Es stand nicht gut um die Senju. Diese Schlacht ging nun schon seit Stunden, und allmählich wurden sie zurückgedrängt. Sie verloren mehr und mehr die Oberhand und konnten ihre Stellung nicht mehr lange halten. Schon jetzt verloren sie an Boden, und Tobirama hatte schon lange bemerkt, dass Hashirama sich darauf konzentrierte, Madara so lange wie möglich hinzuhalten, statt zurückzuschlagen.
Die Schlacht war verloren. Jetzt galt es, den Rückzug nicht zu einem Massaker werden zu lassen.
Die Flammen fauchten. Im letzten Moment sammelte Tobirama seine letzten Chakrareserven und beschwor einen Wasserdrachen herauf. Ohne eine natürliche Wasserquelle in der Nähe war es besonders anstrengend, und er war sich nicht sicher, ob er das noch einmal würde bewerkstelligen können, ohne Gefahr zu laufen, auf ein gefährlich niedriges Chakralevel zu fallen.
Brüllend wand sich der Wasserdrache empor und warf sich Izunas Feuerdrachen entgegen, eine Kreatur geboren aus puren Flammen und von Izunas Mangekyō befeuert. Dieses verfluchte Mangekyō, das so viel stärker war als ein gewöhnliches Sharingan. Izunas Katon-Jutsu wurden dadurch um ein vielfaches verstärkt, so sehr, dass Tobirama ernsthafte Schwierigkeiten hatte, dem noch zu begegnen.
Brüllend wandten sich beide Drachen umeinander. Sie bissen und schlugen aufeinander ein in einem wilden, brutalen Tanz der Elemente. Die Flammen zischten und flackerten, doch noch verloschen sie nicht. Rauch und Dampf stiegen von den beiden Kreaturen auf.
Tobiramas Wasserdrache wand sich um Izunas Feuerdrache, um seine Schwingen zu binden. Beide Kreaturen fielen zu Boden, eng umschlungen wie in einer tödlichen Umarmung zweier Liebender. Noch immer rangen sie brüllend miteinander, zerwühlten die Erde und hüllten den gesamten Kampfplatz in beißenden Rauch und heißen Dampf.
Tobirama hatte längst Deckung gesucht. Es war nie klug, in der Nähe dessen zu sein, was er und Izuna entfesseln konnten. Das musste er dem kleinen Wiesel einfach lassen, Izuna war stark, so stark, wie Tobirama es sonst bisher nur bei zwei anderen Shinobi erlebt hatte: ihren älteren Brüdern.
Eine Feuergarbe schnitt durch den Rauch. In letzter Sekunde warf sich Tobirama zur Seite … und kassierte einen schmerzhaften Tritt Izunas in seinen Rippen. Er rollte zur Seite und gab ein schmerzvolles Grunzen von sich.
»Kleine Ratte!« Er spuckte Blut.
»Das nehme ich als Kompliment.« Izunas Augen glommen deutlich im Rauch auf.
Hastig senkte Tobirama den Blick und bemühte seine Sensorfähigkeiten. Er brauchte nicht zu sehen, um Izuna zu bekämpfen.
Sein Raijin no Ken gab einen summenden Laut von sich, als er es schwang. Klirrend trafen ihre Klingen aufeinander, und dann wurde Tobirama mit einem Schmerzenslaut belohnt, als der Schock in Izunas Arm fuhr.
»Arschloch!«, fauchte Izuna.
Das Schwert war Tobiramas neueste Erfindung, Izuna war noch nicht vertraut damit. Gut. Tobirama würde das beste daraus machen, so lange Izuna noch nicht dahinter gekommen war, wie er diese Klinge kontern konnte. Im besten Falle würde er es nie herausfinden, weil Tobirama ihn vorher erledigte.
Er fürchtete, dass dies nicht der Tag war, an dem das geschah. Er war zu geschwächt. Eine weitere Feuergarbe, dieses Mal von Izunas Drachen, verfehlte sie beide nur knapp. Tobirama nutzte dies, um Distanz zwischen sich und Izuna zu bringen. Er sprang zu einer seiner weiter entfernten Hiraishin-Markierungen, und in jenem Moment versagte ihm seine Beine den Dienst.
Keuchend sank er auf die Knie und presste eine Hand auf seine schmerzenden Rippen. Er verzog das Gesicht. Kleine Ratte, fürwahr. Dass Izuna ihm so zusetzen konnte!
In einiger Entfernung biss Izunas Drache Tobiramas in den Hals und riss ihm die Kehle heraus. Das Jutsu löste sich auf, das Wasser verlor seine Form und platschte zu Boden. Doch auch die Flammen von Izunas Drachen waren mittlerweile merklich zusammengeschrumpft. In all dem Rauch konnte er Izuna nicht sehen, aber Tobirama konnte spüren, wie auch Izunas Chakra schwächer wurde und er schließlich gezwungen war, sein Jutsu zu lösen.
Er mochte an diesem Tag Tobirama zwar besiegt haben, aber immerhin hatte es auch ihn alles abverlangt.
Schwer atmend kämpfte sich Tobirama wieder auf die Beine. Der kurze Moment hatte gereicht, um ihn wieder etwas zu Atem kommen zu lassen. Dennoch keuchte er noch immer. Der Rauch des Schlachtfeldes, ein steter Begleiter in jedem Kampf mit den Uchiha, biss ihm in der Kehle und trieb ihm die Tränen in die Augen.
Er suchte Tōka und fand sie schließlich, wie sie den Rückzug organisierte. In der Ferne flammte Hashiramas Chakra ein letztes Mal auf und ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern, als sein Mokuton die Erde aufriss. Das genügte hoffentlich, um Madara davon abzuhalten, ihnen nachzusetzen. Tobirama kontrollierte mit seinen Sinnen, ob es seinem Bruder gut ging, und als er spürte, dass das der Fall war, schloss er sich Tōka an.
Geschlagen und demoralisiert traten sie den Rückzug an.
Sie zählten die Toten, aber eigentlich spielte die genaue Zahl keine Rolle. Jeder war einer zu viel. Tobirama verschloss sein Herz, als er vor den Gräbern stand, die sie ausgehoben hatten. Ein paar Körper waren noch intakt genug, um sie zu begraben. Immerhin.
Hashiramas übliches Lächeln war wie weggewischt von seinen Lippen, sein Gesicht dunkel vor Kummer. Es traf ihn immer so sehr, wenn sie ihre Toten zu Grabe trugen. Nicht immer konnte er alle Verletzten des Schlachtfeldes heilen, für manche war es schlicht zu spät.
Und Tobirama wusste, dass Edo Tensei keine Option war.
Nicht, dass er es Hashirama nicht eines Tages vorgeschlagen hatte, als er es nicht mehr ertragen hatte, seinen Bruder so zu sehen. Hashirama war, gelinde gesagt, nicht begeistert gewesen von der Idee, und Tobirama hatte den Gedanken schnell wieder verworfen, wenn auch nur um seines Bruders willen. Hashirama wurde immer so eigen, wenn Tobirama sein Jutsu zur Sprache brachte.
Aber etwas musste passieren, einfach irgendetwas. Das konnte so nicht weiter gehen.
In letzter Zeit verloren sie häufiger, als dass sie gewannen. Ihre Verluste schmerzten mit jedem Mal mehr, und egal, wie stark Hashirama und Tobirama auch waren, ganz gleich, was für clevere Taktiken sich Tōka ausdachte, sie fanden doch stets ihren Gegenpart im Uchiha-Clan und konnten nie die Kämpfe dominieren. Es war stets ein Kräftegleichgewicht. Doch zuletzt hatte es sich immer mehr zugunsten der Uchiha verschoben.
Sie standen an einem Kipppunkt, und wenn sie nicht bald etwas unternahmen, gäbe es kein Zurück mehr.
Während eine Handvoll Senju die Gräber zuschaufelte, wandte sich Tobirama wortlos ab und ging nach Hause. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, Zeit und Ruhe.
Noch immer fühlte er sich schwach vom letzten Kampf. Dieser lag zwar nun schon mehr als einen Tag zurück, doch noch immer hatte Tobirama nicht seine volle Stärke zurückerlangt. Zeichen genug, dass er beinahe zu weit gegangen war.
