Autor
|
|
Bewertung
Statistik
| Sätze: | 78 | |
| Wörter: | 777 | |
| Zeichen: | 4.819 |
Die Arbeitsvermittlerin sitzt hinter ihrem Schreibtisch und blickt gelangweilt auf den Bildschirm. Als ein großer kahlköpfiger Mann in einem langen Kaftan durch die Tür kommt, dauert es einige Sekunden bevor sie sich mit ausdrucksloser Miene umwendet.
„Herr Wohlgemut nehme ich an. Nehmen sie doch Platz. Ich bin ihre zuständige Arbeitsvermittlerin Frau Hackebeil. Ich habe sie eingeladen, um über ihre beruflichen Perspektiven zu reden.“
„Lord Voldemort, wenn ich bitten darf“, sagte der große Mann etwas herablassend.
„Oh Gott, schon wieder so ein Spinner“, dachte Frau Hackebeil und verdrehte verzweifelt die Augen.
„Also gut, Lord Voldemort…Hm, was ist denn mit ihrer Nase und ihren Haaren passiert?“
„Kleines Missgeschick bei meiner letzten Wiedergeburt. Unfähige Kreaturen, die nicht in der Lage waren einfache Anweisungen auszuführen.“
„Also Schönheitsoperationen zahlt das Jobcenter auf keinen Fall, aber ich würde ihnen eine Perücke empfehlen. Ich hoffe sie haben ihren Lebenslauf dabei? Was haben sie denn zuletzt so gemacht?
Der Mann fuhr empört in die Höhe. „Was, sie kennen Lord Voldemort nicht. Jedes Kind kennt doch meine wunderbare Karriere.“
Frau Hackebeil blieb vollkommen unbeeindruckt. „Über einen Lord Voldemort haben wir aber nichts im Computer. Sie sind wohl noch nicht bei uns erfasst worden. Was sind sie denn von Beruf?“
Der große Mann schnappte verzweifelt nach Luft. „Muggel, diese ignoranten Muggel! Ich bin ein großer Zauberer mit einem Abschluss summa cum laude von der Universität Hogwarts. Die werden sie doch wohl kennen?“
Frau Hackebeil schüttelte unbeeindruckt den Kopf. „Nein, sagt mir gar nichts. Also was haben sie zuletzt gemacht?“
Der Mann war für einige Augenblicke sprachlos bevor er leise antwortete. „Ich war das Oberhaupt der ‚Totesser‘ und habe nach der Weltherrschaft gestrebt. Ich war so dicht davor, aber dann hat mich dieser verdammte Harry Potter einfach ausgetrickst.“
Frau Hackebeil sah den Mann nur verweisend an. „So kommen wir doch nicht weiter Herr Voldemort. Was haben sie denn für Qualifikationen? Können sie mit Computerprogrammen umgehen? Zu Beispiel MS Office oder SAP? Beherrschen sie irgendeine Fremdsprache?“
Der Kahlkopf überlegte kurz. „Meine unübertroffenen Zauberfähigkeiten sind mir leider vom Ministerium entzogen worden. Aber die Schlangensprache beherrsche ich noch… und natürlich verfüge ich über exzellente Führungsqualitäten. Es hat mir schon immer ein besonderes Vergnügen bereitet, unfähige Untergebene zu quälen und ich war ziemlich erfolgreich beim Verbreiten von Angst und Schrecken.“
Frau Hackebeil verzog den Mund und machte sich einige Notizen. „Das klingt aber nicht nach modernen Managementmethoden. Aber vielleicht kann ich sie im Sicherheitsbereich unterbringen. Wie steht es denn mit einem polizeilichen Führungszeugnis? Sind sie vorbestraft?“
„Na ja. Eigentlich bin ich nur auf Bewährung draußen. Kann man da nichts machen?“
Frau Hackebeil schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube nicht. Ich fürchte da bleiben uns nur diverse Arbeitsmaßnahmen. Wie wäre’s fürs erste mit Spargelstechen oder Erdbeerenpflücken? Sie sind doch sonst gesund oder?“
Der Kaftan-Mann sprang empört auf. „Was, sie wollen einen Lord Voldemort, einen einstmals berühmten Zauberer für unwürdige Hilfstätigkeiten einsetzen? Das werde ich mir unter keinen Umständen gefallen lassen. Das können sie mit mir nicht machen!“
Frau Hackebeil setzte eine strenge Miene auf und richtete sich hoch hinter ihrem Schreibtisch auf. „Hören sie gut zu Herr Voldemort. Bei Arbeitsverweigerung wird ihnen ganz schnell das Bürgergeld zusammen gestrichen. Und wenn sie weiter randalieren rufe ich den Sicherheitsdienst und sie fliegen hinaus auf’s Pflaster bevor sie Piep sagen können.“
Verblüfft lies sich der Mann wieder auf den Stuhl zurücksinken.
„So ist es schon besser.“ Frau Hackebeil wandte sich ihrem Computerdisplay zu und prüfte einige Listen bevor sie sich wieder ihrem renitenten Kunden zuwandte.
„Schätze wir machen erst mal ein Bewerbungstraining mit Einstufungstest. Nächste Woche am Donnerstag geht’s los. In Causton, 23 Penny Lane. Fahrkosten werden nur auf Antrag erstattet.“
Frau Hackebeil lies den Drucker rattern und händigte dem Mann einige bedruckte Blätter aus.
Dieser starrte verwirrt auf die ausgehändigten Blätter und murmelte leise einige Sätze in einer unbekannten Sprache.
„Lesen werden sie ja wohl können, oder? Steht alles da drauf. Wenn sie ohne ausreichende Entschuldigung fehlen, wird ihnen für drei Monate das Bürgergeld gekürzt. Klar?“
Der Mann verzog angewidert das Gesicht und nickte nur.
„Damit hätten wir es für heute. Wünsche noch einen schönen Tag.“
Der kahle Mann faltete wütend die Blätter zusammen, erhob sich abrupt und rauschte grusslos hinaus.
Frau Hackebeil seufzte resigniert auf. „Warum, muss ich immer diese schrägen Typen abbekommen.“