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Von schicksalhaften Zeitreisen und dem Ruf der Nornen - Part II

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30.11.24 16:01
16 Ab 16 Jahren
In Arbeit

Autorennotiz

Wir starten im zweiten Part der schicksalhaften Zeitreisen mit einem Gott, welcher einfach nicht zu vernichten zu sein scheint und immer wieder auf den Plan tritt. Mithilfe von den anderen nordischen Göttern, welche sich weiter zu entwickeln scheinen, kommt man diesem Gegner immer näher.

Die Familie Kenway muss sich in den nächsten Jahren immer mehr Herausforderungen stellen und sich auf den bevorstehenden Krieg vorbereiten. Alleine sind sie dabei aber nicht.

Die Plantage wird des öfteren Ziel von Überfällen, die britische Armee rückt näher, die Patrioten mehren sich und endlich tritt Connor/ Ratonhnhaké:ton an die Seite seines Vaters. Die Konflikte sind jedoch vorprogrammiert. Gelingt es den Kenways alles zu meistern und sich mit Hilfe der Götter zu behaupten?

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Wie immer sei angemerkt, dass mir nur meine eigenen Charaktere gehören. Alle anderen sowie das eigentlich AC Universum unterliegen den Rechten von Ubisoft!

Diese Geschichte widmet sich im weiteren Verlauf der nordischen Mythologie und einigen Ritualen etc. Die Kapitel standen schon, bevor Assassins Creed Valhalla überhaupt angekündigt wurde. Sollten also in irgendeiner Form Parallelen oder Ähnlichkeiten auftauchen, kann ich es nicht ändern, weil die Götter sich nicht umschreiben lassen. ;)

10 Charaktere

Haytham Edward Kenway

Haytham E. Kenway, Sohn von Edward J. Kenway, geboren 04. Dez. 1725, London, gestorben 16. Sep.1781, New York, durch die Hand seines eigenen Sohnes Connor Kenway. Haytham war ein sehr vornehmer Engländer, der jedoch immer bereit war, alles zu tun was nötig war um sein Ziel zu erreichen. Er verachtete den Assassinenorden, hielt die Ziele, die sie vor hunderten von Jahren hatten, aber für ehrenhaft.

Edward J. Kenway

Pirat Edward James Kenway, geboren 10. März 1693 Swansea, Wales, gestorben 3. Dezember 1735 London. Vater von Haytham Edward Kenway und Großvater von Ratonhnhaké:ton (Connor Kenway), ein stoischer Mensch, der zu Beginn der Piraterie nur Ruhm und Reichtum im Sinn hatte. Bei den Assassinen lernt er, dass das alles keinen Sinn hat, wenn keine Familie und Freunde mehr da sind.

Charles Lee

Charles Lee (*6. Februar 1732 in Cheshire, England;† 2. Oktober 1782 in Pennsylvania) war ein Templer und ein General während der Amerikanischen Revolution. Er wurde kurz nach der Ankunft von Haytham Kenway in Boston von den Templern rekrutiert, obwohl er bereits mit ihnen sympathisierte. Er arbeitete sich sehr schnell in der Hierarchie nach oben und wurde bald die rechte Hand des Großmeisters.

Jennifer Scott

Edwards Tochter, geboren 1713, Halbschwester von Haytham E. Kenway, Jennifer wuchs bei ihrer Mutter Caroline Scott in Bristol auf. Da Jennifer nach der Abreise von Edward erst geboren wurde, blieb ihm seine Tochter lange Zeit unbekannt. Das änderte sich 1720, dem Jahr, in dem Caroline starb. Danach arrangierte sie eine Reise zu ihrem Vater in die Karibik, um ihn auf Great Inagua kennenzulernen.

William Miles

William "Bill" Miles, geb. 1948, war von 2000 bis 2013 der Anführer des Assassinen-Ordens und Vater des Assassinen Desmond Miles. Als in die Bruderschaft hineingeborene Person hat er sein ganzes Leben den Assassinen gewidmet.

Shay Patrick Cormac

Shay Patrick Cormac (12.09.1731-Unbekannt) war einst ein Assassine, der später ein Mitglied des Templerordens wurde, im Atlantik während des Siebenjährigen Krieges tätig war, und den Kolonialen Assassinenorden mit anderen Templern fast vollständig auslöschte.

Thomas Hickey

Thomas Hickey war ein Templer während der Amerikanischen Revolution. Auch er war daran beteiligt den verborgenen Tempel der Ersten Zivilisation zu finden. (geb. unbekannt + 1776) Hickey durchlief verschiedene Positionen im Revolutionskrieg. Zu Beginn noch an der Front stationiert, wurde er bald zur persönlichen Wache Washingtons. Zudem war er für die Finanzen der Kontinentalarmee zuständig.

Alexandra Kenway

Das ist ein von mir selbst ausgedachter Charakter. Geboren 26.5.1976 in Deutschland! Ihres Zeichens Zeitreisende und besessen von der kolonial Zeit in Amerika! Ehefrau von Haytham Kenway.

Edward Haytham Kenway Junior

Das ist ein von mir selbst ausgedachter Charakter. Sohn von Alex und Haytham, geboren 4.12.1763.

Florence Tessa Kenway

Das ist ein von mir selbst ausgedachter Charakter. Tochter von Alex und Haytham, geboren 4.7.1766.

 

~~~ Kapitel 1 ~~~

 

6. August 1768

 

Atlantischer Ozean

 

Wir hatten ein neues winziges Besatzungsmitglied, eine kleine schmusige Katze. Florence verbrachte jede Minute mit ihr, streichelte sie, kuschelte mit ihr, fütterte sie mit kleinen Fischstückchen, welche ihr die Matrosen hin und wieder reichten.
„Du musst ihr noch einen Namen geben, min lille engel.“
Meine Tochter sah auf ihr kleines Haustier, dann wieder zu mir. „Weiß nicht, Mama!“
„Ist das eine Mädchenkatze?“ fragte Edward grübelnd, während er unser neues Familienmitglied streichelte.
„Ja, hast du vielleicht einen Namen?“ ein heftiges Nicken meines Sohnes sagte mir, dass er einen Einfall hatte.
„Mina! Flo mag doch die Geschichten von Jasmin so gerne, die Tante Jenny ihr immer erzählt hat.“ Stolz sah er zu mir.
„Gefällt dir der Name auch?“ jetzt war es meine Tochter die glücklich nickte und ihren Bruder umarmte.
Somit hätten wir das geklärt. Was für mich aber noch entscheidend war, war dass Walka sich mit der kleinen Katze vertrug. Bis jetzt war alles friedlich verlaufen.
Zum ersten Mal schliefen die Kinder nicht in meiner Kajüte, sondern bei ihren Kindermädchen unter Deck in deren Kammern. Wir hatten sie dafür extra noch herrichten lassen, weil oben kaum Platz war. Wir konnten ja schlecht anbauen!

 

Der heutige Tag begann friedlich, ich hatte mich mit Mr. Hargreaves über die Möglichkeit unterhalten, im nächsten Jahr Great Inagua eventuell einmal anzusteuern.
„Ich würde mich sehr darüber freuen.“ in seinem Gesicht war ein Strahlen erschienen! Dieser Mann liebte die Seefahrt wirklich!
Am Nachmittag zogen ein paar Wolken auf, aber es sah nicht nach Unwetter aus.

 

Allerdings begann sich gegen Abend ein dichter Nebel über dem Wasser zu bilden.
„Das ist aber ungewöhnlich zu dieser Jahreszeit!“ dachte mein erster Maat laut nach!
Auch die Temperaturen waren plötzlich eisig und alles fühlte sich irgendwie klamm an. Der Mann im Krähennest rief, dass dieser Dunst immer dichter wird.
Plötzlich eilte Haytham auf die Brücke.
„Alex! Setz deinen Sinn ein!“ dabei zog er mich zum Bug. „Siehst du es auch?“ in seiner Panik war er lauter geworden.
Ich konzentrierte mich, sah aber nur Nebel. Aber er sah anders aus, er … waberte nicht wie wir es kannten. Dann sah ich feine rote Linie in einiger Entfernung, welche sich zu einem Gebilde formten! Zuerst dachte ich, meine Sinne spielten mir einen Streich. Aber nein!
Ein Bild erschien! Ein Schiff! Ein sehr GROSSES Schiff mit einer jetzt deutlichen rot pulsierenden Aura!
Mein Herz schlug mir bis zum Hals! War das die Naglfar?

 

Mit einem Male tauchten etliche goldene Silhouetten um uns auf.
Mein Allvater sprach als erster.
„Da ist er ja, der Feigling. Traut sich doch tatsächlich endlich mal, sich zu zeigen!“ seine Stimme durchschnitt schon fast diesen Nebel! „Macht euch bereit für einen etwas unschönen Kampf!“ brüllte er alle Umstehenden an.
Meine Mannschaft sah ängstlich auf die helle Wand um uns, weil sie rein gar nichts sahen.
„Mistress Kenway! Da ist nichts…“ einer der jungen Männer traute sich dann doch etwas zu sagen!
„Ihr könnt es noch nicht wahrnehmen, aber ich versichere euch, dort vorne lauert ein mehr als gefährliches Schiff mit einem Gegner, der uns vernichtet sehen will!“ ich traute mich gar nicht mehr laut zu sprechen, aus Angst, dass mich Hrymr hören könnte.

 

Hach, wie schön! Ich höre dich, Schätzchen! Hier kannst du mir nicht so einfach entwischen! Du solltest dich schon einmal von deinem langweiligen Gatten und den nervigen Gören verabschieden! UNSERE Zeit beginnt bald!
Ich schaffte es gerade noch so, mich über die Reling zu lehnen, damit ich mich nicht aufs Deck übergebe!
Alle Männer begannen jetzt ihre Positionen für eine Schlacht einzunehmen, die Kanonen wurden bemannt und geladen, die Scharfschützen machten sich in den oberen Wanten ebenso bereit. Odin sei Dank, hatten wir noch einige von den neuen Gewehren bekommen, auch wenn sie bei diesem Nebel fürs erste unbrauchbar waren was das genaue Zielen anging.

 

Auch die Götter machten sich bereit und umgaben mein Schiff mit einer Art Schutzschild. Fasziniert sah ich auf dieses goldene Fließ um mich herum, bis mich Edward Junior aus meinen Gedanken holte.
„Mama! Mach dass der böse Kapitän wieder verschwindet!“ mit zitternden Lippen sah er zu mir auf.
„Ich verspreche dir und deiner Schwester, dass euch nichts passieren wird!“ ich sah zu Haytham, der sich ebenfalls gewappnet hatte. „Geht jetzt mit Sybill und Sophia hinunter, bitte! Hör auf mich, min lille skat!“ ich versuchte souverän zu klingen um ihm nicht noch mehr Angst zu machen.
„Aber geh nicht mit ihm mit, ich will auch brav sein. Ich bin auch keine nervige Göre!“ jetzt schniefte er an meiner Brust.
„Ich weiß, ich weiß, Edward. Bitte! Ich muss mich umziehen. Geh jetzt hinunter und pass auf deine Schwester auf, ja?“ flüsterte ich, strich ihm noch einmal über seine dunklen Haare, ehe ich mich umwandte um mich umzuziehen.

 

Ein seltsames Gefühl von Ruhe breitete sich plötzlich in mir aus, als ich nach und nach meine Montur anlegte.
Du siehst fantastisch darin aus! Ich freue mich schon, sie dir vom Leib zu reißen und dir zu zeigen, was dir noch alles gut stehen wird!
Dieses mal verursachten seine Worte keine unangenehmen Gefühle. Es stieg eine gewisse Wut in mir hoch. Diese nutzte ich jetzt um meine Mauer zu errichten. Oh nein, er wird mich nicht kriegen! Diese Genugtuung gebe ich ihm nicht!, schwor ich im Stillen.
Fertig angezogen ging ich wieder an Deck, wo ich vor einer Kampftruppe stand, die nur noch auf den Befehl zum losschlagen wartete.

 

Langsam löste sich diese helle Wand auf, hinter welcher die Naglfar sichtbar wurde. Mir sank nun doch mein Herz, sie war wirklich beeindruckend.
Du glaubst doch nicht, dass ich mit einer Nussschale meine Schlachten gewinne, oder?
Dieses Lachen war widerlich. Nicht nur ich hörte es, die Besatzung sah sich etwas verwirrt um, bekam aber von Thor eine entsprechende kurze Erklärung.
„Stellt euch vor, dort ist eine Man of War, die gleich angreift und ihr Kapitän ist ein großes Arschloch, welchem wir gehörig ans Bein pissen werden!“ grölte er Hammer schwingend. Ein lauter Kampfschrei war von den Männer zu hören, das hatten sie anscheinend noch gebraucht.

 

„Die Naglfar macht aber nicht den Eindruck, als wolle sie angreifen.“ das war mir auch schon aufgefallen. Ich sah keine Kanonenluken oder ähnliches. Ebenso wenig konnte ich jetzt, wo sich der Nebel verzogen hatte, eine Mannschaft an Deck ausmachen!
Haytham und ich ließen unsere Blicke noch einmal darüber gleiten, überall sahen wir aber diese feindlichen Auren, welche sich bewegten.
„Er hat sie getarnt, Alex!“ ich starrte fasziniert auf das andere Schiff, weil ich versuchte heraus zu finden, WIE das funktionierte.
Komm rüber, dann zeig ich dir meine Magie! Hörten wir ihn alle jetzt mit einem lauten Lachen.

 

Jetzt reichte es mir!
„Macht die Kanonen klar, eine Breitseite direkt auf das Mitteldeck!“ brüllte ich meinen ersten Befehl und es kam endlich Bewegung in die Mannschaft.
Auf der Naglfar konnte ich plötzlich ebenso Bewegungen ausmachen, wenn auch wie durch eine Wasserwand hindurch.
Die erste Salve donnerte los… aber nichts passierte! Wir sahen alle nur, wie die Kugeln an einer wabernden Wand abprallten und ins Wasser fielen!
„So, jetzt weißt du, dass du so nicht weiterkommst, mein Kind! Was schlägst du jetzt vor?“ mit einer hochgezogenen Augenbraue stand Odin vor mir.
„Ist das jetzt eine Fangfrage, ein Test, oder was? Woher soll ich…“ fauchte ich ihn an, weil ich mir einfach verarscht vorkam.
„Hier helfen im Moment noch keine weltlichen Waffen, dass solltest du wissen! Worauf glaubst du, haben wir euch vorbereitet? Auf einen Besuch im Streichelzoo?“ Der Göttervater hatte sich manifestiert. Er starrte mich wütend in Grund und Boden. „Nutze … deine … Fähigkeiten!“ jedes Wort betonte er einzeln!

 

Aber WAS sollte ich tun?
Haytham erschien neben mir mitsamt Tyr, auf der anderen Seite versuchte Thyra sich zu zeigen.
Immer noch schien Hrymr auf irgend etwas zu warten, es kam kein Gegenschlag von seiner Seite.
Mittlerweile hatten sich auch die anderen Götter in ihrer wahren Gestalt hier eingefunden! Eine recht beeindruckende Kampftruppe hatten wir beisammen.
Mit einem Male dämmerte mir, WAS Odin gemeint hatte. Ich musste meine Gedanken auf das mittlerweile neben uns liegende Schiff richten. Wenn ich das schaffte, dann konnte ich auch diesen Schild dort durchbrechen, ich wäre nicht alleine dabei.
„Ahhhh, du hast verstanden.“ freudig sah mich Sigyn an, die einen silbernen Brustpanzer trug. Auf ihrem Rücken sah ich einen Köcher mit Pfeilen und einen Bogen.

 

Ich schloss meine Augen, konzentrierte mich auf die Naglfar, versuchte sie in meinen Gedanken zu visualisieren! Nach und nach tauchte sie in meinem Kopf auf. Ich spürte, dass ich nicht mehr alleine war! Gemeinsam begannen wir diesen Schutz alleine durch den Willen zu durchbrechen. Wir rissen Hrymrs Mauer ein, wie er es schon so oft bei mir gemacht hatte!
NEIN! Ihr werdet mich nicht kleinkriegen! Fauchte er, als er begann doch zurück zuschlagen. Dieser Widerling versuchte jetzt mich mit Bildern zu manipulieren, zeigte mir wieder irgendwelche Trugbilder!
Das wird nicht funktionieren, du Idiot! Brüllte ich in meinen Gedanken.
Doch ehe ich mich versah, hörte ich schrille Schreie aus Richtung des feindlichen Schiffes! Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren!
Dort hing meine Tochter wie an Seilen in der Luft, neben ihr versuchte Edward Junior sich zu befreien. Seine Wut war bis zu mir zu spüren!
Es hört sich gemein und herzlos an, aber ich durfte mich davon nicht ablenken lassen.
Mir liefen die Tränen über die Wangen, als ich hörte, wie Fulla leise zu mir sprach. „Ich werde sie befreien, gemeinsam mit Heimdall! Vertrau mir!“ mehr als Nicken konnte ich nicht, weil jetzt eine Salve auf uns abgeschossen wurde.
Aber auch hier prallten die Kugeln wie an einer eisernen Wand ab.

 

Ich gab nicht auf, ordnete immer wieder das Nachladen an um die Naglfar ein wenig mürbe zu machen, weil das Schutzschild dort bereits rissig war!
Wir hörten Schüsse, welche aber immer nur in der Luft hängen blieben.
Leider sah ich, wie auch unser Schutz langsam zu bröckeln begann.
Eine weitere Breitseite aus beiden Kanonendecks auf die Naglfar brachte endlich den gewünschten Effekt. Einige Kugeln durchbrachen das feste schwarze Holz!
Um mich hörte ich lauten Jubel, aber noch war es nicht vorbei.
Jetzt begannen auch die Männer an Deck mit den Puckelgewehren die jetzt sichtbare feindliche Mannschaft zu beschießen.

 

Als ich hinauf zu meinen Kindern sah, bemerkte ich zwei goldene Schleier um sie! Warum aber bemerkte Hrymr diese Aktion nicht? Wo war er überhaupt?
Suchend sah ich mich um, fand weder ihn noch konnte ich irgendwo seine Aura ausmachen.
Ich bin ganz in deiner Nähe, Schätzchen! Flüsterte seine Stimme, aber nicht in meinem Geist, sondern direkt neben mir!
Erschrocken drehte ich mich in diese Richtung. Mich sahen glühend rote Augen aus dem Gesicht meines Mannes an.
Um uns war mittlerweile der Kampf im vollen Gange, die Schreie meiner Kinder waren aber Odin sei Dank verstummt. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie wieder auf die Jackdaw gebracht wurden, klammheimlich hinter Hrymrs Rücken. Wobei ich glaube, dass er es bemerkte, es auch so beabsichtigt hatte…
Es war eine hervorragende Ablenkung, findest du nicht? Dieses Arschloch hatte es geplant! Ich bin doch echt zu blöd!, schoss es mir in den Kopf.

 

„Diese Trugbilder haben immer kleine Unterschiede… Geruch… kleine Narben…“ Ging mir der Satz von einer meiner ersten Trainingsstunden bei Elias durch den Kopf.
Vor mir stand wirklich nicht Haytham! Dieser Geruch nach Holz und Rauch war nicht er! Bevor ich aber darüber nachdenken konnte, wo mein echter Mann ist, wurde ich von diesem falschen Gatten angegriffen. Immer noch verstand ich nicht, warum er mit mir kämpfte, wenn Hrymr doch eigentlich einen würdigen Nachfolger wünschte? Tot würde ich ihm DEN sicherlich nicht geben können!
Ich kriege immer was ich will!
Darauf kannst du lange warten!
Schrie ich, gleichzeitig ließ ich meine Klingen vorschnellen und zückte mein Schwert.

 

Holla, er war ein erprobter Kämpfer und hatte eine gewisse Stärke inne.
Immer wieder traf er meinen Schwertarm, durchtrennte immer wieder den Stoff meiner Jacke! Aber nie schnitt er in mein Fleisch!
Ich hingegen landete tatsächlich hin und wieder einen Treffer, leider musste ich nebenbei auch noch immer irgendwelchen Kugeln ausweichen, die um uns herumflogen! Weil es ja nicht nur Schwerter waren, die hier zum Einsatz kamen.
Mach es mir doch noch leichter! Das ist langweilig so! Hörte ich diesen Gott maulen, als er mal wieder lustlos auf mich einschlug!
Du willst es spannender? Mir war der Gedanke gekommen, IHN zu infiltrieren. SEINEN Geist zu manipulieren!
Ahhhhhh, willkommen in meinem Kopf! Jubelte Hrymr, während zeitgleich um mich Wände emporschossen! Dann ist es doch noch so einfach, dich für mich zu gewinnen! Mal sehen, wie lange es dieses Mal dauert, bis dich dein Mann oder dieses andere Pack befreit haben!
Ich war auf den ältesten Trick der Geschichte hereingefallen!

Kapitel 2

~~~ Kampf auf der Jackdaw ~~~

 

Ich war eingesperrt!
Dieser Gott hatte es mal wieder geschafft, mich zu verarschen! Innerlich kochte ich vor Wut über mich selber, über meine Unfähigkeit!
Ich begann mich auf mich zu konzentrieren, hier zählte sonst nichts anderes. Ich würde einen Teufel tun und weiter versuchen, in SEINEN Geist zu dringen. Vermutlich würde ich Dinge sehen, die mir die nächsten hundert Jahre Albträume bescheren würden! Das Risiko wollte und konnte ich nicht eingehen!

 

Langsam ruhte ich in mir, sah Yannick vor mir, wie er seine ersten Schritte tat, wie er strahlend seine Geschenke an Weihnachten auspackte. Meine Gedanken glitten zu Haytham, welcher stolz seinen Sohn im Arm hielt…
Diese ganzen Eindrückte stärkten mich und meinen Geist!
Als ich sicher war, dass mir dieser Gott nichts mehr anhaben konnte, stand ich auf! Immer wieder schlug ich auf die mich umgebenden Steine ein, sagte aber nichts, dachte nur an meine Familie!
Ich sah diese Blockade nach und nach verschwinden, sie rieselte in kleinen Kaskaden herunter!
NEIN! DU BLEIBST HIER! Seine Stimme überschlug sich bereits.
Ob du es nun glaubst oder nicht, aber ich werde nie bei dir bleiben! Niemals würde ich bei Hrymr bleiben.

 

Jetzt begann ein Kampf hier in seinem Kopf, wo er mir eindeutig überlegen war.
Leider spürte ich nämlich nicht mehr die Anwesenheit der anderen Götter!
Nein, fang nicht an an dir zu zweifeln! Du schaffst das! Redete ich mir immer wieder ein. Ein neues Mantra!
Ach Weib, es ist wirklich langweilig mit dir! Vielleicht sollte ich auf deine Tochter warten, bis sie reif genug ist… Bei diesen Worten sah ich ihn vor mir stehen. Bevor er noch weiter sprechen konnte, donnerte ich ihm meine Faust ins Gesicht!
Eugene war in Erscheinung getreten, welchen ich nun mit Faustschlägen, Tritten, Kinnhaken malträtierte! In mir war eine seltsame Kraft, welche ich so noch nicht gespürt hatte.

 

Plötzlich blendete mich ein gleißendes Licht, ließ mich zurückweichen.
Diesen unbedachten Moment nutzte er, um mich mit seinem Säbel zu durchbohren. Ja, genauso war es. Als ich zu meiner Körpermitte sah, steckte die Waffe bis zum Knauf in meinem Fleisch!
Erschrocken keuchte ich auf, mein Atem ging hektisch und langsam sank ich auf die Knie. Mir wurde schwindelig, meine Finger begannen zu kribbeln, mein Kopf wurde leicht…

 

Das war nicht die Realität!
Das war nicht die Realität!
Wieder und wieder sprach ich diese Worte, versuchte mich wieder an die Oberfläche dieses dunklen Sumpfes zu bringen! Vergebens!
Ich strampelte regelrecht, schien darin zu ersticken! Nein, ich wollte hier nicht so enden!
NEIN! Mein ganzer Körper schrie nach Leben, ich war noch nicht bereit zu sterben!
Meine Hand griff nach dem Säbel, zog ihn langsam heraus und mein Blick glitt zu Eugene. Er stand über mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht!
Was hast du jetzt vor? Ein letztes Mal aufbäumen, bevor ich mir das nehmen kann, was mir zusteht?
Gar nichts wirst du von mir bekommen.
Flüsterte ich. Mit meiner letzten Kraft erhob ich mich und rammte meinerseits den Säbel in seinen Bauch!
Mit einem erstaunten Blick sah er auf seine eigene Waffe. Aber nichts geschah.
Ich hatte das Gefühl, als wäre die Szene eingefroren.

 

ALEX! Hilf mir!“ Hörte ich die vertraute dunkle Stimme meines Templers in meiner Nähe. Als mein Blick wieder klarer wurde, wurde mir bewusst, dass ich bereits wieder auf der Jackdaw war! Vor mir sah ich einen Mann der Naglfar, welcher mich mit weit aufgerissenen Augen ansah, dann wieder auf den Dolch in seinem Bauch.
Ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Es waren wieder nur Bilder in meinem Kopf gewesen und ich hatte gerade jemanden umgebracht!
Ich sah mich um und entdeckte Haytham inmitten einer Gruppe von seltsam aussehenden Wesen. Sie hätten auch aus einem Marvel-Film stammen können. Die Haut glich der von Echsen, aber sie gingen auf zwei Beinen… Ach was solls…

 

Außerdem sah ich, wie Thor und Heimdall Seite an Seite eine andere Gattung von seltsamen Lebewesen dem Garaus machten!
Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, ich war in die Aufnahmen für einen Fantasyfilm geraten!
Ich rannte in Richtung meines Mannes um ihm beizustehen. Gemeinsam schafften wir es, wenn auch nicht ganz unbeschadet, diese Viecher ihrem Schöpfer zu übergeben!
Aber damit war noch nicht Schluss, denn ich sah, wie auf der Naglfar plötzlich weitere Gestalten auftauchten.
Die Naglfar regeneriert ihn und seine Kraft! War es wirklich so?

 

Ich eilte jetzt hinunter zum ersten Kanonendeck, ließ alles laden und gab dann den Befehl zu feuern. Die darunter liegende Sektion wurde ebenso angewiesen und feuerte nur Sekunden später!
Wieder an Deck sah ich einige unschöne Löcher und Risse in dem schwarzen Holz des Schiffes!
Du wirst mich nicht mit meinem Schiff versenken, Hure! Nicht bevor ich bekommen habe, was mir zusteht!
Die noch intakten Luken der Naglfar öffneten sich, die Kanonen wurden in Position gebracht. Der Befehl aber ließ auf sich warten, was mir natürlich reichte um mein Schiff einigermaßen in Sicherheit zu bringen!

 

Ich ließ unerwartet die Segel setzen! Vorerst nur die nötigsten! Hauptsache wir kamen hier etwas weg, weil ich bemerkte, wie sich der Wind erhob!
„Soll ich dir vielleicht dabei etwas helfen?“ grinste Thor, als er auch schon einen Sturm lostrat! Erst jetzt sah ich, dass plötzlich Edward Junior auf seinem Arm war und ihn anfeuerte! Mein Sohn! Er sollte doch…
„Jetzt hab dich nicht so, ihm passiert schon nichts!“ Augenrollend machte der Donnergott in seinem Tun weiter.