Er mochte körperlich noch nicht wieder auf Höchstform sein, aber das beeinflusste zum Glück nicht seine geistigen Fähigkeiten. Sein Weg führte ihn also direkt in sein Studierzimmer. Er schob die Gedanken an das karge Begräbnis weit von sich, und machte sich sogleich an die Arbeit.
Wie bekämpfte man Feuer am besten? Das war die alles entscheidende Frage. Tobiramas Chakra war eine Wassernatur, nicht ungewöhnlich für seinen Clan. Man mochte eigentlich meinen, das wäre von Vorteil im Kampf gegen die Uchiha, welche so außergewöhnlich viele Katon-Nutzer hervorbrachten. Und doch konnte Izuna ihm immer wieder von neuem die Stirn bieten, sein Feuer gar über Tobiramas Wasser obsiegen. Eine Entwicklung, die Tobirama zu denken gab.
Es war dieses neuartige Sharingan, das Madara und Izuna besaßen. Anders konnte sich Tobirama das nicht erklären. Damit hatten sie eine Reihe von mächtigen Jutsus erworben und konnten anscheinend auch ihr Katon damit verstärken. Sie waren gefährlicher denn je.
Tobirama verbrachte die nächsten Tage damit, seine Notizen zu diesem Mangekyō durchzugehen, zu ergänzen und Überlegungen anzustellen. Irgendwie musste er das doch kontern können.
So war es schon immer gewesen. Die Senju hatten einen Vorteil errungen und beim nächsten Mal waren die Uchiha gleichgezogen. Dann waren die wiederum mit etwas Neuem aufgetaucht, und dann hatte es an den Senju gelegen, sich um eine neue Strategie zu bemühen.
Ein kleiner Teil Tobiramas genoss das sogar, dieser kleine Teil, den er sich ungern eingestand, den er aber nicht wegignorieren konnte. Dieser Teil mochte es, sich mit Izuna zu messen. Es bereitete ihm Vergnügen, weil es ihn forderte. Einige seiner besten Kreationen gingen auf den Umstand zurück, dass er sich immer wieder neue Taktiken einfallen lassen musste, um Izuna weiter die Stirn zu bieten. Hiraishin wäre mit Sicherheit nicht dasselbe Jutsu, wäre sein Wettstreit mit dem lästigen kleinen Wiesel nicht.
Wenn Tobirama in Phasen wie diesen feststeckte, sah Hashirama gelegentlich nach ihm und brachte ihm Tee und Essen vorbei, weil er wusste, dass Tobirama so sehr in seinen Forschungen versunken war, dass er das gern einmal vergaß.
Hashirama streckte seinen Kopf zur Tür herein. Tobirama bemerkte es gerade einmal am Rande. Mit konzentrierter Mine starrte er auf die Schriftrolle vor ihm. Um ihn herum lagen mehr als ein Dutzend weiterer Rollen und noch mehr Notizzettel.
Als Tobirama nur abwesend reagierte, schob Hashirama die Tür gänzlich auf und trat ein. Er stellte das Tablett mit dem Tee auf den niedrigen Tisch ab, nachdem er einige der Rollen zur Seite geschoben hatte. Tobirama gab einen unwilligen Laut von sich. Hashirama sollte nicht in seiner Ordnung herum pfuschen.
»Otōto«, sagte Hashirama leichthin.
Tobirama warf ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu, dann las er weiter.
Kurzerhand setzte sich Hashirama neben ihn. Tobirama brummte. Hashirama würde das schon richtig übersetzten. Wahrscheinlich tat er es auch, entschied sich aber dazu, es zu ignorieren, denn er blieb.
»Vielleicht solltest du mal eine Pause einlegen«, schlug Hashirama vor. »Wie lange sitzt du da jetzt schon dran? Müsste der dritte Tag sein. Hast du geschlafen?«
»Ich bin kein Kind mehr, anija«, erinnerte Tobirama ihn.
»Jaha, ich weiß«, maulte Hashirama zurück. »Darf sich ein großer Bruder nicht mal mehr um seinen kleinen Bruder sorgen?«
Tobirama lag schon eine scharfe Bemerkung auf der Zunge, hielt sie aber im letzten Augenblick zurück. »Danke«, sagte er stattdessen. »Ich weiß das zu schätzen. Das hier ist allerdings wichtig.«
Hashirama seufzte. »Du bist auch wichtig. Und … und ich muss mit dir reden.«
Nun legte Tobirama die Schriftrolle doch zur Seite und wandte sich seinem Bruder vollends zu. »Worüber?«
»Wichtigen Kram.« Hashirama grinste, wurde dann aber wieder ernst. »Ich … ich weiß einfach nicht mehr weiter. Dieser Konflikt geht nun schon seit vielen Jahren so. Jahrzehnten eigentlich. Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, wo es jemals anders gewesen war. Das muss aufhören. Irgendwie.«
Ja, da hatte Hashirama auf jeden Fall Recht.
Aber dann würde er sich nicht mehr mit Izuna messen können, wisperte diese kleine Stimme in Tobirama.
»Nur wie? Ich hatte doch einmal einen Traum. Er scheint mir mehr denn je nur ein Traum zu sein. Ich sehe keinen Pfad mehr vor meinen Füßen, der irgendwie zu diesem Traum führen mag.«
Träume und Utopien waren etwas für Hashirama. Tobirama stand lieber mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen.
»Hast du irgendwelche neuen Erkenntnisse zu Madaras Mangekyō?«, fragte er daher.
Hashirama zuckte mit den Schultern. »Es scheint mir, als würde es ihn anstrengen, es über längere Zeit zu nutzen. Aber nun ja, wir sprechen immer noch von Madara. Er ist stur, er lässt sich so etwas nicht anmerken. Da muss man ihn schon genau kennen.«
»Komm zum Punkt, anija.«
»Oh. Ja. Nun, je mehr Druck ich ausübe, umso mehr Kraft muss er aufwenden, um dagegen zu halten.«
Und Hashirama konnte sprichwörtlich Berge versetzen. Aber wenn Madara selbst dem noch standhalten konnte, wusste Tobirama langsam nicht mehr, was sie noch ins Feld gegen ihn führen konnten.
Hashirama schien denselben Gedanken zu haben. »Feuer bekämpft man am besten mit Feuer. Aber wenn wir uns immer nur noch stärkere Techniken ausdenken, weiß ich nicht, ob wir damit nicht mehr Schaden anrichten, als wir Gutes tun. Ich weiß nicht, ob ich diesen Kampf wirklich kämpfen will. Es bricht den Kreis aus Gewalt nicht. Aber bisher hat Madara jedes meiner Angebote zu Verhandlungen abgelehnt. Ich weiß einfach nicht, wieso. Es ist, als würde ich ihn überhaupt nicht mehr kennen.«
Tobirama ließ seinen Bruder reden. Hashirama hing noch immer dem nach, was er einmal als eine Freundschaft bezeichnet hatte. Tobirama hatte da so seine Zweifel, aber das war vorerst nicht wichtig.
»Feuer mit Feuer bekämpfen …«, sinnierte er.
Hashirama sah ihn fragend an. »Hast du eine Idee?«
»Ich weiß noch nicht«, gestand Tobirama. »Ein flüchtiger Gedanke nur. Ich muss dem erst genauer nachgehen, dann werden wir sehen.«
Hashirama nahm es so hin. Er kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass er vorerst nicht mehr aus Tobirama herausbekommen würde. Stattdessen schob er ihm den Tee zu. »Aber erst einmal stärkst du dich!«
»Anija, pass doch auf! Meine Notizen!«
Hastig rettete Tobirama, was zu retten war.
Was wäre, wenn er nur ein Feuer fand, das stark genug war, um dem Madaras und Izunas zu begegnen? Er selbst besaß ein solches Feuer nicht. Aber er wusste, wo er eines finden konnte.
Es war eine Idee geboren aus reiner Verzweiflung. Tobirama gestand sich ein, dass er wirklich nicht mehr weiter wusste. Um den Clan stand es schlecht, und wenn Madara beschloss, es jetzt ein für alle Mal zu beenden, bestand die reelle Chance, dass er damit Erfolg haben könnte. Die Senju gaben sich stark wie eh und je, doch mit Augen, die nur gut genug waren, konnte man sehen, wie es wirklich um sie bestellt war. Die Zeit drängte. Eine Lösung musste in der Tat her.
