bei allem Gerede, dass Shinobi keine Gefühle zeigen sollten, ließ so etwas wohl kaum jemanden kalt, besonders nicht, wenn das Opfer eine nahestehende Person war.
»Du Bastard!«, keifte sie. »Dafür wirst du büßen! Stirb!«
»Yuki, halt!«, rief Kakashi noch, doch da stürmte Yuki schon voran.
Närrin! Mit ausgestreckten Klingen stürzte sie sich kopflos auf Orochimaru. Tayuya war anscheinend völlig vergessen. Tobirama setzte sich in Bewegung, um Yuki in ihrem planlosen Angriff aufzuhalten. Doch jemand kam ihm zuvor.
Ein gelber Blitz und schon wurde Yuki zu Boden gerissen. Minato. Wer auch sonst würde es schaffen, schneller als Tobirama zu sein. Yuki war das anscheinend egal und sie wehrte sich heftig gegen den Griff. Erst mit Tobiramas Hilfe konnten sie Yuki bändigen. Er schlang die Arme um sie, auch wenn er dafür einige unkoordinierte Tritte und Faustschläge kassierte.
»Lasst mich los! Lasst mich los!«, rief sie immer wieder. »Ich bring ihn um, das Schwein!«
Tobirama blieb nichts anderes übrig, als sie mit einem gezielten Handkantenschlag in den Nacken außer Gefecht zu setzen. Sie reagierte viel heftiger, als er erwartet hatte. Vielleicht hätte er in Betracht ziehen sollen, dass es so enden könnte.
»Oh, Vierter. Na jetzt wird’s interessant«, kommentierte Orochimaru die Wendung der Ereignisse amüsiert.
»Die Kavallerie wird gleich hier eintreffen«, sagte Minato an Tobirama gewandt. »Ich hatte einfach kein gutes Gefühl dabei, dich das ohne Hilfe durchziehen zu lassen.«
Schätzte er Orochimaru als so gefährlich ein? Tobirama kannte Orochimarus Akte, die allerdings zugegebenermaßen einige Fragezeichen auswies.
Minato bemerkte Tobiramas Wunde. Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. »Du blutest.«
Tobirama winkte ab. Er hatte freilich so gezielt, dass er sich nicht ernstlich verletzte. »Nicht so schlimm.«
»Ich hatte ja eigentlich gehofft, dass Sakon sich wenigstens ein bisschen länger hält«, bemerkte Orochimaru. Noch immer grinste der Mistkerl. »Mit Ruhm hat er sich ja nicht gerade bekleckert. Aber wenigstens steht der Rest meiner Experimente noch.«
Was Minato mit der Kavallerie meinte, erfuhr Tobirama, als etwas ausgesprochen Schweres den Fels über ihren Köpfen erzittern ließ. Es wirkte beinahe, als sei etwas mit großer Wucht auf den Boden geprallt. Steine rieselten herab und Risse zogen sich durch den Fels. Dann brach die Decke über ihnen zusammen.
Donnernd krachte der Fels herab, Tageslicht flutete die Untergrundeinrichtung. Schutt und Trümmer des Hauses über ihnen regneten herab und hüllten sie alle in eine dichte Staubwolke. Tobirama und Minato hatten sich mit einem Hechtsprung in den angrenzenden Raum in Sicherheit gebracht, aber so, wie es aussah, war der Großteil ohnehin über Orochimaru herabgekommen, der unter dem Seziertisch in Deckung gegangen war.
Hinter ihm saß nun eine gigantische, hausgroße Kröte auf dem Schutthaufen, den sie selbst erschaffen hatte, als sie durch die Decke gebrochen war. Auf ihrem Kopf standen niemand anderes als Jiraiya und Hiruzen, gerüstet zum Kampf.
»Hey, Orochimaru!«, brüllte Jiraiya von der Kröte herab. »Hab gehört, dieses Mal steckst du echt tief in der Scheiße.«
Orochimaru kroch aus seiner Deckung hervor. Auch er war mit Staub bedeckt, doch ansonsten unversehrt. Er lachte auf. »Sollte ich mich geehrt fühlen? So viel prominente Aufmerksamkeit. Ist Tsunade auch hier? Dann kann ich ihr auch Hallo sagen.«
»Die hat besseres zu tun, als sich mit dir abzugeben«, sagte Jiraiya. »Aber wenn du drauf bestehst, auch von ihr vermöbelt zu werden, lässt sich das sicher einrichten.«
»Dieses Mal bist du zu weit gegangen, Orochimaru.« Mit diesen Worten beschwor Hiruzen ein Shuriken herauf, fast so groß wie er selbst. Damit griff er am liebsten an, das wusste Tobirama noch ganz genau.
Orochimaru legte in einer beinahe spöttisch anmutenden Geste den Kopf zur Seite. »Diese Worte aus Ihrem Mund, sensei, verwundern mich ein bisschen, sagte man mir doch, Sie hätten das bewilligt.«
»Keine Ahnung, wovon du sprichst, aber das endet jetzt hier«, verkündete Hiruzen.
Tobirama nahm das zum Anlass für seinen Angriff. Noch während Orochimarus Aufmerksamkeit woanders lag, hatte er zu einer seiner Waffenrollen gegriffen und ein Katana entsiegelt. Die Klinge blitzte im hereinfallenden Tageslicht auf.
»Hiraishingiri!«
Dieses Mal war er sich sicher, dass er getroffen hatte. Sein Schlag traf zielsicher. Und doch passierte etwas merkwürdiges.
Er hatte Orochimaru erwischt, es hätte ihn ausweiden müssen wie damals Izuna. Daran bestand kein Zweifel. Doch statt der Gedärme sah Tobirama nur sich windende Schlangen, die die Hälften von Orochimarus Körper wieder zusammenfügten, als wäre nie etwas geschehen. Er starrte diesen Mann, dieses … Ding an. Das war widernatürlich. Was war Orochimaru?
»Warum so ein entsetztes Gesicht, Nidaime-sama?«, wollte Orochimaru wissen. »Ich dachte, Experimente mit dem Tod wären Ihnen vertraut? Denn ich bin unsterblich, ich habe einen Weg gefunden, ewig zu leben.«
»Das ist Blödsinn, Orochimaru!«, protestierte Jiraiya. »Unsterblichkeit gibt es nicht. Du hast eine Grenze überschritten, mach’s nicht noch schlimmer.«
»Das kann nur ein Jutsu sein, und jedes Jutsu hat einen Schwachpunkt«, stellte Minato klar. »Los Tobirama, lass die Blitze tanzen!«
Tobirama brauchte keine weitere Aufforderung. Gemeinsam mit Minato stürzte er sich in den Kampf. Im gleichen Moment setzte das Flötenspiel wieder ein. Chaos brach aus.
Da waren auf einmal drei riesige Doki, bewaffnet mit grobschlächtigen Waffen. Ihre Münder waren zugenäht und ihre Augen bedeckt und doch schienen sie ihre Umwelt wahrnehmen zu können. Das Flötenspiel wurde intensiver. Die Doki griffen an.
»Jiraiya, das sind unsere!«, rief Hiruzen und stellte sich sogleich dem Kampf gegen die drei Kreaturen. Jiraiya folgte ihm auf den Fuß. Beide warfen sie sich den Doki entgegen, während Jiraiyas Kröte ihnen Rückendeckung gab.
Minato erschien an Tobiramas Seite. »Ich weiß nicht, wie Orochimaru das gemacht hat, aber wir werden es schon herausfinden. Lass uns weiter angreifen, dann werden wir eine Schwachstelle finden.«
»Ein solcher Kampf mitten im Dorf ist riskant«, gab Tobirama zu bedenken. »Wir müssen es möglichst schnell beenden.«
Minato nickte. »Ein Schlag. Gemeinsam.«
Er streckte seine Hand aus, in der er ein Rasengan hielt. Tobirama verstand. Er fügte Minatos Jutsu sein eigenes Chidori hinzu, und dann griffen sie gemeinsam an. Nun zeichnete sich doch so etwas wie Sorge auf Orochimarus Gesicht ab. Er versuchte auszuweichen, doch Tobirama und Minato waren zu schnell für ihn. Sie erwischten ihn mit einer vollen Breitseite, Chidori schnitt durch ihn hindurch und Rasengan zerriss sein Fleisch. Er wurde in eines der Regale geschmettert. Glas zersprang klirrend, Holz splitterte.
Orochimaru lachte.
Tobirama erstarrte. Wie hatte Orochimaru selbst das überstehen können? Und dann sah er auch noch, wie Orochimaru eines der Bretter beiseite schob, das auf ihn gefallen war, und sich zwischen den Trümmern des Regals wieder aufrichtete. Wie machte er das nur?
Minato knurrte verstimmt. Er machte ein missmutiges Gesicht. Kurzerhand riss er aus dem Trümmerhaufen ein abgerissenes Rohr und hielt es wie einen Speer. Damit griff er Orochimaru erneut an.
Orochimaru wehrte seine Schläge zunächst notdürftig mit dem Brett ab, und als Minato dieses zu Kleinholz verarbeitete, blieben ihm nichts als seine bloßen Hände. Minato verwickelte ihn in einen hitzigen Schlagabtausch, aber da Orochimaru unbewaffnet war, geriet er rasch ins Hintertreffen.
Minato durchbrach seine Abwehr und rammte ihm seinen behelfsmäßigen Speer durch die Kehle. Blut spritzte auf. Orochimaru ging in die Knie. Minato packte das blutige Ende seiner Waffe, stellte einen Fuß in Orochimarus Kreuz und riss die Waffe heraus. Orochimarus Kehle wurde vollends zerfetzt. Sein lebloser Körper kippte vornüber, rasch breitete sich eine Blutlache unter ihm aus. Mit finsterem Gesicht stand Minato über ihn.
Etwas passierte mit Orochimaru. Sein Körper begann zu zucken, wie als wäre etwas in ihm, das sich nun einen Weg nach außen bahnte. Orochimarus Kiefer klappten auseinander, es knirschte, als sie weiter auseinander gezwungen wurden, als es für einen menschlichen Kiefer möglich sein sollte. Eine menschliche Hand kam aus seinem Schlund und der Hand folgte ein Arm, eine Schulter, ein Körper.
Voller Abscheu beobachtete Tobirama, wie Orochimaru aus seiner eigenen Leiche kroch wie eine abartige Art der Wiedergeburt. Konnte es wirklich sein, dass er unsterblich war?
Orochimaru lachte, als er über den Boden kroch und sich wieder aufrichtete. »Beeindruckend, fürwahr. Jiraiya fand es nie sonderlich amüsant, dass dir nicht der Sinn danach steht, sauber zu töten, Minato. Ich hatte nie verstanden, wo sein Problem damit lag, aber jetzt sehe ich, was er meinte. Du tötest grausam und du tust es gern.«
Minato bleckte die Zähne. »Und ich werde es wieder und wieder tun, bis dieses perverse Spielchen ein Ende findet. Irgendwann wirst du tot bleiben.«
»Minato, wir wollen ihn lebend«, erinnerte Tobirama ihn.
Minato warf ihm einen missmutigen Blick aus dem Augenwinkel zu.
»Minato«, wiederholte Tobirama eindringlich. Gerade jetzt durfte er sich nicht gehen lassen.
Bevor Minato noch auf dumme Ideen kommen konnte, griff Tobirama selbst an, Kunai in der Hand. Orochimaru wich zurück und wehrte seine Schläge ab. Tobirama deckte ihn mit einer schnellen Abfolge von Angriffen ein, um ihm gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, selbst ein Jutsu durchzuführen. Jetzt endlich verging Orochimaru dann doch das Grinsen, und als sich Minato Tobirama anschloss, geriet er in ernste Bedrängnis.
Er brachte Abstand zwischen sich und seine Gegner und plötzlich waren da zwei übergroße Schlangen, die sich um Tobirama und Minato wandten und sie ihrer Bewegungsfreiheit beraubten. Tobirama knurrte unwirsch, aber das Tier hielt ihn mit übermenschlicher Kraft im Würgegriff. Seine Knochen protestierten unter dem Druck, den die Schlange auf ihn ausübte, und je mehr er dagegen ankämpfte, umso stärker wurde die Gegenwehr. So ein Mist!
Minato erging es nicht besser, auch ihn hatte eine Schlange gefesselt. Ein mörderischer Ausdruck schlich sich in seine sonst so sanften Augen. Dann war er in einem Hiraishin verschwunden, um quasi im selben Moment anzugreifen und wieder zu verschwinden. Er griff immer und immer wieder an, so schnell, dass selbst Tobirama Mühe hatte, ihm noch zu folgen, ganz zu schweigen von Orochimaru.
Minatos Chakra fühlte sich auf einmal ganz anders an, nicht mehr das leichte, luftige Gefühl, das Tobirama so vertraut geworden war. Auf einmal war es viel intensiver, stärker und … dunkler. Tobirama kannte dieses Chakra und es erfüllte ihn noch bis zu diesem Tag mit Schrecken.
»Minato!«, rief er ihn. »Du musst aufhören! Gib dem nicht nach!«
Doch Minato hörte ihn nicht mehr.
Tobirama fluchte. Wenn er nicht schleunigst etwas unternahm, würde das hier sehr schnell in einer Katastrophe enden. Wie hatte es sein können, dass das Siegel so schwach geworden war? Wie hatte es sein können, dass Kyubis Chakra so schnell an die Oberfläche kam und Minato zu übermannen drohte? Tobirama durfte das nicht zulassen, unter keinen Umständen. Er musste Minato beschützen.
Minato hatte Orochimaru längst in die Defensive gedrängt. Orochimaru gelang es nicht, diesen Kampf zu bestimmen, und auch er schien zu ahnen, dass er nicht mehr lange würde bestehen können, wenn er nicht etwas unternahm. Dieses Etwas bestand in einem Beschwörungsjutsu.
Das, was von dem Raum noch übrig war, wurde unter einer riesigen Schlange begraben. Allzu viele Spuren würden sie hinterher wohl nicht mehr sichern können, dachte Tobirama noch und war dann vollauf damit beschäftigt, dem Schlangenmaul und den schwertartigen Fängen auszuweichen. Mit einem Hiraishin brachte er sich in sichere Distanz und befreite sich damit auch gleichzeitig von der Schlange, die ihn gefesselt hatte.
Er musste feststellen, dass er Schlangen abscheulich fand.
Minato erschien an seiner Seite. »Das ist kein Mensch mehr. Er häutet sich wie eine Schlange, und eine Schlange tötet man am besten, indem man ihr den Kopf abschlägt.«
»Minato, du musst damit aufhören«, wiederholte Tobirama eindringlich. »Du darfst der Wut nicht nachgeben. Bleib stark. Für mich.«
»Aber das da«, zischte Minato und deutete auf Orochimaru, »bedroht mein Dorf, und wenn ich es nicht aufhalte, wird es noch viel mehr Menschen töten. Das darf ich nicht zulassen.«
»Aber doch nicht, indem du dich selbst dabei verlierst«, knurrte Tobirama zurück. »Es gibt andere Mittel und Wege. Hör nicht auf den Fuchs, schenk ihm keine Beachtung.«
Minato wollte anscheinend nichts mehr davon wissen. Ohne ein weiteres Wort griff er erneut an. Tobirama zischte einen Fluch und folgte ihm, selbst wenn es bedeutete, die Schlange frontal anzugreifen. Dieser elende Fuchsdämon! Wenn das hier vorbei wäre, würde Tobirama ihm eigenhändig das Fell gerben.
Die Schlange wand sich und richtete dabei mit jeder Bewegung noch mehr Schaden an. Der oberirdische Teil des Hauses war nur noch ein Trümmerhaufen und auch die angrenzenden Häuser hatten erheblichen Schaden erlitten. Schon längst war der Kampfplatz kein Keller mehr, sondern ein Krater inmitten der Häuser.
Jiraiyas Kröte schloss sich dem Kampf gegen die Schlange an und stellte sich dabei als enorme Hilfe heraus, denn sie nagelte den Körper der Schlange mit einem gigantischen Schwert fest. Die Schlange zischte und wand sich und schlug wild um sich, doch die Klinge hielt sie an Ort und Stelle. Je mehr sie dagegen ankämpfte, umso mehr riss sie ihren eigenen Körper auf.
Das ermöglichte es Minato, ihren Kopf zu erklimmen. Er sprang auf sie zu, Rasengan in der Hand. Im letzten Moment bemerkte die Schlange ihn und riss ihr Maul weit auf. Ihre riesigen Kiefer schlossen sich um Minato.
»Nein!«
Voller Entsetzen starrte Tobirama auf die Stelle, an der Minato gerade noch gewesen war. Das konnte nicht wirklich geschehen sein. Das durfte nicht geschehen sein! Wie hatte er das zulassen können? Das konnte nicht das Ende sein, das würde er nicht ertragen können.
Der Kopf der Schlange explodierte in einem Regen aus Rot. Blutfontänen klatschten mit einem feuchten Geräusch auf den Boden zusammen mit ekelerregenden Resten dessen, was einmal ein Schlangenschädel samt Hirn gewesen war. Tobirama suchte Deckung, als der nun leblose Körper der Schlange wie ein gefällter Baum niederkrachte. Was war geschehen?
Vorsichtig wagte sich Tobirama aus seiner Deckung, um die Lage zu erfassen. Doch wen er da zwischen den Überresten der Schlange sah, war nicht Minato. Es war Kyubi.
Noch schien Kyubi nicht die volle Kontrolle erlangt zu haben, doch sein Chakra hüllte Minato wie ein Gewand ein und ließ bereits die Form des Fuchses erkennen. Es war so intensiv, dass es sichtbar wurde, ein feuriges, boshaftes Fuchsrot. Das Chakra bildete vier Schwänze aus, und Tobirama war nicht erpicht darauf herauszufinden, was passieren würde, wenn es mehr würden. Er musste das um jeden Preis verhindern! Aber wie?
Hiruzen und Jiraiya erschienen an seiner Seite. Tobirama hatte nicht darauf geachtet, wie der Kampf auf ihrer Seite verlaufen war, aber anscheinend hatten sie Orochimarus Handlanger Herr werden können. Die Details waren im Moment nicht wichtig.
Jiraiya sondierte die Lage. »Das ist nicht gut, oder?«
Tobirama schnaubte abfällig. »Das sehe ich selbst.«
Kyubi griff an. Und mit was für einer Geschwindigkeit! Tobirama gelang es nur im letzten Augenblick, Hiruzen und Jiraiya zu packen und zu einer Markierung zu teleportieren. Mit Leichtigkeit zertrümmerte Kyubi den Felsbrocken, hinter dem sie sich gerade noch verborgen hatten, und als er sah, dass sie da nicht mehr waren, änderte er blitzschnell die Richtung. Mittels eines Suiton erzeugte Tobirama einen harten Wasserstrahl, der Kyubi zumindest für einen kurzen Augenblick zurückwarf.
Das war alles so schrecklich entsetzlich. Wie viel von Minato war da noch drin und wie konnte Tobirama ihn da herausholen? Wie konnte er ihn jetzt noch retten?
»Vier Schwänze sind besser als alle neun«, sagte Jiraiya.
»Ich brauch kein dummes Geschwätz, sondern Lösungen«, knurrte Tobirama.
»Aber das ist die Lösung!«, hielt Jiraiya dagegen. »Noch ist es nur das Chakra, noch hat der Fuchs keine körperliche Gestalt angenommen. Und Chakra kann man mittels Siegeln unterdrücken.«
Womit er vollkommen Recht hatte.
»Aber dafür müssten wir direkt an ihn heran«, gab Hiruzen zu bedenken. »Das ist zu gefährlich.«
»Ich kann es schaffen, ich bin schnell genug.« Tobirama hatte seine Markierungen geprüft und festgestellt, das die, die er in Minatos Siegel eingearbeitet hatte, noch nicht zerstört worden war. Damit könnte es ihm möglich sein.
Hiruzen warf ihm einen besorgten Blick zu, doch Jiraiya zögerte nicht und reichte ihm ein Siegel zur Chakraunterdrückung. Tobirama war sich nicht absolut sicher, ob das wirklich genügen würde, dieses Siegel war bei weitem nicht so stark wie Hashiramas Mokuton. Aber er hatte nur diesen einen Versuch. Es musste funktionieren. Für Minato.
Ohne weiter zu zögern, teleportierte er sich direkt zu Kyubi. Kyubi reagierte sofort und streckte seine Pranke aus. In dem Moment, in dem ihre Krallen Tobiramas Brust durchstießen und seinen Angriff stoppten, heftete Tobirama das Siegel an Kyubi und aktivierte es. Schmerz explodierte in seiner Brust. Auf seiner Zunge lag der metallische Geschmack von Blut.
Das letzte, was er sah, bevor er das Bewusstsein verlor, waren Minatos vor Entsetzen weit aufgerissene blaue Augen.
Nächstes Kapitel: Minato hat mehr als nur eine leichte Krise.
Kapitel 8: Meine Liebe wird niemals sterben
CN Trauer, Verlust von Angehörigen, Leiche
Tobirama wurde von einem gleichmäßigen Piepen geweckt. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich daran erinnerte, was geschehen war, und die Orientierung wiedergewonnen hatte.
Sie hatten gekämpft. Orochimaru. Die Schlange. Und dann … hatte Minato die Kontrolle über Kyūbi verloren. Tobirama hatte versucht, das Chakra des Fuchsdämons wieder unter Kontrolle zu bringen, aber Kyūbi hatte ihn angegriffen. Ihn verletzt. Wie schwer? Tobirama wusste es nicht. Aber anscheinend lebte er noch. Er atmete noch, auch wenn seine Glieder sich etwas taub anfühlten. Aber was war mit Minato? Das war die viel wichtigere Frage.
Tobirama blinzelte und wurde von grellem Deckenlicht geblendet. Fast im selben Augenblick hatte er Ōkamis Zunge im Gesicht. Noch mussten sich seine Augen an das Zimmerlicht gewöhnen, aber er spürte, wie sie sich mit den Vorderpfoten auf dem Bett abstützte und ihn dann halb unter sich begrub. Vor lauter Freude wedelte sie stark mit dem Schwanz, dass ihr ganzer Körper mitschwang.
»Mein Welpe! Mein Welpe!«, rief sie. »Mach doch nicht immer solche Sachen!«
Er wollte etwas sagen, hatte aber sofort eine Ladung Fell im Mund. Er prustete, um die Haare loszuwerden. Wie er das hasste.
»Minato?«, brachte er dann doch hervor.
»Mir geht’s gut«, hörte er ihn vom anderen Ende des Zimmers antworten. Seine Stimme klang seltsam nasal, als … hätte er geweint?
Eine enorme Last fiel von Tobirama ab. Minato war wohlauf. Es hatte funktioniert. Das war das Wichtigste.
Mittlerweile hatten sich seine Augen an das Licht gewöhnt, und Tobirama sah, dass er mal wieder in einem Krankenhauszimmer erwacht war. Direkt neben seinem Bett stand ein Monitor, der seine Vitalzeichen überwachte, mehrere Kabel führten zu dem Gerät. Es schien bereits später Abend zu sein, denn die Sonne war untergegangen und das einzige Licht kam von den Neonleuchten an der Decke. Wie viel Zeit war vergangen? Wie lange war er bewusstlos gewesen?
Er sah auch, dass er nicht allein war mit Ōkami und Minato. An seinem Bett saß Kakashi, auf dessen sonst so betont ausdruckslosen Gesicht Sorge geschrieben stand. Hiruzen war ebenfalls anwesend, wenn er auch dieses Mal auf seine Pfeife verzichtete. Tobirama fragte sich, warum ihn ausgerechnet dieses Detail so ins Auge fiel. Minato hielt sich seltsamerweise im Hintergrund. Tobirama hätte erwartet, dass Minato in dem Moment an seiner Seite wäre, wo er auch nur ein Lebenszeichen von sich gegeben hätte. Doch dem war nicht so. Auf Minatos Gesicht standen deutliche Tränenspuren und er wich Tobiramas Blick aus. Was war nur los mit ihm?
Als Tobirama den Kopf drehte, sah er auch Tsunade, die hinter Ōkami stand. Deswegen hatte er sie wohl nicht sogleich bemerkt. Sie trug einen weißen Kittel und hielt ein Klemmbrett in der Hand. Der Anblick weckte unangenehme Erinnerungen an Doktor Fuyuko.
»Guten Morgen, Onkel«, begrüßte sie ihn. »Willkommen zurück unter den Lebenden. Was jetzt innerhalb eines Jahres das dritte Mal war. Mach es bitte nicht zur Gewohnheit. Das nächste Mal wirst du ohne eine Spenderlunge nicht davonkommen.«
Tobirama sah sie verwirrt an. Er musste mal wieder unter starken Medikamenteneinfluss stehen, denn er konnte ihr nicht ganz folgen.
»Was ist mit mir passiert?«, nuschelte er. Selbst seine Zunge fühlte sich schwer und träge an, was ihm das Sprechen erschwerte. Was hatte man ihm gegeben?
»Da du in deinem Starrsinn ohnehin auf die ungeschönte Wahrheit bestehen wirst …«, begann Tsunade. Sie schlug einen professionellen Ton an. »Du hast ein etwa faustgroßes Loch in deiner Brust, linke Seite. Der Schlag hat dein Herz verfehlt, ansonsten würden wir dieses Gespräch nicht führen. Das, was von deinem linken Lungenflügel jedoch noch da gewesen war, war nicht mehr zu retten, es musste entfernt werden. Doch sei versichert, man kann auch mit nur einer halben Lunge gut leben, es bedarf nur ein paar kleiner Anpassungen im Lebensstil. Ansonsten diverse Prellungen und Abschürfungen und der Stich in deinem Bauch musste mit fünf Stichen genäht werden, aber alles nicht der Rede werd. Kurzum: Du wirst auch das überleben, wenn auch mit mehr Glück als Verstand.«
Das war gut, oder? Warum zog Minato dann so ein leidvolles Gesicht?
Die Realisation, dass ihm ein halbes Organ fehlte, setzte einen Moment später ein. Tobiramas Verstand weigerte sich, darüber allzu sehr nachzudenken, und klammerte sich an Tsunades Aussage, dass sich auch damit leben ließ.
»Was heißt das für mich?«, fragte er daher.
»Dass du dich ausruhen sollst, bis ich dir was anderes sage«, wies Tsunade ihn an.
»Sag es mir«, verlangte Tobirama. »Was für Anpassungen im Lebensstil?«
»Du gibst ja doch keine Ruhe, alter Sturkopf.« Tsunade sah ihn tadelnd an. »Deine Lungen hatten die etwa zwanzig Prozent, die dir vorher schon fehlten, gut kompensiert und ihr Volumen so weit ausgedehnt, dass sie das fehlende Stück wieder wettmachten. Das wird auch jetzt passieren, wenn du es mit Bedacht angehst und nichts überstürzt. Ich schwör dir, ich fessle dich eigenhändig an dieses Bett, wenn du auch nur daran denkst, morgen schon das Zimmer geschweige denn das Krankenhaus zu verlassen.
Dein rechter Lungenflügel wird mit der Zeit deutlich an Volumen zunehmen, um die fehlende Hälfte zu kompensieren. Ich habe von Fällen gelesen, wo das fast vollständig geschehen war, aber keine Garantie darauf. Du wirst feststellen, dass gerade zu Anfang deine körperliche Leistung sehr stark nachlässt. Das heißt, schon die Treppen in die zweite Etage sind für dich erst einmal Hochleistungssport, an den du dich langsam heranwagen musst. Belass es zum Anfang bei einem langsamen Spaziergang durch den Park frühestens in einer Woche. Es gibt eine ganze Reihe von Therapien, die dir helfen, deine Leistung nach und nach wieder aufzubauen, aber alles eines nach dem anderen. Aber zu deiner alten Form wirst du nicht mehr zurückfinden.
Du wirst jetzt besonders darauf achten müssen, deine Lunge zu schonen. Wie gesagt, jeder weitere Schaden kann dazu führen, dass dir nur die Transplantation eines neuen Organs übrig bleibt, und das ist ein Eingriff, auf den keine Erfolgsgarantien stehen. Das heißt also, dass schon eine einfache Erkältung für dich gefährlich werden kann und natürlich auch Rauchen, selbst passives.« Diese Bemerkung war an Hiruzen gerichtet. »Aber, Onkel, ich fürchte, ich muss dir sagen, dass du besser beraten bist, den aktiven Dienst als Shinobi niederzulegen. Die körperliche Belastung ist zu groß.«
Tobirama fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezerrt. Er kannte kein anderes Leben als dieses. Tsunade konnte ihm nicht einfach so sagen, dass er das jetzt an den Nagel hängen sollte. Was sollte er denn sonst mit seinem Leben anfangen? Zu Hause hocken und den Blumen beim Wachsen zuschauen wie ein alter Greis? Ganz bestimmt nicht!
»Kommt gar nicht in Frage«, protestierte er.
Sie starrte ihn nieder. »Und wenn ich dir selbst die Kette anlegen muss, das wird geschehen! Es gibt genug anderen Kram, den du machen kannst, Onkel. Keine Ahnung, erfind ein neues Jutsu oder werd Lehrer an der Akademie.«
Tobirama schnaubte. »Kannst du dir vorstellen, wie ich vor einer Klasse rotznasiger Zehnjähriger stehe? Ich bitte dich, das ist lächerlich. Ich hab es anija damals schon gesagt und ich sage es jetzt wieder: Als Lehrer tauge ich nichts.«
Hiruzen sah aus, als wolle er etwas sagen, ließ es dann aber.
»Bleiben immer noch die Jutsus«, konterte Tsunade. »Komm schon, Tobi-oji, sei ehrlich zu dir selbst: Wie oft ist es in den letzten Jahren vorgekommen, dass du selbst auf Missionen gegangen bist?«
Die Gelegenheiten konnte er beinahe an einer Hand abzählen. Ironischerweise hatte er, seit er die Anbu übernommen hatte, wieder mehr am aktiven Dienst teilgenommen wie noch zu seiner Zeit als Hokage. Da hatte er doch fast nur in seinem Büro gehockt.
Und war beinahe wahnsinnig darüber geworden. Nein, Tobirama konnte sich einfach nicht vorstellen, nicht mehr am aktiven Dienst teilzunehmen, fehlender Lungenflügel hin oder her. Eine praktikablere Lösung musste her.
»Was ist mit Orochimaru?«, wollte er vorläufig wissen. In all dem Chaos hatte er ihn irgendwann einmal aus den Augen verloren.
»Entkommen«, informierte Hiruzen ihn, »zusammen mit seinen Handlangern. Sie waren zwar besiegt, aber noch nicht tot. Es konnte keiner von ihnen gefangen genommen werden, allerdings ist fragwürdig, ob sie es weit schaffen werden. Jiraiya hat in diesen Augenblicken die Aufgabe übernommen, die Spuren zu sichern und einen Hinweis auf Orochimarus Verbleib zu finden. Das alles ist erst einige Stunden her, allzu weit kann er nicht gekommen sein.
Sukeas Leiche konnte ebenfalls geborgen werden. Die Obduktion läuft bereits, um herauszufinden, was Orochimaru mit ihm hatte anstellen wollen. Mit ihm und … den anderen, die gefunden wurden.«
»Andere?« Chōza, Inoichi und Shikaku hatten ihn doch darüber informiert, dass es noch mehr Vermisste gab, erinnerte sich Tobirama.
»Meinem letzten Wissensstand nach wurden noch drei weitere Leichen gefunden«, sagte Hiruzen. »Aber ich bin derzeit nicht auf den neuesten Stand der Dinge. Zugegeben hatte ich mich mehr um Sie gesorgt, sensei.«
Tobirama überhörte geflissentlich, dass Hiruzen in alte Gewohnheiten verfallen war. Gerade jetzt wollte er sich damit nicht auch noch beschäftigen.
»Das ist alles meine Schuld.« Minatos Stimme klang rau. »Das alles hätte nicht geschehen dürfen. Ich hätte es verhindern müssen.«
»Nein, es ist nicht deine Schuld«, widersprach Hiruzen in einem Ton, der deutlich machte, dass er das an diesem Tag nicht zum ersten Mal sagte.
»Doch, ist es!«, rief Minato aufgebracht. »Wer war es denn, der Tobirama so schwer verwundet hat? Ich! Ich war es! Und das ist unverzeihlich. Du musst leiden wegen mir. Ich habe dir das angetan, und das ist einfach nur entsetzlich.«
Kakashi sah unsicher zwischen Minato und Tobirama hin und her. Er hatte die ganze Zeit über noch kein Wort gesprochen und schien mit der Situation überfordert.
Das war es also, was Minato umtrieb, Tobirama hätte es sich von Anfang an denken können. Minato hielt seine Tränen nicht zurück. Seine Augen waren gerötet und er machte einen vollkommen aufgelösten Eindruck. Er hatte sich anscheinend noch nicht einmal darum bemüht, seine Kleidung zu wechseln, noch immer haftete an ihr der Schmutz des Kampfes.
Mühsam richtete sich Tobirama auf seinem Ellbogen auf. Sein Brustkorb war mit festen Bandagen umwickelt, die stark nach einem Antiseptikum rochen. Er fühlte sich steif und er konnte darauf wetten, dass er vor Schmerzen kaum würde krauchen können, hätte er nicht all diese Schmerzmittel im Körper. So fühlte er sich vor allem taub und schwach. Ein Gefühl, auf dass er liebend gern hätte verzichten können.
Dennoch sah er Minato fest in die Augen. Er sollte gar nicht erst die Idee bekommen, Tobirama würde sich von so etwas unterkriegen.
»Offensichtlich lebe ich immer noch«, sagte Tobirama bestimmt, »und daran wird sich ganz sicher auch nicht allzu schnell etwas ändern. Es hat also keinen Nutzen, irgendwem für irgendetwas die Schuld zu geben. Es ist geschehen, und damit hat es sich. In ein paar Wochen werde ich davon kaum noch etwas spüren, also alles gut.«
Hoffte er jedenfalls.
Minato schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm seine Haare ins Gesicht flogen. Es machte den Eindruck, als würde er jeden Augenblick wieder beginnen zu weinen. Tobirama hatte ihn das letzte Mal so aufgelöst gesehen kurz nach Kushinas Tod.
»Nein, nichts ist gut!«, protestierte Minato. »Ich hätte dich beinahe getötet. Tobirama, verstehst du nicht? Fast wärst du tot gewesen, wegen mir! Ich werde mir das nie verzeihen können.«
»Aber ich bin nicht tot«, betonte Tobirama.
»Sag das nicht einfach so!«, rief Kakashi dazwischen. »Tu das nicht einfach so ab, als sei nichts dabei! Rin hat das nämlich nicht überlebt.«
Der arme Junge. Das mit anzusehen, musste die Erinnerungen daran wieder in ihm hochgebracht haben.
»Ich atme noch«, sagte Tobirama ruhig. »Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden.«
»Aber es kann wieder geschehen«, unterbrach Minato ihn unter Tränen. »Ich kann wieder die Kontrolle verlieren, und dann … und dann … I-ich kann das nicht.«
»Doch, du kannst, weil du musst«, hielt Tobirama dagegen. »Ich werde mir das Siegel noch einmal ansehen und mir wird schon irgendetwas einfallen, um es sicherer zu machen.«
Minato kniff die Augen zusammen, Tränen rannen ihm über die Wange. »Es gibt keinen Weg, das irgendwie sicherer zu machen. Ich kann einfach kein jinchūriki sein. Aber Kushina kann es.«
Tobirama gefiel überhaupt nicht, welche Wendung dieses Gespräch gerade genommen hatte. »Sie ist tot.«
Minato zuckte zusammen. Als er daraufhin die Augen wieder öffnete, klang seine Stimme jedoch erstaunlich fest. »Aber du kennst ein Jutsu, mit dem das nicht so bleiben muss, nicht wahr? Du wusstest die ganze Zeit, dass sie nicht tot bleiben muss, und hast doch kein Wort gesagt, Tobirama.«
Der Ausdruck auf Tsunades Gesicht wandelte sich von Kummer zu Verwirrung. »Was soll das heißen? Onkel, wovon redet er?«
Woher wusste Minato von Edo Tensei? Tobirama verschob die Antwort darauf auf später, das spielte jetzt keine Rolle. Er überging Tsunades Frage. »Minato, denk nicht einmal daran. Du weißt nicht, wovon du da redest.«
Minato lächelte traurig. »Ich werde meinen Fehler berichtigen. Dann wird alles wieder gut.«
»Minato!«
Minato verschwand mit einem Hiraishin.
»Scheiße!« Frustriert schlug Tobirama mit der Faust auf die Matratze seines Bettes. Kyūbi musste ihm davon erzählt haben, anders konnte sich Tobirama das nicht erklären. Denn natürlich wusste Kyūbi davon, er war ja in Mito versiegelt gewesen, als sie mit Tobirama an Edo Tensei gearbeitet hatte. Dass Kyūbi sich dazu entschlossen hatte, Minato davon zu erzählen, konnte nichts Gutes bedeuten. Tobirama musste ihm so schnell wie möglich nach.
Tobirama begann, die Dioden und Kanülen von seinem Körper abzureißen. Der Monitor piepte energisch. Tobirama pfiff auf Tsunades Warnung, dass er sich schonen müsse.
»Was machst du da?«, rief Tsunade prompt. »Hör auf damit!«
Sie versuchte, ihn aufzuhalten, doch er wehrte ihre Hände ab.
»Lass mich«, knurrte er. »Ich muss verhindern, dass Minato etwas Dummes tut.«
»Dann sag mir, wo er hin ist und ich mach das«, konterte Tsunade.
Tobirama schwang die Beine über die Bettkante. Einen Moment lang wurde ihm schwindlig.
»Leg dich sofort wieder hin!«, befahl Tsunade ihm.
»Sensei, bitte hören Sie auf Tsunade«, stimmte Hiruzen ihr zu. »Sie schaden sich nur selbst. Wir können das übernehmen.«
»Aber ihr kommt nicht in mein Labor.« Denn genau dorthin war Minato verschwunden. Kyūbi hatte ihm wohl also auch gesagt, wo er die Informationen über Edo Tensei fand. Dieses elende Vieh, es sollte verrecken!
Tobirama krallte Halt suchend die Hände in Ōkamis Fell. Er versuchte, die Markierung in seinem Labor zu benutzen, musste aber feststellen, dass er auf diese Entfernung dafür zu schwach war. Nun denn, also zu Fuß.
»Mutter, du musst mich tragen.«
Ōkami sah ihn mit einem missbilligenden Blick an. Dann legte sie sich doch hin, sodass er leichter auf ihren Rücken steigen konnte.
»Onkel, ich verbiete dir, diesen Raum zu verlassen!«, fauchte Tsunade.
»Ich bin immer noch Hokage, du kannst mir nichts befehlen«, knurrte Tobirama zurück. Sie sollte endlich aufhören, ihn aufhalten zu wollen. Jede Minute zählte.
Sie lachte trocken auf. »Ach, jetzt kommst du auf einmal damit an? Dann weißt du auch, dass ich Ärztin bin und hier drin mein Wort gilt. Du bleibst hier!«
»Tobirama, sie hat Recht, du schadest dir nur selbst«, stimmte ausgerechnet Kakashi ihr zu.
Er warf seinem Enkel einen finsteren Blick zu. »Ich bin der einzige hier, der Hiraishin beherrscht, die Rechnung ist einfach. Hiruzen, mitkommen.«
So viel Einsicht besaß er dann doch. Es wäre besser, wenn er nicht allein ging, dafür war er noch viel zu schwach.
»Hast du mir nicht zugehört, Onkel?«, rief Tsunade. »Du bist erst seit einer Stunde wieder aus dem OP, dir wurde heute eine halbe Lunge entfernt! Es besteht keine Garantie, dass du eine Lungentransplantation überleben würdest, wenn du das, was du noch hast, beschädigst!«
»Tsunade, es ist gut. Ich gehe mit ihm«, sagte Hiruzen ruhig. »Ich passe auf ihn auf, er lässt sich ja doch nicht davon abbringen.«
»Sensei, machen Sie was!«, protestierte Tsunade. »Sie können ihn doch nicht noch darin bestärken!«
»Nun mach schon, Hiruzen«, drängte Tobirama, Tsunade ignorierend.
Hiruzen warf Tsunade einen entschuldigenden Blick zu, dann setzte er sich hinter Tobirama auf Ōkamis Rücken. Es wäre das erste Mal für ihn, dass er auf der Wölfin reiten durfte. Aber besondere Umstände erforderten eben besondere Maßnahmen.
»Onkel!«
Auf Tobiramas Pfiff hin sprang Ōkami davon und stürmte aus dem Krankenhaus. Hiruzen gab einen überraschten Laut von sich und klammerte sich etwas linkisch an Tobirama.
»Aber das heißt nicht, dass ich dir in irgendeiner Weise verzeihe«, mahnte Tobirama ihn. »Hast du das verstanden?«
»Natürlich, sen… Nidaime-sama«, sagte Hiruzen reumütig.
Tobirama musste sich für den restlichen Weg darauf konzentrieren, sich auf Ōkami zu halten. Seine Finger waren so schwach. Ōkami mochte einen sicheren Tritt haben und doch galoppierte sie mit hoher Geschwindigkeit durch den dichten nächtlichen Wald. Auch unter normalen Umständen kein allzu sanfter Ritt.
Tobiramas erbärmlich schwacher Zustand entging auch Hiruzen nicht, denn er achtete darauf, ihn gut festzuhalten. Er erkundigte sich nach Edo Tensei, immerhin hatte auch Orochimaru schon dieses Jutsu erwähnt, aber Tobirama wich den Fragen dazu aus, und bald fehlte ihm auch schon die Luft dazu. Seine Kräfte schwanden rapide dahin. Hatte Tsunade davon gesprochen? Tobirama wollte nicht wahrhaben, dass er jetzt ein Invalide sein sollte. Er ließ sich ganz bestimmt nicht von so etwas aufhalten.
Verbissen klammerte er sich an Ōkami, und doch bestand sie nach etwas zweidrittel des Weges darauf, dass sie eine Pause einlegten. Tobirama protestierte, aber sie ließ sich davon nicht beirren und hielt trotzdem an.
»Auf deinen eigenen Beinen kommst du nicht voran, und ich bewege mich keinen Meter von der Stelle, bis du nicht wieder etwas zu Kräften gekommen bist«, betonte sie.
Tobirama knurrte unwirsch. Das alles dauerte schon viel zu lange, und er hatte keine Ahnung, wie weit Minato wirklich gehen würde. Leider verbündete sich Hiruzen mit Ōkami und half Tobirama vom Rücken der Wölfin. Schwer lehnte er sich auf den kleineren Mann, als seine Beine ihm den Dienst versagten. Er japste erbärmlich und das war alles, was er noch hervorbringen konnte. Seine Brust schmerzte.
Hiruzen führte ihn zu einem Baum, gegen dessen Stamm er sich lehnen konnte, bis er wieder etwas zu Kräften gekommen war. Tobirama schloss die Augen und bemühte sich, wach zu bleiben. Mit purer Willenskraft gelang es ihm.
»Ich glaube, ich habe nicht weit von hier ein paar Beerenbüsche gesehen«, informierte Hiruzen ihn. »Warten Sie hier, Nidaime-sama.«
Tobirama zog eine Grimasse. Wo sollte er auch sonst hingehen? Seine Beine zitterten, sein Herz schlug so wild, als wäre er den ganzen Tag gerannt.
Hiruzen verschwand und kam nach ein paar Minuten mit einer Handvoll Brombeeren wieder. Er reichte sie Tobirama. »Hier, damit können Sie sich stärken.«
Tobirama schob sich eine der Beeren in den Mund. Sie war sauer und beinahe überreif, aber dennoch aß er sie alle. Allmählich beruhigte sich sein Kreislauf wieder und er fühlte, wie die Stärke in seine Glieder zurückkam. Ōkami stand nahe bei ihm und stieß ihn immer wieder sanft mit der Schnauze an. Er strich mit der Hand über ihren Kiefer.
»Danke, Hiruzen«, sagte er. »Aber jetzt müssen wir weiter. Es ist nicht mehr weit.«
»Fühlen Sie sich wieder kräftig genug?«, erkundigte sich Hiruzen.
Nein, aber das spielte keine Rolle. Statt einer Antwort stieg Tobirama wieder auf Ōkami. Hiruzen tat es ihm gleich, und schon eilten sie weiter.
Dutzende Szenarien gingen Tobirama durch den Kopf, was alles hatte passieren können in der Zwischenzeit. Zumindest hatte er keine Explosion vernommen, das war schon einmal etwas Gutes, sagte er sich. Edo Tensei konnte dennoch auf so viele schreckliche Weisen nach hinten losgehen, und er wollte nicht, dass Minato das mit ansehen musste. Er hatte schon genug gelitten.
Schließlich erreichten sie ihr Ziel, ein unscheinbarer kleiner Hügel mitten im Wald. Darunter verbarg sich Tobiramas Labor. Von außen gab es keinen Hinweis darauf, und so sollte es auch sein.
Tobirama brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Er lehnte sich gegen Ōkamis Flanke und schnappte nach Luft. Dieses Gefühl der Schwäche war beinahe unerträglich.
»Hiruzen«, sagte er schließlich, als er wieder genug Luft hatte. »Leeres Siegelpapier.«
»Kommt sofort.« Hiruzen zog das Angeforderte aus seiner Tasche. Anders als Tobirama trug er noch immer seine Ausrüstung bei sich, und die beinhaltete nun einmal auch grundlegende Siegelausrüstung. Tobirama hatte immer großen Wert darauf gelegt, das seinen Schülern beizubringen – auch wenn das bei Torifu nie auf fruchtbaren Boden getroffen war.
Tobirama nahm das Siegel entgegen, biss sich kurzerhand in den Finger und schrieb das Siegel mit seinem Blut. Auf die Schnelle würde das genügen. Er heftete es Hiruzen an die Brust und aktivierte es.
»Damit kannst du mein Labor betreten, ohne die Sicherheitssiegel zu aktivieren«, erklärte er ihm.
Hiruzen nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
Für einen kurzen Augenblick fragte sich Tobirama, ob er das Richtige tat, Hiruzen in das hier einzuweihen. Aber jetzt war es dafür ohnehin zu spät. Er legte Hiruzen eine Hand auf die Schulter. Auf diese kurze Entfernung konnte er sie beide mit Hiraishin teleportieren, dafür reichte seine Kraft noch.
Er fand das vor, was er befürchtet hatte.
Auf seiner Suche nach Tobiramas Unterlagen zum Edo Tensei hatte Minato einiges Chaos angerichtet, doch das war nichts, das Tobirama nicht wieder beheben konnte. Viel schlimmer war, dass Minato fündig geworden war.
Er sah Minato nicht sofort, dafür hörte er ihn. Minato summte leise eine Melodie vor sich hin, immer wieder unterbrochen von Schluchzern. Tobirama brauchte einen Moment, bis er die Worte verstand.
»Mein Herz, mein Herz, mein ertrinkendes Herz. Oh, all die Tränen, die ich weinte. Oh, ich mag für immer weinen, meine Liebe wird niemals sterben.«
Er fand Minato, wie er in einer Ecke hockte, die Beine an die Brust gezogen, und hemmungslos weinte. Vor ihm inmitten eines auf den Boden gezeichneten Siegels lag sein entsetzlicher Fehlversuch, Kushina mit Edo Tensei wiederzubeleben.
Tobirama sah gar nicht so genau hin, er wusste, welchen Fehler Minato begangen hatte. Genau denselben Fehler hatte er selbst damals gemacht, als er versucht hatte, Kawarama zurückzuholen. Kushinas Seele hatte keinen Ankerpunkt im Diesseits, woran sie gebunden werden konnte, und doch zerrte das Jutsu sie in diese Welt. Es zerriss sie förmlich zwischen den Dimensionen. Entsprechend hatte auch der Körper, der sich aus den Staubpartikeln gebildet hatte, nur entfernt etwas Menschliches. Er war auf groteske Weise verdreht, und ließ doch noch irgendwie Kushina erkennen. Und das war überhaupt das Furchtbarste daran.
Tobirama kniete sich neben Minato. Sofort warf sich Minato in seine Arme.
»Warum funktioniert das nicht?«, schluchzte er. »Was habe ich getan? Tobirama, was habe ich ihr angetan?«
Tobirama umarmte ihn fest, strich ihm über das Haar und wiegte ihn sanft. Er hätte sich gewünscht, dass Minato das niemals würde sehen müssen. Hiruzen hatte das ganze mit einigem Abstand beobachtet, besorgt, aber doch bereit, sollte er gebraucht werden. Dennoch zögerte er, sich zu nähern. Er wirkte beunruhigt ob dem, was er da sah.
»Edo Tensei erfordert ein menschliches Opfer«, erklärte Tobirama ruhig. »Ich erkannte das, als ich versuchte, Kawarama damit zurückzuholen. Ich hatte ihn so schrecklich vermisst, es tat so weh. Also suchte ich nach etwas, das mir meinen Bruder wiedergeben könnte. Es passierte dasselbe, wie hier jetzt auch. Das ist der Preis, den Edo Tensei verlangt, anders funktioniert es nicht. Ich deklarierte es als Kinjutsu, und Mito und ich sprachen mit niemandem darüber. Niemand hätte jemals davon erfahren sollen, es ist zu gefährlich und der Preis zu hoch.«
Minato heulte auf und klammerte sich an ihn. Für eine Weile tat Tobirama nichts anderes, als ihn zu halten. Sein Herz blutete.
Er drückte Minato einen Kuss auf sein Haar und schmiegte dann seine Wange an seinen Scheitel. »Ich wollte dir das hier ersparen«, sagte er leise. »Deswegen habe ich nie etwas gesagt, und nicht nur, weil Edo Tensei so gefährlich ist. Ich wollte dir keine Hoffnungen auf etwas machen, das nicht möglich ist.«
Minato sagte nicht dazu, doch er schmiegte sich weiter Trost und Halt suchend in Tobiramas Umarmung, und Tobirama hielt ihn fest, damit er nicht in seiner eigenen Trauer ertrank.
»Sprach Orochimaru von diesem Jutsu?«, fragte Hiruzen zurückhaltend.
Tobirama nickte. »Irgendwie muss er davon erfahren haben. Mito hatte gegen Ende ihres Lebens einen Verdacht, dass irgendwer von meinen einstigen Schülern hier eingebrochen und das Wissen um Edo Tensei gestohlen hat. Hiruzen, schwöre mir, dass du das nicht gewesen warst.«
Hiruzens Augen weiteten sich. »Nidaime-sama, ich weiß, ich habe Sie auf ganzer Linie enttäuscht, und Sie haben keinen Grund, noch Vertrauen in mich zu setzen. Aber ich versichere Ihnen, ich schwöre Ihnen, dass ich damit nichts zu schaffen habe. Nicht direkt jedenfalls.«
Tobirama sah ihn finster an, und Hiruzen fuhr hastig fort: »Orochimaru ist meine Verantwortung, er war mein Schüler. Ich sah schon früh die Finsternis in ihm, doch es ist mir nicht gelungen, sie ihm auszutreiben. Er ist sadistisch und grausam und besitzt dazu auch noch eine schier unersättliche Gier nach verbotenem Wissen. Nach dem, was ich hier sehe, wundert es mich daher nicht, dass das sein Interesse geweckt hat. Ich weiß nicht, wie er davon erfahren konnte, auch ich wusste ja bis gerade eben nicht von diesem Ort – auch wenn ich zugegebenermaßen schon lange vermutet habe, dass so etwas existiert. Aber ich habe einen Verdacht und der trägt den Namen Danzō.«
Tobirama knurrte. Wer auch sonst.
»Orochimaru hat enge Verbindungen zu Danzō«, erklärte Hiruzen. »Ich glaube, dass er oft direkt für Danzō gearbeitet hat. Dass Danzō irgendwas im Schilde führt, wissen wir, und mittlerweile würde ich ihm alles zutrauen.«
»Orochimaru deutete an, du hättest bewilligt, was auch immer er da getan hatte«, sagte Tobirama.
Hiruzen schüttelte den Kopf. »Nein, ganz bestimmt nicht. Die Experimente mit Mokuton sind Jahre her, und das war das letzte Mal, dass ich so etwas bewilligt hatte. Orochimaru hat ganz sicher nicht in meinem Einverständnis gehandelt. Ich bin mir ja noch nicht einmal sicher, was er da überhaupt versucht hatte, das werden wir herausfinden müssen.«
Das alles war höchst verdächtig, und Tobirama verstand die Zusammenhänge noch nicht. Aber das würde sich alles schon ergeben. Erst einmal musste er sich um das naheliegendste kümmern. Er sah auf Minato hinab.
Mittlerweile hatte sich Minato wieder weitestgehend beruhigt. Seine Augen schwammen noch immer in Tränen, doch er wirkte nicht mehr völlig aufgelöst. Er klammerte sich weiterhin an Tobirama, sein Blick war auf Kushina gerichtet.
Es wurde Zeit, dass Tobirama das gescheiterte Edo Tensei löste und Kushinas Seele von ihrem Leid befreite, damit sie endlich wieder Ruhe finden konnte. Vorsichtig löste er Minatos Finger aus seinem Hemd und verwischte dann die Siegelzeichnungen auf dem Boden. Das reichte bereits für das misslungene Jutsu, um sich aufzulösen. Der Körper wurde wieder zu Staub. Mit einem letzten erleichterten Seufzen entschwand Kushinas Seele.
Er wandte sich wieder an Minato. »Wie geht es dir?«
Minato wischte sich die Tränen aus den Augen, auch wenn sie immer noch nicht versiegen wollten. »Das müsste ich dich fragen. Du solltest nicht hier sein.«
»Mach dir um mich keine Sorgen, ich lasse mich nicht so schnell unterkriegen«, versicherte Tobirama ihm und hoffte, das Schwächegefühl genügend zu überspielen, das ihn schon wieder befiel.
Minato schloss die Augen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Auch er wirkte erschöpft, nach allem, was an diesem Tag geschehen war, auch kein Wunder.
»Lass uns zurückgehen«, schlug Tobirama daher vor. »Sonst reißt mir Tsunade noch den Kopf ab.«
Minato nickte. Dennoch nahm er sich noch einen Moment, bevor er sich von Tobirama löste und ihm dann wieder auf die Beine half. Tobirama gestand es nur ungern, aber er brauchte diese Hilfe. Minato machte ein besorgtes Gesicht, als Tobiramas Schwäche so offensichtlich wurde. Er half Tobirama, sich auf ihn zu stützen, dann legte er Hiruzen eine Hand auf die Schulter und brachte sie beide nach draußen zu Ōkami.
Hiruzen gab einen missmutigen Laut von sich und schüttelte sich. »Das ist ein unangenehmes Gefühl.«
»Ich hatte Hiraishin ja auch eigentlich nie dafür entwickelt, dass es irgendwer sonst anwendet«, erinnerte Tobirama ihn.
Ōkami war schon längst zu Minato getrottet und leckte ihm tröstend die Hand ab. Das schaffte es, ihm wieder die Andeutung eines Lächelns auf die Lippen zu zaubern.
»Sei so lieb und bring meinen Welpen so schnell wie möglich zurück zu Tsuna«, bat sie ihn. »Ich geleite Saru zurück. Und dann sorgen wir alle gemeinsam dafür, dass Tobi-chan im Bett bleibt, ja?«
Tobirama grummelte, auch wenn er es nicht wirklich so meinte. Dieses Mal würde er dem nachgeben.
My Love will never die ist ein Lied von A.G. feat. Claire Wyndham
Nächstes Kapitel: Tobirama ist einmal in seinem Leben vernünftig und gibt seinem Körper die Ruhe, die er benötigt.
Kapitel 9: Heilmittel oder Fluch
In den kommenden Tagen hatte Tobirama sehr viel Zeit zum Nachdenken, denn er hatte kaum etwas anderes zu tun, als herumzuliegen und die eine oder andere Runde durch den Park zu drehen. Sonderlich weit kam er dabei jedoch nicht, sehr zu seinem Verdruss. Jedes Mal brauchte er danach Stunden, um wieder zu Kräften zu kommen.
Minato und Tsunade schienen es sich zum Lebensinhalt gemacht zu haben, ihn zu bemuttern, und hatten sich sehr zu Tobiramas Verdruss dafür auch noch mit Doktor Fuyuko verbündet. Denn natürlich war sie es gewesen, die die Operation durchgeführt hatte. Diese Frau war Tobiramas persönlicher Fluch.
»Man könnte wohl sagen, mittlerweile bin ich so etwas wie eine Expertin für Ihre Lungen, Nidaime-sama, so oft wie ich da jetzt herumgeschnippelt hab«, sagte sie. »Ein hübsches Organ, das muss man einfach mal sagen. Für Anatomiestudierende sicher interessant.«
Natürlich hatte sie genau den Augenblick gewählt, wo er von seinem täglichen Spaziergang wiedergekommen war. Er konnte gerade so in seinem Bett sitzen. Tobirama knurrte.
»Ich habe nicht eingewilligt, meine Körperteile für irgendwelche Studien zur Verfügung zu stellen«, grummelte er.
Sie klopfte ihm auf die Schulter. Er musste ein schmerzvolles Stöhnen zurückhalten und wusste ganz genau, dass sie das mit Absicht gemacht hatte.
Dann kam ihm eine Idee. Sie hatte sich doch von Anfang an über Ōkamis Anwesenheit beschwert.
»Ōkami, fass«, sagte er und deutete auf die Ärztin.
Ōkami richtete die Ohren auf und verstand. Fröhlich wedelte sie mit dem Schwanz, als sie zu Doktor Fuyuko trottete, ihren Kopf an der Frau rieb und damit ihr Fell überall verteilte. Der Effekt setzte beinahe sofort ein. Vergeblich versuchte Doktor Fuyuko, die Wölfin von sich zu schieben, und musste dann aufgeben, als sie heftig zu niesen begann. Zufrieden lächelte Tobirama.
»Natürlich wurde das entfernte Gewebe vorschriftsgemäß verbrannt«, schimpfte Doktor Fuyuko. »Jetzt zufrieden?«
Vorerst. Tobirama bedeutete Ōkami, dass sie ihr Opfer in Frieden lassen konnte. Ōkami ließ von ihr ab und hechelte zufrieden.
Minato richtete sich in Tobiramas Krankenzimmer häuslich ein und schien gar nicht mehr daran zu denken, ihm auch nur einen Augenblick lang von der Seite zu weichen. Er ließ nicht mit sich diskutieren und verbrachte sogar die Nächte mit Tobirama im Krankenhaus. Tobirama wies ihn darauf hin, dass er damit dem Krankenhauspersonal einige Umstände bereitete, aber Minato wollte nichts davon hören, und da er nun mal der Hokage war, blieb den armen Leuten ohnehin nichts anderes übrig, als sich dem zu fügen.
Das gab Tobirama zumindest die Gelegenheit, Minato im Blick zu behalten. Zumindest körperlich war Minato aus der ganzen Sache unversehrt wieder herausgekommen. Zwar hatte Kyūbis Chakra ihm die Haut verbrannt, aber die Wunden waren beinahe augenblicklich wieder geheilt. Seelisch jedoch …
Minato trug eine Maske, das wurde Tobirama jetzt endlich klar. Er machte sich Vorwürfe, dass er das erst so spät erkannt hatte, vielleicht hätte er sonst viel früher gesehen, was wirklich in Minato vor sich ging. Aber das hatte er vor allen, selbst Tobirama, verborgen. Er lächelte und trug sein sonniges Gemüt zur Schau, um von dem abzulenken, was wirklich in seinem Inneren vor sich ging.
Wie stark hatte Kyūbi bereits auf ihn Einfluss nehmen können? Wie lange ging das schon so? Was hatte die Bestie ihm alles eingeflüstert?
