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Vor vielen Jahren, als Lärmschutzwände an Autobahnen noch unbekannt waren und man vom Auto aus den Ausblick auf die Landschaft genießen konnte, fuhren sie an einem sonnigen Frühsommertag von München in Richtung Salzburg. Der kleine Wagen war schon recht betagt und so ging es nur gemächlich voran. Dort, wo sich die Fernstraße in das Tal der Leitzach hinab windet, erblickte die junge Frau einen malerisch gelegenen See rechts neben der Autobahn.
Kleine Inseln waren in der Mitte des Sees gruppiert, sie war begeistert vom Anblick. „Haben wir Zeit für eine Pause am See?“ Er nickte. „Wir können aber erst in Irschenberg abfahren.“ Und so steuerte er den Wagen hinab in das Leitzachtal, um ihn anschließend mit keuchendem Motor die Höhe des Irschenberges zu erklimmen zu lassen. Von dort war es nur eine kurze Stecke auf der Landstraße nach Miesbach bis ein kleiner Fahrweg rechts, parallel zur Autobahn bergab führte.
Am Ufer der Leitzach parkte er den Wagen. „Es ist ein schöner Weg zu Fuß zum See und gar nicht steil“, meinte er. So gingen sie entlang der Leitzach durch eine Autobahnunterführung. Anschließend stieg der Weg sanft an und sie wanderten durch die saftigen Wiesen des Voralpenlandes, auf denen braun weiße Kühe grasten. Die Stecke zum See beschrieb ein großes „S“, führte auf einer Brücke wieder über die Autobahn und schließlich standen sie am Ufer des Sees. Er legt ihr den Arm um sie, „Komm, ein Stück weiter gibt es ein Café, da trinken wir Kaffee und dann leihen wir uns einen Kahn und rudern zu einer der Inseln.“
So ruderten sie nach einer kleinen Rast mitten in das Licht der Frühsommersonne. Ein sanfter Wind kräuselte leicht das Wasser. Die junge Frau saß am Heck des Bootes, während der junge Mann gemächlich zu einer der Inseln ruderte. Sie schloss die Augen und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. Die Wärme der Sonne auf ihrer Haut verleitete sie zum Träumen und so öffnete sie die Augen nur ab und an, um einen Blick auf ihren Begleiter zu werfen. Dieser lächelte ihr dann jedes Mal zu; und von ihm aus hätte der See die Größe eines Ozeans haben können, nur um mehr Zeit zum Betrachten der Frau zu haben.
Doch schon nach kurzer Zeit stieß der Bug des Bootes auf das flache Ufer einer der Inseln und die Frau wurde aus ihren Träumereien gerissen. Er sprang ans Ufer, zog das Boot weit genug aus dem Wasser und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Boot zu helfen.
Zu ihrer Verwunderung bemerkten sie, die Insel war von einer Art Befestigungsmauer umgeben. Ein paar Treppenstufen waren in die Mauer eingelassen, die nach oben führten. Oberhalb der Stufen gab es eine kleine Lichtung, auf der dichtes, hohes Gras wuchs. Umgeben war die Lichtung von mächtigen, alten Eichen. Sie legten sich nebeneinander in das hohe Gras und gaben sich ihren Träumen hin. Für den Rest der Welt unsichtbar, waren sie im Gras versunken, so als hätte die Erde sie verschluckt. Über sich sahen sie die mächtigen Kronen der Eichen und den mit kleinen weißen Wolken geschmückten, blauen Himmel. Sie fassten sich bei den Händen und in diesem Augenblick war es, als würde der Himmel die Erde berühren. Der Zauber endete abrupt, als ein weiteres Boot geräuschvoll auf das kiesige Ufer der Insel glitt.
So kurz dieser Zauber auch war – ein Wimpernschlag, gemessen an der Zeit eines Menschenlebens, blieb ihnen immer bewusst, dieser kurze Augenblick war der Zündfunke, der eine lebenslange Zuneigung zum Glühen gebracht hat. Eine Zuneigung, die alles andere in ihrem Leben überdauerte. Die Zeit der wilden Leidenschaft ebenso, wie die mit großer Leidenschaft geführten Kämpfe, die geführt werden mussten, um aus ihnen ein harmonisches Paar zu formen. Die Zeit der Verliebtheit genauso, wie den ewigen Alltagstrott und die Existenzsorgen der frühen Jahre.
Jetzt ergraut, sind alle Ziele erreicht; was bleibt, ist der nie versiegende Gesprächsstoff, dessen Quell die gemeinsamen Jahre sind; und die Erinnerung an den Augenblick, an dem alles begonnen hat.
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