Storys > Kurzgeschichten > Science Fiction > Call of the Void

Call of the Void

29
17.12.23 22:02
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Es scheint waghalsig, Leute zu beklauen, die dich mit einem einzelnen Gedanken umbringen können. Aber Aaron sagt, man muss ausnutzen, wenn man der einzige ist, der frei denken kann.

Ich sitze im Bus. Natürlich ist es gefährlich den Bus zu nehmen. Am sichersten wäre es, wenn ich zuhause bleiben und mir alles was ich brauche über meine Nanos bestellen würde. Aber um mir Dinge bestellen zu können, brauche ich Geld. Ich habe Vieles versucht um Geld zu verdienen, von dem nichts dauerhaft funktioniert hat. Bis ich das hier angefangen habe.

Die Straßen sind bis auf den autonom fahrenden Bus und ein paar wenige Fahrräder leer. Uns wird nicht zugestanden, motorisierte Gefährte zu steuern. Ich mag die Stille, die das mit sich bringt. Und einen Führerschein hatte ich sowieso nie. Heute Morgen sitze ich in der Buslinie, die zum Strand fährt. Es gibt viel Strand, da wir auf einer Insel sind. Ich bin kein Freund von Strand und Meer. Aber Aaron sagt, ich soll alle Buslinien durchmachen. Ich werde einfach sitzenbleiben und direkt wieder in die Stadt zurückfahren. Dort fühle ich mich wohl.

Wir haben eine schöne Stadt bekommen, die alles bietet was man braucht. Wir haben große Wohnungen in schönen Häusern. Wir haben Läden in denen man alles bekommt, Cafés und Restaurants. Wir gehen zur Arbeit, wir haben Wochenende. Beinahe könnte man vergessen, dass wenn man sich auf das Meer hinaus begibt, die Selbstschussanlagen einen niedermetzeln. Es scheint, als ob das regelmäßig Leute vergessen, denn immer mal wieder wird einer niedergemetzelt, der versucht, von hier raus zu kommen. Warum das jemand machen würde, kann ich mir nicht vorstellen. Dabei bin ich im Denken ziemlich gut.

Deswegen funktioniert diese Sache auch so gut. Wenn ich neben einer Frau sitze, deren schwarze Hose voll mit feinen Haaren ist, dann denke ich einfach Tierhandlung 14,99 $ und ziehe meine Hand ganz unauffällig – darin bin ich besonders gut – über ihre Hand. Ehrlicherweise kann ich nicht alles Lob dafür einheimsen. Das Beruhigungsmittel, das die meisten nehmen, macht es mir auch recht einfach.

Immer nur kleine Beträge. Immer etwas das passt. Starbucks 5,49 $ bei der jungen Frau mit den gelben Zähnen. Steam 24,99 $ bei dem Jungen mit dem nervösen Zeigefinger. Immer nur soviel, wie ich gerade brauche. Die Idee dafür hatte Aaron. Aaron wohnt in der Wohnung gegenüber von mir. Meistens meditiert Aaron, die Wohnung verlässt er niemals. Was ich verdiene, reicht für Aaron und mich.

Aaron sagt, die Nanos waren im Prinzip eine fantastische Erfindung. Sie machen alles leichter. Das Interface lässt dich alle kompatiblen Geräte per Gedanken steuern. Und nicht nur das. Wenn du beispielsweise deinen Herd reparieren musst, aber du keine Ahnung davon hast, denkst du einfach daran. Die Nanos googlen die Funktionsweise deines Herdes, übernehmen dann die Steuerung deiner Muskeln und du reparierst den Herd. Wenn du auf dem Klavier Beethoven spielen willst, setzt du dich einfach hin und die Nanos übernehmen. Nicht nur das, sie verstärken auch die Kraft deiner Muskeln um ein Vielfaches. Ich kenne die Werbung von damals noch auswendig. Ich habe die Nanos gewollt, um perfekte Kreise zeichnen zu können. Ich bin nämlich eigentlich Künstler und kein Taschendieb. Tausende haben sich die Nanos installieren lassen, bis die ersten Probleme auftraten.

Per Interface gesteuerte Autos rammten plötzlich andere Verkehrsteilnehmer, da das wohl der Wunsch nicht weniger Leute war, die ein Fahrzeug steuerten. Leute haben mitten im Einkaufszentrum andere erwürgt. Andere hatten sich in den Ruin geshoppt, weil sie aus Versehen alles bestellt haben, was sie sich gewünscht haben. Aaron hat nur noch ein Auge. Er saß beim Essen und fragte sich, wie es wäre, wenn er sich die Gabel ins Auge rammen würde. Dann haben die Nanos übernommen.

Also eigentlich tun die Nanos genau das, was sie tun sollen. Nur die Menschen, die ihre Befehle denken, denken nicht das, was sie sollen. Die Nanos können die Art, wie die meisten Menschen denken, nicht verstehen. Das habe ich mit den Nanos gemeinsam.

Meine Nanos funktionieren tadellos. Aaron hat es mir so erklärt: Wenn er vor einem anderen Menschen stehen würde, von dem er wüsste, dass er Gedanken lesen kann, würde er denken: »Denk jetzt bloß nicht an diese eine peinliche Sache, die du gerne tust«. Und dann würde er daran denken. Ich würde denken: »Hallo Paul«, oder wie auch immer dieser Gedankenleser heißen würde. Wenn er sich nicht vorgestellt hätte, würde ich denken »Hallo, wie heißt du?« Meine Gedanken funktionieren anders, als die der meisten anderen.

Der Bus hat die Endstation erreicht. Es steigt neue Kundschaft für mich ein. Sie haben den typischen, starrenden Blick, den alle Nanobesitzer haben. Wir fahren los und ich sehe aus dem Fenster und sehe das Meer immer kleiner und die Häuser in der Ferne immer größer werden. Ich bin immer noch sehr zufrieden mit meinen Nanos und würde es wieder tun. Na ja, nicht wenn ich wüsste, dass ich hier mit allen anderen in Sicherheitsverwahrung landen würde. Als alle eingesammelt und hierher weggesperrt wurden, wurde leider nicht berücksichtigt, das ich keine Gefahr für mich und andere darstelle. Jetzt bin ich hier gefangen mit tausenden von Menschen, die Angst vor ihren eigenen Gedanken haben.

Wenigstens beschäftigt sie das und gibt mir das die Möglichkeit ungestört zu arbeiten. Breit gebauter Mann mit bunten Armen. 130 $ Tattooladen. Ich erinnere mich an das Tattoo von einem Totenschädel auf der Hand. Die Hand, die meinen Arm jetzt fest umschließt. Und zudrückt mit der Kraft von Millionen Nanos. Ob es eine waghalsige Idee ist, Leute zu beklauen, die dich mit einem Gedanken töten können? Nicht, wenn man diese Fähigkeit auch hat…

Feedback

Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!

Autor

sthurbels Profilbild sthurbel

Bewertung

Noch keine Bewertungen

Statistik

Sätze: 71
Wörter: 987
Zeichen: 5.696

Kurzbeschreibung

Es scheint waghalsig, Leute zu beklauen, die dich mit einem einzelnen Gedanken umbringen können. Aber Aaron sagt, man muss ausnutzen, wenn man der einzige ist, der frei denken kann.