Also beschloss Tobirama, sich einen Drachen zu suchen.
Es war reiner Irrsinn, er wusste das selbst, und das war auch der Grund, warum er Hashirama nichts davon sagte. Sein Bruder würde nur wieder Einwände haben. Jeder wusste, dass man die Drachen nicht aufsuchte. Schon die Schlangen der Ryūchi Höhle waren keine allzu freundlichen Zeitgenossen, und wer sich zu ihnen begab, kam selten unversehrt wieder aus der Sache heraus. Und dabei waren Schlangen nur mickrige Versionen ihrer großen Brüder, der Drachen.
Aber es war möglich, dessen war sich Tobirama sicher. Jedenfalls in der Theorie.
Bevor er irgendetwas unternahm, musste er jedoch Nachforschungen anstellen. Das Wissen über die Drachen war so rar und dürftig, und er kratzte alles zusammen, dessen er habhaft werden konnte. Irgendwie musste es doch möglich sein, zumindest einen von ihnen an sich zu binden. Bevorzugt keine feuerlose, flügellahme Echse.
Ein Plan formte sich. Wie es seine Art war, ging Tobirama alles minutiös durch, und doch sah er selbst all die Lücken, die er einfach nicht füllen konnte. Aber etwas Besseres fiel ihm einfach nicht ein.
Drachen waren mächtige mythische Kreaturen. Wo sie auftauchten, kochten die Meere und die Berge zerfielen zu Staub. Sie waren eine Feuer und Fleisch gewordene Naturkatastrophe. Wenn Tobirama auch nur einen von ihnen kontrollieren konnte, würden sie die Uchiha besiegen können.
Das Problem war, dass das bisher niemandem gelungen war.
Die Uzumaki mochten Theorien haben, wie man Bijū kontrollierte, kaum minder mächtige Kreaturen. Doch was Drachen anging, so schwiegen sie sich aus.
Tobirama starrte auf seine Notizen.
»Ach, scheiß drauf«, murmelte er und stand kurzerhand auf, um seine Sachen zu packen.
Es war mitten in der Nacht, und er sagte Hashirama kein Wort. Er hinterließ seinem Bruder lediglich eine kurze Nachricht, ihm nicht zu folgen. Wenn alles gut ging, wäre er nicht einmal lange fort, allerhöchstens wenige Wochen. In der Zeit würden die Senju schon nicht untergehen. Und wenn er wiederkam, wäre ohnehin alles anders.
Keine Stunde später brach er auf.
Drachen liebten das Gebirge, hieß es. Also führte Tobiramas Weg ihn hoch in den eisigen Norden. Es kam selten vor, dass er sich so weit vom Kerngebiet der Senju entfernte, tief hinein in feindliches Gebiet. Aber er war nur eine einzelne Person, er konnte sich gut ungesehen bewegen. Er vermied so gut es ging menschliche Siedlungen und blieb nie länger als nötig an einem Ort.
Es war beginnender Herbst, die Zeit der Stürme. Keine gute Zeit, um solch eine Reise zu unternehmen, aber Tobirama blieb nichts anderes übrig. Er konnte nicht warten, bis das Wetter wieder besser wurde, und mit dem bevorstehenden Winter würde es ohnehin erst einmal nur schlechter werden. Besser jetzt als nie.
Sein Weg wurde begleitet von andauerndem Regen, der das Wandern zu einer unangenehmen Erfahrung machte. Tobirama hatte schon Schlimmeres überstanden, er würde auch das aushalten. Wirklich ungemütlich wurde es erst, als er die Vorgebirge erreichte und sein Weg allmählich in immer höhere Lagen führte.
Die Winde pfiffen stärker, der Regen wurde eisiger und irgendwann einmal begann Schnee zu fallen. Tobirama hatte dicke Winterkleidung eingepackt und Siegel hineingearbeitet, die die Wärme hielten, und doch biss die Kälte in seine Haut. Hoch oben im Gebirge zu übernachten, zusammengekauert in engen Felsspalten mit einem spärlichen Feuer, war kein Zuckerschlecken. Tobirama hatte nicht vor, diese Erfahrung jemals wieder zu wiederholen.
Er tröstete sich darüber hinweg, dass es ihm immer mal wieder gelungen war, einen Hasen zu fangen. So musste er nicht nur von dem mageren Dörrfleisch und den geschmacklosen Proviantpillen leben, die er sich eingepackt hatte. Dann schlang er die dicke Wolldecke fester um sich, kauerte sich tiefer in die Felsspalte und versuchte wenigstens einige Stunden Schlaf zu finden.
Der Wind pfiff dennoch scharf um die Felskanten und wehte den Schnee herein. Zu Anfang hielt das Feuer noch das Gröbste ab, doch nach einigen Stunden war es heruntergebrannt und glomm nur noch schwach. Als Tobirama nach kurzem, wenig erholsamen Schlaf sein Lager abbrach, musste er den Schnee von seiner Decke klopfen.
Er führte Kletterausrüstung bei sich, denn selbst mit Chakra war es kein Leichtes, im Gebirge zu klettern. Er war kein geübter Kletterer, vertraute aber darauf, dass er mit all den Seilen und zusätzlich seinem Chakra schon genug gesichert wäre.
Der Himmel war an jenem Tag klar, doch der Wind eisig und scharf. Er biss in die Haut und ließ die Kälte bis in die Knochen dringen, egal wie dick sich Tobirama einpackte. Er trug Handschuhe und eine fellbesetzte Kapuze und hatte seinen Pelzkragen fest um seinen Hals geschlungen, und doch war das bisschen Haut, das in seinem Gesicht der Kälte ausgesetzt war, bald schon gerötet und eisig kalt.
Sein Weg führte ihn immer weiter die Berge hinauf, ein langer, kräftezehrender Marsch von mehreren Stunden. Er wusste nicht genau, wo er fündig werden würde … oder wonach genau er überhaupt Ausschau halten musste. Niemand wusste etwas genaues über Drachen.
Ihm kam der Gedanke, dass es eine reale Möglichkeit wäre, hier und heute als gerösteter Nachmittagshappen zu enden. Er hoffte, dass es nicht so weit kommen würde. Drachen waren vernunftbegabte Kreaturen, keine wilden Bestien.
Die Stille hier oben war gespenstisch. Vielleicht waren es nur seine angespannten Nerven, aber Tobirama hatte das Gefühl, dass er schon lange beobachtet wurde, doch er konnte nichts ausmachen. In der Ferne sah er einen Kondor kreisen und einmal meinte er auch, einige Gämsen eine nahezu senkrechte Steilwand erklimmen zu sehen, doch sie waren so weit weg, dass er sich nicht sicher war. Das war alles, was er an Leben ausmachen konnte.
Hoch oben in den Bergen, das war alles, was er jemals zum Aufenthaltsort der Drachen gelesen hatte. Also stieg er so hoch auf, wie er nur konnte.
Irgendwann einmal konnten seine Füße allein ihn nicht weitertragen und er musste auf seine Kletterausrüstung zurückgreifen. Chakra würde es ihm zwar einfacher machen, die Felswand vor ihm zu erklimmen, doch der Fels war scharfkantig und brüchig. Noch immer konnte ihm leicht etwas unter den Händen und Füßen wegbrechen.
Langsam und vorsichtig machte er sich an den Aufstieg. Der Wind riss an seiner Kleidung, also versuchte er sich so nah wie möglich an der Wand zu halten, um wenig Angriffsfläche zu bieten. Er fühlte sich wie eine dieser Gämsen, nur dass er anscheinend nicht der Gravitation widerstehen konnte wie sie. Er brauchte wesentlich länger, um die Felswand zu erklimmen.
Drachen lebten einzeln, hatte er gelesen, und jeder beanspruchte ein gigantisches Revier für sich selbst. Es war wie die Suche im Heuhaufen. Der Gebirgszug war groß und unwegsam. Tobirama hatte keinerlei Anhaltspunkte, ob er hier auf dem richtigen Weg war. Er tappte ahnungslos umher und konnte nur hoffen, nicht aus Versehen einem Drachen auf den Schwanz zu treten, weil er ihn nicht eher gesehen hatte.
