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Sätze: | 115 | |
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Er war ein neugieriger Junge, schon immer gewesen. Ein Stückchen neugieriger vielleicht noch als andere Kinder. Oh ja, eigentlich sogar ein ganzes Stück neugieriger. Wenn es irgendwo ein Schlüsselloch gab, durch das man schauen konnte; wenn zwei eng zusammenrückten und hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln begannen, wenn es verbotene Schubladen und verrieglte Türen gab, wenn er auf versiegelte Briefe und abgeschlossene Tagebücher stieß, ja dann war Peter ganz in seinem Element. Das Verbotene, das Geheimnis zog ihn nahezu magisch an. Seine Spürnase witterte es schon von Weitem, wenn etwas vor sich ging, von dem niemand erfahren sollte. Und dann konnte man sich sicher sein, dass Peter seine Augen und Ohren offenhalten würde, seiner Nase nachgehen und seine Finger im Spiel haben würde. Dass er durch die Schlüssellöcher lunzen, dass er seine Ohren spitzen, dass er die Türen und Tagebuchschlösser und Briefsiegel aufbrechen würde, um das Geheimnis, nach dem es ihm gierte, zu erfahren.
Natürlich war Peter bei all dem sehr vorsichtig. Denn erwischt zu werden stand nicht in seinem Sinn. Und da eine zweite Leidenschaft ihn gerade zu jenen Menschen besonders hinzog, die ihm stark und mächtig erschienen, da ihn die vertraulichen Briefe im Sekretär seines Vaters kribbeliger machten als das Getuschel und Geflüster der beiden fünfjährigen Zwillingsschwestern von nebenan, war es auch nur klug, vorsichtig zu sein. Denn wer sich mit Stärkeren anlegte, muss trickreich sein. Nicht aufzufallen war die oberste Maxime. Zum Glück gelang das Peter meist sehr gut. Denn obwohl er schon immer ein wenig pummelig war, konnte er sehr gut schleichen, sich genauso unauffällig bewegen, wie eine Ratte in einem Kanalloch. Und wenn doch einmal der unglückliche Fall eintrat, dass man auffiel? Nun, dann musste man schnell etwas bei der Hand haben, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Und auch das hatte Peter bald schon gelernt. Die besten Taktiken waren den Verdacht von sich abzulenken, die Tat einem Anderem, der gerade zufällig anwesend war, in die Schuhe zu schieben. Oder, sollte man alleine sein, jemandem so viel Honig ums Maul zu schmieren und sich selbst dabei so klein und unschuldig zu machen, dass das Gegenüber gar nicht mehr anders konnte, als einem zu verzeihen. Lügen und betrügen waren die wichtigsten Karten in diesem Spiel. Und Peter sorgte immer dafür, noch ein Ass im Ärmel zu haben.
Auf diese Weise hatte er also schon als Kind die Kunst perfektioniert, sich anzuschleichen, zu spionieren ohne aufzufallen oder sich aus brenzlichen Situationen wieder heraus zu manövrieren, nur um ungezügelt seiner Leidenschaft nachgehen zu können. Die Leidenschaft, die Geheimnisse mächtiger Menschen zu lüften. Die Leidenschaft, die ihn umtrieb, mehr als alles andere.
So wie auch jenem Tag im Jahre 1969, da diese eine kleine Sache passierte, die zweieinhalb Jahre später zum Zünglein an der Waage werden sollte, als der sprechende Hut sein Urteil über Peter zu fällen hatte...
Es war ein früher Märzmorgen und Peter räkelte sich noch gemütlich in seinem Bett, als auf einmal ein leises Geräusch ihn aufhorchen ließ. Ein reichlich sonderbares Geräusch, denn es klang fast wie ein Knallen und doch war es viel zu leise für ein Knallen. Eher glich es einem Ploppen. Einem sehr harten Ploppen allerdings. Natürlich hielt es Peter keine Sekunde länger im Bett. Ein sonderbares Geräusch um fünf Uhr morgens und das direkt vor seinem Fenster? Für Peter ein gefundenes Fressen! Schnell schlüpfte er aus den Laken, hastete durchs Zimmer, drückte sich die Nase an der Scheibe platt. Die Rollläden waren leicht angehoben und so konnte Peter durch die Ritzen lugen und hatte eine ganz gute Sicht nach draußen.
