All diese Gerüche und Geräusche und erst die vielen Menschen um ihn herum machten ihn nervös. Tobirama hatte Orte wie diesen noch nie wirklich leiden können, wo zu viele Menschen auf zu wenig Platz zusammenkamen. Alle sprachen sie durcheinander, und jeder versuchte die anderen zu übertönen.
Aus unerfindlichen Gründen blühte Minato auf.
Es war Minatos Idee gewesen, dass sie gemeinsam den Basar von Sunagakure besuchten. Zwischen den einzelnen Stufen der Chūnin-Prüfungen hatten sie reichlich freie Zeit, die sie nicht nur mit Politik verbringen konnten – oder in Minatos Fall wollten. Wenn sie schon ein anderes Land besuchten, dann konnten sie sich auch die Zeit nehmen, seine Sitten und Gebräuche kennenzulernen, hatte Minato gesagt.
Tobirama hatte sich von Kopf bis Fuß verschleiert und über seine übliche Ausrüstung weite Baumwollgewänder gezogen. Sie waren luftig, um die Hitze nicht zu stauen, hielten aber gleichzeitig auch die Sonne ab. Das hatte gerade er bitter nötig, der selbst bei normaler Sonneneinstrahlung binnen Minuten einen Sonnenbrand bekommen konnte. Suna war eine Gluthölle für ihn. Minato trug seine Hokage-Roben, wenn auch mehr als Sonnenschutz, denn um wirklich als Repräsentant aufzutreten. Kakashi hatte sich nach einigem Zögern doch zu einem Kopftuch überreden lassen, und auch für Naruto hatten sie einen passenden Sonnenhut gefunden. Minato hatte ihn mit einem Band unter Narutos Kinn festbinden müssen und trotzdem war Kakashi alle paar Minuten damit beschäftigt, dem Kind den Hut wieder aufzusetzen. Naruto saß auf seinem Arm, scherte sich nicht darum und zappelte begeistert, weil er alles auf einmal sehen wollte. Ōkami trottete mit offenem Maul und heraushängender Zunge hinter ihnen her; ihr machte die Hitze ebenso zu schaffen, wollte ihr Rudel aber nicht aus den Augen lassen.
Immerhin hatte Ōkamis Anwesenheit den Vorteil, dass sie stets ein klein wenig Raum um sich herum hatten. Die Bewohner Sunas machten große Augen, nicht etwa, weil Minato der Hokage war, sondern wegen der riesigen weißen Wölfin, die ihm folgte und die sich um die Aufmerksamkeit nicht wirklich scherte. Darüber hinaus interessierte sich jedoch niemand so wirklich für sie.
Der Basar war bunt und voller Leben. An jeder Ecke gab es etwas zu entdecken, überall waren Farben und Gerüche und Klänge. Teilweise befand sich der Basar unter einem gemauerten Arkadengang, der Schatten spendete. Die Steine hielten die Sonne ab und hielten bis lange in den Tag hinein die Kühle der Nacht. Mitunter hatten die Händler ihre Stände auch einfach außerhalb auf dem freien Platz errichtet, teils nicht mehr als ein Tuch, auf dem sie ihre Waren ausgebreitet hatten und über das sie mit ein paar Stangen eine Plane gespannt hatten. Überall waren Menschen, Shinobi wie Zivilisten und sie alle trugen bunte Gewänder. Die meisten waren landestypisch gekleidet, aber Tobirama entdeckte auch einige aus anderen Nationen.
Es war eine sensorische Hölle für Tobirama. Er hatte über die Jahre hinweg gelernt, seine sensorischen Fähigkeiten zu kontrollieren, aber mit so vielen Sinneseindrücken um ihn herum war es immer noch schwer für ihn, die Reizüberflutung auszublenden. Minato war jedoch so begeistert gewesen von der Idee, hierher zu gehen, dass er es ihm einfach nicht hatte ausschlagen können. Außerdem wollte er ein Auge auf ihn haben, sie waren immer noch in einem fremden Land. Auch wenn es nun schon das dritte Jahr war, indem die Nationen die Chūnin-Prüfungen bestritten, wollte sich Tobirama nicht darauf verlassen, dass wirklich alle friedlich blieben. Die Ereignisse bei den allerersten Prüfungen waren nicht vergessen.
»‘kashi-nii-san, schau!«, quietschte Naruto begeistert und deutete in eine bestimmte Richtung. Er zappelte, weil er Kakashi unbedingt dorthin dirigieren wollte.
