Storys > Kurzgeschichten > Science Fiction > Wasser ist das Nasse

Wasser ist das Nasse

28
24.01.24 20:25
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

Die Brisanz, die die Entdeckung der Wasserpfütze naturgemäß darstellte, passte nicht zu der Tatsache, dass Lytz dazu auserwählt wurde, den Fall zu untersuchen. Ihr Partner RoboCopDog 1.2 war frisch aufgeladen und Lytz hoffte, dass sie schnell fertig sein und dann wieder ihre Ruhe haben würden.

Der Morgen dämmerte gerade erst über der Steinwüste als Lytz und RobocopDog 1.2 bereits mit müden Augen (nur Lytz) in der Gemeinschaftsküche am Tatort stand. Rina hatte als erstklassige Frühaufsteherin die Wasserpfütze beim Wasser holen gefunden. Dass jemand vor Schreck in Ohnmacht gefallen sein soll, hielt Lytz aber für Übertreibung.

»Analyse, Einspunkt.« Ihr kleiner mechanischer Partner steckte seine Nase in die Pfütze. Lytz hoffte, das würde nicht zu einem Kurzschluss führen. RoboCopDog 1.2 hatte beinahe schon historischen Wert. Er war, soweit sie wusste, der letzte aktive Roboter der ersten Baureihe.

Lytz wusste, warum ausgerechnet sie von allen verfügbaren Ermittlern auserwählt wurde, den Fall zu untersuchen. Sie stand ganz unten auf der Liste und damit hatte sie den geringsten Lohn. Und immer wenn die Siedlung selbst einen Auftrag zu vergeben hatte, kam es vor allem auf die Kosten an. Nur die Privatleute, die an denen wirklich etwas an der Aufklärung eines Falles lag, wählten ihre Detektive von ganz oben aus dem Ranking. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie mal dran war. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie sich bemüht, aber leider nicht erfolgreich, dastehen lassen. Dann würde sie auf dem letzten Platz bleiben. Und weniger oft behelligt werden. Die Grundration , die es für das Angebot einer Arbeit gab, reichte ihr vollkommen. Was war hier passiert. In ihrem Kopf kombinierte sie ein Szenario. Ein Wüstenfuchs schlich sich ins Lager. Er … nein, ihr fiel noch nichts ein.

»Tiiieptüdelpi krrr früüüümmgnülp«
»Das ist ungewöhnlich.« Lytz kraulte Einspunkts Kunstfell-Ohren.
»Niemand würde Trinkwasser verschütten. Es muss einen Unfall gegeben haben. Aber warum hat man das Wasser dann nicht wieder aufgehoben.« Die Pfütze war auf dem warmen Steinboden in der trockenen Luft der Steinwüste beinahe zu einem großen Fleck getrocknet. »Apropos, Einspunkt. Nimm das restliche Wasser auf. Bevor die Morgenhitze alles verdunstet und nichts mehr übrig bleibt von meiner Bezahlung.«

Lytz überlegte sich ein neues Szenario. Der Wüsstenfuchs. Er hat sich eingeschlichen und den ersten müden Wasserholer des Tages angefallen. Er hat ihn nach draußen geschleppt, Und vor den Türen der Stadt verspeist. »Einspunkt, mach mal ‘ne DNA-Analyse am Wasserspender.« Während Einspunkt mit seiner mechanischen Zunge den Knopf am Wasserspender ableckte um Proben zu nehmen, fiel Lytz’ Szenario in ihrem Kopf in sich zusammen. Warum gab es dann keine Spuren? Es hätte Geschrei gegeben, welches man in den umliegenden Schlafräumen gehört hätte.