 

Dann hörte ich die ersten Einschläge von Kugeln, ängstlich stürmte ich an die Reling und besah mir die Schäden. Es waren keine großen Geschosse, aber sie waren spitz zulaufend.
Plötzlich stürmten einige Männer hustend und spuckend an Deck!
„Mistress Kenway! Diese Dinger explodieren… da kommt blauer Rauch aus den Viechern…“ keuchte mir ein Kanonier entgegen.
Also hieß es, dass wir schnellstens diese Naglfar unschädlich machen mussten! Meine Taktik von damals mit der HMS Iron Duke kam mir in den Sinn.
„Ja, ich bin immer noch wütend deswegen! Aber… es hat funktioniert. Dann mal los!“ hörte ich den Allvater in dem ganzen Tumult rufen.
Haytham sah mich entgeistert an, dann zu Thor. Als er aber über meine Schulter blickte, weiteten sich seine Augen noch mehr.
Vorsichtig drehte ich mich um, weil ich Angst vor dem hatte, was ich zu sehen bekam!
Brünhild schwebte mit Florence ein wenig über das Deck, aus ihrem Speer zuckten unaufhörlich Blitze, welche die Segel der Naglfar immer wieder trafen und so nach und nach zerstörten!
Jetzt auch noch meine Tochter? Ihr kleines Gesicht strahlte, während sie gemeinsam mit ihrer Patin den Speer hielt.

 

Ich war so perplex, dass ich unter Deck ging, weil wir hier Durchzug brauchten und ich Ablenkung!
Diese Geschosse waren also Bomben, die irgendwas Gasartiges losließen!
Auf der Treppe schoss mir schon ein widerlicher Geruch entgegen! Es mussten sich wohl einige Männer übergeben haben hier, kein Wunder…
Hektisch öffnete ich mit ein paar anderen Besatzungsmitgliedern die Lüftungsluken!
Für den Bruchteil einer Sekunde ging mir die Frage durch den Kopf, wo eigentlich die Kindermädchen waren, oder Michael und Magda.
Darum musste ich mich später kümmern, denn ich hörte schon das nächste Donnern von abgefeuerten Kugeln!
Erfreut stellte ich aber fest, dass wir schon recht gut voran gekommen waren, so dass nur ungefähr sechs dieser Teile meine Brig trafen und sie nur ein wenig ankratzten.

 

Wieder oben an Deck, sah ich, wie sich Hrymr jetzt ebenso auf seinem Schiff blicken ließ. Zum ersten Mal sah ich ihn in seiner Gestalt als Gott. Auch er hatte sich entsprechend manifestiert.
Neben ihm bauten sich vier weitere Gestalten auf.
„Er hat sie wieder zu sich geholt!“ Odin sah hinüber zu seinem Widersacher, als würde er ihn zum ersten Mal bemerken!
„WEN hat er geholt?“ meine Frage wurde vom Kapitän der Naglfar nur dürftig beantwortet.
„Meine treuesten Gefährten!“ sein Lachen war wieder mehr als unangenehm. Aber es erstarb abrupt! „Wie…“ sein Blick glitt an mir vorbei und blieb an Walka hängen!
Die Hündin erhob sich, oder besser sie wuchs! In ihrem Maul erschienen spitze Fangzähne, ihr Fell war lang und zottelig…
Wir alle hörten ihr Ohrenbetäubendes Geheul, welches mich erzittern ließ!
Dann sprang dieses… ich muss es so nennen, Monster mit einem schnellen Satz hinüber zum Totenschiff.

 

Für Walka - Bitte im Hintergrund ab jetzt laufen lassen

 

Mein Sohn schrie ihr noch hinterher, aber es war schon zu spät. Hrymrs Gefährten hatten keine Chance ihren Krallen und den Nadelspitzen Zähnen zu entkommen. Nur den Gott selber ließ sie in Ruhe. Dieser aber wich immer weiter zurück!
„Das ist unmöglich! Er kann nicht…“
Um uns herum schien sich die Welt plötzlich zu schütteln. Diese Erschütterung war so stark, dass ich befürchtete, meine Brig würde in ihre Einzelteile zerlegt werden. Gleichzeitig aber sah ich die Naglfar im Meer verschwinden und mit ihr… Walka!
„NEIN!“ die schrillen Schreie meines Sohnes übertönten sogar den lauten Wind um uns herum! Er versuchte sich von Thors Armen zu befreien, dieser hielt ihn aber eisern fest. „Du kannst nichts mehr für sie tun.“ diese Trauer in der Stimme des Gottes war herzzerreißend!

 

Wie versteinert stand ich da und sah auf diese Szenerie. Es war ein Albtraum, oder? Ich würde gleich aufwachen! Bitte, lass mich aufwachen!, flehte ich!
Langsam legte sich der Sturm, die Mannschaft reffte die Segel und ließ den Anker fallen. Es brauchte noch nicht einmal Befehle von mir!
Meine Kinder!, war der nächste Gedanke. Brünhild und Thor ließen sie jetzt runter. Die beiden rannten auf mich und Haytham zu, welchen ich bis jetzt gar nicht weiter mehr beachtet hatte. Es war einfach keine Zeit gewesen!
„Mama, hol Walka wieder!“ Edwards Weinen trieb mir ebenfalls die Tränen in die Augen, aber es lag nicht in meiner Macht. Auch wenn ich diese eigentlich „aufgedrückt“ bekommen habe damals, zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Hier war es aber noch nicht an der Zeit. Mein Blick zum Allvater sagte mir genau das!
„Es tut mir so leid, min lille skat.“ vorsichtig strich ich über seinen Kopf, während ich auf der anderen Seite Florence versuchte zu beruhigen.

 

Erst jetzt schienen alle wieder in die Realität zu kommen. Mr. Hargreaves war als erster wieder in seinem Element und delegierte die Mannschaft entsprechend für Ordnung zu sorgen, die Schäden zu inspizieren und so weiter.
Haytham kniete nun auch neben uns. In seinen Augen sah ich ebenfalls diese Trauer.
„Edward, sie hat uns alle gerettet. Denk immer daran.“ flüsterte er, als er ihn auf den Schoß nahm.
„Aber… wer beschützt MICH jetzt?“ Unser Sohn klammerte sich an seinen Vater in der Hoffnung, dass ER etwas unternehmen würde.
„WIR werden das tun.“ wie aus einem Mund hatten alle Götter gleichzeitig gesprochen. Das reichte aber Edward nicht. Er würde noch lange seiner treuen Gefährtin hinterher trauern, befürchtete ich.
Auch Florence kullerten die Tränen über die Wange, während sie ihre kleine Hand auf Edwards Wange legte.
Ich werde sie mit Brünhild sicher nach Asgard bringen diese leise Stimme konnten vermutlich nur wir hören. Doch auch das war für ihn kein Trost.

 

„Edward mein Schatz! Komm!“ diese Stimme kannte ich. Ich sah in die Richtung. Dort stand sie, Idun! In ihrer leuchtenden Gestalt und reichte meinem Sohn ihre Hand. Beide gingen zur Reling, wo sie Edward darauf hob.
„Und jetzt, nimm diesen Apfel… siehst du sie?“ flüsterte die Göttin. „Konzentriere dich..“ Von dieser goldenen Kugel ging ein immer stärker werdendes Leuchten aus, ebenso strahlte die Haut meines Sohnes. Deshalb sollte ich nach dem richtigen Artefakt damals suchen!
Die Lichtstrahlen trafen auf die Wasseroberfläche. Es sah aus, als würde sie dadurch geteilt. Ein Trichter entstand…
„Das machst du hervorragend… weiter… du kannst das!“ Iduns Stimme war immer noch sanft und leitete ihn an, sich auf seine Gefährtin zu konzentrieren.
Vermutlich sah es bei Moses auch so aus, als er das rote Meer geteilt hat, hier sah man allerdings in einen Strudel.

 

Immer wieder drohte er sich zu schließen, jedes mal sagte Idun, Edward solle seine Gedanken bündeln.
Mit einem lauten Platsch schloss sich dieser Trichter auf dem Meer.
Wir alle eilten an die Reling, um zu sehen, was genau passiert war!
Ich traute meinen Augen nicht! Vor uns paddelte Walka auf die Jackdaw zu und ehe ich etwas unternehmen konnte, sprang klein Kenway ihr entgegen! Odin sei Dank, konnte er schon schwimmen und die See war Dank Thor auch ruhig!
Haytham zog sich hastig seine Stiefel und den Mantel aus, damit er ihm helfen konnte. Die Männer ließen die Jakobsleiter herunter um ihnen wieder hinauf zu helfen!
Ich konnte nicht anders, ich heulte! Dieser Anblick war einfach… ich kann es nicht in Worte fassen!

 

„Ich habe mein Kind schon einmal verloren, das sollte nicht noch einmal geschehen. Ich danke dir, Idun.“ neben mir sah ich wie Loki dankbar Mutter Idun umarmte.
„Walka… sie ist wirklich Fenrir? Aber…“ mir fehlten die Worte!
„Du hast deinen Hengst nach ihm benannt, also warum sollten wir dann nicht einfach auch einen Gefährten an die Seite dieser Hündin stellen. So ist dein Kind zusätzlich immer beschützt.“ Wer würde diesem trickreichen Gott so eine warmherzige Seite schon zutrauen? „Na na na… du weißt doch…“ Ja, Loki war im tiefsten Inneren kein wirklich schlechter Mensch… nein Gott…

Kapitel 3

 

~~~ 10. September 1768 ~~~

 

Edward war überglücklich, als er mit Walka wieder an Deck war. Die Hündin schlabberte aufgeregt über sein Gesicht. Sie genoss diese große Aufmerksamkeit, weil auch die Mannschaft sie tätschelte und knuddeln wollte.
„Ich hab dich doch lieb!“ mein Sohn klebte an diesem Tier, wir konnten ihn kaum dazu bewegen, sich trockene Sachen anzuziehen.
Erst jetzt hatte ich die Zeit mir meinen Mann genauer anzusehen, auch er stand wie ein begossener Pudel daneben.
„Mi amor, auch du musst dir was trockenes anziehen, ich will nicht, dass du noch krank wirst.“ flüsterte ich leise, während ich ihn hinter mir herzog.

 

In meiner Kajüte ließ er sich seufzend auf einen Stuhl sinken, zog mich aber zu sich und schlang seine Arme um mich. Sein Kopf ruhte auf meinem Bauch, sodass ich ihm vorsichtig durch die Haare streichen konnte.
„Das war grausam, mi sol. Edward tat mir so leid.“ seine Stimme versagte dabei, was ich ihm nicht verübeln konnte.
„Mir tat er auch leid. Ich danke dir, dass du hinterher gesprungen bist, mi amor! Ich bin aber immer noch völlig durcheinander, weil… meine Wunde am Bauch nicht existiert, die Götter aber noch alle da sind. Die Mannschaft scheint auch kein Problem damit zu haben. Haytham, was ist hier los auf einmal?“ die Worte sprudelten plötzlich aus mir heraus, weil mein Verstand erst jetzt wieder richtig begann zu arbeiten.
„Im Grunde hast du alles selber miterlebt, aber es gab wieder diesen einen Moment, in welchem du auf einen der Männer von Hrymr losgegangen bist. Du hast mit ihm gestritten, verstehen konnten wir es aber nicht genau. Du hast eine andere Sprache benutzt. Odin hat für mich immer mal übersetzt. Aber deine Wunde, von der du sprichst, war nie wirklich da. Dieser Mann vor dir hatte lediglich versucht mit einem kleinen Messer auf dich loszugehen! Die winzige Fleischwunde die er damit verursacht hat, ließ Edward mit Idun im Nu verheilen… Den Rest weißt du ja selber. Aber es ist ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass wir jetzt wirklich diese Trugbilder auseinander halten können. Hrymr war außer sich, als er sah, dass er dich in seinem Geist nicht aufhalten konnte.“ plötzlich kicherte mein Mann. „Du hättest sein wütendes Gesicht sehen sollen, mi sol.“

 

Also war der Kampf zwar real gewesen, aber immer noch unterlegt von einzelnen imaginären Bildern.
„Er hatte mal wieder versucht, dich für seine Zwecke zu nutzen. Aber ich würde dich unter tausenden an deinem Lavendel-Geruch erkennen.“ hauchte ich, weil ich Haytham das schon einmal so gesagt hatte. Mir huschte dabei ein Grinsen über das Gesicht.
„Da bin ich ja froh, wenn du nicht noch tiefergehende Forschungen anstellen musst, um sicher zu gehen, dass ich es wirklich bin…“ mir kam ein tiefes Seufzen über die Lippen.
„Ich würde gerne diese Forschungen vorantreiben, aber lass uns das auf später verschieben.“ Wir mussten uns um unsere Kinder, die Mannschaft, die Götter und um die Schäden an meinem Schiff kümmern.
An diesem Abend feierten wir gemeinsam mit gutem Ale, Wein und Gesang diesen kleinen ersten Erfolg im Bezug auf die Jagd nach Hrymr.

 

In den nächsten Wochen verbrachte ich viel Zeit mit Florence und Edward. Mir war klar geworden, dass ich immer wieder unterschätzte, wer ihnen zur Seite stand.
Eines Abends, als ich meinen Sohn zu Bett brachte, fragte er, ob er wenn er groß ist, auch so stark wie Thor sein wird. Ob er auch nach Asgard kommt und so weiter.
„Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, du wirst so kämpfen können. Außerdem hast du ja gesehen was du mithilfe von Mutter Idun und einem Artefakt erreichen kannst.“
Ich hatte ihn nach dem Ereignis gefragt, was er für Bilder gesehen hatte. In seiner noch recht kindlichen Art, schilderte er mir, dass er sich Walka im James River vorgestellt hatte, wie sie mit ihm im Wasser gespielt hatte.
Diese Erklärung fand ich sehr schön und vor allem beruhigend.

 

Florence hingegen hatte noch eine Weile mit dem Ganzen zu kämpfen, weswegen sie einige Nächte auch bei Haytham und mir schlief.
Hrymr hatte sich tatsächlich in ihren Geist eingeklinkt. Er hatte sie wissen lassen, dass er mich beiseite schafft, damit ich keinen Einfluss mehr nehmen könnte. Das alles konnte ich in ihrem Kopf sehen. Wie grausam kann man sein, einem kleinen Kind so etwas zu zeigen? Tief in mir wünschte ich mir den Tag herbei, diesen Widerling endlich zur Strecke bringen zu können!
Ab diesem Zeitpunkt seltsamerweise begann unsere Tochter noch eifriger zu sprechen, sie schien zu wissen, dass sie sich artikulieren können muss. Das klingt vermutlich völlig absurd, aber genau diesen Eindruck erweckte sie!

 

Ich bekam die Gelegenheit mit Brünhild zu sprechen, welche mir noch einmal versicherte, sie hätte Walka gebührend begleitet. Als sie jedoch sah, dass Edward diese Trauer plagte, hatte sie mit Mutter Idun diesen Plan geschmiedet. Für uns waren Minuten verstrichen, in ihrer Welt waren Tage vergangen, erklärte sie mir noch einmal.
Meine Dankbarkeit für diese Rückführung konnte ich kaum in Worte fassen, vor allem wenn ich Edward mit seiner Gefährtin spielend über das Deck rennen sah.

 

Ab jetzt würde es nur noch ungefähr zwei Wochen dauern, erklärte Mr. Hargreaves und hatte mir und Haytham auf der Karte gezeigt, wo wir gerade sind.
Mein Finger glitt den Weg darüber nach Hause… Ich mag es woanders zu sein, keine Frage. Aber ich liebte es auch, wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen. Das war schon immer so.
Mom, ach komm. Lass uns doch dieses Jahr endlich mal nach Italien fahren! Da gibt es auch Betten und das Essen magst du auch!“ Yannick hatte mich immer wieder versucht in einen Urlaub zu drücken. Weiter als in meine alte Heimat hatte ich es nie geschafft! Zumindest im Privaten, die Reisen nach Korsika und Russland waren etwas anderes. Das reichte mir und meinem Wohlbefinden.

 

Was vor allem nach dem Kampf mit der Naglfar noch wichtig war, war die Mannschaft einzunorden. In Zukunft könnte uns das bestimmt noch einmal passieren. Also erteilte mir der Göttervater die Erlaubnis, die Männer einzuweisen. Es brauchte sage und schreibe eine Woche um sie alle aufzuklären, ihnen die Mythologie, meinen Glauben und so weiter, näher zu bringen.
„Mistress Kenway, aber dann brauchen wir uns ja nie wieder Sorgen machen. Die Götter beschützen euch und uns immer.“ eine logische Schlussfolgerung, welche aber in normalen Kriegssituationen so nicht stimmte.
Nach und nach begriffen die Männer aber, worauf es ankam, dass sie aber nicht damit hausieren gehen durften!
„Dabei wären das wunderbare Geschichten für Rupert! Mein Sohn liebt Abenteuererzählungen über alles.“ Welcher Junge tat das nicht?

 

In den ganzen Monaten hatte ich Magdas und Michaels Sohn bewundert, er war seefest, außerdem begann er zu sprechen. Er war ein kleiner Sonnenschein, man bemerkte ihn kaum. Leider ging das alles in dem ganzen Tumult unter und auch dort plagte mich hin und wieder mein schlechtes Gewissen.

 

Seit dem Vorfall mit Hrymr hatte sich Walka verändert, sie war zwar immer noch dicht an Edwards Seite, aber etwas in ihren Augen war anders.
„Mama, ich glaube sie hat auch ganz viel gelernt, als ich sie aus dem Wasser geholt habe.“ flüsterte mein Sohn mir eines Abends ans Ohr, so als dürfte seine Gefährtin es nicht hören.
„Siehst du! Dann lernt ihr gemeinsam, min lille skat!“ ich sprach ebenfalls ganz leise.

 

Dann endlich am 20. September sah ich unsere Anlegestelle, welche in der untergehenden Sonne lag.
„ENDLICH!“ rief ich über die Schulter meinem Mann zu, welcher mit den Kindern auf einer der Truhen saß und ihnen vorlas.
Kurz nach unserem Anlegen, rannte Edward von Bord, weil er Gilbert und Jessy schon gesehen hatte. Die Jungen begrüßten sich stürmisch und schon wurden unserem Sohn die tollsten Neuigkeiten erzählt.
Auch ich war dankbar, wieder an Land zu können, auch wenn wir dieses mal von bösen Unwettern verschont geblieben waren.
Die Wiedersehensfreude war wieder einmal Herz zerreißend. Jeder lag gefühlt jedem im Arm, begrüßte seine Freunde, Familie und so weiter.

 

Ich hingegen überwachte noch kurz das Entladen, dann setzte ich mich ebenfalls in die Kutsche, welche uns in unser Heim bringen sollte.
Wie immer, als ich die Eingangshalle betrat, schnippte ich die Schuhe von den Füßen und genoss diesen harten Dielenboden unter mir.
Florence stand neben mir, wankte aber immer noch gefährlich hin und her.
„Mama…“ jammerte sie plötzlich und erbrach sich auf dem Teppich. Da war die Seekrankheit mal umgekehrt. Tabea hatte aber schon eines der Mädchen angewiesen, die Sauerei wegzumachen.
Für später hatte ich ein Bad in Auftrag gegeben, welches wir ALLE dringend brauchten. Edwards Haare standen in alle Himmelsrichtungen, da half auch keine Bürste mehr. Bei Florence sah es nicht viel anders aus.

 

Aber fürs erste, weil es erst später Nachmittag war, machten wir uns alle auf zu den Pferden. Besonders unser Sohn wollte Darius sehen! Da fiel mir auch wieder ein, dass ich in den nächsten Tagen ein Schreiben an Master Gillehand verfassen sollte. Florence sollte ja auch ein eigenes Pferd bekommen.
Zur großen Erleichterung aller, waren alle Pferde gesund und wohlauf!
Mr. Mackenzie besprach sich kurz mit Haytham, wegen der bevorstehenden Wintervorräte und einer eventuellen Erweiterung des Stalls, da im Zuge der Vergrößerung der Felder auch einige Arbeitstiere dazukämen im kommenden Jahr.
Ich hingegen hatte Florence auf dem Arm, damit sie Brida und Fenrir ausreichend streicheln konnte.
„Mama, ich auch … ich auch…“ hibbelte sie herum.
„Min lille engel, wir werden Master Gillehand einen Besuch in den nächsten Wochen abstatten und mal schauen, vielleicht bekommst du dann auch ein eigenes Pferd.“ lächelte ich sie an.

 

Ihre kleine Katze hatten wir in einem vergitterten Körbchen im Haus gelassen, damit sich das Tier langsam an die neue Umgebung gewöhnen konnte. Auch dort würde Florence jetzt lernen, Verantwortung zu übernehmen. Im Grunde ging ich davon aus, dass Mina aber keine reine Hauskatze werden wird, weil wir gar nicht die Möglichkeit hatten, immer darauf zu achten, dass sie wieder zurück kam. Ich malte mir schon aus, dass meine Tochter des öfteren in Zukunft mit dicken Tränen da sitzen würde.

 

Nachdem die Tiere ausgiebig inspiziert worden waren, mein Mann alles besprochen hatte, war auch schon das Abendessen fertig. Ich freute mich riesig auf ein gutes Essen, ohne aufpassen zu müssen, dass der Teller nicht vom Tisch rutscht.
Jetzt saß auch unsere Tochter in ihrem eigenen Hochstuhl, wohingegen Edward eine kleine Erhöhung für seinen normalen Stuhl bekommen hatte. Sybill und Sophia hatten bereits für die beiden alles ausgepackt, so konnten sie sich nun um ihre Schützlinge kümmern.
Ich freute mich schon auf das Bad im Anschluss.

 

Leider kam es anders, weil der Alltag uns sofort wieder eingeholt hatte.
Mr. Robinson und zwei Vorarbeiter waren erschienen und baten um ein Gespräch, es sei dringend.
Wir gingen in Haythams Arbeitszimmer, wo noch nicht einmal alles wieder verstaut war. Die Kinder wurden unterdessen ohne uns gebadet.
„Es ist mir etwas unangenehm, euch gleich bei eurer Ankunft so zu überrennen. Aber die Neuigkeiten dulden keinen Aufschub.“ Der Aufseher begann von einigen Banditen, Dieben und anderem Gesindel zu berichten, welches sich mal wieder hier herumtrieb. Dieses mal jedoch waren sie hartnäckiger und nicht so leicht zu vertreiben gewesen! Immer wieder fand man die Überreste von kleinen Camps oder Lagern in unmittelbarer Nähe der Plantage.
Nicht nur wir waren betroffen, auch die anderen Nachbarn.
Besonders schlimm hatte es die Donovan-Plantage erwischt, wo sich im Mai ein Großbrand ereignet hatte. Dabei waren 5 Männer beim Versuch zu Löschen ums Leben gekommen. Das Herrenhaus war Odin sei Dank nicht betroffen, aber der Nutzvieh-Stall und 6 große Felder, wo Mais und Baumwolle angepflanzt wurde. Leider war nichts für die Ernte zu retten gewesen, weswegen wir dort einige Einbußen haben würden.
Verantwortlich für diesen Brand waren, laut des einen Vorarbeiters, diese Vandalen!

 

„Sie kommen aus dem Hinterland! Sind alle dumm wie ein Weizenkorn! Nicht einmal deutlich sprechen können sie!“ fluchte er lautstark, als er von einer Begegnung mit ihnen sprach. „Es wäre gut, wenn wir sie endlich vertreiben könnten. Aber das wird immer schwieriger!“ Diese Meute schien nicht kleiner zu werden, im Gegenteil! „Einer verschwindet, dafür tauchen gefühlt 2 neue auf!“
Wir würden uns also damit in den nächsten Wochen beschäftigen müssen. Auch die Nachbarn wussten schon Bescheid und hatten sich entsprechend vorbereitet!
Morgen werde ich dann auch eine Nachricht an die Williams-Plantage schicken. Wir sollten mitteilen, dass wir wieder im Lande waren. Insgeheim hoffte ich, dass auch Faith wieder daheim sei.

 

Nachdem Haytham mit den Herren das weitere Vorgehen besprochen hatte, entließen wir sie für den Abend. So langsam wurde ich nämlich müde. Außerdem wollte ich auch noch baden. Wenn möglich nicht alleine!
Auf dem Weg in den Keller hörte ich bereits freudiges Lachen von Edward und Florence. Beide waren noch am Planschen, die Haare sahen aber schon mal wieder ordentlich aus.
Als sie mich sahen, kam gleich ein „Kommst du auch mit rein, Mama!“ vom kleinen Kenway.
„Nein, ihr müsst jetzt aus dem Wasser raus. Ihr seid schon ganz schrumpelig.“ kicherte ich, nachdem mir Florence ihre Hände entgegen gestreckt hatte.
„Na guuuuut…“ da war jemand nicht so ganz mit meinem Vorschlag einverstanden.
Gemeinsam mit Sybill und Sophia machte ich meine Kinder bettfertig.
Gerade als ich auf der Treppe mit ihnen war, kam Haytham aus dem Schlafzimmer im Morgenrock.
„Ahhh, wie ich sehe, kann man euch wiedererkennen!“ Florence und Edward bekamen beide noch einen Kuss, ehe mein Mann nach unten verschwand.
„Willst du mit Papa baden?“ fragte unsere Tochter mit zitternden Lippen, weil sie nicht mehr ins Wasser durfte.
„Ja, auch ich muss doch sauber sein, min lille engel.“

 

Das erste Mal ins Bett bringen daheim ist immer etwas schwierig.
Aber ich wäre ja nicht weit weg, versicherte ich ihnen noch eindringlich. Dann endlich konnte auch ich mich im warmen Wasser entspannen. Es war eine echte Wohltat, wie mir Haytham ebenfalls bestätigte.
„Bei Gott, ich habe diese Annehmlichkeit vermisst.“ stöhnte er, als er sich langsam ins Wasser gleiten ließ, mich aber dabei mit sich zog.
„Hmmmmmmmmm…“ mehr kam nicht über meine Lippen. Mit dem Rücken lehnte ich mich an seine Brust. Wir genossen diese Wärme, die Nähe des anderen. Kurzum, diese Ruhe breitete sich aus.
Schnell bemerkte ich aber, dass meinem Mann nicht unbedingt der Sinn NUR nach Ruhe stand. Ich hatte seine Hände, seinen Körper ebenso vermisst und so holten wir einige Wochen Abstinenz innerhalb von wenigen Minuten nach!

 

Außer Atem und leicht verschwitzt trotz des Wasser, saß ich wenig später auf seinem Schoß. In seinen Augen lag diese wundervolle Befriedigung, die sich auch auf seinem Gesicht widerspiegelte.
„Ich habe dich vermisst.“ flüsterte er leise in meine wirren Haare. „Hoffentlich muss ich in absehbarer Zeit nicht schon wieder so lange warten…“ dabei glitten seine Hände über meinen Rücken hinunter zu meinem Po und blieben dort massierend liegen.
„Ich hege dieselbe Hoffnung, mi amor. Aber wir haben ja jetzt noch ein wenig Zeit und Gelegenheit…“ mit seinen Lippen versiegelte er meinen Mund, während er mich langsam von sich herunterhob.
„Die haben wir, mi sol…“ vorsichtig drehte er mich mit dem Rücken zu sich, gleichzeitig schob er mich an den Rand, so dass ich mich darauf abstützen konnte. „Gib mir deine Hände…“ mit einem festen Griff hielt er sie auf meinem Rücken.
In meinem Kopf bekam ich wieder meinen geliebten Templer, seine Befehle und Wünsche…

Kapitel 4

~~~ Darf ich endlich lernen? ~~~

 

Im Anschluss saßen wir einen Moment hinten auf der Terrasse, weil die Temperaturen noch recht angenehm waren.
Wirklich zur Ruhe kam ich aber nicht, weil mir diese Banditen einfach nicht aus dem Kopf wollten. Immer wieder lauschte ich auf verdächtige Geräusche im Garten.
„Alex, bitte! Unsere Wachen würden sofort Alarm schlagen, wenn sich hier Gesindel rumtreiben würde!“ versuchte Haytham mich zu beruhigen.
„Trotzdem! Ich kann nicht anders…“ nuschelte ich nörgelig, weil es mir ja selber auf die Nerven ging im Grunde.