Nach über einer Stunde hatte er schließlich die obere Kante erreicht. Schwer atmend zog er sich über die Kante und nahm sich einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. Hier oben war die Luft dünn und egal wie tief er einatmete, er hatte immer das Gefühl, nicht genug Sauerstoff zu bekommen. Er war solche Höhen einfach nicht gewohnt.
Tobirama fand sich auf einem verschneiten Hochplateau wieder. Schwach erkennbare Erhebungen in der Schneedecke deuteten an, dass sich darunter Felsen verbargen, die hier und da durch den Schnee hindurch lugten.
Tobirama kniff die Augen zusammen, denn die Sonne auf dem blütenreinen Schneefeld blendete ihn. Er kramte in seinem Gepäck und fand die Schneebrille, die er sich eingepackt hatte. Auf Schneeschuhe hatte er verzichtet, denn mit Chakra war er in der Lage, auf dem Schnee zu laufen, ohne allzu tief einzusinken.
Er stand auf, schulterte erneut sein Gepäck und prüfte den Sitz seines Bogens über seiner Schulter und seiner sonstigen Waffen, die er bei sich führte. Nur für den Fall, dass eventuelle Verhandlungen scheitern sollten. Dann sah er sich um. Nichts weiter als eine weite offene Schneefläche. Der Wind fegte hier und da Schnee auf und wirbelte ihn herum, doch ansonsten war hier nichts zu sehen. In der Ferne konnte Tobirama jedoch weitere Gipfel ausmachen. Weil er ohnehin keinen besseren Anhaltspunkt hatte, hielt er darauf zu. Hoffentlich würde er bis zur einbrechenden Dämmerung Schutz gefunden haben. Er wollte die Nacht nicht hier draußen verbringen.
Er lief los.
Unter seinen Füßen brach eine Lawine los.
Mit einem Male begann der Schnee unter ihm sich zu bewegen. Er bäumte sich auf, strömte davon wie eine Ozeanwelle. Tobirama ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, und wäre doch beinahe unter all dem Schnee begraben worden.
Vor ihm stand ein gigantischer, eisblauer Drache. Es waren keine Felsen gewesen, die da unter dem Schnee begraben waren.
Der Drache war riesig. Mit Leichtigkeit hätte er ein ganzes Haus unter sich begraben können. Sein ganzer Körper war mit schillernden Schuppen bedeckt, die in allen nur erdenklichen Blautönen schienen. Wie als wäre er über und über mit Saphiren bedeckt. Sein Kopf war bekränzt mit alabasterfarbenen Hörnern, die größten von ihnen mit Leichtigkeit mindestens so lang wie Tobirama, und auch die Klauen des Drachen waren Speere. Als er sich aufrichtete und seine Flügel drohend ausbreitete, warfen sie riesige Schatten. Sein Schwanz peitschte durch den Schnee und warf ganze Eisschollen in die Luft, die unter dem Schnee verborgen worden waren. Auch der Schwanz war mit langen, tödlichen Dornen besetzt.
Feuer glomm unheilvoll im Maul des Drachen auf.
Hastig stolperte Tobirama zurück und tastete instinktiv nach seinem Bogen. Er war weg. Panisch sah er sich um und entdeckte seine Waffe zu Füßen des Drachen. Mit einem Male wirkte dieses bisschen Holz und Sehne lächerlich im Vergleich zu der Urgewalt, die sich vor ihm aufgetürmt hatte.
Tobirama fügte sich in sein Schicksal. Er richtete sich auf, streckte die Schultern durch und reckte das Kinn.
»Ich bin gekommen, um mit den Drachen einen Vertrag abzuschließen als mein Vertrauter Geist«, sagte er mit möglichst fester Stimme.
Niemals einem Drachen in die Augen schauen, erinnerte er sich. Ob da etwas Wahres dran war, wusste er nicht, aber er wollte es nicht herausfinden.
Schwer ließ sich der Drache wieder zu Boden sinken und faltete die Flügel zusammen. Sein riesiger echsenhafter Kopf schwang an einem langen, eleganten Hals hin und her, als würde er Tobirama von allen Seiten genau betrachten.
»Lässstige Erdläufer«, zischte er. »Niemalssss zwingt ihr unssss in die Sssssklaverei.«
»Keine Sklaverei«, widersprach Tobirama. »Ein Vertrag zum beiderseitigen Nutzen.«
»Ihr habt nichtsss, das unsss von Nutzen wäre. Du bissst ohne meine Erlaubnisss in mein Königreich eingedrungen. Darauf antworte ich nur mit dem Tod.«
»Halt, warte!«, rief Tobirama. »Das war nicht meine Absicht, das schwöre ich! Sicher können wir zu einer sinnvollen Einigung kommen.«
»Lässstige Erdläufer!«, wiederholte der Drache mit donnernder Stimme. Sein fauliger Atem erstickte Tobirama beinahe. »Diesss ist mein Reich! Mein Ruheort! Niemand stört mich hier ungestraft!«
Das lief ja wunderbar. Tobirama wollte noch irgendwie versuchen zu retten, was zu retten war, da sah er sich bereits einem Maul voller schwertartiger Fänge gegenüber. In letzter Sekunde warf er ein Hiraishin-Kunai und rettete sich vor einem Schicksal als Appetithappen. Der Drachen bekam lediglich ein Maul voll Schnee zu fressen.
Wütend brüllte er auf und wirbelte herum. Der Schnee nahm Tobirama die Sicht, aber der Drache war so groß, dass er nicht zu übersehen war. Hektisch sah er sich um. Wo nur war sein Bogen? Da! Ausgerechnet zwischen den Klauen des Drachen.
In Windeseile erzeugte er mehrere Schattendoppelgänger, um den Drachen abzulenken, und warf dann erneut mehrere Kunai. Mit dem ersten teleportierte er sich direkt zu seinem Bogen und griff ihn sich. Mit dem zweiten brachte er sich außerhalb der Reichweite der Pranke, die auf ihn niedersauste.
Wütend brüllte der Drache auf. Es hallte von den fernen Berghängen wieder.
Was konnte er jetzt noch tun, um die Situation zu retten? Tobirama wusste, dass der Drache ein sehr ernstzunehmender Gegner war. Aber vielleicht konnte er ihn dennoch dazu zwingen, den Vertrag mit ihm einzugehen, wenn Tobirama ihn nur besiegte. Eine schwache Hoffnung, er wusste das selbst. Aber einen besseren Plan hatte er nicht.
Einer seiner Doppelgänger warf ein Kunai mit angehefteter Briefbombe. Die Bombe explodierte dem Drachen mitten ins Gesicht. Erneut brüllte er wütend auf. Er bäumte sich auf, Feuer glomm in seiner Brust. Dann brach ein Inferno über Tobirama herein.
Er konnte sich in letzter Sekunde in Sicherheit bringen, doch seine Schattendoppelgänger mussten daran glauben. Das Feuer verzehrte alles in seinem Weg und schmolz eine tiefe Furche in den Schnee. Dampf stieg in der eisigen Luft auf.
Erneut breitete der Drache seine Schwingen aus und stieg auf die Hinterbeine. Mit einem gewaltigen Satz warf er sich in die Luft. Dröhnend schlugen seine Schwingen auf und nieder und wirbelten erneut Schnee auf.
Tobirama tastete nach einem Pfeil und legte ihn an die Sehne. Er hatte gehofft, dass es nicht so weit kommen würde.
Der Drache über ihm zog einen weiten Kreis und drehte dann über einem Flügel ab. Er tauchte hinab, riss sein Maul weit auf … und Tobirama schoss.
Mit einer Wendigkeit, die man einem solch massiven Körper nicht zutraute, warf sich der Drache herum und der Pfeil prallte wirkungslos an seinem dicken Brustschuppen ab. Tobiramas fluchte. Diese verdammte Echse war schnell! Er suchte nach irgendwelchen Schwachstellen, und konnte doch keine ausmachen. Nicht eine einzige lose Schuppe am Bauch.
Frustriert wollte Tobirama seinen Bogen schon fortwerfen, als ihm doch noch eine Idee kam. Hastig kramte er nach einer weiteren Briefbombe und wickelte sie um die Spitze des nächsten Pfeiles.
Der Drache war indes einen weiteren Bogen geflogen, um erneut anzugreifen. Er war riesig, aber auch unfassbar schnell, und Tobiramas bevorzugte Waffe war nicht der Bogen. Dennoch versuchte er sich an diesem Schuss.
