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Unter Rekrutierung versteht man im Kontext der (empirischen) Sozialforschung den Prozess des Anwerbens zukünftiger Teilnehmer für eine Aufgabe.
Es war der Freitag, 2. Januar 1970. Leo, seit 1. Januar 1970, 0:30 Uhr in Polizeigewahrsam und um 10:00 Uhr in die Untersuchungshaft überstellt. Der Grund: eine Massenschlägerei in einem Hochhauscafé in der Silvesternacht, und Leo einem Mädchen half, die gegen ihren Willen in einen Aufzug gezogen werden sollte, der Auslöser;
Drei gegen Leo, er sich alleine verteidigte. Zwei ihn an den Händen festhielten und der Dritte ihm in den Magen schlug. Die Kellnerin griff ein und schlug mit einer Gummiwurst auf die ein, die Leos Hände hielten. Daraufhin wurde sie selbst angegriffen, da die beiden sich nicht einfach so knüppeln ließen.
Das war es, irgendjemand hat gerufen, jeder gegen jeden!
Oder vielleicht so etwas? Wie in den klischeehaften Wildwestfilmen, wo jeder auf den nächsten Nachbarn einschlägt, ohne zu wissen, ob es ein Freund oder Feind ist. Natürlich nicht, aber es war tatsächlich so, dass die Kellnerin sehr schnell Hilfe bekam. Auf ihr Schankmobed, Ihren Servierkörper, ihre Gaby hinhauen?NEIN! Das geht gar nicht.
Jetzt andere sich bemüßigt gefühlt, wieder diesen zwei, drei, zu helfen. Waren es zwanzig oder dreißig, die inzwischen rauften, teilweise auch schon schwer alkoholisiert, das Überfallkommando, das gerufen wurde, alles große, starke Männer von 190 cm aufwärts, mit Helm, Mantel und behandschuhter Hand und in dieser ein Schlagstock. Sie waren schlecht gelaunt und schlugen sich in der ersten Stunde des neuen Jahres, statt sich zuzuprosten und alles Gute zu wünschen, durch eine raufende Menschenmenge, bis keiner mehr stand.
Leo wurde von zwei Kriminalbeamten abgeholt und war vom 1. Januar 1970, 0:30 Uhr bis zum 2. Januar, 10:00 Uhr in Gewahrsam. Währenddessen lernte er einige neue Polizeistationen kennen, deren Zellen er sich mit Personen, die zum Ausnüchtern dort waren, teilen musste. Ein junger Polizist bemerkte Leos blutige Hand, bei der es aussah, als würde ein weißer Knochensplitter aus dem Handgelenk ragen.
Ja, der Polizist war noch sehr jung, aber er trug einen goldenen Stern an seiner Uniform, was darauf hindeutet, dass er mehr Autorität hatte als jene mit zwei oder drei silbernen Sternen. Er ordnete die Überführung ins Krankenhaus an, was widerwillig, aber letztendlich durchgeführt wurde.
Nach einer längeren Wartezeit wurde Leo aufgerufen, und der weißhaarige Arzt verlangte von den beiden Beamten, draußen zu warten.
>>Könnte es sein, dass Sie der besagte Leo sind, der die Titelbilder der Zeitungen ziert? Gestern hatten wir alle Hände voll zu tun. Übliche Verbrennungen durch Feuerwerkskörper gab es, allerdings auch Frakturen, die von kräftigen Schlägen herrührten. Bis drei Uhr kamen Rettungsfahrzeuge Schlag auf Schlag herein, etwa 20 Fälle, die wir behandelten, und vier mussten über Nacht bleiben. Was haben Sie denn da Schönes? Ujujuü!<<
Zwischen Hackenbein und Kopfbein der rechten Hand steckte ein Teil eines Schneidezahns seines Kontrahenten. Der Zahn wurde "gezogen", die Wunde behandelt.