Wie immer nach seiner täglichen Physiotherapie ruhte sich Tobirama in seinem Bett aus. Es war erbärmlich, wie einfachste Sachen, über die er vor einer Woche noch nicht einmal nachgedacht hatte, ihn jetzt vollkommen auslaugten. Tsunade sagte, das lag daran, weil seine verbliebene Lunge jetzt die doppelte Arbeit leisten musste und auch sein Herz viel stärker belastet wurde. Zum Glück sagte sie auch, dass er sich seine Kondition wieder aufbauen konnte, wenn er es nur nicht allzu hastig anging. Also ertrug er es und ermutigte sich mit dem Gedanken, dass das kein dauerhafter Zustand war. Tsunades Hinweis, dass er nicht mehr seine volle Stärke zurückerlangen konnte, ignorierte er.
Minato war bei ihm. Er hatte zwar ein eigenes Bett im Zimmer, quetschte sich aber trotzdem lieber bei Tobirama auf die Bettkante. Wie als wolle er ihn auf gar keinen Fall mehr loslassen. Tobirama döste vor sich hin, Minato war jedoch hellwach und beobachtete Naruto, der auf Tobiramas Brust schlief. Auf der rechten Seite natürlich, da, wo kein Loch war.
Lächelnd strich Minato dem Baby mit dem Finger über die runde Wange. »Ist er nicht wundervoll, unser Sohn?«
»Hmm«, machte Tobirama verschlafen. »Noch habe ich ihn nicht offiziell adoptiert.«
Ōkami hielt in ihrer Fellpflegeroutine inne. »Tu nicht so. Du nennst ihn schon längst deinen Welpen.«
Minato lachte leise. »Ach, ist das so? Warum weiß ich davon nichts? Ist immerhin mein Junge, den du zu einem Wolf umerziehen willst.«
»Jetzt auf einmal ist er wieder dein Junge. Entscheide dich«, wies Tobirama ihn an.
Als Antwort kuschelte sich Minato noch etwas enger an Tobirama, wie als wolle er mit ihm verschmelzen.
»Verstehe ich das richtig, dass das jetzt einer dieser Fälle ist, wo Naruto vor Sonnenaufgang mein Sohn ist und deiner, wenn ich was tue, was dir nicht passt?«, wollte Tobirama wissen.
»Hmhm«, schnurrte Minato. »Du hast es erfasst.«
Er lehnte seine Stirn gegen Tobiramas Schläfe. Tobirama schmiegte sich in seine Umarmung.
»Recht unfairer Handel, findest du nicht? Was springt für mich dabei heraus?«, fragte Tobirama weiter.
»Ich natürlich«, betonte Minato. »Das klingt mir sehr wohl nach einem fairen Handel.«
Tobirama erlaubte sich ein leichtes Lächeln. Dann wurde er ernst. »Minato, sagst du mir endlich, was wirklich in dir vor sich geht? Bitte.«
Minato antwortete nicht gleich. Er strich Tobirama über das Gesicht, wie als wolle er sich jedes noch so kleine Detail genauestens einprägen.
»Ich dachte, ich hätte dich verloren, und es war meine Schuld«, wisperte er. »Die Dinge sind schlimm genug, wie sie sind. Ich habe etwas Unverzeihliches getan. Aber damit hätte ich nicht leben können. Wenn ich dich … Wenn du …«
Er konnte es nicht aussprechen. Stattdessen zog er Tobirama fest in seine Arme und presste ihn an sich.
»Ich kann nicht schon wieder einen geliebten Menschen verlieren«, fuhr Minato fort. »Ich kann einfach nicht.«
Etwas linkisch erwiderte Tobirama die Umarmung, während er noch immer Naruto hielt. »Ich verlasse dich nicht, versprochen.«
Minatos Augen glitzerten vor unvergossenen Tränen. »Das kannst du nicht wissen.«
»Doch, das kann ich. Das war beileibe nicht das erste Mal, dass ich mit Kyūbi zu tun hatte, und bis jetzt habe ich jede Begegnung überlebt.«
»Aber …«
Tobirama brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen, weil er nicht wusste, was er sonst noch sagen sollte, um Minato seine Angst zu nehmen. Er verstand, woher diese Angst, ja, beinahe Panik kam, und sie war nicht unbegründet, ganz gleich, was er Minato sagte.
Tobirama hatte in der Tat sehr viel Zeit zum Nachdenken, und einen Großteil dieser Zeit verbrachte er damit, eine Lösung für diese vertrackte Situation zu finden. Er wollte Minato nicht mehr so leiden sehen. Er wollte ihm seinen Schmerz nehmen. Minato sollte das nicht durchleiden müssen. So viel Zeit und doch keine Antwort.
Aber was, wenn Zeit die Antwort war?
»Minato, ich will nicht mehr, dass du lächelst, nur damit ich mir keine Sorgen um dich mache«, sagte er leise.
Minato sah ihn fragend an.
»Es gibt etwas, über das du schweigst, und unter dieser Stille verbirgst du etwas vor mir, weil du nicht willst, dass ich es sehe.« Tobirama sagte es ohne Vorwurf in der Stimme. Es war ein Fakt, den er hier nannte.
»Aber du sollst dich nicht sorgen«, betonte Minato. »Du hast bereits so viel, um das du dich kümmern musst, da will ich dich damit nicht auch noch belasten.«
»Das tust du nicht«, versicherte Tobirama ihm. »Du und Naruto, ihr seid jetzt Teil meiner Familie, und nichts ist mir wichtiger als meine Familie. Das ist keine Last, niemals.«
Minato sagte zunächst nichts dazu. Er bettete seinen Kopf an Tobiramas Schulter und schwieg für eine ganze Weile. Tobirama ließ ihm seine Zeit und strich ihm stillschweigend über den Rücken.
»Orochimaru hat Recht, weißt du«, sagte Minato schließlich doch. »Er hatte Recht, als er sagte, dass ich gern töte. Ich mag das Gefühl, Leben zu nehmen, und wenn ich wirklich ganz ehrlich sein soll, sehe ich auch kein Problem mit der Art, wie ich meine Feinde töte. Jiraiya war das keinesfalls entgangen, also hatte er immer betont, wie wichtig es sei, human zu töten, wie er es nannte. Warum er mit meiner Art so ein Problem hat, habe ich jedoch nie verstanden. Ich töte doch nur unsere Feinde, das machen wir alle. Das ist Teil dessen, was einen Shinobi ausmacht. Irgendwann jedoch merkte ich, dass es sein Gemüt beruhigte, wenn ich einfach lächelte und nickte, wenn er mir wieder einmal eine seiner Lektionen erteilte, einfach die Mission zu erfüllen, statt darin auch noch besonderes Vergnügen zu finden. Also lächelte ich. Es scheint mir, dass man mich unterschätzt, wenn alle denken, ich hätte stets ein sonniges Gemüt. Dass so jemand niemals dazu fähig sein könnte, sie innerhalb eines Augenblicks und ohne zu zögern zu töten.«
Tobirama lauschte ihm schweigend. Irgendwie hatte er sich so etwas bereits gedacht.
Nach einer kurzen Pause fuhr Minato fort: »Manchmal … manchmal frage ich mich, ob ich das Heilmittel bin oder doch eher der Fluch. Ob ich zu dem Monster werde, das in mir ist oder vielleicht war es schon immer dort gewesen, noch lange bevor ich Kyūbi in mir versiegelte. Weil anscheinend ja etwas in mir kaputt ist, irgendwie bin ich anders, auch wenn ich nicht weiß, wieso. Auch deswegen lächle ich, weißt du. Damit sie das nicht sehen.« Minato sah ihn besorgt an. »Denkst du auch, das ist … unnormal?«
Tobirama sah ihm fest in die Augen. »Nein«, sagte er ehrlich. »Es mag vielleicht nicht meine Art sein, auf so, nun, effektvolle Weise zu töten wie du, aber wie du bereits sagtest: Wir sind Shinobi, das ist, was wir tun. Allerdings weiß ich nicht, ob ich der beste moralische Kompass bin.«
So ehrlich war er dann doch zu sich selbst, sich das einzugestehen.
»Was meinst du damit?«
»Du weißt doch jetzt von Edo Tensei. Denkst du, ich habe mich mit der Materie nur auf theoretischer Ebene befasst? Nein, es brauchte viele Jahre und Versuche, bis ich eine Version entwickelt habe, die funktioniert, und es gab Gelegenheiten, in denen ich mein Jutsu auch anwandte. Hashirama war darüber nie glücklich gewesen. Ich habe ihm immer gesagt, dass er zu gutherzig sei, dass er nicht so viel Mitgefühl für unsere Feinde aufbringen sollte. Und doch habe ich nie Madaras Leiche angerührt, obwohl ich wollte. Hashirama hatte es mir befohlen.«
Es gab eben doch noch ein paar Grenzen, die er nie überschritten hatte.
»Scheint so, als würden wir zwei wirklich gut zusammenpassen.« Minatos Lächeln wirkte erleichtert. »Ich geb dich nicht mehr her, nie wieder«, wisperte er.
Er beugte sich über Tobirama und küsste ihn. Tobirama legte Minato eine Hand in den Nacken und erwiderte den Kuss. Minato achtete darauf, sein Gewicht nicht auf Tobirama zu verlagern, um seine Wunden nicht zu belasten, hielt den Kuss aber. Alsbald schon wurde der Kuss tiefer, leidenschaftlicher. Er schmeckte nach Begierde, aber auch dem verzweifelten Wunsch, einander nie wieder zu verlieren, endlich all die Schrecken hinter ihnen zu lassen, die sie verfolgten.
Tobirama wünschte so sehr, er wüsste einen Weg, wie er alles wieder in Ordnung bringen könnte, damit Minato endlich seinen Frieden finden konnte.
Die Tür wurde schwungvoll aufgerissen und herein kam Shizune. Das musste sie sich von Tsunade angewöhnt haben. Sie trug einen großen Stapel Dokumente auf dem Arm und kam zudem nicht allein.
»Hier kommt die Arbeit für heute«, verkündete sie. »Und auch noch ein Besucher.«
Ihr folgte Torifu, den sie anscheinend kurzerhand mit eingebunden hatte, denn er balancierte weitere Dokumente auf einer Hand, während er in der anderen einen Blumenstrauß und einen Beutel hielt. Beim Inhalt des Beutels konnte Tobirama darauf wetten, dass es sich dabei um Bentoboxen handelte.
Nur widerwillig löste sich Minato von Tobirama. Er lächelte verlegen und kaute auf seiner Unterlippe. Machte er das mit Absicht, weil er wusste, dass Tobirama da immer schwach wurde?
Shizune klatschte die Dokumente auf den kleinen Tisch, der in dem Raum stand. Tsunade hatte sie wirklich zu Minatos Sekretärin gemacht, und zumindest soweit Tobirama das sehen konnte, kamen die beiden ganz gut miteinander zurecht. Tobirama hatte keine Ahnung, wie er bisher ohne ein Sekretariat zurecht gekommen war. Vielleicht hatte er das ja Tobiramas einstige Schüler übernehmen lassen, so wie damals, als sie noch mehr als vierzig Jahre jünger gewesen waren und Tobirama Hokage gewesen war.
»Ich will eine Aufwandsentschädigung, wenn du wirklich darauf bestehst, das Büro hierher zu verlegen«, verkündete Shizune. »Es macht echt keinen Spaß, den ganzen Kram hin und her zu schleppen.«
»Du hast doch qualifizierte Hilfe«, sagte Tobirama an Minatos Stelle und deutete auf Torifu.
Dieser lud seine Fracht ebenfalls auf dem Tisch ab und schaffte es, dass nur ein paar Blätter heruntersegelten. »Das muss ich entschieden ablehnen. Ich bin Rentner und vollauf zufrieden damit. Mit so etwas hab ich mich genug herumgeplagt in meinem Leben.«
»Hatte dich Hiruzen auch dafür eingespannt?«, wollte Tobirama wissen.
Torifu nickte. »Und er hat gut von Ihnen gelernt, sensei. Er hat uns genauso geknechtet wie Sie. Wir hatten trotzdem weiter Streichhölzer gezogen, wer für den jeweiligen Tag sein Opfer wurde. Kagami hat geschummelt, um dem viel zu oft zu entkommen, ich weiß es genau.«
Minato stand auf, um die heruntergefallenen Blätter aufzusammeln. Er besah sie sich. Dann hob er wieder den Blick. »Ich entkomme dem nicht, oder?«
Shizunes strenger Blick war Antwort genug. Er zog eilig den Kopf ein.
Torifu streckte Tobirama den ausladenden Blumenstrauß entgegen. »Mit Grüßen von Inoichi.«
Tobirama schob sich mit einer Hand die Blätter aus dem Gesicht, während er mit der anderen Naruto festzuhalten versuchte, der indes munter geworden war. »Vielen Dank. Leg es irgendwo ab.«
Torifu schimpfte etwas von mehr Wertschätzung für die schönen Künste vor sich hin, schmunzelte aber dennoch und suchte dann eine Vase für die Blumen. Tobirama betätigte derweil den Hebel an der Seite seines Bettes, mit dem er den Kopfteil des Bettes aufrichten konnte, sodass er sich dagegen lehnen konnte. Er kam sich wirklich vor wie ein alter Mann.
Zunächst noch etwas verschlafen, nun aber hellwach beobachtete Naruto das Geschehen um sich herum. Er setzte sich auf Tobiramas Schoß und erwartete ganz eindeutig, dass er nun bespaßt wurde, und passenderweise war Torifu nun zur Stelle. Neugierig beobachtete Naruto die mittlerweile nicht mehr gänzlich fremde Person.
»Daaaaaa!«, machte er, deutete auf Torifu und sah Tobirama erwartungsvoll an.
Tobirama setzte sich bequem hin und achtete darauf, nicht allzu deutlich Schmerzlaute von sich zu geben. Er strich Naruto über den Kopf. »Das ist Torifu. Ihn kennst du bereits, kleiner Sonnenschein.«
Naruto sah von Tobirama zu Torifu und schien zu überlegen, ob Tobirama wirklich die Wahrheit sagte, während er auf der Pfote seines Plüschwolfs herumkaute.
Torifu kommentierte das Plüschtier mit einem schiefen Grinsen. »Sie haben ihm nicht wirklich einen Wolf zum Spielen gegeben, sensei.«
»Ich habe ihn nur bezahlt, ausgesucht hat ihn Ōkami«, rechtfertigte sich Tobirama.
»Ich hätte mir all die Stunden sparen können, in denen ich mir um passendes Spielzeug für Naruto Gedanken machte«, warf Minato ein. »Er will nichts anderes. Meistens jedenfalls.«
Torifu lachte auf. »Früh übt sich, was ein Wolf werden will.«
Grinsend zuckte Minato mit den Schultern. »Ich hab da anscheinend nicht viel Mitspracherecht.«
Torifu hatte sich indes einen Stuhl genommen und sich an Tobiramas Bett gesetzt. Ōkami trottete zu ihm, um sich ein paar Streicheleinheiten zu erhaschen, die Torifu ihr bereitwillig gönnte. Naruto kommentierte Ōkamis Anwesenheit mit begeisterten Lauten, und sie kam dem bereitwillig nach, indem sie den Kopf zu ihm herumgeschwenkte und ihn ableckte. Naruto quietschte vergnügt und wäre hinten über gefallen, hätte Tobirama ihn nicht festgehalten.
Torifu beobachtete die Szene schmunzelnd. »Scheint so, als hätte das Rudel ein paar Mitglieder dazu gewonnen.«
Tobirama brauchte einen Augenblick, um zu bemerken, dass auch er lächelnd auf Naruto hinabsah. Als Antwort nickte er lediglich.
»Ich weiß, Sie hören die Frage nicht gern, sensei, aber wie geht es Ihnen?«, erkundigte sich Torifu.
»Ich lebe noch«, antwortete Tobirama kurz angebunden. Torifu sollte gar nicht erst auf die Idee kommen, ihm jetzt eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen.
»Um daran etwas zu ändern, braucht es schon ein bisschen mehr, das haben Sie mehr als einmal demonstriert. Aber so ganz in einem Stück sind Sie auch nicht mehr, sensei.« Torifu musterte ihn scharf.
Tobirama entging keinesfalls, wie Minato zusammenzuckte und den Blick starrt auf die Papiere vor sich gerichtet hielt. Er hielt seinen Stift so fest umklammert, dass Tobirama fürchtete, er würde ihn zerbrechen.
»Es war ein Unfall, Berufsrisiko eben«, sagte Tobirama wage und machte mit einem Blick deutlich, dass er nicht weiter ins Detail gehen würde. Nicht jedenfalls in Minatos Anwesenheit, es würde nur noch mehr Salz in die Wunde streuen. »Tsunade sagt, dass es mich kaum beeinträchtigen wird.«
Torifu schien zu erschnüffeln, dass Tobirama Tsunades Worte sehr großzügig auslegte, beließ es aber dabei. »Und auf sie hören Sie wenigstens, hoffe ich. Nicht so, wie mit der anderen Doktorin. Wie war noch gleich ihr Name? Sie sind ein sturer, alter Wolf, sensei, sturer als Ihnen guttut.«
Tobirama kommentierte es mit einem Schnauben. »Nenn mich nicht alt, wenn du dich im gleichen Atemzug auf deiner Rente ausruhst. Sei froh, dass du das überhaupt tun kannst, zu meiner Zeit …«
»Hät‘s so etwas gar nicht gegeben«, unterbrach Torifu ihn frech. »Ich weiß. Früher war immer alles anders, die Predigten habe ich nicht vergessen.«
Tobirama kniff die Augen zusammen.
»Sarutobi kam zu mir«, eröffnete Torifu, nun wieder ernst. »Das ist … seit sehr langer Zeit nicht mehr vorgekommen. Nicht seit der Sache mit Kagami und das ist nun schon eine halbe Ewigkeit her.«
»Was ist Kagami eigentlich zugestoßen?« Tobirama ging auf, dass sie nie im Detail darüber gesprochen hatten.
Betrübt schüttelte Torifu den Kopf. »Das weiß keiner so genau, das ist das Schlimme daran. Danzō hatte ihn tot im Wald nahe der Grenze zum Dorf aufgefunden. Es konnte nie geklärt werden, was genau im Detail geschehen war, aber es war vermutlich Augendiebstahl. Eines seiner Augen fehlte, das andere war zerstört. Es hatte den Eindruck erweckt, dass er es sich selbst ausgestochen hatte kurz vor seinem Tod. Wer auch immer sein Auge genommen hatte, musste gewusst haben, dass sein Sharingan besonders stark gewesen war.«
Also hatte er auch ein Mangekyō besessen, so jedenfalls deutete Tobirama Torifus Worte.
Wirklich eine Schande, dass es so hatte enden müssen mit Kagami. Tobirama überlegte, ob er versuchen sollte, den Fall auch nach knapp vierzig Jahren noch aufzuklären. Kagami verdiente es, Gerechtigkeit zu erfahren. Aber eines nach dem anderen.
»Und was wollte Hiruzen von dir?«, fragte er weiter.
»Er wollte meinen Rat«, sagte Torifu und in seinem Ton lag Erstaunen. »Und das ist seit Ihrem Verschwinden nicht mehr vorgekommen, in den ganzen vierzig Jahren kein einziges Mal. Keine Ahnung, was ihn geritten hat, jetzt ausgerechnet zu mir zu kommen, aber er wirkte ziemlich durch den Wind.«
Das konnte sich Tobirama nur allzu gut denken.
»Er ließ vieles unausgesprochen, aber es war dennoch klar, dass ihn sein Gewissen plagte.« Torifu musterte Tobirama. »Es kam zum Zerwürfnis zwischen Ihnen und Sarutobi, nicht wahr?«
Tobirama nickte stumm.
»War wohl abzusehen gewesen. Ich kann nicht sagen, dass er es nicht verdient hätte, aber wenigstens zeigt er Einsicht. Es war wegen der Sache mit Sakumo, oder?«
Tobirama schwieg. Er wollte darüber nicht nachdenken. Stattdessen betrachtete er Naruto, der in seinem Schoß noch immer mit seinem Plüschtier spielte.
»Vielleicht war es ja wirklich besser so, dass da endlich mal was passierte«, fuhr Torifu fort. »Es mag gerade in meiner Generation viele geben, die dem kritisch gegenüber stehen, die sagen, dass es Sarutobi gegenüber respektlos gewesen war nach allem, was er für das Dorf getan hat. Aber ich sage, die haben doch alle vergessen, wofür dieses Dorf einmal gestanden hat, und dafür soll es wieder stehen.«
»Lass gut sein, Torifu«, unterbrach Tobirama ihn sanft aber bestimmt.
Torifu verstand. Auch er warf einen Blick auf Naruto. »Der Kleine hat immer noch nicht genug Speck auf den Rippen.«
»Laut dir hat das niemand«, knurrte Tobirama.
»Inklusive Ihnen, sensei, weshalb ich da Abhilfe verschaffe.« Triumphierend zog Torifu sein Ass aus dem Ärmel in Form mehrerer Bentoboxen, die er mitgebracht hatte. Tobirama hatte also richtig vermutet.
»Ich weiß nicht, was der Kleine so mag, also hab ich einfach das mitgebracht, was meine Kinder und Enkel in dem Alter mochten«, fuhr Torifu fort und enthüllte zwei Boxen voller Süßkram.
Tobirama warf ihm einen strengen Blick zu, aber Torifu war noch lange nicht fertig und lud weitere Boxen ab, die mit allerlei heißen und kalten Speisen gefüllt waren.
»Wer soll das alles essen?«, beschwerte er sich.
»Sie zum Beispiel, sensei«, schlug Torifu vor. »Für Hokage-sama fällt sicher auch etwas ab.«
Schon längst hatte Minato begehrliche Blicke auf das Essen geworfen.
»Naruto bekommt genug Süßkram«, verkündete Tobirama streng.
»Ach, Quatsch.« Torifu winkte ab. »Wie ich Sie kenne, verdonnern Sie den Armen doch nur zu Rohkost. Der hat auch mal was Leckeres verdient.«
»Sehe ich genauso!«, warf Minato eilig von der Seite ein. »Er ist immer noch mein Sohn.«
Tobirama gab es auf. Sie hatten sich doch alle gegen ihn verschworen.
Nächstes Kapitel: Sukeas Begräbnis
Kapitel 10: Kamerad
Kakashi starrte auf das kleine Grab mit der frischen Erde und den Blumen, die darüber verstreut worden waren. Alles, was von Sukea geblieben war.
Er fühlte sich seltsam leer. Das war beileibe nicht das erste Mal gewesen, dass er jemanden aus der Anbu hatte sterben sehen. So war das eben bei ihnen. Sie waren die Anbu, die Leute, die die Jobs übernahmen, die kein anderer wollte, weil sie zu gefährlich waren. Natürlich gehörte es da zum Alltag, dass Menschen starben.
Aber irgendwas was dieses Mal anders. Kakashi konnte einfach nicht den Finger darauf legen.
Minato war bei ihm, der zuvor noch ein paar Worte zu Sukeas Verdiensten gesprochen hatte, und auch Tobirama. Er hatte Kakashi trostspendend eine Hand auf die Schulter gelegt, und Ōkami, die sie begleitet hatte, stupste Kakashi immer wieder sanft mit der Nase an. Er ließ die Finger durch ihr weiches Fell gleiten, während er zu Yuki sah. Sie kniete neben dem Grab und war völlig aufgelöst in sich zusammengesunken. Die ganze Zeit schon hatte sie geweint und kein einziges Wort hervorgebracht. Kakashi war sich nicht sicher, ob die Beileidsbekundigungen zu ihr durchgedrungen waren.
Natürlich war auch Kō anwesend, der das Geschehen mit versteinerter Mine verfolgt hatte. Kakashi konnte nicht sagen, was Kō durch den Kopf gehen mochte. Außer ihnen hatten nur noch einige andere Anbu der Beerdigung beigewohnt. Sukea hatte keine Familie und nur wenige Freunde gehabt.
Es war eine erbärmlich kleine Runde, fand Kakashi.
Wer wollte, konnte noch einige letzte Worte an den Toten richten, dann zerstreute sich die Gruppe allmählich. Kakashi blieb, sagte jedoch nichts. Er hatte das Gefühl, dass er Sukea nichts zu sagen hatte, und das stimmte ihn traurig.
»Du bist so still, Kakashi«, stellte Minato fest. Er musterte Kakashi, als wolle er sicher gehen, dass es Kakashi wirklich gut ging.
Kakashi zuckte mit den Schultern und wollte schon sagen, dass alles gut war. Dann ließ er es bleiben. Es war eine Lüge. Nichts war gut. Sukea war tot und beinahe wäre auch Tobirama tot gewesen, und Kakashi hätte schon wieder alles an Familie verloren, was er noch hatte. Aber das konnte und wollte er Minato nicht sagen.
»Ich wollte nie wieder einen Kameraden sterben lassen«, sagte er stattdessen. »Das hab ich mir einmal gesagt.«
»Ich erinnere mich.« Minato sah ihn mitfühlend an, und Kakashi wich seinem Blick aus.
»Ich … ich weiß nicht, ob ich ihn einen Freund nennen würde. Aber er war auf jeden Fall mein Kamerad.«
Dieses Mal sagte Minato nichts, sondern legte lediglich einen Arm um Kakashis Schulter und bettete seine Hand auf Tobiramas. Irgendwie war Kakashi froh, jetzt nicht allein sein zu müssen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er den ganzen Mist geglaubt, der sagte, dass ein Shinobi frei von Gefühlen sein müsse. Also hatte er all das genommen, tief in sich weggeschlossen und sich hinter einer Maske der Gleichgültigkeit und Kaltblütigkeit versteckt. Vielleicht hatte er ja gehofft, so dem Schmerz entkommen zu können. Alles, was er erreicht hatte, war eine sich immer weiter ausdehnende Leere in ihm.
Jetzt hatte er endlich eine Familie gefunden, einen Ort, an den er gehörte. Und die Person, die ihm das beinahe genommen hatte, war noch immer auf freiem Fuß.
Orochimaru.
Wäre er nicht gewesen, wäre all das nie passiert, davon war Kakashi überzeugt. Dann hätte Sukea nicht sterben müssen. Dann hätte Minato nie in den Kampf eingreifen müssen. Dann wäre Tobirama nie so schwer verwundet worden.
Tobirama war noch nicht lange wieder aus dem Krankenhaus entlassen, erst gestern hatte Tsunade ihre Zustimmung gegeben, ihn in ambulante Therapie gehen zu lassen. Noch immer verbrachte er täglich viele Stunden damit, wie ein alter Mann durch die Gegend zu schleichen und dabei seinem Unmut unmissverständlich Ausdruck zu verleihen. Tobirama war so stur, wie Kakashi es noch bei niemandem erlebt hatte, und gleichzeitig konnte er es nicht ertragen, dass sein Körper ihn nicht mehr so ließ, wie er das wollte. Kakashi hatte gehört, was Tsunade gesagt hatte, dass Tobirama nie wieder zu seiner alten Form zurückfinden konnte. Aber davon wollte Tobirama nichts wissen.
Er hielt sich aufrecht und konnte doch nicht verbergen, dass das lange Stehen an seinen Kräften zehrte. Kakashi entging nicht, wie sein Atem schwer ging und er sich auf Ōkami stützen musste, ganz gleich, wie sehr Tobirama das zu verbergen versuchte.
Immer und immer wieder wurde Kakashi an jenen einen Moment erinnert, der dazu geführt hatte. Minatos Hand in Tobiramas Brustkorb.
Kakashis Hand in Rins Herz. Ihr warmes Blut, das seinen Arm hinabrann. Das verlöschende Licht in ihren Augen. Die Tränen, die sein Gesicht hinabrannen oder vielleicht war es auch der Regen. Die Kälte, die ihn nie wieder verlassen hatte.
Er ertrug es nicht länger.
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging. Er versuchte mit aller Macht, es nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen. Weder Tobirama noch Minato sagten ein Wort und ließen ihn ziehen.
Kakashi musste einfach etwas tun, irgendetwas, um der Leere in ihm keinen Raum zu bieten. Er hatte schon einmal an diesem Abgrund gestanden, und er erkannte, dass er gerade wieder darauf zuzusteuern drohte, wenn er nicht aufpasste. Immer und immer wieder sah er, was geschehen war. Der Fluch eines Sharingan, das nicht vergaß.
Dennoch führte ihn sein Weg fast automatisch zurück zum Ort des Geschehens. Der ganze Häuserblock war abgesperrt worden, teils, um die einsturzgefährdeten Häuser abzusichern, die beim Kampf schwer beschädigt worden waren, teils aber auch, um in den Trümmern nach jeder noch so kleinen Spur zu suchen. Wenn Kakashi etwas erreichen wollte, dann fing er am besten hier an. Er konnte einfach nicht länger nutzlos herumsitzen und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Er wusste, dass das nie gut endete. Besser, wenn er sich mit irgendetwas ablenkte, und noch besser, wenn er sich dabei nützlich machte im Versuch, alles irgendwie wieder gerade zu biegen.
Wie auch in den letzten zwei Wochen waren hier einige Shinobi am Werke, und als Kakashi in den Krater hinabstieg, machte er auch Sarutobi und Jiraiya aus. Welch eine Ironie, dass es ausgerechnet Sarutobi war, der in den vergangenen Tagen für Ordnung im Dorf gesorgt hatte, nachdem er so tief in Ungnade gefallen war. Aber Minato hatte einfach nicht von Tobiramas Seite weichen wollen.
Kakashi kannte seinen sensei gut, in all den Jahren, die sie sich nun schon kannten, hatte er gelernt, hinter die Maske zu schauen, die Minato trug. Er wusste um die Seite an Minato, die er niemandem zeigte, die der Schatten zu seinem sonnigen Gemüt war. Wo die Sonne hell schien, waren die Schatten umso dunkler.
Unter der Maske verbarg er auch all seine Sorgen, seinen Kummer und Schmerz. Aber das konnte nicht auf ewig gut gehen. Wie er sich jetzt an Tobirama klammerte, zeigte nur allzu deutlich die Risse, die die Maske bekam. Wie als wolle Minato um jeden Preis sicherstellen, dass es Tobirama gut erging, um Wiedergutmachung dafür zu leisten, dass er Tobirama beinahe getötet hätte.
Kakashi konnte viel zu gut nachvollziehen, wie Minato sich derzeit fühlen musste. Nur dass Rin nicht so viel Glück wie Tobirama gehabt hatte.
»Hey, Kakashi!« Jiraiya hatte ihn entdeckt und verhinderte damit, dass Kakashis Gedanken noch weiter in gefährliche Richtungen abdrifteten.
Kakashi kletterte über die Trümmer hinweg und bahnte sich einen Weg zu ihm. Jiraiya stand vor dem, was einmal ein Regal gewesen war, jetzt aber nur noch ein Haufen Kleinholz, zersplittertes Glas und Dinge, über die Kakashi lieber nicht weiter nachdachte.
»Was machst du so ein langes Gesicht, Kakashi?«, wollte Jiraiya wissen, während er den Schraubdeckel hinter sich warf, den er gerade begutachtet hatte.
»Gerade war Sukeas Begräbnis«, sagte Kakashi kurz angebunden.
»Oh.« Jiraiya räusperte sich verlegen. »Mein Beileid. War er auch bei der Anbu? Kanntest du ihn?«
»Er war in meinem Team.« Eigentlich hatte Kakashi gerade keine Lust, dazu ausgefragt zu werden.
»Ah.« Offensichtlich bemerkte Jiraiya dann doch Kakashis Ton und beließ es dabei. »Nun. Jedenfalls bist du doch sicher nicht nur hier für einen Plausch. Was hältst du davon, wenn du dich hier ein wenig umsiehst? Du hast doch so gute Augen. Eines jedenfalls.«
Manchmal fragte sich Kakashi, wie dieser Mann jemals Minatos sensei hatte sein können.
Kakashi begann dennoch, sich durch die Trümmer zu arbeiten, und Jiraiya war endlich zu etwas nütze, indem er Kakashi eine Zusammenfassung dessen gab, was sie mittlerweile wussten.
»Das Offensichtliche ist, dass das hier einmal ein Labor gewesen war«, begann er. »Wie lange das schon bestand hatte, keine Ahnung, aber anscheinend eine Weile.«
Kakashi nickte. »Hatte mir schon so etwas in der Art gedacht. Direkt unter unserer Nase. Vielleicht hat es ja deswegen so lange gedauert, bis wir es gefunden hatten. Ich hatte immer vermutet, dass er unter seinem Haus vielleicht geheime Tunnel hat, die aus dem Dorf herausführen.«
Er hatte mit seinem Team die Dorfgrenzen abgesucht, aber nirgends Ausgänge gefunden, die hierher geführt hatten. Sie waren nie fündig geworden, weil es so etwas anscheinend nie gegeben hatte.
»Aber sagtest du nicht einmal, dass Orochimaru manchmal für mehrere Tage verschwunden war?«, erkundigte sich Jiraiya.
»Vielleicht hat er sich einfach hier unten eingeschlossen und deswegen war nie etwas von ihm zu sehen.« Kakashi zuckte mit den Schultern. Zutrauen würde er es dem Kerl.
Eines der Gläser hatte die Zerstörung wie durch ein Wunder überlebt. Kakashi zog es unter dem Brett hervor, unter dem er es gefunden hatte. In der klaren Flüssigkeit schwamm etwas, das verdächtig nach einem menschlichen Hirn aussah. Er verzog angewidert das Gesicht.
»Und doch hat er sich anscheinend in Luft aufgelöst. Mal wieder«, sinnierte Jiraiya. »Ich glaube, er hat hier irgendwo doch noch einen Geheimgang. Würde ihm ähnlich sehen.«
Kakashi schwieg dazu. Er war dem Kerl erst zweimal begegnet, was zweimal zu viel war. Stattdessen hielt er das Glas hoch. »Was hat er hier gemacht?«
Jiraiyas Gesicht verfinsterte sich, doch es war Sarutobi, der antwortete. Während sie gesprochen hatten, hatte er sich ihnen genähert.
»Menschenversuche.« Irgendwie schaffte es Sarutobi, das mit ruhiger, gefasster Stimme zu sagen. Man konnte von ihm sagen, was man wollte, zumindest behielt er stets die Nerven beisammen, egal in welcher Situation. Eine Fähigkeit, die nicht zu unterschätzen war. »Orochimaru hat an verbotenen Dingen geforscht, mit dem Tod experimentiert und anscheinend die Versuche fortgeführt, die ich vor Jahren schon verboten hatte.«
Was also hieß, dass er versucht hatte, Mokuton nachzubilden.
»Er hatte ein Jutsu erwähnt, Edo Tensei«, hakte Jiraiya nach. »Was ist das?« Als Sarutobi nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: »Ist es ein Jutsu von Nidaime Hokage?«
Noch immer antwortete Sarutobi nicht. Jiraiya runzelte die Stirn und wandte seinen Blick Kakashi zu. Der hob abwehrend die Hände.
»Tobirama mag zwar mein Großvater sein, aber er ist auch mein Boss. Er hat verboten, dass darüber gesprochen wird.«
Jiraiya sah ihn verwundert an. »Du weißt davon? Wieso hat er dir verboten, darüber zu sprechen?«
»Weil es zu gefährlich ist«, antwortete Sarutobi. »Und wenn Nidaime-sama sein eigenes Jutsu als Kinjutsu einstuft, dann wird er seine Gründe dafür haben.«
»Vielleicht sollten wir uns fragen, was das für Gründe sind und wieso sie überhaupt notwendig waren«, sagte Jiraiya lauernd. »Was ich mir dazu hatte zusammenreimen können, hat das Jutsu etwas damit zu tun, Tote wiederzubeleben. So ein Jutsu entsteht doch nicht einfach so im luftleeren Raum. Wir jagen Orochimaru, aber bei Tobirama drücken wir ein Auge zu. Warum? Weil er vor langer Zeit mal Hokage gewesen war und Minato ihm jetzt nachschmachtet?«
»Versuch‘s gar nicht erst.«
Kakashi sah auf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass Tsunade zu ihnen gestoßen war.
Jiraiya sah sie missmutig an und schnaubte. »Bin ich denn der einzige, der Bedenken in Bezug auf seine Person hat?«
»Du bist zumindest der einzige, der Tobi-oji nicht kennt und außerdem lenkst du vom Thema ab«, stellte Tsunade klar. »Wenn dir Minato noch einmal eine Schelle verpasst, flicke ich dich nicht noch mal zusammen.«
Kakashi hatte das nur am Rande mitbekommen, aber nach allem, was er davon gehört hatte, hatte es Jiraiya auch verdient und gerade erweckte es denselben Eindruck. Er wollte anscheinend nicht lernen.
Jiraiya wirkte nicht allzu glücklich ob der Zurückweisung. Er schien noch etwas dazu sagen zu wollen, beließ es dann jedoch dabei. Stattdessen wechselte er das Thema. »Um ehrlich zu sein, mache ich mir Sorgen um Minato. Das war jetzt das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass er beinahe die Kontrolle über das Siegel verloren hätte und jedes Mal wurde es schlimmer. Ich will nicht wissen, was beim dritten Mal passiert.«
Tsunade regte sich unruhig, sagte aber nichts. Auch Kakashi gestand sich ein, dass er langsam ein mulmiges Gefühl bekam. Er hatte keine Ahnung von diesen Siegeln, aber auch er erkannte, dass das nicht gut sein konnte.
»Wir können nur darauf hoffen, dass Nidaime-sama und Minato wissen, was sie tun«, sagte Sarutobi. »Wir selbst können da ohnehin keinen Einfluss darauf nehmen.«
Jiraiya runzelte die Stirn. »Sorgt euch das kein bisschen? Tsunade?«
»Du glaubst ja gar nicht, wie sehr«, murrte sie.
Wusste Jiraiya, dass Minato Tsunades Sohn war? Es machte nicht den Eindruck.
»Aber was ist jetzt mit Orochimaru?«, fragte Kakashi, weil er wirklich nicht weiter über unsichere Versiegelungen übermächtiger Bijū nachdenken wollte.
»Er ist ohne eine Spur entkommen«, sagte Sarutobi.
»Und gerade das macht mich glauben, dass hier irgendwo noch ein geheimer Gang sein muss«, betonte Jiraiya. »Ja, es war alles ziemlich chaotisch, da hätte er sicher einfach auf herkömmlichem Wege verschwinden können. Aber seine Handlanger waren alle verletzt, weit hätten sie nicht kommen können, ohne dass es irgendwem im Dorf auffiel. Und das ist nicht der Fall, ich habe mich bereits herumgefragt.«
Um ehrlich zu sein, hatte Kakashi keine Ahnung, was bei diesem Kampf alles geschehen war. Er war mit diesem Spinnentypen beschäftigt gewesen und irgendwie tauchten dann auch noch drei Dämonen auf und eine riesige Schlange und eine ebenso große Kröte und alles war in Schutt und Asche gelegt worden. Er war wie alle anderen damit beschäftigt gewesen, seine eigene Haut zu retten.
Das einzige, was er noch klar vor Augen hatte, war, wie Tobirama aufgespießt auf Kyūbis Klaue endete. Hinterher hatte Kakashi von Jiraiya erfahren, dass er versucht hatte, Kyūbis Chakra zu unterdrücken. Es hatte offensichtlich funktioniert, denn das nächste, an das sich Kakashi in seinem Schock erinnern konnte, war ein hysterischer Minato, über und über mit Tobiramas Blut besudelt. Es war überall gewesen, so viel Blut, es war furchtbar.
Und Kakashis Gedanken waren eingefroren. Er war nicht mehr in Konoha gewesen, sondern in irgendeiner hinterwäldlerischen Gegend nahe der Grenze. Es hatte geregnet und durch den Regen hindurch hatte Rin ihm ein letztes blutiges Lächeln geschenkt. Sie war mit seinem Namen auf den Lippen gestorben, immer und immer und immer wieder.
»He, Kakashi! Aufwachen!«
Jemand schnippte neben seinem Ohr mit den Fingern.
Erschrocken zuckte Kakashi zusammen und sah Tsunade neben sich stehen. Sie musterte ihn. Wie lange war er mit den Gedanken weg gewesen? Worüber hatten sie gerade gesprochen?
Sarutobi hatte einige Dokumente auf ein Trümmerteil gelegt und blätterte hindurch. »Orochimarus Aufzeichnungen«, sagte er. »Ein paar haben den Kampf überstanden, ich hoffe, wir finden noch mehr. Aber es erweckt den Anschein, dass er in der Tat an Edo Tensei geforscht hat und sich auch Gedanken zu Mokuton gemacht hatte. Ach, ich hätte das damals niemals anstoßen dürfen.«
Was danach geschehen war, nachdem Minato wieder zu sich gekommen war, wusste Kakashi nicht mehr. Der Schock hatte seinen Körper und sein Gehirn gelähmt. Jemand hatte wohl auch ihn leicht sediert, denn das nächste, was er wusste, war, wie er an Tobiramas Krankenbett saß und darauf hoffte, dass er aus der Narkose wieder aufwachte, während Sarutobi noch immer versucht hatte, Minato zu beruhigen. Alles dazwischen war nur ein verschwommener Strom unzusammenhängender Bilder.
»Sie hatten Ihre Gründe, sensei«, sagte Jiraiya. »Und so verkehrt war die Idee doch auch nicht. Immerhin hatte Shodai-samas Mokuton einen enormen Wert für das Dorf.«
Was war mit Tenzō? Wo war dieser Junge, der ebenfalls dieses kekkei genkai besaß? Konnte er einen Bijū kontrollieren? Konnte er Minato vor dem Monster retten, das er gezwungen gewesen war, in sich einzuschließen? Kakashi musste unbedingt mit Tobirama darüber reden.
Tsunade schnaubte. »So ein Blödsinn! Bei aller Liebe zur Wissenschaft, aber es gibt Grenzen und die liegen bei Menschenversuchen. Warum geht das nicht in deinen Dickschädel, Jiraiya? Es wurden Versuche an Menschen gemacht, es gab Tote!«
»Und als ich das erkannt hatte, war es bereits zu spät gewesen«, sagte Sarutobi reumütig, was die Toten allerdings auch nicht wieder lebendig machte. »Vielleicht war es ja das, was zu dieser Situation hier geführt hatte.«
»Aber warum Sukea?«, fragte Kakashi. »Warum er? Was wollte Orochimaru von ihm?«
»Ich fürchte, er war nur ein zufälliges Opfer«, sagte Sarutobi. »Die Obduktion hat ergeben, dass Orochimaru in der Tat Versuche an ihm durchgeführt hat.«
Weil Sarutobi anscheinend nicht gewillt war, das weiter auszuführen, fügte Tsunade an: »Wenn du willst, kann ich dir den Bericht geben, auch wenn‘s vielleicht nur ein schmaler Trost sein wird.«
Kakashi nickte. Sukeas Tod würde dadurch zwar nicht weniger sinnlos werden, aber zumindest würde Kakashi etwas mehr Klarheit erlangen können.
»Aber da ist immer noch eine Sache, die mir Rätsel aufgibt«, fuhr Sarutobi fort. »Anscheinend war Orochimaru der Ansicht, ich hätte das, was er hier tat, gebilligt.«
Jiraiya nickte. »Er schien überrascht, dass das nicht der Fall war.«
Die alles entscheidende Frage war doch, wie Orochimaru überhaupt an das Wissen zu Edo Tensei herangekommen war. Er dachte an das zurück, was Tobirama ihm in seinem Labor gezeigt hatte, und plötzlich wusste Kakashi die Antwort.
»Er wird mit Danzō zusammengearbeitet haben«, platzte er heraus.
Die drei anderen sahen ihn zunächst verwundert an, und dann schien die Erkenntnis auch bei ihnen einzusetzen.
Sarutobi seufzte. »Ach, es wird wohl Zeit, dass ich mir das auch eingestehe. Immer und immer wieder hat Danzō versucht, Orochimaru in einflussreiche Positionen zu bringen, nicht zuletzt sogar als Yondaime Hokage. Er war sehr aufgebracht, als ich Minato den Vorzug gab. Wenn einer weiß, wie man sich unbefugt Zugang zu Nidaime-samas Geheimnissen verschafft, dann er. Es kann niemand anderes als er gewesen sein, der Orochimaru dabei geholfen hat.«
»Aber reicht das, um ihn festzusetzen?«, gab Kakashi zu bedenken. »Ich habe bereits mit Tobirama alles bei ihm durchsucht, und wir haben nichts gefunden. Ein auffälliges Nichts zwar, aber doch ein Nichts.«
»Ich fürchte, nein«, räumte Sarutobi ein.
»Aber etwas müssen wir doch tun können«, protestierte Tsunade. »Mit Verlaub, sensei, aber Ihre Freunde, wenn man sie denn so nennen will, kann ich schon lange nicht mehr leiden. Mit Ausnahme Torifus.«
»Ich hätte schon vor Jahren auf ihn hören sollen«, sagte Sarutobi. »Er hatte von Anfang an Recht. Aber es bringt nichts, vergossenem Tee nachzutrauern. Wir müssen handeln. Ich werde Teams zusammen... Nein, ich werde gar nichts tun. Aber wir müssen Minato davon unterrichten.«
Jiraiya gab einen missmutigen Laut von sich. »Ich fass es nicht, dass wir das hier wirklich tun. Ja, ich weiß. Orochimaru ist ein Mistkerl. Aber irgendwie … ist er doch noch mein Kamerad.«
Sarutobi seufzte und sah ihn mitfühlend an. »Ich weiß, Jiraiya. Ich weiß.«
Nächstes Kapitel: Mikoto kommt mit den Kids zu Besuch.
Kapitel 11: Zu Besuch
Danzō war verschwunden, und das war wohl das deutlichste Schuldeingeständnis, das sie sich vorstellen konnten. Natürlich war das erste, was Minato getan hatte, nachdem er davon gehört hatte, eine Hausdurchsuchung anzuordnen. Bis jetzt war sie jedoch ergebnislos geblieben.
Tobirama war indes aus dem Krankenhaus entlassen worden, hatte von Tsunade jedoch Hausarrest bekommen, und sie sorgte persönlich dafür, dass er sich auch daran hielt. Als er sie gefragt hatte, ob sie nicht Arbeit im Krankenhaus zu erledigen hätte, hatte sie nur gemeint, dass sie sehr wohl ihrer Arbeit nachging.
Manchmal vermisste er das kleine Mädchen in dem niedlichen Kleid mit den Schleifen und den großen Zahnlücken.
Er durfte sich zwar noch nicht wieder körperlich betätigen, nichts was über einen Spaziergang durch den Garten hinausging jedenfalls. Aber das hielt ihn nicht davon ab, seinen Geist zu bemühen. Mit seinem Kopf war immerhin alles in Ordnung. So kam es, dass er dieser Tage oft mit Minato zusammen bei ihnen daheim am kotatsu saß und sie zusammen versuchten, Ordnung in das Chaos zu bringen, das Konoha dieser Tage war. Hin und wieder war auch Kakashi daran beteiligt, wenn er seine Berichte darüber ablieferte, wie die Aufarbeitung der Geschehnisse vonstatten ging.
Insgesamt fünf Tote, allesamt Vermisste der letzten Wochen. Orochimaru hatte an ihnen allen experimentiert. Zum Glück fragte niemand, wie es sein konnte, dass Tobirama anhand der Spuren so genau bestimmen konnte, was Orochimaru da alles getan hatte. Nun, Kakashi und Minato konnten es sich wahrscheinlich denken, aber sie stellten keine Fragen. Weise Entscheidung.
Tobirama war sehr schnell klar geworden, was Orochimaru da versucht hatte. Er hatte irgendwie Wissen über Tobiramas Edo Tensei erhalten, doch es war lückenhaft. Orochimaru hatte das erkannt, und versucht, anhand eigener Forschungen diese Lücken zu schließen. Leider waren ihm dabei fünf Menschen zum Opfer gefallen, und wer wusste schon, ob er noch andernorts sein Unwesen getrieben hatte.
Irgendwie hatte es Hiruzen auch geschafft, aus dem ganzen Trümmerhaufen, den sie hinterlassen hatten, einige ältere Aufzeichnungen Orochimarus auszugraben, in denen hervorging, dass Orochimaru sich auch Gedanken zu Mokuton gemacht hatte. Das hatte sowohl Tobiramas als auch Kakashis und Minatos Gedanken zurück auf Tenzō gelenkt.
»Irgendwoher muss er ja gekommen sein«, sagte Kakashi. »Er kam aus dem Nichts und verschwand wieder ins Nichts, aber das ist doch eigentlich unmöglich.«
»Ich habe mir angesehen, was über die damaligen Experimente unter Hiruzen geschrieben wurde.« Auch wenn Tobirama noch immer die Galle hochkam beim Gedanken daran. »Keines davon war auch nur ansatzweise erfolgreich, das hatten sie auch gar nicht sein können. Die Veranlagung zu Mokuton lag in Hashiramas Zellen, das ist nichts, das in einem Labor herbeigezüchtet werden kann.«
»Die Implikation ist …«, setzte Minato an.
»Sag es nicht«, unterbrach Tobirama ihn und verzog das Gesicht. Er wusste, was das implizierte, und er wollte darüber nicht nachdenken. »Ich weiß nicht, wo anija ist. Ich weiß es einfach nicht. Ich habe ihn nicht finden können. Er ist einfach verschwunden.«
Wie aber hatte das jemandem gelingen können, wenn selbst Tobirama hatte aufgeben müssen? Die Frage nagte an ihm.
»Tenzōs Existenz trotz der gescheiterten Versuche heißt aber auch, dass das anscheinend im Verborgenen fortgesetzt wurde«, setzte Kakashi den Gedanken fort. »Orochimaru war der Meinung, Sarutobi hätte das bewilligt, aber er verneint das entschieden.«
»Und er hat keinen Grund zu lügen, ich glaube ihm«, sinnierte Tobirama.
»Dafür ist jetzt Danzō verschwunden«, warf Minato ein.
»Dafür ist jetzt Danzō verschwunden, in der Tat«, stimmte Tobirama ihm zu.
»Jeder denkt mittlerweile, dass er dahinter steckt«, betonte Kakashi. »Etwas wirklich Handfestes gegen ihn haben wir vielleicht noch nicht, aber sind wir ehrlich: An diesem Punkt ist das nur noch eine Formalie.«
Schon längst hatten sie mehrere Trupps losgeschickt, um sowohl Orochimaru als auch Danzō zu jagen. Beide waren sie nun Abtrünnige, die zur Strecke gebracht werden mussten. Im besten Falle fingen sie sie lebend für ein Verhör, aber tot war auch eine Option auf dieser Jagd.
»Ich muss wissen, wo dieser Tenzō ist«, sinnierte Tobirama.
»Gehen wir davon aus, dass Orochimaru diese Experimente fortgeführt hat, womöglich sogar mit der Unterstützung Danzōs«, sagte Minato. »Dann wäre es doch denkbar, dass sie Erfolg hatten.«
»Aber, Kakashi, du sagtest doch, Tenzō hätte dir gesagt, sein Auftrag sei gewesen, Orochimaru für Danzō zu überwachen«, erinnerte sich Tobirama.
Kakashi nickte. »Ja, das ist richtig. Keine Ahnung, wie das zusammenpasst.«
»Das ist für den Moment vielleicht auch nicht wichtig. Finden wir Danzō, finden wir möglich auch diesen Jungen«, betonte Minato.
»Und vielleicht ist er ja wirklich in der Lage, anijas komplexere Jutsus anzuwenden«, fügte Tobirama an und gestikulierte in Richtung Minatos. »Sein Hokage-Shiki Jijun Jutsu.«
Minato hob spöttisch eine Braue. »Aber über meine Jutsunamen beschwerst du dich immer.«
»Anija war keinen Deut besser als du!«, konterte Tobirama. »Schlimm genug, dass ich all die Jahre meinen Bruder hatte ertragen müssen, da muss ich dasselbe nicht jetzt auch noch mit dir durchmachen.«
Minato bohrte ihm neckend einen Finger in die Seite. Kakashi seufzte übertrieben.
Tobirama wurde von den beiden erlöst, als es an der Tür klingelte. Sie erwarteten heute noch Besuch, und er konnte sich denken, wer da an der Tür stand. Mikoto hatte ein gutes Timing.
In dem Moment, wo er die Haustür öffnete, sah Menma ihre Chance zur Flucht gekommen. Tobirama hörte noch ein lang gezogenes Maunzen, das sich rasch entfernte, dann war die kleine Katze entschwunden. Nicht schon wieder.
Er seufzte und benutzte das Hiraishin-Siegel in der Marke, die Menma an einem Halsband trug. Das war Minatos Idee gewesen, weil die kleine Katze ihnen dauernd entwischte, obwohl sie das Haus nicht ohne Leine verlassen durfte.
Menma protestierte laut, als Tobirama sie im Nacken griff und hochhob. Ihr schmeckte es nicht, dass ihr Fluchtversuch nach wenigen Metern schon gescheitert war. Dessen ungeachtet ging er zurück zu Mikoto. Sie hatte das ganze mit einem amüsierten Schmunzeln beobachtet. Itachi und Shisui hingen an ihren Rockschößen und musterten Tobirama. Mikoto trug auch ihren jüngsten Sohn, Sasuke, bei sich, der noch etwas schüchtern sein Gesicht in ihr Haar presste und ihr die Arme um den Hals schlang.
»Entschuldigen Sie bitte den etwas unrühmlichen Empfang«, begrüßte Tobirama sie.
Mikoto neigte den Kopf. »Kein Problem, Nidaime-sama. Ich danke Ihnen für die Einladung in Ihr Haus. Kinder, verbeugt euch artig.«
Itachi und Shisui kamen dem nach.
Tobirama hielt ihnen die Tür auf, um sie einzulassen. Indes hatte Minato sich darum gekümmert, ihnen etwas Tee und ein paar Happen bereitzustellen. Ein paar grundlegende Dinge hatte er immerhin doch von Tobirama gelernt. Tobirama führte ihre Gäste herein und drückte Minato die Katze in die Arme. Menma wandte sich aus seinem Griff und sprang davon, um einem Federspiel nachzujagen, mit dem Kakashi sie lockte, nicht jedoch ohne ihre Krallen in Minatos Schulter zu bohren. Tobirama hob Naruto aus seinem Laufstall und setzte sich mit ihm zu den anderen.
Mikotos Augen leuchteten auf, als sie das Baby sah. Sie beugte sich vor, um Naruto besser sehen zu können, der sie jedoch aus der Sicherheit von Tobiramas Armen heraus kritisch musterte.
»Hallo, Naruto-chan«, begrüßte sie ihn. »Ich freue mich, dich kennenzulernen. Ich bin Mikoto, deine Mama war meine Freundin.« Sie streckte die Hand nach Naruto aus, ließ es dann aber bleiben, als sie merkte, dass Naruto das nicht wollte. »Noch ein wenig schüchtern, der Kleine«, stellte sie schmunzelnd fest.
»Wenn er auch nur ein kleines bisschen nach Kushina kommt, gibt sich das sicher bald«, war sich Minato sicher.
Mikoto rückte stattdessen ein Stück näher auf. »Awww, so ein süßer kleiner Wonneproppen. Er ist Kushina wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Interessant. Die Meisten stellten eher die große Ähnlichkeit zu Minato heraus.
Naruto hatte Sasuke ausgemacht und beäugte ihn erst kritisch, dann neugierig. Er hatte bisher kaum Kontakt zu Gleichaltrigen gehabt. Die Neugierde schien auf Gegenseitigkeiten zu beruhen, denn Sasuke zappelte, um sich aus dem Griff seiner Mutter zu befreien. Auf pummeligen Beinchen wankte er zu Tobirama, stützte sich auf seinem Knie ab und streckte die Hand nach Naruto aus. Dieses Mal scheute Naruto nicht davor zurück. Tobirama setzte ihn sich auf den Schoß, sodass er Sasuke besser sehen konnte.
Die fremden Gerüche hatten indes Ōkami aus ihrem Mittagsschlaf gerissen. Neugierig geworden trottete sie zu ihnen, um das neue Baby zu begutachten. Mikoto zeigte einen kurzen Anflug von Besorgnis, Sasuke hingegen ließ sich davon nicht beirren. Er lachte fröhlich auf, als Ōkami ihn ausgiebig beschnupperte.
»Junges, zartes Fleisch«, stellte Ōkami fest.
Tobirama brummte mahnend.
Mikoto lachte nervös.
»Sie meint es nicht so«, versicherte Minato ihr.
»Sei dir da nicht so sicher, kleiner Welpe.« Ōkami sah dennoch von weiteren Kommentaren dieser Art ab und ließ Gnade walten. Sie legte sich hinter Tobirama hin und bettete den Kopf auf den Pfoten. Sasuke wankte zu ihr und ließ seine kleinen Hände in ihr Fell gleiten. Er versank fast völlig darin. Sie ließ es geschehen.
»Ich bin froh, dass Naruto trotz allem behütet aufwachsen kann«, sagte Mikoto. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für eine Last das alles sein muss, den Jungen ohne seine Mutter aufzuziehen.«
Minatos Lächeln wirkte mit einem Mal ein winziges bisschen aufgesetzter, als er daran erinnert wurde. »Ich bin ja nicht allein, ich habe die Hilfe vieler wunderbarer Menschen.«
»Und ich werd für‘s Babysitten bezahlt.« Kakashi zuckte mit den Schultern. »Alle sind glücklich.«
Mikoto lachte auf. »Sag, Kakashi, ist es nicht toll, einen kleinen Bruder zu haben? Itachi jedenfalls hat sich sehr über Sasuke gefreut.«
»Ähm.« Kakashi sah sie perplex an. »Ich, äh … ich hab da noch nicht so drüber nachgedacht.«
Er wusste noch nichts von Minatos Idee, Naruto von Tobirama adoptieren zu lassen. So lange sie noch selbst nicht über die Details im Klaren waren, hatten sie das erst einmal für sich behalten wollen.
»Ein kleines Brüderchen zu haben, ist toll«, verkündete Itachi wohl im Versuch, Kakashi ein wenig Zuspruch zu geben. »Ich freue mich schon darauf, Sasuke später einmal beim Training zu helfen.«
»Na, das hat noch ein bisschen Zeit.« Mikoto strich ihm mit einem warmen Lächeln über den Kopf.
»Bababa«, brabbelte Naruto und streckte seine Hände nach Ōkami aus.
Tobirama setzte ihn neben sich. Naruto krallte seine kleinen Hände in Tobiramas Hemd und zog sich daran hoch. Wagemutig machte er einen Schritt voran … und plumpste auf den Po. Er ließ sich davon jedoch nicht beirren und krabbelte zu Sasuke, um gemeinsam mit ihm mit Ōkamis Fell zu spielen. Ōkami ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Ich sehe, da verstehen sich zwei prächtig.« Minato schmunzelte, als er seinen Sohn beobachtete.
»Na, wenn das kein guter Start für eine Freundschaft ist, weiß ich auch nicht«, stimmte Mikoto zu. Sie wandte sich an Tobirama. »Nidaime-sama, ich habe von Ihrem, nun, Unfall gehört. Ich hoffe, Sie haben sich gut erholt.«
Tobirama hielt einen mürrischen Laut zurück. »Meine Nichte ist eine fähige Ärztin. Ich bin in guten Händen.«
»Tobirama ist ein Dickschädel, er lässt sich nicht so schnell unterkriegen«, sagte Minato leichthin. Tobirama wusste, dass sein Lächeln nur aufgesetzt war.
Er bemerkte, dass Shisui ihn musterte, eine unausgesprochene Frage in den Augen. »Ich mag zwar derzeit nicht im Vollbesitz meiner Kräfte sein, aber ich kann euch dennoch weiter trainieren«, sagte er daher.
»Leute herumkommandieren kannst du ja so gut«, warf Kakashi mit einem zuckersüßen Ton ein.
»Ich kann ebenso gut freche Enkel vor die Tür setzen«, konterte Tobirama.
»Du solltest deine Drohung vielleicht auch irgendwann einmal in die Tat umsetzen, sonst verliert sie ihre Wirkung.«
»Fordere dein Glück nicht heraus, Junge.«
»Machst du doch eh nicht, sofu.«
»Die nächste unangenehme Mission ist deine.«
Kakashi maulte genervt.