 

In der Nacht hörte ich dann leises Tapsen auf der Galerie vor unserer Tür, welche vorsichtig geöffnet wurde.
„Mama…“ flüsterte Edward. „Bist du wach? Ich kann nicht schlafen.“
„Dann komm her, min lille skat.“ sprach ich ebenso leise, Haytham hatte es aber bereits mitbekommen.
„Junger Mann, du hast ein eigenes…“ unser Sohn unterbrach ihn entschuldigend.
„Vater, es ist aber so still. Da höre ich immer was ich denke. Das ist unheimlich…“ damit kuschelte er sich direkt an die Seite von Haytham.
„Aber nur heute Nacht.“ mein Mann versuchte etwas streng zu klingen, was ihm gründlich misslang, weil er herzhaft dabei gähnen musste.
Walka blieb vor unserem Bett auf dem Boden zusammen gerollt liegen.
Kurz darauf waren wir alle wieder eingeschlafen.

 

Der Morgen begann mit einer, mal wieder, sehr aufgeregten Mrs. Wallace, welche erneut dachte, dass ihr Schützling verschwunden war.
„Edward! Geh schnell und sag Sybill, dass du bei uns geschlafen hast.“ grinste ich, neben mir musste sich mein Templer auch ein leises Lachen verkneifen.
„Vielleicht sollte er immer eine Botschaft für sie hinterlassen…“ das ist ein hervorragender Vorschlag, leider konnte unser Sohn aber vorerst nur seinen Namen, Mama und Papa schreiben.
Die Schule! Ich musste mit den Eheleuten Hathaway darüber sprechen, ob es wirklich schon sinnvoll war, Edward bereits jetzt zu unterrichten.

 

Florence erzählte während des gesamten Frühstücks munter vor sich hin. In einem Kauderwelsch, welches wir alle nicht so ganz verstanden! Ab und an konnte ich ein Wort verstehen, oder mir etwas zusammenreimen.
„Flo, red ordentlich! So versteh ich dich nicht!“ ihr Bruder klang ziemlich genervt, vermutlich weil auch er sich versuchte darauf zu konzentrieren.
Ein tiefes Seufzen meiner Tochter zeugte von ihrem eigenen Frust, dass man sie nicht verstand. Prompt begann sie zu weinen.
„Papa! ARM!“ jammerte sie mit einem Mal. Natürlich tat Haytham ihr den Gefallen.
„Was gibt es denn so wichtiges, was du uns schon beim Frühstück erzählen willst?“ fragend sah er sie an.
Es kam aber wieder nur ein Durcheinander an Sprachen und Wörtern aus ihr heraus.

 

Meine Liste für heute sah vor, dass ich ein Schreiben an Mr. Gillehand verfasste, wo ich mich und die Kinder für einen Besuch anmeldete. Haytham hatte mir schon mitgeteilt, dass er leider nicht mitkommen würde. Er müsse sich hier mit den widrigen Umständen der Überfälle und einiger Ernteproblematiken befassen. Wie schon erwähnt, von der anderen Plantage fehlten einige Einnahmen leider.
Anfang Oktober würde sich anbieten für den kleinen Ausflug. Wir würden auch nur wenige Tage dort bleiben vermutete ich.
Eine weitere Nachricht ging an die Williams-Plantage, immer noch hatte ich die Hoffnung, dass Faith bereits wieder oder besser NOCH hier war. Da war man sich ja nie ganz sicher.

 

Damit kam ich dann zu meinem wichtigsten Punkt auf der gesamten Liste, den ich im Grunde immer nur wieder aufgeschoben hatte. Entweder weil es die Zeit nicht zuließ oder andere Dinge, wie Schwangerschaften mich daran hinderten!
Das Zusammentreffen mit Achilles Davenport!
Wenn ich mich nicht beeilte, dann würde Connor vermutlich schon bei ihm sein. Das wollte ich unter allen Umständen vermeiden! Es musste erst einiges im Vorfeld geklärt sein.
„Alex, ich weiß nicht, ob du dort alleine hinreisen solltest. Vielleicht besprichst du dich noch einmal mit Shay. Er kennt diesen Mann besser!“ Haytham war es immer noch nicht wirklich recht, dass ich den alten Mentor seines besten Freundes traf.
„Ich weiß aber nicht, was das bringen sollte. Ich habe genug über ihn erfahren, dass ich sagen kann, er wird mich nicht gleich erschießen, wenn ich deinen Namen erwähne.“ in diesem Moment dachte ich wirklich darüber nach, wie dieser Herr reagieren könnte, wenn er erfuhr, dass ich mit dem Mann verheiratet war, der für seine Verwundung verantwortlich war.
„Seien wir ehrlich, er wird nicht gut zu sprechen sein auf mich.“ Nein, mein Mann hatte sich mit seiner Aktion keinen Gefallen getan. Im Grunde können wir von Glück reden, dass Shay ihn in seinem Vorhaben, Achilles zu töten, unterbrochen hatte. Dennoch! Achilles wird sicherlich immer noch humpeln und Schmerzen haben.
„Die habe ich auch immer noch von Lucios Schwertattacke.“ fauchte er mich an. Daran hatte ich gerade gar nicht mehr gedacht.
„Das glaube ich dir…“ flüsterte ich etwas verlegen.

 

Da ich aber einige Wochen unterwegs sein würde, plante ich für die Reise zu Master Davenport erst den kommenden Februar ein. Ich würde mich mit Fenrir alleine und einer Wache auf den Weg machen.
So verging der Vormittag mit Schreibarbeit und ohne größere Vorkommnisse.
Mr. Hargreaves war noch erschienen um die Gelder für die Mannschaft in Empfang zu nehmen. Außerdem berichtete er mir von den Reparaturen an meiner Brig, die jetzt anfingen.
Mindestens 4 Wochen müsste ich auf die Jackdaw verzichten. Ein wenig besorgt war ich schon, was ist, wenn wir dringend irgendwohin mussten? Aber ändern konnte ich es leider nicht.

 

Außerdem bat ich die Eheleute Hathaway um ein Gespräch am Nachmittag. Gerade wären sie vermutlich noch beschäftigt in der Schule. Ich nahm mir vor, dass auch Edward dabei sein sollte, damit sich die Lehrer ein Bild von ihm machen konnten.
Trotzdem wäre es noch recht früh, er wurde in zwei Monaten erst 5. Ich selber wurde mit 6 Jahren eingeschult, machte das aber einen so großen Unterschied, wenn die Lernbereitschaft doch da ist? Bis Januar wollte ich mir selber noch Bedenkzeit einräumen.
Mit diesem Gedanken ging ich hinunter zu Haytham.
„Bist du damit einverstanden, wenn wir Edward im Januar in die Schule schicken?“ ich lehnte hinter ihm mit den Armen um ihn geschlungen. Ich sah, er überarbeitete gerade das Geschäftsbuch für die ehemalige Donovan-Plantage.
„Hm, ehrlich gesagt, habe ich noch gar nicht über einen Zeitpunkt nachgedacht.“ grübelte mein Templer leise vor sich hin. „Aber er würde gerne mit den anderen Kindern zusammen sein. Wann werden die Hathaways hier erscheinen?“
Ich hatte 16 Uhr vorgeschlagen, eine gute Zeit wie ich fand.

 

Das Mittagessen war recht anstrengend, weil, wie ich schon befürchtet hatte, Mina einfach auf und davon war, kaum dass Florence sie aus ihrem Körbchen gelassen hatte.
Meine Tochter weinte ununterbrochen, wollte nicht essen, geschweige denn trinken. Immer wieder machte sie Anstalten aufzustehen, aber Sophia hielt sie mit mir zusammen auf.
„Min lille engel, deine Katze kommt sicher wieder. Sie will ihr neues Zuhause auch einmal erkunden.“ erklärte ich auch für mich als Beruhigung. Vermutlich würden Tage vergehen, bis wir das kleine Knäuel wiedersehen würden.
„Chat … wieder ... hier … haben …“ zwischen den Worten schluchzte sie unentwegt. Dazu kam auch der französische Ausdruck für Katze, was ich interessant fand, dass Florence das behalten hatte.
„Mein Engel, sie kommt sicher wieder. Was meinst du? Wollen wir nachher einmal nach ihr suchen?“ fragte Haytham, was ihr ein breites Lächeln entlockte.
„Ja …“ jubelte unsere Tochter und klatschte dabei in die Hände.
„Ich kann auch mitkommen. Ich finde Mina ganz bestimmt. Vater hat gesagt, dass ich meinen Adlersinn noch üben muss.“
Leider musste ich allen dreien jetzt den Wind aus den Segeln nehmen, weil wir noch den Termin mit den Lehrern hatten.
„Mi sol, ich glaube, das bekommst du mit Edward auch ganz alleine geregelt.“ mein Gatte sah mich auffordernd an, dem zuzustimmen. Er konnte seiner Tochter kaum einen Wunsch abschlagen, dafür verzichtete er sogar auf das Recht des Familienoberhauptes, wie es schien.
„Na gut. Edward, du kannst ja dann später deiner Schwester beim Suchen helfen. Aber erst werden wir mit Mr. und Mrs. Hathaway über einen Schulbesuch für dich sprechen!“ ich brauchte nichts weiter sagen, er war sofort Feuer und Flamme!
„Ich darf endlich mit Gilbert und Jessy lernen?“ nun war auch er glücklich, Odin sei Dank.

 

Die nächsten Stunden machte mich Edward wahnsinnig! Alle Nase lang fragte er, wann die beiden endlich erscheinen, ob es noch lange dauert und so weiter! Er saß keine Sekunde wirklich still, was auch Walka nervös werden ließ. Sie tigerte genauso unruhig herum. Kurzerhand scheuchte ich die beiden nach draußen. Die Sonne schien, da sollten sie sich ruhig austoben.
Ich hingegen setzte mich auf die Terrasse mit einem Buch und einer Tasse Kaffee.
„Mi sol, Edward ist ja nicht aufzuhalten!“ kicherte Haytham hinter mir, als er im Garten seinen herum rennenden Sohn beobachtete.
„Ich hätte erst etwas sagen sollen, wenn die Hathaways hier angekommen wären.“ aber ich musste auch grinsen.

 

Dann endlich wurden uns die beiden angekündigt, während Florence sich mit ihrem Vater auf machte, Mina zu suchen.
„Mistress Kenway, es ist schön euch wiederzusehen. Wie ist es euch in Europa ergangen?“ bewusst ließ Mr. Hathaway das Thema Schulbesuch noch ruhen, weil er gesehen hatte, dass Edward aufgeregt neben mir saß.
Ich spielte mit und berichtete ein wenig von den Vorkommnissen in London oder auch in Frankreich.
„Mama, nun sag schon, dass ich zur Schule soll.“ flüsterte klein Kenway in mein Ohr.
„Master Edward! Aber seid ihr nicht zu jung dafür?“ lächelte die Lehrerin ihn an.
„Nein, ganz bestimmt nicht…“ mit einem Satz war mein Sohn aufgesprungen und im Haus verschwunden! Ich wollte ihn gerade entschuldigen, weil ich dachte er sei wütend wegen dieser Frage. Aber weit gefehlt!
Mit einem Zettel und einem Kohlestift in der Hand erschien er wieder auf der Terrasse. Beides legte er vorsichtig auf den Tisch, setzte sich und begann seinen Namen zu schreiben, ebenso Mama, Papa mit der englischen Bezeichnung zusätzlich. Stolz reichte er nun den Eheleuten sein Werk.
„Ich kann schon ganz toll schreiben!“ mit stolzgeschwellter Brust stand er da.
„Das sehe ich, Master Edward! Ihr habt fleißig geübt wie ich sehe. Könnt ihr denn auch schon rechnen?“ fragte Mr. Hathaway jetzt leise.
„Ähm…“ mein Sohn sah mich verzweifelt an, weil er zwar ein bisschen addieren konnte, traute sich aber anscheinend nicht, es zu sagen. Aufmunternd nickte ich ihm zu, er solle es ruhig zeigen. „Ich… ich weiß was 1 plus 1 ist und auch 5 plus 6.“
„Hervorragend! Wirklich! Wie sieht es mit dem Lesen aus? Euer Vater berichtete, dass ihr auch das fleißig geübt habt.“ Wann bitte hatte Haytham mit ihnen darüber gesprochen? Wir waren doch gerade erst wieder hier.

 

Er reichte meinem Sohn ein kleines Büchlein, schlug es auf und deutete auf eine Zeile. Ich sah, dass es eine Lesefibel war.
Angestrengt stand Edward davor, fuhr mit seinen kleinen Fingern die Buchstaben entlang, öffnete immer wieder den Mund. Aber es hatte den Anschein, als traute er sich nicht, weil er Angst hatte Fehler zu machen.
„Nur zu, Master Edward. Wörter beißen nicht.“ lächelte Mrs. Hathaway ihn aufmunternd an.
Stotternd begann er „Ddder … Hhhhund … be… bbbbe… bellt!“ mit hochroten Wangen sah er zu uns auf.
„Hervorragend, Master Edward!“ der Lehrer wuschelte ihm durch die Haare. Stolz sah mich mein Sohn an.
„Kann ich jetzt wieder spielen gehen?“ mehr Konzentration konnte er also noch nicht aufbringen, was mir zeigte, wir sollten wirklich noch bis mindestens Januar mit dem Schulbesuch warten. Außerdem gefiel mir das Stottern nicht. Entweder lag es an der Aufregung oder er hatte wirklich ein Sprachproblem.
Wir entließen ihn alle. Fröhlich vor sich hin jubelnd rannte Edward jetzt nach vorne um seinem Vater und seiner Schwester beim Suchen der kleinen Mina zu helfen!

 

„Euer Sohn ist wirklich schon sehr weit für sein Alter. Wann ist sein Vater in die Schule gekommen?“ fragte mich unser Prediger.
„Mein Mann wurde daheim unterrichtet, er hatte Hauslehrer. Schon recht früh, weil sein Vater darauf drängte, ihm die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen.“ ob das so wirklich richtig war, entzieht sich ein wenig meiner Kenntnis, aber ich schätzte meinen Piraten genauso ein.
„Man merkt, das Master Edward wissbegierig ist. Jedoch sollte er noch ein wenig warten. Aber ich sehe es euch an, dass auch ihr noch eine gewisse Bedenkzeit braucht.“
Wir kamen also überein, dass wir im Januar noch einmal ein eingehenderes Gespräch führen werden.
Damit verabschiedeten sich die beiden Eheleute mit den Worten, sie würden sich freuen, uns morgen wieder bei der Andacht begrüßen zu dürfen. Es war schon wieder Sonntag morgen? Natürlich würden wir erscheinen, versicherte ich ihnen.
Für einen Moment saß ich anschließend alleine auf der Terrasse, sah auf den Zettel von Edward und dachte über seine ersten Leseversuche gerade nach. Vielleicht machte ich mir auch zu viele Gedanken und es war lediglich die Aufregung gewesen.

Kapitel 5

~~~ Brynjolf hält Einzug ~~~

 

Es dauerte nicht lange und ich hörte lautes Weinen aus dem Wintergarten, welches in meine Richtung kam.
Florence hing an Haythams Schulter, welcher ihr beruhigend zusprach. An mich gewandt schüttelte er nur den Kopf.
Wir haben sie noch nicht gefunden. Sprach er im Geiste, weil er sah, dass ich befürchtete, Mina sei tot.
„Wir können ja Tante Faith nach ihren Mäusen fragen, die können wir dann hier für die Katze verteilen…“ natürlich dachte Edward praktisch, weil er vermutlich auch nicht gerne sah, wenn seine kleine Schwester weinte.
„Glaub mir, min lille skat. Mäuse gibt es hier genug. Vergiss auch nicht, dass Athene immer mal ein Häppchen braucht.“ ich gab ihm einen Kuss auf den Kopf, als ich mich erhob um Florence auf den Arm zu nehmen. „Und du, min lille engel? Sei nicht traurig, deine Mina kommt bestimmt wieder. Aber Katzen gehören nach draußen, sie mögen es nicht, in einem Haus eingesperrt zu sein.“ im Hinterkopf gingen mir aber unsere Wohnungskatzen im 21. Jahrhundert durch den Kopf, welche das Jagen völlig verlernt hatten.
„Ja, Mina … kommt… zu… mir?“ die kleine Maus konnte sich kaum beruhigen. Eine Garantie konnte ich ihr zwar nicht geben, aber ich versicherte noch einmal, dass die kleine Mina sie ja auch ganz doll vermissen wird.

 

Unsere Nacht war entsprechend unruhig, weil Florence der Meinung war, sie müsse vor der Haustür ihr Nachtlager aufschlagen um ihre Katze gleich hineinzulassen, sollte sie in der Nacht wieder kommen.
Edward erklärte sich kurzerhand bereit, mit ihr dort zu bleiben. „Einer muss ja Acht geben, dass du nicht frierst.“ Er schlang ihre Bettdecken um sich und seine Schwester, während sie auf dem kleinen Sofa neben der Tür zusammen kuschelten. Ein wirklich wunderschöner Anblick.
Sybill und Sophia nächtigten in ihrer Nähe im Salon, während sich eine Wache auf einen Stuhl neben die beiden setzte. Damit war ich beruhigter, gab meinen Kindern noch ihre Gute-Nacht-Küsse und sie bekamen ein gemeinsames Lied.

 

Im Schlafzimmer erwartete mich ein grinsender Ehemann. „Mi sol, Edward entwickelt sich zu einem Gentleman.“
„Du hast ihm ja auch bereits einige Lektionen diesbezüglich erteilt in Frankreich! Also sei stolz, dass deine Erziehung anscheinend auf fruchtbaren Boden stößt.“ Dieser kleine Kenway lernte wirklich wie man sich benehmen musste. Vermutlich hatte er auch Angst, dass Walka wieder weggesperrt wurde, wenn er etwas falsch machte.
„Da fällt mir ein, auch DIR könnten einige Lektionen nicht schaden, mi sol. Komm her.“ raunte er leise in meine Richtung, während sich seine Augen wieder verdunkelten.
„Dabei habe ich mich so arg zusammen gerissen, mi amor.“ flüsterte ich an seinen Lippen, als ich auf seinen Schoß geklettert war.
„Das reicht bei weitem nicht…“ wir verloren uns in diesem Rausch wieder, welcher sich in meinen ganzen Zellen auszubreiten schien.

 

Am nächsten Morgen machten wir uns nach dem Frühstück auf zum Versammlungshaus zur Andacht.
Wir begrüßten nun die Bauern und Pächter, welche erleichtert waren, dass wir wieder heile hier angekommen waren. Vor allem Mildred war sichtlich froh, weil ihr Kleinster Edward schon vermisst hatte. Bartholomeus war etwas jünger als unser Sohn, aber sie verstanden sich recht gut.
Florence hingegen beäugte jeden kritisch und schüchtern, während sie sich auf Haythams Arm an seine Schulter schmiegte.
„Mistress Kenway, die beiden sind ja unglaublich gewachsen in dem Jahr! Miss Florence kommt ganz nach euch, diese Augen.“ ihr entwich ein Seufzen was von dem Wunsch zeugte, auch ein Mädchen zu bekommen.
„Von euren Jungs kann ich dasselbe sagen, Mildred. Sie helfen sicher tüchtig mit, so kräftig wie sie aussehen.“ dabei sah ich den beiden größeren Jungs hinterher, wie sie mit ein paar anderen Burschen dicht beieinander gedrängt standen. Ihren Blicken folgend, sah ich, dass sie sich eine kleine Mädchengruppe auserkoren hatten. Ich vergaß immer, dass hier andere Maßstäbe galten, weswegen die jungen Herren durchaus schon mal ein Auge auf eine junge Magd oder ähnliches warfen.
Bevor wir aber noch weiter ins Tratschen kommen konnten, wurde eine kleine Glocke geläutet. Sieh an, unser Schmied hatte sie im Juni fertiggestellt. Das freute mich, weil es jetzt wirklich mehr den Eindruck einer kleinen Kirche erweckte.

 

Nach der Andacht, während der sich mal wieder der gesamte Nachwuchs am Riemen riss, konnten wir wieder zurück. Aber erst nachdem Edward sich mit allen zum Spielen verabredet hatte. Leider hatten aber viele der Kinder erst am Nachmittag Zeit, wegen der Schule.
„Das ist unfair!“ mit verschränkten Armen vor der Brust, saß Edward in der Kutsche. „Und was soll ich die ganze Zeit machen?“
„Ich glaube, ich werde mir ab jetzt wohl ab und an die Zeit nehmen, dir ein wenig den Schwertkampf näher zu bringen, Edward.“ dieses Lächeln von Haytham war so voller Stolz und Liebe zu seinem Sohn, dass dieser über beide Ohren strahlte.
„Au ja, Vater! Ich verspreche auch, ganz doll aufzupassen.“ Vermutlich würde er heute Nacht deswegen vor Aufregung nicht schlafen können, grinste ich jetzt meinerseits in mich hinein.

 

Am Nachmittag erhielt ich von meiner Schwester die ersehnte Nachricht, dass sie sich freuen würde, wenn ich sie besuchen komme. Ihr fiele die Decke auf den Kopf, weil sie nicht 5 Minuten allein gelassen wurde. Seit ihrer Schwangerschaft und weil sie „den Erben“ in sich trug, ließ man sie nicht aus den Augen. Oh wie gut ich sie da verstand. Da fühlte man sich regelrecht wie eingesperrt.
Ich versprach, dass ich sobald wie möglich vorbei kommen werde, um sie auf andere Gedanken zu bringen und vielleicht mal die Meute ein wenig auf Abstand zu halten. Beim Schreiben musste ich mir die ganze Zeit ein Kichern verkneifen, weil ich Shay schon vor mir sah, der darüber sicher nicht erfreut sein würde.
Mit ihm müsste ich aber auch während meines Besuches dann einmal über Achilles sprechen. Ich hatte mir nochmal Gedanken gemacht, vielleicht war es wirklich von Vorteil, wenn er mir noch ein wenig über diesen Mann erzählte.
Mit dem Boten schickte ich meinen Brief los.
„Du siehst aus, als würdest du am liebsten das Schriftstück selber vorbei bringen wollen, mi sol.“ lachte Haytham neben mir, als er sah, wie ich dem Reiter gedankenverloren nachsah.
„Ja, aber… ich muss zuerst mein Versprechen für Florence einlösen. Sie freut sich doch auf ein eigenes Pferd. Außerdem muss ich auch erst einmal hier wieder ankommen und alles auf Vordermann bringen.“ seufzte ich an seine Brust gelehnt.
„Wenn du Hilfe brauchst, dann sag Bescheid.“ flüsterte mein Templer in meine Haare, während er über meinen Rücken strich.

 

3. Oktober 1768

~~~ Gillehand-Plantage ~~~

 

Rory hatte mir freudig mitgeteilt, dass er sich über den Besuch freuen würde. Mittlerweile wäre seine Zucht schon in aller Munde und sein bester Hengst war oft das Hauptgesprächsthema bei einigen Empfängen und Bällen.

 

Edward war ebenso aufgeregt, als ich ihm erzählte, dass wir uns die Tiere bei dem Advokaten anschauen würden.
„Darf ich Florence dann das Reiten beibringen, Mama? Ich kann das schon…“ dabei sah er zu seiner Schwester, welche gerade eingeschlafen war, es war eigentlich Mittagsschlafzeit.
„Ja, aber Mr. Mackenzie wird ihr trotzdem auch dabei helfen. Außerdem muss er ja das Pferd an die neue Umgebung gewöhnen…“ bevor ich weiter sprechen konnte, fiel mir mein Sohn ins Wort.
„Aber ich kann doch einfach schon mal damit zurückreiten, dann ist mehr Platz hier…“ er deutete auf den beengten Raum der Kutsche.
„Nein, Edward! Zumal ich doch auch noch gar nicht weiß, wie alt denn das Pferd sein wird, welches deine Schwester bekommt.“ Manchmal war es nervend, wenn er so vorpreschte, auch wenn Edward es nur gut meinte.
„Ja, Mama!“ kam es zickig von ihm, während er sich wegdrehte und aus dem Fenster sah. Mehr als seufzen konnte ich nicht, ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen.

 

Mr. Gillehand erwartete uns schon auf der Veranda, die malerisch in der Sonne lag. Heute war es für den Oktober noch sehr warm, was die Fahrt natürlich sehr angenehm gemacht hatte.
„Mistress Kenway, Master Edward, Miss Florence! Ich freue mich, euch hier begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, die Fahrt war angenehm?“ ich begrüßte den Herren, so auch meine Kinder, welche dann mit den Kindermädchen im Haus verschwanden.
Wir folgten ihnen, während mir Rory in kurzen Sätzen den neuesten Tratsch erzählte. Es war nichts Spektakuläres darunter, die üblichen Bettgeschichten, oder Neureiche, die sich übernommen hatten. Vor Gericht war er aufgestiegen und würde in Kürze tatsächlich in einen Richterposten erhoben werden.
„Das sind gute Neuigkeiten, Mr. Gillehand. Ich freue mich für euch!“ das tat ich wirklich.

 

Nach einer kleinen Stärkung gingen wir zu den Ställen, welche eine beachtliche Größe hatten. Man beherbergte mittlerweile 21 wunderschöne Pferde auf dieser Plantage. Der Advokat führte uns schnurstracks zu den ganz jungen Tieren, welche für den Verkauf vorgesehen waren.
Voller Stolz präsentierte er sie. 5 waren es an der Zahl, eines schöner als das andere. Florence war auf Rorys Arm und streichelte sich durch die Reihe.
„Ei...lieb…“ kam es jedes Mal leise kichernd von ihr.
„Miss Florence, welches mögt ihr am liebsten, oder habt ihr euch noch nicht entschieden?“ fragte er leise. Meine Tochter sah zu den Pferden, dann zu ihm. Kurzerhand zeigte sie auf ein niedliches braunes Tier, welches mir persönlich erst einmal gar nicht aufgefallen wäre. Es war völlig unscheinbar.
„Da habt ihr aber ein gute Wahl getroffen.“ hörte ich Rory leise sagen, als er mit ihr hinüber ging.

 

Also verbrachten wir hier eine ganze Weile, damit sich Florence näher mit ihrem Reittier beschäftigen konnte, während Edward ein Fachgespräch mit dem hiesigen Stallmeister führte.
Der war aber nicht gut zu sprechen auf Kinder, wie es schien und war sichtlich mürrisch.
„Das werdet ihr alles noch lernen, Master Edward. Das könnt ihr noch gar nicht wissen.“ so oder so ähnlich antwortete dieser Mann immer wieder, was aber meinen Sohn nicht davon abhielt, weiter zureden.