Was Peter dort nun erblickte, ließ sein Herz augenblicklich höher schlagen. Ja, man darf sagen, Peter leckte wahrlich Blut. Auf der Straße nämlich stand eine Gestalt. Eine große, unheimliche, rätselhafte Gestalt. Ein langer, schwarzer Umhang wallte zu Boden, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Das Gesicht selbst verborgen unter einer weißen Maske. Peters Herz schlug augenblicklich höher. Ein bisschen vor Angst, doch vor allem vor Neugier, vor Nervenkitzel, vor Gier auf das Geheimnis dieser Gestalt. Sie musste appariert sein, war wie aus dem Nichts erschienen. Jetzt hielt sie kurz inne, schaute sich im frühen Dämmerlicht um. Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts, ob sie auch niemand beobachtete. Dann zog sie einen Zauberstab unter der Kutte hervor, richtete ihn auf den weißen Gartenzaun des Hauses gegenüber.
Und Peter – verschlug es die Sprache. Sein Herz trommelte wie wild. Geifernd und mit einem gierigen Glitzern in den Augen hing er an der Scheibe, während die Gestalt scheinbar Schwellenbanne vom den Haus löste und – langsam, vorsichtig – die Stufen hinaufschlich. Als sie die Türe erreicht hatte und dahinter verschwand, hielt Peter nichts mehr. Er musste ihr folgen. Er musste wissen, was da geschah. Er musste es einfach. Schnell warf sich Peter einen Morgenmantel über den Schlafanzug und schlich sich hinaus in den jungen Tag. Kühle Luft von der Schneeschmelze wehte ihm um die Nase, während er immer mehr Lunte roch und der frühe Sonnenschein stach ihm wie das Licht der Erkenntnis in die Augen. Was immer dort drüben im Nachbarhaus vor sich ging, war etwas Mächtiges, Großes, Geheimnisvolles. Kurz gesagt, etwas sich ein Peter Pettigrew niemals entgehen lassen würde.
Wie viele magische Kinder, wuchs auch Peter in einem Dorf auf, in dem sowohl Muggel als auch Zauberer und Hexen lebten. Und in diesem Haus gegenüber wohnte Cornelia McNiller, eine alte, alleinstehende Hexe. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt als Autorin schnulziger Liebesromane. Eine Schmierenautorin, wie Vater sie nannte. Seit einigen Jahren aber schrieb McNiller unter einem Pseudonym wohl auch andere Bücher. Bücher, in denen es darum ging, dass die Muggel und Schlammblüter ein Segen für die Zauberer seien, wie Peter aus den Briefen vom Obscurus Verlag wusste. Den Briefe, die er den Eulen stibitzt hatte, die morgens auf McNillers Haus zuflatterten und seiner Steinschleuder in die Quere kamen.
Ansonsten war Cornelia Mc Niller eine gutmütige, alte Frau, die für alle Kinder in der Nachbarschaft, auch für Peter, immer ein köstliches Stück Schokoladenkuchen im Ofen hatte. Und nach Schokoladenkuchen roch es auch jetzt, da sich Peter lautlos und auf Zehenspitzen über die Türschwelle gestohlen hatte.
Er hatte das Haus gerade noch rechtzeitig betreten, um zu sehen, wie ein fahles Zauberstablicht von der letzten Stufe der Treppe zum Obergeschoss in den unbeleuchteten Flur verschwand. Vorsichtig huschte Peter die Stufen hinauf, versteckte sich hinter einer großen Vase, als die Gestalt sich umdrehte, wartete ein bisschen, bis sie außer Sichtweite war und folgte ihr weiterhin unauffällig.