»Ich möchte keine Umstände bereiten, Nidaime-sama«, warf Shisui ein.
Tobirama winkte ab. »Das tust du nicht. Kommt, nehmt euch noch einen Bissen zur Stärkung und dann gehen wir hinaus. Deshalb habe ich euch schließlich hergebeten.«
Shisui und Itachi leisteten dem Folge und liefen dann Tobirama nach, der sie in den Garten führte. Mit einem vernehmlichen Schnaufen, das er nicht überspielen konnte, ließ er sich auf den engawa sinken; er war nun schon einige Stunden auf den Beinen, und auch wenn er in dieser Zeit nicht viel gemacht hatte, so zehrte es doch an seinen Kräften. Es war frustrierend.
Shisui und Itachi stellten sich vor ihm auf und sahen erwartungsvoll zu ihm auf. Sie hatten ihre Trainingsausrüstung mitgebracht, wie er sie angewiesen hatte. Die beiden Kinder hatten sich in den vergangenen Monaten unter seiner Anleitung enorm weiterentwickelt. Sie waren ohnehin weit für ihr Alter, und Tobirama hatte sie nur sanft ein wenig in die richtige Richtung lenken müssen, und sie waren ihren Altersgenossen weit davon gestürmt. Insbesondere mit Shisui war es, als sähe er sich erneut einem jungen Kagami gegenüber, und auch Itachi war vielversprechend. Beide hatten sie, wenn sie das nur wollten, eine strahlende Zukunft vor sich.
»Was habt ihr heute in der Akademie gemacht?«, fragte Tobirama seine übliche Frage.
»Wir haben wieder mit Shuriken geübt«, sagte Itachi und versuchte vergebens, seine Enttäuschung aus seiner Stimme herauszuhalten. Er hatte ein besonderes Talent für Wurfwaffen, und entsprechend langweilten ihn die Standardübungen in der Klasse. »Die anderen müssen noch viel üben, also ließ mich unser sensei die Technik demonstrieren. Aber es war nur eine einfache Übung, wir sollten ein von einem Ast herabhängendes Ziel treffen.«
Für Itachi natürlich eine leichte Übung, er konnte schon längst ein bewegliches Ziel ohne Schwierigkeiten treffen.
»Aber Shisui hat sich eine eigene Übung ausgedacht«, fügte Itachi an. »Wenn es Ihnen recht ist, möchten wir das trainieren, diese Wurftechnik habe ich noch nicht gemeistert.«
Tobirama nickte. »Was für eine Technik ist das?«
»Es geht darum, mehrere Ziele mit nur einem einzigen Wurf zu treffen, auch in einem toten Winkel«, erklärte Shisui.
Zum Glück hatte Tobirama vorausgedacht und jüngst mit Kakashis Hilfe ein paar Zielscheiben in seinem Garten aufgestellt. Er konnte ja noch keine langen Spaziergänge in den Wald unternehmen, um dort die Kinder zu trainieren. Er erlaubte ihnen, die Ziele gemäß ihres Vorhabens zu platzieren und verfolgte interessiert das Geschehen. Wenn sie sich schon selbst neue Herausforderungen stellten, wollte er das natürlich fördern.
Shisui und Itachi platzierten die Ziele nahezu kreisförmig und hingen sie auch in die Bäume im Garten. Tobirama merkte auf, als er erkannte, dass nicht alle Ziele in einer direkten Wurflinie zu Shisuis Position waren, als sich Shisui zum Wurf bereit machte. Dafür klemmte Shisui jeweils vier Kunai zwischen die Finger jeder Hand. Shisui nahm Maß, dann sprang Shisui in die Luft und wirbelte um die eigene Achse. Die Kunai flogen davon, ihre silbernen Schneiden blitzten im Sonnenlicht auf. Es klirrte metallen, gefolgt von mehreren dumpfen Aufprallgeräuschen. Alle Kunai hatten ihr Ziel gefunden, wenn auch nicht immer ins Zentrum. Selbst in der Scheibe im toten Winkel hinter einem Stein steckte ein Kunai.
Shisuis Sharingan hatte es möglich gemacht, dass Shisui die Flugbahnen aller Kunai hatte erkennen können. Mithilfe eines neunten Kunai hatte Shisui die Bahnen so verändern können, dass alle dort landeten, wo sie sollten.
Leichtfüßig landete Shisui wieder.
»Beeindruckend«, sagte Tobirama und meinte es auch so. Das war kein Trick, den jedermann mal eben würde erlernen können, und auch Tobirama würde sicher eine ganze Weile brauchen, um ihn zu meistern.
Bewunderung lag in Itachis Augen, als er Shisui beobachtet hatte. Tobirama forderte ihn auf, es selbst zu versuchen, und Itachi zögerte nicht, sich der Herausforderung zu stellen. Seine Haltung war gut, entspannt und sicher. Er wusste, worauf es ankam.
Als er jedoch warf, verfehlten einige Kunai ihr Ziel, und ihm gelang es auch nicht, mit dem neunten Kunai, die anderen präzise genug abzulenken. Eines der Kunai landete gar in einem nahen Busch und verfehlte sein Ziel deutlich. Itachi presste die Lippen aufeinander, als er sich sein Ergebnis besah.
»Gut«, sagte Tobirama dennoch. »Sehr gut sogar. Ihr habt das schon eine Weile geübt, nicht wahr?«
Beide Kinder nickten.
»Shisui ist dennoch viel besser als ich«, sagte Itachi.
»Shisui hat allerdings ein Sharingan, du noch nicht, Itachi-kun«, erinnerte Tobirama ihn. »Das macht einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Dennoch, oder gerade deswegen hast du die Übung bereits sehr gut absolviert und beweist ein Können, das weit über dem eines Anfängers liegt.«
Itachi war anscheinend noch nicht gänzlich überzeugt. »Ich danke Ihnen, Nidaime-sama. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, als würde ich mehr mit Glück werfen, als wirklichem Können. Es fällt mir schwer, die Bahn der Kunai vorauszusehen und damit auch, sie zu lenken, wie Shisui das macht. Ist das überhaupt möglich ohne ein Sharingan?«
»Mit viel, sehr viel Übung vielleicht.« Tobirama war ehrlich mit ihm. »Ein Sharingan gibt dir viele unschätzbare Vorteile über alle, die nicht über dieses kekkei genkai verfügen. Aber das ist nicht alles, worauf es ankommt.«
Shisui meldete sich, und Tobirama ließ Shisui zu Wort kommen.
»Sharingan anzuwenden, verbraucht Chakra«, fügte Shisui an. »Chakra, das ich dann nicht mehr für andere Jutsus übrig habe. Also will es wohl überlegt eingesetzt sein, so hat es Tantchen mir gesagt.«
»So ist es«, bestätigte Tobirama. »Welchen Schluss zieht ihr daraus?«
Die Kinder überlegten einen Moment.
»Dass wir uns nicht allein auf unser Sharingan verlassen sollen«, antwortete Itachi.
Tobirama nickte. »Korrekt. Daher will ich, dass ihr beide diese Übung wiederholt. Ohne Sharingan, Shisui-kun.«
Shisui nickt zum Zeichen, dass die Anweisung verstanden worden war. Beim nächsten Versuch traf auch Shisui nicht mehr so präzise wie zuvor. Tobirama beobachtete beide Kinder genau und fand natürlich einiges, das noch einer Korrektur bedurfte. Dass sie ihren Altersgenossen weit voraus waren, hieß noch lange nicht, dass sie bereits kleine Meister waren. Auch wenn er ihnen derzeit nicht viel selbst demonstrieren konnte, konnte er ihnen doch zahlreiche Tipps geben, wie sie ihre Haltung verbesserten und ihre Bewegungen optimierten. Shisuis kleiner Trick hing nicht nur vom Sharingan ab, sondern auch von einer präzisen Wurftechnik. Damit fiel und stand viel.
Bereits nach einer Stunde unermüdlichen Übens trafen beide Kinder schon merklich besser. Sie waren schnelle Lerner und aufmerksame Zuhörer. Tobirama war zufrieden mit ihnen.
Nächstes Kapitel: Tobiramas Ideen sind vielleicht doch nicht immer die besten.
Kapitel 12: Durch Raum und Zeit
Aus dem Haus drang fröhliches Babylachen zu ihm. Er hatte die Schiebetür offen stehen lassen, denn es war ein schöner, sonniger Tag. Er warf einen Blick über die Schulter und sah zu Minato und ihrem Besuch. Noch immer unterhielt er sich angeregt mit Mikoto, während die beiden Babys anscheinend mittlerweile beste Freunde geworden waren und begeistert mit den Spielsachen spielten. Naruto blühte regelrecht auf mit Sasuke an seiner Seite. Wer hätte das gedacht.
Uchiha in seinem Haus waren keine völlige Neuheit. Madara war natürlich ein häufiger Gast gewesen, und auch Hikaku und später Kagami waren immer mal wieder zu Besuch gekommen. Dennoch war diese Szene hier keine Selbstverständlichkeit. Mikoto schien keinerlei Bedenken zu haben, dass Tobirama ihrem ältesten Sohn, immerhin Fugakus Erbe, beim Training half, und auch mit Sasuke war sie entspannt genug, dass sie nur ein Auge auf ihn hatte und den Babys einen gewissen Freiraum gab. Nicht jeder in ihrem Clan wäre da so entspannt geblieben.
Soweit Tobirama das mitbekommen hatte, waren Mikoto und Kushina gute Freundinnen gewesen, und so hatte Mikoto auch Minato kennen gelernt. Sie beide hatten zwar bisher nicht allzu viel miteinander zu schaffen gehabt, aber es schien ihnen gut zu tun, gemeinsame Erinnerungen an Kushina zu teilen und sich über ihre Kinder zu unterhalten. Anzunehmen, dass das nicht Mikotos letzter Besuch hier gewesen war. Tobirama hatte nichts dagegen einzuwenden.
Es war ausgerechnet Minato, der nach zwei Stunden beschloss, dass sich Shisui und Itachi eine Pause verdient hätten, als er zu ihnen nach draußen kam und ihnen ein Tablett mit drei Teebechern und mehreren Dango-Spießen brachte.
»Genug geknechtet«, verkündete er. »So hart arbeitende Shinobi brauchen hin und wieder eine Unterbrechung.« Mit einem Zwinkern fügte er an: »Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass Dango sich dabei besonders hoher Beliebtheit erfreuen.«
Dass Itachi eine Schwäche für diese Süßigkeit hatte, war ein offenes Geheimnis, das Tobirama schon längst entdeckt hatte.
Die beiden Kinder traten vor sie und verneigten sich artig. »Vielen Dank, Hokage-sama.«
Tobirama warf einen kritischen Blick zu Minato hinauf, schob das Tablett aber dennoch den Kindern zu. »Halt dich aus meinem Training heraus.«
Minatos Antwort bestand in einem Lachen. »Damit warst auch du gemeint. Tsunade hat mir angedroht, dass sie mich vierteilt, wenn ich kein Auge auf dich hab und du es mal wieder übertreibst.«
Tobirama knurrte missmutig, gab sich aber geschlagen.
Immerhin überließ Minato sie dann wieder sich selbst. Tobirama überließ den Kindern die ganzen Dango und trank lediglich seinen Tee. Das genügte ihm. Itachi verputzte die kleinen Klöße mit Feuereifer, und Tobirama bemerkte, wie Shisui ihm noch ein paar mehr zuschob.
Shisui leckte sich den Sirup von den Fingern und sah dann zu Tobirama auf. »Nidaime-sama, Sie und Hokage-sama beherrschen doch dieses spezielle Shunshin, nicht wahr?«
Tobirama nickte. »Hiraishin no Jutsu mag zwar von außen dem Shunshin no Jutsu ähneln, funktioniert jedoch gänzlich anders.«
Shisui wurde hellhörig. »Was ist der Unterschied?«
»Shunshin ist im Grunde ein optischer Trick«, erklärte Tobirama. »Mittels Chakra bewegt man sich schneller, als das menschliche Auge es wahrnehmen kann, und verschleiert die Bewegungen mit einer Ablenkung, zum Beispiel einigen Blättern. Mit Hiraishin jedoch kann ich mich umgehend zu jedem Ort bewegen, den ich zuvor mit meiner Markierung versehen habe. Die Physik dahinter ist sehr kompliziert, doch im Grunde faltet mein Jutsu den Raum, sodass die Strecke zwischen meiner Position und der meiner Markierung verkürzt wird.«
Shisui schien nicht ganz zu verstehen, was er mit Raumfaltung meinte, und legte stirnrunzelnd den Kopf schief. Shisui beließ es dennoch dabei. »Bringen Sie es uns bei?«
Dieses Mal verneinte Tobirama. »Nein. Es ist zu gefährlich, nicht nur für die anwendende Person. Aus diesem Grund habe ich es nie irgendwem gelehrt, nicht einmal meinen einstigen Schülern.«
Nicht, dass das Mito aufgehalten hätte, sich damit trotzdem zu befassen. Tobirama hätte ihr widersprochen, als sie entschieden hatte, Minato beim Erlernen zu helfen, und wie immer hätte sie ihn eines besseren belehrt. Dennoch blieb Tobirama bei seiner Ansicht, sein Jutsu für sich zu behalten.
»Aber ich kann euch das Shunshin lehren, wenn ihr das wünscht«, fügte er hinzu. Immerhin hatten sie seine Schattendoppelgänger bereits mit Bravour gemeistert und beherrschten sie ausgesprochen gut. Shunshin wäre sicher auch interessant für sie.
Beide Kinder nickten eifrig. Tobirama rief Kakashi herbei, der den Kindern das Jutsu demonstrieren sollte, da Tobirama dazu derzeit noch nicht in der Lage war. Er erklärte Shisui und Itachi die Theorie und worauf es bei dem Jutsu ankam, und Kakashi zeigte ihnen, wie das in der Praxis aussah. Die zwei kleinen Uchiha sogen das neue Wissen wie ein Schwamm auf und lauschten aufmerksam. Sie besaßen eine rasche Auffassungsgabe und so war es nicht verwunderlich, dass ihre ersten eigenen Versuche schon ganz passabel waren.
Sie verbrachten die nächste Zeit damit, weiter zu üben, und bald schon zeigten Shisui und Itachi erste Fortschritte. Sie machten einige typische Anfängerfehler, doch wenn Tobirama sie darauf ansprach, waren sie meist in der Lage, die Fehler selbst zu korrigieren.
»Sie sind beide bemerkenswert intelligent«, sagte Tobirama an einem Punkt zu Kakashi.
»Hmhm«, machte Kakashi zustimmend. »Sie wären an der Polizei verschwendet.«
Hoffentlich bestünde Fugaku nicht darauf, dass sein Ältester ihm auf seinen Posten als Kommandant der Polizei folgte. Denn Kakashi hatte in der Tat Recht. Shisuis und Itachis Talent war andernorts von größerem Nutzen.
»Und du bist sicher, dass du nicht Lehrer werden willst?«, hakte Kakashi nach. »Das liegt dir.«
Tobirama grummelte. »Sei still.«
Kakashi zuckte mit den Schultern. »All diese süßen, kleinen Rotznasen, deren Eltern sich kaum mehr einkriegen würden, wenn Nidaime-sama höchstselbst ihre Kinder unterrichten würde.«
»Sei still, habe ich gesagt.«
Kakashi grinste ganz eindeutig unter seiner Maske.
Tobirama ignorierte ihn und wies Itachi an, seine Schritte leichter zu setzen.
Sicher hätten die Kinder noch länger trainieren können, aber Tobirama sagte ihnen dennoch nach einer Weile, dass sie genug getan hatten für einen Tag. Er gestand es sich ungern ein, aber dieses Mal war er es, der allmählich eine Auszeit benötigte, auch wenn er das nicht laut aussprach. Shisui und Itachi erfrischten sich mit den letzten Dango und etwas Wasser, das Kakashi ihnen brachte.
»Nidaime-sama, erlauben Sie eine letzte Frage?«, wollte Itachi wissen.
Tobirama bedeutete ihm fortzufahren.
»Was braucht es, um Hokage zu werden?« Erwartungsvoll sah Itachi zu ihm auf.
Eine Ernsthaftigkeit lag im Blick des Jungen, die Tobirama sagte, dass es ihm ernst damit war. Er fragte nicht nur, weil das junge Blut des Dorfes schon immer den Stärksten nachgeeifert hatte, sondern weil es ihm wirklich ernst damit war. Ob er wohl den Traum hegte, eines Tages selbst Hokage zu werden? Ein Uchiha-Hokage wäre vielleicht genau das, was das Dorf in der Zukunft würde gebrauchen können.
»Mein Bruder würde euch sagen, dass ihr immer euer Gemüse essen sollt«, antwortete Tobirama ebenso ernst. »Und so ganz verkehrt lag er damit nicht. Eine gesunde Ernährung ist die Grundlage jeden erfolgreichen Trainings, das lernt ihr bereits in der Akademie. Aber das ist bei weitem nicht alles. Hokage zu sein, heißt, über die Grenzen von Familien und Clans hinweg zu denken und das Dorf als Ganzes zu sehen. Für meinen Bruder waren alle hier in Konoha seine Familie, ganz unabhängig von ihrer Herkunft, und er war willens, alles dafür zu geben, um sie zu schützen. Dasselbe gilt auch für mich. Ich bin bereit, jedes Opfer zu bringen, und sei es noch so groß und persönlich, um das Dorf und das, wofür es steht, zu bewahren.«
»Aber das Dorf, das ist mehr als nur ein Ort, nicht wahr?«, fragte Itachi weiter. »Vielmehr sind es doch die Leute, die hier wohnen, die das Dorf ausmachen. Kann man das so sagen?«
Tobirama dachte einen Moment darüber nach. Dann nickte er. »Ja, das kann man so sagen. Das, was das Dorf ausmacht, sind die Menschen, die darin wohnen, die es gestalten und zu dem machen, was es ist. Aber das Dorf ist auch eine Idee. Häuser können wieder errichtet werden, Straßen neu gebaut, aber die Idee bleibt bestehen.«
Itachi schien zu verstehen. Sein Blick kehrte sich nach innen, als er über Tobiramas Worte nachsann. Als er wieder aufsah, lag jedoch eine leichte Unsicherheit in seinen Augen. »Nidaime-sama, darf ich Sie etwas zu Madara-sama fragen?«
Madara-sama, wie interessant. Die wenigsten sprachen so respektvoll von Madara, selbst die Uchiha, für die meisten war er nichts weiter als ein Verräter.
»Natürlich.«
»Warum hat Madara-sama dann das Dorf verlassen? Er hat es mitbegründet. Glaubte er nicht mehr an das, wofür das Dorf steht?«
Shisui schwiegt dazu, musterte aber Tobirama ebenso aufmerksam und wartete auf die Antwort.
Tobirama ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Ich kann nicht sagen, dass ich jemals wirklich verstanden habe, was in Madara vor sich ging. Er sprach so gut wie nie von sich selbst, und ich bezweifle, dass er auch mit anija viel darüber gesprochen hatte, obwohl sie beide sich sehr nahe standen.«
»Und doch haben sie beide gegeneinander gekämpft und Shodai-sama hat Madara-sama getötet.« Itachi klang irritiert. »Bitte verzeihen Sie, Nidaime-sama, wenn diese Fragen zu persönlich sind. Aber ich habe in der Bibliothek kaum etwas dazu gefunden, und als ich Vater fragte, wich er der Frage aus.«
»Es ist nie falsch, nach Wissen zu streben«, beschwichtigte Tobirama ihn. »Ich denke, vieles hängt damit zusammen, dass Madaras und Hashiramas Vorstellungen, wie dieses Dorf zu führen sei, am Ende immer weiter auseinander gingen. Der Kipppunkt, an dem ihre Ideen zu weit auseinanderklafften, war vielleicht Madaras Angriff auf Iwagakure. Es war ein Alleingang, und als wir merkten, dass er fortgegangen war, war es bereits zu spät, um ihn noch aufzuhalten. Madara wollte eine Militärdiktatur etablieren und alle der Macht Konohas unterwerfen, Hashirama aber war nicht diese Art Anführer. Hashirama wollte Frieden durch Kooperation, Madara aber durch absolute Macht.«
Die Kinder schwiegen für einen Moment und senkten die Blicke.
»Ich finde es traurig, jemanden töten zu müssen, der einem sehr nahe steht«, sagte Shisui. »War es das denn wert? Ist das Dorf wirklich wichtig genug, um dafür einen Freund zu töten?«
Tobirama fühlte den altbekannten Stich im Herzen, als er daran zurückdachte. Er weinte keine einzige Träne um Madara, aber das, was Hashirama gezwungen gewesen war zu tun, bedauerte er zutiefst.
»Diese Frage müsst ihr mit euch selbst vereinbaren«, sagte er leise. »Anija war der Meinung, dass es das war, was er tun musste. Aber …«
Aber es hatte ihn gebrochen.
Die Kinder warteten offensichtlich darauf, dass er fortfuhr, aber Tobirama wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Er wollte nicht mit Kindern darüber reden.
Stattdessen stand er auf. »Ihr habt genug gelernt für einen Tag. Übt weiter fleißig, ich lasse euch in ein paar Tagen wieder rufen.«
Die Kinder machten den Eindruck, als hätten sie gern noch weiter trainiert, aber Tobirama merkte, dass er dringend Ruhe brauchte. Ihnen selbstständig etwas zu tun zu geben, war eine willkommene Ausrede, um seine Schwäche zu überspielen. Er führte sie wieder hinein, und weil Shisui und Itachi gute Manieren hatten, protestierten sie auch nicht, dass er das Training für heute für beendet erklärte.
Minato sah zu ihnen und verstand wortlos. Sie wechselten noch einige Worte mit Mikoto und geleiteten sie dann zusammen mit den Kindern zur Tür.
Mikoto verbeugte sich zum Abschied mehrmals tief. »Hokage-sama, ich danke Ihnen für die Einladung und die angenehmen Stunden. Und auch Ihnen, Nidaime-sama, gilt mein Dank, dass Sie sich Shisuis und Itachis annehmen. Ich weiß, dass das bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist und was für eine große Ehre das für uns bedeutet.«
»Talent sollte niemals verschwendet werden«, entgegnete Tobirama.
Von seinem Lieblingsplatz auf Minatos Armen aus wedelte Naruto unbeholfen Sasuke zu und quietschte vergnügt. Sasuke lächelte ebenfalls.
Mikoto wackelte mit den Fingern. »Tschüss, Naruto-chan. Es war schön, dich kennenzulernen.«
Minato stupste Sasuke an und wirkte im gleichen Maße von ihm begeistert wie Mikoto von Naruto. »Und dich ebenso, Sasuke-chan!«
Sasuke schenkte ihm ein zahnlückiges Lächeln.
Mit einer letzten Verbeugung verabschiedete sich Mikoto und ging mit den Kindern davon. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete Tobirama unwillkürlich auf und seine Schultern sackten herab. Mit einem Male fühlte er sich ausgesprochen müde.
Minato trat zu ihm, um ihn aus nächster Nähe zu mustern. Naruto zappelte auf seinem Arm, weil er zu Tobirama gelassen werden wollte. Minato hielt ihn zurück.
»Nicht jetzt, mein Sonnenschein. Dein Papa braucht Ruhe.«
Tobirama räusperte sich. »Denk nicht einmal daran, mich zu bemuttern. Du bist nicht meine Mutter.«
»Deine Mutter sieht das aber ebenso!«, rief Ōkami von irgendwo aus dem Haus.
Tobirama brummte. Natürlich schnappte sie nur wieder das auf, was sie hören wollte.
Minato lachte leise und führte Tobirama wieder zurück ins Haus. Naruto zappelte noch immer, weil er nicht aufgab, zu Tobirama zu wollen.
»Nur, wenn du dann auch einen Nachmittagsschlaf machst, kleiner Sonnenschein«, mahnte Minato ihn. »Und das wirst du jetzt noch nicht wollen, dafür bist du viel zu aufgekratzt.«
Wider seinen Willen musste Tobirama lächeln. »Dafür steckst du mich jetzt ins Bett, verstehe ich das richtig?«
Während er mit einem Arm Naruto bändigte, legte Minato den anderen um Tobiramas Hüfte und stahl sich einen Kuss. Naruto sah seine Chance gekommen, krallte seine kleinen Hände in Tobiramas Pelzkragen und bekam nun doch seinen Willen. Tobirama nahm ihn an sich.
»Cleveres, kleines Würmchen, die Schwäche deines Papas einfach auszunutzen«, neckte Minato und umarmte einfach kurzerhand sie beide, Tobirama und Naruto.
»Soso, ich bin also deine Schwäche«, stellte Tobirama fest. Er musste ein Gähnen unterdrücken.
»Hmmhmm«, schnurrte Minato. »Einfach unwiderstehlich. Rarrw.«
»Kindskopf.«
Minato unterdrückte jeglichen weiteren Protest mit einem Kuss, kein flüchtiger dieses Mal, sondern lang und tief. Als er den Kuss wieder löste, rückte er nur wenige Millimeter von Tobirama ab und sah ihm tief in die Augen. »Aber du solltest dich wirklich für ein paar Stunden hinlegen und ausruhen. Ich weiß, du hörst so etwas überhaupt nicht gern. Aber tu‘s für mich, ja? Und wenn‘s nur ist, um zu verhindern, dass Tsunade mich vierteilt, weil ich zugelassen habe, dass du‘s mal wieder übertreibst.«
»Ich übertreibe nie.«
Minatos Antwort bestand in einer skeptisch erhobenen Augenbraue. Er nahm Naruto wieder an sich. »Ruh dich aus, und wenn du wieder aufwachst, habe ich uns etwas Leckeres zum Abendessen gekocht. Wie klingt das?« Auf Narutos Protest hin fügte er an: »Nein, Naruto-chan, du kannst nicht immer deinen Willen durchsetzen.«
Tobirama drückte Minato einen Kuss auf die Schläfe. »Das klingt nach einem guten Plan.«
Mit diesen Worten überließ er Minato und Naruto sich selbst und ging nach oben, um sich für ein paar Stunden auszuruhen. Es war ja nur für einen kurzen Augenblick. Er kam gerade noch dazu, sich seinen yukata umzulegen. Kaum hatte er sich hingelegt und die Augen geschlossen, war er auch schon eingeschlafen.
Als Tobirama erwachte, war es bereits mitten in der Nacht. Im Zimmer war es dunkel, dennoch bemerkte Tobirama rasch, dass er nicht allein war. Minato lag neben ihm und schlief tief und fest. Für einen Moment überlegte Tobirama, ob er sich einfach umdrehen und weiterschlafen sollte, aber eigentlich fühlte er sich gar nicht mehr so müde. Dann grummelte sein Magen und nahm ihm die Entscheidung ab.
Vorsichtig schlug er die Decke zurück und schlich so leise wie möglich aus dem Zimmer, um Minato nicht zu stören. Er hatte doch eigentlich Tobirama wecken wollen. Eine kleine Notiz an der Kühlschranktür gab ihm die Antwort.
»Du hattest den Schlaf nötig. Deine Portion steht im Kühlschrank«, hatte Minato ihm geschrieben und noch ein Herz dahinter gemalt.
Hoffnungsloser Romantiker. Dennoch schmunzelte Tobirama, als er den Kühlschrank öffnete, um nachzusehen, was Minato, Tsunade und Kakashi ihm übrig gelassen hatten.
Er wurde von einer Schale Yakisoba begrüßt. Kurz überlegte er, ob er die Nudeln einfach kalt essen sollte, dann wanderte sein Blick zu der Mikrowelle. Die Schmach, sich vor seinem Enkel mit moderner Technik blamiert zu haben, saß noch immer tief. Tobirama war zwar noch immer kein Freund von diesem Gerät, aber die Niederlage konnte er einfach nicht auf sich sitzen lassen.
Ein paar Minuten später saß er mit den aufgewärmten Nudeln vor sich am Küchentisch. Die Uhr über der Tür verriet ihm, dass es kurz nach drei war, er also weit über elf Stunden geschlafen hatte, viel mehr, als für ihn typisch war. Ausgeruht fühlte er sich trotzdem oder gerade deswegen nicht, aber wieder ins Bett zu gehen, würde ihm auch nicht helfen. Er beschloss, die Stunden bis zum Morgen stattdessen effektiv zu nutzen.
Es gab da diese eine Sache, die ihm seit dem Vorfall mit Orochimaru durch den Kopf ging und an der er gearbeitet hatte, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergeben hatte. Geistige Arbeit hatte Tsunade ihm schließlich nicht untersagt, und nach so viel Schlaf konnte auch niemand behaupten, er würde übertreiben.
Er packte das Geschirr weg und ging leise in sein Arbeitszimmer. Im Haus war alles still, alle schliefen sie, selbst Ōkami, die am irori lag und vor sich hin schnarchte. Tobirama schaltete die Schreibtischlampe in seinem Arbeitszimmer an, kniete sich an den Tisch und besah sich noch einmal, was er sich zuletzt notiert hatte.
Zeit war schon immer eine hoch komplexe Variable gewesen, und in all den Jahren, in denen Tobirama sich damit nun schon befasst hatte, hatte er noch lange nicht alles Wissenswerte darüber gelernt, was es zu wissen gab. Seit dem Moment, in dem er in der Zukunft gelandet war, hatte er die Forschungen der letzten vierzig Jahre zusammengetragen, um nachzuvollziehen, was seitdem alles auf diesem Gebiet geschehen war. Wie sich herausstellte, war es eine ganze Menge.
Es hatte den Nebeneffekt, dass Tobirama allmählich besser verstand, wo der Fehler in seinem Jutsu lag. Dennoch vermutete er, dass es noch viele Jahre dauern würde, bis er den Fehler ausgemerzt haben würde.
Vielleicht war es da nicht seine schlaueste Idee, sich jetzt schon an einer umgekehrten Version des Jutsus zu versuchen. Zumindest in der Theorie waren Reisen in die Vergangenheit jedoch möglich. Es blieb nur die Frage, wie. Eine so simple Frage für solch eine hochkomplexe Problematik. Nicht, dass Tobirama sich jemals davon hätte aufhalten lassen.
Draußen dämmerte es, als Tobirama schlurfende Schritte auf dem Flur hörte. Kurz darauf schob Minato die Tür auf und schlich hinein. Er gähnte und wirkte überhaupt nicht ausgeschlafen. Sein Haar stand ihm wirr vom Kopf ab.
»Was machst du hier? Du sollst schlafen«, nuschelte er. Er schlurfte zu Tobirama und ließ sich neben ihn zu Boden fallen. Er machte den Eindruck, als würde er quasi sofort wieder in Tobiramas Schoß einschlafen, als er sich an ihn kuschelte.
Reflexartig legte Tobirama einen Arm um ihn, während er weiter seine Notizen durchging. »Ich hab genug geschlafen. Eher machst du den Eindruck, als bräuchtest du noch etwas Ruhe.«
»Komm wieder ins Bett«, murmelte Minato und presste das Gesicht in Tobiramas yukata. »Ich will nicht ohne dich schlafen, und in letzter Zeit legst du ständig Nachtschichten ein. Das machst du nur, wenn du dich an irgendetwas festgebissen hast.«
Womit er vollkommen richtig lag.
»Das ist jetzt nicht von Belang«, wimmelte Tobirama ihn ab.
»Doch, ist es«, protestierte Minato. Er setzte sich wieder auf. »Was ist es dieses Mal?«
Er würde ja doch keine Ruhe geben. Tobirama gab nach. »Ich suche nach einem Weg, alles irgendwie wieder in Ordnung zu bringen.«
»Aber alles ist in Ordnung«, sagte Minato mit Nachdruck, obwohl er sichtlich gegen die Müdigkeit ankämpfen musste.
Tobirama strich ihm über das Haar, obwohl es nicht den Eindruck machte, als würde die Geste Minato besänftigen. »Nein, ist es nicht. Ich sehe, wie du noch immer leidest, wie sehr dich Kushinas Verlust noch immer belastet. Die jüngsten Ereignisse haben das noch einmal sehr deutlich gemacht. Ich will nicht, dass du leidest. Ich will, dass es dir gut geht, dass du glücklich bist. Wenn ich irgendwie ungeschehen machen könnte, was geschehen ist …«
Minato packte ihn bei den Schultern. »Aber das kannst du nicht! Tobirama, du kannst nicht immer versuchen, alles auf Gedeih und Verderben wieder gerade zu biegen. Manche Dinge sind einfach unmöglich.«
»Du weißt so gut wie ich um die theoretischen Grundlagen von Zeitreisen Bescheid«, erinnerte Tobirama ihn. »Die Mathematik besagt eindeutig, dass es theoretisch möglich ist, die Vergangenheit zu bereisen. Das hieße also, ich könnte ungeschehen machen, was passiert ist. Du hättest Kushina wieder und Naruto könnte mit seiner Mutter aufwachsen.«
Minato schüttelte heftig den Kopf. »Kushina ist tot.« Seine Stimme brach. Er musste mehrmals tief durchatmen, bevor er fortfahren konnte. »Aber ich habe dich und damit muss, kann und will ich leben. Du hast selbst einmal gesagt, dass Zeitreisen in die Vergangenheit einen alternativen Zeitstrahl eröffnen würden. Du würdest dann in diesem existieren und vielleicht wäre dann für mein alternatives Ich alles ganz toll und schön. Aber was wird dann aus mir hier und jetzt?«
»Das ist nicht das, was geschehen muss«, widersprach Tobirama ihm. »Es gibt zahlreiche andere Varianten von Zeitreisen. Wenn ich nur eine finde, die funktioniert …«
»Nein!«, fiel ihm Minato ins Wort. »Nein, ich verbiete es dir! Ich kann dich nicht auch noch verlieren für irgendeine wilde Hypothese.« Er griff Tobiramas Hand und presste sie sich auf sein Herz. »Du hast mir doch dieses Siegel hier gegeben. Es verbindet uns, wir gehören zusammen. Wenn du mich verlässt, sterbe ich. Und was wird dann aus Naruto? Was wird aus unserem Sohn?«
»Aber, Minato …«, setzte Tobirama an und verstummte dann doch. Er musterte Minato.
Minato erwiderte seinen Blick flehend und mit Tränen in den Augen. Es brach Tobirama das Herz, ihn so zu sehen.
Ja, was würde dann aus Naruto werden? Eine wilde Hypothese hatte Minato es genannt, und verdammt, er hatte ja Recht. Eigentlich hätte Tobirama es besser wissen müssen. Er kannte die Zahlen, aber nur, weil etwas in der abstrakten Welt der Mathematik möglich war, hieß das noch lange nicht, dass es sich auch wirklich in die Realität umsetzen ließ. Vielleicht wäre es ja eines Tages wirklich möglich, aber das war sprichwörtlich Zukunftsmusik. Für eine einzelne Person war dieses Projekt zu diesem Zeitpunkt unmöglich umzusetzen.
Tobirama war noch nie vor Herausforderungen zurückgeschreckt, aber auch er konnte die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen.
Er zog Minato fest in seine Arme. »Ich werde dich nicht verlassen, niemals. Das verspreche ich dir.«
Minato schluchzte auf und klammerte sich an ihn. Tobirama hielt ihn und strich ihm über den Rücken, bis er sich wieder beruhigt hatte, und selbst dann noch presste er sich fest an Tobirama.
»Um nichts in der Welt will ich dich hergeben«, murmelte er mit dem Gesicht in Tobiramas Halsbeuge gepresst. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht Kushina vermisse. Ich habe noch immer unendlich viel Liebe für sie in meinem Herz. Aber dich liebe ich nicht minder. Die Dinge sind gut so, wie sie sind.«
Tobirama schmiegte seine Wange an Minatos Scheitel. »Du bist ein unverbesserlicher Romantiker, und doch hast du es damit jetzt geschafft, dass ich mich wie ein unbeholfener Narr fühle. Manchmal sind meine Ideen wohl doch nicht die besten.«
Das schaffte es immerhin, Minato wieder ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, Tobirama konnte es auf seiner Haut spüren.
»Bring mir dein liebstes Bild von Kushina«, bat Tobirama. »Dieses Mal ist es eine gute Idee.«
»So? Was hast du vor?« Minato sah ihn fragend an.
»Das wirst du gleich sehen.«
Gemeinsam gingen sie zurück in ihr Schlafzimmer, wo Minato noch immer ein paar Kisten mit Sachen hatte, die sie noch nicht hatten auspacken können. Etliches davon hatte Kushina gehört, und Minato hatte es auch gar nicht anrühren wollen. Tobirama hatte das allzu gut nachvollziehen können.
Minato suchte einen Moment und reichte ihm dann ein Foto. Es zeigte Kushina gemeinsam mit Rin, wie sie beide alberne Grimassen schnitten und dabei offensichtlich eine Menge Spaß hatten.
Tobirama nahm es an sich und ging wieder nach unten. Minato folgte ihm. Ein ehrfürchtiges »Oh« entfloh sich ihm, als er sah, wohin Tobirama das Foto brachte. Es war der Familienschrein.
Tobirama kniete sich davor nieder und stellte das Foto zu den anderen. Kushina erhielt ihren Platz gleich neben Mito, Mito hätte sicher nichts dagegen. Wie es seine Angewohnheit war, entfernte Tobirama die alte Asche der Räucherstäbchen und entzündete ein neues. Indes hatte Minato sich neben ihn gekniet, und gemeinsam verbeugten sie sich vor dem Schrein.
Als sie sich wieder aufrichteten, lehnte sich Minato an Tobirama. Seine Augen glitzerten, doch dieses Mal waren es Tränen der Rührung.
»Danke«, wisperte er.
Nächstes Kapitel: Konoha erreichen einige beunruhigende Neuigkeiten.
Kapitel 13: Mokuton erwacht
Kakashi strich an der Dorfgrenze entlang auf der Suche nach Spuren. Aber eigentlich war es nur eine Ausrede, um einfach irgendwas zu machen. Die Gespräche mit Minato und Tobirama drehten sich immer und immer wieder im Kreis, und Kakashi konnte es langsam nicht mehr hören. Er musste einfach irgendwas tun. Die Sache musste voran kommen.
Ōkami begleitete ihn und schnüffelte am Boden herum. Aber eigentlich wusste keiner von ihnen so wirklich, wonach sie suchten. Das, was einmal Orochimarus Labor gewesen war, war längst bis auf den letzten Krümel untersucht und katalogisiert worden. Kakashi hatte die Akte auswendig gelernt. Ōkami hatte den Ort ihrerseits mehrmals abgeschnüffelt, doch nicht einmal ihre feine Wolfsnase hatte eine Spur ausmachen können. Es war, als hätte sich Orochimaru in Luft aufgelöst.
Es trieb Kakashi in den Wahnsinn. Schon wieder war eine mittelschwere Katastrophe über das Dorf hereingebrochen und schon wieder konnten sie nichts dagegen unternehmen. Orochimaru blieb genauso verschwunden wie der maskierte Mann, der sie am Tag von Narutos Geburt angegriffen hatte.
Mit den Händen in der Tasche trat er einen Kieselstein davon. »Ich verstehe nicht, warum wir einfach keine Spur finden. Da ist nichts, nicht das winzigste bisschen. Der Typ mit der Maske bleibt ein Mysterium und Orochimaru hat anscheinend auch nie existiert. Hast du noch irgendeine Idee, Ōkami-sobo-san?«
Sie schob ihre Schnauze in seine Hand, damit er sie zwischen den Ohren kraulte. »Die Sonne wird stets von Ost nach West über den Himmel wandern und der Fluss stets dem Tal entgegen streben.«
Er gab einen missmutigen Laut von sich. Toller Rat. »Und wie soll mir das jetzt helfen?«
»Lass den Dingen ihren Lauf, kleiner Welpe. Früher oder später wird sich schon etwas ergeben.«
»Aber bis dahin kann sonst etwas passiert sein!«, rief er frustriert aus. »Sukea ist bereits tot und es geht einfach alles den Bach runter.«
»Dann folge dem Bachlauf und sieh, wo er dich hinführt.«
»Hmpf.«
Sprüche klopfen konnte sie gut. Tobirama war der Ansicht, dass man immer gut beraten war, auf Ōkami zu hören. Aber auf Kalenderweisheiten konnte Kakashi verzichten.
Anko beschloss, diesen Moment zu nutzen, um endlich ihre Tarnung fallen zu lassen. Kakashi hatte sie längst bemerkt, und er war sich sicher, dass sich Ōkami ihrer Anwesenheit noch länger bewusst gewesen war. Ein paar Blätter rieselten herab, als Anko sich kopfüber vom untersten Ast eines der Bäume am Wegesrand hängen ließ. Sie winkte ihnen fröhlich zu.
»Hey, Hund-san, Ōkami-san.«
»Yo.« Kakashi hob eine Hand und streckte zwei Finger zum Gruß. »Was machst du hier?«
»Nidaime-sama schickt mich, damit ich dich ein wenig begleite«, eröffnete sie. Sie schwang sich herum und sprang dann vom Ast. Leichtfüßig landete sie vor Kakashi. »Er hatte mich befragt. Du weißt schon, weswegen. Und dann meinte er, ich soll dich suchen gehen.«
»Geh zurück und sag ihm, dass ich keinen Aufpasser brauche.« Kakashi schob sich an ihr vorbei. Was hatte sich Tobirama dabei nur wieder gedacht?
»Keinen Aufpasser, einen Partner«, betonte Anko und folgte Kakashi. »Meine Güte, seid ihr bei der Anbu alle so anstrengend?«
»Im Vergleich zu Tobirama bin ich total umgänglich.«
»Diese Aussage fechte ich an.«
Kakashi ignorierte sie und ging weiter. Er rückte sich die Hundemaske zurecht. Jetzt im Hochsommer war die Anbuausrüstung die reinste Qual.
»Also, was ist der Plan, Boss?«
Anko ließ einfach nicht locker.
»Eine Spur finden«, informierte Kakashi sie knapp.
»Krasser Plan«, spöttelte Anko.
Kakashi überhörte den Ton in ihrer Stimme. »Tobirama macht nie etwas ohne Grund. Warum schickt er ausgerechnet dich?«
»Weil du ein Dickkopf bist und nicht lockerlässt. Außerdem war ich einmal eine Schülerin Orochimarus.«
Bei diesen Worten horchte Kakashi auf. »Ach?«
Sie nickte. »Jup. Deswegen hatte er mich befragt, und dann dachte er wohl, dass dich das auch interessiert. Siehst du? Partner.«
Zwar ging Kakashi noch immer unbeirrt seines Weges, aber nun schenkte er Anko doch mehr von seiner Aufmerksamkeit. »Was hast du also, das mich interessieren könnte?«
»Zum Beispiel die Erkenntnis, dass du‘s vergessen kannst, so nah am Dorf irgendwas zu finden. Orochimaru bevorzugt weit abgelegene Verstecke im Untergrund.«
Ihre Art war ein wenig anstrengend, aber Kakashi versuchte, darüber hinweg zu hören. Tobirama schien der Ansicht, dass ihre Informationen Kakashi helfen könnten, und er vertraute Tobiramas Urteil.
»Sein Versteck zu finden, ist Schritt Zwei. Schritt Eins ist herauszufinden, wie er das Dorf hatte verlassen können«, korrigierte er Anko.
»Er ist eine Schlange«, sagte sie zusammenhangslos.
»Das wissen wir alle. Der Typ ist unheimlich.«
»Nein, ich mein‘s wörtlich. Wenn du nach Spuren suchst, dann such nicht nach menschlichen Spuren.«
»Was?« Er sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
Anko zuckte lediglich mit den Schultern. »Das jedenfalls wäre mein heißer Tipp. Ist das hier überhaupt eine offizielle Mission? Klang mir nicht so, als dein Boss mich dir nachschickte.«
»Jedenfalls ist es kein privates Vergnügen.«
Team Ro war derzeit bis auf weiteres offiziell beurlaubt. Kō verbrachte die meiste Zeit mit Yuki, um ihr in ihrer Trauer beizustehen. Kakashi hingegen bevorzugte es, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, Beurlaubung hin oder her. Außerdem war er nicht wirklich gut, was zwischenmenschliche Dinge anging, und als Teamführer musste man schließlich wissen, wann man Aufgaben abgeben musste.
»Was meinst du mit Schlange?«, fragte er nach.
»Na, genau das«, wiederholte Anko. »Er hat so ein Ding mit Schlangen, und hat mir auch einiges beigebracht.«
Kakashi dachte an den Kampf zurück, an das, was er da gesehen hatte. »Also kann er sich wirklich häuten wie eine Schlange? Wie?«
»Keine Ahnung«, räumte sie ein. »So hoch stand ich dann doch nie in seiner Gunst, dass er mich in so etwas eingeweiht hätte. Er ist angetrieben von einem brennenden Verlangen, jedes Jutsu der Welt zu beherrschen, und um das zu erreichen, sucht er nach Unsterblichkeit.«
Unsterblichkeit durch Wiedergeburt. Es war in diesem Kampf mehr als nur einmal vorgekommen, dass Tobirama und Minato ihn tödlich verwundet hatten, und doch war Orochimaru immer wieder auferstanden.
Während sie den Waldpfad entlang gegangen waren und sich unterhalten hatten, war Ōkami um sie herum getrottet und hatte den Wegesrand abgeschnüffelt. Sie hatte das Gespräch verfolgt.
»Das erklärt eine Menge«, stellte sie fest. »Wir sind die Sache wirklich falsch angegangen.«
»Kannst du eine Spur finden?«, fragte Kakashi.
Ōkami legte den Kopf zur Seite. »Eine kleine Herausforderung hat mir noch nie geschadet.«
»Ich stellte dir trotzdem mein Rudel zur Seite.«
Sie hob warnend die Lefzen. »Ich brauche keine Hilfe von Kötern.«
Dass sie ihm ihren Schwanz ins Gesicht schlug, als sie sich abwandte, war mit Sicherheit kein Versehen.
Kakashi wartete, bis sie ein paar Meter davon getrottet war, und rief dann doch sein Rudel herbei, das ganze dieses Mal, nicht nur Pakkun. Mehr als ein halbes Dutzend Hunde unterschiedlichster Rasse erschienen mit einer Rauchwolke.
»Yo, was gibt‘s, Boss?«, begrüßte Pakkun ihn von seinem Posten auf dem Kopf der Bulldogge aus.
Kakashi kam gleich zum Punkt. »Bei der Suche nach Orochimaru haben wir einen Fehler gemacht. Wir suchen eine Schlange, keinen Menschen.«
»Hä?« Pakkun sah ihn mit schief gelegtem Kopf an.
»Eure feinen Schnüffelnasen konnten bis jetzt nichts finden, weil ihr nach der falschen Spur gesucht habt«, klärte Anko ihn auf. »Wie auch immer Orochimaru entkommen konnte, er tat es höchst wahrscheinlich nicht in menschlicher Form.«
Pakkun verstand. »Oh. Das erklärt natürlich eine Menge.« Mit Blick auf Ōkami fügte er hastig an: »Nichts, das wir nicht bewältigen könnten. Sind schon unterwegs.«
Mit diesen Worten stoben die Hunde davon.
Kakashi und Anko folgten weiter Ōkami durch den Wald. Hier im Schatten der Bäume waren die Temperaturen noch halbwegs erträglich, dennoch war Kakashi froh, wenn er wieder daheim war und eine erfrischende Dusche genießen konnte. Ōkami derweil unternahm besondere Anstrengungen, jeden Millimeter Waldboden gründlich abzuschnüffeln.
»Warum trägst du überhaupt diesen Aufzug, wenn du gar nicht auf einer Mission bist?«, erkundigte sich Anko.
»Ich bin immer noch Teil der Anbu von Konoha«, konterte Kakashi. »Das ist Dienstvorschrift. Außerdem ist das sehr wohl eine Mission.«
»Wenn du es so nennen willst.« Anko zuckte mit den Schultern. »Sieht für mich eher danach aus, dass dein Boss dir sehr viele Freiheiten lässt. Das lässt mich glatt überlegen, bei euch mitzumachen.«
Kakashi stand nicht der Sinn nach einer Diskussion und beließ es dabei.
»Wenn ich mir das so recht überlege, will ich das vielleicht doch nicht«, redete Anko vor sich hin. »Das sieht schon ziemlich unangenehm aus für so warme Tage wie heute.«
Kakashi wurde von ihr erlöst, als Ōkami zu ihnen trottete. »Da vorn sind deine Freunde, kleiner Welpe.«
»Gut für sie, nehme ich an«, entgegnete Kakashi, weil er nicht so recht wusste, warum Ōkami diese Information mit ihm teilte.
Sie trat hinter ihn und steckte ihm die Schnauze ins Kreuz, um ihn voranzuschieben. »Geh und sag hallo. Das wird dir guttun.«
Da Kakashi längst gelernt hatte, dass Widerworte nichts nützten, ergab er sich seinem Schicksal und fügte sich ihrem Willen. Anko folgte ihnen.
»Da vorn« stellte sich als ein ganzes Stück durch den Wald heraus. Ōkami hatte natürlich keine Probleme, menschliche Gerüche über mehrere hundert Meter hinweg auszumachen, daher verwunderte es Kakashi nicht, dass er noch eine ganze Weile brauchte, bis auch er ausmachte, was sie gefunden hatte.
Auf einer kleinen Lichtung fanden sie Gai, Kurenai, Asuma und einen älteren Shinobi, den Kakashi nicht kannte. Sie kochten einen Eintopf in einem großen Wok und saßen in lockerer Runde um das Feuer. Der alte Mann hatte anscheinend das Kochen übernommen, denn er rührte immer mal wieder in dem Eintopf. Es roch ausgesprochen köstlich.
Kakashi beschloss, dass es akzeptabel wäre, seine Anbu-Maske abzunehmen. Erleichtert atmete er durch, dann trat er auf die Lichtung.
Gai war gerade in ein Gespräch mit dem alten Mann vertieft und gestikulierte wild. Daher war es Kurenai, die als erstes Kakashi und seine Begleiter bemerkte. Sie winkte ihnen.
»Hey, was für ein Zufall, euch hier draußen zu finden«, begrüßte sie die Neuankömmlinge. »Setzt euch zu uns, es ist genug für alle da.«
»Uhm, ich hab eigentlich nicht vor, lang …« Ein warnendes Knurren Ōkamis unterbrach Kakashi. »Ok, klingt eigentlich nach einer guten Idee.«
Anko jedenfalls ließ sich das nicht zweimal sagen und war schon längst an Kakashi vorbeigegangen. Mit tropfendem Zahn beugte sie sich über den Eintopf. »Oh, riecht das lecker!«
»Das freut mich, zu hören«, sagte der Alte. »Das ist mein Spezialrezept, das sich schon auf vielen Missionen bewehrt hat. Ich bin Kosuke. Dich, junger Wolf, kenne ich, aber deine Begleiterin ist mir noch unbekannt. Und es freut mich natürlich außerordentlich, Sie wiederzusehen, Ōkami-sama.«
Kakashi war ein wenig verwirrt. Woher kannte Kosuke ihn und Ōkami?
Noch während er sprach, hatte Kosuke eine weitere Schale mit Eintopf gefüllt und Anko überreicht, die sogleich begeistert das Essen in sich hineinzuschaufeln begann.
»Boah, das schmeckt so gut, wie es riecht!«, kommentierte sie mit vollem Mund. »Ich bin Anko, so ganz nebenbei.«
Kakashi setzte sich zu ihnen und nahm ebenfalls dankend eine Portion von Kosuke an. Es roch wirklich gut. »Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns schon einmal begegnet sind.«
»Sind wir auch nicht«, sagte Kosuke. »Aber ich kannte deinen Großvater. Nun, kennen ist vielleicht etwas übertrieben, denn er wird sich sicher nicht mehr an mich erinnern. Aber ich habe einmal unter ihm gedient, und er hat einen großen Einfluss auf meinen weiteren Werdegang als Shinobi genommen.«
»Oh!«, rief Anko aus. »Sie sind der, den sie den Ewigen Genin nennen.«
Kosuke lächelte großväterlich. »Ganz genau, der bin ich.«
Ōkami schnüffelte an dem Eintopf und roch garantiert das Kaninchenfleisch darin.
»Die Knochen und Innereien liegen dort hinten im Gebüsch«, informierte Kosuke sie. »Es ist nicht viel, es tut mir leid. Aber wir hatten ja nicht mit Besuch gerechnet.«
Ōkami schnaufte zur Bestätigung. »Es wird genügen.«
Sie ging davon und fand ihre Beute rasch. Mehr als ein Maul voll kam nicht zustande, dennoch schlang sie die Innereien hinunter und schlürfte das Knochenmark aus den Knochen. Als sie mit ihrem Imbiss fertig war, kehrte sie zu Kakashi zurück und legte sich hinter ihm ins Gras.
»Was macht ihr hier draußen?«, fragte Kakashi seine Freunde.
»Grenzsicherung!«, informierte Gai ihn enthusiastisch. »Wichtige Mission, B-Rang. Da scheint was im Busche zu sein, damit haben derzeit viele zu tun. Aber das weißt du sicher besser als wir, Kakashi.«
»Ich weiß auch nicht alles«, entgegnete Kakashi. »Vorrangig werde ich immer noch fürs Babysitten bezahlt. Aber B-Rang, sagst du? Seit wann schickt Minato Genin auf solche Missionen?«
»Unterschätze unseren Kosuke nicht«, betonte Gai. »Der hat‘s echt drauf und kann auch noch kochen.«
»Eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit auf einer Mission«, merkte Asuma an und bekam dafür eine Kopfnuss von Kurenai.
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Kosuke. »Willst du sie hören, junger Wolf?«
Kakashi fand es immer noch befremdlich, dass eine wildfremde Person anscheinend eine ganze Menge über ihn wusste, was er selbst seinen Freunden lange nicht erzählt hatte. Aber er war auch neugierig, was Kosukes Geschichte mit Tobirama war, also nickte er.
»Das ist wirklich schon lange her, weit über vierzig Jahre«, begann Kosuke. »Da war ich wohl in etwa eurem Alter. Ich war jung und ungestüm und dachte, ich wüsste alles über die Welt. Aus Fehlern lernt man, heißt es. Aber mein Fehler kostete meine Kameraden das Leben. Ich war darüber so zerstört, dass ich der Meinung war, nicht mehr würdig zu sein, mich Shinobi zu nennen. Nidaime-sama rückte mir ordentlich den Kopf zurecht dafür. Er redete nicht schön, was ich getan hatte, so etwas macht er nicht. Stattdessen rügte er mich dafür, dass ich mich so gehen ließ und damit das Andenken meiner Kameraden mit Füßen treten würde. Meine Aufgabe sei es jetzt weiterzugehen, sagte er mir. Also tat ich genau das. Aber ich empfand, dass ich trotzdem nicht würdig sei, jemals wieder einen anderen Rang als Genin zu bekleiden. Er akzeptierte das, aber er tolerierte nicht, dass meine Fähigkeiten verloren gingen. Ich bin Genin, aber bis zu diesem Tag trainiere ich unermüdlich, um meine Fähigkeiten zu schärfen.«
»Du hast ein starkes Chakra, Kosuke-kun, das kann ich riechen«, kommentierte Ōkami. »Du hast die Lektion meines Welpen gut verinnerlicht.«
Kosuke deutete eine Verbeugung an. »Ich danke für die anerkennenden Worte, Ōkami-sama.«
Ōkami wedelte lässig mit dem Schwanz. »Mein Welpe hat dich bestimmt nicht vergessen. Talent vergisst er nicht. Vielleicht kommst du einmal bei uns vorbei auf einen Tee.«
Wieder neigte Kosuke den Kopf. »Ich danke für das großzügige Angebot, Ōkami-sama, aber ich bin nur ein unbedeutender Genin. Sicher hat Nidaime-sama wichtigeres zu tun.«
Ōkami nahm es kommentarlos hin.
»Aber was ist das jetzt mit der Grenze?«, kam Anko darauf zurück. »Es werden doch sicher nicht grundlos verstärkt Grenzkontrollen eingesetzt.«
»Habt ihr mitbekommen, dass es in Amegakure einen Umsturz gegeben hat?«, fragte Asuma. Als Kakashi und Anko nickte, fuhr er fort: »Da ist jetzt anscheinend ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Scheint nicht so, als hätte Konoha vor, sich da einzumischen, nicht jetzt jedenfalls. Aber man ist wohl vorsichtig, wie sich die Lage da entwickelt.«
»Es wundert mich, dass du das nicht weißt, Kakashi«, sagte Kurenai. »Nidaime-sama ist immerhin dein Vorgesetzter, und äh … Wohnt Hokage-sama jetzt nicht auch bei euch?«
»Ach, wirklich?«, fragte Gai dazwischen. »Warum das denn?«
Kakashi überging den Einwurf. »Keine Ahnung, was du dir vorstellst, worüber wir uns am Abendbrottisch unterhalten, aber die Arbeit ist es nicht. Meist ist es irgendwelcher obskurer Siegelkram, von dem ich keine Ahnung hab, oder wie toll Naruto jetzt schon drei statt zwei Schritte laufen kann, bevor er wie ein Sack Kartoffeln zusammenfällt. Oh, neulich hatten wir eine intensive Debatte darüber, welches Eis es zum Dessert geben soll, was Tsunade damit beendete, indem sie vorschlug, dass wir einfach eine größere Tiefkühltruhe kaufen, in der mehr Eis reinpasst, sodass für jeden immer das Lieblingseis vorrätig ist. Tobirama ist selbst bei so etwas Trivialem sturer, als ihm guttut.«
»Mein Alter hat daheim auch nie über die Arbeit gesprochen, verstehe schon«, sagte Asuma. »Allerdings ist Nidaime-sama auch dein Boss. Dachte, dass die Anbu da vielleicht auch mit involviert ist.«
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Mein Team ist beurulaubt.«
»Was macht ihr dann trotzdem hier?«, wollte Kurenai wissen.
»Urlaub heißt ja nicht strenges Arbeitsverbot.«
Gai streckte ihm seinen Daumen entgegen. »So kenne ich das von meinem Rivalen! Der Frühling unserer Jugend muss genutzt werden!«
Eine fette Kröte landete in Kakashis Eintopf. Der Eintopf spritzte aus der Schüssel und klatschte auf seine Hose. Er fluchte und die Kröte gleich mit.
»Was soll der Scheiß!«, empörte die Kröte sich. »Minato soll gefälligst besser zielen!«
Kakashi zog die Kröte an ihrem Jäckchen aus seinem Eintopf. Die Reste konnte er jetzt wohl wegkippen. Krötenaroma war nun wirklich nicht sein Geschmack. Die Kröte hing in seinem Griff und machte ein miesepetriges Gesicht.
»Ich habe eine Nachricht von Minato für dich«, informierte die Kröte ihn. »Du sollst bitte schnellstmöglich zurück ins Dorf.«
»Ist was passiert?«, fragte Kakashi sogleich.
Die Kröte schüttelte Eintopfreste von ihren Schwimmhäuten. »Hat er nicht so genau gesagt. Er meinte nur, er hätte Neuigkeiten für dich, die du erfahren sollst. Klang jetzt nicht so, als würde gleich die Welt untergehen, falls das deine Sorge ist. So, Botschaft überbracht. Ich gehe jetzt.«
Ihren Worten treu löste sich die Kröte mit einem Puff auf und war verschwunden.
Kakashi stellte die Schüssel zur Seite und wischte sich Eintopf von der Hose. Die würde heute noch in der Wäsche landen müssen. »Yo, ihr habt‘s gehört. Ich werd gerufen. Man sieht sich.«
»Es war schön, dich kennenzulernen, junger Wolf. Du siehst deinem Großvater wirklich ähnlich«, sagte Kosuke.
»Oh.« Kakashis Magen flatterte mit einem Male ganz aufgeregt und er wusste nicht so wirklich, was er darauf sagen sollte. Er bemerkte allmählich die Veränderungen in seinem Körper, die das Testosteron verursachte, das Tsunade ihm verschrieben hatte, aber es gab noch immer so viel an ihm, das nicht so wirklich passen wollte. Mit Tobirama verglichen zu werden, gab ihm auf sonderbare Weise ein Hochgefühl.