»Büpbüpbpüp knüdelüp«
Auf Einspunkts Display erschien eine ID, die jedoch rot blinkte. Wann hatte sie mit Einspunkt den letzten Datenabgleich gemacht? »Kleiner Schrotthaufen.« Lytz tätschelte Einspunkt liebevoll auf den Kopf. Es machte ihr nichts aus, dass Einspunkt kein Holodisplay besaß, dass sie ihn ab und zu neu starten musste, wenn er sich mal wieder aufgehängt hatte oder dass er nicht wie die neueren Modelle einen Datenlink ausgestattet war und damit immer auf dem neusten Stand war. Einspunkt war günstig gewesen und der Akku hielt ewig. Alleine sein Besitz legitimierte ihre Detektiv-Kanzlei und machte sie damit zu einem produktiven Teil der Gesellschaft. Er war aber auch nicht hilfreich genug, um sie wirklich erfolgreich zu machen. Für ihre Zwecke war ihr das gerade recht. Wer zu erfolgreich war, bekam nur mehr Aufträge. Das bedeutete Arbeit. Und das bedeutete weniger Zeit, die man in Ruhe beim Lesen verbringen konnte. Und mehr wollte sie nicht. »Einspunkt das ist eine Sackgasse. Dieser,« sie beugte sich herunter, um die verpixelte Schrift lesen zu können, »Rag Gat ist aussortiert. Bist du dir sicher, dass du die oberste DNA erwischt hast. Von der letzten Person, die den Wasserspender benutzt hat?« Einspunkt piepste zustimmend. Lytz stand auf und klopfte sich den Sand von den Knien, den der ewige Wüstenwind in die Stadt aus Stein wehte. »Na, dann folge mal der Spur. Auch wenn deine Daten veraltet sind, führt uns die DNA zumindest zu der letzten Person, die hier war. Vielleicht hat er oder sie was gesehen.« Wo sie gerade hier war, legte sie ihren Unterarm so auf den Scanner des Wasserspenders, dass er ihren Chip lesen konnte und füllte ihren Wasserschlauch mit der Tagesration Wasser auf.

»Knüdelüp«
»Ja, ja.«

Die Spur führte hinaus aus der Gemeinschaftsküche, hindurch, durch die in Stein gehauenen niedrigen Gänge hin zur großen Pforte nach Draußen. Lytz zögerte einen Moment, sie hatte die Stadt, die aus einem einzigen in den Stein gehauenen Gebäude bestand, seit Jahren nicht verlassen. Wie die meisten ihrer Bewohner. Doch Lytz hatte keine Wahl. Man würde sie fragen, wohin die Spuren sie geführt hätten. Zumindest dem musste sie nachgehen. Es war ein schmaler Grat, den sie gehen musste. Ich-bin-auf-dem-Arbeitsmarkt-und-verdiene-mir-damit-als-Teil-der-Gesellschaft-meine-Grundration vs. Ich-mache-gar-nichts-und-werde-hinaus-in-die-Wüste-geschickt. Sie schob den schweren Vorhang, der die unerbittliche Wüstenhitze aus dem Gebäude hielt, beiseite und machte einen vorsichtigen Schritt nach draußen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen doch die Dämmerung brachte schon die Vorboten der Hitze des Tages mit sich.

Einspunkt führte sie an der Außenwand entlang, die Nase fest auf dem immer wärmer werdenden Steinboden gepresst. Lytz konnte keine Spuren entdecken, aber Einspunkt folgte zielsicher einer. So weit waren sie noch nie nach draußen gegangen. Zum Glück hatte sie noch ihr Wasser aufgefüllt.

Inzwischen war die Sonne aufgegangen, sie waren jedoch auf der, der Sonne abgewandten Seite der Siedlung unterwegs und liefen daher im Schatten. Plötzlich standen sie vor einer kleinen Höhle, die von außen in den Felsen der Siedlung gehauen war.

Neben erstklassigen ermittlerischen Fähigkeiten hatte Einspunkt theoretisch auch ein Unterprogramm für den Nahkampf. Er sah zwar ganz niedlich aus mit seinen großen Ohren und orangenem, struppeligen Fell, aber im Ernstfall war er eine Waffe. Zumindest theoretisch. Also trat Lytz ein.