Kakashi hatte Mühe, ihn auf seinem Arm festzuhalten, hielt sich aber noch tapfer. Sie alle wussten, dass, wenn sie Naruto frei herumlaufen lassen würden, er ihnen innerhalb einer Minute abhanden kommen würde. Der Junge war quirliger, als es ihm gut tat.
»Ka-ka-shi«, buchstabierte Kakashi geduldig. »Das ist mein Name, und er ist nun wirklich nicht so schwer.«
Naruto ignorierte ihn und zupfte an seiner Weste. Er hatte einen Stand mit Süßigkeiten entdeckt. Natürlich. Minato tat ihm auch noch den Gefallen und steuerte ebenjenen Stand an. Er konnte es einfach nicht lassen, ihren Jungen mit Süßkram vollzustopfen. Seit drei Jahren hielt Tobirama diese Predigt und seit drei Jahren stieß sie auf taube Ohren. Seufzend folgte er ihm.
Die Auslage war voller kandierter Früchte, viele davon heimisch und damit Naruto kaum oder gar nicht bekannt. Kakashi kämpfte tapfer darum, Naruto auf seinem Arm zu behalten, weil der Junge sonst mit Sicherheit seine kleinen Hände schon längst in den Süßigkeiten vergraben hätte. Ōkami schnüffelte ein paarmal an den Früchten und befand sie mit einem Schnaufen für ungenießbar.
Der Händler bemerkte sie sofort. Er warf Ōkami einen nervösen Blick zu, kam aber trotzdem tapfer auf sie zu. »Was darf‘s denn sein?«
Begeisterung funkelte in Minatos Augen, als er die Auslage betrachtete. »Ganz ehrlich: keine Ahnung! Die Auswahl ist ja riesig! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Pa, ich will das da!«, verkündete Naruto und deutete auf einen Schale mit unidentifizierbaren gelben Früchten.
»Das Zauberwort heißt immer noch bitte«, erinnerte Minato ihn.
»Sie können gern probieren, wenn Sie das wollen«, bot der Händler ihnen an. Geschwind hatte er einen Pappteller hervorgezaubert und darauf vier Stück der kandierten Früchte platziert. »Das sind Mangos, eine in dieser Gegend typische Frucht. Mangobäume wachsen in fast jeder Oase in der Wüste.«
Minato nahm eine Spalte und reichte sie Naruto, der sofort glücklich darauf herumkaute. »Und? Was sagt dein Kennerblick?«
»Lecker!«, verkündete Naruto und streckte die Hand nach einem weiteren Stück aus. Minato erklärte ihm jedoch, dass die anderen auch etwas probieren wollten, und dann bot der Händler ihnen ohnehin schon das nächste an, während Tobirama selbst noch skeptisch an seinem Stück nagte. Er war nicht unbedingt für Süßkram zu haben.
Die Feigen kamen bei Naruto nicht sonderlich gut an und er wollte etwas Anderes. Während Kakashi ihm eindringlich erklärte, dass er hier nicht einfach essen konnte, was er wollte, hatte Minato schon etwas anderes entdeckt.
Er deutete auf eine Reihe kleiner Blätterteiggebäckstücke. »Was ist das?«
Der Händler bot ihm sogleich ein Stück davon an zum Probieren. »Das nennt sich Baklava, Blätterteig in Honig eingelegt und mit verschiedenen Dingen gefüllt. Die hier sind mit gehackten Mandeln und die dort mit Pistazien.«
Minato leckte sich die Finger ab. »Hm! Das schmeckt gut! Von denen nehme ich auf jeden Fall welche mit. Von den Mangos auch. Was empfehlen Sie noch?«
Am Ende nahmen sie noch eine Handvoll Feigen mit, weil sie Minato geschmeckt hatten, sowie kandierte Honigmelonen. Viel zu süß für Tobiramas Geschmack und Kakashi stimmte ihm ausnahmsweise einmal zu. Immerhin hatten die Süßigkeiten den Effekt, dass Naruto für den Moment ruhiggestellt war, da er damit beschäftigt war, an seinem Mangostück zu knabbern. Sie konnten in Ruhe ihren Ausflug fortsetzen.
Bald schon hatte Minato etwas ausgemacht, das sein Interesse erweckte. Es handelte sich dabei um den Stand eines Stoffhändlers mit einer reichen Auslage. Selten hatte Tobirama so viele Muster und Farben gesehen, es war zugegebenermaßen recht beeindruckend. Der Händler hatte nicht nur Stoffe und Tücher, sondern auch fertige Kleidung ausliegen sowie allerlei Schmuck.