 

Nach einer unruhigen Nacht in einer ungewohnten Umgebung, verbrachten wir den Tag wieder mit den Pferden.
Edward und Walka tollten auf der Koppel herum, ab und an durfte er auch einmal „Probereiten“, was aber dem Stallmeister nicht gefiel, nur Rory hatte keine Probleme damit.
„Ich denke, der kleine Hengst wird bei euch in guten Händen sein, Miss Florence! Ich beglückwünsche euch zu diesem Kauf.“ er verneigte sich vor meiner Tochter.
Mit großen Augen sah sie ihn an, dann zu ihrem Tier. „Meins!“ hörte ich sie stolz sagen. Ihre kleine Hand fuhr langsam über das weiche Fell. „Mama, will hoch!“ dabei hampelte sie auf meinem Arm herum, also ließ ich sie auf dem Rücken kurz nieder. Noch war das Tier nicht alt genug zum Einreiten, ich hatte die Worte von Mackenzie nicht vergessen!

 

Wir beschlossen den Tag mit der Unterschrift des Kaufvertrages, gepaart mit einem Glas Champagner. Die Kinder bekamen selbst gepressten Apfelsaft mit ein paar Keksen dazu.
Dieser Abend war ausgesprochen entspannt und ich beriet mich mit Mr. Gillehand noch über die Banditen, die auch ihn nicht verschont hatten.
„Man hat eines Nachts eine meiner Vorratsscheunen in Brand gesteckt und einige Hühner geklaut. Bisher bin ich noch glimpflich dabei weggekommen wie es scheint, wenn ich so höre, was hier drumherum alles so passiert ist.“ ich sah ihm diese Erleichterung förmlich an.
„Ja, ich hoffe, dass es auch so bleibt, Mr. Gillehand.“ sprach ich über den Rand meines Glases, während ich in das Feuer des Kamins sah.
Am nächsten Morgen machte ich mich mit Florence und Edward wieder auf nach Hause. Wir würden erst am späten Nachmittag zurück sein.
Wiederholt versicherte mir Rory aber, dass er entsprechende Wachleute hätte und auch seine Arbeiter seien gut mit Waffen geschult worden.
Unseren Neuerwerb führte die Wache neben uns an einem Seil. Zuhause sollten wir uns Gedanken über einen Namen machen, fiel es mir ein. Darüber hatte ich nämlich nicht weiter nachgedacht.

 

Um die Zeit bis nach Hause zu verkürzen, erzählte ich Geschichten oder sang mit den Kindern.
„Klingt schön, Mama. Noch mal.“ flüsterte meine Tochter, als ich ein Lied über die Sternzeichen gesungen hatte. Damit hatte sie ein neues Lieblingslied, wie es schien.
„Flo, wie soll dein Pferd eigentlich heißen?“ kam es plötzlich von Edward, der bisher recht ruhig gewesen war.
Sie zuckte mit den Schultern, sah dann hilfesuchend zu ihrem Kindermädchen, dann zu mir.
In diesem Moment kam mir ein Name in den Sinn, welchen ich aus einem Videospiel noch gut in Erinnerung hatte. „Brynjolf!“ rief ich freudig und erntete einen mehr als erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht meines Sohnes.
„Wer ist das denn, Mama?“ ich atmete tief ein und tief aus. Dann begann ich meinen Kinder von der wunderbaren Welt von „Elder Scrolls V – Skyrim“ zu berichten!

*** Kapitel 6 ***

 

5. Oktober 1768

 

(Ich greife in einer noch nicht veröffentlichten Geschichte vom Todesengel222 vor. Entsprechender Link kommt dann zu gegebener Zeit!)

 

Und so vergingen die nächsten Stunden recht zügig. Meine Kinder hatten mal wieder ein „Märchen“ gehört, was so fantastisch war, dass man es kaum glauben konnte. Vor allem fand Edward den Teil mit den Drachen besonders spannend!
„Die musste man auch mit einem Zauberspruch aufwecken? Wie groß waren die? Hatten die spitze Zähne?“ in einer Tour kamen solche Fragen, wohingegen Florence am liebsten die Geschichten um die Jarls hören wollte.

 

Daheim wurden wir von Haytham in Empfang genommen.
„Da seid ihr ja wieder. Wie ich sehe, hast du jetzt ein eigenes Pferd, mein Engel.“ mit Schwung hob er sie hoch, damit sie ihm ihr Tier zeigen konnte. Mr. Mackenzie war schon zur Stelle mit dem Stallburschen und den Helfern, um die Pferde abzuspannen und den Neuzugang zu begutachten.
„Ein stattlicher Hengst. 2 Jahre vermute ich?“ der Stallmeister rieb sich nachdenklich das Kinn, während er um ihn herum ging.
„Ja, vor einem Monat ist er 2 geworden.“ erklärte ich. Bevor ich aber den Namen kundgeben konnte, fragte mein Mann seine Tochter, ob sie sich schon entschieden hatte.
„Bimwolf!“ rief sie. Mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf sah mich Haytham an, ebenso stand der Stallmeister ratlos vor uns.
„Brynjolf, so heißt er.“ lachte ich, weil Bimwolf auch eine interessante Variante war.
„Ein seltsamer Name…“ beide Herren sahen sich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 

Da ich aber jetzt schon eher wieder zurück war, konnte ich eigentlich auch in ein paar Tagen zu Faith aufbrechen, ging es mir durch den Kopf. Am nächsten Tag besprach ich das Ganze dann noch mit Haytham, welcher nicht ganz so damit einverstanden war, weil er nicht mitkommen könnte.
„Dann komm einfach für einen Tag mal dorthin. Die beiden freuen sich sicher, auch dich mal wieder zusehen, mi amor.“ flüsterte ich an ihn geschmiegt, nachdem ich meinem Mann intensiv davon überzeugt hatte, dorthin fahren zu müssen.
„Das ließe sich ja einrichten.“ nuschelte er leise an meiner Seite. „Aber vergiss mich nicht, mi sol.“ hauchte er an mein Ohr, während sich seine Finger auf Wanderschaft begaben.
„Wie könnte ich das, mi sol.“ stöhnte ich, als er mein Piercing leicht berührte.

 

Am 10. Oktober brach ich mit den Kindern, den Kindermädchen und 4 Wachen auf. Es klingt kindisch, aber ich freute mich wahnsinnig Faith wieder in die Arme nehmen zu können.
Nach knapp 6 Stunden Fahrt kamen wir auf der Plantage an, wo uns Shay in Empfang nahm.
„Alex, schön dich gesund und munter wieder hier zu haben. Du meine Güte, Edward! Wo willst du noch hin wachsen, du bist ja groß geworden!“ stolz stand mein Sohn vor dem Iren.
„Ich will mal so groß wie mein Vater werden, Onkel Shay! Dann kann ich auch auf Mama und Florence aufpassen.“ zu mehr kam er aber nicht, weil Cadan, Cillian und July um die Ecke rannten.
„Eddy!“ sie begrüßten sich alle stürmisch und schwups, war mein Sohn mitsamt seiner Schwester im Garten verschwunden. Sybill und Sophia knicksten Shay zu, eilten aber dann schnell hinterher.

 

„Im Grunde freue ich mich wirklich, dass du hier bist. Vielleicht kannst du meine Frau ja ein wenig in bessere Laune versetzen. Sie mault uns ständig an. Dabei meinen wir es doch nur gut…“ wenn ich jetzt sage, dass er jammerte, kommt es dem Ganzen sehr nahe. Natürlich tat er mir leid, aber ich konnte Faiths Laune nur zu gut verstehen.
„Vielleicht könntet ihr Faith auch einfach mal eine kleine Pause von eurer Anwesenheit gönnen? Sie beginnt bestimmt keinen Marathon oder zettelt einen Krieg an!“ ich klopfte Shay dabei aufmunternd auf die Schulter.
Im Salon saß eine Faith, die sich lautstark mit Imhotep über die Ruhe in der Schwangerschaft stritt!

 

„Mo rionnag! Ich glaube, ich hätte auch zuhause bleiben können. Dich hört man ja bis dorthin!“ lachend nahm ich sie in den Arm.
„Endlich jemand, der mich vielleicht auch mal versteht!“ fauchte sie beide Herren um uns an.
„Ich glaube schon.“ flüsterte ich. Dann besah ich sie mir erst einmal genauer. Sie war etwas blasser als sonst, aber sie hatte schon geschrieben, dass ihr oft übel sei. Dieses Kind verlangte ihr alles ab, wie es schien.
Irgendwann verließen Imhotep und Shay uns, sodass wir ein wenig alleine reden konnten. Kaum waren die beiden verschwunden, platzte es aus ihr heraus!
Sie ließ sich über alles und jeden aus, ließ im Grunde kein gutes Haar an irgendjemanden! Ihre Wut auf dieses Eingesperrtsein, dieser Frust nicht einmal alleine zum Abort gehen zu dürfen und so weiter, machten sie mürbe.
„Du meine Güte, haben sie schon eine Sänfte für dich gebaut, damit du nicht laufen musst, um zum Frühstück zu kommen?“ kicherte ich kopfschüttelnd.
„Das ist nicht witzig, Alex!“ jetzt war ich also ihr auserkorenes Ziel. Nun gut! Sollte sie sich weiter auskotzen!
Nach gefühlten Stunden ebbte ein wenig der Redefluss, die Wut und alles ab.

 

Beim Abendessen herrschte ein für mich wunderbar normales Chaos. Ich hatte die vielen Menschen am Tisch vermisst.
„Shay, wenn du vielleicht morgen ein wenig Zeit für mich hättest, würde ich dich gerne in Beschlag nehmen.“ fragte ich mit leider vollem Mund, aber das Essen war so köstlich!
Mit großen Augen sah er mich an. „Das klingt ernst. Ist etwas mit Haytham?“ Wie kam er denn darauf, DAS hätte ich wohl gleich erzählt, oder besser geschrieben!
„Nein, es geht um meine Reise zu Master Davenport!“ plapperte ich weiter.
„Aha, warum willst du zu ihm?“ immer noch sah er mich seltsam an.
„Weil… könnten wir das bitte unter vier Augen besprechen?“ ich sah die vielen neugierigen Kinderaugen, die vorerst davon noch keinen Wind bekommen sollten.
„Gut, ich habe morgen noch keine Termine.“ Dabei sah er mahnend zu seiner Frau. Bei Odin! Sie konnte auch mal fünf Minuten ohne seine wachsamen Augen zubringen!

 

Als dann etwas Ruhe eingekehrt war, nachdem alle Kinder im Bett waren, saßen wir im Salon und genossen für einen Moment diese Stille.
Leider fielen mir recht schnell die Augen zu, sogar bei meinen Erzählungen über die Reise in Deutschland, konnte ich ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Also verabschiedete ich mich.
„Gute Nacht, mo rionnag.“ als ich ihre warmen Lippen auf meinen spürte, hätte ich sie am liebsten ins nächstbeste Bett gezerrt, aber… das würden wir auf die Zeit NACH der Schwangerschaft verschieben. Auch ich wollte kein Risiko eingehen, außerdem war mir nicht nach dem Unmut von allen „Aufpassern“ hier ringsum, die sich schon warnend aufgerichtet hatten, als ich meiner Schwester etwas näher gekommen war.
„Keine Sorge, Gentleman. Meine Finger bleiben bei mir.“ kicherte ich und machte mich auf in mein Zimmer.
Dort sah ich noch nach Edward und Florence, welche beide friedlich in ihren Betten schliefen.

 

Als ich eintrat, richtete sich Walka auf. Sie sah mich, erkannte mich sofort und ich mag mich täuschen, aber sie machte einen erleichterten Eindruck. Dann legte sie sich wieder zusammengerollt ans Fußende von Edward.
„Gute Nacht ihr drei.“ flüsterte ich bevor ich mich fürs Bett fertig machte.
Dort lag ich dann… starrte auf den Betthimmel… und konnte nicht einschlafen. Verflixt nochmal! Ich dachte an die weiche Haut von Faith, ihre warmen Lippen, ihre filigranen Finger…
Mi sol!“ hörte ich eine warnende dunkle Stimme in meinem Kopf.
Entschuldige… ich… kann nichts dafür…“ gab ich verlegen zurück.
Lass dich fallen…“ dieser Ton in Haythams Stimme brachte meinen Unterleib zum Zittern.
Wir genossen diese Bilder des jeweils anderen in unseren Gedanken, wir ließen uns unendlich Zeit um im Einklang zu sein.
Ein erleichtertes „Jesus…“ von Haytham brachte auch mir die Erlösung, welche mir ein wohlig gestöhntes „Bei Odin…“ entlockte.
Ich liebe dich…“ das kam wie aus einem Mund.

 

Nach dem Frühstück wurde der gesamte Nachwuchs nach draußen gescheucht, um sich auszutoben. Edward hatte sein Übungsschwert dabei und einiges an Spielzeug. Florence hatte mit Sophia ebenso einiges eingepackt. Langeweile würde also hoffentlich nicht so schnell aufkommen.
Shay bat mich ins Arbeitszimmer, wo wir ungestört waren. Im Grunde wusste ich gar nicht, was genau ich mit ihm besprechen sollte. Also beschloss ich, mit der Tür ins Haus zu fallen!
„Ich sagte ja schon, dass ich zu Achilles reisen möchte. Möglichst noch bevor… Haythams Sohn dort ankommt…“ in diesem Moment war mir gar nicht klar, ob ich davon schon erzählt hatte. Ich fuhr einfach fort, weil der Mann vor mir auch nichts weiter dazu äußerte. Ich erklärte jetzt meine Beweggründe, dass ich Master Davenport ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen müsse, damit er Connor nicht in ein Meer aus Lügen und Zorn wirft.

 

„Er hat also wirklich bereits einen Sohn? Und dieser wird von Achilles ausgebildet? Zum Assassinen?“ ungläubig sah er mich an. „Bist du dir wirklich sicher? Der alte Mann ist kaum in der Lage gerade zu laufen, glaube mir! Wie soll er …“ er unterbrach sich selber. „Oh, es geht hier nicht nur ums Kämpfen, richtig? Aber das gehört ja auch dazu…“ es trat eine unangenehme Pause ein.
„Achilles wird einen unglaublichen Groll auf Haytham haben, welchen er auf diesen Jungen überträgt. Vielleicht kann ich ihn auch ein wenig besänftigen, wenn ich noch einmal darauf hinweise, dass DU das schlimmste verhindert hast…“ jetzt wo ich es ausgesprochen hörte, klang es wirklich völlig absurd. Das würde diesen Herren sicherlich nicht von seiner Meinung abbringen. Im Gegenteil! Verdammte Axt!

 

Shay erzählte mir über seine Ausbildung, das Training und so weiter bei Achilles. Leichte Zeiten waren es nicht und oft hatte er das Gefühl, nicht gut genug zu sein. An einigen Stellen tat er mir wirklich leid, weil Davenport immer ein leichtes Misstrauen ihm gegenüber hatte. Nur Liam stand eigentlich IMMER auf seiner Seite. Bei dem Namen sah ich diese Trauer in Shays Augen!
„Er hat mich nie im Stich gelassen. Wir haben einige Schlägereien gemeinsam erlebt…“ bei diesen Worten wanderte sein Blick in die Vergangenheit. Ich unterdrückte diesen Impuls ihm dorthin in Gedanken zu folgen, auch wenn ich immer noch nicht alles aus seinem Leben wusste! Nein! Die Zeit für Forschungen war vorbei!
Wir verblieben so, wenn ich noch Fragen haben, sollte ich einfach auf ihn zukommen.

 

Im Grunde war es wie ein kleiner Urlaub, den ich hier noch verbrachte.
Am nächsten Nachmittag erschien mein Mann plötzlich. Für einen Moment setzte mein Herz aus, weil ich schlechte Nachrichten befürchtete.
„Mi sol, ich hatte Sehnsucht nach meiner Familie…“ sein Kuss zusammen mit diesen Worten beruhigte mich postwendend.
Auch er wurde nun noch herzlich begrüßt.
Als ich Shay und Haytham neben Imhotep sah, begann ich erneut darüber zu grübeln, wo ich diesen Mann schon einmal gesehen hatte, wenn auch nicht in dieser stattlichen Größe. Aber… dieses Gesicht, diese dunkle Haut und vor allem die Augen! Es war doch zum Verrückt werden! Ich kam einfach nicht drauf!

 

Wir saßen noch nicht ganz auf der hinteren Terrasse in der noch warmen Nachmittagssonne, als plötzlich Florence aufsprang und hinter irgend etwas im Garten her rannte.
In meiner Panik, weil ich wieder ein Stinktier befürchtete, hechtete ich ihr förmlich nach.
„Florence! Bleib stehen! Was ist…“ zu mehr kam ich aber nicht, da lag sie schon im Dreck mit einem schmutzigen Fellknäuel im Arm.
„Mama… Mina ist daaaaaaaa…“ rief sie mit Tränen in den Augen.
Wir wuschelten ein wenig den Sand aus dem Fell und siehe da! Es war tatsächlich die eindeutige Zeichnung des Fells ihrer Katze.
Überglücklich knuddelte sie den kleinen Ausreißer, während July und die Jungs mit großen Augen dabei standen.
„Das ist deine Katze? Aber warum ist sie hier?“ fragte July neugierig.
„Die Kleine muss erst noch ihr neues Zuhause und die Gegend erkunden. Aber es ist doch schön, dass sie hierher gekommen ist.“ im Grunde war ich einfach nur erleichtert. Eine echte Erklärung hatte ich nicht auf Lager und ehrlich gesagt hatte ich darauf auch gerade keine Lust.

 

Der Abend hätte ja auch einfach entspannt ablaufen können, doch blöderweise fiel das Thema noch einmal auf meine Reise zu Achilles.
„Haytham, ihr wisst, wie ich zu diesem Herren stehe. Er ist nicht unbedingt mein bester Freund.“ grummelte Shay vor sich hin, als ich meinem Mann erzählte, dass ich mit dem Iren bereits gesprochen hatte.
„Das ist mir bewusst. Alex hat aber Recht, wir müssen diesen Versuch starten, ihn …“ mein Mann wollte es nicht aussprechen, wer konnte es ihm verübeln.
„Vielleicht sollte ich es auch einfach auf mich zukommen lassen. Ich bin ja nicht auf den Mund gefallen.“ lächelte ich zuversichtlicher als ich eigentlich war.
Plötzlich nahm ich im Augenwinkel wahr, wie Faith unruhig in die Runde sah.
„Mo rionnag, geht es dir nicht gut?“ besorgt ging ich zu ihr hinüber, weil ich mich an meine eigene Unruhe bei Edwards Geburt erinnerte.
„Es… mir geht es gut… aber… ich glaube ich sollte etwas erklären.“ flüsterte Faith leise. Sie starrte auf ihre im Schoß gefalteten Hände.
Bevor ich noch einmal den Mund aufmachen konnte, begann sie zu erzählen!

Kapitel 7

 

~~~ Vorsicht, Ninjas! ~~~

 

Das angesprochene Kapitel über Faith und die Verarztung von Achilles findet ihr HIER "Jeder will die Welt beherrschen" - Todesengel222 - Kapitel 131

 

„Bevor ich wieder zur Morrigan ging… also…“ sie schilderte wie sie mit Adam, ihrem Cousin, auf Master Davenport traf. Faith berichtete von der mauligen Art Achilles´, weil er puren Egoismus in ihrer Hilfe vermutete. Im Grunde war es das auch, wenn wir ehrlich sind. Dennoch hat sie die Kugel aus seinem Knie entfernt, damit er schnellstmöglich zu seinem Schiff mithilfe von ihrem Cousin eilen konnte. Ohne ihre Hilfe hätte er es vielleicht auch gar nicht überlebt, wäre nicht rechtzeitig an Bord gelangt. Diverse Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab.

 

Mit einem Satz sprang Haytham auf, funkelte Faith wütend an und dann brach es aus ihm heraus.
„Du hast bitte was getan? Du hast diesem Assassinen, welcher tausende unschuldiger Leben auf dem Gewissen hat, geholfen zu Überleben? Bist du noch bei Trost?“ seine Stimme zitterte vor Wut, aber er riss sich noch zusammen.
„Ich bin Heilerin, Haytham, schon vergessen? Und eigentlich war es eine Mischung aus allem, der Gesamtsituation wenn man es so nennen möchte.“ dabei sah sie mich an, wartete auf Zustimmung. Ja, damit hatte sie Recht, aber auch ich war sprachlos! DAS wusste sogar ich nicht, woher auch?
„Ich kann es nicht glauben, er hätte es auch ohne deine Hilfe geschafft. Achilles ist ein zäher Bursche!“ fauchte Shay, aber nicht ganz so aufgebracht wie Haytham.
„Und jetzt? Ich habe die Kugel entfernt, er lebt und… vielleicht habe ich den Weg für… DEINEN Sohn damit geebnet? Schon mal darüber nachgedacht?“ Faith wurde wieder ungehalten, dieses mal jedoch brachen auch die Isugene durch. Ihre Haut begann zu leuchten!
„Reiß dich zusammen, Faith. Ich lasse nicht in so einem Ton mit mir reden!“ jetzt standen sich die beiden wie wütende Wölfe gegenüber. So etwas hatte ich noch nie zwischen ihnen erlebt. Ich sah, wie bei meinem Mann Tyr begann sich erheben! Bevor es aber noch eskaliert, warf ich einen Gedanken in den Raum!

 

„Vielleicht betrachtet ihr es aus beiden Blickwinkeln einmal. Haytham, du hast ihm deinen Standpunkt, deine Sicht auf die Dinge klarmachen wollen, wenn auch etwas zu brutal. Das musst du selber zugeben, oder? Faith hat im Grunde nur auf Grund ihres moralischen Eides gehandelt mit einer sehr großen Prise Egoismus!“ ich versuchte eine logische Brücke für beide zu bauen, scheiterte aber an zwei Dickköpfen, welche sehr selten zum Vorschein kamen. Und wenn, dann in den unpassendsten Momenten, wie jetzt zum Beispiel! Bei Odin!

 

Plötzlich hatte ich das Gefühl, als wären wir vier völlig alleine. Es gab keine Götter, keine Isu, nichts mehr um uns… die Gemüter beruhigten sich langsam. Aber dann war da etwas… wir fühlten es alle! Die Vorsehung oder man möge es auch wieder einmal das Schicksal nennen. Auch damals schon war es ein Eingriff, welcher nicht nur meinen Weg ebnen sollte, sondern auch den von Connor und allen anderen.
„Achilles hat es verstanden…“ flüsterte Faith, als ihr Blick auf Shay fiel, welcher ebenso diesen Gedankenblitz des Schicksals hatte.

 

Ich weiß, dass es völlig unpassend in dem Moment war, aber mir schoss ein Gedanke in den Kopf.

„Aber genau damit kann ich Master Davenport von seinem Hass ein wenig abbringen. Wenn ich ihm erkläre, dass auch er nicht frei von Schuld ist, Haytham ebenso wenig, dann kann ich diesen Moment noch mit anbringen!“ in meinem Kopf spielte ich das Gespräch bereits durch, wie ich es schon oft in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen gemacht hatte, wenn etwas zu klären war.
„Du lässt dich eh nicht von deinem Vorhaben abbringen, oder Alex?“ immer noch klang mein Mann sauer.
„Nein, aber das weißt du ja! Wenn ich dich und deinen Sohn friedlich an einen Tisch bringen will, muss Achilles im Vorfeld ruhiger werden. Versteh doch, so kann ich es vielleicht schaffen.“ Der Rest würde von mir improvisiert werden müssen, weil ich noch kein Wort mit diesem Herren gewechselt hatte. Shays Beschreibung war auch eher neutral gehalten.
„Aber noch einmal lasse ich mich nicht so vorführen, Faith. Ist das klar?“ fauchte Haytham meine Schwester an, während er sich vor ihr aufbaute.
„Natürlich, BRUDER! Ich tue immer das, was man mir sagt.“ oh bei Odin, dieser Satz kam so zynisch aus ihrem Mund, dass man sehen konnte sie sprach auch Shay an, Imhotep und alle, die sie seit Monaten in Watte packten! Die bösen Hormone machen eben, was sie wollen!

 

Wir alle genehmigten uns noch etwas Hochprozentiges um die Gemüter zu kühlen. Jetzt kam es nur noch darauf an, dass ich rechtzeitig bei Master Davenport ankam und dass ich ihm wirklich etwas von diesem Hass nehmen konnte.

 

Zwei Tage später machten wir uns wieder auf den Weg nach Hause.
Florence hatte ihre Katze kaum aus den Augen gelassen und in der Nacht hatte sie im Bett meiner Tochter geschlafen. Ich hoffte, dass es auch daheim so sein würde.
Walka hatte sich leider gestern noch mit einem der Wachhunde hier angelegt. Ihr Angreifer hatte eine Schramme an der linken Flanke und sie hatte ein kleines Loch im Ohr. Es war uns leider nicht möglich, dazwischen zu gehen, ohne selber zu Schaden zu kommen. Es war halt nicht das Revier von Edwards Hündin, aber die hiesigen tierischen Wachen wussten sie schon in ihre Schranken zu weisen.
Edward verarztete seine Hündin, so gut er konnte. Aber Sybill mahnte ihn, bei ihr keine Heilungskräfte einzusetzen.
Darauf angesprochen bekam ich nur „Sie ist gesegnet.“ von Snotra. Fragend sah ich sie an, bekam aber keine weitere Erklärung. Es war also wirklich so, dass diese Hündin von jetzt an ebenfalls beschützt wurde.

 

Auf der Fahrt zurück saß Edward bei Haytham mit auf dessen Stute, was natürlich Florence sichtlich missfiel. Also bat ich darum, dass sich die beiden Geschwister bitte abwechseln sollten. Auch meine Nerven waren irgendwann nicht mehr so vorhanden, wie sie sollten! Besonders nach derlei Gesprächen in den letzten Tagen!
Leider war ich recht unaufmerksam und zu spät bekam ich mit, dass man uns bereits seit einer Ewigkeit verfolgte!
Haytham war alleine zur Williams-Plantage geritten, sprich wir hatten die vier Wachen und uns selber.
Es mag Eingebung gewesen sein, aber ich hatte mein Stiefelmesser in meinem Strumpfband und die schmalen versteckten Klingen in meinen Ärmeln!
Florence wurde mir gereicht, während Haytham langsam von seinem Pferd stieg. Man stellte sich um die Kutsche und beobachtete die Umgebung.

 

Auch ich war ausgestiegen, nachdem die Kindermädchen noch strikte Anweisungen bekommen hatten. Ich sah einen leichten goldenen Schimmer um die Personen im Inneren, welcher mich beruhigte.
„Alex, siehst du sie auch?“ was bitte war das für eine dämliche Frage, ich war ja nicht blind. Bevor ich aber genau DAS sagen konnte, atmete ich noch einmal tief durch.
Vier in den Büschen auf der linken Seite, drei vor uns im Unterholz, weitere vier auf der anderen Seite und ÜBER uns sind 2 in den Ästen!“ unsere stille Kommunikation zahlte sich jetzt aus. Ebenso waren unsere Wachen zeitgleich informiert.

 

In diesem Moment dankte ich meiner Schwester für diese Wurfhaken und konnte so den ersten Angreifer mit Überraschungsmoment aus seinem Versteck im Baum ziehen. Der Mechanismus hatte eine enorme Rückholkraft fiel mir auf, naja, musste er ja auch haben, wenn er mein Gewicht nach oben hieven sollte beim Gebäude erklimmen!
Im Nu waren die ersten beiden Herren Geschichte.
Aber die anderen Angreifer versuchten ebenso ihr Glück, landeten aber in ihrem eigenen Unglück!
Der nächste Bandit hatte es in sich, wie ich genervt feststellte. Er sprang hin und her, wirbelte mit seinem kleinen Schwert herum, deutete hier einen Streich an, schlug aber auf der anderen Seite zu. Dann tänzelte er leichtfüßig um mich herum, verschwand plötzlich völlig aus meinem Blickwinkel, nur um dann wieder aus dem Hinterhalt auf mich einzustechen!
Ninja! Dieser erste Gedanke ging mir durch den Kopf!
Fast alle waren so flink in ihren Bewegungen, dass selbst meine antrainierten Assassinen-Fähigkeiten wie eine Farce wirkten!
Und sie waren leise, fast lautlos! Ich spürte dieses Kribbeln wieder im Nacken. Widerlich!

 

Haytham hatte, im Gegensatz zu mir, seine Montur an und auch entsprechende Rauchbomben am Manne.
Damit hatten die Kämpfer die uns direkt angriffen nicht gerechnet und wurden Opfer unserer Klingen und dem Schwert einer unserer Wachen. Die anderen Wachleute beschützten die Kutsche!
Mama! Hinter DIR!“ brüllte es in meinem Kopf und ich wirbelte herum, gerade rechtzeitig um einem Schlag mit einer Kugelkeule ausweichen zu können. Aber das reichte nicht, weil ich das Messer in der anderen Hand übersehen hatte.
Dieser Schnitt in meiner linken Seite brannte wie die Hölle und ließ mich kurz straucheln. Nein, ich musste mich konzentrieren.
Weiter!
Ich drosch jetzt mit meinen Klingen auf den Mann vor mir ein, welcher ein wenig überrascht zu sein schien, dass ich im Kampf blieb. Das gereichte mir für einen Hieb in seine… Kronjuwelen! Es war ein widerliches matschiges Gefühl und ließ nicht nur ihn würgen!
Ich hatte erst ein einziges Mal einem Mann sowas angetan, als Thyra mich damals in New York übernommen hatte!
Mir spritzte schubweise sein Blut entgegen, ehe er zu Boden sank. Leichenblass!

 

Der nächste im Bunde ließ nicht lange auf sich warten und rannte mit einem Kampfschrei auf mich zu!
In den Schuhen sind Messer!“ brüllte wieder Edwards Stimme in meinem Kopf.
Dann sah ich dieses Aufblitzen von Metall in der Sonne. Die Klinge kam mir gefährlich nahe. Ich konnte ihr nicht mehr vollends ausweichen. Dieser Einstich war ebenso schmerzhaft wie der vorherige, dieses mal am rechten Oberarm, wo er eine tiefe Fleischwunde hinterließ.
Meine Sinne konzentrierten sich auf den Kampf, ich durfte nicht aufgeben!
„Wer bitte hat euch ausgebildet. Sonst hatten wir doch auch leichtes Spiel mit euch britischen Ausbeutern!“ brüllte mir ein weiterer Angreifer entgegen. „Jungs… Rückzug! Wir brauchen…“ bevor dieser Herr aber noch etwas sagen konnte, ragte eine Schwertspitze aus seinem Oberbauch! Entsetzt sah er auf diese Wunde, brachte aber kein weiteres Wort mehr über die Lippen!

 

„Das war dann wohl der Letzte im Bunde.“ frohlockte eine der Wachen, welche ihr Schwert schon an der Jacke des Banditen säuberte.
„Hoffen wir es…“ meine Stimme war kaum zu hören. „Edward! Florence!“ brüllte ich, als ich auch schon auf die Kutsche zu rannte.
„Mama, uns geht es gut…“ vorsichtig lugte mein Sohn hinaus. „Sind sie jetzt wirklich weg?“ flüsterte er plötzlich.
„Ja, mein Sohn! Danke für deine Hilfe!“ Haytham drückte ihn an sich.
Unsere Wachen atmeten tief durch, ehe sie begannen die Toten in die nahegelegenen Büsche zu ziehen. Ein Begräbnis wäre vermutlich besser, oder?
„Nein, diese Männer haben keine solche Behandlung verdient, Mistress Kenway.“ das kam wie aus einem Mund der vier Männer! Trotzdem begannen sie auf meinen Wunsch hin eine Grube auszuheben, damit die Leichen keine wilden Tiere anlocken konnten.
Währenddessen setzte mein Verstand langsam auch wieder ein.
„Wir müssen dringend diese Wege bewachen lassen! Sie sind ja überall, Haytham.“ gab ich grübelnd von mir.
„Sie waren aber… es waren keine gewöhnlichen Diebe. Sie waren flink, schnell…“ Ninjas! Ja, sie waren anders trainiert wie es schien. „Wer ist ihr Mentor hier in den Kolonien?“ jetzt war es mein Mann welcher darüber nachdachte, wer sich hinter diesen ganzen Anschlägen verbergen könnte.
„Da bin ich überfragt…“ mir fiel auch gerade nichts besseres ein. Ich wischte meine Klingen am Gras ab. Magda reichte mir einen nassen Lappen, damit ich meine Hände und mein Gesicht waschen konnte. Vermutlich gab ich ein gruseliges Bild ab. Die Wunden! Hastig sah ich danach… aber sie waren nicht mehr vorhanden. Nur der Stoff meines Kleides war noch kaputt und blutverschmiert. Aber keine Verletzungen waren auszumachen.
„Danke min lille skat!“ ich knuddelte meinen Schatz dafür.

 

Florence schien das ganze nicht im geringsten beeindruckt zu haben, sie saß auf Sophias Schoß und sah sich mit ihr ein Bilderbuch über Pflanzen an.
Erleichtert, dass es ihr und auch Edward gut ging, ließ ich mich auf den Sitz plumpsen.
„Mama, das waren aber schnelle Menschen. Das will ich auch können.“ ehrfürchtig sah er mich an.
„Das waren Ninjas, wenn ich richtig liege. Die Meister kommen von ganz weit her…“ aber ich konnte nicht ausreden.
„Jahaaaaaa…. Das weiß ich doch! Aber ich will das auch können!“ maulte mein Sohn mit einem Male.
„Ich werde mich einmal nach so einem Meister umhören, min lille skat.“ ich sprach mehr zu mir selber, weil auch ich noch nicht ganz den Kampf verarbeitet hatte.
„Aber nicht vergessen, Mama! Versprochen?“ Kinder können anstrengend sein, oder?
„Ja, ich verspreche es… Schusterehrenwort!“ bei diesem Ausdruck musste ich selber lachen.
Der restliche Weg nach Hause verlief friedlich, naja, bis auf den Wasserfall von Edward, welcher mir nun berichtete, dass er diesen oder jenen Konter-Move toll fand und ich ihm unbedingt zeigen sollte, wie das geht…
Als wir Abends an unserem Haus ankamen, war ich dankbar fürs Essen und für die Kindermädchen! Ich weiß, aber ich war einfach müde. Mein Sohn hatte nicht EINE Sekunde geschwiegen, er malte sich die dollsten Geschichten aus, stellte sich die einzelnen Szenen vor und so weiter!
Als er im Bett lag, die Augen und den Mund schloss, machte ich drei Kreuze!

 

Ja, in diesem Bezug bin ich ab und an eine gaaaanz böse Mutter. Seid ehrlich, jeder hat so einen Moment im Leben mit Kindern schon erlebt, oder?
Trotz dieser Vorkommnisse hatten wir eine ruhige Nacht, nachdem ich noch mit meinem Mann ein Bad genommen hatte. Auch er hatte es nötig gehabt und ich spreche hier nicht nur von der Haarwäsche.
Erschöpft ließ ich mich anschließend ins Bett fallen und schlief alsbald auch ein.

 

Kapitel 8

 