Es ist 16:30 h; der 2. 1.1970
Leo wird aus seiner Zelle geholt und in einen kleinen Raum ohne Fenster gebracht, ein Tisch und zwei Stühle– ein Verhörraum? Der Justizwachebeamte zu Leo:
>>So, jetzt hör gut zu! Eine Dummheit, und du bist drei Tage im Keller! (eine Kellergefängniszelle, mit nur ein betonierter Sockel zum sitzen oder liegen, ohne weitere Einrichtung)! Verstanden?<<
Leo nickt, setzt sich, der Verband ist zu eng angelegt oder vielleicht auch geschwollen? Jedenfalls schmerzt es.
Die Tür öffnet sich, und ein kleiner, dicker Mann in einem dunkelblauen Anzug, unter seiner Achsel ein Bündel Mappen, mit einem Spagat zusammengebunden, in der anderen Hand seine Aktentasche. Er nimmt Platz, mustert Leo genau und;
>> Also, ganz ehrlich, jetzt ich bin ich enttäuscht. Habe mir den "stadtbekannten Schläger", wie er in der Zeitung beschrieben wird einfach anders vorgestellt. Größer, mit so einem durchdringenden, verschlagenen Blick, so einer, der einem vom ersten Moment an unsympathisch ist,und am liebsten eine sofort in die Fresse hauen möchte.
Stattdessen erblicke ich einen Jungen, der auf den ersten Blick mit seinen langen Haaren auch ein Mädchen sein könnte. Eine volle Unterlippe, kein Bartwuchs – man würde nie vermuten, dass von ihm eine Gefahr ausgehen könnte. Wäre da nicht diese typische Boxernase. Sind Sie tatsächlich schon 19 Jahre alt? Und dieser Leo Fridrich Witsch, geboren am 18.07.1951? <<
Er machte eine Pause und wandte sich an den Beamten:
>>Sie können gehen, aber schließen Sie bitte die Tür!<<
>>Das ist nicht gestattet!<<
Er griff in die Innentasche seines Sakkos, signalisierte dem Beamten, näherzutreten und zeigte ihm ein Dokument. Der Beamte las es, richtete sich unvermittelt auf, wie auf dem Exerzierplatz und nickte, ehe er sprach:
>>Jawohl, und ja, Sie müssen vorsichtig sein, er ist gefährlich!<<
Die Türe wird geschlossen, der Anzugträger legt seinen Zeigefinger auf den Mund, macht;
>>PSST!<< Er zieht ein Diktiergerät und einen kleinen Kassettenrekorder aus seiner Aktentasche, schaltet beide ein, und plötzlich ist klassische Musik zu hören. Er wirft beschwörende Blicke und legt den Zeigefinger auf die Lippen. Leo beobachtet die Szene interessiert, aber er weiß noch nicht, was das alles zu bedeuten hat. Hat ihm jemand diesen Anwalt geschickt?
Der Mann im Anzug zog sein Sakko aus, und trotz der Kühle des Raumes waren dunkle Schweißflecken unter seinen Achseln zu erkennen. Er lockerte seine Krawatte, nahm die goldenen Manschettenknöpfe ab und krempelte die Ärmel hoch. Dann lehnte er sich zurück, zog eine Packung Zigaretten hervor, entfernte die Folie und formte geschickt mit einer Hand einen Aschenbecher daraus. Nach einigen tiefen Zügen bot er Leo die Packung an.
>>Danke, nein, ich rauche nicht.<<
>>Sehr klug, fang bloß nicht mit dem scheiß an!<<
Leo war leicht verwirrt, da er solch einen Slang von seinem Gesprächspartner nicht erwartet hatte. Das darauffolgende Gespräch wurde zwar im Dialekt geführt, ist hier aber zum Verständnis für die deutschen Kollegen in Standarddeutsch transkribiert.
Zuerst deutete er auf Leos Verband hin.