Als er sie näher kommen sah, fischten seine Finger sogleich ein rotes Tuch mit Goldstickereien hervor und er präsentierte es ihnen. »Wie wäre es mit feiner Seide für die junge Dame?«
Kakashi erstarrte, einen winzigen Augenblick nur, doch genug, dass es Tobirama bemerkte. Minato war jedoch schnell genug, um einzuspringen.
»Oh, da liegt ein Irrtum vor. Kakashi ist keine Frau«, sagte er freundlich, aber bestimmt.
»Danke«, wisperte Kakashi ihm zu.
Der Händler verbeugte sich mehrmals entschuldigend. »Vergebt mir vielmals. Ich bin untröstlich. Aber vielleicht ist Hokage-sama trotzdem an meiner Ware interessiert. Wäre das nicht auch etwas für die Liebste daheim?«
Es war beeindruckend, mit welch Genauigkeit der Mann mit seinen normativen Annahmen von einem Fettnäpfchen ins andere trat.
Minato überspielte es, indem er sich an Tobirama wandte. »Was sagst du? Würde dir das Tuch gefallen?«
»Nicht meine Farbe«, antwortete Tobirama knapp.
»Deine Garderobe ist verblüffend eintönig. Ein Farbtupfer würde dir gut zu Gesicht stehen«, fiel Kakashi ihm in den Rücken.
Vom eigenen Blut verraten, das schmerzte. Tobirama warf seinem Enkel einen strengen Blick vor. Kakashi ließ sich wie üblich nicht davon beeindrucken.
»Wo er recht hat … Oh!« Und schon hatte Minato etwas anderes entdeckt. Er hielt zwei Quasten hoch, eine rot und eine blau. »Guck mal, Tobirama. Wir könnten passende Quasten an unsere kunai binden. Möchtest du rot oder blau? Wohl eher blau, oder?«
Tobirama bemühte sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. »Das ist kitschig.«
»Nein, das ist romantisch«, moserte Minato.
»Ihr seid so peinlich«, maulte Kakashi aus dem Hintergrund.
»Du bist aus dem Alter raus, in dem du offen gezeigte Zuneigung als peinlich empfinden darfst«, sagte Minato und legte demonstrativ einen Arm um Tobiramas Hüften. Er hielt die beiden Quasten hoch. »Ich nehm die hier.«
Tobirama fügte sich in sein Schicksal. Wenn es das war, was Minato Freude bereitete.
Nachdem Minato bezahlt hatte, beschlossen sie, eine kleine Pause einzulegen, und suchten sich einen schattigen Platz unter einigen Palmen. Naruto fand einen spannend aussehenden Stein und war damit vorläufig beschäftigt, und Ōkami war willens, gemeinsam mit ihm den Stein zu betrachten. Minato ging ihre Einkäufe durch und holte den Ayran hervor, der ihnen an einem der Lebensmittelstände, an denen sie zuvor vorbeigekommen waren, als Erfrischung angeboten worden war.
»Darauf bin ich gespannt.«
Bevor Tobirama ihn warnen konnte, hatte er bereits die Flasche aufgeschraubt und angesetzt. Es endete natürlich in einem Hustenanfall.
»Es ist aus Ziegenmilchjoghurt«, sagte Tobirama trocken.
»Salziger Ziegenmilchjoghurt!«, keuchte Minato, der das offensichtlich nicht erwartet hatte.
Kakashi nahm ihm die Flasche ab und probierte ebenfalls, wenn auch vorsichtiger. »So schlecht ist das gar nicht.«
»Gewöhnungsbedürftig«, fällte Minato sein Urteil. »Ich könnte mich daran gewöhnen.«
Tobirama nahm ebenfalls einen Schluck. Er kannte das Getränk bereits und hatte keine sonderliche Vorliebe dafür. Als Erfrischung an einem heißen und sonnigen Tag wie diesem war es ihm jedoch recht.
Minato holte ein paar der Feigen hervor, um sie zu naschen. Er reichte eine davon Tobirama, doch als Tobirama die Hand danach ausstreckte, zog er sie wieder zurück. Tobirama sah ihn fragend an.
»Beiß ab«, forderte Minato ihn mit einem verschmitzten Lächeln auf.
Tobirama tat ihm den Gefallen und biss von der Feige ab, die Minato ihm hinhielt. Minato schien aus irgendeinem Grund fasziniert davon zu sein, und der Ausdruck, mit dem er auf Tobiramas Lippen starrte, wirkte beinahe hungrig. Mit dem Daumen strich er über Tobiramas Lippen und wischte etwas von dem Feigensaft weg. Unwillkürlich musste Tobirama lächeln.