~~~ Von Streichen und Aufklärung ~~~

 

 

Die nächsten Wochen verbrachte ich mit der Überarbeitung der ganzen Geschäftsangelegenheiten! Mit Faith würde ich in Ruhe darüber sprechen, wenn ihr Kind auf der Welt war.
Vor einiger Zeit hatte ich ja schon die Konten entsprechend angeglichen oder auch ändern lassen.
Heute saß ich also mit Mr. Gillehand beisammen, damit wir das auch entsprechend besiegeln konnten.
„Mistress Kenway, ihr habt einen wirklich guten Sinn für Geschäfte. So etwas sieht man sehr selten.“ der Advokat hatte anerkennend über meine Geschäftsbücher geschaut, welche ich alle selber führte! Da war ich etwas pingelig, sie waren halt sehr übersichtlich, weil ich mir entsprechende Zeitpläne und Kalender gefertigt hatte. Ordnung, Struktur und Disziplin …
Am Abend stießen wir auf den Abschluss dieser Arbeiten an.
„Darf ich offen sprechen?“ so schüchtern hatte ich Rory noch nicht erlebt. Er schaute nervös auf seine gefalteten Hände.
„Immer raus damit.“ Haytham sah ihn fragend an.
„Ich… lebe nicht mehr alleine.“ mit einem erleichterten Seufzer ließ er sich in seinen Sessel sinken.
„Das freut mich für euch! Wer ist die Glückliche?“ erwartungsvoll saß ich nun auch etwas zappelig neben meinem Mann.
SEIN Name ist Thomas Withelston, er kommt aus Baltimore…“ flüsterte er jetzt beinahe schon, bevor er uns wieder ansah.

 

Für einen Moment war ich dann tatsächlich sprachlos! Ich meine, ich bin keineswegs intolerant und richte über andere Menschen. Aber in diesem Jahrhundert stand die Todesstrafe auf Homosexualität! Dass unser Advokat diesen Mut besaß, uns seine Liaison so offen mitzuteilen, schmeichelte mir alleine schon wegen seines Vertrauens uns gegenüber. Im Grunde konnten wir ihm nur alles Gute für seine Beziehung wünschen, dass sie lange hält und vor allem, dass niemand sie verurteilen oder stören wird.
„Ihr seid sehr verständnisvoll, Mistress Kenway. Ich wusste, ihr werdet mich nicht gleich für einen kranken Menschen halten!“ jetzt strahlte er uns an.
„Es wird nicht leicht werden für euch und euren Lebensgefährten, Mr. Gillehand. Das wird euch selber vermutlich auch klar sein, nehme ich an. Ihr könnt aber jederzeit mit unserem Zuspruch rechnen.“ sagte mein Mann, erhob sich um unserem Besucher die Hand zu reichen.
„Ich danke euch, Master Kenway!“ diese Erleichterung in seinem Gesicht war herzzerreißend. Ich hoffte wirklich für die beiden Herren, dass sie lange friedlich zusammen leben können.

 

Mr. Withelston war als Verwalter für die Plantage eingesetzt worden, als der Vorgänger leider zu alt geworden war. So lernte man sich in den nächsten Monaten näher kennen und eines gab das andere.
Erst jetzt fiel mir ein, dass man mir bei unserem Besuch gar nichts dergleichen berichtet hatte. Ebenso war mir dieser andere Mann nicht aufgefallen.
Als ich Rory darauf ansprach, erklärte er sich. „Ich wusste nicht genau, ob es gerade sinnvoll war. Ihr ward gerade erst wieder zurück und die Kinder waren mit anwesend…“ Im Grunde tat es jetzt nichts weiter zur Sachen, wir wussten jetzt Bescheid. Dass reichte mir.
Auch Haytham sah ich an, dass er mit diesem Arrangement konform ging, wenn auch etwas skeptisch. Seine moralischen Ansprüche waren eben seiner Erziehung und der Zeit hier angepasst.
Leider musste Mr. Gillehand am nächsten Tag schon wieder aufbrechen, weil er in ein paar Tagen einen größeren Prozess vor Gericht hatte, auf den er sich noch weiter vorbereiten wollte.
Es ging um Veruntreuung von Steuergeldern ihrer Majestät, welche einem hochrangigen Mitglied des Stadtrates vorgeworfen wurden. Auch der Gouverneur in Richmond würde als Zeuge fungieren.
„Es ist, verzeiht wenn ich das so sage, aber es ist lächerlich, was wir hier an Steuern auferlegt bekommen, damit King George fröhlich gegen irgendwelche anderen Staaten in den Krieg ziehen kann.“ fauchte Rory, als er von seiner Recherche und ähnlichem berichtete.
„Leider wird es auch nicht in absehbarer Zeit besser, befürchte ich.“ sprach ich leise.
„Ihr habt es schon gesehen und ich muss gestehen, ich fürchte mich vor den kommenden Jahren ein wenig.“ wer konnte ihm das verübeln, beizeiten würde er sich für eine Seite entscheiden müssen. Neutral konnte er als Richter, der er jetzt war, nicht ewig bleiben. „Glaubt mir, ich weiß welcher Seite ich im richtigen Moment den Rücken kehren werde!“

 

Anfang Dezember trafen die Eheleute Lestrange ein, um mit uns die Geburtstage von Haytham und Edward zu begehen. Außerdem waren einige Nachbarn und Geschäftspartner eingeladen. Natürlich ließ es sich Madame de L´Isle nicht nehmen, ebenfalls zu erscheinen.
Sie hatte im vergangenen Jahr gute Profite eingefahren, was nicht zuletzt daran lag, dass die Routen auf See oder auch über Land nahezu Narrensicher waren!

Unser Sohn hatte sich zu einem kleinen Streichespieler entwickelt!
So hatte er die Zuckerdosen alle mit Salz befüllt, was natürlich für großen Unmut bei unseren Besuchern, besonders aber bei Haytham sorgte!
„Du wirst jetzt alle Dosen hierher holen und du kannst erst wieder gehen, wenn alle wieder mit Zucker befüllt sind, Edward!“ Mein Mann war zurecht wütend!
Maulend tat der kleine Kenway was ihm aufgetragen worden war. Kaum hatte er das erledigt, folgte bereits am nächsten Tag der nächste „Anschlag“.
Dieses Mal traf es Madame de L´Isle persönlich! Edward hatte eine der Mäuse, welche Mina ab und an ins Hause brachte, tot Odin sei Dank!, in das Bett der Dame gelegt!
Die Strafe kam prompt! Haytham hatte Walka am Halsband und brachte sie nach draußen zu ihren Brüdern und Schwestern!
„Das ist gemein!“ schrie Edward hinterher. Hilfesuchend sah er zu mir auf.
„Du bist zu weit gegangen, min lille skat. So etwas macht man nicht. Geh jetzt und entschuldige dich sofort bei Madeleine!“ mein Blick ließ keine Widerworte zu. Wütend stampfte mein Sohn von dannen, nuschelnd, dass wir alle böse sind und er niemanden mehr lieb hat.

 

„Alex, was ist nur in ihn gefahren?“ fragte mich mein Templer am Abend, als wir im Bett lagen.
„Das weiß ich nicht, ehrlich nicht. Ich weiß aber von Mildred, dass ihre Jungs auch gerne mal solche Streiche spielen. Sie verstecken die guten Schuhe oder neulich haben sie eine ganze Flasche Rum ausgekippt und Essig hinein gefüllt. Ihr Vater war nicht glücklich darüber, wie du dir sicherlich denken kannst.“ ich seufzte an seiner Seite, weil ich mir vorstellte, wie alle Jungs hier auf der Plantage zusammen hockten und sich irgendwelchen Blödsinn ausdachten!
„Vielleicht sollte man Edward für einige Zeit einfach verbieten mit ihnen zu spielen!“ kam es resolut von Haytham.
„Dann kannst du ihm auch gleich Hausarrest geben! Aber du müsstest ihn anketten, weil Edward sicherlich flinker ist und schneller abhaut, als wir schauen können.“ warum ich kichern musste bei diesem Gedanken, kann ich gar nicht sagen, aber ich erntete einen bösen Blick meines Gatten.
„Nun gut, wir sehen morgen weiter. Hoffentlich hat er nicht noch mehr ausgeheckt.“ gähnte er jetzt, zog mich in eine feste Umarmung. „Wir sind dieses Jahr übrigens 6 Jahre verheiratet, mi sol.“ flüsterte er leise in meine Haare.
„Die Zeit ist so schnell vergangen. Ich bin aber immer noch froh, dass ich hierher gekommen bin.“ nuschelte ich gähnend.

 

~~~ 4. Dezember 1768 ~~~

 

„Guten morgen, mi amor!“ flüsterte ich leise. Dabei ließ ich meine Lippen über Haythams Hals wandern, während meine Hände weiter über seine Brust und den Bauch strichen, bis sie ihr auserkorenes Ziel erreicht hatten. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem Ehrentag.“ hauchte ich weiterhin leise an seine Haut.
„Mi sol… mach weiter…“ stöhnte mein Mann mit einem Mal, während er meine Hand ergriff um sie zu führen.
Doch nicht für lange! Mit Schwung zog er mich über sich, seine Finger lagen auf meinem Hintern und begannen mich zu dirigieren.
Ich lehnte mich etwas zurück, weil auch ich diesen Moment genoss. Es war immer noch ein fantastisches Gefühl, wenn ich Haytham so spürte.
Wir halfen uns gegenseitig über die Schwelle, was mir mein Mann mit einem gehauchten „Ich liebe dich!“ dankte.
Ich lag noch nicht ganz neben ihm, als es auch schon laut klopfte!
„Mama! Papa! Seid ihr wach? Was macht ihr gerade? Darf ich reinkommen?“ du meine Güte, hatte Edward schon Sabbelwasser getrunken?
„Ja, du darfst hereinkommen, wir sind schon wach! Und ich habe deinem Vater gerade … zu seinem Geburtstag gratuliert.“ grinste ich.
„Ich hab auch…“ traurig sah er mich an.
„Min lille skat! Wie könnte ich das vergessen, komm her und lass dich drücken!“ vermutlich erdrückte ich diesen Knirps gerade, aber das war mir egal. Diese Geburtstage waren immer sehr emotional für mich, ich sagte es ja schon einmal. Der Fluch der Mütter!

 

„Hast du gerade mit Papa hier aufgeräumt?“ fragend sah sich jetzt unser Sohn hier um. Für einen Moment starrte ich ihn sprachlos an… dann fiel mir wieder ein, dass wir ihm ja das laute Stöhnen von Jennifer damals so erklärt hatten! „Hier ist es aber gar nicht ordentlich!“ verwundert blieb sein Blick auf unserer Nachtwäsche, welche auf dem Boden lag, hängen.
„Nein, wir haben … einfach gekuschelt und uns … geküsst … und …“ ich war mir nicht sicher, ob es wirklich schon an der Zeit war aufzuklären.
„Ihr habt euch lieb gehabt, oder? Nathaniels Eltern machen das auch immer, sagt er.“ ich starrte diesen jungen Herren auf meinem Bett an! DAS würde ihm schon reichen, das ging ja schnell… Erleichtert atmete ich aus, erklärte ebenso, dass wir genau DAS gerade gemacht hatten.
„Bekomm ich dann auch bald noch einen Bruder? Oh bitte… ich will einen Bruder haben!“ Edward sah von einem zum anderen.
„Irgendwann vielleicht, mein Sohn. Wir müssen uns da überraschen lassen!“ lächelte ihn Haytham jetzt an.
„Aber ihr dürft nicht vergessen, mir das dann auch zu sagen!“ jetzt musste ich aber wirklich Prusten, weil er sicherlich eines der ersten Familienmitglieder sein würde, welches davon erfährt.
Damit war für meinen kleinen Schatz das Thema fürs erste vom Tisch. Wer weiß, wann er mehr wissen wollte, dachte ich mir.
Edward verschwand wieder in sein Zimmer, weil Sybill ihn schon gesucht hatte.

 

„Ich würde es gerne steuern können, dass wir noch ein Kind bekommen…“ dachte Haytham laut nach, während er bereits ein Hemd überzog.
„Hmmmm, wir können es ein wenig steuern, mi amor.“ schmunzelte ich, weil ich an meinen Zyklus und die fruchtbaren Tage dachte. Aber wie sollte ich IHM das mit den Spermien erklären? Faiths Mikroskop!
„Was? Wie soll das gehen, mi sol? Nur weil wir miteinander schlafen, wirst du ja nicht gleich schwanger…“ er hielt mit gerunzelter Stirn inne, weil ihm klar wurde, dass ich mehr als er wusste. „Ich glaube, auch ich muss aufgeklärt werden?“ fragte er mit einem breiten Grinsen und hochgezogener Augenbraue!
„Auf jeden Fall, mi amor. Und es wird mir ein Vergnügen sein, dir jedes Detail zu erklären.“ hauchte ich in seine Halsbeuge, nachdem auch ich mich aus dem Bett gepellt hatte. Seine flache Hand landete auf meinem nackten Po.
„Warum glaube ich dir das aufs Wort?“ seine Augen hatten sich schon wieder verdunkelt.
„Ich muss nur noch ein paar Vorbereitungen treffen. Lass dich überraschen, Haytham.“ hauchte ich und verschwand im Ankleidezimmer.

 

Unten im Esszimmer wurden wir von den Gästen erwartet, welche sich schon angeregt über die anstehende Feier unterhielten. Dieses Jahr würde es ein großes Barbecue auf dem „Dorfplatz“ geben, zu dem auch die Pächter mit eingeladen waren. Zu diesem Anlass war Haytham mit ein paar Männern vor drei Wochen auf der Jagd gewesen.
Bei dieser Gelegenheit konnten sie auch noch ein paar Landstreicher verscheuchen, welche sich mal wieder als Deserteure entpuppten.
Es gab insgesamt 4 große Spanferkel, diverses Kleinwild und natürlich die Beilagen. Die entsprechenden Gruben waren schon vor drei Tagen ausgehoben worden. Zu unserem Glück hatte es bis jetzt noch nicht wirklich viel geschneit, aber der Boden war schon ordentlich durchgefroren!

 

Im Laufe des Vormittags verfasste ich eine Nachricht an Faith, in der ich sie bat, mir ihr Mikroskop für ein paar Tage zu „Versuchszwecken“ zur Verfügung zu stellen.

 

… „Mo rionnag, ich glaube es ist an der Zeit meinen Mann über die Gene, die DNA und die Spermien aufzuklären. Auch Edward wird neugieriger. Ich verspreche dir, ich mache auch alles wieder sauber. Warum klingt das eigentlich so falsch, es ist ja nichts schlimmes, oder? Ich bin schon gespannt, wie Haytham auf diese Neuigkeiten reagiert.“ …

 

„Mi sol, schon wieder ein Brief an sie?“ genervt sah mich Haytham an.
„Du hast recht! Ich kann ja auch ganz anders mit ihr kommunizieren, wenn dir das lieber ist…“ grinste ich breit.
„Nein, lass das! Muss ich etwas vorher wissen, oder… tauscht ihr euch mal wieder über… Kochrezepte aus!“ perplex folgte ich dem Blick meines Mannes, welcher sich auf Edward gerichtet hatte. Ihn hatte ich gar nicht hereinkommen hören.
„Ja, genau so ist es. Für Silvester wollte ich doch etwas besonderes für dich machen.“ Bei Odin, ich war in solchen Dingen einfach wahnsinnig schlecht.
„Du kochst für uns? Was gibt es denn dann? Darf ich dir auch helfen? Flo will bestimmt auch…“ jetzt kannte unser Sohn kein Halten mehr und das Thema war vom Tisch!

Kapitel 9

~~~ Barbecue und Asgard ~~~

 

Ich war gespannt, wie lange Edward heute wach bleiben würde. Das Barbecue würde erst am späten Nachmittag beginnen, auch wenn hier schon hin und wieder der Geruch von brennendem Holz hinüber wehte. Es war recht windig, stellte ich frustriert fest und begann mit Sybill und Sophia die Kleidung für die Kinder zurecht zulegen.
Wir hatten bereits vor einiger Zeit alle Wintersachen in den Schränken verstaut. Beim Einräumen war mir dann aufgefallen, dass Florence UND Edward ein paar neue warme Sachen brauchten. Wir hatten wunderbar weiche Handschuhe oder auch Strümpfe aus der Wolle von unseren Schafen dieses Jahr. Auch ich hatte mir ein neues Paar zugelegt, weil ich immer recht schnell kalte Finger bekam.
Nach dem Mittagsschlaf meiner Tochter wollten wir uns langsam auf den Weg machen. Aber Florence sah irgendwie blass aus, Fieber hatte sie keines, Bauchweh schien sie auch nicht zu haben.
„Min lille engel, ist dir schlecht? Musst du spucken?“ fragte ich leise, während ich ihr durch die Haare strich.
„Bin müde, Mama!“ gähnte sie herzhaft.
„Miss Florence hat die letzten Nächte wohl nicht gut geschlafen, Mistress Kenway. Ich hatte es auf den Vollmond geschoben. Aber jetzt bei Tage…“ Sophia sah mich entschuldigend an.
„Wenn es nicht mehr geht, dann fahre ich mit ihr wieder zurück. Vielleicht ist auch einfach eine Erkältung im Anmarsch.“ im Grunde versuchte ich mich selber mit diesen Worten zu beruhigen.

 

Heute durfte dann auch Walka wieder mit dabei sein, was natürlich ihr Herrchen am meisten freute. Er ließ sie nicht aus den Augen!
Wir wurden herzlichst begrüßt, meinem Mann und Edward wurde ausgiebig zum Wiegenfeste gratuliert und bevor ich noch etwas sagen konnte, war unser Sohn mit ein paar anderen Kindern verschwunden.
Florence hingegen klammerte sich an mich und wollte nicht von meinem Arm.
„Ich friere…“ flüsterte sie, obwohl sie doch ganz dick eingepackt war! Seltsam. Also setzte ich mich mit ihr in die Nähe eines der großen Feuer für die Spanferkel. Dort sollte es ihr wärmer werden, hoffte ich.
Haytham ging mit einigen Herren herum, begutachtete das Wild und die Schweine. Auch stieß er hier und da mit ihnen auf die gelungene Jagd an.
„Mama… kalt…“ bibberte Florence auf meinem Schoß, welche ich schon zusätzlich in eine dicke Decke gehüllt hatte. Immer noch fühlte ich kein Fieber.
„Min lille engel. Tut dir denn etwas weh?“ flüsterte ich leise, während ich sie hin und her wiegte.
„Nein…“ das kam so leise aus ihrem Mund, dass ich erschrocken auf sie hinunter sah. Ihre Augen waren glasig, sahen wie durch mich hindurch.