>>Haben Sie Schmerzen? Durst? Möchten Sie etwas trinken? Im Laden gibt es vielleicht kein Bier, aber...<< Leo nickte; er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas getrunken hatte. Der Mann erhob sich und verlangte vom Beamten vor der Türe zwei Colas, aber dieser erwiderte, er sei kein Laufbursche.
>>Soll ich das genauso dem Oberstleutnant Kern wiedergeben, bezüglich Ihrer unkooperativen Zusammenarbeit?<<
>>Na, bitte, geht doch<< lachte er wie er die Türe wieder Schloss und sich zu Leo setzt.
>>Also, Herr Witsch, es mag Ihnen alles komisch vorkommen, aber ich werde versuchen, Sie über alles jetzt aufzuklären. Das Tonband dient mir als Absicherung, denn was ich hier jetzt mache ist Ilegal. Die Musik ist für den Fall, dass dieser Raum verwanzt ist. Ich muss mich absichern. Ich bin hier, weil ein gewisser Maximilian sie für mein Unternehmen "Sonnenfinsternis" empfohlen hat. Nein, ich muss mich korrigieren, es wird ohne sie nicht funktionieren. Er schätzt Sie sehr und sagt, dass er Sie kennt, seitdem Sie laufen gelernt haben. Er würde seine Hände für Sie ins Feuer legen, denn Sie sind der aufrichtigste, ehrlichste und geradlinigste Mensch, den er je getroffen hat.Ich möchte mir selbst ein Bild von Ihnen machen, denn obwohl ich bereit bin, all das zunächst zu glauben, scheint es nicht zu den 18 Anzeigen wegen Körperverletzung zu passen. Auch nicht zu den 18 Gerichtsverhandlungen. Andererseits kann ich keine Verurteilung feststellen. Bitte helfen Sie mir, dies zu verstehen.
Er öffnete eine dieser Mappen, da kam der Beamte mit den zwei Cola zurück und sofort:
>>Hier herrscht absolutes Rauchverbot, Sie dürfen ni...<<
>>RAUS! Verdammt noch mal, verschwinden Sie und schließen Sie die Tür von außen!<< Leo wusste nicht, wer da vor ihm saß und sich für ihn interessierte, aber es musste eine hochgestellte Persönlichkeit sein, um so befehlen zu können. Er bewunderte aber auch den Beamten, der sich noch einmal umdrehte, die Hand aufhielt und sagte:
>>Zwölf Schilling<< Er erhielt einen Zwanziger und ein
>>Stimmt so<<. Ohne eine Regung steckte dieser das Geld ein und schloss die Tür, wie befohlen, von außen, warf aber noch einmal einen zornigen, strengen Blick auf Leo.
Zuerst griff sein Gegenüber in sein Sakko und zog eine violette Tablette hervor:
>>Hier, gegen die Schmerzen, es enthält ein wenig Morphium, das wird sicher helfen!<<
Leo schluckt sie mit Cola, während sein Gegenüber sich erneut eine Zigarette anzündet. Nach einigen tiefen Lungenzügen beginnt er zu sprechen, wobei Rauch aus seinem Mund entweicht, er gekonnt Rauchringe in die Luft bläst und diese zu beobachten schien. In dem von Neon beleuchteten Raum besonders deutlich sichtbar – eine surreale Situation, denkt Leo.
>>Ich bin ein Mitarbeiter der Regierung. Mein Name ist Bodo, was natürlich nicht mein richtiger Name ist, aber mehr müssen Sie vorerst nicht wissen. Gestern Nachmittag habe ich Ihre polizeilichen Akten erhalten und die ganze Nacht damit verbracht, Ihre Polizeiprotokolle zu lesen; sie sind spannender als ein Kriminalroman. Einiges ist mir jedoch ein Rätsel. Ich werde Ihnen kurze Fragen stellen, bitte antworten Sie in kurzen Sätzen, einverstanden?<<
Leo nickt.
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