Er suchte sich einen festen Stand und zog die Sehne bis zum Ohr. Die Federn kitzelten seine Wange. Sein Herz schlug ihm bis zu Hals, dennoch gelang es ihm, dass seine Finger nicht zitterten. Selbst er sah nicht alle Tage dem Tod direkt ins Maul.
Mit weit ausgebreiteten Schwingen schoss der Drache auf ihn zu. Tobirama nahm Maß. Der Pfeil schnellte von der Sehne.
Er verfehlte sein Ziel und streifte das Flügelgelenk nur. Dennoch war es genug, denn die Haftbombe explodierte im richtigen Moment. Es reichte, um den Drachen ins Taumeln zu bringen. Dieses Mal meinte Tobirama, klang sein Brüllen schmerzerfüllt.
Dem Drachen gelang es, sein Taumeln in einen kontrollierten Sturz umzuwandeln. Dennoch krachte er unsanft zu Boden. Schnee spritzte auf.
Schnee war im Grunde nichts weiter als gefrorenes Wasser. Dass er das noch nie vorher ausprobiert hatte, wunderte Tobirama für einen winzigen Moment. Dann hatte er keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, und handelte einfach.
Es fühlte sich an, als würde er statt weichen, leichten Wassers einen Schleimblock bewegen wollen, schwer und träge und unnachgiebig. Mehr als einige sich aufbäumende Wellen im Schnee brachte er nicht zustande, aber es reichte bereits, um den Drachen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er zischte wütend.
Tobirama sah sich einer weiteren Feuerwand gegenüber.
Mit einem Hiraishin brachte er sich außerhalb der Reichweite und beschwor gleichzeitig erneut einen Doppelgänger herauf, um den Kampfplatz mit weiteren Markierungen zu versehen.
Dass so ein lästiges kleines Insekt es geschafft hatte, ihn aus dem Himmel zu holen, schien den Drachen in Rage zu versetzen. Wild schlug er um sich, immer wieder gefolgt von weiteren Feuerstößen. Der Schnee um ihn herum schmolz in Strömen dahin und enthüllte einen grauen Felsboden bedeckt mit Geröll, der bald schon von Ruß gezeichnet wurde.
Der Schnee schmolz. Und das bedeutete flüssiges Wasser. Tobirama zögerte nicht einen Augenblick lang.
Mit fliegenden Händen ging er durch die Fingerzeichen für sein Jutsu. Er sammelte all das Wasser, dessen er habhaft werden konnte, und fügte noch sein eigenes Chakra hinzu.
Wasser konnte hart wie Stahl sein und Knochen brechen, wenn es nur mit genug Wucht und gebündelt aufprallte. Tobirama ging davon aus, dass Drachen ähnlich wie Vögel einen leichten Knochenbau hatten, damit sie fliegen konnten. Hoffentlich käme ihm das zugute.
Er bündelte das Wasser zu einem dünnen Strahl und schoss es auf den Drachen ab. Es hatte den gewünschten Effekt. Mit voller Wucht prallte das Wasser auf den Drachen und warf ihn zurück. Er riss sein Maul auf und brüllte seinen Zorn in die Berge hinaus. Flammen züngelten um sein Maul.
Bevor er zu einem Gegenangriff ansetzen konnte, teleportierte sich Tobirama zu einer seiner Markierungen und wiederholte das ganze noch einmal. Und wieder und wieder und wieder. Immer wieder griff er den Drachen aus allen möglichen Richtungen an und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Brüllend warf sich der Drache herum und versuchte immer wieder, an Tobirama heranzukommen. Doch Tobirama zielte auf seine Flügel. Das Wasser zerriss die dünne Membran mit Leichtigkeit, Blut floss aus den Rissen und färbte den Schnee rot. Es zischte, wo das dunkle, fast schwarze Blut auf den reinweißen Schnee traf.
So nahm Tobirama seinem Gegner die Flugfähigkeit, der Drache konnte nun seinen größten Vorteil nicht mehr nutzen. Das stachelte seine Wut jedoch nur umso mehr an und setzte ungeahnte Kräfte in ihm frei. Hatten Tobiramas Angriffe ihn anfangs noch umwerfen können, so grub er nun seine Klauen tief in den Fels, um sich so mehr Halt zu verleihen.
In einem der kurzen Momente, die Tobirama brauchte, um seinen nächsten Angriff vorzubereiten, warf sich der Drache nach vorn. Wie eine Katze mit ausgestreckten Pranken sprang er hoch in die Luft und machte einen weiten Satz nach vorn, die Flügel weit ausgestreckt, um das letzte bisschen Gleitfähigkeit zu nutzen, die sie ihm bieten konnten.
Damit hatte Tobirama nicht gerechnet. Er hatte gedacht, seinen Gegner endlich besiegt zu haben. Er hätte solch einen Fehler nicht machen dürfen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das riesige Ungetüm, das sich da auf ihn stürzte. Instinktiv hielt er sein Raijin no Ken vor sich, ganz ungeachtet des Fakts, dass so eine mickrige Waffe wohl kaum etwas gegen einen Drachen würde ausrichten können.
Der Drache landete vor ihm, seine Klauen gruben tiefe Furchen in den Boden. Sein weit aufgerissenes Maul senkte sich über Tobirama. Tobirama stieß sein Schwert nach oben. Gewaltige Kiefer schlossen sich um ihn. Dunkelheit umschloss ihn.
Das Schwert bohrte direkt durch den Schädel des Drachen in sein Hirn, das von den Elektrostößen des Schwerts umgehend frittiert wurde. Vielleicht hatte der Drache noch nicht einmal gespürt, was ihn da getötet hatte. Er fiel um, wie ein gefällter Baum.
Es war Tobiramas Glück, dass der Drache groß genug war, um ihn im Ganzen zu verschlingen. So entging er um Haaresbreite den Fängen des Drachen. Er klammerte sich mit aller Macht an den Griff seines Schwertes, während er zwischen Gaumen und Zunge eingeklemmt war. Er würgte, denn der Gestank war bestialisch. Er wollte nicht wissen, wie lange hier schon Überreste frühere Mahlzeiten vor sich hin rotteten.
Er konnte noch spüren, wie der Drache zu Boden krachte und in seinen letzten Todeswindungen zuckte. Dann wurde alles still.
Für einen Moment rührte sich auch Tobirama nicht. Sein Herz raste, und das war das einzige, das ihm verriet, dass er noch lebte, so unglaublich das auch klang.
Dann wurde der Gestank unerträglich. Er presste seinen Rücken gegen den Gaumen des Drachen und seine Füße gegen den Unterkiefer. Dann stemmte er das Maul auf. Er musste einige Kraft dafür aufbringen, doch es gelang ihm schließlich. Die nächste Hürde bestand darin, aus dem Maul zu kriechen, ohne sich an den Zähnen zu verletzen. Auch das überstand er nur mit einigen Kratzern.
Das waren überhaupt die einzigen Verletzungen, die er aus diesem Kampf davon trug. Er hatte einen Drachen erlegt und war Wunder über Wunder nur mit leichten Verletzungen davon gekommen. Wie ihm das gelungen war, wusste er selbst nicht.
Von Kopf bis Fuß vom Geifer des Drachen besudelt, besah er sich sein Werk. Der riesige Körper lag hingestreckt vor ihm, die Flügel zerfetzt und verdreht. In den Augen des Drachen stand kein Leben mehr.
»Scheiße.«
Das hatte er so nicht geplant. Er war doch hierher gekommen, um einen Vertrag mit einem Vertrauten Geist abzuschließen, und nicht, um sich als Drachentöter zu beweisen. Aber hätte er das nicht getan, wäre er jetzt nichts weiter als ein appetitlicher Happen am Nachmittag und damit wäre auch niemandem geholfen.
Tobirama grummelte missmutig. Er könnte sich ja zumindest ein paar Trophäen aus diesem Kampf mitnehmen, überlegte er sich. Sicher wäre es interessant, Teile des Körpers zu untersuchen. Und so ein Drachenzahn an einer Kette schindete sicher Eindruck. Nicht dass es Izuna abhalten würde, sich weiter mit Tobirama zu messen.
Tobirama brach dennoch einen Zahn aus dem Kiefer. Und dann kam ihm die Erleuchtung.