 

„Mein Kind! Komm her!“ hörte ich Elias in meinem Kopf und folgte seiner Stimme.
„Deine Tochter steckt ihre letzte Lektion von Brünhild nicht einfach so weg.“ flüsterte er mir zu, als wir etwas abseits beim Versammlungshaus standen.
„Wie… Welche Lektion? Was habt ihr mit meiner Tochter gemacht?“ ich wurde panisch, was sich in meiner lauten Stimme auch prompt wieder spiegelte.
Neben mir erschien die Walküre zusammen mit Idun.
„Wir haben ihr versucht beizubringen, wie sie ihre Sprache weiter fördern kann. Wie sie über weite Strecken mit… wie sie mit ihrem Geist nach Asgard gelangen kann.“ ich hörte diese Worte, ich sah, wie Brünhild unsicher zu Odin blickte, ich spürte meine Wut…
„Ihr seid doch alle nicht mehr ganz dicht, oder? Weder ich beherrsche es, noch Haytham. Edward hat ebenfalls noch keine Einweisung bekommen! Aber meine Tochter mit 2 Jahren soll sich so verausgaben?“ ich zitterte vor Wut, in mir kochte es.
„Es war ein Versuch, aber es hat nicht funktioniert. Florence war aber in ihren Träumen so oft bei uns, dass wir… wir dachten, es wäre an der Zeit für sie!“ Mutter Idun stand etwas beschämt zwischen den beiden.
„Toll… und jetzt? Mein kleiner Engel ist krank und keiner kann ihr helfen?“ mit einem Schwung drehte ich mich um und verschwand Richtung der Lagerfeuer. Dort suchte ich nach meinem Mann, ich musste mir Luft machen.

Aber er kam mir schon entgegen, weil er meinen inneren Zorn gespürt hatte.
„Mi sol, ich habe es mitbekommen.“ vorsichtig nahm er seine mittlerweile schlafende Tochter auf den Arm. „Bleib du hier, ich werde …“ So weit kommt es noch, es ist SEIN Geburtstag.
„Nein, DU bleibst mit Edward hier! Ich nehme Sophia zur Vorsicht noch mit und fahre zurück, mi amor. Es ist EUER Geburtstag!“ Ich strich ihm über die Wange und gab meinem Mann einen liebevollen Kuss.
Gerade als ich mich in die Kutsche setzen wollte, erwachte Florence! Und das im wahrsten Sinne des Wortes!
„Mama, ich habe alles gesehen!“ ich starrte meine kleine Maus in meinen Armen an.
„Du hast… was hast du gesehen?“ Vor allem, sie sprach plötzlich ganz deutlich!
„Die Welt!“ bei diesen Worten versank ich in ihren grünen Augen… sah, was sie alles gesehen hatte… Es war fantastisch! Florence hatte wirklich alles, naja fast alles, gesehen. Odins Thron, auf welchem sie mit ihm sitzen durfte, die Halle der Krieger, wo man gerade einige Dinge beratschlagte.
Sie war am Brunnen der Nornen gewesen, welche ihr etwas von ihrem Wissen weitergegeben haben. Meine Tochter war hoch oben im Baum des Lebens gewesen und hatte alles überblicken können. Immer an ihrer Seite war Brünhild, welche auch jetzt plötzlich neben mir auftauchte. Mit Tränen in den Augen!

 

„Es hat doch funktioniert.“ flüsterte die Walküre leise, während ihre zartgliedrige Hand über den Kopf meiner Tochter strich. „Du würdest es einen „lag“ nennen, eine Verzögerung! Deine Tochter ist ein wunderbarer Mensch und wird wirklich mit euch gemeinsam das Gleichgewicht stützen.“
„Sie spricht plötzlich anders…“ warum gerade DAS in meinen Gedanken aufkam, wusste ich nicht.
„Florence wird sich noch nicht wie eine Erwachsene artikulieren können, aber ihr Wortschatz ist wesentlich größer geworden. Bedenke auch, dass die Sprachen noch einen großen Einfluss auf sie haben. Euer Sohn hatte auch immer wieder so seine Probleme, oder?“ immer noch streichelte Brünhild meine Tochter beruhigend, die mittlerweile wieder eingenickt war.
„Dann geht es ihr aber gut, ja?“ ich spürte die Tränen über meine Wange laufen.
„Ja, sie ist nicht krank und sie hat auch keine Schäden davongetragen. Im Gegenteil!“ lautlos verschwand die Walküre in einem Nebel.
„Min lille engel, ich hab dich so lieb. Odin sei Dank… nein, nicht ganz! Aber ich bin froh, dass es dir besser geht.“ weinte ich vor mich hin, während ich meine Tochter an mich drückte.

 

„Mi sol, ich … weiß gar nicht was ich sagen soll…“ Haytham war neben uns getreten, genauso wie Edward.
„Meine Schwester ist toll!“ kam es ehrfürchtig und voller Stolz aus dem Mund unseres Sohnes.
„Ihr ZWEI seid einfach großartig!“ ich kniete mich zu Edward hinunter und knuddelte auch ihn an mich.
„Ich habe Hunger!“ hörte ich plötzlich Florence an meinem Ohr sprechen.
„Magst du auch etwas von dem Spanferkel, was dein Vater erlegt hat?“ als hätte man das Licht angeknipst waren beide Kinder plötzlich Feuer und Flamme und vor allem … hellwach!

 

Florence war wie ausgewechselt, marschierte von einem zum anderen, plapperte was das Zeug hielt, so als wäre nichts passiert vorher.
Außerdem hatten sie und Edward einen gesegneten Appetit, was mich natürlich freute, so konnte ich mit Sicherheit sagen, dass niemand krank war.
Irgendwann stand aber Stephen, Mildreds Gatte, vor mir und bot mir von dem Hasen, welchen ER erlegt hatte an. Etwas verstohlen sah ich zu meinem Mann, welcher mit hochgezogener Augenbraue nickte. Es wäre unhöflich, abzulehnen. Also kostete ich ein kleines Stück.
„Das schmeckt hervorragend, aber ich glaube, ich bin mittlerweile einfach zu satt.“ ich hoffte, dass würde als Erklärung und Entschuldigung reichen.
„Wenn ich sehe, dass nur noch etwas von diesem Hasen und etwas von den Hühnchen übrig ist, kann ich mir das vorstellen…“ lachte Stephen, während er sich um die anstehenden Aufräumarbeiten kümmerte.
Es war mittlerweile schon nach 10 Uhr, wie ich erschrocken feststellte, als ich mir Haythams Taschenuhr geschnappt hatte. Ein Blick auf die Kinder zeigte mir aber, für sie war… die Nacht zum Tage geworden! Na großartig!

 

Wir machten uns jetzt alle nach und nach auf den Heimweg, einige der Nachbarn fuhren direkt nach Hause, ein paar blieben noch über Nacht.
Beim Herrenhaus angekommen, brachte ich Edward und Florence hinauf, während Haytham die anderen Gäste noch bewirtete.
„Mama, das war ein schöner Geburtstag!“ gähnte mir mein Sohn im Bett entgegen. „Wie bin ich eigentlich in deinen Bauch gekommen?“ bei diesen Worten lag er schon mit geschlossenen Augen da.
„Das erkläre ich dir die nächsten Tage, min lille skat. Heute ist es dafür zu spät.“ ich selber war zu müde.

 

Florence lag ebenfalls bereits gähnend in ihrem Bett, aber sie verlangte mal nicht nach ihrem Vater.
„Kommst du mit zu Brünhild…“ nuschelte sie, als ich sie zudeckte.
„Wenn du es möchtest, dann mache ich das bald einmal, versprochen, min lille engel.“ sprach ich leise und gab ihr einen Kuss auf die Wange, welche wieder rosig war.
„Sophia…“ mehr brauchte ich nicht sagen.
„Ich gebe euch sofort Bescheid, sollte etwas sein.“ das Kindermädchen lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und begann in einem Buch zu lesen.
Für einen Moment stand ich einfach auf der Schwelle, weil ich das alles noch nicht ganz verpackt hatte.
Florence wird anders unterrichtet, mein Kind. Mach dir heute keine Gedanken mehr darüber. Komm herunter und feier den Ehrentag deines Mannes noch ein wenig mit uns!
Es hatten sich aber jetzt bis auf Rory, Thomas, Elias und seine Frau alle anderen zur Nacht verabschiedet.

 

Da ich jetzt beruhigter war, konnte ich mir auch etwas alkoholisches gönnen und das tat ich. In nicht besonders kleinen Mengen, weil… es waren plötzlich Thor, Idun, Tyr (wie immer eigentlich), Heimdall und so weiter hier erschienen und waren der Meinung, dass der hiesige Met auch gefeiert werden sollte!
Ich hielt mich an meinem Champagner fest, was mir immer wieder ein Kopfschütteln einbrachte.
„Man könnte glauben, du leidest an Geschmacksverirrung. Aber wenn ich mir deinen Mann ansehe… nein, du hast einen sehr guten Geschmack.“ grinste Sigyn über ihr Glas hinweg in meine Richtung!

 

In dieser illustren Runde wurde heute auch der Lebensgefährte von Rory vorgestellt. Jetzt wo wir „unter uns“ waren, konnten die beiden sich ganz natürlich geben, ohne auf jedes Wort oder jede Geste achten zu müssen. Thomas war ein fröhlicher Mensch, unterhaltsam und seine Zuneigung zu unserem Advokaten sah man ihm einfach an.
„Ich wusste gar nicht, wie ich diesem Mann meine Liebe überhaupt gestehen sollte. Da sitzt man sich gegenüber und schweigt sich an. Dabei bin ich nicht gerade auf den Mund gefallen.“ lachend schilderten uns die beiden nun, wie sie sich näher gekommen waren.
„Du hattest aber immer so eine Zurückhaltung an dir, Rory. Wirklich getraut habe ich mich halt auch nicht.“ Thomas lächelte ihn liebevoll an.
Die beiden hatten dann den ersten klassischen Klischeekuss. Einer stolpert, der andere „fängt“ ihn auf und dann gibt eines das andere.
„Es war wie eine Offenbarung!“ in Rorys Stimme klang diese Erleichterung mit, welche er damals empfunden haben muss.

 

Gegen 4 Uhr verabschiedeten wir uns aber, die Kinder würden sicherlich wieder zeitig nach Aufmerksamkeit verlangen.
Als ich im Nachthemd noch einen Moment auf der Bettkante saß, fragte mich Haytham, ob alles in Ordnung wäre.
„Ja, es war halt sehr ereignisreich heute. Vor allem mit Florence und Brünhild. Ich bin gespannt, was sie mir zeigen möchte.“ ich erklärte meinem Mann, dass unsere Tochter mich danach gefragt hatte.
„Ich würde es wirklich gerne sehen, wie es dort ist.“ flüsterte er hinter mir, während er seine Arme um mich schlang. „Aber wie wäre es, wenn du mich heute noch ein wenig aufklären würdest?“ seine Stimme war so rau und lüstern, dass ich ihm diesen Wunsch natürlich erfüllte, auch wenn es schon so spät war.

 

„Solche Lektionen lasse ich mir doch gefallen, mi sol.“ hauchte er in meinen Nacken, als wir später aneinander geschmiegt im Bett lagen.
„Ich gebe mein bestes.“ kicherte ich leise und zog seine Arme um mich. „Jetzt schlaf aber, ein intensiverer Unterricht steht dir sicherlich bald ins Haus.“ bei diesen Worten gähnte ich so herzhaft, dass ich befürchtete, er hätte sie nicht verstanden.
„Ich werde da sein, versprochen!“
Langsam glitten wir in unsere wohlverdiente Nachtruhe!

Kapitel 10

 

~~~ Lehrstunde für Haytham ~~~

 

Ich wurde von einem lauten „Mama! Guten Morgen!“ geweckt!
„Edward, lass deine Mutter noch ein wenig schlafen. Es war gestern spät.“ gähnte Haytham.
„Dann gehe ich mit Walka schon mal runter.“ seufzte Edward theatralisch.
„Mach das…“ nuschelte ich leise, weil mein Mund sich wie mit Kleister bestrichen anfühlte.
„Mi sol, hast du etwa zu viel von dem guten Champagner gehabt?“ kicherte mein Templer neben mir.
„Kann sein, lass mich jetzt schlafen…“ leider konnte ich nicht weitersprechen.
„Mama… kuscheln!“ hörte ich die freudige Stimme von Florence, welche dabei war, auf unser Bett zu klettern.
„Verzeiht, Mistress Kenway. Miss Florence war einfach nicht aufzuhalten.“ gerade wollte Sophia ihren Schützling auf den Arm nehmen, als diese anfing zu zetern.
„Nein, will Mama und Papa Bünhit zeigen!“ dieser kleine Wirbelwind war richtig wütend, was in dem Fauchen in ihrer Stimme ganz eindeutig zu hören war.
„Aber…“ ich winkte ab und nahm sie an meine Seite, auch wenn mir mein Kopf drohte zu zerplatzen.
Das Kindermädchen knickste und ging dann.

 

„Min lille engel, kannst du damit bitte noch warten, bis ich angezogen und wach bin? Mir tut mein Kopf weh…“ flüsterte ich leise.
„Pusten?“ schon hauchte mir meine Tochter über die Stirn. Erwartungsvoll sah sie mich jetzt an. „Ist dein Kopf besser?“
Es klingt völlig absurd, aber tatsächlich waren die Kopfschmerzen weg.
„Ja, das hast du gut gemacht! Jetzt lass mich aber noch etwas trinken.“ dabei drückte ich sie doll an mich und gab ihr einen dicken Kuss.
„Florence, wie hast du das gemacht?“ wollte Haytham jetzt wissen, weil eigentlich Edward derjenige mit den Heilungskräften war…
„Eddy hilft…“ grinste sie, sah sich aber jetzt suchend nach ihrem großen Bruder um.“EDDY!“ brüllte sie plötzlich.
Kurz darauf flog erneut unsere Tür auf.
„WAS denn?“ rief er ebenso laut, aber als er mich sah, entschuldigte er sich gleich für seinen Ton. „Aber dir tut nichts mehr weh, hab ich recht?“ grinste mein Sohn breit.
„Nein, danke min lille skat!“ nuschelte ich über den Rand meines Glases mit Wasser hinweg.

 

Die Reise zu Brünhild verschoben wir auf nach dem Frühstück. Wir alle hatten Hunger und brauchten erst einmal eine kleine Stärkung.
Unten erschienen hintereinander weg alle Gäste, welche hier genächtigt hatten.
Als letztes erschien Elias, welcher leicht grün im Gesicht war, was mir ein Schmunzeln über die Lippen brachte.
„Kein Wort, Kind. Oder ich vergesse mich.“ ok ok … ich würde nichts sagen, nicht laut zumindest.
Rory und Thomas verabschiedeten sich direkt im Anschluss, wohingegen die Bassiters noch einen Moment blieben um sich mit Haytham über einen Auftrag nach Italien zu beraten. Der Tabak lag nicht in meinen Händen, also kümmerte ich mich mit Sigyn um einen verkaterten Allvater.
„Ihr tut gerade so, als wäre ich gerade erst von der Ragnarök auferstanden. Ich brauche nur etwas Ruhe. Ich bin alt!“ leider konnte ich mein Lachen nicht mehr bremsen, weil es so wehleidig und maulig klang, eben genau wie jeder normale Mann der krank ist auch. „Hatte ich dich nicht gewarnt…“ aber es passierte nichts, als er seine Hand hob.
Sigyn hielt ihn alleine mit ihrem Blick auf. „Und jetzt, sei still.“ gebot sie ihm.

 

Unser Advokat hatte gestern noch berichtet, dass eine Gruppe der „Söhne der Freiheit“ sich in Boston niederließen. Sie sammelten sich dort um Pläne zu schmieden diese Steuern und Unterdrückung endlich beenden zu können.
Haytham hatte die Bassiters verabschiedet mit der Bitte sich umgehend zu melden, wenn das Schiff für die Lieferung auslaufen sollte.
Anschließend kam er in den Salon um uns Gesellschaft zu leisten.
Wir beratschlagten nun ebenfalls, wie wir mit diesem Thema umgehen sollten. Da ich wusste, wo wir am besten mitmachten und wo wir lieber die Finger von lassen sollten, war ich ein gefragter Ansprechpartner an diesem Tag.
Vor allem musste ich den ersten Moment, wo auch Connor in Erscheinung treten würde, verhindern. Das „Boston-Massaker“ durfte nicht auf die Templer und die Bruderschaften zurück zuführen sein.
„Dann sollten wir dort alle bereits ansässigen Brüder und Schwestern entsprechend unterrichten, sich an entsprechenden Tagen möglichst nicht blicken zu lassen. Vor allem nicht an irgendwelchen Versammlungen teilzunehmen.“ grübelte mein Mann vor sich hin.

„Das ist eine Sache, dazu kommt, dass ich auch das schon mit Achilles im Vorfeld besprechen müsste…“ Haytham ließ mich nicht ausreden.
„Sag mir jetzt nicht, dass mein Sohn dort eigentlich die Verantwortung trägt.“ jetzt war ich es, die ihn mit großen Augen entgeistert ansah.
„Was? Nein… aber laut Aufzeichnung von Master Davenport und … deinem Sohn sind beide an dem Tag in Boston. Eigentlich müsstest auch du… dort sein…“ nuschelte ich leise.
„Wann wäre das, Alex?“ fragte mein Mann leise, aber er war nicht wütend, sondern einfach nur neugierig.
„Im März übernächsten Jahres glaube ich. Anfang März, wenn ich richtig liege.“
Alle waren sich einig, dass wir noch etwas Zeit hätten, entsprechend zu planen. Außerdem musste ich noch dieses Gespräch mit Shays altem Mentor abwarten!

 

Am Nachmittag verabschiedete man sich.
Als ich für einen Moment meine Ruhe hatte, saß ich auf der Bank hinten bei der Weideneiche und genoss die Wintersonne auf meinem Gesicht.
„Mama, hast du wieder Aua?“ flüsterte Florence neben.
„Nein, min lille engel. Es ist nur gerade so schön ruhig und warm hier draußen. Komm, setz dich zu mir.“ ich hob meine Tochter auf die Bank neben mich. Gemeinsam sahen wir auf den Fluss. „Wie geht es dir denn? Bist du immer noch müde, so wie gestern?“ fragte ich leise.
„Bin nicht müde. Hab Eddy gekuschelt.“ in ihrer Stimme klang eine niedlich Freude mit, wie immer wenn sie über ihren Bruder sprach. Er hatte sich wirklich zu einem GROSSEN Bruder entwickelt. Edward hatte, fast, immer ein Auge auf sie.
Als die Sonne dann langsam verschwand gingen wir beide hinein. Florence hatte noch einige Sachen erzählt, leider hatte ich nur die Hälfte verstanden, weil zu meinem großen Erstaunen plötzlich auch die alte nordische Sprache durchbrach. Faszinierend!

 

Ein Bote erschien und brachte mir von Faith die Nachricht, dass sie auch gespannt sei, wie mein Gatte mit diesem Thema dann umgehen würde. Zusammen mit dem Brief hatte sie das Mikroskop auch gleich mitgeschickt. Langsam wuchs eine gewisse Nervosität in mir, weil ich ehrlich gesagt noch nicht konkret darüber nachgedacht hatte, WIE ich die Spermien unter das Mikroskop bekomme.
„Du siehst aus, als würdest du eine wissenschaftliche Abhandlung in deinem Kopf ausarbeiten, mi sol.“ lachte Haytham, als er sah, wie ich dieses Instrument musterte. „Ich hoffe aber, du weißt, wie man das benutzt?“
„Ja, das schon aber… ich glaube, ich sollte vielleicht noch eine Nacht drüber schlafen. Dann sehe ich morgen weiter.“ hüllte ich mich in ein kryptisches Schweigen.
„Irgendwie macht mir das Angst.“ hörte ich meinen Templer neben mir.
„Gut so.“ grinste ich und drehte mich um, um das Mikroskop in unser Schlafzimmer zu bringen.

 

„Wozu ist das? Was macht man damit? Kann ich auch mal damit spielen?“ Edward hatte mich beobachtet, als ich hinauf ging.
„Das ist kein Spielzeug, min lille skat. Damit kann man Dinge erkennen, die man so nicht sehen kann, weil sie viel zu klein sind.“ versuchte ich eine Erklärung.
„Aber was willst du denn sehen?“ ich seufzte tief, weil ich mit diesen Fragen hätte rechnen müssen.
„Das ist ja das spannende, ich weiß es noch nicht.“ einem 5-jährigen würde ich sicherlich nicht die Gene, Spermien oder ähnliches erklären.
„Das ist ja langweilig.“ damit drehte er sich um und ging wieder hinunter.
Ich atmete tief durch, stellte den Kasten auf die kleine Kommode vor dem Fenster und sah mich nach einem kleinen Behälter um. Hier würde ich nicht fündig werden, also beschloss ich, in der Küche nach zu fragen.

 

Mich blickten erschrockene Gesichter der Belegschaft an.
„Keine Angst, es ist nichts passiert und ich habe auch keinen Anschlag auf euch vor. Ich bräuchte nur ein kleines Glas.“ ich deutete mit den Fingern, wie groß. Ein kleines Wasserglas sollte genügen.
Auf dem Weg nach oben kam Haytham gerade aus seinem Arbeitszimmer.
„Warum bringst du noch mehr Trinkgläser nach oben? Für dein Wasser haben wir schon genügend dort verteilt.“ lachte er, aber verstummte, als er meine hochgezogene Augenbraue sah. „Ah, ich verstehe. Das Experiment?“ ich nickte stumm. „Sag mir Bescheid, wenn du soweit bist, ich bin neugierig.“
Heute Nacht würde ich ihm, hoffentlich, alles erklären können. Ich hoffte vor allem, dass die Petroleumlampe genügend Helligkeit spenden würde, ansonsten müssten wir bei Tageslicht noch einmal… bei diesem Gedanken lief ich dunkelrot an und mein Unterleib begann zu kribbeln.
Ein Räuspern riss mich aus meinen schmutzigen Gedanken.
„Wie es scheint, ist es ein sehr tiefgehendes Experiment.“ Haythams flache Hand landete auf meinem Po, als ich mich umwandte um nach oben zu gehen.
„Auf jeden Fall, mi amor.“ hauchte ich leise.

 

Eheleute de L´Isle und de Granpré waren noch geblieben, weil sie sich bei Mr. Gillehand nach ein paar Pferden umsehen wollten. Vor morgen würden sie sicherlich nicht wieder hier sein.
Ich hatte mit meiner Geschäftspartnerin noch ein paar nette Unterredungen bezüglich Aveline gehabt. Das Mädchen war mittlerweile gut ausgebildet und machte sich einen Namen in der Bruderschaft im Süden.
„Sie hat schon einige Widersacher in die Flucht schlagen können, Mistress Kenway. Aveline ist eine Meisterin was Giftpfeile und Schleichen angeht.“ flüsterte sie verschwörerisch an meiner Seite.
„DAS ist immer sehr hilfreich, da stimme ich euch zu. Wie sieht der bisherige Zusammenschluss im Moment aus. Können wir von einem kleinen Erfolg bereits sprechen?“ meine Worte kamen etwas zögerlich, weil ich immer befürchtete, dass wir Null Fortschritt dort gemacht hätten.
„Ja, es sind immer nur kleine Gruppen von Assassinen oder auch abtrünnigen Templern, welche sich querstellen. Einigen kann man mit Argumenten und guten Worten beikommen, anderen wieder rum muss man das Schwert an den Hals legen.“ ihre resolute Art war manchmal unheimlich und ich stellte mir vor, wie sie dabei war, einen ihrer Feinde gerade zu töten.

 

Ich wurde im Laufe des Abends immer nervöser, was natürlich Haytham auffiel.
„Alex, du ziehst doch nicht in die Schlacht, es ist doch nur…“ er hielt inne, weil auch die Kinder noch anwesend waren.
„Was macht ihr heute noch? Willst du Vater das Mikroskop zeigen? Darf ich auch dabei sein? Bitte, Mama!“ bettelte Edward, während er mal wieder heimlich Fleisch von seinem Teller seiner Hündin gab.
„Nichts, min lille skat. Ich habe nur Angst, dass ich … es vielleicht kaputt machen könnte. Dann wäre Tante Faith sicherlich ziemlich böse mit mir.“ diese Worte sollten hoffentlich reichen, dass unser Sohn nicht heimlich an dieses Gerät ging!
„Oh, Tante Faith kann wirklich böse werden…“ dabei duckte sich Edward etwas. Mir entwich ein leises Prusten, weil sie anscheinend beim letzten Besuch Eindruck gemacht hat, durch ihre Übellaunigkeit.
„Genau deswegen!“

 

Florence und Edward waren im Bett, ich hatte alles was ich brauchte bereits zurecht gelegt. Von dem kleinen Glas, zur Pipette bis hin zum Objektträger und der Petroleumlampe war alles am Start. Fehlte nur noch mein Mann!
Dieser saß in seinem Arbeitszimmer über einigen Schriftstücken als ich eintrat.
Ich stellte mich hinter ihn und begann seinen Nacken zu massieren.
„Hmmmm, das tut gut, mi sol.“ flüsterte er an mich gelehnt. Seine Augen ruhten auf mir.
„So soll es sein, mi amor. Brauchst du noch lange oder…“ bevor ich noch etwas sagen konnte, donnerte er das Buch neben sich zu, verschloss das Tintenfass und löschte die Kerzen!
„Nein, ich bin fertig!“ in seinem Gesicht lag eine kindliche Vorfreude, die ich schon lange nicht mehr an ihm gesehen hatte.
„Dann komm mit.“ flüsterte ich lüstern.
Oben schloss ich leise die Tür hinter uns. Dieses Mal aber schloss ich ab, weil ich sicher gehen wollte, dass uns niemand stört. Denn das wäre nur sehr sehr schwer zu erklären für Edward oder auch Florence.

 

Ich schob meinen Mann Richtung des Sessels vor der Kommode. Sein Blick glitt über die Utensilien dort.
„Wenn ich es recht bedenke…“ kam es etwas zögerlich von ihm.
„Setz dich, mi amor und lass mich machen.“ küssend drückte ich ihn nach unten. Dann ließ ich mich vor ihm auf die Knie nieder.
Als meine Hände an den Knöpfen seiner Hose hantierten, sah er mich fragend an, ich aber schüttelte nur lächelnd den Kopf.
Vorsichtig begann ich ihn mit dem Mund zu verwöhnen, was mir ein großes Lob seitens meines Mannes einbrachte.
„Jesus, Alex!“ seine Hand vergrub sich in meinen Haaren, während die andere die Lehne umklammerte.

 

Jetzt musste ich den richtigen Zeitpunkt abpassen… aber da ich meinen Mann bereits in- und auswendig kannte, klappte alles wie geplant.
Langsam ließ ich dann von ihm ab und erhob mich vorsichtig.
Sein Blick lag skeptisch aber befriedigt auf mir.

 

Mit der Pipette beförderte ich einige Tropfen auf den Objektträger, legte diesen unter das Mikroskop und unweigerlich hielt ich die Luft an, als ich hindurch sah!
Ein wenig musste ich noch die Lampe näher heranbringen, aber dann… DA! Ich sah diese kleinen Schwimmer, die wie Kaulquappen aussahen und… Holla! Es waren einige und darunter auch recht flinke Spermien!
Ich konnte mir jetzt ein breites Grinsen einfach nicht mehr verkneifen!
„Schau hindurch und sag mir, was du siehst.“
Vorsichtig, als hätte ich ihn gebeten eine Bombe zu entschärfen, trat er an das Mikroskop. Eine Weile kam gar keine Reaktion, nicht einmal eine gerunzelte Stirn.
„Was… was in drei Teufels Namen sehe ich da? Und das…“
„Das, Haytham, sind Spermien. Sie sind dafür verantwortlich, dass ich schwanger werden kann. In diesen kleinen Schwimmern sind deine Gene, deine DNA vorhanden. Deswegen haben unsere Kinder viele Ähnlichkeiten mit mir und dir, weil wir das alles dadurch weitergeben.“ aber ich sah, das reichte ihm noch nicht.

 

Ich nahm mir das Blatt und den Kohlestift, was ebenso schon parat lag. Also malte ich, so gut es ging meine Gebärmutter auf. Anhand davon erklärte ich meinen Zyklus, wie die Eizellen auf diese Spermien warteten, wie die Zellteilung dann beginnen würde und so weiter.
„Und das alles weißt du woher? Das können doch noch nicht einmal die Ärzte wissen. Das ist… fantastisch, aber auch unheimlich.“ seine Stimme hatte einen leichten Unglauben angenommen, verständlich.
Als ich ihm berichtete, dass wir in der Schule Sexualkundeunterricht gehabt hätten und auch entsprechend aufgeklärt wurden, wuchs sein Erstaunen weiter.
„In der Schule, vor allen wird euch sowas gezeigt?“ natürlich nicht live und in Farbe, als ich das erwähnte atmete er etwas erleichtert aus.
Gene und DNA versuchte ich auch möglichst genau zu beschreiben. Ich hoffte, das würde fürs erste reichen.
„Ich bin ehrlich etwas sprachlos. Das heißt, jedes mal wenn wir miteinander schlafen könntest du schwanger werden. Aber das klappt nur an diesen, wie nanntest du sie, fruchtbaren Tagen. Warum aber nicht zwischendurch?“ also beschrieb ich, dass auch die äußerlichen Umstände oft dazu beitrugen, dass man nicht schwanger wurde. Oder auch dass man vielleicht schwanger war, bekommt aber doch seine Blutung.

 

„Überwältigend, Alex. Wirklich!“ kam es etwas später, als er bereits im Bett lag und ich alles wieder gereinigt hatte.
Ich wollte mir gerade mein Nachthemd anziehen, da sah ich aus dem Augenwinkel, wie Haytham mit dem Kopf schüttelte und mit einem Fingerzeig mich ins Bett orderte.
„Für diesen ausgiebigen und lehrreichen Unterricht hast du dir eine Belohnung verdient!“ raunte er an meinem Hals und ließ sich langsam an meinem Körper nach unten gleiten!

 

Und ich kann euch sagen, ich würde ihm jeden Tag so etwas beibringen, wenn DAS dabei herausspringt für mich!

 

Kapitel 11

 

~~~ Blutiges Silvester ~~~

 

„Guten morgen, mi sol.“ hörte ich die tiefe Stimme meines Mannes an meiner Seite. Ohne ein Wort kuschelte ich mich an ihn, weil ich noch an die letzte Nacht denken musste. Meine Hand strich vorsichtig über seine Brust gefolgt von meinen Lippen. „Du bist also schon mehr als wach, wie ich sehe.“ flüsterte er, während er mich langsam unter sich drehte.
„Ich glaube schon, aber vielleicht solltest du noch einmal auf Nummer sicher gehen.“ meine Stimme versagte mir, als ich ihn in mir spürte.
„Wacher geht es nicht…“ dabei wurden seine Bewegungen schneller, genau wie unsere Atmung, aber es war einer dieser stillen Momente zwischen uns. Nur unsere Körper zählten.
Als er meine Hände wieder frei gab, strich ich vorsichtig über seinen Rücken.
„Das war wundervoll.“ flüsterte ich leise.
Sein liebevoller Blick reichte völlig aus.