Ihre Reise endete vor Cornelia McNillers Schlafzimmertüre: Einem Raum, in den die alte Dame eigentlich niemanden hineinließ, der aber für Peter natürlich längst kein Geheimnis mehr war. Ohne ihn zu berühren, nur mit Kraft ihres Zauberstabs ließ die Gestalt den Türgriff nach unten fahren – leise, fast lautlos - und sehr langsam, sehr vorsichtig trat sie ein. Peters Herz pochte und pochte, wummerte und wummerte vor Aufregung, vor berauschender Gier, als er der Gestalt ebenso bedacht folgte. Als er sich in den Schatten neben dem Türrahmen drängte und zusah, was geschah – wie die Muggel bei einem spannenden Kinofilm.
Immer tiefer hinein ins Zimmer trat die Gestalt. Ins Zimmer, in dessen Mitte McMiller nichtsahnend in ihrem Bett lag, noch immer schlief, die Augen fest geschlossen. Langsam, bedacht darauf, sie nicht zu wecken, beugte die Gestalt sich über die Schlafende hinab, den Zauberstab fest in der Hand. Ihrer Kehle entrang sich ein herablassendes Glucksen und Peter kicherte stumm in sich hinein vor Spannung. Doch dann plötzlich blieb ihm das Lachen im Halse stecken.
„Ah, die liebe, gute, alte Cornelia McNiller, die unseren Reinblütern empfiehlt, sich mit Dreck zu paaren. Wie friedlich sie schlummert, wie unschuldig, unsere kleine Giftmischerin, die unsere schönen alten Familienstämme mit Muggelblut verseuchen will, auf dass unsere Wurzeln faulig, schlammig werden und unsere Äste absterben. Ja, schlaf nur ruhig weiter, altes Mädchen. Denn bald wirst du ewig schlafen. Dein letztes Stündlein hat geschlagen. In Namen des Dunklen Lords bin ich der Glückliche, der deine Totenglocke läuten darf“
Und mit diesen Worten richtete die Gestalt sich wieder auf, zog den Zauberstab und zielte direkt auf McNillers Kopf.
Peter hielt vor Schock und Schreck den Atem an, riss die Augen auf, als er begriff, was hier vor sich ging. Was die Gestalt im Schilde führte, was ihre Worte bedeuten.
‚Der will die McMiller töten. Der will sie umbringen‘, blitze es Peter durch den Kopf.
Und dann geschah es. Das, was sein Leben verändern sollte. Peter konnte hinterher nicht mehr sagen, warum er es getan hatte. War es, weil die alte McNiller immer so nett zu ihm war? Weil er sie mochte oder vielleicht auch nur ihren leckeren Kuchen? Wer wusste das schon. Es blieb ohnehin keine Zeit nachzudenken. Peter handelte einfach, aus einem inneren Reflex heraus. Nur einem Reflex. Weil er es tun musste, irgendwie getrieben war. Von einer Kraft, die mit nachdenken und bewussten Entscheidungen nichts zu tun hatte.
Die Gestalt hob ihren Zauberstab noch ein Stückchen höher, konzentrierte sich, hatte ihn schon fest auf Miss McNillers Gesicht gerichtet – Da preschte Peter aus seiner dunklen Ecke hervor. Schrie wie am Spieß. Raste, so schnell wie sein Gewicht es zuließ durch den Raum und stürzte sich auf den Boden. Er schlitterte, landete der Gestalt zu Füßen und – biss ihr ins Bein. Biss so kräftig wie er nur konnte zu. Ein Biss wie von einer Ratte, die sich von hinten angeschlichen hatte. Die Gestalt schrie auf vor Schmerzen, mehr noch vor Überraschung, stimmte in Peters Lärmkonzert mit ein. Dann mit einem Ruck wandte sie sich um, starrte säuerlich auf Peter hinab, die kleine Ratte, die ihren Schuss vereitelt hatte.
„Oh… oh…Verzeihung, Sir“, quiekte Peter in der unschuldigsten Kinderstimme, die ein neunjähriger Junge noch haben konnte, „Bin… bin wohl ausgerutscht. Wollte Sie nicht… nicht stören. Tut …tut mir echt leid“.
