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Der kleine unbedeutende Vorfall, von dem ich hier berichte, ereignete sich vor vielen Jahren. Ich weiß wirklich nicht mehr genau wann es war, in den frühen achtziger Jahren vielleicht? Je länger ich darüber nachdenke, umso wahrscheinlicher erscheint es mir, dass es so lange her ist. Auf jeden Fall muss zu einer frühen Zeit meiner Selbstständigkeit gewesen sein. Zu dieser Zeit war ich viel unterwegs, denn damals waren Computer teuer und ich konnte mir weder den Kaufpreis von rund 250.000 Deutsche Mark (ich weiß, das kann sich heute niemand mehr vorstellen, aber dieser Preis war eher die Untergrenze), noch die monatliche Leasingrate leisten. Ich besuchte von daher Tag für Tag meine Kunden und benutzte zum Arbeiten deren Computer.
Unsere Ehe befand sich damals in einem rauen Fahrwasser. Es war trotz unserer tiefen Zuneigung zueinander gerade nicht einfach. Ich verließ morgens vor sieben das Haus und kehrte meist abends gegen sieben oder noch später zurück. Dazu gab es dann noch Tage und Wochen, an denen ich geschäftlich auf Reisen war. Meine Liebe versuchte sich zur gleichen Zeit wieder beruflich zu etablieren. Das war von einigen gravierenden Rückschlägen begleitet, denn Beruf, Haushalt und Kind unter einen Hut zu bringen, sind ziemlich starke Herausforderungen. War ich zu Hause, versuchte ich mich gewohnheitsgemäß in den Haushalt einzubringen. Die Betonung liegt auf versuchte, denn abends nach sieben war die Hausarbeit getan und auch die Kindererziehung ruhte. Meine Erziehungsversuche wurden somit vom Nachwuchs eher als Belästigung empfunden und auch meine Liebe empfand diese Versuche unpassend oder gar überflüssig. Das alles führte eher zu Reibereien, als zu ernsten Zerwürfnissen, machte aber trotzdem unsere Ehe nicht zu einem Hort von Frieden und Freude.
Die Kunden, die ich betreute, beschäftigten mich meist wochen- oder monatelang. So entwickelte sich zur Stammbelegschaft ein Verhältnis, wie es unter Arbeitskollegen im Allgemeinen üblich ist. In der Zeit, von der ich hier erzähle, war ich für einen bedeutenden internationalen Hersteller von Batterien aller Art tätig. Es war ein großes Projekt und die Arbeit daran zog sich gut ein Jahr hin. Zwischen mir und der Abteilungsleiterin der Computerabteilung, Frau H., entwickelte sich im Laufe der Monate ein enges Vertrauensverhältnis. Wir teilten uns ein Büro und saßen dort stundenlang zusammen an unseren Schreibtischen. Es blieb natürlicherweise bei unseren vielen Gesprächen nicht nur beim Beruflichen. Wir tauschten uns über Familie, Lebensumstände, Vorlieben und Abneigungen aus. Wir reisten gemeinsam zu Lehrgängen und verbrachten dort die Tage und Abende miteinander. Wenn ich meine Liebe darauf ansprach, ob das denn für sie in Ordnung sei, lächelte sie wissend. Anschließend bekam ich dann von ihr einen Standardvortrag, des Inhalts, wenn sie mir nicht vertrauen würde, wäre sie nicht mit mir verheiratet.