Minato lehnte sich vor, sodass er beinahe in Tobiramas Schoß saß. »Ich habe gelesen, dass Feigen ein Symbol für Erotik sind«, raunte er.
Tobirama schmunzelte und hob neckend eine Braue. »Also willst du mich jetzt mit einer Frucht verführen?«
»Hab ich doch schon längst.« Minato lachte und gab Tobirama einen Kuss auf die Nase.
»Du bist ein Kindskopf. Warum bist du nur so?«, grummelte Tobirama, konnte aber nicht verhindern, dass sich trotzdem ein Lächeln in seine Stimme schlich.
»Ich liebe dich eben«, sagte Minato schulterzuckend. »So einfach ist das.«
Das Augenrollen, mit dem Kakashi diese Szene bedachte, konnte Tobirama beinahe hören. »Und das vor Naruto, ihr habt echt keine Scham.«
Minato kuschelte sich demonstrativ an Tobirama. »Pfff. Naruto ist beschäftigt, der bekommt nichts mit.«
Was in der Tat stimmte. Naruto war noch immer mit der intensiven Untersuchung des Steins beschäftigt und Ōkami schien nicht minder fixiert auf den Kiesel zu sein. Tobirama war ganz dankbar darum, denn das hieß, dass er kein Auge auf den Jungen haben musste.
»Danke für vorhin«, wechselte Kakashi das Thema, nun wieder mit einem ernsteren Ton.
»Das ist doch selbstverständlich«, betonte Minato. »Du weißt doch, dass ich dich immer unterstützt habe und immer unterstützen werde.«
»Ja, schon, aber … Ich dachte nur, nach drei Jahren auf Hormonen würde das nicht mehr passieren. Deine Unterstützung bedeutet mir echt viel, für viele ist das nicht so selbstverständlich.«
Da hatte Kakashi leider Recht. Alltägliche Szene wie die mit dem Händler konnten viel zu leicht umschlagen und nicht alle akzeptierten es einfach so. Für Kakashi war zu vieles noch immer ein unnötiger Spießrutenlauf. Tobirama hatte schon zu viele unschöne Situationen miterleben müssen und wollte nicht wissen, was Kakashi noch alles hatte hören müssen, ohne dass er ihm davon erzählt hatte.
»Ich wollte, dass du das weißt«, fuhr Kakashi fort. »Danke, Dad.«
Tobirama blinzelte. Minato war nicht weniger verblüfft. Kakashi allerdings auch. Das Gesicht unter seiner Maske nahm eine beeindruckende Rotfärbung an.
»Hast du … Hast du mich gerade Dad genannt?«, fragte Minato vorsichtshalber nach.
»Äh … Ich weiß nicht, wovon du redest«, stammelte Kakashi. »Musst dich verhört haben.«
Minatos Gesicht erstrahlte förmlich. »Du hast mich Dad genannt! Oh, Kakashi, jetzt fehlen mir vor Rührung die Worte. Denn das bedeutet mir auch sehr viel, weißt du.«
»Mir fällt grad ganz spontan ein, dass ich noch was erledigen wollte. Muss schnell gehen. Bis nachher!«, sagte Kakashi hastig. Er sprang auf, winkte kurz und war dann mit beachtlicher Geschwindigkeit in einem Shunshin verschwunden.
Minato sah ihm leise lachend nach und kuschelte sich dann wieder an Tobirama. Er wirkte ausgesprochen glücklich. Und in der Tat, das war Tobirama auch. Er lächelte und umarmte Minato.
Minato schmiegte sein Gesicht in Tobiramas Hemd. »Hast du das gehört? Dein Enkel hat mich seinen Vater genannt. Das ist wunderbar!«
Lächelnd gab Tobirama ihm einen Kuss auf sein Haar. »Ja, das ist es wirklich.«
Nach Sakumos Tod hatte Kakashi so viel leiden müssen, und viele Wunden hatten lange nicht heilen können. Entsprechend emotional aufgeladen war die Sache für Kakashi. Kein Wunder also, dass er erst einmal die Flucht angetreten hatte. Er würde schon mit dem ins Reine kommen, was soeben passiert war. Es war gut, dass er Familie endlich wieder in sein Leben lassen konnte.
»Es ist schön, dass wir alle zueinander gefunden haben«, raunte Minato selig lächelnd, während er ihren Sohn beobachtete.
Feedback
Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!