Der kleine Durchschlupf verbreiterte sich schnell zu einem niedrigen Gang, ganz wie sie sie aus der Siedlung kannte. Als ihre Augen sich an das Dunkel in der Höhle gewöhnt hatten, sah sie eine handvoll Menschen auf dem Boden. Zwei saßen in der Mitte eines kleinen runden Raumes und spielten ein Würfelspiel, zwei saßen in der Ecke an einem großen Berg Fleisch und entfernten die Knochen. Da war er, der Wüstenfuchs. Und direkt neben dem Eingang saß: RAG GAT! Sie erkannte ihn, obwohl die Person, die vor ihr saß nur noch entfernt an das ID-Bild erinnerte, das immernoch auf Einpunkts Bildschirm flimmerte. Seine Knie waren aufgeschürft, seine Handflächen ebenso. Lytz kombinierte haarscharf. Der alte Mann hat sein Wasser geholt. Ein Schwächeanfall. Ein Sturz bevor er seinen Wasserschlauch zugemacht hatte. Aber doch ergab das alles keinen Sinn.

Lytz beugte sich über Einspunkt. »Hier steht, dass du zum letzten Stichtag aussortiert wurdest. Du solltest seit 5 Monaten tot sein.« Der alte Mann lachte hustend. »Nicht jeder, der zum Sterben in die Wüste geschickt wird, stirbt auch.« Lytz sah sich um. Alle die hier in der Höhle waren, waren alt. Nur einer war jung, doch dem fehlte ein Bein. Die typische Verletzung eines Wassertauchers, die in den unterirdischen Höhlen nach neuen Quellen tauchen. Eine ehrbare Arbeit. Und doch wird man aussortiert, wenn man während ihrer Ausübung verletzt wird und sie nicht mehr machen kann. Lytz hatte schon den richtigen Ansatz was das Thema Arbeit betraf. Nur das Minimum machen.

Ein neues Szenario. Wer aussortiert wird und die Wüste überlebt, versteckt sich hier …

»Wo habt ihr den Chip für den Wasserspender her?«
»Mitgehen lassen, nachdem er entfernt wurde.« Rag fasst sich an seinen rechten Unterarm.

… Nachts kommen sie mit »mitgenommenen« Chips und holen sich Wasser. Womöglich zu zweit. Der alte Mann hat sein Wasser geholt. Ein Schwächeanfall. Ein Sturz bevor er seinen Wasserschlauch zugemacht hatte. Ein Hilferuf würde den Tod bedeuten. Schon wieder. Vielleicht hört er die Ersten aufstehen. Er flieht. Eine Pfütze bestes Trinkwasser bleibt zurück. Und ausgerechnet Rina findet sie und macht natürlich ein Riesengedöns darum.

Und jetzt saß Lytz da und hatte den Salat. Was sollte sie tun? Sie hatte den Fall zwar aufgeklärt, aber sie kann nicht zu Rina laufen und ihr erzählen, was sie herausgefunden hat. Das würde den zweiten Tod für diese Leute bedeuten. Ganz zu schweigen von ganz viel Papierkram und einem Rattenschwanz an Arbeit für Lytz selbst. Einspunkt hatte keinen Datenlink, daher war nicht übermittelt, dass Rag Gat scheinbar noch am Leben ist.

In Lytz’ Kopf baute sich ein Szenario auf. Lytz ist zurück in der Siedlung bevor die Morgenhitze ihre volle Kraft entfaltet hat. Lytz verschwieg, was sie entdeckt hatte. Vor dem Siedlungsrat würde ihr ein Szenario einfallen, was alles erklären würde. Am Ende würden alle zufrieden sein. Und sie hätte wieder ihre Ruhe.

Feedback

Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!

Autor

sthurbels Profilbild sthurbel

Bewertung

Noch keine Bewertungen

Statistik

Sätze: 127
Wörter: 1.541
Zeichen: 9.223

Kurzbeschreibung

Eine Ermittlung in einer dystopischen Welt. Inklusive hundischem Helferroboter.