Ja, der Drache war tot. Aber das musste nicht so bleiben.
Mit dem Zahn in der Hand trat Tobirama einen Schritt zurück und besah sich erneut den Körper, der vor ihm aufragte. Dafür hatte er Edo Tensei zwar nicht erfunden, aber es könnte funktionieren. Der Drache war erst wenige Minuten tot. Mit leichten Veränderungen an der Siegelformel und ohne ein Schwert im Hirn könnte das Jutsu Erfolg haben.
Da er ohnehin nichts zu verlieren hatte, kroch Tobirama erneut in das Maul des Drachen und zog sein Schwert aus dem Schädel. Es saß fest und er musste kräftig daran zerren, um es zu befreien. Danach schrubbte er sich notdürftig mit Schnee ab, um die gröbsten Verunreinigungen zu entfernen, und kramte sein Siegelpapier aus seinem Gepäck. Er schrieb die Formel mit dem Blut des Drachen, das noch am Schwert haftete. Dann positionierte er sich hinter dem Schädel der Kreatur. Edo Tensei hielt zwar im ersten Moment die Beschworenen gebunden, aber das war nur so lange gedacht, bis Tobirama sie mit dem Siegel vollends kontrollieren konnte. Er wollte nicht riskieren, dass der Drache aus seiner Bindung ausbrach, also musste er schnell handeln.
Dann aktivierte er das Jutsu.
Zuerst zuckten die Klauen des Drachen, gefolgt von seinen Flügeln. Seine Augen rollten, und bevor er irgendetwas anderes machen konnte, versenkte Tobirama das Kunai mit dem Siegel im Schädel des Drachen. Ein Schaudern ging durch den gewaltigen Körper. Die ausgekugelten Flügelgelenke rasteten hörbar wieder ein. Staubpartikel sammelten sich und fügten die zerrissene Flügelmembran wieder zusammen.
Der Drache richtete sich auf.
Seine Augen schienen in einem eisigen Blau, so blau wie das kälteste Eis, als er auf Tobirama hinabblickte. Doch nun lag keine Mordlust mehr in diesem Blick, kein Feuer flammte auf und drohte Tobirama zu vernichten. Ruhig stand der Drache, sein Drache vor ihm und erwartete seine Befehle.
Tobirama deutete auf einen Flecken blanken Felsens. »Speie Feuer.«
Sein Drache schwenkte den Kopf herum und riss das Maul auf. Das Feuer hinterließ eine schwarze Brandspur auf dem Felsen.
»Leg dich hin.«
Sein Drache legte sich flach auf den Boden, den Kopf gesenkt, sodass Tobirama mit ihm auf Augenhöhe war.
»Breite die Flügel aus.«
Sein Drache tat auch das anstandslos.
Tobirama betrachtete sein Werk zufrieden. Das war so zwar definitiv nicht geplant gewesen, aber es hatte doch seine Vorteile. Er sammelte seine Ausrüstung auf, die er im Kampf verloren hatte, und kletterte dann über einen der Flügel auf den Rücken seines Drachen.
Wie ritt man eigentlich einen Drachen?
Für einen kurzen Moment kam Tobirama der Gedanke, dass das blanker Wahnsinn war, was er hier machte. Aber jetzt war er schon so weit gekommen, jetzt würde er es auch zu Ende bringen. Vorsichtig hangelte er sich entlang der scharfen Rückendornen, die sich als Wirbelfortsätze über den ganzen Nacken und Rücken des Drachen zogen. Dort, wo der Hals in den Rücken überging, sah Tobirama eine kleine Kuhle, die ihm geeignet schient. Dort setzte er sich hin.
Weil er sonst nichts anderes hatte, klammerte er sich an die beiden Dornen, die er vor sich sah. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, und hoffte, dass das nicht das letzte wäre, was er in seinem Leben tat. Es wäre ein spektakulärer Tod, fürwahr. Nur leider würde niemals jemand davon erfahren.
»Flieg«, befahl er.
Obwohl er den Startvorgang bereits beobachtet hatte, wusste Tobirama nicht, wie ihm geschah. Es gab einen gewaltigen Ruck, und das nächste, was er wusste, war wie der Boden sich rasant von ihm entfernte. Der Flugwind riss an seinen Kleidern, und er klammerte sich mit aller Kraft an die Dornfortsätze. Dennoch hätte er beinahe den Halt verloren, egal wie flach er sich auf den Rücken seines Drachen presste.
zu Anfang schlugen die Flügel noch gewaltig auf und ab, dass es regelrecht in Tobiramas Ohren dröhnte. Er spürte kraftvolle Muskeln unter sich arbeiten, als der Drache der Gravitation widerstand und sich in eisige Höhen schwang. Er mochte am Boden bereits ein tödlicher Kontrahent sein, doch hier in der Luft war er in seinem Element.
Der Wind trieb Tobirama die Tränen in die Augen, trotz der Schneebrille, die er noch immer trug. Dennoch wollte er den allerersten Flug seines Lebens nicht mit zusammengekniffenen Augen verbringen. Er blinzelte und versuchte so gut es ging sein Gesicht zu schützen. Dann sah er sich um.
Sie waren bereits in schwindelerregende Höhen aufgestiegen und die Welt schrumpfte unter ihnen zusammen. Sie lag ausgebreitet da wie eine Karte, winzig und fern. Tobirama konnte so weit blicken wie noch nie zuvor. Die Luft war klar und nicht länger war seine Welt begrenzt. Ihm war danach, die Hände jubelnd in die Höhe zu recken, als eine plötzliche Euphorie ihn überkam. Er hielt sich im letzten Moment davon ab, weil das sicher keine gute Idee wäre. Dennoch grinste er breit.
Er flog. Er hatte es wahrhaftig geschafft. Am Ende war zwar alles anders gekommen, als er das geplant hatte, aber das Ergebnis zählte. Und das ließ sich sehen.
Er befahl seinem Drachen, nach Hause zu fliegen.
Die Aufregung war groß, als der riesige Schatten des Drachen über die Siedlung hinweg zog. Die Leute schrien panisch durcheinander, und Tobirama sah bereits Hashirama aus ihrem Haus rennen, um sich auf einen Kampf vorzubereiten. Er befahl seinem Drachen, eine lange Kurve zu fliegen, sodass seine Clanleute sehen konnten, dass jemand auf dem Rücken der Kreatur saß. Das legte die Aufregung zwar nicht, aber zumindest griff Hashirama nicht sofort an. Er konnte ja nicht wissen, was sein Bruder vollbracht hatte.
Mit kräftigen Flügelschlägen landete der Drache im Zentrum der Siedlung. Staub wurde aufgewirbelt und der Windzug war stark genug, um etliche leichtere Dinge mitzureißen, die nicht befestigt waren. Ein Raunen ging durch die Umstehenden, als sie sahen, dass der Reiter Tobirama war.
Hashirama bahnte sich unter Einsatz seiner Ellbogen einen Weg durch die Umstehenden, während Tobirama bereits über den Flügel hinweg von seinem Drachen stieg. Der Ritt hierher hatte ihn nur einen Tag gedauert, inklusive der Rast, die er in der letzten Nacht eingelegt hatte, um sich zu reinigen und dann zu schlafen. Seine Glieder fühlten sich noch immer steif an vom langen Sitzen auf dem Drachenrücken, und die scharfen Schuppen hatten an seinen Beinen gescheuert. Auf kurz oder lang würde er sich überlegen müssen, wie ein Sattel für einen Drachen aussehen konnte. Für den Moment streckte er lediglich seine kalten Finger, um wieder Blut durch sie fließen zu lassen. Es war aufregend gewesen, aber nicht gerade gemütlich.
Hashirama starrte ihn groß an und ahmte einen Fisch an Land nach. Es war selten, ihn sprachlos zu erleben. Wortlos zog er Tobirama in eine knochenbrechende Umarmung.
Tobirama gab einen erstickten Laut von sich. Dann klopfte er Hashirama auf den Rücken, um ihm zu versichern, dass alles gut war.
»Was hast du bloß gemacht, Tobirama!«, brachte Hashirama schließlich doch aufgebracht hervor und hielt Tobirama auf Armeslänge von sich, um ihn zu mustern.