»Tja, dann hab ich wohl für heute Feierabend«, stelle Anko fest. »Dein Ausflug ist damit ja beendet, Kakashi.«
»Hm, ja, was auch immer.« Kakashi winkte ab, bedankte sich für das Essen und wandte sich zum Gehen. Ōkami folgte ihm.
»Willst du auf mir reiten? Dann geht es schneller«, schlug sie vor.
Kakashi sah sie verblüfft an. Er wusste, wie pingelig sie war, wen sie auf ihren Rücken ließ und wen nicht. »Wirklich?«
Sie stieß ihn sanft mit ihrem Kopf an. »Natürlich. Du bist ein Welpe meines Rudels. Weiß du nicht mehr? Das habe ich dir doch schon gleich bei unserer ersten Begegnung gesagt.«
»Uhm, na gut.« Kakashi zuckte mit den Schultern. Wenn sie das schon von sich aus vorschlug, würde es schon in Ordnung gehen. Ein wenig seltsam war es doch, als er sich an ihrem Fell festhielt und sich auf ihrem Rücken zog. Er rutschte ein wenig vor und zurück, um eine bequeme Position zu finden.
»Und jetzt?«, fragte er. Er hatte noch nie auf einem Pferd gesessen, geschweige denn einer fast ebenso großen Wölfin.
»Jetzt hältst du dich gut fest«, wies sie ihn an. »Press deine Unterschenkel gegen meine Seite, kurz hinter meinen Schultern. Genau so. Und los.«
Kakashi stieß einen erschrockenen Schrei aus und krallte seine Hände in Ōkamis weiches Fell, als sie auf einmal einen Satz nach vorn machte. Sie rannte nicht sofort mit voller Geschwindigkeit los, sprang aber dennoch zügig durch den Wald. Ihre weichen Pfoten machten beinahe kein Geräusch auf dem laubigen Boden und geschickt wich sie jedem Hindernis aus, das ihren Weg kreuzte.
Obgleich Ōkami einen sicheren, weichen Tritt hatte, hatte Kakashi anfangs Schwierigkeiten, sich auf ihrem Rücken zu halten. Er war die Bewegungen unter sich nicht gewohnt und klammerte sich wohl etwas fester an sie, als es nötig gewesen wäre. Bei Tobirama sah das immer so leicht aus, wie machte er das nur?
In Windeseile hatten sie wieder das Dorf erreicht. Kakashi hatte von dem Ritt kaum etwas mitbekommen, weil er damit beschäftigt gewesen war, nicht herunterzufallen. Ihm schwirrte ein wenig der Kopf und er hatte wohl eine Sturmfrisur; der Wind hatte ihm die Haare zerzaust.
Ōkami fand ihren Weg ebenso sicher durch die Straßen des Dorfes wie durch den Wald und achtete wenig auf die Menschen, die ihr hastig aus dem Weg sprangen. Kakashi wollte ihnen noch eine Entschuldigung zurufen, da waren sie schon vorbeigezogen. Kaum hatte er es sich versehen, befanden sie sich auch schon an ihrem Ziel. Am Fuße des Hokageturms kam Ōkami zum Stillstand. Ihr Atem ging nur leicht beschleunigt.
»Du kannst jetzt wieder loslassen, kleiner Welpe«, erinnerte sie ihn.
Kakashi blinzelte und brauchte einen Moment, um seine verkrampften Finger zu lösen. Noch etwas benommen schwang er ein Bein über ihre Kruppe und ließ sich an ihrer Flanke hinab zu Boden gleiten. Seine Knie zitterten. Das war eine eigenwillige Erfahrung gewesen.
Sie wedelte leicht mit dem Schwanz und beobachtete ihn. Wie es ihre Art war, schwang sie ihren Kopf herum und leckte ihm über die Haare. Er versuchte vergeblich, sie von sich zu schieben, aber immerhin stand er nun schon wieder etwas sicherer auf den Beinen. Gemeinsam betraten sie den Turm.
Wie immer standen zwei seiner Kollegen vor der Tür zum Büro Wache. Er erkannte sie nicht, da sie im Dienst waren und anders als er ihre Masken trugen. Sie wussten jedoch, wer er war. Dennoch trug er ihnen sein Anliegen vor.
»Hokage-sama hat mich hergeb…«
Ōkami drängte sich an ihm vorbei und schob mit ihrem Kopf die Tür auf.
Tja, damit war das wohl geklärt. Die beiden Wachen wirkten ein wenig unsicher, was sie tun sollten, Kakashi jedoch beschloss, einfach Ōkami zu folgen. Er trat hinter ihr ein.
Er fand Tobirama und Minato im angrenzenden Raum vor, wo sie eine Karte der fünf großen Shinobireiche ausgebreitet und darauf verschiedene kleine Figuren verteilt hatten. Sie standen mit nachdenklichen Mienen um die Karte herum und musterten sie. Als Kakashi eintrat, sah Tobirama auf.
»Ah, gut, dass du so schnell gekommen bist«, sagte er statt einer Begrüßung.
Typisch. Immer gleich zur Sache kommen, statt wenigstens ein paar nette Worte verlieren.
»So schnell hätten wir gar nicht mit dir gerechnet«, fügte Minato an. »Aber ich sehe schon, weshalb.« Lachend streckte er eine Hand aus und zerwuschelte Kakashis Haar.
Maulend duckte sich Kakashi darunter weg. Er war kein Kind mehr! Irgendwann würde er Minato über den Kopf wachsen, und dann würde er schon sehen. Senju waren immerhin alle hochgewachsen, und Kakashi weigerte sich, sich in sein Schicksal zu fügen, in jeder Gruppe der Zwerg zu sein.
Tobirama beobachtete sie kommentarlos und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es kam eine Nachricht von Raikage A und wir hielten es in Anbetracht des Inhalts der Nachricht für angebracht, dich davon zu unterrichten.«
Das war interessant, denn Kakashi mochte zwar persönliche Verbindungen zu Tobirama und Minato haben, aber sein Rang war nicht bedeutend genug, dass der Hokage und sein Berater ihn zu so etwas hinzuzogen. Eigentlich. Beim Eintreten hatte Kakashi zudem weder Homura noch Koharu ausmachen können, die offiziell noch immer eine beratende Funktion inne hatten. Hatte sich Minato still und heimlich auch ihrer entledigt?
»Und was steht drin?«, fragte Kakashi.
Minato ließ von ihm ab und griff nach einem Zettel, der neben der Karte lag. Er las vor: »›Minato, lass es mich auf den Punkt bringen. Was zur Hölle treibt ihr jetzt schon wieder in Konoha? Irgendwelche Arschlöcher sind hier aufgeschlagen und sind, in Ermangelung eines besseren Wortes, explodiert. Und weißt du, wie? Die sind in einer Menschenmenge aufgetaucht und dann wuchsen aus ihnen heraus Pflanzen. Die wucherten nach allen Seiten und haben sich um jeden geschlungen, den sie erwischen konnten. Es gab Tote, nicht nur diese Kerle, die das in mein Dorf gebracht haben. Ganze zweimal ist das jetzt schon vorgekommen! Ich hab keine Ahnung, was das ist, aber ein paar meiner Leute sagen, dass das Mokuton sei, und das kann nur von euch kommen. Was zum Fick treibt ihr? Ich verlange umgehend eine Erklärung!‹ Und dann noch ein Kringel, der mit viel Mühe als A zu lesen ist.«
Kakashi musste das erst einmal sacken lassen. Ungläubig starrte er Minato an. »Was?«
Minato nickte ernst. »Das war auch unsere Reaktion. A hat kurz darauf noch eine zweite, etwas zivilisierte Nachricht geschickt, in der er noch von drei weiteren solcher Attentäter in seinem Land berichtet, die jedoch nicht ganz so viel Schaden anrichten konnten.«
Kakashi hob eine Hand. »Ich glaube, ich kann nicht ganz folgen. Ihr meint also, da draußen laufen lebende Zeitbomben herum, die mit Mokuton explodieren?«
Minato nickte. »Ja.«
Was zur Hölle.
Nächstes Kapitel: Noch ein bisschen gender Euphorie für Kakashi ^^
Kapitel 14: Junger Wolf
Kakashi starrte Minato sprachlos an, als hätte er einen Geist gesehen.
»Es ist Mokuton oder etwas, das dem sehr ähnlich sieht«, sagte Tobirama. »As Beschreibung war ungenügend. Der einzige Anwender von Mokuton, den ich jemals gekannt habe, war mein eigener Bruder, und sein kekkei genkai hat sich nie so verhalten.«
Tenzōs ebenfalls nicht. Allerdings hatte Kakashi ihn nur kurz gekannt.
»Und wo sollen diese Leute herkommen?«, fragte er weiter.
»Von uns jedenfalls nicht«, betonte Minato. »Ich bin genauso ratlos wie jeder hier. A scheint jedoch zu denken, wir hätten etwas damit zu schaffen, wie er darauf kommt, sagt er jedoch nicht.«
»Vielleicht hat er von Hiruzens Versuchen damals Wind bekommen«, sinnierte Tobirama. »Oder er kam von sich aus zu dem Schluss, dass hier so etwas versucht worden war.«
Ōkami hatte sich indes die Karten angesehen. »Diese kleinen Figuren zeigen an, wo diese Personen auftauchten?«
Minato nickte. »Genau. As Beschreibungen waren etwas vage, bei Details hält er sich bedeckt, aber das ist, was wir seinen Worten hatten entnehmen können. Noch kann ich kein Muster erkennen.«
Kakashi warf ebenfalls einen Blick auf die Karte. Zwei Figuren standen direkt auf Kumogakure, die anderen drei waren wahllos über das ganze Land verteilt, teils in Ortschaften, teils aber auch irgendwo auf dem Land.
»A verlangt eine Erklärung, aber ich kann ihm keine geben«, fuhr Minato fort. »Gleichzeitig ist das eine Sache, die wir untersuchen müssen. Ich kann das nicht einfach so ignorieren, besonders nicht in Anbetracht der jüngsten Ereignisse.«
Kakashi merkte auf und er runzelte die Stirn. »Ihr denkt, das hat etwas mit Danzō oder Orochimaru zu tun?«
»Oder beiden«, fügte Tobirama an. »Wir wissen, dass in der Vergangenheit Experimente mit anijas Mokuton gemacht worden waren. Offiziell gelten sie als gescheitert, offenbar wurden sie aber im Verborgenen weitergeführt und Tenzō tauchte auf. Jetzt verschwinden Orochimaru und Danzō und diese … diese Mokuton-Bomben erscheinen auf der Bildfläche. Ich wittere eine Verbindung.«
»Orochimaru hat die Experimente nie gänzlich aufgegeben«, sagte Minato, während er nachdenklich vor der Karte auf und ab ging. »Das belegen die Unterlagen, die wir in seinem Versteck gefunden haben. Den Ansatz, der damals versucht worden war, hatte er als gescheitert angesehen, also wusste er wohl selbst nichts von Tenzō, bis er ihm und dir, Kakashi, begegnete. Das hatte Orochimaru wohl die Idee gegeben, etwas Neues zu versuchen. Nur eine vage Vermutung, aber vielleicht sehen wir hier Ergebnisse dessen.«
»Das kannst du A nie und nimmer sagen«, sagte Tobirama sogleich.
»Bist du wahnsinnig, natürlich nicht!«, rief Minato aus. »Ich werde ihn mit irgendwelchen leeren Floskeln abspeisen müssen, während wir versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.«
»Also schickst du Spione nach Kumogakure«, schloss Kakashi. »Warum bittest du A nicht einfach um Unterstützung?«
»Das wäre tatsächlich die Variante, die ich bevorzuge, allerdings bin ich mir derzeit noch nicht sicher, inwiefern der Raikage zu Kooperation bereit ist«, sagte Minato. »Gleichzeitig ist es eine heikle Sache, Spione in ein anderes Land einzuschleusen, etwas, das ich eigentlich vermeiden will. Ich habe noch zu gut im Ohr, wie Danzō mir immer und immer wieder dazu riet und es hatte immer einen unangenehmen Beigeschmack gehabt.«
Eine Zwickmühle also. Für einen Moment sagte niemand von ihnen etwas, sie alle starrten grübelnd auf die Karte.
»Habt ihr schon die ehemaligen Ne-Leute befragt?«, platzte Kakashi heraus.
Minato und Tobirama tauschten einen Blick.
»Jetzt, wo Danzō ohnehin verschwunden ist, spielt es auch keine Rolle mehr, seinen Wunsch zu beachten, das Siegel beizubehalten«, sagte Tobirama.
»Kannst du es lösen?«, fragte Minato. »Ansonsten können sie uns ohnehin nichts sagen.«
»Ich werde es mir noch einmal ganz genau ansehen«, versicherte Tobirama ihm. »Danzō hat gut gelernt von mir, was Siegel angeht, war er immer der beste. Was ich bisher von diesem Siegel sah, erschien mir sehr komplex und clever ausgeführt. Es wird nicht leicht. Aber ja, ich denke, ich sollte es lösen können. Mit Zeit.«
»Prima. Dann können wir ja Feierabend machen und nach Hause gehen«, verkündete Minato.
Erwartungsgemäß kniff Tobirama die Augen zusammen. »Nichts da. Wir sollten uns gleich an die Arbeit machen.«
»Und du brauchst erst einmal Ruhe.« Minato klimperte mit den Augen und lächelte unschuldig.
Tobirama sah aus, als würde er ihn gleich erwürgen wollen. Kakashi verkniff sich ein Augenrollen. Ging das schon wieder los.
»Welpe, dein Gefährte hat Recht«, warf Ōkami ein. »Du musst dich mehr ausruhen. Du weißt doch, was Tsuna gesagt hat.«
Hatte sie gerade Minato Tobiramas Gefährten genannt? In was für eine Familie war er hier nur hineingeboren worden?
»Mutter«, grummelte Tobirama verstimmt. »Lass das.«
»Ich bin deine Mutter. Ich werde garantiert nicht aufhören, auf dich zu achten.«
Tobirama brummte und gab kleinbei.
Minato tätschelte Tobiramas Wange mit dem liebenswürdigsten Lächeln, zu dem er fähig war. »Ruh dich für ein, zwei Stunden aus und wenn du dich dann wieder fit fühlst, kannst du gern mit der Arbeit anfangen.«
»Ich fühle mich …! Ach, mach doch, was du willst«, knurrte Tobirama.
Minato strahlte.
Wie die beiden jemals hatten zueinander finden können, was Kakashi bis heute ein Rätsel.
»Bevor wir gehen, haben ich noch eine Frage«, warf Kakashi ein. »Was geht in Amegakure ab?«
Minato wurde wieder ernst. Er wandte sich Kakashi zu. »Ein Bürgerkrieg. Erinnerst du dich bei den Endrunden der Chūnin-Prüfungen, dass die Teilnehmer aus Amegakure verschwunden waren?« Kakashi nickte, und Minato fuhr fort: »Hanzō der Salamander ist ermordet worden, und angeblich ist eine Organisation namens Akatsuki darin involviert. Aber genaueres weiß ich nicht, obwohl diese Organisation Jiraiya-sensei seit längerem bekannt ist. Das hat zu Unruhen und jetzt gar einem Bürgerkrieg geführt. Ich will sichergehen, dass das nicht über die Grenze hinausreicht.«
»Da habe ich mitbekommen«, sagte Kakashi. »Ich habe Gais Team getroffen, sie haben mir erzählt, dass sie auf Patrouille sind.«
»Oh, sehr schön.« Minato schmunzelte.
Kakashi hob eine Braue.
Doch Minato ging vorerst nicht weiter darauf ein. Stattdessen räumten sie alles zusammen und machten sich auf den Heimweg. Sie liefen wie jeder normale Mensch auch, da Tobirama noch immer striktes Verbot hatte, irgendein Jutsu anzuwenden, und Kakashi sich nach wie vor weigerte, mit Hiraishin auch nur einen Fuß weit bewegt zu werden.
»Das klang vor ein paar Jahren noch ganz anders«, neckte Minato.
»Pff«, machte Kakashi abwehrend. »Mit dem Alter kommt eben auch die Weisheit, was für ein fürchterliches Jutsu das ist.«
»Du bist eine halbe Portion, nimm den Mund nicht zu voll«, wies Tobirama ihn zurecht, was Kakashi wie immer ignorierte.
Ihm entging keinesfalls, dass Tobirama und Minato mittlerweile ganz offen Hand in Hand durch die Straßen gingen. Aha, man war also an diesem Punkt angekommen. Wann sie wohl zu kitschigem Pärchenkram übergehen würden? Wobei sich da natürlich die Frage stellte, ob Tobirama sich dazu breitschlagen lassen würde. Wahrscheinlich nur wieder unter viel Gebrumme und am Ende würde er bei Minato doch schwach werden.
»Du hast also deine Freunde bei deinem Ausflug getroffen«, kam Minato darauf zurück.
»Das war kein Ausflug, sondern eine Mission«, betonte Kakashi. »Außerdem hat Anko mir wichtige Informationen gegeben.«
»Ich weiß, dasselbe hat sie uns auch gesagt«, sagte Tobirama.
»Und dann schickst du sie mir als Aufpasserin hinterher!«, maulte Kakashi. Die Dreistigkeit dieses Mannes!
Wie immer prallte es wirkungslos an Tobirama ab. Manchmal hasste Kakashi seinen Großvater. Er war anstrengend.
»Hattet ihr ein schönes Treffen?«, fragte Minato scheinheilig.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »War ganz nett.«
Er spürte Ōkamis Nase in seinem Rücken.
»Kosuke war bei ihnen und hat gekocht«, sagte sie. »Laut Anko schmeckte es vorzüglich, bis du die Kröte in Kakashis Portion hast landen lassen, Minato.«
»Oh.« Minato lachte verlegen. »Das war nicht geplant gewesen.«
Kosuke, der Kakashi gesagt hatte, er würde seinem Großvater ähneln. Kakashi musterte Tobirama heimlich.
»Kosuke ist noch im Dienst?«, fragte Tobirama. »Er müsste mittlerweile weit über fünfzig sein.«
Waren es nur die Haare? Kakashi hatte nicht den Albinismus seines Großvaters geerbt, hatte aber dennoch gräuliches, fast weißes Haar, das dem Tobiramas ähnelte.
»Kosuke ist Konohas ältester Genin«, erklärte Minato. »Er wollte nie einen anderen Rang als diesen bekleiden, obwohl er locker das Zeug zum Jōnin gehabt hätte. Du kennst ihn?«
Vielleicht auch die Augen? Ihre Augenform ähnelte sich schon, würde Tobirama nicht die ganze Zeit so verkniffen drein schauen.
»Er hatten in jungen Jahren unter mir gedient«, wiederholte Tobirama, was Kosuke bereit Kakashi gesagt hatte. »Recht ungestüm und wusste immer alles besser, bis er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hatte. Das war ihm eine Lehre gewesen. Er hatte das Leben als Shinobi an den Nagel hängen wollen, aber ich untersagte es ihm. Sein Talent wäre verschwendet gewesen. Danach vollzog er eine bemerkenswerte charakterliche Veränderung.«
Oder doch die Nasenform? Die Kieferform? Irgendwas anderes?
»Habe ich was im Gesicht, Kakashi?«
Kakashi wurde aus seinen Gedanken gerissen. »Was? Nein. Alles in Ordnung.«
Tobirama runzelte die Stirn. »Aha.«
»Kosuke hat deine Lektion gut gelernt, Welpe«, warf Ōkami ein. »Er ist stark geworden.«
Tobirama nickte. »Das will ich doch hoffen.«
Kakashi wagte es beinahe gar nicht mehr, Tobirama weiter zu beobachten, aber die Frage ließ ihn einfach nicht los. Was war an ihm, das Tobirama so ähnelte? Er musste es herausfinden und allein der Gedanke daran ließ ihn seltsam hibbelig werden. Vielleicht war es ja Tobiramas Gang, die Art und Weise, wie sie beide sich bewegten?
Den ganzen Heimweg über hing Kakashi diesen Fragen nach und kam doch nicht zu einer Antwort. Warum war das alles nur so kompliziert? Warum bestanden Leute immer wieder darauf, ihn als weiblich anzusehen, obwohl sie falscher nicht sein konnten? Oder waren diese Zeiten endlich vorbei?
Daheim angekommen entwischte Tobirama bei der erstbesten Gelegenheit, um sich in seinem Studierzimmer zu verschanzen. Minato löste seinen Doppelgänger ab, den er hin und wieder benutzte, wenn sonst niemand auf Naruto aufpassen konnte, aber da war Tobirama schon auf und davon. Er wusste ganz genau, dass Minato ihn sonst zur Ruhe verdonnert hätte, und Kakashi würde ihn ganz sicher nicht zu seinem Glück zwingen. Er sah nicht ein, warum er erwachsenen Menschen sagen sollte, was sie zu tun oder zu lassen hatten.
Naruto hatte mit Menma gespielt. Er hatte gelernt, dass, wenn er seine Rassel warf, Menma davonsprang, um ihr nachzujagen und sie ihm manchmal auch zurückbrachte, um das Spiel zu wiederholen. Das war derzeit sein liebstes Spiel. Minato hob Naruto hoch und das Baby quietschte vergnügt. Irgendwie wusste er immer, ob er sich seinem Vater oder seinem Doppelgänger gegenüber sah. Menma strich Minato maunzend um die Beine und bettelte um Streicheleinheiten. Kakashi erbarmte sich ihrer und setzte sie sich auf den Arm. Ōkami ignorierte die kleine Katze und sicherte sich ihren liebsten Platz am kotatsu. Sie war mit dem Kätzchen nie warm geworden und hatte anscheinend auch nicht vor, etwas daran zu ändern.
Minato folgte Ōkami und redete dabei irgendwelchen Nonsens mit Naruto. Als würde der kleine Rabauke daran denken, auch nur ein Wort zu sagen, damit das eine sinnvolle Konversation werden würde. Bei Naruto blühte Minato stets auf, egal wie anstrengend der Tag gewesen war oder wenn alles fürchterlich finster aussah. Mit Naruto sah für Minato die Welt um ein Vielfaches besser aus.
Was wäre nur gewesen, wenn Tobirama nicht gewesen wäre?
Kakashi verfolgte den Gedanken nicht weiter. Er ließ Menma wieder auf den Boden und setzte sich stattdessen mit an den kotatsu, wo er nach dem Federspiel griff und das Kätzchen damit lockte. Menma hatte in der Zeit, seit Minato sie von der Straße aufgelesen hatte, deutlich an Gewicht zugelegt, sodass man nun nicht mehr ihre Rippen überdeutlich fühlte, und auch ihr Fell glänzte viel gesünder.
Naruto, der auf Minatos Schoß saß, beobachtete das ganze begeistert und patschte seine Hände zusammen. Kakashi kitzelte ihn mit den Federn im Gesicht, woraufhin Naruto niesen musste und Menma ihn ansprang, um ihrer Beute nachzujagen. Naruto lachte.
»Du hast viel zu viel Energie, kleiner Quälgeist«, kommentierte Kakashi. »Du bist ein Baby, Babys haben den ganzen Tag zu schlafen.«
»Naruto hat da offensichtlich eine andere Meinung«, kommentierte Minato, der sie lächelnd beobachtet hatte.
»Tobirama färbt ab, der hat auch eine Allergie gegen‘s Schlafen«, sagte Kakashi. »Hey, Naruto-chan, willst du was Lustiges sehen?«
Ob Naruto ihn verstanden hatte, wusste Kakashi nicht. Dennoch streckte er den Arm und wedelte mit dem Federspiel über Ōkami. Der Plan ging auf. Menma war noch immer auf ihre Beute fixiert und jagte ihr hinterher. Ungestüm sprang sie auf Ōkami.
Die Reaktion erfolgte sofort. Ōkamis Kopf zuckte herum und mit gehobenen Lefzen stieß sie Menma von ihrem Rücken. Dabei verpasste sie Minato eine Kopfnuss, was allerdings nicht geplant gewesen war. Maunzend purzelte Menma herab.
»Werd nicht frech, kleiner Welpe!«, knurrte Ōkami. »Das ist nicht amüsant.«
Naruto giggelte.
»Naruto sieht das anders«, verteidigte sich Kakashi.
»Das ist mein Revier und ich bin die Leitwölfin«, betonte Ōkami schnippisch. »Katzen werden hier allerhöchstens geduldet und das auch nur euch zuliebe.«
Kakashi grinste unter seiner Maske und beließ es dabei.
»Was ging dir auf dem Heimweg durch den Kopf, Kakashi?«, wollte Minato wissen.
Kakashi drugste herum. »Ach, nichts besonderes.«
Minato schmunzelte. »Du weißt, du kannst es mir sagen.«
Kakashi fühlte sich ein wenig befangen. Trotzdem sagte er: »Kosuke sagte, ich würde Tobirama ähnlich sehen, und ich hab mich gefragt, was genau so ähnlich ist.«
Minato mit seinem untrüglichen Gespür für seine Mitmenschen verstand, was Kakashi ihm damit sagen wollte. Ein verschmitztes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Willst du wissen, wie dein Großvater in deinem Alter aussah?«
Kakashi sah ihn überrascht aus. »Da gibt‘s Bilder von?«
Damals hatten noch alle gefühlt in der Feudalzeit gelebt.
Das Lächeln breitete sich zu einem verschwörerischen Grinsen aus. »Aber sag Tobirama nicht, dass ich es dir gezeigt hab, dann reißt er mir den Kopf ab.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte Minato seinen Sohn neben sich und stand auf. Naruto krabbelte zu Kakashi, der ihn sich auf den Schoß setzte. Minato kam mit mehreren alten Fotoalben wieder und setzte sich so, dass er zusammen mit Kakashi bequem in die Alben schauen konnte. Als er das erste davon aufschlug, fiel ihnen beiden ein Foto zweier in teuer wirkende Kimono gekleideter Frauen entgegen. Sie lächelten in die Kamera und präsentierten ihre Garderobe. Eine von ihnen hatte feuerrotes Haar, wie es Kakashi bisher nur bei Kushina gesehen hatte, die andere trug die Gesichtsbemalung einer Geisha und hatte ihr ebenholzfarbenes Haar zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt, wie es für ihre Profession üblich war.
Minato schob Kakashi das Bild zu. »Die Frau neben Mito-hime ist deine Großmutter.«
Chio, die berühmte Geisha des hanamachi. Kakashi hatte das immer noch nicht wirklich realisiert. Die Welt des hanamachi war ihm völlig fremd, wie ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit, in die Gegenwart verrückt. Es wirkte auf Kakashi so entrückt, dass er zu ihr noch weniger eine Verbindung zog als zu seinem Großvater.
Ōkami rollte sich um sie zusammen, woraufhin Menma sich verzog und eine andere Beschäftigung suchte. Die Wölfin schwenkte ihren Kopf herum, sodass auch sie das Fotoalbum betrachten konnte.
»Mito und Chio verstanden sich von der ersten Minute an«, sagte sie. »Kimono waren eine Leidenschaft, die sie beide teilten.«
»Da kenne ich noch wen«, bemerkte Kakashi und dachte an die Tortur, die Tobirama ihm im Winter unterzogen hatte.
Ōkami legte den Kopf schief. »Chio wusste um jede Nuance Bescheid und hatte einen exquisiten Geschmack.«
»Warum war sie so berühmt?«, fragte Kakashi.
»Sie war nicht nur eine hervorragende Tänzerin und spielte das Shamisen mit ausgesprochenem Feingefühl, sondern war vor allem eine hervorragende Gesellschafterin. Sie war sehr wortgewandt und besaß eine breite Allgemeinbildung. Zudem war sie sehr einfühlsam und wusste stets, was ihr Gegenüber von ihr brauchte. Zu nahezu jedem Thema wusste sie etwas beizutragen und konnte oftmals sogar in die Tiefe gehen, statt nur an der Oberfläche zu kratzen. Das war es, was Tobirama so sehr an ihr schätzte.«
»Weil er absolut keinen Sinn für Kunst hat«, kommentierte Kakashi.
Ōkami brummte und stupste ihn an. »Ein Gespräch zu führen, ist eine Kunst, die sie meisterlich beherrschte. Er wusste das zu würdigen.«
»Tobirama ist jemand, der intellektuellen Austausch wertschätzt«, warf Minato ein. »Da kann ich mir gut vorstellen, dass sie gut miteinander auskamen.«
»Ist das nicht ein Eigenlob?«, fragte Kakashi frech.
Minato grinste ebenso frech. »Ein bisschen, ja.«
Er suchte die Stelle, an der das Foto herausgerutscht war, und steckte es wieder in die kleinen Papierlaschen. Dann blätterte er ein wenig durch das Album, bis er anscheinend gefunden hatte, wonach er gesucht hatte.
»Ōkami-san, wie alt war Tobirama hier?«
Sie beäugte das Foto, das Minato ihr präsentierte. »Vierzehn. Das war kurz, nachdem Hashirama die Clanführung übernommen hatte. Ihr wisst ja, warum.«
Weil Tobirama ihren Vater erstochen hatte. Was für eine Art Mensch musste man sein, dass sich das eigene Blut so radikal gegen einen wandte?
Das Foto zeigte sowohl Hashirama als auch Tobirama in einem arrangierten Setting und fein herausgeputzt in Ornamentrüstung und voller Bewaffnung. Wobei Kakashi den ersten Hokage kaum erkannt hätte mit dieser sehr unvorteilhaften Frisur. Es sah aus, als hätte ihm jemand mit einem Kunai die Haare knapp unter den Ohren abgesäbelt und dabei nicht darauf geachtet, das allzu ordentlich auszuführen. Es stand ihm ganz und gar nicht gut zu Gesicht.
Tobirama jedenfalls war sein unverkennbares Selbst, schon mit vierzehn so sauertöpfisch wie auch noch dieser Tage und lediglich etwas hager für sein Alter. Mit Sicherheit war er schon mit diesem Gesichtsausdruck zur Welt gekommen.
Kakashi meinte, sich seinem Bruder gegenüber zu sehen.
Jetzt auf einmal sah auch er die Ähnlichkeit, als er Tobirama auf dem Foto mit seinem eigenen Spiegelbild verglich. Es war verblüffend. Und irgendwie sorgte es für ein ganz wunderbares Kribbeln in seinem Bauch. Sein Kopf schwirrte und unwillkürlich musste er grinsten.
Minato bemerkte es. Er schmunzelte. »Siehst du.«
Kakashis Grinsen erstarb. »Ich versteh‘s trotzdem nicht. Ich versteh‘s einfach nicht, warum das nicht in die Köpfe mancher gehen will, wer ich bin.«
Minato beugte sich zu ihm herüber und senkte verschwörerisch die Stimme. »Weil manche Menschen einfach Arschlöcher sind.«
Kakashi schnaubte milde amüsiert. »Zu Shisui habe ich mal gesagt, dass Shisui solche Leute aus dem eigenen Leben werfen soll.«
»Ich finde«, sagte Minato, »dass das ein exzellenter Rat ist. Niemand hat dir vorzuschreiben und zu definieren, wer du bist. Mach dein Ding. Du weißt, dass du Menschen in deinem Leben hast, die dich immer und bei allem bedingungslos unterstützen, ja?«
Weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte, nickte Kakashi. Er hatte einen Kloß im Hals.
Naruto tatschte indes nach dem dünnen Einlegepapier, das zwischen den Seiten des Fotoalbums lag, um die Bilder zu schützen. Wahrscheinlich fand er es spannend, wie es knisterte. Fast schon reflexartig fing Kakashi seine kleinen Hände auf, um sie an weiterem Unfug zu hindern. Ihm war schon lange bekannt, dass Naruto gern Dinge befingerte, die ihn nichts angingen.
Minato gab seinem Sohn einen kleinen Stups auf die Nase. »Nicht, dass wir uns bei dir geirrt haben und du bist gar kein Junge. Na, das wirst du uns hoffentlich schon früh genug sagen.« Er wandte sich wieder an Kakashi. »Ich bin sicher, dass Tobirama nichts dagegen hat, wenn du dir das noch eine Weile anschaust. Ich schau derweil nach deinem Großvater. Du kennst ja seinen Sturkopf.«
»Der ist erwachsen, der braucht keinen Aufpasser. Du suchst nur eine Ausrede«, konterte Kakashi.
»Stimmt überhaupt nicht«, rechtfertigte sich Minato offensichtlich ertappt. »Du weißt so gut wie ich, dass er manchmal jemanden braucht, der ihn daran erinnert, was gut für ihn ist.«
»Na, wenn du meinst.«
»Hmhm, meine ich.« Minato grinste.
Mit diesen Worten stand er auf und ging nach oben, um Tobirama daran zu erinnern, dass er seine Schriftrollen für ein paar Minuten allein lassen konnte.
Natürlich war Tobirama über seinen Schriften eingeschlafen.
Nächstes Kapitel: Kakashi trifft eine wichtige Entscheidung.
Kapitel 15: Kakashis Beschlüsse
Naruto krabbelte nun schon seit einiger Zeit durch Yukis kleine Wohnung und erkundete die neue Umgebung mit Hingabe. Das, was von Team Ro noch übrig war, hatte sich um ihn herum verteilt hingesetzt und beobachtete ihn bei seiner Forschungsreise. Keiner von ihnen sagte ein Wort.
Naruto fand ein Tuch. Er griff danach, ließ sich auf seinen Hintern plumpsen und befingerte dann das Tuch ausgiebig. Natürlich wanderte es dabei auch in den Mund. Yuki sagte nichts dazu.
»Du solltest ihn nicht hierher bringen«, stellte sie stattdessen fest.
»Warum nicht?«, wollte Kakashi wissen. »Wo ist das Problem?«
»Na ja. Das hier ist die Wohnung einer Anbu-Agentin und er ist nur ein Baby«, sagte sie. »Und dazu noch Hokages Sohn. Wenn er sich, keine Ahnung, an einem Kunai oder so verletzt, bin ich geliefert.«
»Und du denkst, daheim ist es irgendwie anders?«, hielt Kakashi dagegen. »Du wirst deine Waffen doch sicher verstaut haben oder etwa nicht. Dem geht’s gut. Guck doch mal, ich glaub, er mag deinen Modegeschmack.«
»Vor allem den Geschmack«, versuchte sich Kō an einem Scherz.
Naruto kaute auf dem Tuch herum und sah mit großen blauen Augen zu ihnen auf.
»Ich hab echt keine Lust, Ärger zu bekommen, wenn ihm was passiert«, versuchte es Yuki erneut.
»Wird schon nicht passieren«, wiegelte Kakashi ab.
»Wir sind Anbu, keine Babysitter.«
»Danke, das war mir nicht bewusst.«
»Er ist dein Großvater«, warf Kō ein.
»Hä?« Kakashi sah ihn verwirrt an. Das war ein seltsamer Gedankensprung.
»Nidaime-sama. Du bist sein Enkel.«
Kakashi blinzelte. Warum sprach er das so plötzlich an? »Nun ja … Ja.«
»Ich gestehe, ich hab ein bisschen in deiner Akte herumgeschnüffelt«, gestand Kō. »Erst ziehst du bei unserem Boss ein, dann bekommst du die ganzen Sonderaufträge von ihm. Inklusive dem, den Babysitter für Hokage-samas Sohn zu spielen. Das hat mich neugierig gemacht.«
»Warum hast du das nie erwähnt?«, fragte Yuki.
Kakashi richtete den Blick wieder auf Naruto. »Bei der Anbu sprechen wir nicht über unsere Vergangenheit.«
»Schon. Aber irgendwie dachte ich, dass so etwas durchaus einmal eine Erwähnung wert gewesen wäre«, sagte Kō.
Kakashi zuckte mit den Schulter. Warum fanden das alle so erwähnenswert? »Zu viele Erwartungen, die mit dem Namen Senju einher gehen. Das schien mir den Ärger nicht wert gewesen zu sein.«
»Hm.« Kō nickte verstehend. »Leuchtet irgendwie ein. Wüsste nicht, ob ich das so aufregend fände.«
»Siehst du.«
Für einige Minuten verfielen sie in Schweigen und beobachteten weiter Naruto. Der ließ sich von nichts beirren und setzte seine Erkundungstour fort. Zwischenzeitlich krabbelte er zu Kakashi, um ihm stolz das erbeutete Tuch zu zeigen. Kakashi tat ihm den Gefallen, hob ihn hoch und sagte ihm, was für ein tolles Tuch es war, bevor er es dem Baby aus seinen Fingern wrang. Es war natürlich ordentlich vollgesabbert. Yuki würde sich bedanken, nun Babysabber aus ihren Kleidern waschen zu dürfen. Kakashi setzte Naruto wieder auf den Boden und ließ ihn weiterkrabbeln.
Ihm kamen Mikotos Worte in den Sinn. Was war Naruto für ihn eigentlich? Der Sohn seines einstigen Sensei, klar, und am Anfang hatte er sich noch Mühe gegeben, das Babysitten als nichts weiter als einen Job zu betrachten. Aber mittlerweile gestand er sich selbst ein, dass es eigentlich nie nur das gewesen war.
War Naruto wirklich so etwas wie ein kleiner Bruder für ihn? Und was hieß das für seine Beziehung zu Minato? Kakashi hatte dem nie Raum in seinen Gedanken gegeben. Vielleicht fürchtete er sich vor dem, was am Ende stand.
Vielleicht war er auch einfach noch nicht bereit dafür. Noch nicht jetzt jedenfalls.
»Wie geht es mit uns weiter?«, fragte Kō in die Stille hinein. »Wann wird Team Ro wieder seinen Dienst aufnehmen, und wenn ja, in welcher Form?«
»Ich weiß nicht«, gestand Kakashi. »Tobirama hat noch nichts dazu gesagt.«
»Ich habe das Nichtstun satt«, schnaubte Yuki. »Den ganzen Tag nur rumsitzen und in den eigenen Gedanken schmoren. Das ist schrecklich. Ich will endlich was tun, etwas mit Bedeutung! Babysitten ist es ganz bestimmt nicht.«
»Vorerst ist es nun einmal das, was wir tun können«, versuchte Kakashi sie zu besänftigen. »Sieh es so: Indem wir auf Minatos Sohn aufpassen, hat er den Kopf frei, um die ganze Sache mit Orochimaru zu klären.«
Noch während er die Worte sprach, merkte er selbst, wie hohl sie klangen.
Die Retour kam umgehend. »Ich will das selbst klären. Das Arschloch hat Sukea auf dem Gewissen! Ich will nicht den ganzen Tag in meiner miefigen Wohnung sitzen und mir meine Klamotten vollsabbern lassen von einem Baby! Ich will da raus und dem Schwein die Eingeweide rausreißen, wie er es mit Sukea gemacht hat!«
Kakashi beschloss, auf die Vernunft zu pfeifen. »Weißt du was? Das will ich auch. Alles in mir drängt zur Tat.«
»Und warum tun wir dann nichts, sondern drehen Däumchen?«, fragte Kō weiter.
»Weil wir immer noch Anbu sind und zu Gehorsam und Loyalität verpflichtet sind«, erinnerte Kakashi seine Teamkollegen. »Wir können nicht einfach so losspazieren und auf eigene Faust handeln.«
So sehr er es auch wünschte. Jede Faser seines Seins gab Yuki und Kō Recht.
Naruto hatte die Staubflusen unter Yukis Bett entdeckt. Als Kakashi es bemerkte, war er bereits halb darunter gekrabbelt und hatte etliche davon in den Haaren hängen. Kakashi zog ihn wieder hervor. Naruto nieste. Seufzend machte sich Kakashi daran, die Fusseln aus Narutos Haar zu klauben.
»Sonderlich schlau ist der Kleine ja nicht«, bemerkte Kō trocken.
»Er ist ein Baby, was erwartest du?«, verteidigte Kakashi Naruto.
»Mal angenommen, wir würden uns auf eigene Faust losmachen. Nur mal angenommen«, kam Yuki wieder darauf zu sprechen. »Wo würden wir anfangen?«
Statt Naruto wieder freizugeben, ließ Kakashi ihn auf seinen Knien reiten. Bevor der Junge wieder auf dumme Gedanken kam.
»Natürlich nur ganz hypothetisch, aber wir würden uns noch einmal seine Akte ganz genau anschauen«, sinnierte Kō. »Vielleicht findet sich dort irgendein Hinweis.«
Für einen winzigen Moment rang Kakashi mit sich. Dann sagte er doch: »Ich weiß, dass er weitere Geheimverstecke außerhalb Konohas haben muss. Irgendeine Spur muss er hinterlassen haben. Irgendwo Vorräte erworben haben, irgendetwas. Er kann sich nicht in Luft aufgelöst haben.«
»Also endet es wieder beim alten Frage-und-Antwort-Spiel«, kommentierte Yuki. »Welche Verbindungen hatte er? Wohin könnte er gegangen sein?«
»Er und Danzō stecken unter einer Decke.« Kakashi sagte hier garantiert zu viel, aber jetzt spielte es auch keine Rolle mehr. Das war ja alles nur theoretisch, nicht wahr?
Kō grummelte. »Gleich und gleich gesellt sich gern. Das wundert mich nicht im Geringsten. Über den wissen wir aber ebenso wenig, und diese gehirngewaschenen Typen aus der Ne werden uns sicher nicht weiter helfen.«
»Nun ja, ich sag mal so: Tobirama sitzt da gerade dran«, eröffnete Kakashi. Wahrscheinlich hatte sein Großvater das Siegel, das Danzō auf alle Ne-Agenten gelegt hatte, schon so gut wie gelöst, er hatte ja momentan mehr als genug freie Zeit.
»Das ist doch schon einmal ein Anfang«, kommentierte Yuki. »Aber dann weiter nur rumzusitzen, bringt uns auch nicht viel weiter.«
»Da das alles nur theoretisch ist, können wir derzeit allerdings nicht viel mehr machen«, fügte Kō an.
»Wohl wahr«, bestätigte Kakashi.
Er betrachtete Naruto. Der kleine Junge quietsche vergnügt und scherte sich nicht um das Gespräch.
Theorien waren so eine Sache. Es war ihnen oftmals zuträglich, wenn sie in der Praxis erprobt wurden.
Naruto streckte seine Ärmchen in die Luft, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.
»Nun, wie dem auch sei«, sagte Kakashi und schnappte sich Naruto. »Der kleine Unruhegeist hier muss langsam Feierabend machen. Genug Abenteuer für einen Tag. War schön mit euch und alles. Man sieht sich.«
»Babysitten steht immer noch nicht in meinem Arbeitsvertrag«, erinnerte Yuki ihn.
»Ja, schon klar.« Kakashi winkte ab. »Beim nächsten Mal schulde ich dir eine Packung Waschmittel. Deal?«
»Meinethalben«, grummelte Yuki.
Sie verabschiedeten sich voneinander, und Kakashi machte sich mit Naruto auf dem Arm auf den Heimweg. Seines Tuchs beraubt fand Naruto neues Interesse an Kakashis Haaren. Da er es mittlerweile gewohnt war, regelmäßig Ōkamis Zunge in seinem Gesicht zu haben, störte sich Kakashi nicht weiter daran. Gegen Ōkami war das hier harmlos.
Immer und immer wieder ging er in Gedanken das Gespräch mit seinem Team durch. Natürlich war alles nur Theorie. Aber was wäre, wenn …?
Er schwieg und verlieh seinen Gedanken keinen Ausdruck. Naruto hätte ohnehin nur Gebrabbel dazu beizutragen.
Der Nachmittag ging bereits in den Abend über, und noch auf dem Weg wurde Naruto allmählich schläfrig. Der Tag war voller Abenteuer bei Yuki gewesen. Immerhin sorgte das dafür, dass seine Energie langsam zu Neige ging und er hoffentlich schnell einschlafen würde, wenn es Zeit für ihn war. Das einlullende Wiegen von Kakashis Schritt trug sein Übliches dazu bei. Als Kakashi zu Hause angekommen war, döste Naruto auf seinem Arm bereits, die kleine Wange an Kakashis Schulter geschmiegt, wo er seinen Sabber abschmierte. Wann hatte sich Kakashi eigentlich daran gewöhnt?
»Bin wieder da!«, rief er in das Haus.
Ōkami schien auf Jagd zu sein, ansonsten würde sie schon längst vor seinen Füßen herumspringen. Von oben hörte er jedoch Stimmen, und Tobirama rief ihm eine Begrüßung zu. Kurz darauf kam Minato die Treppe herab, um ihn persönlich zu begrüßen. Vorsichtig nahm er ihm Naruto ab.
»Na, ihr beiden, was habt ihr heute gemacht?«, wollte er wissen.
»Yukis Kleiderschränke ausgeräumt«, berichtete Kakashi todernst.
Naruto reagierte auf die Anwesenheit seines Vaters mit einem fröhlichen Brabbeln und wachte für einen kurzen Augenblick wieder aus seinem Nickerchen auf. Er patschte mit seinen Händen in Minatos Gesicht herum. Minato lachte und rieb seine Nase an Narutos.
»Das klingt nach einer Menge Abenteuer«, kommentierte er. Dann reichte er seinen Sohn jedoch an Kakashi zurück. »Kakashi, sei bitte so lieb und gibt ihm sein Abendessen und bring ihn dann ins Bett. Wir haben noch zu tun.«
Kakashi sah ihn mit hochgezogener Braue an. »Du bestehst doch sonst immer darauf, zum Feierabend auch wirklich die Arbeit liegen zu lassen.«
Minato druckste herum. »Ja, ich weiß. Aber es sind mir ein paar Dinge zu Ohren gekommen, um die ich mich sofort kümmern muss.«
Kakashi wurde hellhörig, beschloss aber, in diesem Moment nicht weiter nachzubohren. Minato würde es ihm schon erzählen, wenn er es für angemessen hielt. Während sich Minato wieder nach oben verzog, vermutlich in Tobiramas Arbeitszimmer, ging Kakashi mit Naruto in die Küche. Er setzte den Jungen in seinen Kinderstuhl.
»Zeit für die Raubtierfütterung.«
Kakashi durchsuchte ihre Vorräte und beschloss, dass er Naruto etwas gönnen durfte, so lange Tobirama nicht hinsah. Also bereitete er ihm Grießbrei mit Zimt, Zucker und Apfelmus. Naruto wachte noch einmal komplett auf, als er das bemerkte, und verkündete unmissverständlich seine enthusiastische Zustimmung. Es musste wirklich nicht jeder so asketisch leben wie Tobirama.
Geduldig schob Kakashi einen Löffel nach dem anderen in Narutos Mund. Naruto versuchte, ihm den Löffel abzunehmen und selbst zu essen, aber Kakashi verhinderte es. Er hatte keine Luft, das Chaos, das dabei entstehen würde, beseitigen zu müssen. Bald war Naruto so sehr mit Essen beschäftigt, dass er es ohnehin nicht mehr versuchte.
»Das ist jetzt also mein Anbu-Leben. Dich kleinen Hosenscheißer füttern. Vor einem Jahr habe ich noch Attentate mit der höchsten Geheimhaltungsstufe ausgeführt.«
Naruto schmatzte. Er sah zu Kakashi auf und lächelte. Kakashi tupfte ihm den Mund mit einem Tuch ab.
Nach dem Essen räumte Kakashi das Geschirr weg und machte Naruto bettfertig. Der Trick war, es wie ein Spiel zu gestalten, dann machte Naruto auch mit, statt sich gegen das lästige und langweilige Waschen zu wehren. Das war alles noch einfacher, als er ein paar Monate jünger gewesen war und den ganzen Tag geschlafen hatte.
Mit Naruto auf dem Arm ging Kakashi zu dessen Kinderzimmer. Als er an Tobiramas Arbeitszimmer vorbeikam, schnappte er ein paar Worte auf, die wahrscheinlich nicht für ihn bestimmt waren. Die Tür stand einen Spaltbreit offen, Minato hatte sie anscheinend nicht mehr vollständig zugeschoben, als er zurückgekehrt war, und ein Lichtstreifen fiel in den Flur.
»Du musst das ernst nehmen, Minato!« Unverkennbar Tsunade.
»Das mache ich doch!«, entgegnete Minato energisch. »Wenn es stimmt, was wir vermuten, dann sind sie auch hinter Naruto und mir her. Ich nehme das mehr als ernst, glaub mir!«
Unwillkürlich hielt Kakashi inne. Er sollte nicht lauschen, er wusste das. Und doch konnte er nicht weghören.
»Beruhigt euch, beide.« Das war Tobirama.
Von da an dämpften sie ihre Stimmen wieder. Kakashi sammelte sich und ging rasch weiter. Wer war hinter Minato und Naruto her? Sie hatten doch den Komplott des Kazekage aufgedeckt. Oder steckte da noch mehr dahinter?
Naruto bemerkte davon nichts. Er hatte seine Ärmchen um Kakashis Hals geschlungen und kämpfte schon wieder mit zufallenden Augen. Immerhin hieß das, dass er heute schnell einschlafen würde, ganz gleich, wie lange er noch aufbleiben wollte.
»Du wirst ein unerträgliches Energiebündel, wenn du nur ein bisschen älter wirst«, sagte Kakashi ihm.
Im Kinderzimmer schaltete er das Nachtlicht an und legte Naruto in sein Bett. Instinktiv griff der Junge nach seinem Plüschwolf und schmiegte sich an das weiche Spielzeug. Kakashi konnte ein ganzes Monatsgehalt darauf verwetten, dass Narutos erstes Wort »Wolf« lauten würde. Naruto gähnte ausgiebig und schon alsbald wurde sein Atem ruhiger. Kakashi blieb dennoch noch ein paar Minuten länger, um sicherzugehen, dass Naruto wirklich eingeschlafen war.
Dann schlich er sich zurück, um weiter zu lauschen.
»Wir müssen die Wachen im Dorf und im Umland verstärken«, sagte gerade Minato. »Ich will über jede Bewegung Bescheid wissen. Kein Fuchs schleicht mehr durchs Unterholz, ohne dass ich davon weiß. Niemand kommt in das Dorf oder verlässt es ohne meine Erlaubnis.«
Vorsichtig setzte Kakashi einen Fuß vor den anderen, um auf den tatami-Matten des Flurs kein Geräusch zu machen. Er kniete sich neben den Türspalt, um besser lauschen zu können.
»Die Teams, die derzeit auf Außenmissionen sind, sollten zurückgerufen werden, um die Grenzwachen zu verstärken«, fügte Tobirama an.
»Dem stimme ich zu, ich werde es anordnen.«
»Aber wer sind ›sie‹?«, warf Tsunade ein. »Was wissen wir eigentlich über sie?«
»Eine Söldnertruppe hat Jiraiya sie genannt, aber viel mehr wissen wir auch nicht«, sagte Minato. »Anscheinend haben einige andere Länder bereits ihre Dienste in Anspruch genommen. Ich weiß nicht, wer die Mitglieder von Akatsuki sind, noch wo sie herkommen.«
»Oder was ihre Ziele sind«, fügte Tsunade an. »Aber warum sollte eine Söldnertruppe Jagd auf jinchūriki machen? Welchen Nutzen haben sie davon? Und wenn nicht sie, in wessen Auftrag handeln sie dann?«
Jagd auf jinchūriki? Was sollte das heißen?
»Ich weiß es nicht.« Minato klang frustriert, wie als würden sie nicht das erste Mal darüber sprechen. »Yugito Nii scheint Glück gehabt zu haben, ihr konnten sie Nibi nicht entreißen, aber sie hat es kaum überlebt.«
»Und vergessen wir nicht die Bijū, die nicht mehr versiegelt sind«, fügte Tobirama an. »Jene wie Sanbi. Uns liegen keine Berichte vor, demnach sie irgendwo gesichtet wurden. Das kann aber genauso gut bedeuten, dass sie bereits von diesen Akatsuki gefangen wurden, ohne dass wir es bemerkten.«
»Es treibt mich in den Wahnsinn!« Minato gab einen unwilligen Laut von sich. »Ich weiß, dass da irgendeine Verbindung sein muss, aber ich sehe sie einfach nicht. Was ist das fehlende Puzzleteil?«
»Dann sende Leute da raus und finde es heraus«, sagte Tsunade.
»Ich kann nicht einfach so Spione in andere Länder schicken«, widersprach Minato. »Du bist bei weitem nicht die erste, die mir das vorschlägt.«
»Stattdessen willst du hier untätig herumsitzen und warten, bis diese Akatsuki bei uns an der Tür klingeln?«, fragte Tsunade provokativ.
»Dafür müssen sie erst an mir vorbeikommen, das werde ich nicht zulassen«, knurrte Tobirama.
»Ich sitze nicht untätig herum!«, protestierte Minato fast zeitgleich.
»Doch, das tust du, und damit machst du denselben Fehler wie schon Sensei«, konterte Tsunade.
Womit sie absolut Recht hatte.
Es klang, als wollte Minato etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Die Wachen weiter zu verstärken, ist auf jeden Fall der richtige erste Schritt«, sagte Tobirama. Etwas raschelte, als würde er ein Stück Papier ausbreiten. »Sieh hier. Ich habe mir genauer angesehen, wo die Vorfälle auftraten, und es scheint mir, als würden sie in Richtung Amegakure führen.«
»Du sollst dich ausruhen, Onkel«, mahnte Tsunade tadelnd.
»Du hast mir körperliche Aktivität untersagt, nicht das hier«, konterte Tobirama.
»Es scheint fast, als würden die Opfer, die das explosive Mokuton in sich tragen, aus Amegakure kommen«, sinnierte Minato. »Oder dorthin gehen.«
»Ich glaube, sie kommen von dort«, sagte Tobirama. »Irgendwer dort infiziert sie damit und schickt sie dann hinaus in die Welt, um wer weiß was mit ihnen anzustellen. Selbst wenn es wahllose Akte des Terrors sind, müssen sie doch irgendein Ziel verfolgen. Ich glaube, wenn wir ihren Ursprung in Ame finden, finden wir die Antworten auf unsere Fragen.«
»Was macht dich da so sicher?«, fragte Minato.
»Instinkt.«
Für einen kurzen Moment sagte niemand etwas.
»Nun gut, ich war bisher immer gut beraten, auf deinen Instinkt zu hören«, sagte Minato. »Ich will Antworten, und gleichzeitig weiß ich nicht, ob ich sie wirklich will.«
Etwas brodelte da unter der Oberfläche, etwas ganz Gewaltiges. Selbst Kakashi konnte es spüren.
»Aber meinte nicht Jiraiya, dass Ame abgeriegelt wurde und nichts mehr hinaus oder hinein kommt?«, warf Tsunade ein.
Lebende Mokuton-Bomben. Verfolgte jinchūriki. Und dann auch noch Orochimarus und Danzōs Verschwinden. Wie stand das alles in Zusammenhang? Mokuton, um die Bijū zu kontrollieren? Und dann?
»Deswegen bereitet es mir solche Kopfschmerzen, darüber nachzudenken, wirklich ein Team dorthin zu schicken«, gab Minato zu bedenken. »Die internationale Situation ist bereits angespannt genug. Und wenn dann auch noch bekannt wird, dass sich wieder eine der fünf großen Nationen in die Belange der kleineren Länder einmischt, könnte das der Funken sein, der das Pulverfass erneut zum Explodieren bringt.«
Kakashi musste an sich halten, nicht in den Raum zu stürmen und seine Meinung kundzutun. Die drei wären sicher nicht allzu erfreut zu erfahren, dass er sie belauschte. Aber vom Däumchendrehen änderte sich auch bloß nichts!
In diesem Moment fasste Kakashi einen Entschluss. Irgendwer musste den ersten Schritt tun, und wenn er es nicht tat, dann anscheinend niemand. Er war es leid, auf der Stelle zu treten, so kamen sie nicht weiter.
So leise, wie er nur konnte, stand er auf und schlich in sein Zimmer. Die Tasche mit seiner Ausrüstung war schnell gepackt, er hielt immer alles Essenzielle griffbereit. Dann schob er lautlos das Fenster auf, sprang auf den Ast des Baumes, der vor dem Haus wuchs, und war auf und davon.
Der Weg über die Dächer des Dorfes war ihm so vertraut, dass er ihn auch im Schlaf hätte gehen können. Innerhalb weniger Minuten war er wieder bei Yuki angekommen. Ganz, wie er vermutet hatte, war auch Kō noch anwesend. Kurzerhand hockte sich Kakashi auf das Fensterbrett und öffnete das Fenster. Er hob die Hand zum Gruß.
»Yo.«
Weder Yuki noch Kō wirkten sonderlich überrascht, ihn hier zu sehen. Ungerührt aßen sie weiter ihre Pizza aus dem Karton zwischen ihnen.
»Pizza?«, fragte Yuki und hielt ihm den Karton entgegen.
»Wir brechen auf. Jetzt«, sagte Kakashi stattdessen.
Yuki lächelte, das erste Mal seit Sukeas Tod. »Ah. Sehr gut.«
»Aber ihr müsst euch bewusst sein, dass wir damit gegen direkte Befehle verstoßen«, warnte Kakashi sie. »Wenn ihr nicht wollt, müsst ihr nicht mit mir kommen. Aber ich werde auf jeden Fall gehen.«
»Das ist uns bewusst«, sagte Kō. »Wir werden uns damit mindestens eine Menge Ärger einhandeln, aber wir sind es leid, untätig herumzusitzen und fett zu werden.«
»Weißt du, Boss, manchmal kannst du ein richtiger Kotzbrocken sein«, sagte Yuki, während sie bereits zu ihrer Ausrüstung griff. »Aber am Ende weiß ich immer, dass ich mich auf dich verlassen kann. Wo geht‘s hin?«
»Amegakure. Tobirama glaubt, dass wir dort die Antwort finden werden, nach der wir suchen«, verriet Kakashi ihnen.
Er würde so richtig tief in der Scheiße stecken, wenn sie aufflogen. Aber das war es wert. Es war keine Frage, ob ihre Tat entdeckt wurde, sondern wann. Und bis das geschah, wollte er möglichst viel Abstand zwischen sich und Ōkamis überfeiner Spürnase bringen.
»Wir müssen uns beeilen, und ich will heute noch möglichst weit kommen«, wies Kakashi seine Kameraden an. »Packt nur das Nötigste und nehmt möglichst viele Soldatenpillen mit. Die sollten uns genügend Vorsprung ermöglichen.«
»Wir sind bereit, wenn du es bist, Boss«, bestätigte Kō.
»Sehr gut.« Kakashi wartete, bis Yuki und Kō ihre Ausrüstung verstaut hatten, dann setzten sie ihre Masken auf und er führte sein Team aus dem Dorf.
Erneut wählte er den Weg über die Dächer. Er kannte die Wege der Patrouillen, und auch wenn Minatos geplante Ausgangssperre noch nicht offiziell war, wollte Kakashi doch vermeiden, von irgendwem gesehen zu werden. Die Sonne war bereits untergegangen und Ruhe kehrte auf den Straßen Konohas ein. Die drei Anbu waren nichts weiter als weitere Schatten in der Dunkelheit. Kakashi führte sie ohne Probleme an den Wachen vorbei.
Eine Person fand sie dennoch.
Kaum hatten sie ungesehen die Dorfgrenzen hinter sich gelassen, machte Kakashi Jiraiya zwischen den Bäumen aus. Er hatte anscheinend hier auf sie gewartet, denn sogleich kam er auf sie zu und wirkte kein bisschen überrascht.
»Habt euch Zeit gelassen«, bemerkte er.
Kakashi ließ es unkommentiert stehen. Er fragte gar nicht erst, woher Jiraiya wusste, dass sie hier auftauchen würden, wenn er selbst erst vor weniger als einer Stunde die Entscheidung dazu getroffen hatte.
»Was wollen Sie hier? Wir sind auf einer Mission«, teilte er Jiraiya mit.
»Ich weiß, und ich werde mitkommen.« Es war keine Bitte.
Kakashi überlegte, was er tun sollte. Jiraiya war nicht eingeplant gewesen und eigentlich wollte Kakashi ihn nicht dabei haben. Aber würde er sie verraten? Oder konnte er ihnen doch von Nutzen sein?