 

Lautes Klopfen war plötzlich zu hören!
„Warum habt ihr abgeschlossen!“ jammerte Edward vor der Tür und Walka stimmte jaulend mit ein.
„Weil es gerade die Zeit für deine Mutter und mich ist, mein Sohn.“ rief Haytham grinsend.
„Ich geh ja schon wieder.“ dieses Stampfen ließ mich wütend werden und ich war drauf und dran unseren Sohn zurecht zuweisen!
„Beruhige dich. Auch er darf mal wütend sein, oder?“ perplex sah ich meinen Templer an.
„Und das aus deinem Munde? Was hast du mit meinem Ehemann gemacht, wo ist er hin?“ grinste ich jetzt.
„Ich… weiß nicht. Aber ich bin überaus entspannt und ausgeglichen gerade. Ich kann auch gerne wieder…“ bevor er weitersprechen konnte, bedeckte ich seinen Mund mit Küssen!
Trotzdem mussten wir aufstehen, es war schon hell und ich hörte Florence bereits.

 

Mit einem bösen Blick von Edward wurden wir unten im Esszimmer begrüßt.
„Min lille skat, du weißt doch, dass es diese Zeiten nur für uns Eltern gibt. Das haben wir dir erklärt.“ versuchte ich noch einmal eine Erklärung.
„Schon verstanden!“ fauchte er mich an.
Florence hingegen war guter Dinge und ließ sich ihr Frühstück schmecken. Erfreut stellte ich fest, dass sie seit neuestem auch gerne Äpfel aß. Sonst spuckte sie die immer wieder aus, weil sie zu sauer oder zu hart waren.

 

Die nächsten Wochen verbrachte ich intensiver mit Edward, weil wir im Januar ein erneutes Gespräch mit Mr. Hathaway vereinbart hatten bezüglich des Unterrichts für ihn.
Ich muss sagen, unser Sohn machte sich wirklich gut. Er war konzentrierter als ich dachte.
Sogar beim Vorlesen war er ruhig, stotterte nicht mehr.
Nur mit dem Rechnen, da haperte es immer wieder. Wenn ich aber als Beispiel für die Zahlen Äpfel aufmalte, verstand er es schneller. Schnell hatte Edward auch raus mit den Fingern nach zuzählen, oder er rechnete anhand der Blumen auf der Tischdecke im Wintergarten. Sobald aber die nackten Zahlen zu sehen waren, sah ich regelrecht das Wirrwarr in seinem Kopf.
Ich ließ deshalb einen Abakus für Edward anfertigen, damit er üben konnte.
Derweil würden seine Zinnsoldaten oder die Holztiere herhalten müssen.


Auch Florence machte sich im Laufe dieser Dezemberwochen. Wir merkten aber, wie bei Edward am Anfang auch, dass sie oft die Sprachen nicht auseinander halten konnte, oder sie verstand mich zum Beispiel nicht, wenn ich deutsch mit ihr sprach.
Das würde sich noch legen, dass wusste ich ja bereits.
Außerdem hatte sie einen niedlichen Sprachfehler, sie konnte beispielsweise nicht Schmetterling sagen, sondern sagte Metterbim. Es klang halt einfach süß, das finden aber vermutlich auch nur die Eltern niedlich. Also weiter im Text!

 

Am Silvestermorgen rannte mir unser Sohn entgegen und brüllte „Und Mama? Was kochst du heute? Du hast doch mit Tante Faith darüber gesprochen!“
Ich sah ihn verwirrt an, bis mir einfiel, dass das ja nur als Notlüge gedacht war und ich jetzt in der Bredouille saß. In die Küche durfte ich laut Haytham nicht und ich hatte ja gar nichts geplant.
„Wir… ich…“ Der Boston-Apple-Pie! „ Wir machen diesen Apfelkuchen mal wieder, ja? Hilfst du mir?“ oh das würde jetzt lustig werden, weil ich gar nicht wusste, ob auch alles noch genügend vorrätig war.
Auf dem Weg zur Küche fing mich mein Templer ab.
„Wohin des Weges?“ diese zynische Frage überging ich, indem ich ihm mitteilte, dass ich ja das Versprechen an unseren Sohn einhalten musste. „Ohh, ja… natürlich… Versprechen muss man halten.“ grinste er mich an als er verstand, dann sah er zu Edward. „Hilf deiner Mutter und hol auch deine Schwester dazu.“ damit drehte er sich um und verschwand Richtung Arbeitszimmer.

 

Mit vereinten Kräften improvisierten wir mit dem Küchenpersonal diesen Kuchen. Die Kinder waren begeistert bei der Sache, vor allem als es um den Mürbeteig ging. Davon landete mehr in den Bäuchen von Edward und Florence, als in der Backform.
„Miss Florence, so haltet ihr den Kochlöffel besser zum Rühren.“ hörte ich eine der Mägde, welche meine Tochter unter ihren Fittichen hatte, während Edward der Köchin half, die Marinade zu machen.
„Die schmeckt so lecker…“ mit einem kleinen Löffel davon lief er zu seiner Schwester, damit sie kosten konnte.
„Njjjjjjjammmmm!“ quietschte sie.
Im Anschluss mussten wir nur noch auf das Endergebnis warten. Bis dahin wusch ich die beiden und zog sie um.
Beim Mittagessen erzählte man nun Haytham von der erfolgreichen Herstellung des Boston-Apple-Pies.
„Ich hoffe er schmeckt so gut, wie ihr es beschreibt.“ lächelte mein Templer seine Kinder an.
„Natürlich Vater! Ich hab ja mitgeholfen….und Flo auch!“ kam es nach kurzer Pause.

 

Dieses Jahr verbrachten wir Silvester bei den Bassiters. Das hieß keinen Mittagsschlaf für Florence, weil wir direkt nach dem Mittagessen aufbrechen wollten, damit wir am Abend zeitig dort erscheinen konnten. Der Kuchen wurde als Gastgeschenk mitgenommen. Ich hatte den Kindern versprochen, dass sie ihn übergeben dürften, weil sie ihn ja auch gebacken hatten.
Dort angekommen herrschte schon rege Betriebsamkeit.
Wir waren einige der letzten Gäste die eintrafen. Wir würden über Nacht bleiben, alleine schon wegen der Kinder!
Es gab ein erlesenes Abendessen, welches meine Tochter fast verschlief, weil sie immer wieder einnickte. Sophia brachte sie kurzerhand ins Bett.
Edward durfte noch aufbleiben, so lange er denn konnte. Gegen 9 Uhr war aber auch er eingeschlafen!

 

Wir saßen gerade alle im Salon, als wir lautes Klirren aus der oberen Etage hörten, dann war lautes Geschrei zu vernehmen.
In meiner Panik wollte ich schon meine Klingen vorschnellen lassen, als mir einfiel, dass ich mal wieder völlig unbewaffnet erschienen war! Scheiße!
Haytham hingegen hatte sein Schwert auf einem Tisch bei der Eingangstür abgelegt, wie alle Herren!
„Warte hier, wir sehen nach, mi sol.“ mahnte mich mein Mann, weil er sah, dass alle Frauen in einer Schockstarre beisammen standen. Musste ich jetzt hier Wache halten? Aber… er drückte mir seinen Dolch in die Hand!
Nicht viel, aber wenigstens etwas. Wenn alle Stricke reißen, dann wissen wir ja, worauf wir uns berufen können! Hörte ich ihn in meinem Kopf, was mich postwendend beruhigte, da ich diese Möglichkeit immer noch nicht so ganz verinnerlicht hatte.

 

„Setzt euch bitte dort an die Wand und rührt euch nicht. Keiner geht ans Fenster oder die Tür!“ instruierte ich die Damen, welche alle durch die Bank weg blass geworden waren.
„Aber meine Kinder…“ jammerte eine junge Frau.
„Ihnen passiert nichts! Unsere Männer sind ja da.“ Bei Odin, ich hasste es, wenn ich nicht selber für diese Sicherheit sorgen konnte, sondern sie den Herren der Schöpfung überlassen musste.
Ich ließ meinen Blick nach oben wandern und sah einige rote Auren, welche sich aber ausschließlich, bis jetzt noch, auf der linken Seite befanden. Dort waren nur Angestellten-Zimmer. Die Gäste- und Kinderzimmer waren auf der anderen Seite, einige davon auch eine Etage höher! Etwas erleichterter atmete ich aus und gab Entwarnung!
„Woher wisst ihr das, Mistress Kenway?“ hörte ich die zweifelnde Stimme einer Mutter. Verdammt!
„Weil ich die Geräusche direkt über uns höre, also sind sie augenscheinlich nicht dort drüben eingestiegen!“ hoffentlich reichte das fürs erste.
„Aha… Euer Wort in Gottes Ohr!“ Nein, Odins Ohr bitte!

 

Plötzlich hörten wir Getrampel und erneutes Glas springen aus dem Eingangsbereich, was mich sofort in Hab-Acht-Stellung versetzte. Vorsichtig schlich ich mich zur Tür, öffnete sie einen Spalt, damit ich hinaus lugen konnte.
Alle Herren waren hinauf gestiefelt, sodass hier unten keiner mehr war! Ich alleine konnte gegen diese Angreifer aber nicht viel ausrichten! Oder sollte ich es einfach versuchen?
„Ich werde jetzt da raus gehen, verschließt hinter mir die Tür und schiebt etwas schweres davor. Die Kommode dort drüben wäre ideal. Tut einfach, was ich sage!“ befahl ich, während ich schon fast draußen war.
„Ihr könnt uns doch nicht auch noch alleine lassen!“ flehte eine der Frauen!
„Doch, weil diese Meute sonst hier hereinplatzt! Wenn ihr gerne Opfer einer Vergewaltigung oder Schlimmeres werden wollt, dann bitte…“ ich wurde ungehalten, Thyra brach langsam durch, ich musste JETZT dort hinaus!
„Versprecht uns, dass den Kindern nichts passiert!“ heulte eine andere Dame!
„Ich verspreche es!“ sagte ich knapp, wappnete mich und war im Eingangsbereich!

 

Für einen Moment konzentrierte ich mich, sah meine Vorfahrin vor mir, ihre Montur, ihre Waffen… dann fühlte ich sie!
„Dann wollen wir diesen Arslingen (ein veralteter nordischer Ausdrück für A... ihr wisst schon) mal zeigen, wer hier das Sagen hat!“ brüllte sie, oder ich, als sie schon vorstürmte.
Wie immer lagen diese Äxte wie ein Wohlfühlgewicht in meinen Händen, dieses weiche Leder der Hose und des Harnischs… ich war angekommen!
„Jungs, da will sich so ein komisches Weib in unsere Angelegenheiten mischen!“ rief einer der Einbrecher belustigt zu seinen Kumpanen!
„Das komische Weib zeigt euch schon, wohin ihr gehört! Ihr werdet gleich nur noch ein kleiner jammernden Haufen Elend sein!“ brüllte sie mit einem Kampfschrei und stürmte auf die Männer zu!

 

Diese Äxte schnetzelten sich durch Arme, Oberschenkel und -körper! Ha, sie alle hatten keinen echten Kampfgeist, geschweige denn konnten sie sich gegen zwei Waffen gleichzeitig verteidigen.
Aber auch ich hatte es nicht leicht!
Sie versuchten es von allen Seiten, wollten links antäuschen und rechts ausführen! Nicht mit mir.
Dann erwischte mich doch tatsächlich eines dieser Schwerter auf der rechten Seite meines Bauches! Verdutzt schaute ich auf die Klinge, welche in meinem Fleisch steckte!
Erschrocken wich ich zurück, fühlte den Schmerz und das Blut, welches sich seinen Weg nach draußen bahnte! Aber es beflügelte mich auf eine eigenartige Weise!
Der nächste in der Reihe, war der Ansicht er könne mit seiner Faust mein Gesicht neu modellieren! Nein, ich verschönerte seinen Hals mit einem breiten Schnitt meiner Axt!

„Hier stimmt was nicht, Männer! Dieses Weib … sie ist … da stimmt was nicht…“ brüllte einer dieser Banditen mit aufgerissenen Augen, während er bereits röchelnd zu Boden ging.
Mittlerweile lagen 5 seiner Leute ebenfalls auf dem guten Parkett! Was für eine Sauerei!
„Oh mein Gott! Sie ist es wirklich! Leute! Diese… es gibt diese leuchtende Frau wirklich!“ Schwert schwingend rannte er dennoch auf mich zu, schlug zu, unachtsam und in Panik.
Auch er fand einen Weg mich zu verletzen, dieses mal drang die Schwertspitze direkt in meinen Oberschenkel. Dort blieb sie stecken! Vor Schreck weil er seine Waffe nicht mehr herausbekam zerrte er an mir, aber das machte mich nur wütender.
„Bei Odin! Mach schon, du Schlappschwanz. Oder soll ich ihn dir auch noch beim Pissen halten!“ brüllte ich diesen Idioten vor mir an und zog das Schwert mit meiner bloßen Hand heraus.

 

Ich hörte um mich herum ein lautes „ES REICHT!“ was alle verstummen ließ!
Wie angewurzelt stand ich da, schaute mich um! WER hatte mir hier zu sagen, wann Schluss ist? Noch kann ich das alleine entscheiden.
Vor mir tauchte Hemsleth auf, welcher mich mahnend ansah! „Sie haben genug, es gibt keine Sieger!“ ich sah das Schlachtfeld vor mir, die vielen Toten Sachsen und Clan-Mitglieder um mich herum.
Langsam ließ ich meine Äxte sinken und lehnte meine Stirn an die Brust meines Geliebten.
„Es ist vorbei!“ diese Stimme…
Langsam kehrte ICH wieder zurück, aber nicht ohne einen bissigen Kommentar von Thyra.
„Bei Odin! Tyr, such dir ein besseres Timing!“ grinsend verzog sich meine Vorfahrin in meinem Geist.

 

Jetzt realisierte ich, was passiert war.
Fast alle von dieser Meute waren tot oder schwer verletzt. Nicht nur hier unten, auch auf der ersten Etage gab es Verluste. Leider auch von zwei Ehemännern der anwesenden Damen!
Vorsichtig warf ich einen Blick auf meinen Körper, ich trug mein Kleid! Aber die Wunden! Sie waren da und taten höllisch weh. In dem Moment wo ich das realisierte sackte ich zusammen und ab da… hörte ich dumpfes Stimmengewirr um mich herum.
Als ich wieder zu mir kam, war es bereits hell. Ich lag in einem Bett, an meiner Seite saß mein Sohn.
„Mama, du bist wieder wach!“ flüsterte er, während er mir einen kalten Lappen auf die Stirn legte!
„Danke, min lille skat! Aber was machst du hier, wo sind dein Vater und deine Schwester? Geht es euch gut…“ mehr konnte ich gerade nicht zustande bringen, weil mich ein brennender Schmerz im Oberschenkel vom Sprechen abhielt.
„Dein Knochen ist kaputt, Mama! Nicht bewegen. Das dauert noch ein paar Tage, aber ich verspreche dir…“ mein Sohn warf sich auf meine Brust und weinte bitterlich!
„Es ist in Ordnung, min lille skat!“ flüsterte ich, bevor ich wieder in diesen dunklen Sumpf versank…

 

Kapitel 12

~~~ Odins Halle wartet auf mich ~~~

 

„Edward… du machst das gut… aber ruh dich jetzt aus…“

„Sie hat zu viel Blut verloren…“

„Dieses Fieber macht mir Sorgen…“

~~~

Das und noch mehr vernahm ich in einigen kurzen lichten Momenten! Sie blitzten immer für den Bruchteil einer Sekunde auf, blieben aber nicht lange!
Im Grunde fühlte ich mich gut. Ich war in einer weichen kuscheligen Welt aus Nichts! Meine Gedanken kreisten um… nichts.
Ab und an hatte ich Bilder vor Augen von spielenden Kindern, von einem Mann, der mich liebevoll ansah… Aber nie für lange!

~~~
 

Irgendwann lief ich durch einen Wald, welcher gerade erblühte, es musste wohl gerade Mai sein! Dieses Grün der Bäume ist einfach unverkennbar.
Auf einer Lichtung blendete mich die Sonne so stark, dass ich ins Straucheln geriet… Aber es war etwas anderes, das so hell erstrahlte.
Ich sah dieses riesige Tor vor mir und wusste, dass ich dahinter endlich meinen Frieden finden würde. Meine Beine trugen mich wie von alleine dorthin.
Ich hörte nichts in diesem Moment, selbst meine Schritte waren nicht zu vernehmen. Plötzlich realisierte ich das und sah an mir herunter.
Ich trug ein blutdurchtränktes Nachthemd, welches in Fetzen an mir herunterhing. Meine Haut hatte einen blassen gräulichen Schimmer! Meine Atmung ging hektisch, hyperventilierend. Mein Herz schien mir aus der Brust springen zu wollen.
Aber ich ging weiter, ich musste dort durch!

 

Kurz bevor ich das Tor erreichte zerrte etwas an mir und drehte mich zu sich herum. Ich blickte in das faltige Gesicht des Wanderers, welcher mich kopfschüttelnd und zugleich traurig ansah!
„Das ist noch nicht deine Zeit, Kind!“ seine Stimme klang seltsamerweise beruhigend.
Mein Blick glitt an ihm vorbei, wo ich drei Menschen sah. Alle schimmerten in einem hellen gelbgold und zogen mich damit magisch an.
„DORTHIN gehörst du, mein Kind!“ wieder fühlte ich diese Stimme richtig. Sie führte mich in die Richtung dieser Personen.
Als ich näher kam, kristallisierten sich die Umrisse, ich nahm die Konturen wahr und erkannte meine kleine Familie wieder. Haytham, Edward und Florence! Sie warteten auf mich!
Das letzte Stück sprintete ich regelrecht, weil ich es nicht abwarten konnte, sie alle wieder in meinen Armen zu haben!

~~~

„Alex! Du bist wieder wach!“

„Mama…“

„Du musst bei uns bleiben…“

„Es dauert jetzt noch ein wenig. Aber seid unbesorgt, es wird eurer Gattin bald wieder gut gehen!“ diese Stimme kannte ich doch?

 

Vorsichtig öffnete ich die Augen! Verschwommen nahm ich ein paar Umrisse wahr, welche langsam klarer wurden!
An meinem Bett standen mein Mann und meine Kinder!

 

„Mom! Ich bin so froh, dass du wieder wach bist!“ das war doch…
„Yannick?… Aber…“ meine Kehle fühlte sich an, als hätte ich Stacheldraht geschluckt!
„Ich bin hier…“ diese Umarmung tat mir gut. Sein Zittern durch seinen Gefühlsausbruch konnte ich nur erwidern. Es tat unendlich gut meinen großen Sohn in meiner Nähe zu haben! Leider verabschiedete er sich kurz danach mit den Worten, wir würden uns wiedersehen. Traurig lehnte ich in den Kissen, weil ich ihn wirklich vermisste!

 

Langsam kam ich wieder an, man reichte mir einen Becher mit Wasser. Außerdem kühlte man immer noch meine Stirn.
Als ich jedoch mein linkes Bein bewegen wollte, dachte ich, es würde abfallen!
„Noch nicht so viel bewegen, wir werden in den nächsten Tagen versuchen dich wieder mobil zu kriegen. Aber du hast eine heftige Blutvergiftung gehabt, welche zuerst behandelt werden musste!“ Haytham setzte sich neben mich und hielt meine Hand.
„Was ist denn passiert?“ flüsterte ich, weil ich nicht mehr alles zusammen bekam.

 

Nachdem ich wieder ICH war, sackte ich zusammen, weil ich wirklich sehr viel Blut verloren hatte.
Man hatte mich danach in unser Zimmer gebracht und nach dem hiesigen Arzt geschickt. Während man auf diesen wartete, hat Edward Junior bereits angefangen mich zu heilen. Er hat es versucht. Aber das Schwert hatte meinen Knochen durchstoßen, weswegen einige Splitter in meinen Blutkreislauf gerieten. Dadurch hatte ich auch noch innere Blutungen und eine Blutvergiftung kam ebenso hinzu, weil die Waffen der Banditen natürlich nicht steril waren!
Das ganze dauerte nun schon 5 Tage, aber dank Edward und Alex konnte das schlimmste verhindert werden.

 

Du warst auf dem Weg in die große Halle, mein Kind. Aber ich hätte es nicht verhindern können. Dein Sohn und dein Enkel haben Hand in Hand gearbeitet um dich wieder nach Hause zu bringen. Brünhild stand schon bereit, aber deine Tochter wachte ebenso an deiner Seite und hat dir die nötige Kraft gegeben dem Drang zu widerstehen, durch diese Tore zu gehen! Es ist noch nicht deine Zeit, mein Kind. Mein Allvater flüsterte diese Worte, ich spürte, dass er erleichtert war. Auf der anderen Seite würde er auch mich gerne dort sehen!
Aber wann weiß ich, dass ich wirklich dorthin gehen kann? Fragte ich leise, erhielt aber keine Antwort. Frustriert ließ ich mich in die Kissen sinken.
„Mi sol, hier. Trink etwas.“ wieder hielt mir mein Mann den Becher hin.
Sein Ernst? „Ich brauch das nicht…“ bevor ich aber noch ausholen konnte, setzte er das Gefäß an meine Lippen und kippte. „TRINK!“ was soll ich sagen, es war eine Wohltat, als ich dieses kühle Wasser in meinem Hals fühlte.
„Danke…“ nuschelte ich verlegen.

 

„Mama, ich hab dich lieb!“ hörte ich Edward und Florence wie aus einem Mund sprechen. Beide saßen neben mir und sahen mich traurig an.
„Ich habe euch auch ganz doll lieb und danke, dass ihr mir so geholfen habt. Das habt ihr fantastisch gemacht!“ flüsterte ich, weil mir meine Stimme versagte.
„Miss Florence, Master Edward, jetzt lasst eure Mutter noch ein wenig ausruhen. Kommt, wir wollen nach dem kleinen Fohlen schauen.“ das war Sybills Stimme wenn ich mich nicht täuschte. Nein, mein Blick in die Richtung bestätigte es.

 

So waren es jetzt nur noch Haytham und ich in diesem Zimmer. Es war aber nicht unser Schlafzimmer, sondern unser Gästezimmer bei den Bassiters.
„Mi sol, ich bin so froh, dass es dir besser geht.“ plötzlich lag er auf meinen Oberschenkeln und… seine Schultern bebten!
„Mi amor! Was… ich… war es wirklich so weit …“ ich mochte es nicht aussprechen.
„Dein Leben hing an einem seidenen Faden. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, Sigyn hat für dich einen neuen gesponnen!“ ich hatte Haytham wirklich noch nie so erlebt! Diese Erleichterung, gepaart mit der Angst, dass ich im Sterben liege, war herzzerreißend. Es tat weh!
Ich wäre dort in Odins Halle nicht alleine, meine Familie wäre schon dort. Ich würde von dort alle weiter beschützen, oder nicht? Aber plötzlich war dieser Gedanke doch nicht mehr so tröstend!
Mein Mann, meine Kinder… sie wären nicht mit mir dort!
War es das, was man Lebenswille nannte? Man wollte NOCH nicht dort sein?
„Vermutlich, mi sol. Aber du bist wieder hier und die Knochen… wenn du dich ein wenig weiter erholt hast, dann wird Edward mit Idun… sie werden es wieder richten.“ dabei druckste Haytham ein wenig herum.