Tobirama deutete auf seinen Drachen. »Das siehst du doch. Ich habe uns eine stärkere Waffe besorgt.«
Anscheinend erreichten seine Worte Hashirama nicht. »Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht, otōto! Mach doch so etwas nicht!«
Tobirama kniff die Augen zusammen. »Irgendetwas musste aber getan werden, und das schien mir die einzige Lösung zu sein. Hast du meine Nachricht nicht gefunden?«
»Doch, natürlich. Und dann hab ich mir angesehen, woran du zuletzt gearbeitet hast, und bin fast gestorben vor Sorge!« Er sah vorwurfsvoll auf Tobirama hinab.
Wie er diesen Blick hasste. Dieser Blick, der sagte: »Ich bin immer noch dein großer Bruder, und du machst das, was ich will.« Leider funktionierte das noch immer bei Tobirama. Genau deswegen hatte er das hier durchgezogen, ohne irgendwen darüber zu informieren.
»Du machst dir unnötige Sorgen, anija«, schollt er seinen Bruder. »Am Ende hat es funktioniert.«
Hashirama sah ihn skeptisch an. »Ich hab mindestens zehn graue Haare mehr seitdem.« Dann betrachtete er doch den Drachen und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich kann nicht fassen, was ich da sehe. Wie hast du das bloß gemacht, Tobirama?«
»Ursprünglich wollte ich einen Vertrag mit den Drachen als meinem Vertrauten Geist abschließen, aber davon wollte er nichts hören. Ich war gezwungen, ihn zu töten. Wie sich herausstellte, funktioniert Edo Tensei auch bei Drachen, was vielleicht sogar ein bessereres Ergebnis ist als das, was ich ursprünglich im Sinn hatte. Du weißt von der Unzerstörbarkeit von Edo Tensei.«
Auf Hashiramas Gesicht rangen Unglauben, Erstaunen und Unwohlsein sichtlich miteinander. Was hatte er nur? Das war die Lösung all ihrer Probleme. Die Uchiha würden da nie mithalten können.
Hashirama atmete tief durch. »Ich bin zwar immer noch ärgerlich mit dir, dass du dich einfach so in so große Gefahr begeben hast, aber ich bin auch froh, dass du unbeschadet wieder zurückgekommen bist. Und ja, ich geb‘s zu, ich bin auch stolz auf dich, dass so so etwas total Verrücktes zustande gebracht hast. Nur … So ganz wohl ist mir da trotzdem nicht dabei. Tobirama, ich glaube, wir zwei müssen mal in Ruhe reden.«
Tobirama hatte Hashiramas Plan zugestimmt, wenn auch nur, um das Gewissen seines Bruders zu beruhigen. Sie beide wussten um die zerstörerische Kraft auch nur eines einzigen Drachen. Und nun befehligte Tobirama einen Drachen. Auch Tobirama stand nicht der Sinn danach, ganze Landstriche zu entvölkern, nur um endlich die Uchiha zu besiegen. Der Krieg musste enden, ein für alle Male, doch nicht um diesen Preis. Er wäre zu hoch. Vielleicht sah Madara ja jetzt ein, dass er nicht mehr obsiegen konnte.
Hashirama hoffte darauf, doch Tobirama glaubte nicht daran.
So unausweichlich wie der Wechsel der Jahreszeiten kam es früher oder später wieder zum Kampf mit ihren alten Feinden. Tobirama hatte seinem Bruder versprochen, seinen Drachen zunächst noch zurückzuhalten und ihn nicht sogleich zu entfesseln. Hashirama hatte darauf bestanden, Madara erst Vernunft einreden zu wollen. Da Tobirama bereits ahnte, wie das enden würde, hielt er sich trotzdem für den Alternativplan aus. Und der sah Feuer vor.
Feuer mit Feuer bekämpfen. Vielleicht wirklich der einzige Weg zum Frieden. Hoffentlich würde aus der Asche etwas Neues entstehen können.
Madara erwartete sie bereits mit seinen Clanleuten, als auch die Senju den Kampfplatz erreichten. Wie immer standen Madara und Izuna ganz vorn, selbstsicher und arrogant wie eh und je.
Hashirama trat vor, Tobirama an seiner Seite. Madara und Izuna taten es ihnen gleich und auf halbem Wege zwischen beiden Armeen trafen sie sich. Sie standen weit genug auseinander, dass sie sich noch gut verstehen konnten, wenn sie etwas lauter sprachen. Keiner wollte hier dem anderen die Hand schütteln.
Wie hatte es sein können, dass Hashirama und Madara jemals Freunde gewesen waren? Und warum hielt Hashirama noch immer daran fest? Es zerriss ihn innerlich, Tobirama sah es, und er mochte es nicht, seinen Bruder so leiden zu sehen. Sie hätten das schon vor Jahren zu einem schnellen, schmerzlosen Ende bringen sollen.
»Hey, Tobirama, hab gehört, du hast neulich einen kleinen Urlaub unternommen«, rief Izuna zu ihnen herüber. »Wirst wohl alt, was?«
Tobirama ging nicht darauf ein.
»Madara, hast du mein Schreiben erhalten?«, fragte Hashirama.
»Ja, und?« Madara war anscheinend nicht sonderlich beeindruckt davon. »Irgendein neuer Mist, den dein Bruder sich ausgedacht hat. Was soll‘s mich interessieren?«
Hashirama machte ein ernstes Gesicht. »Wir müssen das hier beenden, Madara. Du weißt das so gut wie ich. Unsere Clans sind ausgeblutet und müde. Wir können nicht ewig so fortfahren, irgendwann einmal wird es keine Clans mehr geben, die sich noch gegenseitig bekämpfen können.«
»Falsch«, betonte Madara. »Die Uchiha wird es noch geben, weil ich sie beschützen werde. Ich werde nicht zulassen, dass ihr uns auslöscht.«
»Du weißt, dass ich dasselbe mit meinem Clan tue«, hielt Hashirama dagegen. »So, wie du deinen Clan beschützt, beschütze ich meinen. Und so wird es auch immer sein, wenn wir da nicht ausbrechen. Ich glaube immer noch fest daran, dass wir gemeinsam handeln können, statt uns immerzu zu bekriegen. Aber für diesen Traum, den wir einmal hatten, braucht es zwei: mich und dich.«
Madara schnaubte. »Pah. Kindheitsalbereien! Werd erwachsen, Hashirama. Das waren nie mehr als Albernheiten zweier dummer Jungen. Ich bin nicht mehr dieser Junge.«
»Ich auch nicht, Madara.«
Ein fernes Brüllen drang zu ihnen.
Irritiert merkten Madara und Izuna auf. Sie wussten offensichtlich nichts mit diesem Geräusch anzufangen und taten es bald wieder ab.
Ein gigantischer Schatten zog über sie hinweg, begleitet von einem weiteren Brüllen des Drachen. Nicht einmal Madara ließ das noch kalt, als der Drache über ihre Köpfe hinweg strich und einen weiten Bogen über dem Feld zog. Mit weit ausgestreckten Schwingen glitt er dahin und versetzte die Uchiha unter ihm in Angst und Schrecken. Zahlreiche Schreckensrufe wurden laut, und selbst Madara und Izuna zuckten zusammen. Ihre Augen wurden immer größer und ihre Gesichter immer fahler, als sie den Flug des Drachen beobachteten und sahen, dass er mit einem herausfordernden Brüllen hinter Tobirama landete.
Tobirama streckte das Kinn. Er brauchte nichts zu sagen, sein Drache sprach für sich.
»Wir sind alle nicht mehr die, die wir einmal gewesen waren«, sagte Hashirama ruhig, obwohl Tobirama in seinem Chakra noch immer eine leichte Unruhe bemerkte. So ganz traute er Tobiramas Drachen trotz allem noch nicht.
Der Drache legte sich hin und senkte die Schulter, sodass Tobirama über seinen Flügel auf seinen Rücken steigen konnte. Einen Sattel hatte er immer noch nicht, aber das hatte beim ersten Mal ja bereits ohne funktioniert. Madara und Izuna hatten das Geschehen schockstarr mitverfolgt.
Izuna wirbelte zu Madara herum und zerrte an seinem Ärmel. »Nii-san, wir müssen was tun! Die Senju sind jetzt völlig irre geworden! Susano‘o, das ist es! Das wird funktionieren!«
»Ihr könnt noch immer kapitulieren«, schlug Hashirama vor.