»Ich kenne Orochimaru besser als ihr«, fuhr Jiraiya fort. »Und hinter dem seid ihr her, ich weiß es.«
Yuki und Kō beobachteten Kakashi. Kakashi überlegte hin und her. Schließlich nickte er doch.
»In Ordnung.«
Jiraiya streckte ihm seinen Daumen entgegen. »Dann auf geht‘s!«
Kapitel 16: Wichtige Lektionen in Sachen Recherche
Kakashi war nicht sonderlich begeistert davon, mit Jiraiya zu reisen. Leider war sein Argument nicht von der Hand zu weisen und er bewies schnell, dass er sich durchaus darauf verstand, eine Spur zu finden. Er hatte sich bereits vor einigen Monaten als sehr nützlich erwiesen, als es darum ging, Tsunade aufzutreiben.
In nur wenigen Tagen erreichten sie die Grenze zu Amegakure. Auf ihrem Weg vermieden sie die großen Straßen, wo sie leicht gesehen werden konnten, da sie alle darauf zählten, dass sie bereits verfolgt wurden. Je näher sie der Grenzregion kamen, desto deutlicher wurde es, dass etwas in der Luft hing. Nicht mehr nur die Shinobi aus Konoha sicherten jetzt die Straßen, auch Samurai des daimyo patrouillierten immer häufiger. Das war ungewöhnlich, normalerweise hielt er sich aus so etwas heraus und ließ die Shinobi ihre Konflikte untereinander ausmachen.
»Meiner Erfahrung nach sind Badehäuser eine hervorragende Quelle für Informationen«, sagte Jiraiya, als sie ihr weiteres Vorgehen erörterten.
»Das kann hier niemand teilen«, entgegnete Kakashi sogleich. Weder schien Yuki begeistert von der Idee zu sein, noch war Kakashi besonders erpicht darauf. Öffentliche Bäder waren noch immer so ein Thema für ihn.
»Dann hab ihr‘s einfach noch nicht versucht«, lautete Jiraiyas schlichte Antwort. »Es wundert mich, dass Minato dir nie diese wertvolle Lektion hat zuteil werden lassen, die ich ihm gegeben hatte.«
Wahrscheinlich weil er noch besser wusste als Kakashi, was Jiraiyas eigentliches Ansinnen war. Was für ein Lustmolch.
»Wir haben keine Zeit für so etwas«, beharrte Kakashi. »Ich bin mir sicher, dass wir bereits aus Konoha verfolgt werden. Wir müssen unseren Vorsprung halten, sonst werden wir unsere Mission nie erfüllen können.«
Wenn sie Pech hatten, war ihnen Ōkami auf den Fersen und dann sah es bereits jetzt schlecht für sie aus. Kakashi hatte noch keine Verfolger ausmachen können, aber das hieß nicht, dass sie nicht da waren. Wie er Minato und Tobirama kannte, hatten sie ihnen garantiert einen Verfolgertrupp nachgesandt, um sie wieder nach Hause zu bringen.
»Vertraut mir«, beharrte Jiraiya. »Nur weil ihr etwas nicht kennt, heißt das nicht, dass es schlecht sein muss.«
Kakashi blieb stur. »Wir werden einen anderen Weg finden.«
Am Ende bekam Jiraiya dennoch seinen Willen. An diesem Tag legten sie noch ein gutes Stück Weges zurück. Als sie jedoch für die Nacht Rast machten, verschwand Jiraiya für gute zwei Stunden. Kakashi war schon drauf und dran, ihn einfach sitzen zu lassen und mit seinem Team zu verschwinden, als er wieder auftauchte, ein breites Grinsen im Gesicht.
»Wie es der Zufall so will, ist der Ort dort hinten ein Durchgangsgebiet für Flüchtlinge aus Ame«, berichtete er ihnen stolz. »Da scheint es derzeit übel herzugehen, viele von Hanzōs einstigen Gefolgsleuten sind hingerichtet worden. Eine neue Gruppierung, die in Verbindung mit Akatsuki zu stehen scheint, hat jetzt die Führung übernommen.«
»Und wer sind sie?«, fragte Kakashi widerstrebend. Er wollte Jiraiya nicht einräumen, dass er Recht hatte.
»Das Detail konnte ich noch nicht genauer beleuchten«, gestand Jiraiya. »Aber zu viert dürfte das kein Problem sein! Die Damen sind wirklich sehr nett.«
Yuki machte den Eindruck, als wolle sie Jiriaya auf der Stelle erdrosseln.
»Wir können die Leute auch auf herkömmliche Weise befragen«, betonte Kō.
»Pff.« Jiraiya winkte ab. »Viel zu dröge. Die Methoden der Anbu sind nicht gerade subtil.«
»Wir sind Anbu, subtil steckt sprichwörtlich in unserem Namen«, konterte Yuki.
»Wie wäre es mit Raffinesse? Feingefühl? Kreativität?«, schlug Jiraiya vor.
»Unsere Methoden sind seit Nidaime-samas Zeiten erfolgreich erprobt«, brummte Kō, aber Jiraiya hörte ihn schon nicht mehr und war vorausgegangen. Kakashi seufzte und folgte ihm widerwillig. Es erschien ihm derzeit das Einfachste zu sein.
Jiraiya führte sie sicheren Schrittes in die Siedlung hinein. Während er bedenkenlos auf offener Straße lief, hielten sich die drei Anbu im Hintergrund und folgten ihm mit tief in die Gesichter gezogenen Kapuzen. Sie fielen nicht weiter auf, in den Straßen waren allerhand wild zusammengewürfelte Menschen zu sehen. Die meisten machten den Eindruck, als seien sie nur auf der Durchreise, viele waren schwer bepackt und steuerten verschiedene Unterkünfte an, die sich in den Straßen fanden. Die Stimmung war von geschäftiger Stille geprägt, man schwieg sich an und ging den eigenen Angelegenheiten nach, ohne sich groß um die anderen zu kümmern.
Das änderte sich erst, als sie sich einem gewissen Etablissement näherten. Kakashis Schritt wurde zögernder, als er erkannte, wohin Jiraiya sie geführt hatte.
Das Badehaus lag etwas abgelegen auf einer kleinen Anhöhe und war um eine natürliche Quelle herum errichtet worden, die hier an die Oberfläche trat. Ein paar Leute gingen ein und aus und aus der Ferne drangen Stimmen zu ihnen. Jiraiya reckte den Kopf, als würde er nach etwas Ausschau halten, stellte dann wohl aber fest, dass er von ihrer Position aus nicht viel sehen konnte, und beließ es dabei.
Die drei Anbu hatten mittlerweile ihre Masken abgenommen, um weniger in den Straßen aufzufallen, und so konnte Kakashi Yukis skeptisches Gesicht sehen. Sie deutete auf das Badehaus.
»Und wie soll uns das irgendwie weiterhelfen?«
Jiraiya schob alle drei seiner Begleiter vor sich her. »Kommt und seht.«
Yuki stemmte die Fersen in den Boden, Jiraiya schleifte sie jedoch kurzerhand mit sich. Widerstrebend fügte sie sich in ihr Schicksal.
Jiraiyas großer Plan drohte jedoch schon an Eingang zu scheitern.
»Ach so, stimmt ja«, bemerkte er resigniert, als er die Schilder sah, die zum Frauen- und Herrenbereich wiesen. »Ihr beiden könnt ja gar nicht mitkommen. Nun ja, dann wird wohl unser Freund Bär das alleinige Vergnügen haben und ihr könnt dort drüben entspannen. Hat doch auch was, oder? Nichts tun, während andere die Arbeit erledigen.«
Kakashi und Yuki sahen Jiraiya gleichermaßen verstimmt an.
»Ich hab nichts im Frauenbereich zu suchen, ich darf da nicht rein«, erinnerte Kakashi ihn missgelaunt.
»Äh.« Jiraiya wirkte plötzlich überfordert, und in dem Moment wusste Kakashi mit glasklarer Gewissheit, was als nächstes folgen würde. »Aber du bist doch mit gewissen, du weißt schon, Körperteilen geboren worden. Und ich will jetzt nicht aufdringlich sein oder so, aber daran hast du doch nichts geändert, richtig?«
»Wüsste nicht, was das für eine Rolle spielt«, knurrte Kakashi und erinnerte sich, wozu er das hier machte. Ansonsten wäre er auf der Stelle umgedreht. Festen Schrittes ging er voran und sah nicht zurück. Er wusste, dass er andernfalls sofort wieder nach draußen geflüchtet wäre.
Er nahm eine der Kabinen in Anspruch, die es im Umkleideraum gab, und ließ sich Zeit, um sich seiner Kleidung zu entledigen und das Nachfolgende hinauszuzögern. Um Zeit zu schinden, faltete er alles ordentlich, und dann war er doch nicht damit zufrieden und legte alles noch einmal zusammen. Für einen Moment blickte er auf das Kleiderbündel in seiner Hand, dann sah er auf und musterte sein Ebenbild in dem Spiegel, der hier in der Kabine hing.
Auf einmal fühlte er sich völlig fehl am Platz. Sie würden es sehen, die großen Narben auf seinem Brustkorb waren nun wirklich nur schwer zu übersehen, und das Handtuch, das er sich umgebunden hatte, kaschierte auch nur dürftig die Form seiner Hüften. Eine Handvoll Monate Hormone hatten einige Veränderungen nach sich gezogen. Über jeden noch so kleinen Fortschritt hatte er sich so sehr gefreut, doch jetzt erschien es ihm zu wenig, zu unmerklich. Sie alle würden denken, er hätte sich im Raum geirrt. Sie würden auf ihn zeigen und unangenehme Kommentare machen.
Kakashi atmete einmal tief durch. Er hatte Jiraiya gesagt, dass es keine Rolle spielte, mit was für einem Körper er geboren worden war. Er hatte jedes Recht, hier zu sein, genau wie jeder andere Kerl auch.
Beinahe unwillkürlich kam ihm Gai in den Sinn. Er konnte sich sehr gut vorstellen, was Gai ihm jetzt sagen würde. Frühling der Jugend und so weiter, das müsse genutzt werden, und wahrscheinlich würde er daraus eine Herausforderung machen. Wer zuerst im Becken war oder so. Gut möglich, dass Kakashi sich darauf einlassen würde, einfach weil es Gai war, sein selbsternannter Rivale. Nicht, dass Kakashi dem jemals zugestimmt hätte, aber Gai hatte ihn zu seinem Rivalen ernannt und damit hatte sich die Sache erledigt.
»Na gut, Gai. Dann mach ich das eben. Du hast ja Recht«, sagte Kakashi zu seinem Spiegelbild. Er würde die ganze Sache ansonsten nur noch mehr hinauszögern. Einfach, weil es ihm ein klein wenig mehr Sicherheit gab, band er sich ein Stofftuch vor das Gesicht und verließ dann die Kabine.
Jiraiya schien mit Kō schon vorausgegangen zu sein, denn Kakashi konnte die beiden nirgends sehen. Er schlich sich in den Duschraum und vermied dabei nach Möglichkeiten andere Badegäste. Noch schenkte ihm niemand Beachtung oder sah allzu lang in seine Richtung. Die meisten ignorierten ihn und gingen ihren eigenen Dingen nach. Rasch duschte er sich ab und band sich dann möglichst schnell wieder das Tuch um die Hüfte. Auf nackten Füßen tapste er über die Holzbohlen nach draußen.
Entweder wurde die Quelle beheizt oder sie war von natürlicher Erdwärme gespeist, denn ein leichter Dunst lag über dem Steinbecken. Für einen Moment drückte sich Kakashi am Rand herum und spähte die Lage aus. Eine Handvoll Männer hielt sich hier auf, darunter auch Kō und Jiraiya. Bis auf die beiden achtete auch hier niemand auf ihn. Trotzdem war er nervös.
Er gab sich einen Ruck, löste das Handtuch von seinen Hüften und stieg eilig in das Wasser. Er ließ sich bis zum Kinn hinein sinken und achtete penibel darauf, die ganze Zeit den anderen Badegästen den Rücken zuzukehren. Eigentlich galt es als ausgesprochen unhöflich, andere offenkundig anzustarren, aber er wollte kein Risiko eingehen, um nicht vielleicht doch skeptische Seitenblicke oder, schlimmer noch, unangemessene Kommentare einzukassieren.
Langsam paddelte er zu Kō und Jiraiya. Kō nickte ihm lediglich zu, Jiraiya winkte jedoch auffällig.
»Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen«, kommentierte er.
»Wir wollen ja auch gründlich sein«, konterte Kakashi. »Habt ihr wenigstens schon angefangen?«
»Schon mitten dabei!«, versicherte Jiraiya ihm, auch wenn Kakashi nicht ersichtlich war, inwiefern er wirklich bereits Informationen einholte.
Ihr Becken war mit einem Bambuszaun vom Frauenbereich abgetrennt. Zu sehen war nichts, jedoch zu hören. Kakashi konnte auf der anderen Seite die Stimmen mehrerer Frauen sowie Wasserplätschern hören. Das hatte anscheinend auch Jiraiyas Aufmerksamkeit erregt, denn er suchte nach einer Möglichkeit, doch einen Blick zu erhaschen, und versuchte dabei, nicht aufzufallen. Kakashi bemerkte es trotzdem und fragte sich sogleich, wie das niemandem sonst auffallen konnte. Kō jedenfalls machte einen genervten Eindruck. Kakashi paddelte zu ihm.
»Das war eine beschissene Idee«, wisperte Kō.
»Stimme ich dir zu, aber immerhin bekommen wir ein Bad.«
»Wenn er erwischt wird, halte ich nicht den Kopf hin.«
Kakashi nickte. »Verständlich.«
Kō wies mit dem Kinn in Richtung Jiraiya. »Und wie soll uns das in irgendeiner Weise helfen?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das nicht tun wird. Aber weißt du was? Gerade ist mir das nicht so wichtig. Wir bekommen ein Bad, ist doch nett, oder?«
Kō sah ihn skeptisch an.
»Eigentlich will ich vor allem sehen, wie er sich die verdiente Schelle fängt«, gestand Kakashi.
»Kein Respekt vor einem der Sannin.« Kō legte einen gespielt tadelnden Ton auf. »Das wird ihm allerdings keine Lehre sein.«
»Nein, aber sehr befriedigend mit anzusehen.«
»Absolut wahr.«
Sie lehnten sich beide zurück und beobachteten, wie sich die Ereignisse entwickelten.
Niemand schenkte ihnen so wirklich Aufmerksamkeit. Die Handvoll anderer Männer, die mit ihnen im Bad waren, trieben alle im Wasser dahin und ließen sich von der Wärme durchdringen. Zwei unterhielten sich miteinander, Kakashi bemerkte aber schnell, dass das Gespräch nicht für ihn interessant war.
Jiraiya indes glitt unauffällig und Stück für Stück näher an den Bambuszaun. Er tat es langsam genug, dass ein unaufmerksamer Beobachter es nicht bemerkt hätte. Kakashi öffnete sein linkes Auge einen winzigen Spalt breit und lugte in Jiraiyas Richtung. Er machte das Loch im Zaun aus und jenseits davon eine Spur von Chakra. Yuki. Sie ahnte, was Jiraiya plante, und war ebenfalls aufmerksam. Die Schelle würde ordentlich sitzen.
Kō hatte anscheinend beschlossen, die Situation doch zu nutzen, um ein wenig zu arbeiten, und hatte den nächstbesten Badegast in ein Gespräch verwickelt.
»Ja, die in Ame waren schon immer eigenbrötlerisch«, sagte der Mann gerade. »Und mit Hanzō dem Salamander wollte sich eh niemand anlegen. Es gab gelegentlich Handel mit den Leuten, die nahe der Grenze wohnen, aber das war‘s. So viel weiß ich also auch nicht.«
»Und das hat jetzt komplett aufgehört?«, fragte Kō nach. »Was ist mit Hanzō eigentlich passiert? Der ist doch so ein berüchtigter Kämpfer.«
»Ermordet sagen die einen, gestürzt die anderen.« Der Mann zuckte mit den Schultern. »Kommt am Ende auf‘s Selbe hinaus und jetzt haben die da drüben Unruhen. Sollen schon Leute gestorben sein und etliche haben ihre Heimat verloren.«
»Nach Freiheitskämpfern klingt mir das ja nicht«, bemerkte Kō.
Der Mann nickte. »Ist doch immer so mit denen da oben. Wir sind für die doch nur Figuren auf einem Spielbrett, die sie hin und her schieben können. Aber solange ich mein Gemüse auf dem Wochenmarkt verkaufen kann und ansonsten in Ruhe gelassen werde, ist mir das egal. Es interessiert sich doch eh niemand für mich und so soll‘s auch bleiben. Hab schon genug um die Ohren, dieses Jahr war die Ernte schlecht.«
»Oh, ist das so?«
Keiner beachtete Kakashi, bemerkte er. Alle waren sie mit sich selbst beschäftigt. Das lief weitaus besser, als er erwartet hatte. Die Anspannung verließ seine Schultern, und erst jetzt merkte er, wie angespannt er die ganze Zeit gewesen war. Noch hatte die Nervosität ihn nicht gänzlich verlassen, aber er fühlte sich nicht mehr, als würde er ständig lauernd beobachtet werden. Eigentlich war es gar nicht so schlimm. Vielleicht interessierte es die meisten Menschen am Ende ja doch nicht und nur die wenigsten machten einen Aufriss – auch wenn die lästigerweise immer die lautesten waren.
»Mir tun nur die armen Schweine auf der anderen Seite der Grenze leid«, schnappte Kakashi von dem Bauern auf, mit dem Kō sprach. »Ames Wirtschaft war schon immer schwach und gerade die nahe der Grenzen kamen öfters mal rüber, um bei uns einzukaufen und aufzustocken. Aber jetzt sind die Grenzen dicht. Bis vor kurzem kamen hier noch etliche Flüchtlinge durch, aber jetzt sieht man kaum noch wen.«
»Wie? Die Grenzen sich dicht?«, fragte Kō nach.
»Na ja, waren sie technisch gesehen schon immer, der Verkehr war genau reguliert worden. Aber jetzt lassen sie niemanden mehr raus oder rein. Angeblich sogar mit Gewalt.«
»Das klingt ja richtig nach einem Militärstaat!«, betonte Kō in gespielter Entrüstung. Er war gut.
»Eine Frechheit ist das, sag ich dir«, stimmte der Mann ihm zu. »Das können die doch nicht einfach so mit ihren Leuten machen. Ich fand diesen ganzen Kram mit den Versteckten Dörfern schon immer suspekt, wenn du mich fragst. Solange die ihren Kram unter sich ausmachen, war's mir gleich, aber das geht zu weit.«
»Also kann wirklich niemand rein?«, erkundigte sich Kō noch einmal.
Der Mann winkte ab. »Träum nicht einmal davon. Was ich so gehört hab, klang echt ungemütlich.«
Ein lautes Krachen, gefolgt von einem schmerzerfüllten Heulen, unterbrach sie. Der Bambuszaun zersplitterte und Jiraiya wurde nach hinten ins Wasserbecken geschleudert. Das Wasser spritzte im hohen Bogen nach allen Seiten davon. Inmitten der Trümmer, züchtig verhüllt von einigen Dampfschwaden, stand eine wutschnaubende Yuki.
»Ich wusste es!«, donnerte sie. »Du lüsternder alter Knacker!«
Benommen hing Jiraiya im Becken und blubberte etwas Unverständliches ins Wasser. Er schien nicht ganz bei Sinnen. Ja, die Schelle hatte ordentlich gesessen. Kakashi war zufrieden mit Yukis Leistung.
Ihr Ausflug in ein öffentliches Bad war damit offiziell beendet, und Kakashi nutzte die Aufregung, die der Zwischenfall verursacht hatte, um unauffällig zu verschwinden. Kō folgte ihm kurz darauf und gemeinsam beobachteten sie, wie Jiraiya aus dem Badehaus geworfen wurde und Yuki noch einen Tritt nachsetzte. Sie stapfte wutschnaubend zu ihren Teamkameraden.
»Es war abzusehen, dass der das versucht«, knurrte sie. »Hat er sich wenigstens vorher nützlich gemacht?«
Kakashi zuckte mit den Schultern, die Hände in den Taschen. »Kann ich nicht sagen, glaube aber nicht. Kō schien erfolgreicher.«
Yuki knurrte noch einmal und stapfte davon. Kakashi und Kō folgten ihr. Jiraiya schlich ihnen wie der sprichwörtlich getretene Hund nach.
Sie gruppierten sich in der Siedlung neu und machten sich auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht und um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Kakashi ließ sich den Besuch im onsen durch den Kopf gehen und kam zu dem Schluss, dass es für ihn überraschend gut gelaufen war. Er hätte nicht gedacht, dass wirklich niemand irgendeinen unpassenden Kommentar oder auch nur einen Blick in seine Richtung werfen würde. Er merkte, wie ihm diese Erfahrung eine deutliche Last von den Schultern nahm.
Yuki kochte förmlich vor Wut, und ihre drei Begleiter taten gut daran, ihr nicht in den Weg zu kommen. Besonders Jiraiya machte sich klein; offenbar hing er doch an seinem Leben. Warum aber auch Kakashi und Kō ein paar giftige Blicke kassierten, wusste Kakashi nicht.
Sie fanden in einer kleinen Gastwirtschaft Unterkunft, mussten sich aber zwei Zimmer teilen. Eines davon überließen sie Yuki für sich allein, versammelten sich dann aber doch wieder zu viert, nachdem sie ihr Gepäck abgeladen hatten. Viel war es ohnehin nicht, das meiste hatten sie in Siegelrollen verstaut.
»Wir wissen Folgendes«, fasste Kō zusammen. »In Amegakure gab es einen Umsturz und Hanzō wurde bei einem Putsch getötet. Dabei war eine Söldnertruppe namens Akatsuki involviert. Das können dieselben Leute sein, die jetzt das Sagen haben oder jemand anderes, das ist nicht so wirklich klar. Was Akatsukis Ziele sind, wissen wir auch nicht. Wir wissen aber, dass das Land jetzt abgeriegelt ist und immer noch von blutigen Unruhen erschüttert wird. Ich habe herausfinden können, dass sie die Grenzen dicht gemacht haben, hineinzukommen wird also schwierig. Wir können nicht einfach so reinspazieren.«
»Das war schon immer so gewesen, auch mit Hanzō«, sagte Jiraiya. »Ich weiß aber noch aus dem Zweiten Großen Ninjakrieg das eine oder andere über Ame.«
»Das ist Ewigkeiten her«, gab Kakashi zu bedenken. »Wer weiß, wie das jetzt aussieht.«
»Stimmt«, gab Jiraiya ihm Recht. »Aber zumindest die Landschaft wird sich nicht geändert haben. Seht her.«
Er holte Papier und Tinte aus seinem Gepäck und begann, eine simple Karte Ames zu zeichnen. Interessiert beugte sich Kakashi vor. Es gab in den Archiven Konohas kaum Aufzeichnungen zu diesem Land.
»Ames Topographie ist geprägt von Wasser«, berichtete Jiraiya, »und seine Einwohner sind daran angepasst. Ame-nin besitzen Geräte, die es ihnen erlaubt, unter Wasser zu atmen, und sie setzen oft Suiton ein. Die klimatischen Bedingungen sorgen dafür, dass es in dem Land überdurchschnittlich oft regnet, es haben sich also entsprechend viele Feuchtgebiete gebildet. Amegakure selbst steht sogar inmitten eines Sees, der Weg dorthin führt allerdings durch zahlreiche unwegsame Sümpfe, in denen man leicht verloren gehen kann. Sie müssen die Grenzen nicht schließen, um unliebsame Besucher fernzuhalten. Sie müssen ihnen einfach ihre Hilfe verweigern, durch diese Sümpfe zu kommen.«
»Und wie machen wir das dann?«, fragte Kakashi.
»Ich kenne einen Weg, ich bin ihn schon einmal gegangen, durch die Totensümpfe nach Amegakure.«
Totensümpfe. Wie einladend.
Yuki schnaubte. »Die heißen nicht wirklich so.«
Jiraiya hob abwehrend die Hände. »Hab ich mir nicht ausgedacht. Man sagt, in diesen Sümpfen sind so viele Menschen gestorben, dass ihre Geister sichtbar werden.«
»Klingt nach einem Ammenmärchen«, kommentierte Kō.
»Ist es wahrscheinlich auch«, sagte Jiraiya. »Dennoch müssen wir aufpassen, die Sümpfe sind unbestreitbar gefährlich.«
»Was ist mit der Grenze? Wie kommen wir ins Land?«, fragte Kakashi weiter.
»Wir laufen einfach rüber«, lautete Jiraiyas Antwort. »Wie gesagt, eigentlich haben sie nicht wirklich eine Grenzwache, sie setzen auf die Topographie des Landes. Und erst, wenn unerwünschte Gäste das überstehen sollten, kommen ihre Wachen ins Spiel. Erst dann müssen wir uns um die sorgen. In das Land hineinzukommen, ist nicht schwer. Spannender wird es, an die interessanten Orte des Landes zu kommen.«
»Und wozu dann dieser Ausflug in das Bad?«, verlangte Yuki zu wissen.
Jiraiya zog den Kopf ein. »Ein bisschen Entspannung hat noch niemandem geschadet. Oder?«
Zu seiner ersten Beule gesellte sich eine zweite. Knurrend zog Yuki davon und schloss sich in ihrem Raum ein.
Für Kakashi machte es den Eindruck, als sei ihre Besprechung damit zu einem Ende gekommen. Zeit also, sich auf die Weiterreise vorzubereiten.
Kapitel 18: Warum
»Warum? Sag‘s mir! Warum hast du das getan?«
Tobirama beobachtete Minato, wie er seit geraumer Zeit vor Obito auf und ab lief und ihm aufgebracht immer wieder dieselben Fragen stellte. Gleich nach ihrer Rückkehr nach Konoha hatten sie Obito im Hochsicherheitstrakt der Verhöreinheit in Sicherheitsverwahrung genommen, und Minato hatte keinen Augenblick verstreichen lassen, um mit dem Verhör zu beginnen, sobald er gewahr wurde, wer der Gefangene war. Tobirama konnte es ihm nicht verdenken.
Obito war gefesselt und Siegel bedeckten seinen entblößten Oberkörper, die sein Chakra unterdrückten. Wehr- und hilflos kniete er am Boden, während Minato vor ihm auf und ab lief. Mehrere Anbu waren ebenfalls in dem ansonsten leeren Raum anwesend und hielten das Bannsiegel aufrecht, das zusätzlich um Obito errichtet worden war. Tobirama wollte keinerlei Sicherheitsrisiko eingehen. Inoichi hielt sich zusammen mit Ibiki noch im Hintergrund, doch sie beide beobachteten das Geschehen und warteten auf ihren Einsatz. Kakashi hielt sich hinter Tobirama und gab keinen Laut von sich. Er verfolgte alles aufmerksam, hielt jedoch bewusst alle Emotionen aus seinem Blick. Tobirama konnte nur raten, was er dachte.
»Rede endlich, verdammt! Ich befehle es dir!«, fauchte Minato. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er machte den Eindruck, als würde er am liebsten auf etwas einschlagen. Das einzige Ziel war derzeit jedoch Obito, weshalb er sich noch zurückhielt.
Obito schnaubte. »Sie können mir gar nichts befehlen, sensei.«
»Bah!« Minato machte ein angewidertes Geräusch. »Nenn mich nicht so!«
»Wie denn sonst?«, wollte Obito spöttisch wissen. »Hokage-sama? Das würde ja bedeuten, dass Sie noch irgendeine Art von Autorität über mich haben und würde anerkennen, dass dieses Dorf eine legitime Daseinsberechtigung hat, die ich zu respektieren habe.«
Tobirama hatte das Geschehen bis jetzt nur mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtet. Minato schien jemanden gebraucht zu haben, den er seinen Frust, Zorn und Schmerz ins Gesicht schreien konnte, also hatte er bis jetzt nicht eingegriffen. Die ganze Sache als verzwickt zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Es war für ihn nicht minder schockierend gewesen zu erkennen, dass der Maskierte Obito war. Es hatte so viele ihrer Fragen beantwortet und ihnen gleichzeitig so viele mehr gegeben. Alte Wunden waren wieder aufgerissen worden und dieses Mal tiefer als zuvor. Tobirama wusste nicht, ob sie das Chaos jemals würden entwirren können, in das das Schicksal sie verstrickt hatte.
»Minato«, sagte er nun sanft, aber bestimmt. »Lass es gut sein, das führt zu nichts. Es wird Zeit, dass Inoichi und Ibiki ihren Teil erledigen.«
Minato schrie frustriert auf.
»Alternativ könntest du ihn natürlich auch selbst in kleine Stückchen schneiden, bis er redet«, schlug Tobirama vor.
Das endlich ließ Minato innehalten. Er zögerte sichtlich, als er über Tobiramas Worte nachsann. Er wusste, was getan werden musste, und doch schien er noch nicht vollends willens zu sein, es auch durchzuführen. Tobirama konnte es ihm nicht verübeln. Obito, sein Schüler, hatte den schlimmsten aller Verrate begangen, und doch verband Minato noch etwas mit ihm.
»Ich ...« Minato unterbrach sich selbst. Ein paar Augenblicke lang lief er ziellos im Raum auf und ab und raufte sich die Haare. Dann wandte er sich doch an Ibiki und Inoichi. »Tut, was getan werden muss.«
»Nehmt ihn hart ran«, fügte Tobirama an und ignorierte Obitos giftige Blicke. Der Mistkerl hatte seine Geduld auf dem ganzen Weg nach Konoha stark auf die Probe gestellt, Tobirama hatte kein Fünkchen Mitleid mit dem Verräter. Nicht nach allem, was er seiner Familie angetan hatte.
Inoichi und Ibiki nickten bestätigend. Gleichzeitig führte Tobirama Minato und Kakashi aus dem Raum. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, sank Minato seufzend gegen die Flurwand. Er wirkte müde. Kakashi hatte ihm immerhin schon ein paar Tage voraus, in denen er den Schock über Obitos Enthüllung hatte verarbeiten können.
»Ist das wirklich nötig?«, fragte Minato leise. »Ich meine ... Folter ... Er ist doch ... Er ...«
»Er ist ein Verräter höchsten Grades«, erinnerte Tobirama ihn. »Er hat Kushina und viele andere ermordet und beinahe auch dich und Naruto. Was würdest du mit jemandem machen, der solche Verbrechen begangen hat, wenn es nicht Obito ist?«
»Ich würde ihn ohne zu zögern und unter höchsten Sicherheitsstufen der Verhöreinheit übergeben«, sagte Minato leise. »Ich würde ihnen freie Hand lassen, um alles in Erfahrung zu bringen, was wir wissen müssen. Ich ... Aber ...«
»Kein Aber«, hielt Tobirama dagegen. Er trat vor Minato und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Es ist das, was getan werden muss. Du weißt es.«
Seufzend schloss Minato die Augen und lehnte sich gegen Tobiramas Brust. Tobirama schlang die Arme um ihn und hielt ihn.
»Ist es mein Fehler?«, murmelte Minato. »Habe ich etwas falsch gemacht, das Obito so werden ließ? Ich war doch sein sensei. Ich fühle mich noch immer für ihn verantwortlich.«
»Ich glaube nicht, dass es etwas mit dir zu tun hat«, ergriff Kakashi das Wort. »Nicht vordergründig jedenfalls. Aus dem bisschen, was er geredet hat, habe ich einen tieferliegenden Groll herausgehört. Etwas, das mit dem System an sich zu tun hat, nicht mit einzelnen Personen.«
»Das sehe ich auch so«, bestätigte Tobirama. »Ich denke, dass er dich und Kushina vordergründig deswegen angegriffen hat, weil er an Kyūbi heranwollte, und nicht etwa, um euch zu schädigen.«
Kakashis sichtbares Auge wurde groß. »Er wollte Kyūbi, ist aber gescheitert. Etwa ein Jahr später hören wir wieder, dass andere jinchūriki erneut Ziel von Angriffen werden. Obito ist irgendwie in die Sache mit Akatsuki verwickelt, die aus irgendeinem Grund Jagd auf jinchūriki und ihre bijū machen.«
»Wir werden herausfinden, was sie damit bezwecken und wer noch alles in dieser Organisation ist«, sagte Tobirama bestimmt. Und wenn er persönlich die Antworten aus Obitos Fleisch schneiden würde, er würde sie finden.
Für einen Moment sagte niemand etwas.
Minato seufzte und sackte in Tobiramas Armen in sich zusammen. »Für den Moment muss ich vor allem wissen, wie der Obito, den ich kannte, zu dem werden konnte, was er jetzt ist. Was auch immer das ist. Er war willens, Naruto ...«
Seine Stimme versagte.
Tobirama drückte ihn ein wenig fester an sich. Wenn er auch nur daran dachte, was Obito bereit gewesen war zu tun, wallte in ihm erneut der Zorn heiß auf.
»Ich muss nach Hause«, murmelte Minato. Er klang müde. »Kommst du mit?«
Tobirama verstand und nickte. »Geh vor, ich komme gleich nach.«
Minato löste sich aus seiner Umarmung und lächelte ihn kurz an, dann verschwand er in einem Hiraishin. Tobirama wandte sich an Kakashi.
»Willst du auch gehen?«
Als Antwort nickte Kakashi lediglich.
Schweigend folgte Tobirama seinem Enkel aus dem Gebäude und gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg. Tobirama hätte selbst ein Hiraishin nehmen können, aber er wusste, dass Kakashi lieber lief, und er wusste auch, dass Kakashi in diesem Moment seine Anwesenheit brauchte. Geduldig wartete er darauf, bis Kakashi den ersten Schritt machte.
Eine ganze Weile lang sagte Kakashi kein Wort. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gestopft und starrte finster vor sich hin. Tobirama konnte nur erahnen, was hinter seiner Stirn vor sich ging.
»Warum?« Kakashi brach sein Schweigen schließlich doch, als sie schon mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. »Aber auch wie. Wie hat er überlebt?«
»Seine gesamte rechte Körperhälfte scheint amputiert worden zu sein, sie ist vollkommen vernarbt.« So jedenfalls erklärte sich Tobirama das seltsame Bild von Obitos Körper, das sich ihnen geboten hatte. Seine rechte Gesichtshälfte war vernarbt und deformiert. Die rechte Hälfte seines Oberkörpers, aber auch sein rechter Arm waren hingegen leichenblass, als hätte jemand ein großes Stück eines anderen Körpers genommen und an ihn drangenäht. Tobirama hatte sich die alten Wundränder angesehen, es wirkte tatsächlich wie genäht. Aber noch etwas anderes war seltsam an diesen Körperteilen, aber noch hatte er nicht die Zeit gehabt, dem näherzugehen.
»Rin hatte doch etwas Seltsames in ihrem Bericht geschrieben, erinnerst du dich?«, fuhr Kakashi fort. »Sie hatte gesagt, dass Obitos Körper gewirkt hatte, als würde er im Felsen stecken, nicht darunter. Wir hatten uns alle über ihre Formulierung gewundert.«
»Wie hast du es in Erinnerung?«, fragte Tobirama.
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht mehr. Die Situation war so ... Ich war überfordert gewesen, ich weiß keine Details mehr. Aber es kann durchaus sein, wie Rin schrieb. Obitos und mein Mangekyō war zu dem Zeitpunkt noch nicht erwacht. Aber was, wenn es schon irgendwie latent in seinen Augen vorhanden war? Wenn er wirklich durch den Felsen geglitten war, wie er es nun kann? So könnte er überlebt haben.«
Tobirama nickte. »Eine gute Theorie. Ich weiß nicht, ob ein Mangekyō so funktionieren kann, aber es wäre im Bereich des Möglichen. Das erklärt allerdings nicht seine rechte Körperhälfte.«
»Nun, er war auf jeden Fall verletzt worden, nur anscheinend nicht so schwer, wie wir dachten.« Kakashi warf die Hände in die Luft. »Ach, das bringt doch alles nichts. Solange er nicht redet, können wir doch ohnehin nur rätseln.«
Tobirama nahm sich vor, mit Fugaku über die Möglichkeit eines latenten Mangekyō zu sprechen. Dann sann er über die Chancen nach, dass Fugaku auch wirklich willens wäre, mit ihm oder irgendwem darüber zu reden.
»Er wird reden«, versicherte Tobirama seinem Enkel. »Notfalls sorge ich selbst dafür.«
Kakashi beäugte ihn. So etwas wie Sorge lag in seinem Blick. »Du würdest ihn wirklich in Stücke schneiden, um die Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, oder?«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das tue, ja.«
Kakashi schwieg noch einen Moment länger. »Manchmal vergesse ich, dass du aus einer anderen Zeit stammst.«
»Nun ... ja.« Tobirama wollte noch mehr sagen, hielt dann aber inne. Was gab es mehr zu sagen? Kakashi hatte ja Recht. Er stammte aus einer anderen Zeit, einer Zeit, in der seppuku noch gängige Praxis gewesen war, und Hashirama hatte es aktiv unterbinden müssen, dass sich das nach der Gründung Konohas fortsetzte.
»Ich kann den Obito, der da drin sitzt, nicht mit dem Obito in Verbindung bringen, den ich kannte«, sagte Kakashi leise. »Es ist, als seien das zwei völlig verschiedene Personen. Und doch ... Irgendwie ist es doch Obito. Es fühlt sich nicht richtig an. Verstehst du?«
Tobirama nickte. Ja, er verstand. »Ibiki und Inoichi sind Experten darin, Leuten Informationen zu entlocken, ohne sie direkt anzurühren. Sie werden ihm nicht gleich die Fingernägel ausreißen.«
Kakashi schien etwas erleichtert zu sein.
Daheim angekommen wartete Minato bereits auf sie. Wahrscheinlich hatte er sogleich nach seiner Ankunft Naruto an sich genommen, denn er saß mit dem Baby auf dem Arm am kotatsu und hielt ihn fest an sich gedrückt. Naruto blubberte fröhlich vor sich hin und wusste nichts von den Sorgen, die seine Familie umtrieben. Ōkami lag ebenfalls bei Minato und leckte ihm die Haare. Er hatte mittlerweile gelernt, sich nicht mehr dagegen zu wehren. Tsunade saß ebenfalls bei ihnen, und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wusste sie mittlerweile auch Bescheid.
Tobirama setzte sich sogleich zu Minato und strich Naruto über den Kopf, gleichzeitig kassierte auch er ein paar Wolfsküsse. Zu sehen, dass es ihm gut ging, erdete auch ihn wieder etwas. Kakashi folgte ihm.
Minato seufzte schwer. »Es will einfach nicht in meinen Kopf, wie jemand, der von mir gelernt hat, so ... so werden konnte. So ... Ich habe keine Worte dafür. Wie kann er zu jemandem geworden sein, der willens ist, Neugeborene zu opfern?«
»Schwere Traumata können den Charakter eines Menschen von Grund auf verändern. Was keine Entschuldigung, nur eine Erklärung ist«, fügte Tsunade hastig an.
»Baba!«, brabbelte Naruto breit lächelnd und streckte seine Arme nach Tobirama aus.
»Obaa-san sitzt da drüben«, korrigierte Tobirama und deutete auf Tsunade.
»Nenn mich nicht alt«, grummelte Tsunade.
»Baba!«, wiederholte Naruto beharrlich, und Tobirama gab nach und nahm ihn an sich. Minato rückte auf und lehnte sich an Tobirama.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Kakashi in die Runde.
»Ich weiß es nicht«, gestand Minato. Er klang müde. »Ich weiß es einfach nicht. Dem Gesetz muss Genüge getan werden. Was ... Obito tat, ist Verrat höchsten Grades. Ich weiß, was ich mit nahezu jeder anderen Person in dieser Situation tun würde. Und doch ... und gleichzeitig ...«
»Und gleichzeitig siehst du Obito noch immer als deinen Schüler und damit deine Verantwortung an«, ergänzte Tsunade, als Minato nicht weitersprach.
Minato nickte stumm. »Ich bin nicht die richtige Person, um diese Situation zu händeln, ich bin emotional viel zu sehr darin verwickelt. Und gleichzeitig bin ich die einzige Person in der Position, diese Situation zu händeln. Oh Gott, Tobirama, sag mir, was ich tun soll. Wir können ihn doch nicht einfach so auseinanderpflücken, Körper und Geist, als sei er irgendein Ding, das es zu untersuchen gilt. Das ist falsch. So falsch.«
»Vergiss nicht, dass er neben unzähligen anderen auch deine Frau ermordet hat und beinahe auch dich und dein Kind – unser Kind«, erinnerte Tobirama ihn.
Ungeachtet all dessen spielte Naruto mit seinem Pelzkragen und drückte sein Gesicht in das weiche Fell. Tobirama hielt ihn noch ein klein wenig fester.
»Ich hasse ihn für das, was er getan hat, und gleichzeitig kann ich ihn einfach nicht hassen. Hass ist so ein fürchterlich starkes Wort«, sagte Minato leise. Er ließ den Kopf hängen.
»Gib dir nicht die Schuld dafür«, versuchte es Tsunade. »Ich weiß, das ist leicht gesagt. Aber ich sehe nicht, wie du irgendwie eine Mitschuld daran tragen solltest.«
»Aber ich brauche Antworten, versteht ihr? Ich muss wissen, ich muss nachvollziehen, wie es dazu hatte kommen können. Was in seinem Kopf vor sich ging, als er beschloss zu tun, was er tat«, sagte Minato mit Nachdruck.
»Dann lasst mich mit ihm reden«, warf Kakashi ein. Also Tobirama ihm seinen Blick zuwandte, fügte er an: »Ich glaube, ihn einfach der Verhöreinheit zum Fraß vorzuwerfen, ist nicht zielführend, Obito ist stur. Aber ich glaube, dass er noch etwas mit mir verbindet, und dass das ihn etwas bereitwilliger werden lässt, uns irgendetwas zu sagen. Einfach irgendetwas. So, wie es jetzt ist, bin ich um jedes Bisschen froh, dass er preisgibt, weil auch mir es unter den Nägeln brennt, Antworten zu bekommen.«
»Aber sind es Fragen, auf die ihr wirklich die Antwort hören wollt?«, gab Tsunade zu bedenken.
Und wollte Tobirama ihn auch noch belohnen, nachdem er ohne Erlaubnis abgehauen war? Allerdings sah er die Stichhaltigkeit von Kakashis Argument, er hatte denselben Eindruck wie sein Enkel. Auf einen Versuch kam es wohl an. Was die Standpauke allerdings nicht aussetzte, die Kakashi noch bevorstand.
»Ich weiß es nicht«, sagte Minato. »Ich weiß es einfach nicht. Aber ich muss es wissen. Ich muss verstehen. Verstehst du?«
Tsunade nickte.
Tobirama legte den Arm um ihn, und Minato bettete seinen Kopf an seine Schulter. Er würde seine Familie beschützen, komme, was da wolle.
»Bitte, lasst mich mit Obito reden«, wiederholte Kakashi.
Tobirama war nicht überzeugt, dass es wirklich etwas nützen würde, aber es würde auch nicht schaden. »Nachdem ich ein ausführliches Gespräch mit dir über Pflicht und Gehorsam geführt habe«, räumte er daher ein.
Kakashi zog den Kopf ein und wagte es nicht, Widerworte zu geben. Immerhin war ihm bewusst, dass er sich dieses Mal ernsten Ärger eingehandelt hat.
Tsunade deutete drohend auf Tobirama. »Dasselbe gilt für dich, Onkel. Habe ich dich nicht ausführlich über die Gefahren einer Überlastung deiner Lungen gewarnt?«
Tobirama knurrte unwirsch. Ja, er hatte seine Schwäche im Kampf gegen Obito gespürt, und ja, er hatte trotzdem die Schmerzen in seiner Brust ignoriert. Manche Dinge waren eben einfach wichtiger. Tsunade hatte ihn sofort nach ihrer Rückkehr dafür gescholten und war offensichtlich noch nicht fertig damit. Vielleicht sollte er es in den nächsten Wochen doch besser ruhiger angehen.
»Ich gebe dir recht, Kakashi«, sagte Minato. »Ich denke ebenfalls, dass das zielführender sein wird als, nun ja, der etwas gröbere Ansatz. Aber Tobirama hat ebenfalls Recht, vorher müssen wir dieses Gespräch führen.«
Kakashi hatte den Anstand, betreten zu wirken. »Ich weiß ja, dass ich nicht hätte gehen dürfen. Aber ich konnte einfach nicht still sitzen und nichts tun.«
»Das verstehe ich, Kakashi, und glaub mir, uns erging es ähnlich«, räumte Minato ein. »Aber ich kann dich trotzdem nicht gänzlich ohne Konsequenzen davonkommen lassen. Ich hoffe, du verstehst das. Dass du in nächster Zeit keine Missionen mehr bekommst, wäre wohl das mindeste.«
»Auch kein Babysitten mehr?«
Das hob die Stimmung wieder etwas. Minato schmunzelte. »Na gut, das ist eine Ausnahme.«
Kakashi konnte nicht bestreiten, dass er nervös war, als er den Raum betrat, obwohl er wusste, dass Tobirama und Minato draußen warteten, unsichtbar für die Insassen des Raums hinter einer verspiegelten Wand. Sie würden alles beobachten, was hier drinnen vor sich ging, Kakashi war also nicht wirklich allein mit Obito. Und doch zögerte er, als er die Tür hinter sich schloss.
Obito saß an einem metallenen Tisch, dessen Beine am Boden festgeschraubt waren. Handschellen lagen um seine Hände, die ihn mit einer Kette an den Tisch banden. Noch immer unterdrückten Siegel sein Chakra, sodass er nicht einmal das einfachste Genjutsu anwenden konnte. Immerhin hatte man ihm saubere Kleidung gegeben, sodass er nicht mehr in den klammen, verdreckten Kleidern verharren musste, die er bei seiner Inhaftierung getragen hatte. Kakashi stellte fest, dass ihm tatsächlich etwas an Obitos Wohlergehen lag, als er bemerkte, dass Obito zwar müde, aber ansonsten unversehrt wirkte.
Er hatte Kushina ermordet, erinnerte sich Kakashi. Das durfte er nicht vergessen.
Er zog sich den zweiten Stuhl zurecht, der im Raum stand, und setzte sich Obito gegenüber. Obito hatte jede seiner Bewegungen genau beobachtet, sagte jedoch kein Wort.
»Obito«, setzte Kakashi an. Er hatte keine Ahnung, was er von hier an zu erwarten hatte. Er hatte gedacht, er würde Obito kennen, aber es hatte sich herausgestellt, dass er nichts wusste. Ihm gegenüber saß ein Fremder mit dem Gesicht seines Freundes.
»Ja, das ist mein Name«, erwiderte Obito. Er musterte Kakashi von oben bis unten. »Sag mal, was hast du mit dem Zweiten zu schaffen?«
»Er ist mein Großvater«, antwortete Kakashi reflexartig. Stimmt ja, er hatte nie mit jemandem aus seinem Team über seine Familie gesprochen, nur Minato hatte es gewusst. Dann sammelte er sich. »Ich bin hier derjenige, der die Fragen stellt.«
»Aha«, machte Obito nur. Mehr nicht.
»Warum? Warum hast du das getan? Wenn du uns wenigstens das sagen würdest, alles andere ist erst einmal nebensächlich.«
Obito zuckte mit den Schultern. »Was spielt es noch für eine Rolle? Ihr habt mich doch eh schon verurteilt.«
»Ja, schon irgendwie«, räumte Kakashi widerwillig ein. »Aber ich kann einfach nicht glauben, dass mir jetzt dieselben Person gegenübersitzen soll, wie die, die mir damals dieses Auge gab. Ich versteh‘s nicht. Ich kann‘s einfach nicht verstehen.«
»Ich hab‘s dir doch schon gesagt, warum. Diese Welt ist ein Alptraum.«
»Ist es, weil ich Rin getötet habe? Ich weiß nicht, woher du das weißt, aber ... Ich wollte sie nicht töten. Das war nicht meine Absicht gewesen.«
Obito schwieg eine ganze Weile. Sein Blick verlor etwas von seiner Härte und wurde von Melancholie ersetzt. »Ich weiß. Ich weiß, dass sie Selbstmord auf deinem Jutsu begangen hat. Auch wenn ich eine Weile brauchte, um das zu erkennen. Ich war sehr lange sehr wütend auf dich. Aber dann verstand ich es. Also nein, es ist nicht wegen Rin.«
»Verzeihst du mir?«
Warum hatte er das gefragt? Warum war ihm Obitos Vergebung so wichtig? Es sollte umgekehrt sein. Obito hatte immerhin ihn verraten. Ihn und das ganze Dorf.
»Du bist immer noch super nervig, Bakashi. Eigentlich sollte ich es dir übelnehmen, dass du dich immer so arrogant benommen hast, als seist du was Besseres. Aber weißt du, was ich furchtbar finde? Dass ich dir einfach nicht böse sein kann. Schlussendlich trifft dich ja keine Schuld. Du bist einfach nur ein Werkzeug dieses Dorfes und Opfer seines Systems. Was deine Geschichte irgendwie noch tragischer macht, jetzt, da ich weiß, dass du Senju bist.«
Kakashi sah ihn durchdringend an. »Was willst du damit sagen? Dass wir jetzt auch zum Tal des Endes gehen sollen, um uns bis zum Tod zu bekämpfen? Nein, Obito, da mach ich nicht mit. Die Vergangenheit soll sich nicht wiederholen.«
Obito zuckte mit den Schultern. Die Kette rasselte. »Wie du meinst. Es wäre ein Vorschlag gewesen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass du irgendwem die Fresse polieren wolltest, um ein wenig Dampf abzulassen.«
»Da verwechselst du mich mit Minato«, sagte Kakashi scharf. »Er war kurz davor, dir die Eingeweide rauszureißen, du weißt, wie er sein kann. Aber anders als du würde er sich trotzdem niemals gegen einen Kameraden wenden. Tobirama hingehen hat sehr deutlich gemacht, dass er kein Problem damit hat, dich zu foltern, wenn du uns keine Antworten gibst, und er macht keine leeren Versprechen. Noch konnte ich ihn davon überzeugen, es erst auf anderem Wege zu versuchen, aber je länger ich über das nachdenke, was du getan hast, desto mehr bin ich gewillt, ihm zuzustimmen.«
Obito schnaubte. »Wundert mich nicht, dass so etwas von ihm kommt. Er hatte Uchiha doch schon immer als niedriger als den Dreck unter seinen Schuhen angesehen. Natürlich will er mir liebend gern die Haut abziehen, weil er Uchiha am liebsten tot sieht.«
Kakashi biss die Zähne zusammen. »Er ist nicht so«, zischte er. »Das ist eine Lüge.«
Das lief alles überhaupt nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Er atmete ein paarmal tief durch und sammelte sich.
»Also, es war nicht wegen Rin«, fasste Kakashi zusammen. »Vielleicht auch wirklich ein wenig weit hergeholt zu denken, du würdest daraufhin beschließen, Minato, Kushina und Naruto zu töten und das Dorf mit dem Neunschwänzigen anzugreifen. Aber was ist es dann? Warum bist du hinter den bijū her? Was planst du mit Akatsuki?«
»Du weißt davon?« Obito wirkte überrascht.
»Du tauchst in deren Anzug vor uns auf, als wir drauf und dran sind, deren mutmaßliches Versteck zu überfallen, und versuchst uns aufzuhalten. Das war nicht schwer zu erraten. Was hast du mit ihnen zu schaffen?«
»Ach, was soll‘s, jetzt spielt es auch keine Rolle mehr. Weißt du, ich will die Welt träumen lassen. Von einer besseren Welt. Eine Welt, in der Kinder wie du und ich nicht mehr im Krieg aufwachsen müssen. Das System ist kaputt, das weißt du selbst, du willst es dir nur nicht eingestehen. Es muss ausgebrannt werden wie eine schwärende Wunde, damit es Platz schaffen kann für etwas Neues.«
»Du hast Kushina angegriffen, weil du Kyūbi brauchtest und wusstest, wann das Siegel am schwächsten wäre.«
»Korrekt.«
»Und warum dachtest du, es wäre moralisch vertretbar, ein Neugeborenes zu opfern?«
»Nun, moralisch vertretbar vielleicht nicht, aber der Sache dienlich. Kushina hätte mir Kyūbi immerhin nicht freiwillig gegeben und Minato war im Weg. So einfach ist das.«
Kakashi empfand Abscheu dabei, wie gelassen Obito darüber redete, als wäre nichts dabei. Er erkannte ihn nicht wieder.
»Was hat dich so werden lassen? Was ist damals passiert, als der Fels dich getroffen hatte? Ich weiß immer noch nicht, wie du das überleben konntest. Hat es etwas mit diesem komischen Narbengewebe zu tun?«
»Das sind ganz schön viele Fragen auf einmal. Mit welcher soll ich anfangen?«
»Mir egal! Hauptsache, du beantwortest sie!« Langsam verlor Kakashi die Geduld. Obitos arrogante Art fing an, ihm auf die Nerven zu gehen. Obito war ein Gefangener und er wusste, dass ihm Folter durch Tobirama drohte, der ganz gewiss keinerlei Skrupel haben würde. Und doch spielte er sich so auf.
»Na gut, für dein Seelenheil. Es war Kamui, vielleicht hast du das ja schon erahnen können. Unausgereift zwar, aber es hatte gereicht, um mich nicht sofort tödlich zu verletzen. Aber verletzt war ich, das ist keine Lüge.«
»Trotzdem hast du überlebt. Keine Ahnung, wie. Aber du lebst. Warum bist du dann nicht zu uns ins Dorf zurückgekommen? Wenn wir gewusst hätten, dass du lebst, hätten wir nach dir suchen können, wir hätten dir helfen können, wieder gesund zu werden.«
»Vielleicht wollte ich das ja gar nicht, ins Dorf zurück«, sagte Obito lauernd. »Ist dir das auch einmal in den Sinn gekommen? Diese Verletzung hat mich nicht nur körperlich vernarbt. In der Zeit, die mein Körper brauchte, um zu heilen und wieder zu funktionieren, habe ich viele Dinge gelernt. Ich hatte sehr viel Zeit zum Nachdenken.«
»Was hast du gelernt? Es muss doch in der Zeit gewesen sein, dass du zu dem wurdest, was du jetzt bist.«
»Das nennt man heranwachsen, Bakashi. Ja, am Anfang wollte ich so schnell wie möglich wieder zu meinen Freunden. Tröstet dich das? Am Anfang war das noch meine Hauptmotivation. Doch dann gingen die Monate ins Land und irgendwann wurden aus den Monaten Jahre. Ich bin erwachsen geworden, während du noch immer Kinderträumereien nachhängst. Scheint so ein Senju-Ding zu sein.«
»Aber allein deswegen ziehe ich doch nicht los und will meinen ehemaligen sensei, seine Frau und sein Kind ermorden!«, begehrte Kakashi auf. »Das ist doch alles ausgemachte Scheiße, was du da redest! Das kann nie und nimmer alles sein!«
»Ist es dir nicht genug, dass wir immer noch in einer Welt leben, die Kinder aufs Schlachtfeld führt? Nein, auf die Schlachtbank. Hashirama und Tobirama wollten eine Zeit des ewigen Bürgerkriegs beenden, indem sie dieses Dorf aufbauten. Aber sie sind gescheitert, und dieses Scheitern setzt sich bis heute fort. Jetzt sind es keine einzelnen Clans mehr, die sich gegenseitig bekriegen, sondern ganze Dörfer. Wo soll das besser sein? Nicht einmal jetzt mit Minato hat sich irgendetwas signifikant geändert. Aber wir reden hier ja von deiner Familie, vielleicht erwarte ich ja zu viel von dir, dass du dich nicht mehr so ignorant ihren Fehlern gegenüber gibst.«
»Du scheinst nicht zu wissen, in welcher Lage du dich befindest«, knurrte Kakashi. »Aber gut, erleuchte mich. Was ist so falsch an diesem System? Was ist so grundlegend falsch, dass du dich zu deinen Taten berechtigt fühlst? Wie ich das sehe, bist du nämlich keinen Deut besser. Du beklagst dich darüber, dass Kindern beigebracht wird, wie man kämpft, und gleichzeitig greifst du ein ganzes Dorf voller Unschuldiger an, darunter zahlreiche Zivilisten und Kinder.«
»Einzelne Opfer müssen gebracht werden zum Wohle aller. Das, was ich vorhabe, wird eine bessere Welt erschaffen. Eine, in der Rin nicht sterben muss, in der niemand sterben muss.«
Also war Rin doch irgendwie ein Teil seiner Motivation. Etwas passte einfach noch nicht zusammen, Kakashi fehlte noch immer ein Teil des Puzzles.
»Rin ist tot, Obito. Find dich damit ab. Ja, das ist scheiße, und ich kann mir vorstellen, dass es schwer zu akzeptieren ist. Ich habe ja selbst bis heute damit zu kämpfen. Aber das ändert nichts daran, dass die Toten tot bleiben. Meinst du, sie würde gutheißten, was du getan hast?«
Aus irgendeinem Grund schien das Obito aufzubringen. Er riss an seiner Kette und bleckte die Zähne. »Sie würde es verstehen! Wenn ich erst einmal fertig bin und alles zu Ende gebracht habe, dann würde all das Leid ungeschehen gemacht werden. Dann ist es, als ob all das niemals geschehen wäre. Kushina lebt und Rin lebt auch und alle sind glücklich. Dann kapierst du vielleicht auch, dass Rin in dich verliebt gewesen war. Sie hatte nur Augen für dich, aber du warst ja zu arrogant, um das zu bemerken.«
»Ah, Eifersucht. Ist es das?«
Kakashi hatte das Gefühl, dass er langsam aber sicher Obito aufweichte, dass er seine Fassade zum Bröckeln brachte.
Obito rollte mit dem Auge. »Wow, du bist immer noch genauso ein Ekelpaket wie damals. Jetzt unterstellst du mir auch noch Eifersucht.«
»Du bist ein Massenmörder und Terrorist«, sprach Kakashi die auch für ihn noch immer harte Wahrheit aus. »Eifersucht wäre das geringste deiner Vergehen. Was du da erzählst, klingt nach Zeitreise oder etwas in der Art und das ist Unsinn. Ich kenne da jemanden, der kann dir eine ganze Vorlesungsreihe zum Thema Zeitreisen halten und warum die eine ausgemacht dumme Idee sind.«
»Als würde ich mich freiwillig mit dem abgeben.«
»Mit mir redest du doch auch, und ich bin sein Enkel.«
»Schlimm genug. Kaum zu fassen, dass ich den Weißen Reißzahn einmal bewundert hab, obwohl er den zum Vater hatte.«
»Lass meinen Vater aus dem Spiel!«, zischte Kakashi. Er ballte seine zitternden Hände zu Fäusten und setzte sich langsam wieder. Wann war er aufgesprungen? Minato hatte ihm doch beigebracht, wie man Verhöre durchführte, und sich nicht reizen zu lassen, hatte dabei ganz oben auf der Liste gestanden. Obito schaffte es trotzdem, weil er eben Obito war. Sie kannten sich zu gut.
»Vielleicht sollte ich dich doch einfach Tobirama überlassen«, knurrte er.
Obito lehnte sich zurück, soweit es seine Fesseln erlaubten. »Das kannst du tun, aber es wird euch nichts nützen.«
»Deine bisherigen Vernehmungen sind nichts gegen ihn, das kann ich dir versprechen«, drohte Kakashi und wusste noch im selben Augenblick, dass drohen bei Obito nichts nützte. Seine Worte waren aus seinem eigenen Frust heraus geboren. Er stand wieder auf, dieses Mal deutlich ruhiger. »Denk darüber nach, was dir lieber ist.«
Mit diesen Worten ging er. Er ertrug es nicht länger.
Draußen warteten noch immer Tobirama und Minato. Über das Mikro hatten sie alles mit anhören können, das besprochen worden war, und sicher schon ihre eigenen Schlüsse gezogen. Als Kakashi nach draußen trat und die Tür hinter sich schloss, legte Minato ihm eine Hand auf die Schulter und gab ihm ein ermutigendes Lächeln.