So lebten wir trotz der beruflichen Belastungen und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten in einer häuslichen Gemeinschaft, die abseits, der sich aus diesen Belastungen ergebenden Reibereien von Zuneigung und zärtlichem Miteinander geprägt war. In Stunden der Ruhe spürten wir die uns eigene Nähe, wohl wissend, dass diese Stunden immer nur eine kurze Auszeit vom täglichen Stress waren. Die Zeit verging, der Herbst kam und ging, der Winter kam und als dieser ging, näherte sich unser Hochzeitstag. Schon damals versuchten wir uns diesen Tag so einzurichten, dass wir den Abend allein für uns hatten. Das haben wir beibehalten, nur heute brauchen wir unsere Zweisamkeit nicht mehr auf den Abend zu konzentrieren. Am Morgen unseres Hochzeitstages standen wir besonders früh auf. Nur, um auch am Morgen ein wenig Zeit für uns zu haben und die uns eigene Nähe zu spüren. Es wurde für uns beide ein langer Tag, denn inzwischen war auch meine Liebe beruflich erfolgreich. Oft während dieses Tages kreisten meine Gedanken um den Abend, voller Sehnsucht dachte ich an meine Liebe. Wie immer hatten wir nichts geplant und uns versprochen keinerlei Geschenke auszutauschen. Meine Sehnsucht steigerte sich im Laufe des Tages – mir kam die wahnwitzige Idee, meiner Liebe ein Geschenk zu machen. Da ich keinerlei Vorstellung hatte, was man einer Frau zu diesem Anlass schenken könnte, besprach ich diesen Punkt schließlich mit Frau H. Sie hörte aufmerksam zu, schüttelte den Kopf und stellte die entscheidende Frage, „haben sie ihrer Frau schon einmal etwas zum Hochzeitstag geschenkt?“ Ich verneinte das wahrheitsgemäß. Frau H. lachte laut und erklärte im Brustton der Überzeugung, „dann lassen sie das. Ihre Frau könnte das missverstehen und auf falsche Gedanken kommen.“ Ich habe den Rat befolgt, aber am Abend, als wir entspannt zusammen saßen, habe ich meiner Liebe davon erzählt. Sie lachte genauso schallend, wie es Frau H. getan hatte und meinte danach nur, Frau H. hätte mir einen weisen Rat gegeben.
Viele Jahre später, so zu der Zeit, als wir noch junge Rentner waren, hatten wir am Morgen unseres Hochzeitstages ausgiebig gefrühstückt, danach hatte ich etwas auf der nahen Einkaufsstraße zu erledigen. Auf dem Rückweg ritt mich der Teufel. Kurz entschlossen betrat ich das einzige Blumengeschäft weit und breit. Beratungsresistent lehnte ich alle mir angebotenen vorgefertigten Sträuße ab, fand Rosen, die mir gefielen, so kleine in Gelb eben. Ich nervte weiter mit dem Grünzeug, das ich dazu haben wollte. Schließlich, die Besatzung des Blumenladens war einem Nervenzusammenbruch nahe, war der Strauß so in Form gebracht, dass ich zufrieden war. Die angebotene Verpackung als Geschenk, so in Plastikfolie oder was immer dieses transparente Zeug sein mag, lehnte ich einigermaßen entrüstet ab. Ich bestand auf Packpapier.
Zu Hause schmuggelte ich die Blumen hinter der Einkaufstasche versteckt am Fenster vorbei in die Wohnung. Meine Liebe war durch kleinere Reinigungsarbeit abgelenkt, so konnte ich mit Blumen und Einkäufen unbemerkt die Küche erreichen. Ich entfernte das Packpapier, hielt den Blumenstrauß hinter dem Rücken versteckt und näherte sich meiner Liebe. Diese reagierte misstrauisch und wollte wissen, was ich hinter dem Rücken verberge. Ich ließ sie etwas zappeln und verhinderte dabei gleichzeitig, dass sie nachgucken konnte, was ich hinter dem Rücken verborgen hielt. Schließlich gelang es ihr doch einen Blick auf die Blumen zu erhaschen und so hielt ich ihr den Blumenstrauß unter die Nase. Sie lächelte, nahm die Blumen entgegen und zum Dank erhielt ich einen Kuss auf die Wange. Danach erklärte sie mir, du hättest dich vor dieser Dummheit mit Frau H. besprechen sollen. Dazu war es nun Jahrzehnte zu spät und so einigten wir uns darauf unseren gemeinsamen Tag mit einer ausgiebigen Wanderung zu gestalten und für den Abend eine Flasche Sekt aus dem Keller zu holen – oder auch zwei, schob meine Liebe nach und drapierte die Blumen in einer Vase.
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