Madara schüttelte sich, um sich aus seiner Starre zu befreien. Ein entschlossener Ausdruck trat auf sein Gesicht. Er ignorierte Hashirama. »Izuna, du hast Recht. So machen wir es. Los!«
Offensichtlich nicht die Antwort, auf die Hashirama gehofft hatte, aber die, die Tobirama erwartet hatte. Sein Drache machte einen Satz in den Himmel und wieder einmal schwand der Boden unter ihnen dahin. Er klammerte sich an die Dornen vor ihm und warf trotz des Schwindelgefühls einen Blick zurück.
Er sah, wie zwei Susano‘o unter ihm aufflammten, ein blaues und ein violettes. Tobirama kannte dieses Jutsu, er hatte es schon einmal gesehen. Anscheinend war er damals jedoch noch nicht mit der vollen Form konfrontiert worden.
Jetzt sah er zwei riesige Avatare unter sich, jeder so groß wie Hashiramas Holzgolem. Ebenjener wuchs ebenfalls aus dem Boden, zusammen mit dem Holzdrachen, der Teil des Jutsus war. Damit war Hashirama hoffentlich in der Lage, zumindest einen der Brüder in Schach zu halten, während sich Tobirama des anderen annahm.
Brüllend tauchte sein Drache ab, nachdem er einen weiten Bogen geflogen war. Er flog tief über die Uchiha hinweg und zog mit seinem Feuer eine Schneise der Verwüstung durch ihre Reihen. Viele hatten nicht einmal mehr die Zeit zu schreien, bevor sie in den Flamen des Drachen vergingen.
Der Drache hielt direkt auf Izuna zu. Sein violettes Susano‘o hatte die Form eines gerüsteten Kriegers mit Katana und Wakizashi. In seiner Stirn war ein Edelstein eingelassen, der Izuna umschloss und ihn schützte. Von seiner früheren Erfahrung mit Susano‘o wusste Tobirama, dass es eine Verteidigung war und zugleich eine Offensivwaffe. Diese volle Form hatte vielleicht sogar noch ein paar zusätzliche Tricks auf Lager. Tobirama hatte nicht vor, sie alle zu Gesicht zu bekommen.
Hashirama hatte gesagt, dass, wenn er bedrängt wurde, Madara immer mehr Kraft aufwenden musste, um seine Verteidigung aufrecht zu erhalten. Und ein Drache konnte Urgewalten entfesseln.
»Zeig, was du kannst, kleines Wiesel«, sagte er zu sich selbst.
Sein Drache raste mit ausgestreckten Klauen auf Izuna zu und rammte ungebremst in sein Susano‘o. Die Wucht des Aufpralls war groß genug, dass Susano‘o schwankte und beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Tobirama konnte Izunas erschrockenen Ausruf hören, gleichzeitig schlug sein Drache auf Susano‘o ein und verbiss sich in dem Avatar. Tobirama drückte sich fest an den Rücken seines Drachen, um den unkoordinierten Schwerthieben ihres Gegners zu entgehen.
Die gewaltigen Flügelschläge brachten Susano‘o weiter aus dem Gleichgewicht, gleichzeitig hüllte der Drache seine Beute in Feuer. Irgendwie gelang es Susano‘o dann doch, einen glücklichen Treffer zu landen und versenkte das Wakizashi in die Flanke des Drachen. Mit einem kräftigen Tritt seiner Hinterbeine schleuderte der Drache Susano‘o von sich, um Abstand zwischen sie zu bringen, dann flog er auf.
Edo Tensei sorgte dafür, dass der Riss in seiner Flanke sich bereits wieder schloss.
Mit kräftigen Flügelschlägen hielt sich der Drache in der Luft. Auch wenn einige Distanz zwischen ihnen lag, konnte Tobirama doch das Entsetzen auf Izunas Gesicht sehen, als er erkannte, dass er Tobiramas Drachen nicht töten konnte.
In einiger Entfernung erging es Madara kaum besser. Er kämpfte gegen Hashiramas Holzgolem, und da ihre Kräfte ausgeglichen waren, konnte er nichts weiter tun, als Hashirama hinzuhalten. Wer würde wohl als erstes ermüden? Tobirama würde sicher stellen, dass es nicht sein Bruder war.
»Gib auf, Izuna«, rief er seinem Kontrahenten zu. »Den Kampf könnt ihr nicht gewinnen. Gebt auf und morgen wird es noch immer einen Uchiha-Clan geben.«
Izunas Blick glitt von Tobiramas Drachen zu ihren Brüdern zu der Feuerschneise, die der Drache bei seinem ersten Angriff geschlagen hatten. Unter ihnen waren sowohl Uchiha als auch Senju aufeinandergetroffen und die geordnete Formation war in zahlreiche Einzelkämpfe auseinander gebrochen.
Das Entsetzen wandelte sich zu Entschlossenheit. »Niemals, du Bastard! Noch sind wir nicht geschlagen!«
Na schön. Er wollte es nicht anders.
Tobiramas Drache drehte ab, um einen erneuten Angriff zu fliegen. Doch statt auf Izuna hatte er es dieses Mal auf die Uchiha hinter ihm abgesehen. Er war zu schnell, als dass Izuna ihn hätte aufhalten können, als er an ihm vorbei zog und erneut Feuer auf die Uchiha niederregnen ließ. Er stellte gar die Flügel auf, um seinem Angriff die Geschwindigkeit zu nehmen und nicht sogleich wieder davongezogen zu sein.
Ein paar vereinzelte Katon wurden auf den Drachen gerichtet, doch sie prallten wirkungslos von seinen Schuppen ab, wenn sie ihn überhaupt trafen. Die meisten davon gingen ohnehin in den Flammen des Drachen unter.
Und doch dauert auch dieser Angriff nur Augenblicke und war verheerend. Wieder drehte der Drache bei für einen dritten Angriff und dieses Mal hielt er wieder auf Izuna zu.
Izuna war vorbereitet auf das, was jetzt kam. Susano‘o stemmte die Füße in das Erdreich und schaffte es so, nicht sofort beinahe zu Boden gerissen zu werden. Dennoch erzitterte er unter der Wucht, einen Drachen mitten im Flug aufzuhalten.
Brüllend schlug der Drache auf Susano‘o ein, und jetzt endlich sah Tobirama erste Risse in der Verteidigung. Blut lief Izuna aus den Augen. Ermüdungserscheinungen? Tobirama hoffte es, denn das würde bedeuten, dass das hier bald zu einem Ende käme, vielleicht ein für alle Mal.
Izuna schrie auf. »Du kriegst mich nicht, Mistkerl!«
Der Drache verbiss sich in Susano‘os Gesicht, während er ihm gleichzeitig seinen Schwanz um die Beine schlang. Das brachte Susano‘o endlich aus dem Gleichgewicht. Er strauchelte und fiel hinten über. Der Drache hockte ihm auf der Brust wie ein gigantischer Geier und hatte noch immer seine Kiefer um sein Gesicht geschlossen. Seine Brust blähte such. Dann schleuderte er Susano‘o sein Feuer direkt ins Gesicht.
Susano‘o verschwand, und noch immer spie der Drache sein Feuer. Die Hitze ließ die Luft flimmern, brannte das Erdreich weg und ließ selbst den Felsen darunter splittern. Erst dann schloss der Drache sein Maul.
»Izuna!« Madaras entsetzter Schrei hallte über das Schlachtfeld.
Izuna lebte anscheinend noch. Zumindest konnte Tobirama noch immer einen winzigen Teil von Susano‘o ausmachen, den Brustkorb, mehr nicht. Izuna hatte sich im Schutze der Rippen zusammengerollt und wohl darauf gehofft, dass es genug wäre. Tobirama konnte spüren, wie schwach sein Chakra war. Noch einen solchen Angriff würde er nicht überleben.
Die Kämpfe waren zum Erliegen gekommen. Alle starrten sie Tobiramas Drachen an, schockiert und verwundert über die Zerstörung, die er anrichten konnte.
»Kapituliert«, wiederholte Tobirama. Wenn es irgend möglich war, wollten sie das hier mit möglichst geringen Verlusten beenden. Das war Hashiramas Wunsch gewesen.
Madara starrte zu seinem kleinen Bruder, der hilflos zwischen den Klauen des Drachen lag. Dann senkte er seine Waffe.
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