»Das hast du sehr gut gemacht.«
Kakashi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was ich erreicht habe.«
Er wusste nur, dass er von hier weg wollte. Dass er sich vor der Welt verstecken wollte, die so verwirrend geworden war. Dass er einfach nur vergessen wollte. Er ging.
Nächstes Kapitel: Tobirama und Minato suchen weiter nach Antworten.
Kapitel 19: Auf der Suche nach Antworten
Tobirama platzierte das Glas mit der abgetrennten Hand darin vor Minato auf den Tisch. »Die gehört Obito, das weiß ich jetzt.«
Minato schaute mit milder Irritation auf das Körperteil, das in der Formaldehydlösung schwamm. »Ich erinnere mich, dass ich ihm während unseres Kampfes eine Hand abgetrennt habe, aber ... Warum hast du das aufgehoben?!«
»Sie hätte noch von Nutzen sein können«, sagte Tobirama ruhig. »Kurz nachdem ich sie gefunden hatte, hatte ich Edo Tensei damit versucht. Es hatte natürlich nicht funktionieren können, weil Obito noch lebt.«
Sie befanden sich in Tobiramas Labor, und da Minato jetzt auch über Tobiramas Jutsu Bescheid wusste, gab es keinen Grund, für Tobirama nicht so offen darüber zu sprechen.
Minato wirkte noch immer irritiert. »Äh, nun. Das leuchtet irgendwie ein. Und was willst du jetzt damit machen? Das ist schon ein wenig morbid, das weißt du, oder?«
Tobirama zuckte mit den Schultern. »Ich denke lieber praktisch.«
»Hm, auch wieder wahr.«
»Nun, jedenfalls ist mir aufgefallen, dass Obito anscheinend außergewöhnliche Selbstheilungskräfte besitzt«, fuhr Tobirama fort. »Das Offensichtlichste ist, dass ihm diese Hand augenscheinlich wieder nachgewachsen ist. Aber auch kleinere Wunden heilen bei ihm ungewöhnlich schnell. Während unseres Kampfes schlitzte ich ihm das Handgelenk auf. Hätte ich Kō die Wunde nicht behandeln lassen, wäre er daran verblutet. So dachte ich jedenfalls. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Von der Wunde war, als wir zurückgekehrt waren, nichts mehr zu sehen. Als wäre sie nie da gewesen. Ich kenne nur eine Person mit ähnlichen Selbstheilungskräften und das war anija.«
Minato hatte mit ernstem Gesicht seinen Ausführungen gelauscht. Er nickte. »Außerdem ähnelt diese Hand Obitos rechter Körperhälfte. Sie ist genauso blass.«
»Exakt.«
»Das heißt also, dass das uns die Antwort auf die Frage liefern könnte, was ihm zugestoßen ist. Kakashi hat zwar so einiges in Erfahrung bringen können, aber diesbezüglich gibt Obito keine klaren Antworten. Ich habe Zweifel, ob er sie uns freiwillig gibt.«
Tobirama lächelte. »Du verstehst mich. Und weißt du, außerdem könnte es von Nützen sein, wenn ich wieder jemanden habe, der mir hier gelegentlich zur Hand geht. Mito war immer unschätzbar mit ihren Ideen und Gedanken. Hast du Laborerfahrung?«
»Oh, nein. Wenn ich mich in der Vergangenheit mit deiner Arbeit befasst hatte, dann immer nur mit den theoretischen Aspekten von Siegeltheorie. Von so etwas habe ich keine Ahnung.« Minato musste grinsen. »Das ist deine Art von Romantik, oder? ›Hier, schau. Meine Sammlung abgetrennter Körperteile. Ist sie nicht faszinierend? Ich erlaube dir sogar, damit herumzuspielen.‹«
Tobirama kniff missmutig die Augen zusammen. »Ein wenig mehr Ernst bitte.«
Minato tätschelte ihm die Wange und gab ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Awww, ich liebe das an dir, wenn du das machst.«
»Du lässt mich gerade meine Entscheidung bereuen.«
»Oh weia, jetzt muss ich aufpassen, sonst verliere ich meine Privilegien.«
Tobirama hatte den dringenden Verdacht, dass Minato sich immer noch über ihn lustig machte. Er beschloss, es einfach zu übergehen und stattdessen mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen. Minato brauchte immerhin eine ordentliche Einweisung.
Tobirama war sich sicher, dass die Hand Obitos war, die Logik ließ auch keinen anderen Schluss zu. Trotzdem begann er mit einem Genabgleich anhand eines Haares. Es war relativ einfach und nicht invasiv zu beschaffen gewesen. Er erklärte Minato die einzelnen Arbeitsschritte und ließ ihn einfache Dinge alsbald auch selbst machen.
»Du musst darauf achten, die Pipette gerade zu halten und immer am Glas zu pipettieren. Hier, schau. So.«
Er trat hinter Minato, legte seine Arme um ihn und führte seine Hände, um ihm zu demonstrieren, wie er es richtig machte.
»Oh. Ich sehe.«
Minato versuchte es erneut. Tobirama blieb, wo er war. Minato lehnte sich gegen ihn. Tobirama gab ihm einen Kuss auf die Schläfe. Minato wandte ihm den Kopf zu und fing seine Lippen ein.
Und irgendwie endeten sie mit den Armen fest umeinander geschlungen und begierig den Mund des anderen erkundend. Minato presste sich gegen Tobirama und krallte seine Hände in Tobiramas Haar, als wolle er sichergehen, dass Tobirama ihm nicht abhanden kam. Tobirama hielt in schützend in seinen Armen. Das, was sie eigentlich hatten machen wollen, lag vergessen hinter ihnen auf dem Tisch. Tobirama genoss das Gefühl von Minatos weichen Lippen, die sich auf seinen bewegten, als Minato mit seiner Zunge Tobiramas Mund erkundete und ihn als sein beanspruchte. Tobirama schmeckte Minatos Begierde, seine Leidenschaft, aber auch seinen Schmerz und seine Trauer, seine Sehnsucht nach Frieden und Halt. Tobirama war gewillt, ihm alles zu geben, wonach es ihn verlangte, und noch mehr.
Minatos Wangen waren leicht errötet, als er den Kuss löste, und sein Blick gläsern-verträumt. Er rückte nicht weit weg von Tobirama, nur so weit, dass ihre Lippen einander nicht mehr unmittelbar berührten. Noch immer war da der Hauch einer Berührung, wie ein Geist einer Erinnerung, was gerade noch gewesen war. Minato sah tief in Tobiramas Augen.
»Ich brauche dich«, wisperte er.
»Ich weiß. Ich bin für dich da, immer«, versprach Tobirama. Er strich Minato über die Wange.
Minato schmiegte sich in die Geste und schloss die Augen. Er wirkte müde. Tobirama hatte mitbekommen, wie Minato die Nacht zuvor unruhig gelegen hatte und schließlich ungewöhnlich früh aufgestanden war.
»Es ist so viel«, sagte Minato leise. »Ich hatte gehofft, dass ich vielleicht jetzt langsam meinen Frieden damit machen kann, was vor einem Jahr geschah. Aber jetzt ist diese Wunde schon wieder aufgerissen und sie blutet noch immer wie am ersten Tag. Sag mir, Tobirama, wie gehst du mit Danzōs Verrat um und der Enttäuschung über Sandaime-samas Versagen? Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.«
Tobirama antwortete nicht gleich, sondern sann einen Augenblick darüber nach. »Ich tu‘s nicht, um ehrlich zu sein«, gestand er. »Die meiste Zeit versuche ich einfach, nicht daran zu denken. Zumindest, was Hiruzen anbelangt. Danzō hingegen ... Ich glaube, ich hatte seit dem Zeitpunkt meines Wiedersehens mit ihm das Gefühl, dass etwas mit ihm nicht ganz so ist, wie es sein soll. Das ist über ein Jahr her, eine lange Zeit, um mit mir ins Reine zu kommen.«
Minato drückte sein Gesicht in Tobiramas Halsbeuge. »Aber Obito ist jetzt wieder in meinem Leben aufgetaucht, und ich muss jetzt eine Entscheidung fällen.«
Tobirama strich ihm tröstend über den Rücken. »Das musst du nicht heute und auch nicht morgen schon. Lass uns erst einmal sehen, was für Informationen wir erlangen können. Außerdem müsste die Lösung mittlerweile fertig sein.«
Minato lachte leise auf. »Ich mag es, dass du so pragmatisch denkst.«
Er schenkte Tobirama ein kurzes Lächeln, dann wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Tobirama hatte einen Teil der Proben zum Mikroskopieren vorbereitet, während sie darauf warteten, dass die Genanalyse Ergebnisse lieferte. Er war interessiert daran, ob Obitos Zellen unter dem Mikroskop irgendwelche Ungewöhnlichkeiten aufwiesen. Minato beobachtete ihn dabei, die Ellbogen auf der Tischplatte abgestützt.
»Ich weiß, du und Kakashi und auch Tsunade sagt, dass es nicht meine Schuld ist«, sagte Minato in die Stille hinein. »Aber ich kann mir nicht helfen, irgendeinen Grund muss es doch geben, dass Obito so geworden ist. Er war früher ganz anders. Aber was, wenn das schon immer in ihm steckte und ich es einfach nicht erkannte?«
Tobirama richtete sich wieder auf. »Die Frage treibt dich um, ich sehe es. Aber nach dem, was ich aus seinem Gespräch mit Kakashi entnommen habe, muss etwas in der Zeit geschehen sein, in der seine Wunden heilten. Die Zeit vor seinem Unfall scheint dabei keine Rolle zu spielen. Also sehe ich nicht, wie du irgendwie darauf hättest Einfluss nehmen können.«
»Das sagt sich so leicht«, sagte Minato leise. »Ich fühle mich trotzdem für ihn verantwortlich. Hätte ich mehr nach ihm suchen sollen? Habe ich zu leicht akzeptiert, dass er tot ist?«
»Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlen musst. Mir geht es mit meinen ehemaligen Schülern ebenso, und sie sind nun wirklich alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Aber Minato, absolut jeder hätte angenommen, dass Obito tot sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht so sei, war einfach zu klein. Das ist sie eigentlich immer noch ...«
Er runzelte die Stirn.
»Woran denkst du, Tobirama?«
»Dass es kein Zufall sein kann, dass er noch lebt. Die entscheidende Frage ist, was während seiner Zeit seiner Genesung geschehen ist. Und die Antwort liegt vielleicht hier vor uns.«
Minato nickte fest. »Dann sollten wir uns besser an die Arbeit machen.«
In den nächsten Tagen und Wochen verbrachten Tobirama und Minato viel Zeit im Labor, während Kakashi seinen Verhör fortsetzte. Bei ihm schien Obito in der Tat am gewilltesten zu reden, denn Ibiki und Inoichi bissen sich vergeblich an ihm die Zähne aus. Bedachte man Ibikis Fähigkeiten, war das eine beachtliche Leistung, und auch das Clan-Jutsu der Yamanaka brachte nur wenige Ergebnisse. Obito war unglaublich willensstark und hielt ihnen lange stand, länger wohl als die meisten anderen.
»Es ist wenig, das ich aus seinen Erinnerungen extrahieren kann«, sagte Inoichi auf einer ihrer Besprechungen. »Nur ein Name taucht immer wieder auf: Uchiha Madara.«
»Madara?«, fragten Tobirama und Minato zugleich verwundert. Sie sahen einander kurz an, dann bedeutete Tobirama Minato, dass er fortfahren konnte. »Ich weiß, ich hatte damals irrigerweise angenommen, der Angreifer sei Madara. Tobirama war von Anfang an nicht davon überzeugt, wie sich herausstellte, zu Recht. Aber was hat Obito mit Madara zu schaffen?«
Inoichi zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, noch ergibt sich kein klares Bild. Aber Madara muss eine wichtige Rolle für ihn spielen, denn das ist das einzige, was ich bis jetzt immer und immer wieder erkennen konnte. Noch ergibt sich kein Zusammenhang.«
»Auch psychologischem Druck widersteht er noch immer mit ungebrochener Willensstärke«, fügte Ibiki an. »Sie bleiben dabei, dass ich nicht zu weiteren Mitteln greifen soll?«
Minato nickte. »Bevor wir das als unsere letzte Möglichkeit in Betracht ziehen, möchte ich sicher sein, dass wir wirklich alles andere probiert haben.«
Tobirama enthielt sich eines Kommentars.
Was seine und Minatos Arbeit im Labor betraf, machten sie alsbald ebenfalls eine verblüffende Entdeckung.
Tobirama besah sich die Zettel mit den Ergebnissen. Sie waren vollgeschrieben mit Notizen, Tabellen, Verweisen. Später war immer noch Zeit, alles zu ordnen.
»Wir können eindeutig sagen, dass diese Hand Obitos ist«, fasste Tobirama zusammen. »Aber da ist noch etwas in ihm, etwas, das vorher nicht da war.«
»Diese Ergebnisse sehen mir danach aus, als hätte jemand einen Teil von ihm genommen, mit etwas Fremden vermischt, und das dann wieder an ihn dran geheftet«, sagte Minato. »So entstand dann das, was wir jetzt sehen. Aber was ist dieses Fremde?«
Irgendetwas an den Ergebnissen kam Tobirama bekannt vor, aber er kam einfach nicht darauf, was es war. Es war so seltsam vertraut. Und dann wurde ihm beinahe schlecht, als ihn die Erkenntnis traf.
Er klatschte die Zettel auf den Tisch und stürmte los, um seine Regale zu durchsuchen. Wenn seine Vermutung stimmte, dann ...
»Tobirama?«, fragte Minato verwirrt. »Was hast du?«
»Wo habe ich das damals nur hingepackt?«, murmelte Tobirama vor sich hin, während er einen Aktenordner nach dem anderen aus den Regalen zog, hektisch durchblätterte und dann achtlos wieder fallen ließ, als er nicht fand, wonach er suchte. »Da! Das ist es!«
Seine Augen huschten über die Zeilen. Dann schlug er sich die Hand vor den Mund und fuhr mit der anderen durch seine Haare.
»Scheiße.«
»Tobirama, was ist das?« Minato war hinter ihn getreten und besah sich, was Tobirama da vor sich liegen hatte. Es waren Tabellen ähnlich derer, die sie zusammen angelegt hatten, um ihre Ergebnisse zu klassifizieren. Und sie zeigten ganz ähnliche Ergebnisse.
Tobirama atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen, bevor er antwortete. »Hashirama, Mito und ich forschten lange und viel an seinem Mokuton, um es besser zu verstehen und um sein volles Potenzial zu erkennen. Wir hatten damals unter anderem ganz ähnliche Versuche gemacht wie wir beide in den letzten Wochen. Und jetzt schau dir anijas Ergebnisse an und vergleiche sie mit denen von Obito.«
Minato wirkte verwirrt, aber er tat dennoch wie geheißen. Ein paar Mal hielt er die Zettel mit Obitos Ergebnissen neben die von Hashirama und schien seinen Augen nicht wirklich zu trauen.
»Aber ... das ist fast identisch! Wie kann das sein?«
Tobirama schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber diesen Zahlen zufolge besteht die weiße Masse an Obitos rechter Körperhälfte zum überwiegenden Teil aus Hashiramas Zellen. Es ist unmöglich. Und doch liegt der Beweis hier vor uns. Hier, dieser Teil hier in der DNS, das ist der Teil, der das Mokuton sequenziert. Und hier findet sich derselbe Bereich bei Obito wieder.«
Minato sah Tobirama an. Ihnen beiden fehlten die Worte.
»Wir müssen Kakashi holen«, sagte Minato.
Tobirama nickte lediglich.
Keine Stunde später fanden sie sich erneut im Verhörraum ein. Tobirama und Minato warteten draußen, während Kakashi erneut Obito befragte. Sie hatten Kakashi grob in ihre Erkenntnisse eingeweiht, sodass er wusste, worum es ging und was er Obito fragen sollte. Nun warteten sie beide draußen vor der einseitig verspiegelten Fläche und beobachteten ungeduldig das Geschehen im Raum.
Minato hatte die Arme vor der Brust verschränkt und tappte nervös mit dem Fuß auf den Boden. Seine Brauen waren zusammengezogen. Er sah aus, wie Tobirama sich fühlte. An der ganzen Sache war etwas grundverkehrt und er konnte es einfach nicht benennen. Es beunruhigte ihn zutiefst. Wie konnte Obito einen Teil von Hashirama in sich tragen? Wie konnte das sein? Es fühlte sich von Grund auf falsch an.
»Es tut mir leid für Kakashi, dass wir ihm das zumuten müssen«, sagte Minato. »Für ihn ist das ganze doch ebenso schwer. Er und Obito standen sich einmal so nahe, auch wenn Kakashi es nicht immer gezeigt hat. Und jetzt ist er es, der Obito verhören muss, weil er der einzige ist, der halbwegs sinnvolle Antworten aus ihm herausbekommt.«
»Aber er ist auch ein guter Shinobi, du hast ihn gut gelehrt«, versuchte Tobirama Minato zu trösten. »Er weiß um seine Rolle in dieser Angelegenheit.«
»Aber nutzen wir damit nicht ihre alte Freundschaft auf, um sie jetzt gegeneinander auszuspielen?«
»Ich würde es anders formulieren. Außerdem bin ich mir nicht sicher, inwiefern Obito noch Kakashi als seinen Freund ansieht.«
»Und was ist mit Kakashi?«
Darauf wusste Tobirama keine Antwort. Ja, was war mit Kakashi? Wie stand er zu Obito? Er wirkte in all ihren Gesprächen zu diesem Thema innerlich zerrissen, hin und her gerissen zwischen dem, was gewesen war und was Obito getan hatte. Beide Seiten wollten einfach nicht zusammen in ein Gesamtbild passen.
»Willst du mir heute noch eine Antwort geben?«, wiederholte Kakashi in diesem Moment. »Wie kommst du an Mokuton? Was hat Madara damit zu tun?«
Bis jetzt hatte Obito gleichgültig mit Schweigen auf Kakashis Fragen geantwortet. Doch bisher hatte er Madara mit keinem Wort erwähnt. Dieser Name jedoch ließ nicht nur Tobirama und Minato aufmerken, sondern auch Obito. Wieso hatte Kakashi danach gefragt? Was auch immer der Grund war, es hatte immerhin eine Reaktion hervorgerufen.
»Was soll mit dem alten Knacker sein?«, fragte Obito zurück.
»Keine Ahnung, sag du‘s mir. Er geistert dir ziemlich oft durch den Kopf, habe ich mir sagen lassen«, sagte Kakashi.
»Geist trifft es ganz gut.« Obito schnaubte abfällig. »Ein Geist der Uchiha. Du kennst doch die Geschichte. Ist doch sozusagen Familiengeschichte für dich.«
»Uns hat man in unserer Ausbildung wenig Geschichte beigebracht«, sagte Kakashi. »Ich habe erst viel später davon erfahren. Wo hast du dieses Wissen her? Da, wo du auch Mokuton her hast?«
Obito grinste. »Bingo.«
Sie waren einer Antwort zum Greifen nahe, Tobirama konnte es regelrecht spüren.
»Und wo war das? Komm schon, lass dir nicht immer alles aus der Nase ziehen.«
»Warum sollte ich dir das sagen? Es macht viel mehr Spaß, dich beim Rumrätseln zu beobachten.«
Kakashi machte ein finsteres Gesicht.
»Das mit der Geschichte stimmt allerdings, den muss ich wohl auf meine Kappe nehmen«, sagte Minato leise an Tobirama gewandt. »Geschichte stand für sie nie auf dem Lehrplan. Ich hatte mir vordergründig Sorgen gemacht, sie am Leben zu erhalten.«
Tobirama winkte ab. Das war jetzt nebensächlich.
»Na gut, sprechen wir noch einmal über Mokuton«, wechselte Kakashi das Thema. »Du warst unter dem Felsen begraben. Dein Sharingan hat dafür gesorgt, dass du nicht sofort an deinen Verletzungen gestorben bist, aber tödlich verwundet warst du trotzdem. Es hätte ohne medizinische Hilfe lediglich etwas länger gedauert, bis du gestorben wärst. Aber dann hast du diese Zellen erhalten und das war es, was dich überleben ließ.«
Obito pfiff anerkennend. »Du bist gut. Und weiter? Wie ging es dann weiter?«
Es war überhaupt erstaunlich, dass Obito gewillt war, Kakashis Vermutungen zu bestätigen. Aber Tobirama beschwerte sich nicht. Solange es funktionierte, war es ihm recht.
»Du bist nicht von allein wieder gesund geworden. Du hattest Hilfe«, sagte Kakashi. Er schien nur wilde Vermutungen aufzustellen, um irgendwie Obito zum Reden zu motivieren. Anscheinend war er trotzdem nah genug an der Wahrheit dran.
»War nicht schön, aufzuwachen und festzustellen, dass da plötzlich ekliger Alienglibber an einem dran heftet, der aus toten Hokage gezüchtet wurde, das kann ich dir sagen«, lamentierte Obito in gespielter Dramatik. »Anfangs konnte ich nicht mal aufstehen und musste die ganze Zeit im Bett liegen. Ich musste alles von neuem lernen, selbst laufen. Ich hab mich wie ein Baby gefühlt, dabei bist du von uns beiden das Baby.«
»Bett«, murmelte Tobirama. »Das ist ein weiterer Hinweis. Er kam nicht von allein wieder unter diesem Felsen hervor.«
Minato nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
»Wer hat dir geholfen?«, verlangte Kakashi zu wissen. »Wer gab dir diesen Körper?«
Obito hob die Hände, soweit es seine Fesseln erlaubten. »Sag du es mir. Du weißt doch immer alles besser.«
Inwiefern war Obito in der Lage, Mokuton auch einzusetzen? Er hatte es bisher nie getan, aber hieß das zwingend, dass er es nicht konnte? Oder hatte er es nur nicht getan, um sich nicht zu verraten? Wie weit gingen seine Fähigkeiten? Sie mussten sich vor ihm in Acht nehmen.
Kakashi lehnte sich zurück. »Na gut. Dann sage ich, es war Madara.«
Wie kam er darauf?
Obito jedenfalls fing an zu grinsen. »Interessanter Gedanke. Wie kommst du darauf?«
»Du bist von den Toden wiedergekehrt mit einer Mangekyō-Fähigkeit. Madara war als der stärkste Uchiha seiner Zeit bekannt, der bis heute nur von Shodai Hokage übertroffen wird. Wenn du schon eine versteckte Fähigkeit entwickelt hast, warum nicht auch er? Warum sollte sein Sharingan nicht stark genug sein, sogar seinen eigenen Tod ungeschehen zu machen?«
Obitos Grinsen wurde breiter, triumphierender. »Du hast Recht. Es war Uchiha Madara.«
Nächstes Kapitel: Tobirama wird von einem Geist verfolgt, den er für lange tot gehalten hatte.
Kapitel 20: Ein Geist der Vergangenheit
Tobirama musste all seine Willenskraft aufbringen, um nicht in den Raum zu stürmen und Obito auszuquetschen. Madara lebte? Unmöglich! Minato keuchte ebenfalls auf.
So schien es auch Kakashi zu ergehen. »Madara lebt?!«, sprach er Tobiramas Gedanken aus. »Wie soll das gehen?«
Obito lachte schnaubend. »Du hast es doch gerade selbst erläutert. Madara hat seinen eigenen Tod ungeschehen gemacht.«
»Dann hat niemand seine Leiche aus meinem Labor gestohlen«, schlussfolgerte Tobirama. »Er ist einfach selbst hinausspaziert.«
Er wusste nicht, welche Variante er weniger beunruhigend fand.
»Verdammt, ja«, stimmte Minato zu.
Sie hingen wie festgeklebt vor dem Mikrofon, um das Geschehen im Verhör zu verfolgen.
»Und wo ist Madara jetzt?«, fragte Kakashi auch sofort.
Obito schien das Ganze noch immer furchtbar erheiternd zu finden. »Amüsant, was für ein Effekt dieser Name noch immer hat. Er ist wirklich wie ein Geist, der noch immer Konoha heimsucht. Aber hey, sei beruhigt, er war steinalt, als er mich wieder zusammenflickte und mittlerweile ist er nur noch ein Haufen staubiger Knochen. Er ist tot, so tot, wie man nur sein kann. Izanagi hat seinen Tod ungeschehen gemacht, aber es ließ sein rechtes Auge erblinden. Es funktioniert nur einmal.«
»Izanagi«, sinnierte Minato. »Wir sollten Fugaku hinzuholen. Ich glaube, davon habe ich schon einmal gehört.« Wohl unbewusst griff er Tobiramas Arm.
Als Antwort nickte Tobirama lediglich und schickte noch im selben Moment einen Klon los. Indes versuchte Kakashi noch mehr aus Obito herauszubekommen, doch dessen Plauderlaune schien aufgebraucht zu sein. Er sagte nichts mehr.
Es dauerte nicht lang, bis Fugaku sich bei ihnen einfand. Er trug seine Dienstuniform, also hatten sie ihn wohl mitten aus seiner Arbeit gerissen. Was auch immer es war, es konnte nicht wichtiger sein, als das hier. Er schien ein wenig irritiert, so plötzlich zur Verhöreinheit gerufen zu werden, bis er Obito erblickte. Er hielt mitten im Schritt inne. Ihm standen die Fragen ins Gesicht geschrieben.
»Ist das ...?«
Minato nickte. »Ja, das ist Obito. Er war es, der vor einem Jahr das Dorf mit Kyūbi angriff, und jetzt versuchen wir herauszufinden, wie es dazu kam. Aber dafür brauchen wir Ihre Hilfe, Fugaku-sama. Ich muss Sie bitten, uns zu sagen, was es mit Izanagi auf sich hat.«
Fugaku zögerte sichtlich. Uchiha sprachen nur ungern über ihr kekkei genkai und behielten dessen Geheimnisse lieber für sich. Darin lag eine große Stärke des Sharingan, da kaum ein Außenstehender wusste, was es wirklich vermochte.
»Nun ja, Sie sind Hokage«, sagte Fugaku schließlich. »Es sollte mich eigentlich nicht wundern, dass Sie zumindest etwas über Izanagi wissen.«
»Ich weiß, dass es schon seit längerem claninterne Streitigkeiten darum gegeben hat«, sagte Tobirama. »Das heißt, zu Hashiramas und meiner Zeit als Hokage. Wir hatten uns darin nicht eingemischt, solange es nicht die interne Sicherheit des Dorfes betroffen hatte, ich hatte jedoch Hikaku aufgetragen, eine Lösung für die Streitigkeiten zu finden.«
»Die wurde schließlich auch gefunden, wenn auch erst nach seinem Ableben«, erklärte Fugaku. Er schien sich von seiner ersten Überraschung erholt zu haben und stand nun mit verschränkten Armen da, während er seine Erläuterungen darlegte. »Izanagi ist eine spezielle und mächtige Fähigkeit des Sharingan, eine Illusion, die die Zeit selbst betrifft.«
»Wie kann eine Illusion Einfluss auf die Zeit nehmen?«, fragte Minato.
»Nehmen wir an, ich werde im Kampf schwer verwundet«, fuhr Fugaku fort. »Ich verliere eine Hand, vielleicht gar den ganzen Arm. Mit Izanagi kann ich das ungeschehen machen. Das Besondere an dieser Fähigkeit ist, dass ich damit jedes Ereignis zu meinen Wünschen ausgehen lassen kann. Das ist es, was so lange für Unruhen und Streitigkeiten im Clan gesorgt hatte, weil es immer wieder zu Unstimmigkeiten gekommen war.«
»Selbst wenn es einem das Augenlicht kostet«, fügte Tobirama an.
»Ja, das ist der Preis, den man für Izanagi zahlt. Das Auge, in welchem diese Fähigkeit liegt, erblindet, Izanagi kann nur einmal eingesetzt werden.«
»Und wie kann der eigene Tod damit ungeschehen gemacht werden?«, fragte Minato weiter.
»Izanagi ist programmierbar. So kann es getriggert werden, wenn ein bestimmtes Ereignis X eintritt, eben zum Beispiel mein Tod. Damit wäre es dann, als wäre ich nie gestorben, mit dem einzigen Unterschied, dass mein Auge erblindet. Es funktioniert also nur einmal.«
»Was war es, das die Konflikte um diese Fähigkeit löste?«, wollte Tobirama wissen.
»Es wurde eine weitere Technik entwickelt, Izanami. Wenn Izanagi das Schicksal verändert, so legt Izanami dieses fest. Ich habe eigentlich schon mehr gesagt, als mir lieb ist, daher sollen die Details jetzt nicht interessieren. Es reicht zu sagen, dass Izanami speziell dafür entwickelt wurde, um Izanagi zu kontern. Beide Jutsu zusammen gehören zu den ultimativen dōjutsu, da sie so ungemein mächtig sind.«
Fugaku betrachtete Obito nachdenklich. »Ist es das, weshalb er wieder lebt? Ich erinnere mich an den Jungen und weiß, was ihm zugestoßen war.«
»Es ist etwas komplizierter«, sagte Minato ausweichend. »Aber ich danke Ihnen, Fugaku-sama, für Ihre bereitwilligen Antworten. Sie haben uns sehr geholfen.«
Fugaku verzog keine Miene. Dennoch war sein Ton nicht unfreundlich, als er antwortete. »Sollte ich noch irgendwie von Hilfe sein können, zögern Sie nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass es sich bei dem Angreifer wirklich um einen Uchiha handeln könnte, aber jetzt ist es wohl doch eine Clansache.«
»Den Uchiha ist keine Schuld zu geben«, beteuerte Minato. »Noch wissen wir nicht alles, aber so viel kann ich schon sagen. Vielen Dank für Ihre bereitwillige Hilfe. Ich weiß, ich frage hier viel von Ihnen.«
Fugaku nickte. Dann verabschiedete er sich und ging.
Einen Moment lang schwiegen sich Tobirama und Minato an.
»Ich kann dennoch nur schwer glauben, dass Madara wirklich tot ist«, sagte Tobirama schließlich.
»Hmhm«, machte Minato. »Mit den Uchiha scheint alles möglich zu sein. Mir schwirrt der Kopf von all dem.«
Tobirama legte ihm einen Arm um die Schulter. Im Verhörraum versuchte Kakashi weiter vergeblich, Informationen aus Obito herauszubekommen. Es machte nicht den Eindruck, als wäre Obito gewillt, heute noch etwas von sich zu geben, weshalb Minato das Verhör für diesen Tag beendete. Kakashi wirkte sichtlich irritiert, als er aus dem Raum kam. Auf ein Zeichen Tobiramas hin kamen zwei Anbu herbei und führten Obito zurück in seine Zelle. Er blickte nicht auf, als er an ihnen vorbei ging. Schweigend sah Minato ihm nach.
»Wie geht es dir?«, wandte sich Tobirama an Kakashi.
Erst zuckte Kakashi nur mit den Schultern, die Hände in den Hosentaschen. »Müde«, sagte er dann doch. »Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll. Erst lebt Obito wieder, jetzt Madara. Wer kommt als nächstes? Der Weise der Sechs Pfade höchstselbst?«
»Du hast uns einen großen Dienst erwiesen«, sagte Tobirama. »Wenn du Abstand von all dem nehmen willst, dann sag es nur. Andere können das übernehmen.«
Doch Kakashi schüttelte den Kopf. »Nicht mal Ibiki kriegt was Sinnvolles aus der Heulsuse heraus. Er will nur mit mir reden, also hab ich wohl keine Wahl.« Er streckte die Schultern. »Die Art und Weise, wie er über Madara redet, hat mich aufmerken lassen. Er wirkte recht vertraut mit ihm, was mich vermuten lässt, dass er eine ganze Weile mit ihn verbracht haben muss.«
Minato nickte nachdenklich. »Hm, das leuchtet ein. Obito ist nicht von heute auf morgen wieder gesund geworden, und er selbst deutete an, dass er lange gebraucht hatte, um wieder auf die Beine zu kommen. Madara hat ihn also womöglich über eine längere Zeit hinweg gepflegt.«
»Und wer weiß, was er dem Jungen in der Zeit alles erzählt hat«, beendete Tobirama den Gedanken. »Ja, das erscheint mir passend. Ich habe keine Ahnung, wann sich Madara wiederbelebt haben könnte, als ich ihn in seinem Sarg versiegelt hatte, war er jedenfalls definitiv tot. Es kann also jederzeit danach geschehen sein, was eine lange Zeitspanne ist.«
»Obito nannte ihn alt«, warf Kakashi ein. »Allzu viel Zeit kann also nicht vergangen sein. Er hat also all die Jahre gelebt und sich vor der Welt versteckt, um wer weiß was zu planen. Und dann beschließt er plötzlich, irgendeinen Uchiha-Jungen zu retten. Warum? Und wieso Obito?«
»Vielleicht bot sich Obito einfach an«, schlug Minato vor. »Wir alle hielte ihn für tot, es hätte also niemand hinterfragt, wenn er plötzlich verschwunden wäre. Der lange Genesungsprozess machte Obito abhängig von Madara, genug Zeit, um auf ihn Einfluss zu nehmen.«
»Aber da muss noch mehr dahinter stecken«, gab Tobirama zu bedenken. »Madara tut nichts aus selbstlosen Gründen, außer vielleicht für seinen jüngeren Bruder.«
»Aber du hast ihn doch schon vor Ewigkeiten getötet«, warf Minato ein. »Wie soll das zusammenhängen?«
»Madaras Augen sind nicht seine eigenen, sondern die Izunas«, erklärte Tobirama. »Theoretisch wäre es Madara damit möglich, mithilfe von Edo Tensei Izuna von den Toten zurückzuholen. Da er das nicht tat, vermute ich, dass er entweder nicht von Edo Tensei weiß oder es aus mir unbekannten Gründen als Möglichkeit ausschließt.«
»Oder er etwas anderes im Sinn hat«, gab Kakashi zu bedenken.
»Izuna war sein größter Motivationsfaktor«, hielt Tobirama dagegen. »Selbst nachdem ich ihn tötete. Schlussendlich war es das, was ihn gegen Konoha richtete, das und seine Bitterkeit seinem eigenen Clan gegenüber, die sich von ihm abwandten. Einen anderen Grund kann ich mir nicht denken.«
»Hm«, machte Kakashi, eindeutig nicht überzeugt. Dann merkte er auf. »Aber, Tobirama, erinnerst du dich, was Obito bei unserem Kampf sagte? Er nannte diese Welt einen Alptraum und bezog sich dann auf Rin. Auch er hat eine Person verloren, die ihm sehr viel bedeutet hat.«
»Er wirkt so verbittert, überhaupt nicht, wie ich ihn in Erinnerung habe«, sagte Minato. »Unsere letzte gemeinsame Mission und all das, was danach geschah, muss ihn zutiefst erschüttert haben. Für Madara ein gutes Mittel, um darüber auf ihn Einfluss zu nehmen. Da Madara aber bereits so alt war, brauchte er jemanden, der für ihn seinen Plan fortführt, welcher auch immer das sein mag. Und plötzlich war da Obito, die perfekte Gelegenheit. Ein seelisch und körperlich verwundeter junger Uchiha, den er ganz nach seinem Willen formen und auf den Pfad setzen konnte, den er für ihn vorbestimmt hat.«
»Noch aus dem Grab heraus treibt dieser Wahnsinnige sein Unwesen«, knurrte Tobirama unwirsch. »Was führt er im Schilde? Wozu will er Obito benutzen? Will er nicht nur sein Schicksal abändern, sondern das der ganzen Welt? Wie will er das anstellen?«
Es war absurd, einfach völlig absurd. Sie diskutierten hier über die Motive eines Mannes, der sie selbst im Tod nicht in Frieden lassen wollte.
Minato legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. »Komm, lass es uns für heute genug sein. Wir sind wohl alle müde. Das war genug Gedankenmaterial für mehrere Tage. Morgen ist auch noch ein Tag, um uns darüber die Köpfe zu zerbrechen.«
Zustimmung und Dankbarkeit blitzte in Kakashis Blick auf und er schritt auffallend schnell aus, als sie sich abwandten, um das Gebäude zu verlassen. Es ging ihnen allen an die Substanz, und Tobirama nahm sich vor, Kakashi mehr zurückzuhalten in der ganzen Sache. Er hatte schon mehr als genug getan.
Sie schwiegen auf dem gesamten Heimweg und Minato hielt sich auffallend dicht bei Tobirama. Er hielt seine Hand, als bräuchte er irgendetwas, woran er sich aufrecht halten konnte. Tobirama strich mit dem Daumen über Minatos Handrücken, um ihn wissen zu lassen, dass er für ihn da war. Minato lächelte und vergrub für einen kurzen Moment seine Nase in Tobiramas Pelzkragen.
Daheim angekommen, kam ihnen eine aufgeregte Shizune entgegen. Tobirama runzelte die Stirn. Warum war sie hier und weshalb fuchtelte sie so wild mit den Armen?
»Ich muss gleich sagen, ich habe versucht, es ihr auszureden!«, rief sie ihnen statt einer Begrüßung entgegen, noch bevor sie die Schuhe ausgezogen hatten.
Minato lächelte nervös. »Äh, wer und was?«
Tobirama nahm verdächtigen Rauchgeruch aus der Küche wahr zusammen mit leisem Fluchen, das nach Tsunade klang, und Narutos fröhlichem Gekicher. Er kniff die Augen zusammen. »Was hat meine Nichte angestellt?«
Shizune hob abwehrend die Hände. »Ich war‘s nicht!«
Kakashi verfolgte das Geschehen auffallend neugierig. War da Schadenfreude in seinem Blick? Frecher Bengel.
Tobirama schob sich an Shizune vorbei und ging zur Küche. Ōkami saß vor der Tür und beobachtete das Geschehen in dem Raum aufmerksam, enthielt sich aber eines Kommentars. Ihr Schwanz wedelte kurz, als sie Tobirama bemerkte, dann beobachtete sie weiter.
Tobirama sah sich einem kompletten Chaos gegenüber. Es machte den Anschein, als hätte irgendwer die Küche in ein Schlachtfeld verwandelt und die Waffe der Wahl waren Backzutaten gewesen. Überall standen verstreut Schüsseln herum, und Tobirama machte auch etliche Häufchen von Zucker, Mehl, Schokostreuseln und anderen Backzutaten aus, die sich an Orten befanden, wo sie nichts zu suchen hatten. Vorzugsweise der Boden oder die Küchenanrichte. Inmitten des Chaos saß Naruto auf dem Tisch, halb verborgen von einer großen Schüssel, aus der er mit Begeisterung den Teig mit bloßen Fingern leckte. Er selbst war von Kopf bis Fuß mit Mehl bepudert, das sein Haar aschweiß erscheinen ließ. Tsunade stand fluchend vor dem Herd und wedelte mit einem Lappen den Rauch zur Seite, der aus dem Ofen kam. Von dort kam auch der Brandgeruch.
Minato war Tobirama gefolgt. Als auch er der Szene gewahr wurde, musste er kichern. »Wolltest du Naruto backen?«
»Ha ha«, sagte Tsunade trocken. »Lach du nur. Ich dachte, ich mach dem Jungen mal eine Freude, da er von Tobi-oji nur Rohkost verfüttert bekommt, und backe mit ihm Kekse. Aber er kann ja nicht einmal einen Rührstab richtig halten.«
Das zumindest erklärte den Teigklecks an der Decke.
Tsunade machte einen frustrierten Laut und stemmte die Hände in die Hüften. »Und jetzt sind die Kekse auch noch angebrannt, weil ich ihn davon abhalten musste, rohes Ei zu essen.«
Minato hob Naruto hoch und betrachtete ihn. Naruto streckte ihm seine teigbeschmierten Hände entgegen, lächelte und machte dann ein Bäuerchen. »Nun ja, Spaß scheint er zu haben. Und den Teig aus der Schüssel naschen fand ich als Kind ohnehin am besten.«
Schicksalsergeben erzeugte Tobirama zwei Doppelgänger. »Ich helf dir beim Aufräumen, Tsunade.«
»Gut, dann verpasse ich der Naschkatze hier ein Bad«, sagte Minato. Er versuchte vergeblich, Narutos Haar zu entmehlen. Der Junge musste definitiv in die Wanne gesteckt werden.
»Du wolltest also wirklich Naruto mithelfen lassen?«, fragte Kakashi aus dem Hintergrund. »Dir ist schon bewusst, dass der Hosenscheißer erst ein Jahr alt ist, oder?«
»Es hätte ja klappen können«, knurrte Tsunade.
»Husch, raus aus der Küche, du stehst nur im Weg«, scheuchte Tobirama ihn davon.
Mit einem schelmischen Glitzern im Auge trollte sich Kakashi. Minato ging nach oben, um Naruto zu baden, und Ōkami trottete ihm hinterher. Tobirama und Tsunade blieben abgesehen von den Doppelgängern allein in der Küche zurück. Shizune war wahrscheinlich geflohen.
»‘tschuldigung, dass ich die Küche eingesaut hab«, nuschelte Tsunade, als sei sie wieder ein Kind, das gerade mit ihrem Bruder etwas ausgeheckt hatte. Meistens war es Tobirama gewesen, der sie gescholten hatte, Hashirama war immer viel zu nachsichtig gewesen.
Doch dieses Mal winkte Tobirama nur mit einem Lächeln ab. »Ist doch schön zu sehen, dass du mit Naruto mittlerweile so gut klarkommst. Die Kekse hätten ihm sicher geschmeckt.«
Tsunade fegte etwas Mehl zusammen. »Vielleicht starte ich einfach Versuch Nummer Zwei. Ohne Narutos fragwürdige Hilfe dieses Mal.«
»Das klingt mir nach einer guten Idee.«
Tsunade musste niesen, als sie etwas zu heftig fegte. Wenig erfolgreich versuchte sie den Schaden zu begrenzen, und ließ es dann einfach sein. Sie stellte den Besen vor sich auf den Boden. »Weißt du, ich ... Ich habe einfach das Gefühl, etwas in meinem Leben verpasst zu haben. Ich hätte eine Mutter sein können, aber damals hatte ich mich anders entschieden. Und jetzt ...«
»Und jetzt versuchst du das irgendwie wieder gut zu machen«, schlussfolgerte Tobirama, als Tsunade nicht weitersprach.
»Ja. Aber ...« Sie seufzte. »Zum einen der Fakt, dass er nicht mein Sohn, sondern mein Enkel ist. Und zum anderen diese ganze andere komplizierte Sache. Ich habe so viel verpasst, aber das alles jetzt irgendwie mit Naruto kompensieren zu wollen, fühlt sich auch falsch an.«
»Wie ich das sehe, hatte Naruto einige Freude an eurem Vorhaben«, kommentierte Tobirama. »Ging es dir nicht darum?«
Sie hörten ein Quietschespielzeug, gefolgt von Narutos fröhlichem Gebrabbel aus dem Bad. Unwillkürlich musste Tsunade lächeln.
»Er ist ein bisschen doof, aber niedlich«, stellte sie fest. »Und ich fürchte den Tag, an dem er auch nur etwas mehr Weltwissen erwirbt und selbstständig laufen kann. Wir werden keine ruhige Minute mehr in diesem Haus haben.«
»Oh, das werden wir ganz bestimmt nicht«, stimmte Tobirama ihr zu. »Er könnte sogar Nawaki übertreffen.«
Tsunade stöhnte theatralisch. »In der Tat eine Meisterleistung.«
»Wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht trügt – und für mich ist es nicht so lang her wie für dich –, dann meine ich mich zu erinnern, dass meistens du deinen Bruder angestiftet hast.«
»Was für eine dreiste Unterstellung von dir, Onkel!«
Tobirama lachte leise. Dann wurde er ernst. »Minato fragte mich, ob ich Naruto adoptieren will. Ich dachte, das solltest du wissen.«
Tsunade antwortete nicht gleich, sondern sann einen Augenblick darüber nach. Dann lächelte sie. »Das wird den Chronisten ganz schönes Kopfzerbrechen bereiten, wie sie unseren Stammbaum zeichnen sollen.«
Tobirama zuckte mit den Schultern. »Nicht meine Sorge.«
»Streng genommen hast du das ganze Chaos erst verursacht, indem du dieses Siegel verbockt hast. Apropos, ich bin neugierig. Weißt du, was schief gelaufen ist?«
Tobirama nickte. »Ich denke ja. Zumindest habe ich eine fundierte Theorie, wo der Fehler liegt und wie ich ihn hätte vermeiden können, vielleicht sogar ungeschehen machen. Aber eigentlich spielt das jetzt keine Rolle mehr.«
Mithilfe der Schattendoppelgänger war die Küche schnell wieder aufgeräumt und dabei gleich auch gründlich durchgewischt. Es war ohnehin wieder einmal fällig gewesen. Indes hatte auch Minato seinen Sohn von allen Teigspuren befreit und entschieden, dass jetzt Spielzeit war. Kakashi war ebenfalls wieder aufgetaucht, und gemeinsam setzten sie sich nahe des iroi an den kotatsu. Jetzt, da es auf den Winter zuging, brannte das Feuer wieder fast ganztägig. Am Anfang mochte Minato das noch als rustikal empfunden haben, aber mittlerweile schien er die Vorzüge einer solchen Einrichtung doch zu schätzen.
Tsunade staubte ihre Hände ab und betrachtete ihr gemeinsames Werk. »Als wäre nie etwas passiert. Zeit für Versuch Nummer Zwei.«
»Dann überlasse ich dir das Feld.« Mit einem schelmischen Grinsen fügte Tobirama an: »Du bist ja jetzt ein großes Mädchen.«
Tsunade warf einen Lappen nach ihm.
Tobirama gesellte sich zu Minato und Kakashi. Kakashi hatte Menma herbeigelockt, damit Naruto mit ihr spielen konnte. Ōkami, die Minato die ganze Zeit auf Schritt und Tritt gefolgt war, um ein Auge auf Naruto haben zu können, beäugte die Katze kritisch. Als der Junge Tobirama sah, streckte er ihm fröhlich quietschend das Katzenspielzeug entgegen, das für Menma gedacht war.
Tobirama setzte sich neben Minato und drückte Naruto einen Kuss auf seinen Schopf. Naruto roch nach Babyshampoo und sein Haar war noch etwas feucht. »Die Maus gehört Menma, nicht dir.«
Naruto fuchtelte mit dem Spielzeug weiter in Richtung Tobirama.
»Ich übersetze für dich«, sagte Minato, während er Naruto weiter an Tobirama reichte. »Das heißt, dass du jetzt mit Menma spielen sollst.«
Menma hatte das Geschehen bisher aufmerksam verfolgt, um auf ihren Moment zu warten. Ihre Aufmerksamkeit lag auf der Spielzeugmaus in Narutos Hand.
»Na gut, wenn der kleine Prinz das so will, dann soll er seinen Willen bekommen.« Tobirama nahm Naruto die Maus ab.
»Fang besser gar nicht erst so an«, warf Kakashi ein. »Am Ende denkt er wirklich noch, dass er mit allem durchkommt.«
Tobirama hielt die Maus am Schwanz und wedelte mit ihr vor sich auf Katzenhöhe. Menma roch sofort den Braten und fixierte ihre Beute. Sie duckte sich und wackelte mit dem Po, als sie sich auf Lauer legte, und sprang dann unvermittelt vor und langte nach der Maus. Ihre kleinen Krallen fuhren aus und sie erwischte das Spielzeug tatsächlich. Eine ihrer Krallen blieb im Stoff hängen, was sie aus der Balance warf.
»Wir könnten ihr ein Geschirr kaufen, dann kann sie unter Aufsicht im Garten herumstreunen«, schlug Kakashi vor.
»›Wir‹ heißt ›ihr‹«, stellte Tobirama klar. »Ich habe von Anfang an gesagt, dass sie nicht in meiner Verantwortung liegt.«
Naruto schenkte der Diskussion keine Beachtung und quietschte vergnügt, während Menma heroisch ihre Beute erlegte. Tobirama überließ ihr das Spielzeug.
»Ich habe dich trotzdem das eine oder andere Mal dabei erwischt, wie du ihr Leckerlis gibst und sie streichelst«, neckte Minato.
Tobirama schnaubte, und Minato gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Aber die Idee mit dem Geschirr gefällt mir«, sagte Minato. »Ich werde die Augen offen halten.«
Kakashi musterte die Szene. Etwas lag in seinem Blick, das Tobirama nicht so recht deuten konnte.
Kakashi stand auf. »Ich habe eine Idee.«
Fragend sah Tobirama ihm nach, als er zu einem der Regale ging und eines der Fotoalben herauszog. Es war das neueste, das mit den ganzen Babybildern von Naruto, von denen sie dank Minato Tonnen hatten.
»Ich leih mir das mal kurz aus«, beschloss Kakashi.
»Was hast du damit vor?«, fragte Tobirama ihn.
»Wirst du schon sehen, wenn‘s klappt«, sagte Kakashi kryptisch und war aus der Tür verschwunden.
Tobirama hob fragend eine Braue. Minato hingegen zuckte nur mit den Schultern.
»Nun, dann warten wir wohl mal, was er ausheckt. Er wird schon nichts anzünden.«
Nächstes Kapitel: Kakashi setzt seinen Plan in die Tat um.
Kapitel 21: Ein Herz zu finden
Kakashi nahm sich einen Hocker und stellte ihn neben die Gitter von Obitos Zelle. Er platzierte das Fotoalbum auf seine Knie und schlug es auf. Obito beobachtete ihn mit vorgetäuschtem Desinteresse von seiner Pritsche aus.
»Was wird das, wenn‘s fertig ist?«
Kakashi winkte ihn zu sich. »Komm her, ich will dir was zeigen.«
Er hoffte inständig, dass das hier funktionierte und er sich nicht vollkommen blamierte. Minato hätte ihm niemals erlaubt, Naruto hierher zu bringen. Also waren die Fotos die nächstbeste Lösung gewesen, die ihm eingefallen war. Auf einen Versuch käme es immerhin an. Nahezu alle anderen Möglichkeiten hatten sie bereits ausgeschöpft, und trotz allem wollte Kakashi nicht, dass Tobirama Obito auseinanderpflückte.
Auch wenn er immer noch so tat, als würde ihn das alles nicht interessieren, nahm sich Obito doch einen Hocker und platzierte ihn so auf seiner Seite der Gitterstäbe, dass er ebenfalls in das Album blicken konnte.
»Wow, wie spannend. Babybilder. Ich kotz vor Niedlichkeit.«
Kakashi überhörte den Sarkasmus in seiner Stimme. »Den Teil mit Kushinas Babybauch überspringen wir mal besser. Oh, schau, was haben wir hier? Naruto mit seinem allerersten besten Freund.«
»Ist das ... ein Plüschwolf? Wow, wie originär.«
»Ōkami ist nicht gerade für ihre Subtilität bekannt.«
Das Foto zeigte Naruto kurz nach seiner Geburt beim Schlafen. Damals war das Plüschtier fast so groß wie Naruto gewesen, und er hatte es immer bei sich haben wollen. Kakashi ging auf, wie sehr Naruto seitdem gewachsen war. Das war ihm nie so deutlich aufgefallen, wahrscheinlich weil er seitdem fast jeden Tag mit dem Jungen verbracht hatte.
Kakashi blätterte weiter. »Tobirama mit Naruto, noch mehr Tobirama mit Naruto. Geht das auf der nächsten Seite so weiter? Oh, ja, tut es. Scheint Minatos Lieblingsmotiv zu sein. Nicht wirklich kreativ.«
»Das ist furchtbar kitschig«, warf Obito ein, aber in seiner Stimme lag keine Schärfe mehr, sein Spott hatte an Biss verloren.
»Du weißt doch, wie er ist. Wenn er sich verliebt, dann so richtig, mit all dem romantischen Firlefanz drumherum.«
»Ugh, erinner mich nicht daran. Die paar Mal, die wir in seine Dates mit Kushina verwickelt waren, waren immer furchtbar unangenehm.« Obito verdrehte das Auge.
Sehr gut. Kakashis Idee schien nicht völlig fehlgeleitet zu sein.
»Für uns wenigstens nur unangenehm. Ich hätte nicht mit Minato tauschen wollen. Aww, guck mal hier. Naruto mit Ōkami. Er liebt es, von ihr in dem Geschirr getragen zu werden. Manchmal trägt sie ihn auch einfach am Kragen herum.«
Obito beäugte das Bild. »Und Minato lässt dieses Biest einfach so an den Jungen heran? Es gibt da so ein paar Gerüchte bei den Uchiha über den Weißen Wolf der Senju.«
»Die Hälfte davon ist völlig übertrieben«, beteuerte Kakashi, obwohl er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Ōkami einem Menschen die Eingeweide herausgerissen hatte. »Die meiste Zeit pennt sie oder will auf Naruto aufpassen. Keine Ahnung, was in so einem Wolfsschädel vor sich geht.«
Obito warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Und du ... wohnst jetzt bei ihnen?«
Kakashi nickte. »Hat sich so ergeben, nachdem .... nun ja. Nachdem das Dorf zerstört worden war. Und nachdem Attentäter Minato während der Chūnin Prüfungen angegriffen hatten, hatte Tobirama darauf bestanden, dass er auch bei uns einzieht. Das Haus ist nun wirklich groß genug. Alles mit Mokuton gewachsen, wusstest du das?«
»Aha«, machte Obito abwesend. Ihn schien etwas anderes zu beschäftigen. Kakashi beobachtete ihn genau. Was ging seinem einzigen Freund durch den Kopf?
»Ich hab deine Sammlung von Schmuddelheften gefunden«, platzte es mit einem Mal aus Obito heraus.
»Hä?!« Wo kam denn das her? »Wie? Was?«
»Du liest ja echten Schweinkram. Kein Wunder, dass du deinen Müll vor Tobirama in Kamui versteckst.«
»Halt die Klappe, Obito.«
»Du bist derjenige, der seinen Müll in meinem Kamui abläd.«
»Das ist nicht dein Kamui, sondern unseres!«
»Aber das war mal mein Auge.«
»Das du mir gegeben hast. Also ist es jetzt meins.«
»Ohne mich hättest du das nicht mal. Also hab ich durchaus noch Anspruch darauf. In gewisser Weise.«
Kakashi hielt inne. »Willst ... willst du es wieder?«
Obito sah ihn einen Moment lang schweigend an. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Es war ein Geschenk, und Geschenke nimmt man nicht zurück.«
Weil Kakashi nicht wusste, was er darauf sagen sollte, wandte er seinen Blick ab, der auf das Foto fiel, das er gerade aufgeschlagen vor sich hatte. Es war das von Narutos erstem Geburtstag. Shizune hatte das Foto aufgenommen, es zeigte die ganze Familie mit Naruto und Minato im Zentrum. Minato hatte gewollt, dass Shizune mit auf das Foto kam, sie war immerhin seine Cousine, aber sie hatte sich geziert. Irgendwer musste doch den Auslöser drücken, hatte sie gemeint. Es war ein seltsamer Tag gewesen, eine eigenwillige Mischung aus der Freude, dass Naruto schon ein Jahr alt war und sie in dieser Zeit zu einer Familie zusammengewachsen waren, und der Erinnerung an Kushinas Tod an ebenjenem Tag.
»Ich ...« Obito war Kakashis Blick gefolgt. »Ich glaube, mir ist etwas klar geworden. Ich hab richtig, richtig große Scheiße gebaut und ich weiß nicht, ob ich das je wieder gutmachen kann.«
»Du hast sie getötet«, wisperte Kakashi, ohne den Blick zu heben. »Du hast Kushina getötet. Du hast Narutos Mutter getötet. Und so viele mehr.«
Beschämt blickte Obito zu Boden. »Ja, und viel zu lange habe ich mir eingeredet, dass es gerechtfertigt sei mit Blick auf das, was ich plante.«
»Was ist es?«, verlangte Kakashi zu wissen. »Was ist es, weshalb du zahllose Unschuldige kaltblütig ermordet hast?«
»Madara hat mir etwas gezeigt«, eröffnete Obito. »Eine bessere Welt, oder so glaubte ich. Er war wie so viele von uns schwer verwundet, nicht am Körper, aber am Geist, und er hatte sehr, sehr viel Zeit allein in dieser Höhle verbracht. Das hat etwas mit ihm gemacht, aber gleichzeitig hat er diese Zeit auch zum Planen benutzt. Er träumte von einer besseren Welt, einer, in der Kinder nicht mehr auf das Schlachtfeld geschickt wurden und in der Freunde gezwungen waren, einander zu töten. Aber dafür benötigte er die Macht des Rikudō. Aber er war alt und gebrechlich, seine Zeit war vorüber. Also sollte ich seinen Plan in die Tat umsetzen, und dafür brauchte ich die bijū.«
Kakashi sah ihn erstaunt an. Plötzlich konnte er es nicht wirklich glauben, dass er tatsächlich Obito zum Reden gebracht hatte. »Dann hast du also Akatsuki auf die jinchūriki angesetzt. Und diese Mokuton-Attentate auf Kumo? Auch du?«
Obito schüttelte den Kopf. »Das zumindest ist nicht auf meinen Mist gewachsen, aber du wirst davon auch hören wollen. Akatsuki war ursprünglich eine Gruppe von Rebellen, die gegen Hanzōs Herrschaft auflehnten. Sie wollten die Bedingungen in Ame verbessern. Das Land war arm und wurde immer wieder von den Konflikten der großen Nationen um es herum gebeutelt. Frag Jiraiya nach seinen ersten Schülern. Sie waren es, die Akatsuki ins Leben riefen. Und ich ... Nun, ich habe sie unterwandert, ihnen versprochen, sie bei der Erfüllung ihres Traumes zu helfen, und sie nach und nach auf den Weg gebracht, auf dem ich sie haben wollte. Ich brauchte sie, ich brauchte Handlanger in der Welt, weil ich nicht überall gleichzeitig sein konnte. So ist Akatsuki zu dem geworden, was sie jetzt sind, eine Söldnertruppe voller Abtrünniger. Orochimaru ist ein Teil davon.«
»Orochimaru!«, rief Kakashi aus. Plötzlich liefen alle Fäden zusammen.
Obito nickte. »Ja, er. Aber ich glaube, er will Akatsuki für seine eigenen Machenschaften missbrauchen. Ich weiß nicht, was er im Schilde führt, aber solange er mir nicht in die Quere kam, war es mir egal. Ich weiß, dass Danzō seine Hände beim Umsturz in Amegakure vor einigen Monaten im Spiel hatte. Ich ließ ihn gewähren, weil es mir gut in den Kram passte. So bekam ich auch mit, dass er und Orochimaru unter einer Decke stecken. Sie haben viel gemeinsam experimentiert und irgendwie ging es dabei um Mokuton.«
»Weißt du, wo die beiden jetzt sind?«, fragte Kakashi aufgeregt.
Erneut nickte Obito. »Ja. Das heißt, ich weiß zumindest, wo sich einige von Orochimarus Verstecken befinden. In einem davon wird er sein, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Danzō bei ihm ist. Auf die beiden hast du es mit Sicherheit abgesehen, nicht wahr? Gib mir was zu schreiben, dann zeichne ich dir eine Karte.«
Eilig holte Kakashi eine leere Schriftrolle und einen Stift aus seiner Tasche und reichte beides Obito. Obito daran zu erinnern, wer er einmal gewesen war und zu wem er geworden war, war Kakashis letzte Idee gewesen, wie er noch irgendwie an ihn hätte herankommen können. Er hätte kaum geglaubt, dass es wirklich funktionieren würde. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für Obito, vielleicht hatte er ja doch noch ein Herz.
Obito zeichnete ihm eine grobe Karte der fünf großen Nationen und der kleineren Länder dazwischen. Er markierte einige markante Landmarken, dann setzte er weitere drei Kreuze.