Doch die Gestalt ließ sich nicht beeindrucken, wie es Peter sonst von Erwachsenen gewohnt war, von Erwachsenen, die ihn kannten. Sie hielt ihren Zauberstab fest und deutete direkt zwischen Peters Augen. Peter begann plötzlich zu zittern. Zu zittern wie Espenlaub. Denn erst jetzt war ihm mit einem Schlag bewusst geworden, in welche Gefahr er sich eigentlich gebracht hatte. In seinem Hals schwoll ein Kloß an, den er nur mit Mühe herunterschlucken konnte. Wenn er doch nur ein kleines Tier wäre, das schnell in Sicherheit unter das Bett huschen könnte! Wenn er doch nur im Erdboden versinken könnte! Nie im Leben hatte Peter solche Angst gehabt und schwor sich in diesem Moment, sich nie - nie - wieder einer Gestalt mit einer weißen Maske auf dem Gesicht in den Weg zu stellen. Das hieß, wenn er seine Dummheit überlebte.
„Das wirst du büßen, Freundchen“, keuchte Gestalt leise, bedrohlich und beugte sich zu ihm herab.
Doch in diesem Augenblick schlug Cornelia McNiller die Augen auf. Und so alt sie auch war, ihr Geist war noch immer hellwach, ihre Reaktionen blitzschnell. Im Handumdrehen hielt sie ihren Zauberstab umklammert, riss ihn hoch und -
„STUPOR!“, schallte es durch den Raum.
Peter blickte gerade noch in die eiskalten Augen hinter der Maske, da brach die Gestalt über ihm zusammen. In der letzten Sekunde konnte er noch zurückweichen, ehe sie leblos zu Boden ging.
Kurze Zeit später war das kleine Haus mit dem weißen Gartenzaun mit Auroren bevölkert und Peters Hunger auf Geheimnisse und die Gunst mächtiger Menschen bekam mehr Nahrung, als Peter verdauen konnte. Der Todesser wurde abgeführt und ihm wurde so schnell der Prozess gemacht, dass er keine Gelegenheit mehr hatte, seinen Herrn oder seine Mitstreiter zu benachrichtigen, was im Hause McNiller geschehen war. Um Peter, das Kind, vor Racheangriffen durch Todesser zu schützen, wurde eine Nachrichtensperre verhängt, die es dem Tagespropheten lediglich erlaubte, nur sehr vage über den Fall zu berichten. So brachte niemand die Geschehnisse mit Peter Pettigrew in Verbindung. Und er selbst hatte nie in seinem Leben zuvor etwas Derartiges getan und sollte es auch nie wieder tun.
Doch als der Hut zwei Jahre später auf Peters Kopf saß und die Entscheidung zu fällen hatte, in welches Haus er den Jungen stecken sollte, da sah er, was damals an einem frühen Märzmorgen im Jahre 1969 geschehen war und rief laut in die Menge: „Gryffindor!“
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Worttaenzerin • Am 16.10.2017 um 0:05 Uhr | |||
Hallöchen! Erstmal finde ich es irgendwie herrlich, dass Peter sich einen Morgenmantel anzieht, bevor er dem mysteriösen Mann folgt. Ich weiß auch nicht warum. Ich hab irgendwie nie darüber nachgedacht, ob Peter mutig ist. Ob Mut zu seinen Charaktereigenschaften gehört. Aber irgendwie wird das schon so sein, schließlich war er in Gryffindor. Aber naja, die Diskussion will ich eigentlich gar nicht wieder aufrollen, sondern lieber was zu deinem OS sagen. Meine erste Reaktion, war eher ziemlich ablehnend, das würde gar nicht zu Peter passen und er verhält sich total OOC. Aber du hast das schön mit seinem Animagus in Zusammenhang gesetzt. Peter geht vielleicht bzw. sicher nicht in die Offensive, aber vor allem, da er sich selber so "klein" macht, zeigt er sehr wohl Mut. Vielleicht ist es etwas OOC, dass er dem fremden Mann hinterherschleicht, aber es hätte sich auch so abspielen können. Ich finde dein OS ist durchaus ein guter Diskussionsbeitrag bzw. einfach eine gute Idee, wieso Peter nach Gryffindor gekommen ist. lg Worttänzerin Mehr anzeigen |
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