»Das sind die Verstecke, von denen ich weiß«, erklärte Obito. »Orochimaru favorisiert die Gegend um Otogakure, ich glaube, er will das Land übernehmen und es zu einer nennenswerten Ninjanation ausbauen, die mindestens mit den anderen kleinen Ländern wie Ame mithalten kann. Scheint, als hätte ich ihn inspiriert.«
Kakashi besah sich die Karte, bevor er sie einsteckte. »Ich danke dir, Obito.«
Obito erwiderte seinen Blick. Ein harter Zug lag um sein Auge. Seine leere Augenhöhle war von einer Binde versteckt. »Dank mir nicht. Am Ende des Tages versuche ich nur meine eigene Haut zu retten und das wenige an Absolution zu erlangen, das mir noch zustehen könnte.«
»Du bist kein herzloser Mörder, Obito«, sagte Kakashi. »Das hast du dir lang genug selbst eingeredet, und das nur, weil ein alter Knacker in einer Höhle dir den Kopf verdreht hat.«
Obito schnaubte abfällig. »Zisch ab, Bakashi. Du hast, weshalb du herkamst, oder nicht?«
»Bis zum nächsten Mal, Heulsuse.« Kakashi stand auf. Obito sah ihm schweigend nach, als er das Gefängnis verließ.
Kakashi blinzelte, als er aus dem schummrigen Gebäude und ins Sonnenlicht trat. Wie seltsam es sich anfühlte. Ein Tag wie jeder andere, und doch war gerade etwas passiert, das er noch nicht so wirklich begreifen konnte. Seine Hand schloss sich um die Schriftrolle. Vielleicht sollte er sich einfach an das halten, was er wusste. Tobirama und Minato würden sicher davon wissen wollen.
Nächstes Kapitel: Sie entsenden ein Team auf der Suche nach Orochimaru.
Kapitel 22: In die Schlangengrube
Wundersamerweise hatten sie kaum diskutiert. Nachdem Kakashi ihnen Obitos Informationen übermittelt hatte, war der Plan fast augenblicklich klar gewesen. Natürlich hatte Tsunade darauf bestanden, dass Tobirama daheim blieb, und für Tobirama hatte das außer Frage gestanden. Die Lösung war, dass Tsunade einfach mitkam, um ein Auge auf ihn zu haben, und er hatte versprechen müssen, sich zurückzuhalten. Immerhin hatte Tsunade eingesehen, dass seine Sensorfähigkeiten auf dieser Mission von großem Vorteil wären.
Sie hatte so oder so mitkommen wollen, immerhin rückten sie aus, um Orochimaru zu fangen, lebend oder tot, und etwas verband sie noch immer mit ihrem einstigen Kamerad. Jiraiya erging es ebenso, und auch wenn Tobirama ihn noch immer nicht leiden konnte, hatte er eingewilligt. Er hatte nicht kleinlich erscheinen wollen. Kakashi kam natürlich ebenfalls mit, ebenso wie Yuki und Rō. Alle drei brannten sie auf Rache für Sukea. Ein verständliches Motiv, auch wenn Tobirama Yuki hatte schwören lassen, dass sie dieses Mal Herr ihrer Emotionen bleiben würde.
Trotz allem machte Minato ein besorgtes Gesicht, als er sie am Tor verabschiedete. Er hielt Tobiramas Hände und stand dicht vor ihm.
»Bitte pass auf dich auf, ja?«, sagte er nicht zum ersten Mal.
Tobirama lächelte. »Natürlich. Ich bin schließlich in guten Händen, wie du weißt.«
Minato war natürlich trotzdem nicht beruhigt. »Es könnte alles mögliche schief gehen. Wer weiß, was Orochimaru alles ausgeheckt hat.«
Tobirama legte ihm eine Hand auf die Wange. »Ich habe schon deutlich schlimmeres als ihn überstanden.«
Minato sah ihm tief in die Augen. Dann streckte er sich, um ihn zu küssen. Tobirama hielt ihn dicht bei sich und erwiderte den Kuss bereitwillig. Amüsiert bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie den beiden Torwächtern beinahe die Augen aus dem Kopf fielen.
Und noch etwas bemerkte er. Jemand näherte sich ihnen.
Nur ungern löste er sich von Minato und wandte sich dem Neuankömmling zu. »Hiruzen.«
Er konnte nicht behaupten, dass er allzu erfreut darüber war. Der Zorn über das, was geschehen war, saß tief. Gleichzeitig bemerkte er, dass Hiruzen wie zum Kampf gerüstet war.
Respektvoll neigte Hiruzen den Kopf. »Nidaime-sama, Yondaime-sama, ich erbitte formal, an dieser Mission teilzunehmen. Ich weiß, nach all dem, was vorgefallen ist, ist es dreist von mir, darum zu bitten. Doch Orochimaru war einst mein Schüler, und alles, was er verbrochen hat, fällt in meine Verantwortung.«
»Sensei!«, rief Jiraiya aus. »Was bin ich froh, dass Sie auch dabei sind! Ich dachte schon, ich wäre das fünfte Rad am Wagen auf diesem Familienausflug.«
Tsunade verpasste ihm eine Kopfnuss.
Tobirama ignorierte ihn. »Du weißt, was ich davon denke, Hiruzen.«
»Allerdings wäre es auch eine exzellente Wiedergutmachung«, warf Minato eilig ein. »Und Ihre Expertise ist zweifelsohne von großem Wert, Sandaime-sama. Äh, nicht dass ich deine irgendwie herunterspielen wollen würde, Tobirama.«
Tobirama verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit hochgezogener Braue an. »Meinethalben.«
Hiruzen verneigte sich erneut tief. »Ich danke Ihnen, Nidaime-sama. Ich werde Sie nicht noch einmal enttäuschen, das schwöre ich.«
Seine Reue war echt, Tobirama wusste es. Hiruzen bedauerte zutiefst all seine Fehler, und es wäre weder recht noch fair, auf ewig einen Groll zu hegen. Aber einige dieser Fehler hatten zu Sakumos Tod geführt und das war eine Wunde, die niemals aufhören würde zu schmerzen. Trotzdem hatte Hiruzen eine Chance verdient, und Tobirama war gewillt, sie ihm zu gewähren. Wie er Hiruzen kannte, würde er alles daran setzen, diese Chance auch zu nutzen.
Während sich Hiruzen zu den anderen gesellte und von Ōkami ausgiebig beschnüffelt wurde, wandte sich Minato wieder Tobirama zu. »Dann ist das wohl der Moment des Abschieds. Wer nur kam auf die Idee, dass der Hokage immer im Dorf zu bleiben hat?«
»Beschwer dich bei meinem Bruder«, sagte Tobirama leichthin. »Sieh es einmal so: Wenn du hier bleibst, muss ich mir keine Sorgen um das Dorf oder gar Naruto machen. Du wirst gut auf sie alle acht geben. Dein Siegel habe ich auch heute Morgen noch einmal erneuert. Was soll also schief gehen?«
Minato lächelte wehmütig. »Aber ich kann nicht auf dich achtgeben.«
»Das kann Tsunade für dich übernehmen, ganz sicher.«
Das schien Minato nun endlich ein wenig zu beruhigen. Sie küssten einander ein letztes Mal zum Abschied. Dann wandte sich Tobirama zu seinen Begleitern um und schwang sich auf Ōkamis Rücken.
»Auf geht‘s!«, befahl er.
Kakashi schloss sich Kō und Yuki an, welche die Vorhut bildeten und den Weg für sie auskundschafteten. Ōkami fand ihren Weg durch den Wald mit Leichtigkeit und der Rest folgte ihr dichtauf.
»Ich schwör dir, Onkel, wenn du es übertreibst, binde ich dich eigenhändig an den nächstbesten Baum«, drohte Tsunade nicht das erste Mal Tobirama an.
»Ich übertreibe nie«, knurrte Tobirama unwirsch zurück. »Ich habe das schon beim ersten Mal verstanden, was du mir damit sagen willst.«
Tsunade gab ihm einen kritischen Blick. »Ich bin mir bei deinem Sturkopf da nicht so sicher.«
Tobirama schnaubte unwirsch.
»Sag, dass ich Recht habe, Ōkami-sobo-san«, forderte Tsunade. »Du gibst mir doch recht, oder?«
»Natürlich, Tsuna-chan«, beteuerte Ōkami. »Welpe, wenn du was Dummes machst, halte ich dich fest, bis Tsuna-chan dich festgebunden hat.«
Tobirama grummelte noch mehr und versuchte gar nicht erst, dagegen zu protestieren. Gegen Ōkami kam er nicht an, erst recht nicht, wenn sie sich mit anderen gegen ihn verbündete.
»Ich bin wirklich froh, dass Sie mitkommen, sensei«, wisperte Jiraiya Hiruzen halblaut zu. »Dann bin ich wenigstens nicht der einzige unliebsame Außenstehende auf dem Familienausflug.«
So deutlich hegte Tobirama seinen Groll nun wirklich nicht! Oder?
»Ha!«, rief Jiraiya auf einmal aus. »Das ist dann wohl auch unsere erste richtige Mission im klassischen Sinne mit Ihnen, sensei! Hat ja nur fast vier Jahrzehnte gedauert.«
Hiruzen gab einen amüsierten Laut von sich. »Stimmt, darüber habe ich gar nicht nachgedacht.«
Hiruzen war bereits Hokage gewesen, als er seine Schüler ausgebildet hatte. Gut möglich also, dass sie nie gemeinsam mit ihrem Lehrer auf Missionen gegangen waren wie andere Teams, da Hiruzen mit seinen Pflichten als Hokage das Dorf nicht hatte verlassen können, nicht für längere Zeit jedenfalls.
»Katzen fangen zählt nicht«, betonte Tsunade. »Das war eine dumme erste ›Mission‹. Onkel, hast du dir den Mist ausgedacht?«
»Nein, anija, und es war eine seiner wenigen guten Ideen«, konterte Tobirama ernst.
»Ich kam am Abend völlig zerkratzt heim!«, protestierte Tsunade pikiert.
»Ich hatte doch das meiste abbekommen, beschwer dich nicht«, hielt Jiraiya dagegen.
»Außerdem hattest du doch ohnehin medizinisches Ninjutsu lernen wollen, Tsunade, und das war eine gute Übung«, warf Hiruzen ein.
Tobirama nickte zustimmend.
»Hm, wenn ich so darüber nachdenke«, sinnierte Hiruzen, »dann ist das hier meine erste richtige Mission seit vierzig Jahren. Seit jenem denkwürdigen Ausflug nach Kumo. Ha, das lässt diese alten Knochen wieder jung erscheinen!«
»Sie sind doch hoffentlich nicht aus der Übung, sensei«, neckte Jiraiya.
»Pah! Du wirst staunen, was für Tricks ich noch immer auf Lager habe!«
Ihnen zu lauschen, brachte in Tobirama angenehme Erinnerungen hoch an seine Zeit als Lehrer. Er hatte diese Rolle nie einnehmen wollen, genauso wenig, wie er jemals hatte Hokage werden wollen. Aber am Ende waren die Dinge immer anders gekommen, als er sich das vorgestellt hatte. Er hatte viele schöne Stunden mit seinen Schülern verbracht, hatte sie wachsen sehen und ihnen auf ihrem Weg geholfen. Er dachte gern an diese Zeit zurück.
Vierzig Jahre hatten viel verändert, sehr viel. Vielleicht war jedoch nicht alles im Fluss der Zeit verloren gegangen.
Sie legten ein straffes Tempo vor. Anfangs hatte sich Tobirama ein wenig gesorgt, dass Hiruzen vielleicht nicht mehr mithalten konnte, aber diese Sorge erwies sich schnell als unbegründet. Trotz seines Alters war Hiruzen noch immer fit.
Kakashi, Yuki und Kō ließen sich den ganzen Tag nicht blicken, Tobirama behielt sie jedoch mit seinen Sensorfähigkeiten im Blick. Erst gegen Abend kamen sie zurück, um zu berichten und sie zu einem geeigneten Rastplatz für die Nacht zu führen. Unweit von ihrer gegenwärtigen Position hatte Yuki eine kleine Lichtung mit einem Bach ausgemacht, wo sie nun ihr Lager ausbreiteten. Während sie ihr Bettzeug ausrollten, und Tsunade und Jiraiya Stöcke für ein Lagerfeuer sammelten, zog Ōkami ins Unterholz davon, um das Abendessen zu jagen. Es dauerte nicht lang, da kam sie mit zwei Hasen im Maul wieder. Das Blut an ihren Lefzen verriet, dass das wohl nicht ihre einzige Beute gewesen war und sie sich bereits ihren Teil gegönnt hatte.
»Und plötzlich vermisse ich Torifu«, scherzte Hiruzen, während er Tobirama half, die Hasen abzuziehen und auszunehmen.
Tobirama musste schmunzeln. »Wir hatten immer gut gegessen.«
Tsunade warf ihm einen kritischen Blick zu. »Vielleicht sollte ich dann besser diesen Teil übernehmen. Ich kenne deine Essensgewohnheiten, Onkel.«
»Eine dreiste Unterstellung!«, protestierte Tobirama. »Wir sind auf einer Mission, da ist es nicht immer möglich, ausgiebig zu essen. Wenn sich aber eine Möglichkeit ergibt, sollten wir sie auch nutzen.« Demonstrativ hielt er den Hasen hoch.
»Ich helfe wohl besser mal Tsunade, sonst war‘s das mit dem Abendessen«, kommentierte Kakashi. »Hab heute keine Lust auf Soldatenpillen.«
Nachdem Tobirama seinen Teil erledigt hatte und er Tsunade und Kakashi das Feld überlassen hatte, widmete er sich erneut der Karte, die Obito ihnen gezeichnet hatte. Sie zeigte mehrere der Verstecke, die Obito kannte. Niemand wusste, in welchem davon sich Orochimaru gerade aufhielt oder was genau sie dort erwarten würde, aber allein das war mehr als alles, was sie selbst hatten herausfinden können.
Trotzdem hatte Tobirama das Gefühl, dass da noch mehr dahinter steckte. Warum hatte Obito ihnen diese Karte gegeben? Kakashi hatte gemeint, dass Obito resigniert gewirkt hatte. Reumütig gar? Tobirama wurde nicht so recht schlau daraus und vertraute auf Kakashis Urteil. Er kannte Obito besser als Tobirama, vielleicht gar besser als alle anderen.
Madaras Plan, für die er die bijū benötigte. Die Macht des Rikudō. Es war alles so vage. Vielleicht sollte sich Tobirama fürs Erste einfach damit zufrieden geben, dass sie überhaupt diese Karte hatten. Es hatte sie endlich voran gebracht.
Sie brauchten mehrere Tage, um ihr Ziel zu erreichen. Auf dem Weg hatten sie diskutiert, ob sie sich aufteilen sollten, um die ihnen bekannten Verstecke schneller durchsuchen zu können, hatten sich dann aber dagegen entschieden. Sie wussten nicht, was sie dort unten erwarten würde, oder ob Orochimaru noch weitere Handlanger hatten. Gemeinsam würden sie sich besser verteidigen können.
Was allerdings Tobirama ausschloss.
»Also, Onkel, ich muss ehrlich sagen, ich bin sprachlos«, gestand Tsunade. »Du protestierst wirklich nicht, dass du hier oben auf uns warten wirst?«
Tobirama kniff die Augen zusammen. »Ob du es glaubst oder nicht, aber ich kann vernünftig sein. Ich weiß, dass ich derzeit nicht in der Verfassung für einen Kampf bin, ich wäre also nur eine Last.«
»Ich meine, ja, du hast Recht. Aber ... Du bist du, du jammerst immer.«
Was für eine dreiste Unterstellung von seiner Nichte! »Das stimmt überhaupt nicht!«
»Ich will ja nichts sagen, aber ...«, warf Kakashi von der Seite ein.
Tobirama schnaubte und sagte kein Wort mehr.
Das Versteck war unauffällig, der Zugang nichts weiter als ein ausgehöhlter Baumstumpf, in dem sie eine Falltür gefunden hatten. Sie hatten lange suchen müssen, selbst mit der Hilfe von Obitos Karte und den Anmerkungen darauf, bis sie fündig geworden waren. Ōkami schnüffelte am Boden herum und scharrte ein wenig Laub zur Seite. Mit einem missmutigen Brummen trottete sie zu Tobirama.
»Da passe ich nicht durch.«
Mit diesen Worten setzte sie sich neben ihn und die Sache war geklärt.
Ōkami mochte nicht hindurch passen, Tobiramas Wurfgefährten jedoch durchaus. Wenn er schon nicht selbst mitkommen konnte, so konnte er die Mission wenigstens auf diese Weise unterstützen.
»Passt auf euch auf«, sagte Tobirama noch einmal, nachdem er seine Wölfe beschworen und ihnen ihre Aufgabe erklärt hatte.
»Bin doch jetzt ein großes Mädchen, hast du selbst gesagt«, versicherte Tsunade ihm und ließ ihre Knöchel knacken. »Orochimaru verpasse ich schon die Abreibung, die er verdient hat.«
Jiraiya wich einige Schritte zurück.
Das Team prüfte ein letztes Mal ihre Ausrüstung, dann stiegen sie nacheinander in die Schlangengrube hinab.
Ōkami beobachtete sie, bis auch der letzte, Hiruzen, verschwunden war und die Falltür über sich wieder geschlossen hatte. »Und wir warten jetzt auf unseren kleinen Verfolger?«
Tobirama nickte. »Das tun wir.«
Weder ihm noch Ōkami war entgangen, dass sie seit ein paar Tagen nicht mehr allein waren. Ihr unbekannter Verfolger war gut, niemand sonst hatte ihn bemerkt, so perfekt verschmolz er mit dem sie umgebenden Wald. Allerdings besaß Tobirama ein untrügliches Gespür für Mokuton, er kannte dieses Chakra so gut wie kein anderes, war er doch immerhin damit aufgewachsen.
Ōkami verbarg sich im Unterholz und Tobirama suchte sich einen Posten auf einem der umstehenden Bäume, von wo aus er das Gebiet gut überschauen konnte. Er hatte eine Vermutung, wer sie da verfolgte. Es war nur eine Person, also war ihre Mission vermutlich, sie zu beobachten, nicht sie aufzuhalten. Das Chakra dieser Person war eindeutig Mokuton, zugegeben eine eigenwillige Erfahrung, eben dieses so vertraute Chakra wieder zu spüren. Gleichzeitig war es nicht völlig mit dem Hashiramas identisch. Es war schwächer und hatte zudem einen anderen Unterton.
Für Tobirama ließ das nur einen Schluss zu: Es musste jener Tenzō sein, den Kakashi erwähnt hatte.
Tobirama vertrieb sich die kommenden Stunden mit Meditation, während er darauf wartete, dass Tenzō endlich in die Falle tappte, die Ōkami und er ihm gestellt hatten. Sonderlich ausgefeilt war sie nicht, allerdings schien es Tobirama auch nicht, als ob jener junge Shinobi ihrer überhaupt gewahr war. Anscheinend hatte er damit gerechnet, dass sie alle das Versteck erkunden würden, statt einen Teil ihres Teams zurückzulassen.
Während er wartete, streckte er seine Sinne auch in Richtung des Verstecks aus. Er konnte kaum etwas erspüren, zu viele Siegel sperrten ihn aus. Gerade noch so konnte er Kakashi, Tsunade und die anderen ausmachen, aber auch sie entschwanden bald aus seiner Reichweite. Darüber hinaus konnte er nichts ausmachen. Dennoch wollte er lieber weiterhin ein Auge auf sie haben. Sollte etwas geschehen, konnte er einen Doppelgänger direkt zu Kakashi senden; der Junge war klug und trug noch immer Minatos Kunai bei sich. Hauptsächlich als Andenken, wie er sagte, aber es hatte auch seinen praktischen Nutzen.
Was erwartete sie dort unten? Nach dem, was sie aus Orochimarus Versteck in Konoha gelernt hatten, konnten es alle möglichen Abscheulichkeiten sein. Und hier musste er nicht darauf achten, dass er nicht bemerkt wurde. Das Versteck lag weit auf von der nächsten Siedlung inmitten des Waldes. Niemand hatte jemals einen Grund, um hier vorbeizukommen.
Ein gewisser Teil von Tobirama verstand Orochimaru. Er selbst hatte ein Labor ganz ähnlich dem hier, weit ab von allem, wo er all seine Geheimnisse weggeschlossen hatte.
Unter ihm trat Tenzō aus dem Gebüsch.
Der Junge war sogar noch jünger, als Tobirama erwartet hatte, kaum mehr als ein Kind. Er nahm sich seine Zeit, Tenzō zu beobachten.
Tenzō lugte vorsichtig aus dem Gebüsch heraus, in dem er sich verbarg. Das Laub raschelte kaum, als er sich bewegte. Mokuton, eindeutig, und anders als die Berichte aus Kumo andeuteten, war er augenscheinlich in der Lage, es zu kontrollieren. Hashirama hatte sein Mokuton immer als eine wilde Kraft der Natur bezeichnet, die er nur deswegen in gezähmte Bahnen lenken konnte, weil diese Kraft schon immer ein Teil von ihm gewesen war. Natürlich hatten sie darüber gesprochen, was wäre, wenn jemand anderes diese Kraft erlangen würde, und Hashirama hatte immer angezweifelt, dass es irgendwem gelängen könnte, diese Kraft zu bändigen, wenn er nicht damit geboren wäre.
Tobirama wusste nicht, wie es dazu hatte kommen können, aber augenscheinlich war das bei Tenzō der Fall. Hatte Hashirama doch Nachkommen, von denen niemand etwas wusste? Tobirama wusste nicht, was er davon halten sollte.
Nun, Tenzō hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Hashirama, als dieser in etwa im selben Alter wie dieser Junge gewesen war. Sie hatten dasselbe braune, glatte Haar und Tobirama meinte auch gewisse Gesichtszüge wiederzuerkennen. Aber vielleicht sah er auch nur Ähnlichkeiten, weil er sie sehen wollte.
Wie dem auch sei, vom reinen Beobachten erhielt er kaum Antworten. Er warf ein Kunai neben den Jungen und teleportierte sich augenblicklich dorthin. Noch in derselben Bewegung heftete er ein Siegel zur Chakraunterdrückung an den Jungen, und bevor Tenzō auch nur daran denken konnte, es wieder zu entfernen, hatte Tobirama ihm die Hände gebunden. Er hatte keine Lust, Tenzōs Mokuton schon jetzt zu testen.
Gemächlich trottete Ōkami aus ihrem Versteck, um Tenzō zu beschnüffeln. Erwartungsgemäß wehrte sich Tenzō oder versuchte es jedenfalls, doch seine Gegenwehr fiel schwach aus; er war zu überrumpelt. Schließlich tat er das einzig sinnvolle: Er ließ sich zu Boden fallen und erwartete schicksalsergeben, was Tobirama für ihn im Sinne hatte.
»Kluge Entscheidung«, lobte Tobirama ihn.
Ōkami schnaubte und zerzauste Tenzōs Haar. »Welpe, er riecht wirklich wie Hashi-chan.«
»Ja, wie eigenartig, nicht wahr.« Tobirama ging vor Tenzō in die Hocke. »Du weißt, in welcher Situation du dich befindest und wer wir sind?«
Tenzō machte zunächst ein trotziges Gesicht und presste die Lippen aufeinander. Sein Blick huschte zu Ōkami und er zog den Kopf ein. Dabei gab sie sich noch nicht einmal Mühe, sonderlich bedrohlich zu wirken. In erster Linie war sie ebenso neugierig wie Tobirama. Schlussendlich nickte Tenzō kleinlaut.
»Ja«, piepste er.
»Dann wirst du sicherlich verstehen, weshalb ich ein besonderes Interesse daran hege zu erfahren, wie du an das kekkei genkai meines Bruders gekommen bist. Bist du damit geboren worden?«
»Ich ...«, setzte Tenzō an. Dann schüttelte er trotzig den Kopf. »Ich sage nichts!«
»Nun, ich habe Zeit«, sagte Tobirama. »Aber ich möchte dich daran erinnern, wie leicht ich dich überwältigen konnte, und dich darauf hinweisen, dass ich dich markiert habe. Selbst wenn du fliehen solltest, kann ich dich einfach wieder einfangen.«
Tenzō antwortete mit trotzigem Schweigen.
Tobirama unterdrückte ein Seufzen. Wenn die Pubertät einsetzte, waren sie immer am schwierigsten. Er ermahnte sich zur Geduld.
»Wie wäre es, wenn wir einen Handel daraus machen?«, schlug er vor. »Ich habe anija viele Jahre dabei geholfen, sein kekkei genkai zu verfeinern. Auch wenn ich es selbst nicht besitze, weiß ich wahrscheinlich mehr darüber als jeder andere, dem du jemals begegnen wirst. Ich kann dir helfen, es zu meistern. Im Gegensatz beantwortest du mir meine Fragen. Wie klingt das?«
Etwas blitzte in Tenzōs großen, dunklen Augen auf. Ein Licht, Hoffnungen und Wünsche, denen er sich nie erlaubt hatte nachzugehen. Ja, das konnte funktionieren.
Dann verschloss er sich wieder. »Das wäre Verrat.«
»An wem? Danzō?«
Erstaunt sah Tenzō ihn an. »Woher ...?«
Tobirama stellte eine Vermutung an und zufälligerweise saß derjenige, der ihm diese Vermutung bestätigen konnte, gerade vor ihm. »Danzō war es, der dir Mokuton gab, nicht wahr? Du arbeitest noch immer für ihn, obwohl ich ihm vor über einem Jahr die Ne wegnahm und auflöste. Du hast uns in seinem Auftrag nachspioniert. Es war klug von ihm, dich zu wählen, kaum jemand hätte dich jemals aufspüren können. Aber Danzō weiß nicht, dass ich anijas Chakra unter allen Umständen erkenne.«
Tenzō musterte ihn eine ganze Weile ausgiebig. Etwas schien in ihm zu ringen. Seine Treue zu Danzō gegen sein Begehren, mehr über Mokuton zu erfahren vielleicht?
Am Ende dieses Kampfes jedoch blickte er betrübt zu Boden. »Ich könnte sowieso nichts sagen, selbst wenn ich will.«
Tobirama nickte verstehend. »Das Siegel, das Danzō dir gab. Ich kann es lösen. Kommen wir dann ins Geschäft?«
»Wirklich?«, platzte es aus Tenzō heraus, vermutlich schneller und intuitiver, als es ihm lieb gewesen wäre. Hastig versuchte er, seine Begeisterung wieder hinter einer ausdruckslosen Maske zu verbergen.
»Wirklich. Mach den Mund auf und zeig mir deine Zunge.«
Tenzō tat brav, was Tobirama ihm sagte. Tobirama ging sogar so weit, Tenzōs Handfesseln wieder zu lösen, und der Junge blieb brav sitzen. Ōkami hatte sich derweil neben sie gebettet und beobachtete ruhig, was hier geschah.
Tobirama benötigte eine kleine Weile, um das Siegel zu lösen und ließ Tenzō immer wieder Pausen machen, da es unangenehm für den Jungen wäre, so lang den Mund offen zu halten. Er gab ihm sogar von seinem eigenen Wasser zu trinken. Danzō würde wissen, dass das Siegel gelöst worden war, aber das war es Tobirama wert. Tenzō wäre weitaus wertvoller für ihn, wenn er frei reden konnte, und ganz offensichtlich war er dazu bereit.
Tobirama versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln, als er das Siegel gelöst hatte. »Keine Spur mehr von dem Siegel. Du kannst nun frei reden.«
Tenzō sah ihn mit großen Augen an. »Wirklich? Dann ... Äh ... Danzō-sama hat die Ne nie aufgelöst. Oh! Tatsächlich! Ich kann das einfach so sagen! Cool!«
Dann schlug er sich die Hände vor den Mund, die Augen noch weiter aufgerissen. Schockiert starrte er Tobirama an.
»Es ist alles gut, dir wird nichts passieren, das verspreche ich dir«, versicherte Tobirama ihm. »Hast du Angst vor Danzō?«
Zaghaft nickte Tenzō, dann zuckte er mit den Schultern. »Er ... gab mir einen Namen, ein Leben, einen Sinn. Ich wäre nichts ohne ihn. Aber ... Ich will auch etwas von der Welt sehen, mehr lernen über die Fähigkeiten, die er mir gab. Er weiß so wenig darüber, aber ich weiß einfach, dass da noch mehr ist.«
»Kennst du das Hokage-Shiki Jijun Jutsu?«
Zaghaft schüttelte Tenzō den Kopf. »Was ist das?«
»Jenes Jutsu, das Hashiramas Mokuton so außergewöhnlich machte«, sagte Tobirama. »Mit diesem Jutsu konnte er sogar bijū kontrollieren.«
Und gerade das brauchte Konoha jetzt dringender denn je, je schwächer Minatos Kontrolle über Kyūbi wurde.
Tenzō brachte vor Staunen kein Wort heraus.
»Ich kann es dir beibringen«, fuhr Tobirama fort. »Ich habe all unsere Unterlagen über anijas kekkei genkai bei mir daheim. Du musst nur mit mir kommen. Um Danzō mach dir keine Sorgen, er wird dir keine Gefahr sein. Sag mir lediglich, wo ich ihn finde.«
Nächstes Kapitel: Sie stellen Orochimaru
Kapitel 23: Im Bauch der Schlange
Kakashi hasste es hier unten. Die Gänge waren endlos und dunkel und schienen ihn erdrücken zu wollen. Fackeln waren nur spärlich verteilt und allein dank seines Sharingan konnte Kakashi im spärlichen Licht besser sehen. Tsunade schien es ebenso zu ergehen, denn selbst sie hatte ihr Sharingan aktiviert. Es war noch immer seltsam, sie damit zu sehen, und irgendwie befasste sich Kakashi gerade lieber damit als mit dem Gedanken, an welchem Ort er sich hier befand.
Sie hielten sich dicht beieinander, um in der Gruppe einander besseren Schutz bieten zu können, da niemand genau wusste, was sie hier unten erwartete. Tobiramas Wölfe liefen voran, da sie von ihnen allen die besten Sinne hatten und somit eventuelle Fallen weitaus besser erkennen konnten. Kakashi hielt sich nahe bei Tsunade, irgendwie fühlte er sich damit wohler.
Sarutobi führte die Gruppe an. Seit sie Tobirama an der Oberfläche zurückgelassen hatten, herrschte ein unausgesprochener Konsens unter ihnen, dass diese Aufgabe ihm als den ältesten und erfahrensten von ihnen zufiel. Jiraiya bildete die Nachhut und Kō und Yuki schützten ihre Flanken.
Einer der Wölfe schlug an und sogleich folgten ihm die anderen drei.
»Was ist? Was habt ihr?«, fragte Tsunade mit gedämpfter Stimme.
Sie alle hielten inne und beobachteten, was die Wölfe taten.
»Wir wittern etwas«, sagte einer von ihnen, der mit dem halben Ohr. »Keine Ahnung, was genau, aber irgendwo vor uns ist etwas.«
»Dann lasst uns nachsehen, was«, drängte Jiraiya.
Kakashi teilte seinen Enthusiasmus nicht. Seit wann war er so klaustrophobisch? Oder lag es an diesem Ort? Sie waren bereits durch schier endlose Gänge gewandert, die sich mal in die eine, dann in die andere Richtung wandten. Nichts schien hier einer klaren Ordnung zu folgen und es fiel Kakashi schwer, seine Orientierung zu behalten. Wahrscheinlich war genau das beabsichtig.
Sarutobi gab das Zeichen zum Vorrücken, und sie folgten ihm, wie er den Wölfen folgte. Gespenstisch hallten ihre Schritte von den Wänden wider und verloren sich im endlosen Nichts, das vor und hinter ihnen zu liegen schien.
»Du willst wirklich diese Augen einsetzen?« Jiraiya war zu Tsunade aufgeschlossen und somit konnte auch Kakashi seine gewisperten Worte hören.
»Ja.«
»Ausgerechnet jetzt. Du hast dich doch sonst immer verweigert.«
»Ich weiß, aber ...« Tsunade zögerte. »Nenn es Instinkt, aber etwas sagt mir, dass wir es brauchen werden.«
»Hast du überhaupt eine Ahnung, wie du das anstellst? Du hast dich doch immer geweigert, dich mit deinen Fähigkeiten auseinanderzusetzen.«
Ausnahmsweise einmal stellte Jiraiya gute Fragen. Kakashi hatte lang gebraucht, um die Fähigkeiten seines Auges zu erlernen und zu meistern. Allerdings war Tsunade anders als er mit diesem kekkei genkai geboren.
Tsunade zuckte mit den Schultern. »Instinkt. Ich glaube, wenn es so weit ist, werde ich schon wissen, was ich tun muss. In diesen Augen liegt mehr Kraft, als die meisten wissen.«
»Ich bin sicher, du wirst es schaffen, Tsunade«, versicherte Sarutobi.
Tsunades Mundwinkel zuckten. Dann rang sie sich doch ein leichtes Lächeln ab. »Danke ... sensei.«
Alsbald fanden sie, was die Wölfe gewittert hatten: Räume. Es war das erste Mal, dass sie in diesen langen Tunneln auf Hinweise von menschlichem Leben stießen, und entsprechend vorsichtig gingen sie vor. Die drei Anbu sicherten die Tür, dann stürmte Sarutobi den Raum, dicht gefolgt von Jiraiya und Tsunade. Entgegen ihren Erwartungen fanden sie jedoch niemanden vor.
»Das scheint mir eine Art Archiv zu sein«, kommentierte Jiraiya.
Kakashi warf ebenfalls einen Blick in den Raum und erblickte mehrere Regale, die bis obenhin mit Büchern und Schriftrollen und Ordnern voller Zettel vollgestopft waren. In einer Ecke stand ein Schreibtisch, der ebenfalls vollgestellt war mit Notizen.
Sarutobi hob eine davon an und besah sie sich. »Ja, das ist eindeutig Orochimarus Handschrift.«
Tsunade hatte bereits damit begonnen, den Inhalt der Regale zu sichten. Sie blätterte durch einige der Bücher, bis sie anscheinend etwas gefunden hatte, das ihr Interesse weckte. Sie keuchte auf. Dann machte sie ein verärgertes Gesicht.
»Das sind Forschungen zu Opas Mokuton, Details, von denen ich sicher bin, dass sie nie die Archive meiner Familie verlassen haben«, sagte sie und hielt das Buch Sarutobi entgegen, als wäre er irgendwie dafür verantwortlich. Und wahrscheinlich war er es auch.
Sarutobi las sich durch, was Tsunade ihm zeigen wollte. »So scheint es. Er muss selbst dahintergekommen sein, als er die Forschungen fortsetzte, die ich verboten hatte.«
»Das ist gefährlich!«, sagte Tsunade mit Nachdruck. »Wir wissen alle, dass dabei schon Menschen ums Leben gekommen sind. Und hier, hier sind Verweise auf ein Jutsu meines Onkels, in dem es um ... die Wiedererweckung von Toten geht?! Ach du meine Güte!«
»Edo Tensei«, warf Kakashi ein. »Er hat mir davon erzählt, weil er schon vor langem befürchtet hat, dass irgendwer seine Aufzeichnungen dazu gestohlen haben könnte. Und Mito-hime hatte dasselbe befürchtet.«
»Oma hatte da auch ihre Finger im Spiel?«, fragte Tsunade irritiert. »Na, wundert mich eigentlich nicht. Sie hatte genauso einen irren Forscherdrang wie Tobi-oji, nur mit etwas mehr Moral.«
»Aber wie kann Orochimaru dieses Wissen gestohlen haben?«, wunderte sich Sarutobi. »Er ist nicht stark genug, um Nidaime-samas Schutzsiegel zu überwinden. Aber wer weiß, was für Wissen er sich heimlich in all den Jahren angeeignet hatte.«
»Er hatte wahrscheinlich Hilfe von Danzō«, sagte Kakashi. »Das vermutet jedenfalls Tobirama.«
»Also weiß er auch nicht genau, wie ihm das hatte abhanden kommen können?«, hakte Tsunade nach. »Sieht ihm eigentlich nicht ähnlich, bei so etwas nachlässig zu sein.«
»Was allein den Schluss zulässt, dass unser Gegner sehr genau Bescheid weiß«, fügte Sarutobi hinzu.
»Mir gefällt es nicht, von Orochimaru als unseren Gegner zu denken«, grummelte Jiraiya. »Gleichzeitig wundert es mich nicht, dass sowas sein Interesse weckt. Das ist doch ganz nach seinem Geschmack. Wo ist er nur falsch abgebogen?«
»Jiraiya, lass dich nicht von deinen Gefühlen ablenken«, sagte Sarutobi. »Das ist für uns alle schwer, und doch haben wir eine Mission auszuführen.«
»Wir sollen ihn unschädlich machen, tot oder lebend«, betonte Jiraiya. »Minato hat uns beide Optionen offengelassen. Ich glaube fest daran, dass wir Orochimaru noch irgendwie umstimmen können. Dass er wieder Vernunft annimmt. Er ist nicht durch und durch böse.«
»Aber tot ist auch eine Option, Minato war da sehr deutlich«, fügte Kakashi an. Ein harter Ton lag in seiner Stimme. Jiraiya sollte bloß nicht auf die Idee kommen, er könne mit Orochimaru auf die gute alte Zeit anstoßen.
»Auf die eine oder andere Weise müssen wir dem hier ein Ende setzen«, setzte Sarutobi das Schlusswort. »Kommt jetzt, wir müssen weiter.«
Sie setzten ihren Weg fort und fanden weitere Räumlichkeiten, die alle verschiedene Funktionen auszufüllen schienen. Viele waren weitere Lagerräume und Archive, andere schienen Arbeitsbereiche zu sein. Sie untersuchten einige davon, schreckten aber schnell vor dem zurück, was sie vorfanden. Es war grausig. Auch einige Wohnbereiche fanden sie vor, diese schienen jedoch nicht bewohnt zu sein, da sie keinerlei Spuren von Benutzung fanden.
Wozu brauchte Orochimaru so viel Platz und nutzte ihn dann nicht? Oder übersahen sie etwas?
Mit einem Male veränderte sich etwas in der Haltung der Wölfe. Ihr Fell sträubte sich und sie legten die Ohren an.
»Wir sind nicht mehr allein«, knurrte Halbohr. »Saru, vor uns ist etwas.«
»Verstanden«, bestätigte Sarutobi. »Kannst du Details ausmachen?«
Halbohr nahm Witterung auf. »Menschen, drei an der Zahl. Aber noch etwas liegt in der Luft. Gefahr. Ein Räuber wie ich.«
»Wäre ja zu einfach, wenn Orochimaru allein wäre und ganz brav mit uns käme, wenn wir ihn nur lieb und nett darum bitten würden«, kommentierte Tsunade.
»Wenn es denn Orochimaru ist«, gab Jiraiya zu bedenken. »Wir können mit Sicherheit sagen, dass das hier sein Versteck ist, aber noch wissen wir nicht, ob er sich hier auch aufhält.«
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.« Mit diesen Worten schritt Sarutobi voran.
Schon bald sahen sie sich einer großen, zweiflügeligen Tür gegenüber, die mit Schlangenornamenten verziert war. Fackeln brannten zu beiden Seiten der Tür, die tanzenden Schatten ließen es wirken, als würden die Schlangen sich wirklich bewegen.
Tsunade rollte mit den Schultern und ließ die Knöchel knacken. »Na, dann wollen wir mal.«
Ohne lange zu fackeln, trat sie die Tür ein. Subtilität war noch nie ihre Stärke gewesen. Die Türflügel flogen krachend nach innen auf, klatschten gegen die Wand und hingen schief in ihren Angeln.
Vor ihnen tat sich eine weite Kaverne aus, deren Tiefen sich in den Schatten verloren. Etliche Säulen stützten die Decke, die mehrere Mannshöhen über ihnen aufragte. Dies schein keine natürliche Höhle zu sein, sondern eine künstlich geschaffene. Zu welchem Zweck jedoch verschloss sich Kakashi.
»Ah, Sarutobi. Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Und wie ich sehe, haben Sie sogar unser altes Team hier versammelt.«
Kakashi zuckte zusammen, als er mit einem Male Orochimarus Stimme vernahm. Er konnte nicht genau ausmachen, aus welcher Richtung sie kam. Er zückte ein Kunai und versuchte, mit seinem Sharingan die Dunkelheit zu durchdringen. Die Wölfe knurrten und bellten und drängten nach vorn, begierig darauf, sich auf den Feind zu stürzen und sein Blut zu kosten.
Auf ein unsichtbares Zeichen hin flammten weitere Fackeln auf, die die Kaverne in ein diffuses, unstetes Licht tauchten und die Dunkelheit vertrieben. Das Licht enthüllte in etwa dreißig Schritt Entfernung etwas, das auf Kakashi wie ein Altar wirkte, dessen Zweck er jedoch nicht erschließen konnte. Wichtig war vor allem, dass dort Orochimaru auf sie wartete. Und er war nicht allein.
An seiner Seite standen zwei weitere Personen, junge Männer wie Kakashi. Einer trug unauffällige Straßenkleidung und eine runde Brille. Der andere war in ein weißes Gewand gehüllt, das seinen Körper locker umhüllte. Wenn sie Handlanger Orochimarus waren, wonach es hier aussah, dann besaßen sie mit Sicherheit irgendeine besondere Gabe. Kakashi erinnerte sich noch zu gut an den letzten Kampf gegen Orochimaru.
»Wo sind die anderen?«, verlangte Jiraiya zu wissen.
»Welche anderen? Oh, meinst du die drei, die mich das letzte Mal begleitet hatten?« Orochimaru zuckte mit den Schultern. »Tot. Mit Bedauern muss ich euch mitteilen, dass Nidaime-sama sie getötet hat, und er wollte mir leider auch nicht verraten, wie sein Edo Tensei funktioniert. Schade, hätte nützlich sein können.«
»Du willst uns also weis machen, dass du hier allein bist?«, konterte Tsunade. »All diese Tunnel und Räume und sie sind alle leer?«
»Früher an später denken«, war Orochimarus Antwort. »Ich hab da so ein paar Ideen, aber etwas sagt mir, dass ihr nicht gekommen seid, um mit mir darüber zu plaudern.«
»Ganz recht«, bestätigte Sarutobi ihm. »Orochimaru, du bist verhaftet. Auf Befehl des Hokage wirst du von uns ins Dorf zurückgebracht, wo über dich und deine Verbrechen geurteilt werden wird.«
Orochimarus Handlanger regten sich und machten sich bereit, um Orochimaru zu verteidigen, aber er hielt sie zurück. »Kabuto, Kimimaro, entspannt euch. Und was Sie angeht, sensei, muss ich Sie leider enttäuschen. Ich werde mich nicht Minatos Launen beugen. Oder war das Tobiramas Befehl? Angeblich ist das dieser Tage ja gar nicht mehr so klar.«
Jiraiya gab einen zornigen Laut von sich. »Halt bloß die Klappe, Orochimaru! Minato lässt dir die Chance, aus der ganzen Sache lebend herauszukommen, also nutze sie auch! Ich weiß, dass du kein schlechter Kerl bist, auch wenn du dir alle Mühe gibst, die Welt immer und immer wieder vom Gegenteil zu überzeugen. Ja, du hast eine Menge Scheiße gebaut und bist oftmals über die Stränge geschlagen. Aber ich glaube an dich und ich glaube fest daran, dass Menschen sich ändern können.«
Orochimaru kommentierte Jiraiyas Worte mit einem breiten Grinsen. »Jiraiya, du warst schon immer ein hoffnungslos optimistischer Narr. Du bist zu gut für diese Welt, dass ich mich schon frage, wie du überhaupt so lange hast überleben können. Ist ja alles schön und gut, was du da sagst, vielleicht mag das auch stimmen. Aber um ehrlich zu sein, spüre ich nicht im Geringsten das Bedürfnis, irgendetwas zu ändern. Ich mag, was ich tue, und zu deinem Leidwesen steht mir überhaupt nicht der Sinn danach, daran irgendetwas zu ändern.«
»Das letzte Mal konnte ich dich nicht selbst vermöbeln«, knurrte Tsunade. »Aber dieses Mal schon und ich verspreche dir, ich werde alles geben. Vielleicht lässt sich ja doch noch Vernunft in dich hineinprügeln. Na los, komm schon!«
Mit diesen Worten stürmte sie voran.
»Yuki, Kō, nehmt euch diesem Kabuto an«, befahl Sarutobi. »Jiraiya, mir nach, wir beschäftigen den anderen, Kimimaro. Kakashi, unterstütze Tsunade.«
Kakashi verstand sofort, was Sarutobis Plan war. »Verstanden. Team, los geht's!«
Er stürmte Tsunade nach und vertraute darauf, dass Yuki und Kō auch ohne ihn klarkamen. Sarutobi hatte gut entschieden, dass er Yuki und Jiraiya aus dem direkten Kampf mit Orochimaru vorerst heraushielt. Das gab auch Tsunade und ihm die Möglichkeit, ihr jeweiliges Sharingan voll einzusetzen, ohne auf Mitstreiter achten zu müssen.
Mit Tsunade passierte etwas Sonderbares. Sie begann zu flackern, und mit jedem Flackern schien sie ein Stück nach vorn zu springen. Auf diese Weise erreichte sie Orochimaru weitaus schneller, als Kakashi jemals hätte rennen können. Auch Orochimaru schien verwirrt, und noch bevor er so wirklich zu verstehen schien, was passierte, war Tsunade auch schon an ihn heran und hämmerte ihn mit einem gewaltigen Schlag in die Wand hinter ihm.
Staub wirbelte auf. Gestein bröckelte. Risse zogen sich durch die Wand, strahlenförmig von der Stelle ausgehend, wo Orochimaru wie ein Geschoss eingeschlagen war.
Orochimaru lachte. »Autsch.«
»Noch kannst du‘s dir überlegen«, knurrte Tsunade. Ihre Zöpfe wehten. »Das war lediglich ein Vorgeschmack.«
Taumelnd kam Orochimaru wieder auf die Beine. Sein Körper schien seltsam deformiert, wahrscheinlich von etlichen Knochenbrüchen. Aber das hatte ihn schon vorher nicht aufgehalten. Er grinste noch immer breit.
»Ausgerechnet hier und jetzt?«, wunderte er sich. »Jetzt ist der Moment, wo du dein Erbe anerkennst, das du all die Jahre verleugnet hast? Im Kampf gegen mich?«
»Oh ja«, knurrte Tsunade eisig. Aus ihren Augen schien ihr Mangekyō. »Und es macht mich wütend, dass du mich dazu zwingst.«
Orochimaru lachte auf. »Na, das wird ja unterhaltsam.«
Ohne Vorwarnung riss er seinen Arm nach oben und Schlangen schossen aus seinem Ärmel. Doch dieses Mal war Kakashi schneller. Chidori zwitscherte und trennte die Schlangen ab, als er heranstürmte. Der Kampf begann.
»Los, Kakashi!«, rief Tsunade ihm zu. »Gemeinsam!«
Orochimarus Kopf schoss nach vorn, auf einem Hals, der immer länger wurde. Sein Mund war weit aufgerissen uns heraus kam eine Schlange, aus dessen Maul ein Schwert herausschoss.
»Kakashi, pass auf!«, rief Tsunade. »Das ist das Kusanagi!«
Kakashi hatte davon gehört. Eine legendäre Klinge, die angeblich alles zu durchdringen vermochte. Normale Waffen wären dagegen nutzlos.
Orochimaru hatte auf Tsunade gezielt, doch sie konnte in letzter Sekunde ausweichen. Kakashi nutzte seine Chance und griff seinerseits an, Kunai in der Hand. Orochimaru zog seinen Kopf wieder ein und ging dazu über, das Kusanagi auf die herkömmliche Art und Weise mit seiner Hand zu schwingen.
Womit Kakashi nicht gerechnet hatte, war der Umstand, dass das Kusanagi anscheinend nach Belieben seine Länge verändern konnte. Hilflos hob er sein Kunai, um die Klinge abzulenken, und wusste noch im selben Augenblick, dass es nichts bringen würde.
Die Welt stand still.
Nicht einmal eine Handbreit vor seinem Gesicht war das Kusanagi zum Stillstand gekommen. Sein Kunai war ihm in der Hand gesplittert und die Metallteile hingen reglos in der Luft, wo sie abgesplittert waren. Er spürte den Schmerz in seinem Arm, den der Schock des Aufpralls verursacht hatte, aber nichts regte sich mehr um ihn herum.
Nein, das stimmte nicht ganz. Ganz langsam flogen die Metallteile davon und das Kusanagi näherte sich ihm noch immer. Alles bis auf ihn jedoch bewegte sich mit einem Male ungleich langsamer.
Er rappelte sich wieder auf und stürzte zur Seite in Richtung Tsunade. Plötzlich bewegte sich alles wieder mit normaler Geschwindigkeit. Kakashi warf die Reste seines zerstörten Kunai davon. Hinter ihm zerschnitt das Kusanagi nichts als Luft.
»Was zum ...!«, rief Orochimaru empört auf.
»Kakashi, zu mir!«, befahl Tsunade.
In dem Moment, indem Kakashi sie erreichte, erschien erneut dieses sonderbare Zeitphänomen, und da begriff Kakashi zumindest eines.
»Du bist das!«, stellte er fest. »Das ist deine Mangekyō-Fähigkeit.«
Tsunade nickte. »Ja, ich kann Zeitblasen erschaffen, in denen die Zeit langsamer oder schneller vergeht. Jede Blase hält jedoch nur wenige Augenblicke, und je länger ich sie aufrechterhalte, umso mehr Chakra verbrauche ich.«
»Dann trödeln wir besser nicht, und machen gleich weiter«, schlussfolgerte Kakashi. Jetzt, da er Bescheid wusste, konnte er sich darauf einstellen.
»Wir müssen Orochimaru töten.« Tsunades Stimme klang fest, als sie dies sagte. »Ein bisschen hatte ich gehofft, dass Jiraiya Recht behalten könnte, aber Orochimaru hat offensichtlich kein Einsehen. Wie es jetzt steht, ist er nicht nur eine Gefahr für unsere Familie, sondern für das ganze Dorf.«
»Und das dürfen wir nicht zulassen.« Chidori zwitscherte bereits, als Kakashi dies sagte.
Tsunade nickte. »Gut so. Im Rudel sind Wölfe am stärksten. Los jetzt!«
Sie ließ die Blase fallen. Kakashi hatte diesen kurzen Moment genutzt, um sich einen Überblick über das Schlachtfeld zu verschaffen. Yuki und Kō hatten Kabuto in einen Kampf verwickelt, der sie beide gut auf Trapp zu halten schien. Wie es aussah, benutzte Kabuto medizinisches Ninjutsu zum Kämpfen, was für Kakashi daraufhin deutete, dass Kabuto äußerst versiert auf diesem Gebiet sein musste. Währenddessen hatten auch Jiraiya und Sarutobi ihren Gegner in die Mangel genommen und ... waren das Knochen, aus denen Kimimaro seine Waffen formte? Was auch immer es war, die beiden würden schon damit fertig werden. Und auch Tobiramas Wölfe hatten sich in den Kampf geworfen und waren Tsunade und Kakashi gefolgt.
Genau in dem Moment, in dem Tsunade ihre Zeitblase fallen ließ, sprangen sie Orochimaru an, bereit ihn in Fetzen zu reißen. Ein Wolf jaulte auf, der Geruch von Blut lag in der Luft. Dann löste er sich auf und verschwand. Orochimaru hatte ihn mit dem Kusanagi erwischt, aber noch waren da noch immer die anderen Wölfe.
»Ah, verdammtes Viehzeug!«, knurrte Orochimaru und fuchtelte mit seinem Schwert, um sich die Wölfe vom Leib zu halten. »Aus euch mach ich mir einen Bettvorleger!«
Tsunade schob einen Ärmel nach oben. »Niemand spricht so von den Wölfen von Konoha! Dir muss ich wohl auch noch Manieren einprügeln, Orochimaru.«
Mit diesen Worten stürmte sie voran. Sie holte mit der Faust aus und schlug zu. Der Boden splitterte. Im letzten Augenblick konnte Orochimaru zur Seite springen, aber da war schon Kakashi heran und schlug mit seinem Chidori nach ihm. Orochimarus Augen weiteten sich. Sein Leib streckte sich unnatürlich. Gänzlich konnte er damit Kakashis Schlag jedoch nicht ausweichen. Kakashi schnitt ein blutiges Stück aus seiner Flanke. Gezielt hatte er auf Orochimarus Herz.
Orochimaru ging auf Distanz und lotete die Lage aus. So langsam verging ihm doch das Grinsen. Die Wölfe umzingelte ihn, um ihn den Flugweg zu nehmen.
»Na, überlegst du jetzt, ob du es riskieren kannst, Manda zu rufen?«, sagte Tsunade. »Er wird sicher nicht erfreut sein, sich hier reinquetschen zu müssen.«
»Lass uns das lieber schnell beenden, bevor er noch auf irgendwelche dummen Ideen kommt«, sagte Kakashi leise zu Tsunade, sodass nur sie ihn hören konnte. Minato hatte zwar ausdrücklich gesagt, dass Orochimaru lebend zu stellen auch eine Option war, aber Kakashi war die Variante tot deutlich lieber. Orochimaru war zu unheimlich und unberechenbar.
»Na gut«, stimmte Tsunade zu. »Kein Grund das Unvermeidliche noch hinauszuzögern. Mach dich bereit.«
»Verstanden.«
Er konnte spüren, wie sie das Chakra in ihrem Mangekyō lud. Er stürmte los. Orochimaru wollte ausweichen, aber da erwischte ihn Tsunades Zeitblase. Wie es aussah, hatte sie ihn nicht vollständig darin gefangen, nur seinen linken Arm und sein linkes Bein, welche Orochimaru mit einem Male nur noch unfassbar langsam bewegen konnte. Das bewirkte, dass er vorerst nicht von der Stelle kam und damit festsaß. Er konnte Kakashi nicht ausweichen.
Raikiri schnitt durch Orochimaru wie durch Luft. Blut befleckte den Steinboden unter ihm. Orochimaru keuchte auf.
»Tsunade ... du ...« Er spuckte Blut. »Verdammt, damit hab ich wirklich nicht gerechnet.«
Kakashi bemerkte, dass der Anblick des Blutes Tsunade erbleichen ließ, aber noch konnte sie ihre Angst beherrschen. Er musste zusehen, dass Orochimaru das nicht gegen sie verwenden würde. Mit Sicherheit wusste er um Tsunades Phobie und garantiert hatte er geplant, es gegen sie einzusetzen.
Kakashi zog seinen Arm aus Orochimarus Brustkorb. Orochimaru sank vor ihm auf die Knie, die Zeitblase hatte sich aufgelöst. War der Typ endlich tot? Kakashi hatte genau gezielt und getroffen, er hatte Orochimarus Herz durchbohrt.
Orochimaru lachte. Es war ein schreckliches Lachen, durchbrochen von einem keuchenden Husten, der noch mehr Blut auf den Boden beförderte.
»Muss ich‘s also wirklich tun, ja?«, keuchte er. »Aber na gut. Wenn du, Tsunade, dich schon zu deinem wahren Ich bekennst, werde ich es auch tun.«
»Was soll das heißen?«, rief Tsunade. »Gib doch endlich auf! Wenn du weitermachst, stirbst du. Noch kann ich dich heilen, noch hast du eine Chance, dass wir vielleicht doch wieder ein Team werden. So wie früher, weißt du noch.«
So ganz konnte wohl auch sie nicht loslassen.
»Manche Dinge sind unwiederbringlich verloren, Tsunade. Lass die Vergangenheit los«, sagte Orochimaru erstaunlich gefasst.
Und dann ragte da auf einmal eine riesige weiße Schlange vor Kakashi auf, wo gerade eben noch Orochimaru gewesen war. Das Gesicht der Schlange hatte unangenehm menschliche Züge und diese Züge ähnelten erschreckend Orochimaru.
»Kakashi, pass auf! Komm da weg!«, rief Tsunade. »Ich kann in seinem Chakra Gift erkennen!«
Kakashi sprang in dem Moment zur Seite, wo die Schlange sich auf ihn stürzte. Der Boden erzitterte. Schlitternd kam Kakashi neben Tsunade zum Stillstand.
»Was ist das?!«, fragte er angeekelt.
»Ich ... ich glaube, das ist Orochimaru«, stammelte Tsunade. »Er hat seinen Körper so sehr verändert, dass er all diese Angriffe überstehen konnte, die ihn längst hätten töten sollen.«
Die Schlange stürzte sich fauchend auf sie und sie sprangen auseinander. Eine Flüssigkeit schoss aus dem Maul des Biests, und wo diese Flüssigkeit auf den Boden auftrat, begann es zu zischen. Kakashi sah zu, dass er auf gar keinen Fall davon getroffen wurde.
Mehr durch Zufall als alles andere sah er etwas auf dem Boden glitzern. Das Kusanagi! Ohne groß zu überlegen sprintete er los.
Die Orochimaru-Schlange hatte es ebenfalls bemerkt. Mit einer bemerkenswerten Wendigkeit warf sie ihren gewaltigen Körper herum und stürzte ebenfalls auf das Schwert zu. Kakashi rannte so schnell er nur konnte.
Seine Finger schlossen sich um das Heft. Das Maul der Schlange ragte über ihm auf. Raikiri zuckte die Klinge entlang. Er stieß sie nach oben. Alles wurde dunkel.
Es brauchte einen Moment, bis er verstand, dass er nicht als Snack für dieses Biest geendet war. Die Schlange war auf ihn gestürzt und hatte sich damit gleichzeitig in das Schwert geworfen, das Kakashi im selben Augenblick zum Schlag erhoben hatte. Die Klinge des Kusanagi war der Schlange direkt ins Hirn gefahren, welches zusätzlich durch das Raikiri gegrillt worden war. Das Biest musste auf der Stelle tot gewesen sein. Die Kiefer der Schlange ragten um Kakashi herum auf, er selbst war jedoch unversehrt.
Der riesige Körper begann zu zerfallen. Es wirkte, als würde er sich in tausend kleine Schlangen auflösen, die zischend und rauchend vergingen. Zum Vorschein kam Orochimarus eigener Körper. Er lag reglos am Boden. Seine Augenlider flatterten.
Kakashi spannte sich an und packte das Kusanagi fester. Doch es war nur ein Name, der Orochimaru wispernd über die Lippen kam.
»Tsu ... na ... de.«
Tsunade eilte sofort an seine Seite, doch statt ihn zu heilen, kniete sie einfach nur da. Kakashi stellte sich an ihre Seite, das Schwert zum Schlag erhoben. So lange auch nur ein Funken Leben in dieser Kreatur war, wollte er kein Risiko eingehen.
Orochimaru rang sich ein Grinsen ab. »Verdammt ... Hätte nicht gedacht, dass es mich jetzt doch erwischt.«
»Sei still. Ich mach‘s schnell für dich«, konterte Tsunade. »Du Mistkerl. Verdient hast du es nicht, dass ich‘s dir einfach mach. Aber wir waren doch irgendwann mal Kameraden.«
Orochimaru wehrte schwach ihre Hand ab. »Hör zu. Danzō. Danzō hat mich verraten, der Scheißkerl.«
»Wo ist er?«, verlangte Kakashi zu wissen. »Ihr arbeitet doch zusammen. Du musst etwas wissen.«
Orochimaru machte nicht den Eindruck, als würde er noch lang durchhalten. Dennoch hob er den Blick zu Kakashi. »Ja. Das taten wir. Mokuton-Bomben, war eine lustige Idee, auch wenn es nicht so funktionierte, wie wir das wollten. Er hat behauptet, sensei hätte unsere Experimente genehmigt. Dass wir offiziell unsere Arbeiten von damals fortsetzen konnten. Und dann hat der Arsch mich an euch ausgeliefert. Hat mich angelogen und Sarutobi hintergangen. Ihr ...«
Er keuchte, sein Körper zuckte.
»Wehe, du stirbst jetzt!«, drohte Tsunade ihm.
»Konoha«, krächzte Orochimaru. »Einstige Ne-Quartiere. Da ist der Dreckskerl noch immer.«
Dann lag er still.
Kakashi durchbohrte ihm trotzdem mit dem Kusanagi das Herz. Sicher war sicher.
Schweigend starrte Tsunade auf Orochimarus Leiche. Ihr Gesicht war regungslos.
Kō und Yuki kamen zu ihnen und auch Sarutobi und Jiraiya folgten. Sie hatten ihre Gegner ebenfalls besiegt. Yuki machte den Eindruck, als würde sie am liebsten auf Orochimarus Leiche einprügeln wollen, konnte sich aber zurückhalten. Trotzdem stand purer Hass auf ihrem Gesicht geschrieben.
»Sukea hat Gerechtigkeit gefunden«, sagte Kakashi.
Yuki ballte die Hände zu Fäusten. Sie nickte einmal fest. Dann wandte sie sich ab und ging davon. Kakashi tat, als habe er ihre Tränen nicht gesehen.
»Konoha also«, sagte Sarutobi. »Danzō wagt es, sich direkt unter unserer Nase zu verstecken.«
Tsunade erhob sich. »Wir müssen Tobi-oji Bescheid geben, er kann am schnellsten zurückkehren und Minato informieren.«
Sarutobi nickte. Er zog drei schwarze Rollen aus seiner Tasche und gab zwei davon an Tsunade und Kakashi. »Wir haben unsere Mission erfüllt, gut gemacht. Lasst uns die Leichen zur sicheren Verwahrung in Konoha versiegeln und dann zurückkehren.«
Jiraiya, der bis jetzt schweigend auf Orochimarus Leichen gestarrt hatte, regte sich. Ein düsterer Zug lag um seine Augen. »Mission erfüllt. Aber zu welchem Preis.«
Als sie zu Tobirama zurückkehrten, fanden sie ihn und Ōkami in Gesellschaft eines kleinen Jungen vor. Kakashi erkannte ihn sofort.
»Tenzō!«, rief er verwundert aus. »Was machst du hier!«
Tobirama musterte sie alle und schien zufrieden mit dem, was er sah. »Ich bin froh, euch alle unversehrt wiederzusehen. Das heißt also, dass Orochimaru tot ist.«
Sarutobi nickte und reichte ihm die drei Schriftrollen. »Dem ist so. Mit seinem letzten Atemzug hat er uns verraten, wo Danzō sich aufhält.«
»Ich weiß.« Tobirama schob Tenzō vor sich, der eingeschüchtert zu ihnen aufsah. »Unser kleiner Freund hier hat es mir bereits gesagt. Kakashi, tu mir den Gefallen und nimm dich seiner an. Ihr kennt euch ja bereits.«
»Äh, ja. Natürlich«, stammelte Kakashi etwas überrumpelt. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Hi, Kakashi«, piepste Tenzō. »Ich freu mich, dich wiederzusehen. Tut mir leid, dass ich euch verfolgt hab. Es war ein Befehl von Danzō.«
»Schon gut, ich versteh schon«, besänftigte Kakashi ihn. »So, wie das klingt, ist das jetzt Geschichte.«
Tenzō nickte. »Ja. Nidaime-sama will mir helfen, mehr über Mokuton zu lernen.«
Tsunade musterte Tenzō eindringlich. »Mokuton? Na, die Geschichte will ich hören.«
»Wie ich sehe, versteht ihr euch. Gut. Denn ich werde jetzt schnellstmöglich nach Konoha zurückkehren und Minato informieren«, sagte Tobirama. Er wandte sich zu Ōkami um und schwang sich auf ihren Rücken. Bevor er verschwand, sah er ein letztes Mal zu Sarutobi. »Hiruzen. Gut gemacht.«
Dann war er weg. Er sah nicht mehr, wie Sarutobi sich dankend verneigte.
Nächstes Kapitel: Tobirama und Minato gegen Danzo.
Kapitel 24: Am Ende aller Dinge
Tobirama sprang von Hiraishin-Markierung zu Markierung. Schon auf dem Hinweg hatte er in regelmäßigen Abständen Markierungen angebracht, da er sein Langstrecken-Hiraishin nicht noch einmal riskieren wollte und er war durchaus in der Lage, aus seinen Fehlern zu lernen. Ōkami hatte sich schon vor langer Zeit daran gewöhnt, von ihm mittels Hiraishin transportiert zu werden, und so war es auch für sie kein Problem. Für eine Strecke, für die sie zuvor mehrere Tage gebraucht hatten, benötigten sie nunmehr nur wenige Minuten.
Danzō wagte es also wirklich, sich all die Zeit über unter ihrer Nase zu verstecken. Es nagte an Tobirama, da er selbst nicht darauf gekommen war. Er hatte doch sogar vor einigen Monaten mit Kakashi die ehemalige Ne durchsucht. Warum hatte er nicht genauer hingesehen? Der Gedanke, dass er Minato und Naruto allein gelassen hatte, während Danzō noch immer auf freiem Fuß war und wer weiß was plante, beunruhigte ihn.
Er schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich darauf, schnellstmöglich zurück zu Minato zu kommen. Als er endlich in Reichweite war, nahm er direkt das Siegel, das er in Minatos Acht Trigramme eingearbeitet hatte.
Er fand Minato in seinem Büro vor, und da Ōkami mit Tobirama gekommen war und er immer noch auf ihr saß, gab es einiges an Chaos. Minato erschrak, einige Papierrollen flogen durcheinander und Tobirama stieg wenig elegant von Ōkami herab.
»Huch!«, kommentierte Minato und sah perplex zu Tobirama. »Äh, ich meine, ist was passiert?«
»Ich weiß, wo Danzō ist«, sagte Tobirama geradeheraus. »Hier im Dorf.«
Minato blinzelte. »Ach?« Dann schüttelte er sich und kam zu Sinnen. »Von Anfang an bitte. Am besten gleich auf dem Weg zu ihm.«
Tobirama nickte. »Gut, dann folge mir.«
Er brachte Ōkami in sein Büro, von dort aus kamen sie am schnellsten zu Danzōs Versteck. Minato folgte ihm auf den Fuß.
»Wir haben Orochimaru gefunden und unschädlich gemacht«, berichtete Tobirama, als sie gemeinsam durch die Gänge eilten. Und weil Minato schon protestieren wollte, fügte er an: »Und ja, ich habe mich zurückgehalten. Mir geht‘s gut, genau wie allen anderen. Orochimaru ist tot, ebenso seine Handlanger. Ich habe es Hiruzen überlassen, sein Versteck auf weitere Informationen hin zu durchsuchen. Und noch jemanden haben wir gefunden. Du erinnerst dich, dass ich einen Jungen namens Tenzō erwähnt hatte, der laut Kakashi Mokuton beherrschen soll?«
»Ja, das tue ich.« Minato sah ihn verwundert an. »Du hast ihn auch gefunden?«
»Er hat uns gefunden«, korrigierte Tobirama. »Er war auf Befehl Danzōs hinter uns her, um uns auszuspionieren und um über Orochimarus Schicksal zu berichten. Danzō ahnte oder wusste gar, was wir vorhatten, schien aber nicht daran interessiert, Orochimaru vor seinem Schicksal zu retten. Ich konnte Tenzō gefangen nehmen und im Austausch gegen Informationen versprach ich ihm, ihn mehr über Mokuton zu lehren. Ich brach sein Siegel, das heißt, Danzō wird wissen, dass ich hinter ihm her bin.«
»Umso mehr ein Grund zur Eile«, betonte Minato. »Werden wir drei reichen?«
»Tenzō versicherte mir, dass Danzō neben ihm nur noch zwei weitere Handlanger hat, Yamanaka Fū und Aburame Torune. Sie sind als Anbu der einstigen Ne gelistet, aber anscheinend haben sie Danzōs Dienste nie verlassen«, sagte Tobirama.
»Verräter also. Wir töten sie«, sagte Minato kurz angebunden.
»Ich würde nicht so voreilig sein«, widersprach Tobirama.
»Ich weiß, was in ihren Akten steht. Sie sind gefährlich und ich will kein Risiko eingehen.« Minato blieb eisern. Er sah zu Tobirama, ein Hauch von Sorge lag in seinem Blick. »Zumal Tsunade sehr deutlich darin war, dass du dich nicht anstrengen darfst. Zugegeben bin ich erstaunt, dass du dich wirklich daran gehalten hast.«
Tobirama kniff die Augen zusammen und enthielt sich eines Kommentars. »Nun gut, dann räumen wir die beiden eben auf die eine oder andere Art und Weise aus dem Weg.«
»Welpe, dein Gefährte hat Recht«, warf Ōkami ein. »Du musst aufpassen. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn du jemand anderes an deiner statt diesen Kampf austragen lässt.«
Tobirama schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Wir stehen das gemeinsam durch.«
Ōkami brummte missmutig, blieb dafür aber umso näher bei Tobirama.
Minato ergriff Tobiramas Hand und drückte sie. Mittlerweile hatten sie den Bereich der Anbu verlassen und begaben sich auf ehemaliges, oder wohl doch nicht so ehemaliges Ne-Gebiet. Tobirama kannte diese Tunnel von Plänen, aber wer wusste schon, was Danzō in der Zwischenzeit alles hinzugefügt und verändert hatte.
Minato hielt inne. »Fū benutzt laut seiner Akte mit Fallen präparierte Puppen, mit deren Hilfe er vom Körper seines Gegners Besitz ergreifen kann. Mit Sicherheit hat er alles hier mit seinen Fallen gespickt. Wir sollten Doppelgänger vorausschicken, dagegen dürfte sein Jutsu wirkungslos sein.«
»Gute Idee.« Tobirama nickte. »Dann sollen die Doppelgänger die Puppen zerstören. Danzō wird uns wahrscheinlich eh erwarten, also kein Grund, besonders verstohlen vorzugehen.«
Er erschuf gut ein duzend Schattendoppelgänger und Minato tat es ihm gleich. Die Doppelgänger verstreuten sich geschwind, um den Weg vor ihnen auszukundschaften, und tatsächlich dauerte es nicht lang, bis sie merkten, dass die ersten zerstört wurden. Wie Minato sagte, war der Weg vor ihnen mit Fallen gespickt, aber sie konnten genug Doppelgänger erschaffen, um die Fallen für sie zu entschärfen. Trotzdem setzten sie ihren Weg mit Vorsicht fort, falls ihre Doppelgänger irgendwelche Fallen übersehen hatten. Aus genau diesem Grund ging Ōkami voran, um den Weg vor ihnen zu erschnüffeln.
Der Weg führte sie spiralförmig in die Erde hinab. Immer wieder führten Brücken über den Abgrund, um die einzelnen Ebenen miteinander zu verbinden. Und doch war alles leer. Alles war dunkel, bis auf einige wenige Notfalllichter, die hier und da kaltes Licht verströmten. Tobirama bemerkte erste Staubspuren, die sich hier und da anzusammeln begannen.
»Ich vertraue deiner Einschätzung deiner Quelle, dass Danzō wirklich hier ist«, sagte Minato leise. »Aber er weiß sich wirklich hervorragend zu verbergen. Ich spüre nichts.«
»Er war immer der beste meiner Schüler gewesen«, sagte Tobirama. »Unterschätze ihn keinesfalls.«
Minato verschränkte seine Finger mit Tobiramas. »Nein, ganz bestimmt nicht.«
Als sie schon beinahe am Grund der Einrichtung angekommen waren, schlug Ōkami an. »Ich rieche etwas, ganz schwach nur. Vor uns, wir sind bald da.«
Tobirama ließ seine freie Hand durch Ōkamis Fell gleiten. So fanden sie schließlich ihre ersten beiden von drei Gegnern. Fū und Torune traten ihnen in den Weg, als sie das Ende des Abstieges erreichten. Hier unten war eine größere Freifläche und die einzigen Wege fort von hier lag entweder hinter Tobirama und Minato oder vor ihnen durch eine geschlossene Tür. Ebenjene Tür, die von Fū und Torune beschützt wurde.
Minato ließ Tobiramas Hand los und trat vor. »Wir sind gekommen, um Shimura Danzō in Gewahrsam zu nehmen. Tretet beiseite und leitet keine Gegenwehr, dann werde ich ein mildes Urteil über euch sprechen.«
Ōkami senkte den Kopf und knurrte.
»Mit Verlaub, Hokage-sama, aber das können wir nicht«, sagte Fū, der Mann mit den kastanienbraunen Haaren. »Wir können Ihnen nicht gestatten, Danzō weiter zu verfolgen, und müssen Sie bitten, ihn gehen zu lassen.«
»Ihr seid Teil der Anbu und damit meinem Befehl unterstellt«, erinnerte Tobirama sie. »Was auch immer Danzō euch gesagt hat, es ist null und nichtig.«
»Auch das müssen wir verneinen«, widersprach Fū. »Unsere Treue gilt einzig und allein Danzō und er ist der einzige, dessen Befehle wir annehmen.«
Minato rollte die Schultern. »Nun denn. Dann eben auf diesem Wege. Wo bliebe da sonst der Spaß.« Ein dunkler Zug lag um seine Augen und in seinem Lächeln lag keine Wärme. »Tobirama, bitte übernimm Torune. Du bist stärker als ich in Angriffen auf mittlere Distanz.«
»Verstanden.«
Ōkami stellte sich zu Minato. »Ich folge dir.«
Fū hatte ein Kunai zur Hand genommen, Torune ein Tanto.
Torune war von Kopf bis Fuß in Kleidung gehüllt, selbst sein Kopf war größtenteils bedeckt. Laut seiner Akte konnte er spezielle Insekten steuern, die extrem giftig waren. Tobirama hatte nicht vor, damit Bekanntschaft zu machen. Aburame waren immer unangenehme Gegner.
Torune begann damit, seine Handschuhe abzustreifen und entblößte schließlich auch seinen Oberkörper. Seine Haut verfärbte sich violett, als er seine Insekten aktivierte. Jede Berührung mit ihm wäre tödlich.
Minato markierte das Schlachtfeld und stürzte sich noch im selben Atemzug auf seine Beute. Fū versuchte, ihn mit seiner Gedankenkontrolle zu erwischen, war aber viel zu langsam.
Tobirama bereitete sein Jutsu vor.
»Nidaime-sama, es mag ja sein, dass Ihre Spezialität Suiton ist. Allerdings ist hier kein Wasser, wir sind tief unter der Erde«, informierte Torune ihn.
»Das hat mich noch nie aufgehalten«, sagte Tobirama trocken.
Die Rohre in den Wänden platzten. Es war immer angenehmer, für seine Jutsu bereits vorhandene Wasserquellen zu nehmen. Torune gab einen überraschten Laut von sich.
»Großkotzige Idioten konnte ich noch nie leiden«, kommentierte Tobirama, als der Wasserstrahl Torune mitten in die Brust traf und davonspülte. Keinen Moment zögernd setzte Tobirama das Wasser mit Chidori unter Strom. Torune jaulte auf.
»Keine Gnade mit Verrätern«, knurrte Minato. Bereits jetzt hatte er Fū in die Defensive gedrängt.
Tobirama setzte sofort nach und ließ Torune keine Chance, sich zu erholen. Er verzichtete auf Nahkampf, um jeglichen Körperkontakt zu vermeiden, und formte stattdessen das Wasser zu nadelspitzen Geschossen, die er auf seinen Gegner schleuderte. Torune versuchte auszuweichen, aber es gelang ihm nicht bei allen. Die Nadelgeschosse bohrten sich in seine entblößte Haut und beinahe sofort färbte sich das Wasser um ihn herum blutrot, als er von über einem Duzend feiner Nadeln durchbohrt wurde. Tobirama hatte auf Vitalpunkte gezielt, aber nur wenige Nadeln fanden auch tatsächlich ihr Ziel. Die meisten ritzten nur Torunes Haut. Aber selbst kleine Wunden wie diese konnten schnell zu einem Problem werden, sobald sie nur häufig genug waren.
Er versuchte es erneut. Dieses Mal schien Torune den Angriff jedoch bereits erwartet zu haben. Statt zur Seite auszuweichen, machte er einen Satz nach vorn und rollte sich unter Tobiramas Angriff hinweg, auch wenn er damit in Kauf nahm, von weiteren Nadeln getroffen zu werden.
Zu nah für Tobiramas Geschmack. Er griff nach einer der Markierungen, die Minato mit seinen Kunai gesetzt hatte, und sprang zu ihr.
Mitten hinein in Fūs Falle.
Sein Körper erstarrte. Er wollte sich mit aller Macht bewegen, aber er besaß keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Nicht ein Finger zuckte. Wütend wollte er aufknurren, aber nicht einmal das konnte er mehr.
So eine verdammte Scheiße! Elende Yamanaka!
Sein Körper war zu seinem Gefängnis geworden, als Fū die Kontrolle über seinen Geist übernommen hatte. Er war nur noch ein Zuschauer, der hilflos mit ansehen musste, wie jemand anderes seinen Körper kontrollierte und zu seinen Zwecken missbrauchte. Er konnte sogar Fūs Präsenz in seinem Geist spüren.
Was er spüren konnte, konnte er vielleicht auch bekämpfen.
Er warf alles gegen Fū an, was er an Willenskraft aufbringen konnte. Fū spürte sofort, was er vorhatte, und ließ alles in sein Jutsu fließen, was er aufbringen konnte. Eisern hielt er Tobiramas Geist umklammert, doch je mehr Kraft er hineinlegte, desto stärker stemmte sich Tobirama gegen ihn. Wäre doch gelacht, wenn irgendein lausiger kleiner Verräter sich seines Körpers bemächtigen würde!
Fū musste spüren, dass ihm allmählich die Kontrolle entglitt, je stärker er mit Tobirama darum rang, denn Tobirama konnte in seinem Geist Panik spüren. Dann waren die Ne-Agenten wohl doch nicht so frei von Emotionen, wie Danzō immer behauptet hatte. Gut. Wer in Panik verfiel, machte Fehler.
Tobirama wäre beinahe der Länge nach hingefallen, so heftig strauchelte er, als er in seinen Körper zurückfiel. Was war geschehen? Wieso hatte Fū so plötzlich losgelassen?
Fūs verstümmelte Leiche lag zu seinen Füßen. In seinen Augen stand nichts als blankes Entsetzen. Nicht weit davon entfernt richtete Minato gerade Torune hin.
Es war nicht die Art, wie er es tat, mit seiner Hand in Torunes Brustkorb und sein Herz herausreißend, die Tobirama erstarren ließ. Es war das erdrückende Gefühl von Kyūbis Chakra, in das sich Minato gehüllt hatte. Es umgab ihn wie einen Mantel, eine zweite Schicht, die ihn umgab und die Form des Kyūbi andeutete. Und doch schien Minato bei Verstand zu sein, ja sogar in voller Kontrolle des Chakra. Er lächelte gar, als er zu Tobirama sah.
»Keine Sorge. Ich weiß, was ich tue.«
Achtlos ließ Minato Torunes Leiche zu Boden fallen und lächelte das Lächeln, das er Tobirama immer gab, wenn er wollte, dass Tobirama sich keine weiteren Gedanken machte. Aber dafür kannte Tobirama ihn mittlerweile zu gut, um sich davon noch täuschen zu lassen.
»Minato!« Mit zwei langen Schritten war er bei ihm. »Du darfst das Chakra des Neunschwänzigen nicht benutzen, unter gar keinen Umständen! Zu leicht kann das Biest darüber die Kontrolle über dich erlangen.«
Minato hob beschwichtigend die Hand. Er bemerkte, dass er noch immer Torunes herausgerissenes Herz hielt, und warf es fort.
»Ich weiß, ich weiß, Tobirama«, sagte er. Viel zu ruhig und gelassen für Tobiramas Geschmack. »Wir haben oft genug darüber gesprochen. Aber du hast mir auch Mito-himes Aufzeichnungen gegeben, und während du fort warst, hatte ich genug Zeit, sie ausgiebig zu studieren und ein paar Dinge auszuprobieren. Natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen.«
»Das ist Wahnsinn!«, fuhr Tobirama ihn an. »Mito mag sich vielleicht Gedanken dazu gemacht haben, aber selbst sie hat es niemals gewagt, das Chakra des Kyūbi auf diese Weise zu nutzen!«
»Ja, das stimmt«, räumte Minato ein. »Mehr als Theorien hat sie nie dazu geäußert. Aber sie war sich sehr sicher, dass es funktionieren kann. Und siehe da, das tut es.«
Minato deutete auf sich. Seine Haare wehten in einer unsichtbaren Briese und auch sein Mantel blähte sich leicht. Seine Augen leuchteten golden und seine ganze Erscheinung wirkte, als würde sie von Feuerschein erleuchtet sein. Kyūbis Chakra war mächtig, so unendlich mächtig, und es hüllte Minato wie ein schützender Umhang ein. So war er in der Lage gewesen, Torune zu berühren, ohne bleibende Schäden davongetragen zu haben. Das Chakra hatte das Gift beinahe augenblicklich neutralisiert.
»Meine Kontrolle über das Chakra ist nicht vollständig und der Neunschwänzige ist auch nicht wirklich gewillt, es mir zu überlassen«, räumte Minato ein. »Ich muss es mir von ihm erkämpfen, was heißt, dass ich konstant weit mehr von dem Chakra verbrauche als normal. Lange werde ich diesen Zustand wohl nicht stabil halten können.«
»Dann hör auf damit«, bedrängte Tobirama ihn. »Schließe das Chakra wieder weg und lass uns das hier auf normalem Wege beenden. Es ist zu gefährlich.«
»Kaum gefährlicher, als gegen einen Gegner zu kämpfen, den wir kaum einschätzen können«, konterte Minato. »Wir wissen nicht, zu was Danzō alles in der Lage ist und welche Geheimnisse er noch hütet. Und, Tobirama, bitte nimm es mir nicht übel, aber du bist nicht auf dem Höhepunkt deiner Kräfte und das ist meine Schuld. Bitte lass es mich wieder gutmachen, indem ich dich beschütze. Mit allem, was ich habe. Ich lasse nicht zu, dass dir noch einmal etwas geschieht.«
Tobirama schwieg und sagte zunächst nichts. Er musterte Minato. Minato erwiderte seinen Blick ruhig, aber auch bittend. Es war ihm ernst damit. Sein Chakra war in der Tat ruhig und stabil. Und so unfassbar stark.
Tobirama vertraute Minato sogar mit seinem Leben. Und wenn Minato sich so sicher war, dass er Kyūbis Chakra kontrollieren konnte, dann war dem auch so.
Tobirama nickte. »Na dann. Erstatten wir Danzō einen Besuch.«
Minato lächelte breit. »Ich liebe dich.«
Den Schlüssel ersparte er sich offensichtlich, denn als er vor die verschlossene Tür trat, hielt er ein Rasengan in der Hand. Es war weitaus größer und das Chakra weitaus dichter als sein übliches Rasengan.
»Da fällt mir ein, Tobirama. Ich habe dir nie gesagt, wie ich auf die Idee für mein Jutsu gekommen war«, sagte er. »Ich wollte Kushina beschützen und dafür brauchte ich ein Jutsu, das es mit den bijū-Kugeln feindlicher jinchūriki aufnehmen konnte. Kushina war es, die es Rasengan nannte.«
Tobirama blinzelte. »Das heißt ... Du hattest einen anderen Namen dafür?«
»Jap.« Minato grinste stolz.
»Oh nein.«
»Jiraiyas Haarkanzwirbel inspiriert von gefrorenem Doppeldessert Stil Sphäre.«
Und mit diesen Worten rammte Minato das Rasengan in die Tür und schredderte sie damit in tausend Splitter.
»Beim Weisen der Sechs Pfade, gesegnet sei Kushina, dass sie dir diesen Unsinn ausgeredet hatte«, brummte Tobirama.
Minato zuckte nur grinsend mit den Schultern.
Gemeinsam traten sie über die Splitter, gefolgt von Ōkami.
Wenig überraschend erwartete Danzō sie bereits. Als Ort der Konfrontation hatte er einen großen, wenn auch leeren Raum gewählt. Tobirama konnte in den Schatten an den Wänden einige Trainingspuppen ausmachen, also vielleicht ein alter Trainingsraum der Ne. Darüber hinaus war hier nichts auszumachen außer einigen wenigen Spuren in der dünnen Staubschicht.
Danzō erhob sich aus seiner knieenden Position, in der er sich bis jetzt befunden hatte. Er stützte sich dabei auf seinen Stab, aber Tobirama bezweifelte, dass er ihn wirklich brauchte.
Was Tobiramas Aufmerksamkeit erregte, war die schwere Metallschiene, die Danzō an seinem rechten Arm trug. Er hatte seine Robe von seiner Schulter gestreift, die wahrscheinlich schon die ganze Zeit über dieses Ding verborgen hatte. Was war das für ein Ding?
Die Antwort sollte ihm nicht gefallen.
»Ah, ich hatte wirklich gehofft, Fū und Torune würden mir wenigstens etwas mehr Zeit verschaffen, wenn sie schon sterben müssen«, begrüßte Danzō sie gelassen.
»Sie haben sie geopfert«, sagte Minato abfällig.
»Sagen Sie mir nicht, Sie hätten keine Freude dabei empfunden, die beiden hinzurichten, Hokage-sama«, konterte Danzō. »Ich bin hier nicht der Einzige, der Leichen im Keller hat. Sprichwörtlich.«
Das letzte war an Tobirama gerichtet.
»Du bist in mein Labor eingebrochen und hast dir verbotenes Wissen angeeignet«, knurrte Tobirama. »Es womöglich sogar weitergegeben.«
Danzō schnaubte. »Sensei, ich bitte Sie. Ich bin doch nicht so töricht und gebe irgendwem Edo Tensei in die Hand, schon gar nicht Orochimaru. Ich bin klüger als das, das müssten gerade Sie wissen.«
»Nenn mich nicht sensei«, fauchte Tobirama. »Du hast dieses Recht in dem Moment verwirkt, in dem du beschlossen hast, dich gegen mich und das ganze Dorf zu stellen, und das schon vor langer Zeit.«
»Aber das habe ich nicht«, beteuerte Danzō. »Nun, ja, es mag sein, dass ich Wissen von Ihnen gestohlen habe, aber selbst das geschah allein zum Wohle des Dorfes. Ich wusste doch, dass Sie ungemein wertvolles Wissen in all den Jahren Ihrer Forschungen angehäuft hatten und das durfte Konoha einfach nicht verloren gehen. Es konnte ja keiner ahnen, dass Sie gar nicht tot waren. Als tat ich, was getan werden musste.«
»Menschenversuche«, knurrte Minato. »Grausame Experimente mit Mokuton.«
»Hiruzens Idee«, warf Danzō ein. »Ich habe seine Ideen lediglich in die Tat umgesetzt.«
»Und fortgesetzt, als Sandaime-sama längst seinen Fehler erkannt hatte«, beschuldigte Minato ihn. »Sie arbeiteten mit Orochimaru zusammen und führten grausame Experimente im Verborgenen durch. Sie sind auch verantwortlich für die Anschläge in Kumo, habe ich Recht? Und der Umsturz in Ame, da stecken auch Sie dahinter, nicht wahr?«
»Alles korrekt«, gestand Danzō. »Mit Akatsuki habe ich nichts zu schaffen, aber über Orochimaru erhielt ich einige wichtige Ressourcen von ihnen im Gegenzug dazu, dass ich ihnen half, in Amegakure die Macht zu ergreifen. Hanzō der Salamander war doch schon lange ein Dorn im Auge für Konoha.«
Ōkami fletschte die Zähne und trat vor. »Du bekennst dich all deiner Verbrechen schuldig und dafür wirst du von uns nun gerichtet. Du bist kein Welpe dieses Rudels mehr, schon lange nicht. Du hast es hintergangen und verraten und stellst eine Gefahr für das Rudel dar. Und diese Gefahr werden wir jetzt eliminieren.«
»Ah, ich hatte wirklich gehofft, meine Worte würden doch auf ein offenes Ohr treffen.« Mit diesen Worten löste Danzō die Manschette, die seinen rechten Arm umschlossen hatte.
Tobirama wusste nicht, was er abstoßender fand: der Umstand, dass Danzōs rechter Arm aus genetischen Kopien von Hashiramas Zellen bestand, oder die Sharingan-Augen, die in das Fleisch eingeschlossen waren. In dem Moment, in dem Danzō die Manschette abgelegt hatte, konnte Tobirama sein Chakra in allen Einzelheiten erkennen, und es ließ die Galle in ihm hochkommen. Deswegen also hatte Danzō seine Präsenz so gut verborgen: um zu verbergen, welche Abscheulichkeiten er begangen hatte.
»Wie kannst du es wagen, anijas Andenken auf so perverse Art zu schänden!«, knurrte er.
»Ich habe sein Grab nicht geschändet, wo auch immer es sein mag«, beteuerte Danzō. »Das ist wohl das eine Rätsel, das niemand von uns jemals lösen wird. Aber ein Haar hatte gereicht, ich hatte es zufällig in Ihrem Labor gefunden.«
»Mörder!«, fauchte Minato. »Es kann nur eine Erklärung geben, wie Sie an diese Augen gekommen sind. Es wird Zeit, dass all diese Menschen Gerechtigkeit erfahren.«
Er verschwand in einem Hiraishin. Quasi im selben Augenblick tauchte er hinter Danzō wieder auf und schmetterte ihm die Faust in das überraschte Gesicht. Es war so schnell gegangen, dass selbst Tobirama kaum hatte folgen können.
Danzō wurde von den Füßen gerissen und einige Meter durch die Luft geschleudert, direkt auf Tobirama und Ōkami zu. Er traf hart auf dem Boden auf und noch in dem Moment sprang Ōkami heran und zerbiss das, was von Danzōs Gesicht noch übrig war. Danzō schrie auf. Ōkami schloss ihre mächtigen Kiefer um seinen Schädel und warf den Kopf zur Seite. Es knirschte. Danzōs Schrei verstummte abrupt.
Minato gab einen unwilligen Laut von sich. »Zu einfach.«
Zu einfach in der Tat, denn noch während Tobirama Danzōs Leiche betrachtete, verschwand diese. Er gab einen überraschten Laut von sich und verstummte dann gänzlich, als Danzō wie aus dem Nichts wieder auftauchte, quicklebendig und unversehrt.
»Was zum?!«, fluchte Tobirama.
»Wie kann das sein?«, sprach Minato Tobiramas Gedanken aus. »Ah, doch, ich weiß es. Eines der Augen auf seinem Arm hat sich geschlossen. Tobirama, du spürst es doch auch, oder?«
»Ja, das tue ich.« Tobirama hatte genau gespürt, wie Danzōs unnatürlich hohe Chakralevel deutlich gesunken waren. Und mit dem verlöschenden Sharingan und seinem gleichzeitigen Wiederaufleben konnte das nur eines bedeuten. Tobirama sah zu Minato. Minato nickte.
Izanagi. Und Danzō standen zehn davon zur Verfügung. Nun, jetzt nur noch neun.
Ōkami fletschte die blutigen Fänge. »Dann töten wir dich eben so oft, wie es sein muss, damit du endlich tot bleibst.«
Danzō warf einen Blick auf seinen Arm und machte ein unwilliges Gesicht. »Ich wusste, dass das ein schwieriger Kampf werden würde, aber das ging mir doch ein wenig zu rasch. Nun denn.«
Tobirama und Minato stürzten sich gleichzeitig auf ihn. Danzō erzeugte eine Luftblase um sich herum, die er explosionsartig ausweitete, um sie abzuwehren. Die beiden Angreifer teleportierten sich in Sicherheit und griffen sofort wieder an. Danzō konnte sich Tobiramas mit einem weiteren Futon erwehren, Minato jedoch gelang es, ihm ein kunai in die Kehle zu rammen.
Zwei weniger. Danzō erschien wenige Schritt entfernt erneut. Die Hiraishin-Markierung, die Minato an seiner Schulter platziert hatte, bleib jedoch. Sehr gut. Augenblicklich entsiegelte Tobirama ein Katana und teleportierte sich zu ebenjener Markierung. Die Klinge fuhr tief in Danzōs Eingeweide.
»Zu ... schnell«, keuchte Danzō durch zusammengebissene Zähne.
Sein Körper verschwand. Tobirama war paralysiert.
So ein Mist! Danzō hatte ihn mit dem Jigō Jubaku no In belegt, und er war auch noch so blöd gewesen, sich davon erwischen zu lassen. Sein ganzer Körper war paralysiert, er konnte keinen Finger krümmen.
»Tobirama!«, rief Minato erschrocken aus. Da griff Danzō ihn auch schon an und drängte ihn mit einem mächtigen Windstoß zurück. Kyūbis Chakra beschützte ihn, doch hinter ihm splitterte die Felswand des Raumes, wo die Windklingen auf sie trafen.
Ōkami stürzte sich aus Danzōs toten Winkel auf ihn, doch ein weiterer Windstoß stieß auch sie zurück. Jaulend schlitterte sie über den Boden. Tobirama musste hilflos zusehen.
Denk nach! Denk nach!
Das Siegel, mit dem Danzō ihn gelähmt hatte, ließ sich nur vom Anwender auch wieder lösen. Viele Siegel ließen sich jedoch auch mit roher Gewalt lösen, indem sie mit Chakra überladen wurden. Allerdings bedurfte es dafür einer enorm großen Menge.
Wenn Tobirama jedoch von einem genug hatte, dann war es Chakra. Hashirama war immerhin sein Bruder, und allzu sehr hatte er ihm nie nachgestanden.
Tobirama sammelte sein Chakra. Er verdichtete es immer mehr, so sehr, dass es begann, sichtbar zu werden, und es so wirkte, als sei er von blauen Flammen umhüllt. Der Boden unter seinen Füßen splitterte unter dem Ansturm seines Chakras. Seine Finger zuckten.
Er warf einen gewaltigen Wasserdrachen auf Danzō.
»Scheiße!«, war das letzte, was Danzō noch von sich geben konnte, bevor der Wasserdrache ihn gegen die Wand schleuderte und seine Knochen zermalmte. Wie es Tobirama erwartet hatte, erschien Danzō sogleich wenige Schritt entfernt erneut unversehrt, weshalb er das Wasser sogleich mit einem Chidori unter Strom setzte.
Damit hatten sie bereits fünf von Danzōs gestohlenen Augen unbrauchbar gemacht.
Als Danzō dieses Mal wieder erschien, setzte er sofort ein Beschwörungsjutsu ein. Tobirama wusste, dass der Shimura-Clan traditionellerweise einen Pakt mit den Tapiren einging, er selbst hatte Danzō dieses Jutsu beigebracht. Wie es schien, hatte Danzō seitdem fleißig trainiert, denn er beschwor nicht irgendeinen Tapir.
Zwischen ihnen und Danzō stand mit einem Male ein Baku, ein riesiges, traumfressendes Biest mit langen Klauen und dem Rüssel eines Elefanten.
Minato erschien an Tobiramas Seite. »Der Kerl nervt mich langsam. Es ist ermüdend, ihn immer und immer wieder töten zu müssen. Du hättest einmal in deinem Leben nicht so effektiv sein und ihn nicht so hervorragend ausbilden können.«
»Ich mache keine halben Sachen, das weißt du doch. Aber die Hälfte seiner Augen haben wir bereits zerstört.«
»Izanagi hat nur eine begrenzte Wirkdauer. Wenn ich das richtig schätze, bleiben ihm keine fünf Minuten mehr, bis das Jutsu sich auflöst, und dann ist er schutzlos.«
Tobirama legte Minato eine Hand auf die Schulter. »Oder wir beenden das gleich hier und jetzt. Kein Risiko eingehen, indem wir den Kampf in die Länge ziehen. Unsere Stärke liegt in Schnelligkeit, damit kann er nicht mithalten.«
Baku öffnete sein Maul.
Verdammt!
»Festhalten!«, rief Tobirama noch, da saugte Baku bereits all die Luft im Raum in sein Maul. Ein enormer Luftzug entstand, der alles mit sich riss, das nicht niet- und nagelfest war. Tobirama hob schützend die Arme vor das Gesicht, doch er spürte, wie seine Füße die Bodenhaftung verloren. Auch Ōkami krallte sich verzweifelt in den Felsen, ihre Krallen hinterließen tiefe Furchen. Minato packte Tobirama bei der Schulter, während er sich gleichzeitig mit Kyūbis Chakra im Boden verankerte. Doch selbst das wäre auf Dauer nicht genug, Tobirama sah die Risse, die sich schon jetzt unter ihren Füßen im Boden bildeten.
Zeit, dem Vieh das Maul zu stopfen.
Katon war nicht Tobiramas Stärke, aber ein besonders starkes Feuer musste er auch gar nicht erzeugen. Luft fachte Feuer doch erst an. Er warf dem Ungeheuer einen Feuerball mitten ins Gesicht.
Sein eher durchschnittlicher Feuerball wurde durch den Luftsog des Baku um ein Vielfaches verstärkt. Der Baku wurde in Flammen gehüllt und er schrie erbärmlich auf, als sein Maul mit einem Male in Flammen stand. Das Jutsu löste sich auf und er verschwand.
Noch im selben Moment sprang Minato mit einem Hiraishin zu Danzō, Rasengan in der Hand, und schmetterte ihn erneut in den Felsen. Der Aufprall erzeugte einen tiefen Krater und Danzō rutschte mit verrenkten Gliedern an der Wand hinab wie eine Puppe, deren Fäden durchtrennt worden waren, bevor er erneut verschwand.
»Danzō, gib auf«, forderte Tobirama ihn auf. »Löse Izanagi auf und lass uns das hier und jetzt beenden. Du hast keine Chance gegen uns.«
Danzō sah verbissen zu ihm auf. Er wirkte geschunden und deutlich geschwächt, doch noch stand er. Noch hatte sein Kampfeswille ihn nicht verlassen.
»Niemals«, knurrte er. »Ich weiß noch bis heute, was Ihre letzten Worte damals an uns waren, Tobirama. Sie sagten uns, dass Hiruzen und ich nicht ständig miteinander wetteifern sollten, weil innere Konflikte uns schwächen würden. Aber da haben Sie sich geirrt. Sie mögen vielleicht Hiruzen als Ihren Nachfolger benannt haben, und dann hat er einfach daran festgehalten, ohne eine richtige Wahl abzuhalten. Aber ich habe nicht aufgegeben, mit ihm mithalten zu wollen. Hiruzen mag Hokage gewesen sein, aber in gewisser Weise bin ich es auch, aus den Schatten heraus. Ich diene diesem Dorf genauso wie er und wie Sie, Tobirama, und auch Sie, Minato. Warum sollte ich weniger ein Anrecht darauf haben, nur weil ich nicht davor zurückschrecke, mir die Hände schmutzig zu machen?«
»Oh, aber das Blut meiner Feinde an meinen Händen war mir schon immer ein willkommener Anblick.« Das Lächeln, mit dem Minato dies sagte, hatte etwas Raubtierhaftes.
Er verschwand erneut in einem Hiraishin. Danzō musste es erahnt haben, denn er hatte bereits ein Jutsu vorbereitet. Allerdings war sich Tobirama nicht allzu sicher, ob es auch wirklich wie geplant funktioniert hatte.
Aus Danzōs rechtem Arm schoss ein Baum hervor, der rasch an Größe gewann und unkontrolliert in die Höhe schoss, bis er gegen die Decke des Raumes drückte und den Fels zu splittern begann. Danzō schrie auf, obwohl er damit Minatos Angriff abgewehrt hatte. Der Baum wuchs immer weiter.
Danzō fluchte. Anscheinend hatte er die Kontrolle über das Mokuton verloren, und er sah seinen einzigen Ausweg darin, seinen Arm abzutrennen. Sein Chakralevel sank erneut, wie jedes Mal, wenn er ein weiteres Auge verloren hatte. Jetzt waren es nur noch drei. Sein Chakra begann zu flackern, bald schon hatte er nicht mehr genug, um Hashiramas Kraft unter Kontrolle zu halten. Eigentlich erstaunlich, dass es ihm noch immer leidlich gelang.
Mit seinem erneuten Erscheinen war auch sein Arm wiederhergestellt und damit das Hiraishin, das Minato zu Beginn des Kampfes dort platziert hatte. Minato nutzte das sofort aus, um sich mit dem Kunai in der Hand auf Danzō zu stürzen. Er riss Danzō von den Beinen, warf ihn zu Boden und schlitzte ihm das Gesicht auf, während er auf seiner Brust hockte wie ein Raubvogel.
Die Bandagen, die Danzōs Kopf umschlungen und sein rechtes Auge verborgen hatten, fielen zu Boden. Minato gab einen erstaunten Laut von sich.
»Tobirama, noch ein Sharingan!«
Tobirama hatte es zunächst nicht bemerkt unter all den Chakrasignaturen, die Danzō in sich vereint hatte und die alle von Hashiramas Chakra überstrahlt worden waren. Aber jetzt, wo Danzō immer schwächer wurde, traten die einzelnen Chakren deutlicher hervor.
Und dieses eine Chakra kannte Tobirama sehr gut.
»Das ist Kagamis Auge!«, fauchte er. »Du Mörder, du hast ihm sein Auge gestohlen und das Blut deines Kameraden an deinen Händen!«
Danzō sammelte Chakra in seinem rechten Auge. Welches Jutsu auch immer er vorbereitet hatte, es ging ins Leere, denn Minato wich mit einem Hiraishin aus. Danzōs Chakralevel sank erneut und ein weiteres Auge schloss sich. Damit blieben ihm noch zwei in seinem Arm, zusätzlich zu Kagamis Auge.
Tobirama fletschte die Zähne. Das war abartig.
Danzō hielt sich schwer atmend den rechten Arm. »Ja, ich nahm mir Kagamis Auge, wie ich mir auch jedes andere dieser Augen nahm, um ihre Kraft weiterhin für das Dorf nutzbar machen zu können. Dieser Kampf hier ist eine Verschwendung dieser Kraft. Ich hätte mir ja auch Kagamis zweites Auge genommen, aber der Trottel musste es ja unbedingt zerstören, bevor er starb. Er wollte einfach nicht verstehen.«
»Los, Tobirama. Gemeinsam. Ich habe genug von diesem kranken Gerede.« Minato hielt Tobirama seine Hand entgegen, in der er sein Rasengan hielt.
Tobirama verschränkte seine Finger mit Minatos und fügte dem Jutsu sein Chidori hinzu. Beides wurde noch einmal zusätzlich durch Kyūbis Chakra verstärkt. Danzō riss die Augen auf, als er verstand.
Da explodierte bereits das Jutsu mitten in sein Gesicht und zerfetzte seinen Leib. Dort, wo er gerade noch gestanden hatte, war nun ein großer Krater in den Boden gesprengt worden. Von ihm selbst waren nur noch einige blutige Fetzen übrig.
»Hui.« Minato pfiff anerkennend. »Vielleicht habe ich ein wenig übertrieben. Hätte nicht gedacht, dass das so effektiv sein würde.«
»Damit bleibt ihm nur noch eines seiner Augen in seinem Arm«, erinnerte Ōkami sie. »Das und Kagamis. Lasst es uns beenden.«
»Oh ja, das werde ich.« Mordlust stand in Minatos eisblauen Augen, als er sich Danzō zuwandte, der ein paar Schritt hinter ihnen erschien.
Danzō kniete zitternd am Boden und hielt seinen rechten Arm umklammert. Dessen unnatürlich weißes Fleisch wogte und bebte, als würde etwas darunter kriechen, das nun hervorbrechen wollte. Sein Chakra flackerte immer stärker. Er verlor die Kontrolle über Hashiramas Kraft.
Er schrie auf, als erneut ein Baum aus seiner Schulter hervorbrach. Minato nutzte diese Chance und stürzte sich auf seine Beute. Er schmetterte Danzō seine Faust ins Gesicht und zertrümmerte ihm damit das Nasenbein und wahrscheinlich auch den Stirnknochen. Benommen sackte Danzō zusammen, aber da brach Minato ihm auch schon die Beine. Danzō schrie schwach auf.
»Du glaubst ja gar nicht, wie lange ich darauf schon gewartet habe«, raunte Minato ihm ins Ohr. »Sei froh, dass ich Anstand hatte und dich nicht schon viel früher in Stücke gerissen habe. Der Sinn danach stand mir schon sehr, sehr lange.«
Danzō wimmerte und öffnete den Mund. Minato zertrümmerte ihm mit einem Faustschlag den Kehlkopf.
Wie schon zuvor verschwand Danzōs Körper und tauchte wenige Schritt entfernt wieder auf. Danzō versuchte davonzukriechen, denn ihm schien die Kraft zu fehlen, um aufzustehen und davonzurennen.
Minato sprang mit einem Hiraishin zu ihm und durchrennte ihm beiläufig die Fußfesseln. Danzō sackte zusammen. Minato stand über ihm und beobachtete, wie er verzweifelt seine Fingernägel in den Felsen krallte und sich voranzuziehen versuchte.
»Das war dein letztes Auge, hm? Und jetzt fehlt dir das Chakra, um Kagamis Auge zu benutzen. Blöde Sache, ich weiß.« Minato stellte ihm einen Fuß in den Rücken und presste Danzō zu Boden. Danzō schnaufte und versuchte, seinen Gegner abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Er wand sich lediglich erbärmlich unter Minato.
Minato winkte Tobirama zu sich. »Komm her. Ich denke, am Ende sollte er dir gehören.«
Tobirama kam langsam näher, Katana noch immer in der Hand. Ōkami beobachtete das Ganze ruhig.
Minato nahm seinen Fuß von Danzō, sodass dieser sich umdrehen und mit blutunterlaufenen Augen zu Tobirama aufblicken konnte.
»Bitte, Sie machen einen Fehler«, flehte Danzō. »Am Ende wollen wir doch alle dasselbe, nicht wahr? Nichts als das Wohl von Konoha. Sicher werden wir einen Konsens finden.«
Minato schnalzte mit der Zunge. »Wie erbärmlich. Jetzt bettelt er auch noch um sein Leben. Das hast du schon lange verwirkt.«
Tobirama hockte sich vor Danzō und beobachtete ruhig, wie Minato ihn Stück für Stück auseinanderpflückte. Kein Izanagi mehr, das ihn retten würde. Dieses Mal war es endgültig.
Minato begann mit Danzōs rechter Hand. Finger für Finger brach er ihm, bis sie alle in unnatürlichen Winkeln abstanden. Danzōs Schmerzensschreie ließen Minatos Augen freudig aufleuchten. Danzō versuchte, Minato von sich zu stoßen und krallte die Finger seiner linken Hand in Minatos Mantel. Aber Minato ließ sich davon nicht beeindrucken. Danzō war zu geschwächt, um ihnen jetzt noch ernsthaft Gegenwehr leisten zu können.
»Und jetzt die andere«, verkündete Minato fröhlich.
Er ergriff Danzōs linke Hand. Statt ihm auch diese Finger zu brechen, nahm er stattdessen ein kunai, setzte es unter dem Nagel an und riss ihn ab. Danzōs Schmerzensschreie gingen rasch in ein erbärmliches Wimmern über.
Während er Minatos blutiges Werk beobachtete, überlegte Tobirama, was er dabei empfand. Es stand außer Frage, dass sie Danzō hier und jetzt töten würden. Es machte ihm nichts aus, dass Minato ihn zunächst folterte, bevor er es beendete. Aber irgendetwas machte es mit ihm, dass Minatos Opfer Danzō war.
Danzō war eben doch einst sein Schüler gewesen.
Er kniete sich über Danzō und ließ die Klinge an seinem linken Unterarm hervorschnellen. Er hielt sie an Danzōs rechtes Auge. Kagamis Auge.
Es war dasselbe Sharingan, das ihn so oft keck angeblitzt hatte, wenn Kagami schon wieder ein frecher Spruch auf der Zunge gelegen hatte und er genau gewusst hatte, dass Tobirama es ihm durchgehen lassen würde. Kagami hatte genau gewusst, dass Tobirama ein weiches Herz für ihn hatte, und hatte es schamlos auszunutzen gewusst. Und auch das hatte Tobirama ihm durchgehen lassen.
Danzō hatte ihn ermordet und ihn seines Auges beraubt. Hatte ihn geschändet und auch noch behauptet, es sei zum Wohle des Dorfes.
»Dafür bin ich nicht beinahe gestorben«, knurrte Tobirama. »Wie hatte ich mich nur so sehr in dir täuschen können, Danzō?«
Danzō wimmerte. Sein Blick war glasig. Es war fraglich, ob er Tobirama überhaupt noch wahrnahm.
»Hiruzen hat mich bereits schwer enttäuscht«, fuhr Tobirama ungeachtet dessen fort. »Doch deine Verbrechen wiegen so unendlich viel schwerer. Mir fehlen die Worte, um die Tiefe der Verachtung auszudrücken, die ich für dich empfinde. Verachtung, aber auch Enttäuschung. Ich habe dich besser gelehrt als das.«
Die Klinge verharrte nur um Haaresbreite vor Kagamis Auge. Kagami hatte es verdient, dass sein Schlächter nun endlich seine gerechte Strafe erhielt, aber doch hielt noch etwas Tobirama zurück.
Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf. Erinnerungen an früher, als sie alle noch jung gewesen waren, frische Shinobi, gerade von der Akademie abgegangen und so voller Ambitionen, dass Tobirama sie kaum hatte zügeln können. Ihr gemeinsames Training, lachen, tratschen, gemeinsame Abenteuer. Und dann, jene letzten Momente, als Tobirama sie fortgeschickt hatte und zurückgeblieben war zum Sterben. Die Furcht in ihren viel zu jungen Gesichtern, aber auch die Entschlossenheit, sich zu beweisen. Damals hatte Danzō noch beinahe mit religiösem Eifer jedem Wort gelauscht, das er gesagt hatte.
Eine sanfte Berührung schreckte ihn aus seinen Erinnerungen. Minato hatte seine Hand über Tobiramas gelegt und lächelte ihn sanft an.
»Gemeinsam, ja?«
Tobirama nickte stumm. Sanft drückte Minato seine Hand nieder. Mühelos drang die scharfe Klinge in den Augapfel ein. Er platzte auf, Blut und andere Flüssigkeiten quollen hervor. Danzō zuckte unter ihnen und gurgelte unverständliche Worte. Der Schädelknochen leistete deutlich mehr Widerstand, aber Minato half auch hier Tobirama, die Klinge tiefer hineinzustoßen. Sie drang ins Gehirn ein. Ein letztes Mal zuckte Danzō, dann lag er still. Der Blick in seinem verbliebenen Auge brach.
Minato lächelte. »Es ist geschaff...«
Er unterbrach sich. Im selben Moment bemerkte es auch Tobirama. Gänzlich hatte das Leben Danzō noch nicht verlassen. Ein letztes Mal flammte sein Chakra auf. Schwarze Zeichnungen erschienen auf seiner Haut. Tobirama verstand sofort.
»Weg hier!«, schrie er, krallte die Hand in Ōkamis Fell und sprang mit ihr zu einer der vielen Hiraishin-Markierungen im Dorf, direkt gefolgt von Minato.
Wie es der Zufall so wollte, landeten sie auf dem Hokage-Felsen, direkt auf Minatos Portrait. Irgendwo unter ihnen im Dorf erbebte die Erde und dann gab es ein gewaltiges Poltern und Rumpeln und mehrere Häuser fielen in einem plötzlichen Erdrutsch in sich zusammen. Tief unter ihnen war Danzō in einem Vakuum verschwunden, das ihn und alles in seinem Umkreis mit sich gerissen hatte, und wären sie nicht rechtzeitig geflüchtet, hätte es auch Tobirama, Minato und Ōkami erwischt. Das hatte das unterirdische Gewölbe endgültig destabilisiert und es war in sich zusammengebrochen.
Minato beobachtete die Staubwolke, die der Erdrutsch verursacht hatte. Sirenen heulten auf und die Rufe von Menschen hallten bis zu ihnen hinauf.
»Nun, dann ist es eben jetzt geschafft«, kommentierte Minato. Er hatte das Gewand des Fuchsgeistes abgelegt und war wieder ganz er selbst.
Wenn sie endlich etwas Ruhe bekommen hatten, würde Tobirama noch einmal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen. Aber nicht jetzt. Jetzt war er einfach nur froh, dass es überstanden war. Er ergriff Minatos Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. Hier oben wehte ein frischer Wind, der in ihre Kleidung fuhr, aber sie störten sich nicht daran. Minato drückte sich an Tobiramas Seite und lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Wie geht es dir?«, erkundigte er sich.
Tobirama wusste, dass Minato nicht nach seinen Verletzungen fragte.
»Ich ... weiß noch nicht«, gestand er. »Es ist Gerechtigkeit für Kagami und all die anderen. Und doch ...«
»Es ist das, was ich nicht mit Obito hatte machen können.« Minato streckte die Hand und strich über Tobiramas Wange. »Aber du musst da nicht allein durch, das weißt du doch, oder?«
Tobiramas Antwort bestand in einem Kuss. Im Moment war er einfach nur froh, dass es vorbei war. Über alles andere wollte er später nachdenken.
Minato war es, der den Kuss löste. Er rieb seine Nase an Tobiramas und sah ihm in die Augen.
»Sein Name ist Kurama. Der Kyūbi heißt Kurama«, sagte er.
»Kurama«, wiederholte Tobirama nachdenklich. Aus irgendeinem Grund hatte er sich nie gefragt, ob die bijū Namen haben könnten. Es machte sie ... menschlicher. »Gut. Dann wollen wir ihn so nennen.«
Ōkami stieß ihn mit ihrer feuchten Nase an. Er kraulte sie zwischen den Ohren. Den anderen Arm hatte er um Minato geschlungen und gemeinsam beobachteten sie den Sonnenuntergang über Konoha.
Letztes Kapitel: Ende gut, alles gut, ein kleiner Epilog ^^
Epilog
Minato knuddelte Naruto auf dem Weg nach unten. Er hatte gerade das Baby aus seiner Wiege geholt, da Mittagsschlaf jetzt vorbei war, und noch war Naruto etwas schläfrig. Das würde sich bald schon ändern, also genoss es Minato, wie Naruto sich schläfrig an ihn kuschelte, so lange es währte.
Er drückte Naruto einen Kuss auf die Schläfe, als er durch die geöffneten Schiebetüren nach draußen auf die engawa trat. Kakashi und Tsunade waren bereits hier und beobachteten Tobirama mit dessen neuestem Mündel. Dafür, dass Tobirama immer behauptete, er würde als Lehrer nichts taugen, sammelte er erstaunlich schnell neue Schüler. Erst Shisui, direkt gefolgt von Itachi (der sich mehr oder weniger selbst eingeladen hatte) und jetzt Tenzō. Anscheinend hatten Tobirama und Tsunade die stillschweigende Übereinkunft getroffen, dass Tenzō Teil der Familie sei, denn sie hatten ihm kurzerhand ein Zimmer im Haus angeboten. Groß genug war es ja. Tenzō war beinahe aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, als er wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben mit einem anderen Mokuton in Berührung gekommen war, ebenjenes Mokuton, das die Quelle seiner eigenen Fähigkeiten war.
Sie wussten immer noch nicht, ob Tenzō nicht doch in irgendeiner Weise von Hashirama abstammte oder ob ihm seine Fähigkeiten wirklich allein in einem Labor eingepflanzt worden waren. Für Tobirama zählte im Moment vor allem, dass er dem Jungen beibringen wollte, ebenjene Fähigkeiten zu beherrschen und zu verfeinern.
Gerade trug Tobirama Tenzō auf, einen Bonsai im Garten wachsen zu lassen.
»Lass nicht einfach nur einen Baum wachsen«, erklärte er dem Jungen. »Das kannst du, das weiß ich. Hier kommt es darauf an, ihn kontrolliert wachsen zu lassen, genau in der Form, in der du ihn haben willst. Konzentriere dich darauf.«
Tenzō schlug die Hände zusammen, und Minato konnte spüren, wie er sein Chakra sammelte. Es fühlte sich fremdartig an, in einer Weise, die Minato so noch nie wahrgenommen hatte. Erdig und irgendwie auch wie ein Frühlingswald nach einem erfrischenden Regenschauer. Tobirama sagte, dass Hashiramas Chakra sich ganz ähnlich angefühlt hatte.
Fasziniert beobachtete Minato, wie Tenzō einen kleinen Baum wachsen ließ.
»Wow«, machte Kakashi neben ihm ehrfürchtig. »Davon zu lesen, wie Chakra lebende Dinge erschaffen kann, ist das eine. Aber es dann auch noch zu sehen, ist was ganz anderes.«
Tsunade winkte ab. »Opa hat im Vorbeigehen ganze Wälder wachsen lassen, ohne mit der Wimper zu zucken.«
Minato musste allerdings Kakashi Recht geben. Es war faszinierend, Mokuton in Aktion zu sehen.
Tobirama hoffte darauf, Tenzō die speziellen Techniken beizubringen, die es ihm ermöglichen würden, bijū-Chakra zu kontrollieren, und sicher war das eine kluge Idee. Und vor einigen Monaten hätte Minato vielleicht auch gedacht, dass das seine einzige Chance wäre, jemals selbst Kontrolle über Kurama zu erlangen. Jetzt allerdings vermutete er, dass es vielleicht noch andere Wege gab. Solche, die nicht verlangten, dass er Kurama seinen Willen aufzwang.
Er würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er und Kurama Freunde wären. Aber zumindest war Kurama ihm gegenüber jetzt etwas wohlgesonnener und nicht mehr beständig darauf aus, ihm zu schaden. Es war ein Anfang.
Auch was Obito anging, hatte Minato erste kleine Schritte nach vorn machen können. Es schien ihm, als würde Obito wirklich und ehrlich bereuen, was er getan hatte, trotzdem war sich Minato noch nicht sicher, ob oder wann er auch Obito würde verzeihen können. Er hoffte, dass er irgendwann wieder lernen würde, Obito zu vertrauen. Noch saß der Schmerz zu tief und war die einstige Beziehung zu sehr erschüttert, als das Minato davon ausgehen konnte, dass das in nächster Zeit geschehen würde. Obito würde noch lange hinter Gittern sitzen. Aber Obito hatte auch versprochen, seinen Einfluss auf Akatsuki dazu zu nutzen, die Organisation wieder zu dem zu machen, was sie einst gewesen war.
Zugegeben hatte es Minato erstaunt zu hören, wer die Anführer von Akatsuki waren, die Obito all die Jahre wie Marionetten gelenkt hatte: zwei der drei noch lebenden ersten Schüler Jiraiyas, Waisen aus Amegakure. Das nutzend, was Jiraiya ihnen im Zweiten Großen Ninjakrieg beigebracht hatte, hatten sie Akatsuki gegründet, um für die Freiheit von Amegakure und für mehr Gerechtigkeit im Land zu kämpfen. Die Freiheit hatten sie mit Hanzōs Tod erlangen können und damit auch die Macht im Land, doch nur, damit Obito seine eigenen Pläne hatte verfolgen können.
Tobirama betrachtete den Bonsai. »Hm«, machte er wenig zufrieden. Er stand auf. »Es ist zumindest etwas. Übe weiter, Tenzō. Anija hat sich als Zeitvertreib mit der Holzschnitzerei und der Pflege von Bonsai befasst, was ihm auch ein tieferes Verständnis für das Material gab, mit dem er arbeitete. Ich möchte, dass du dasselbe tust.«
»Okay«, piepste Tenzō. »Was soll ich schnitzen?«
»Wonach dir der Sinn steht«, war Tobiramas knappe Antwort.
Tobirama trat zu Minato und gab Naruto einen Kuss auf den Haarschopf. Naruto war mittlerweile deutlich aufgeweckter und quietschte fröhlich. Er streckte seine Arme nach Tobirama aus, und Tobirama machte ihm den Gefallen und nahm ihn an sich. Sofort vergrub Naruto seine kleinen Hände in Tobiramas Pelzkragen. Dagegen hatte Minato noch nie bestehen können.
Gestern erst hatte Tobirama die Adoptionspapiere für Naruto unterzeichnet. Naruto war nun offiziell auch Tobiramas Sohn. Minato hatte die Freudentränen weder zurückhalten können noch wollen.
Lächelnd lehnte er seinen Kopf an Tobiramas Schulter. Sie waren eine Familie und Konoha standen friedliche Zeiten bevor. Alles war so, wie es sein sollte.
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