 

„WAS genau werden sie machen? Es wird wehtun, oder?“ fragte ich pragmatisch nach.
„Ja, SEHR schmerzhaft und es wäre von Vorteil, wenn du nicht bei Bewusstsein bist.“ Chloroform! Aber… das war mir zu riskant, weil noch niemand wirklich wusste, wie man es richtig dosierte!
„Wir müssen es… ausprobieren!“ ich sah in seinen Augen den Widerwillen, genau das tun zu müssen. Es widerstrebte meinem Mann, nicht zu wissen, was genau passierte. Er brauchte diese Liste, diese Ordnung, diese Struktur… Ja, auch ich war Templer, mittlerweile wurde es mir immer bewusster. Ich war es im Herzen schon viel länger!
Man hatte bereits Dr. Ambrosch informiert, welcher nun die entsprechende Ration besorgte. In den nächsten Tagen würde er hier damit erscheinen.
„Versprich mir nur eins, Haytham! Bleib bei mir! Lass mich nicht alleine!“ ich brach plötzlich in Tränen aus, weil ich Angst bekam. Was wenn ich danach nicht mehr aufwachte?
„DAS werde ich nicht zulassen!“ mit einem Male leuchtete sein gesamter Körper und diese Kraft übertrug sich auf mich… Sie brachte mir den Mut, mich auf dieses Abenteuer einzulassen!

~~~

Die nächsten Tage, es müssen drei gewesen sein, vermute ich, habe ich mich langsam weiter erholt und fühlte mich immer besser. Die Vergiftung schien wirklich nicht mehr vorhanden zu sein.
Aber diese Schmerzen in meinem Bein waren, besonders nachts wenn man zur Ruhe kam, kaum auszuhalten.
„Ich kann dir noch etwas Laudanum geben…“ danke nein! Immer wenn ich es vehement ablehnte erntete ich fragende Gesichter. Ich wollte mich doch nicht abhängig machen, bin ich denn verrückt?

 

Dann endlich erschien der kleine Arzt, welcher mich mitleidig ansah.
„Ach, Mistress Kenway. Es wird schon wieder. Wir bekommen das hin, nicht wahr.“ dabei tätschelte er mir die Wange. Er war wie der gute Opa mit großer Zuversicht, der einem jede Angst nehmen konnte. Wehmütig dachte ich plötzlich an meinen Großvater, auch er war so…

 

Es wurde ernst.
Im Raum blieb nur Haytham, Dr. Ambrosch und Edward. Man hatte den Arzt bereits entsprechend eingewiesen.
Das Leinentuch wurde vor meinem Gesicht auf ein kleines Gestell gespannt.
„Mistress Kenway, habt keine Angst. Ihr werdet das Gefühl haben, dass ihr ohnmächtig werdet. Aber das geht schnell vorbei. Wenn ihr wieder aufwacht, dann ist alles vorbei!“ Bitte, lasst einen Anästhesisten hier erscheinen mit den Narkosemitteln, ging es mir durch den Kopf, ehe ich wirklich weg war…
Hach das ging ja schnell…

~~~

„Die Splitter sind zu tief… nein… hier ist der größte… wir müssen weiter schneiden… ah verdammt! HIER! Jetzt zieht fester zu… genauso! Gott sei es gedankt, dass nicht der gesamte Knochen geborsten ist… Die Arterie… ABKLEMMEN! … Verdammt…“

~~~

Blöderweise hatte ich Bilder vor mir von den Geschehnissen und mir wurde schlecht…
„Laß alles raus, mi sol.“ ich fühlte eine kühle Hand auf meiner Stirn, welche mich über ein Gefäß hielt.

~~~

Ich erwachte in einem dunklen Raum, erleuchtet von ein paar Kerzen.
Neben mir hörte ich gleichmäßiges Atmen.
Wo war ich?
Es war nicht mein Bett! Nicht in Virginia… nicht in Pyrmont…
WO WAR ICH!
Leider muss ich das geschrien haben, weil mich plötzlich jemand umarmte und festhielt.
„Alex, du bist bei mir! Sieh mich an…“ hektisches erschrockenes Atmen…
„Wer…“ es dauerte einen Moment bis ich wirklich spürte, das mich Haytham im Arm hielt. „Oh Odin sei Dank!“ flüsterte ich mit krächzender Stimme.
„Mi sol, ich bin so froh…“ seine Lippen bedeckten mich mit tausenden erleichterten Küssen. „Sag was… du bist wieder wach…“
„Ich liebe dich!“ genau das kam mir in den Sinn, nichts anderes seltsamerweise.

~~~

Zwei Tage später, spekulierte ich einfach mal, saß ich in diesem Bett am Kopfende angelehnt und sah auf diesen dicken Verband an meinem Bein.
„Ich werde nie wieder normal laufen können, oder reiten können… ich werde nie mehr meinen Kinder hinterher rennen können…“ ich brach in Tränen aus!
Plötzlich ging die Tür auf und Edward mit seiner Schwester an der Hand erschienen. Sofort eilten beiden auf mich zu!
„Mama… nicht weinen…“ wie aus einem Mund kam das.

Kapitel 13

 

~~~ Wieder zu Kräften kommen ~~~

 

Ich konnte nicht anders…
So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Mein Leben hing an seidenen Fäden, welche neu gesponnen worden waren.
Ich war eigentlich auf dem Weg in Odins Halle…
Aber ich habe dich nicht auf Great Inagua empfangen, Alex! Hörte ich meinen Piraten.
Nein, musste ich wirklich erst BEIDES empfangen, bevor ich… sterben durfte?
Vor meinem geistigen Auge erschienen Edward Senior und Odin.
Genau DAS ist es! Eines reicht bei weitem nicht…
Die Nornen hatten es bereits vorher gesagt, ich würde hier noch einige Jahre mein Schicksal erfüllen!
„Mama, kommst du jetzt mit mir zu Brünhild?“ hörte ich die Stimme meiner Tochter. Natürlich folgte ich ihr!

 

Beide führten mich durch Asgard! Sie zeigten mir die Welt, die wir Menschen nie sehen würden. Ich sah Bifröst, ich sah Heimdall… Diese Eindrücke waren unglaublich! Ich hatte sie erwähnt, die Halle der Krieger wo das Recht des Stärkeren galt… jetzt konnte ich mich davon überzeugen…
Die Welt, welche ich von klein auf im Kopf hatte baute sich auf. Ich konnte sie sehen und fühlen!
Natürlich gab es auch nicht so schöne Seiten…
Wie immer im Leben eigentlich, oder?
Diese kleine sehr minimalistische Reise brachte mir aber die Kraft, wieder in meinem Leben weiter zumachen!

 

Noch einmal dauerte es ein paar Tage bis ich realisierte, dass ich fast genesen war!
„Alex, komm… steh auf…“ vorsichtig half mir Haytham bei den ersten Schritten. Aus Angst, dass es weh tun könnte zögerte ich, stockte ich… aber… es war ungewohnt, fühlte sich seltsam an. Es schmerzte aber nicht.
Und plötzlich konnte ich fühlen, wie sich die Fragmente meines Knochens wieder vereinten, sie verbanden sich.
Ende Januar konnte ich dann auch wieder die Treppen steigen, ich absolvierte das Ganze wie ein Fitnesstraining, weil ich mich allgemein völlig unwohl fühlte! Meine Personal-Trainer waren meine Kinder…
„Mama… komm schon… nur noch eine Stufe… und noch mal…“ Edward entpuppte sich als perfekter Coach!
Mit ihm gelang es mir wirklich in kürzester Zeit wieder in meine fast alte Konstitution zu finden! Wenn auch mit kleineren Einschränkungen, welche aber nicht sehr gravierend waren.

 

Anfang Februar konnten wir uns von den Bassiters verabschieden.
Ich fühlte mich nicht gut, dass ich solche Umstände gemacht hatte.
„Mistress Kenway! Ich bitte euch. Ihr habt die Frauen vor dem Schlimmsten bewahrt!“ in einigen Schreiben erhielt ich dieselbe Mitteilung. Sie alle wünschten mir gute Genesung, gratulierten mir zu diesem gelungenen „Niederschlag“ der Banditen!
Dieser Mut wäre ihnen ja nicht vergönnt gewesen, gerade als Mutter hätte man ja eher nur die Kinder im Sinn. Ja genau deswegen habe ich so gehandelt! Aber ich befürchte, dass ich „hier und jetzt“ auf Fragezeichen über den Köpfen stoßen würde.

 

Ich konnte mich tatsächlich fast frei von Schmerzen bewegen, was Haytham dazu veranlasste, als wir ein paar Tage daheim waren, mich zum Training zu zitieren.
Edward Junior stand ebenfalls neben ihm und grinste breit.
„Vater, Mutter ist doch aber keine Anfängerin.“ flüsterte er, als ich bereits mein Schwert zog.
„Das weiß ich, mein Sohn. Deswegen sollte man immer auf der Hut sein.“ grinste mein Templer ebenso breit, als er zum ersten Streich ausholte.
Dieses kleine Training brachte meine Lebensgeister weiter zurück, zeigte mir, dass ich nicht verkrüppelt bin.

 

Ich erholte mich immer mehr, fokussierte mich und meine Konstitution, meine Muskeln… es tat gut wieder in Bewegung zu sein!
Aber so langsam musste ich meine Reise zu Master Davenport planen. Diese Zwangspause passte eigentlich überhaupt nicht in mein Zeitmanagement, was mich wirklich frustrierte.
„Alex, wenn du im März aufbrichst, reicht es doch auch noch. Außerdem ist es dann auch schon wärmer!“ Haytham hatte ja Recht. Wenn ich so darüber nachdachte wäre es wirklich noch nicht zu spät.

 

Bevor die Planung in die finale Phase ging, hatten wir noch einmal mit den Hathaways bezüglich Edwards Schulbesuch gesprochen.
Unser Sohn war mal wieder so aufgeregt, dass er alle Sprachen durcheinander warf, er stotterte wieder beim Lesen und mit dem Rechnen fange ich gar nicht an.
Haytham warf ihm immer wieder ein enttäuschtes Kopfschütteln zu, weil er dieses Verhalten nicht nachvollziehen konnte. Edward war selber traurig darüber. Das musste man ihm ja nicht auch noch so deutlich aufs Brot schmieren!
„Master Edward, ich denke, es ist aber an der Zeit, dass ihr in die Schule geht. Ich glaube nämlich, dass ihr dann beruhigter seid. Oder täusche ich mich, dass ihr nur nervös seid?“ Mrs. Hathaway hatte es verstanden.
Freudestrahlend sah er mich an, dann wieder zu seiner zukünftigen Lehrerin.
„Ich … ich darf doch zur Schule?“ rief Edward laut, gleichzeitig umarmte er sie.
Damit war das Thema jetzt abgeschlossen. Ich hoffte, der kleine Kenway würde keinen Blödsinn machen, wenn er mit den anderen Jungs den ganzen Vormittag verbrachte.

 

Am Abend sprach ich meinen Templer auf seine doch recht unfaire Art hin, seinem Sohn sein Missfallen so deutlich zu zeigen.
„Es war mir halt unangenehm, weil ich weiß, dass er es besser kann. Ich hatte den Eindruck Edward würde es absichtlich machen.“ schulterzuckend saß Haytham auf der Bettkante.
„Warum sollte er es mit Absicht machen? Er möchte doch gerne auch wie die anderen Kinder in die Schule. Edward ist einfach schnell aus der Ruhe zu bringen, wenn er einem etwas zeigen soll. Ich kann ihn da sehr gut verstehen.“ versuchte ich jetzt eine Erklärung.
„Ob sich das dann später legen wird?“ mein Mann hatte sich zu mir umgedreht.
„Davon gehe ich aus. Versprich mir nur, unseren Sohn nicht unter Druck zu setzen, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, ja?“
Für einen kurzen Moment klappte sein Mund auf, aber er schloss ihn wieder.
„Ich werde es versuchen, mi sol.“ grinste er. Ich wusste, DAS wäre eine der schwersten Übungen für ihn als Vater!
„Zur Not kann ich dir ja auch mal ein paar Lektionen beibringen…“ flüsterte ich an sein Ohr und zog ihn zu mir herunter.

 

~~~ Ende März 1769 ~~~

 

(Davenport-Siedlung, Rockport)

 

 

Langsam ritt ich auf das große Herrenhaus zu, welches in der Morgensonne ziemlich beeindruckend aussah.
Leider bemerkte man schnell, dass es in den letzten Jahren etwas vernachlässigt worden war, hier und da blätterte die Farbe von den Fensterrahmen und das Unkraut wucherte über dem Weg zum Eingang.
In den letzten Tagen meiner Reise hatte ich mich immer wieder gefragt, ob es die richtige Entscheidung ist, ihn aufzusuchen. Und jedes mal kam ich zu dem Schluss, dass es sein musste, damit wir diese Einigung erreichen konnten.

 

Siedlung ist hier wohl auch der falsche Ausdruck, eher eine Ansammlung von ein paar verfallenen Hütten würde ich es nennen.
Als ich meine Reise hierher plante, kam mir der Gedanke mit der Jackdaw den Weg zurück zulegen, jetzt war ich froh, es nicht getan zu haben. Ich sah in der kleinen Bucht ein zerfallenes Schiff dümpeln, so hätte ich keinen Platz zum Anlegen gehabt. Ist das womöglich die Aquila, welche in dem Sturm damals vor 14 Jahren hinter der Providence her war?
Für einen Moment hielt ich inne und betrachtete das Wrack traurig, wie konnte man ein Schiff nur so verkommen lassen? Ich schüttelte mich und ritt wieder zurück auf den Weg Richtung Herrenhaus!

 

Fenrir band ich an einen kleinen Zaun, welcher ziemlich morsch war, aber ich wusste, mein Hengst würde mir nicht davonlaufen, außerdem war meine Wache ja auch noch da. Mein Gepäck ließ ich noch verschnürt auf seinem Rücken und ging die gepflasterten Stufen hinauf.
Ich hatte weder den Ornat an noch trug ich die Templermontur, ich war neutral in Reitkleidung oder besser gesagt, Reisekleidern unterwegs!
Wieder dachte ich darüber nach, wie ich am besten beginnen sollte, oder ob mir dieser Mann überhaupt öffnen würde. Vor der Tür atmete ich tief durch, straffte mich und betätigte den Türklopfer! Es passierte nichts, ich hörte auch keine Schritte oder überhaupt ein Geräusch. Ich zählte bis 20 und klopfte erneut und dann hörte ich schlurfende Schritte und ein tock-tock-tock wie von einem Stock.

 

Er riss die Tür mit Schwung auf und starrte mich wütend an.
Was wollt ihr, Miss? Ich brauche nichts!“ er wollte schon wieder schließen!
Master Davenport? Wartet einen Augenblick, ich bin nicht hier um etwas zu verkaufen oder ähnliches. Ich würde gerne für einen Moment mit euch sprechen. Mein Name ist...“ ich zögerte kurz und wollte schon Frederickson angeben, besann mich jedoch eines besseren, ich wollte ja bei der Wahrheit bleiben. „... Alexandra Kenway. Wir kennen uns nicht...“ ein Prusten von seiner Seite zeigte deutlich seine Missbilligung.
Nein und dabei wird es auch bleiben!“ wieder versuchte er die Tür zu zuwerfen, doch ich hielt jetzt dreist meinen Fuß dazwischen.
Hört mich doch wenigstens an, Master Davenport. Es ist wichtig, glaubt mir!“ sprach ich nun mit etwas mehr Enthusiasmus und es schien zu wirken. Achilles sah mich mit gerunzelter Stirn an und fing an mich zu mustern, auch er besaß den Adlerblick? Interessant!

 

Also schön, kommt herein, aber achtet auf eure Schritte, das Holz könnte an einigen Stellen morsch und von Termiten zerfressen sein!“ er drehte sich um und humpelte auf einen Stock gestützt in Richtung Küche.
Haythams Schuss hatte gesessen, aber Master Davenport konnte von Glück reden, dass Faith ihm die Kugel entfernt hatte damals. Es hätte sonst passieren können, dass er zum Beispiel an Ort und Stelle verblutet wäre, oder später das Bein verloren hätte.
Auf diese Hilfsaktion baute ich im Stillen, sie könnte einen positiven Effekt auf unser Gespräch haben. Achilles ließ sich auf der großen Bank nieder und deutete mir, auf der gegenüberliegenden Sitzgelegenheit Platz zu nehmen.

 

Für einen Moment betrachtete ich diesen Mann, er war jetzt ungefähr 58 Jahre alt, sah aber wesentlich älter aus. Sein graues Haar hing in Rastazöpfen um sein Gesicht, welches von vielen Falten durchzogen war.
Wenn man diesen Herren so vor sich sah, bekam man ein schlechtes Gewissen. Weder er noch Robert Faulkner waren in der Lage gewesen, die Bruderschaft wieder aufzubauen. Sie hatten keine Verbündeten mehr, genau wie ich theoretisch auch nicht mehr und auch darauf baute ich für das kommende Gespräch!

Nun Mrs. Kenway, was habt ihr so wichtiges mit mir zu besprechen? Gehe ich Recht in der Annahme, ihr wollt euch für euren Mann entschuldigen?“ kam es zynisch und lauernd von ihm.
Nein, eine Entschuldigung wäre wohl zum einen zu spät und zum anderen unangebracht, Master Davenport. Denkt ihr nicht?“ über mir breitete sich wieder der Ruhemantel aus und meine Worte waren völlig freundlich gesprochen.

 

Sein Blick ruhte immer noch auf mir und für einen winzigen Moment war ich versucht, in seinen Geist zu dringen. Konnte mich aber gerade noch so zügeln.
Warum seid ihr dann hier?“ und jetzt saß ich da und wusste nicht, wie ich anfangen sollte. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so recht, WO ich anfangen soll, Master Davenport. Wie ich ja sagte, eine Entschuldigung wäre nicht mehr angebracht und dass mein Gatte kein Recht hatte, auf euch zu schießen, wissen wir beide. Aber erinnert ihr euch noch an Mrs. Cormac, welche die Kugel aus eurem Knie entfernte? Ohne ihre Hilfe hättet ihr es nie lebend zum Schiff geschafft, oder hättet später das Bein verlieren können. Natürlich tat sie es nicht ganz uneigennützig, doch sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kranken zu helfen, ohne Wenn und Aber.“ ich hielt inne und wartete auf eine Reaktion.

 

Und das soll mich jetzt dankbar stimmen? Diese Frau tat es nur, damit sie an ihr Ziel kommt, mehr nicht. Ihr Templer seid einfach alle gleich und daran wird sich nie etwas ändern.“ zum Schluss war er lauter geworden, doch ich blieb ruhig.
Nein, das stimmt nicht, die Zeiten ändern sich und sie werden sich noch weiter drastisch verändern, Master Davenport. Also schön, wenn ihr es genau wissen wollt, strebe ich einen gewissen Waffenstillstand zwischen Bruderschaft und Orden an. Es geht hier nicht nur um euch alleine, eure Frustration oder ähnliches. Es geht um das große Ganze, es geht um die gesamte Menschheit...“ er fuhr mir über den Mund.
Das kann nicht euer Ernst sein, oder? Es gibt hier keine Bruderschaft in den Kolonien mehr, dass wisst ihr. Weil euer Gatte mit Shay dafür gesorgt hat!“ wieder wurde seine Stimme lauter und fing an zu zittern. Wut stieg in ihm auf, das konnte ich sehen.

 

Umgekehrt habt ihr aber auch unbedacht gehandelt und das müsst ihr euch auch auf die eigene Fahne schreiben, Master Davenport! Dieses ganze Schuld zu schieben bringt doch keiner Seite etwas, im Gegenteil, wir verlieren wertvolle Zeit!“ sollte ich ihm gegenüber ehrlich sein und meine Zeitreise erwähnen?
Ich hatte damals bei Tobias auch immer die Wahrheit gesprochen, also baute ich auch jetzt wieder darauf, dass ich damit weiterkam. „Was ich euch jetzt erzählen werde, klingt vermutlich völlig phantastisch und ausgedacht, doch ich stamme aus einer ganz anderen Zeit, Master Davenport!“ seine Augen weiteten sich und wie ich es erwartet hatte, lachte er über diese Aussage.

Kapitel 14

 

~~~ Wie überzeuge ich Achilles Davenport? ~~~

 

Das ist lächerlich, Mrs. Kenway!“ gut, wie beweise ich es am besten?
Du wirst ihn nur mit Bildern überzeugen können! Hörte ich meinen Allvater in meinem Geist.
Ich sah ihm in die Augen und konzentrierte mich auf seinen Geist... langsam drang ich zu ihm durch und fing an, ihm Bilder zu zeigen. Nur so konnte ich ihm verdeutlichen was ich meinte.
Er bekam einen kurzen Einblick in das 21. Jahrhundert, ähnlich wie Haytham es damals auch erlebt hatte, als er besessen war.
Gerade als ich fortfahren wollte, war auch Elias mit dabei. Für den Bruchteil einer Sekunde fuhr Achilles erschrocken zurück, weil es nicht Master Lestrange als solcher war, sondern er erschien als der Gott, der er war. Odin!

Ihr tut gut daran, wenn ihr meinem Kind Glauben schenkt, sie wurde nicht ohne Grund auf die Artefakte aufmerksam gemacht!“ und auch er erzeugte Bilder, welche den alten Mann überzeugen sollten.
Dann verschwand Odin einfach wieder und ließ einen Achilles mit offenem Mund zurück. Ich zog mich ebenfalls aus seinem Geiste zurück und wartete ab, was nun kommen würde.

 

Ich kann nicht glauben, was ich gerade gesehen und gehört habe! Das ist doch alles nicht wahr, oder? Haben diese Vorläufer und Götter wirklich eine so große Macht über uns?“ kam es jetzt staunend aus seinem Mund, gleichzeitig starrte er mich weiterhin an.
Es gibt diese Mächte tatsächlich, Master Davenport.“ ich begann meine Geschichte um Edward James Kenway zu erzählen, wie ich ihm begegnet bin und wie dann eines zum anderen kam.
Ihr wollt mir wirklich sagen, dass ihr Master Kenway kanntet und mit ihm zur See gefahren seid? Verzeiht wenn mir das zu glauben gerade etwas schwer fällt.“ ich seufzte tief, er müsste mir glauben oder eben nicht. Beweisen konnte ich es gerade nicht, denn die Jackdaw war in Virginia an ihrer Anlegestelle und die Papiere hatte ich natürlich nicht bei mir. Also berichtete ich auch noch davon und erntete große Augen mal wieder.
Diese alte Brig gehört euch? Man hatte mir darüber berichtete vor etlichen Jahren, dass sie in New York eingelaufen war und die Eignerin eine Preußin sei.“ jetzt dämmerte es ihm. Lächelnd nickte ich ihm zu. „Das ward also ihr?“ meinte er leise.

 

Das war ich, ja und so habe ich auch die Kontakte zu Master Cormac und Master Haytham geknüpft, wenn auch erst unbeabsichtigt. Ich war eigentlich nur dorthin gereist, um Licht in das lückenhafte Leben von Shay zu bringen!“ sprach ich jetzt ebenso leise und ruhig.
Erklärt mir bitte, warum ihr dann den Assassinen abgeschworen habt, ihr hättet hier sicherlich eine Gefolgschaft aufbauen können.“ Ein plausibles Argument von dem Alten.
Den Gedanken hatte ich auch, jedoch habe ich was die Lehren der Bruderschaft in diesem Jahrhundert angeht meine Bedenken. Ihr denkt und handelt eher so, wie die Templer in meiner Zeit und umgekehrt! Doch ich gehöre noch zu den Assassinen, inoffiziell und eben in meiner Zeit. Mein Auftrag lautet, auch hier in den alten Kolonien dieses Gleichgewicht herzustellen, welches ich im 21. Jahrhundert erreicht habe.“ diese Worte konnte ich etwas erleichterter aussprechen und hoffte auf Zustimmung.

 

Leider war Achilles noch lange nicht überzeugt, das würde vermutlich auch noch einige Zeit dauern, doch ich hatte einen Anfang gemacht.
Wie sieht dieses Gleichgewicht aus, welches ihr anstrebt? Wer übernimmt die Führung? Ohne wird es nicht gehen.“
Verdammt, immer diese Machtgedanken!

Das ist natürlich nicht so einfach, fürs erste brauchen beide Seiten einen Vertrauensbonus, ohne diesen wird gar nichts funktionieren. Aber denkt doch einmal darüber nach, beide Seiten wollen eigentlich das gleiche. Auch wenn Freiheit nicht gleich Frieden ist, wir wissen alle, dass es irgendwo einen übergeordneten Punkt geben muss. Wie der aussieht, wird sich später entscheiden.“ ich hatte keine Ahnung, ob er mich überhaupt verstand, ich hatte selber Schwierigkeiten meinen eigenen Worten zu folgen!

 

Aber wozu braucht ihr dann mich? Welche Rolle spiele ich in diesem Szenario, Mrs. Kenway?“ jetzt kamen wir zum schwierigsten Punkt, wie sollte ich ihm sagen, dass Mitte diesen Jahres ein ungefähr 14jähirger Halbindianer vor seiner Tür stehen würde und um Training bitten würde. Ich versuchte es, wie immer, mit dem Vorpreschen!
Es ist so, Master Davenport. In einigen Monate wird hier ein Mohawk-Junge auftauchen, welcher von seiner Stammesmutter geschickt wird, oder auch von den Vorläufern um genau zu sein. Ihr sollt ihn zum Assassinen ausbilden, seinen indianischen Namen kann ich leider nicht aussprechen, das tut aber auch gerade nichts zur Sache.“ ich vermied es zu sagen, das Achilles ihn Connor nennen würde, nach seinem verstorbenen Sohn. „Dieser Halbindianer ist Master Kenways Sohn und seine Mutter kennt ihr ebenfalls, Ziio!“ so jetzt war es raus und ich saß etwas zittrig vor diesem Mann.

 

In seinem Gesicht wechselte sich Erstaunen, Belustigung und … war das Stolz?... ab. Dann lachte er kurz auf.
Ihr meint, ich soll diesen Bengel unterrichten? Wie komme ich dazu und WARUM?“
Hatte ich das nicht gerade erläutert?

Es ist eure Bestimmung, jetzt jedoch mit einer kleinen Änderung, Master Davenport! Ihr solltet eure Wut, welche ihr meinem Mann gegenüber habt, nicht auf ihn übertragen. Der Junge kann nichts für seinen Vater und sollte ihn kennenlernen. Wenn ihr jedoch anfangt, schlecht über Haytham zu reden, wird es in einer Katastrophe enden, welche für keine Seite gut ausgehen wird!“ Wieder sah er mich völlig ungläubig an und schüttelte mit dem Kopf.

 

Mrs. Kenway, ihr verlangt allen Ernstes von mir, dass ich von meinen Prinzipien abweiche und meine Erfahrungen mit den Templern über Bord werfe. Gleichzeitig soll ich auch noch einen Jungen ausbilden, ohne ihm jedoch die tieferen Lehren der Assassinen näherzubringen. Wie stellt ihr euch das vor?“ so wie ich es gesagt habe, denke ich mal.
Nicht ganz, Master Davenport! Natürlich könnt ihr nicht von heute auf morgen ein Umdenken in euch hervorrufen, auch bei meinem Gatten hat es lange gedauert. Doch auch Haytham wünscht sich ebenso wie ich eine Einigung der beiden Bünde und sogar sein Vater hat ihm dazu geraten! Glaubt mir, wir können mehr erreichen, wenn wir gemeinsam arbeiten!“
Herrje, ich hörte mich an wie Connor später, wenn er Haytham getroffen hat... ich verwarf aber kopfschüttelnd diese Bilder wieder.

Darüber werde ich wohl erst einmal nachdenken müssen, Mrs. Kenway.“ seufzte er schwer. Plötzlich wirkte er erschöpft und müde, so als hätte er einen langen Arbeitstag hinter sich.

 

Master Davenport, das war es weswegen ich gekommen bin. Ich sähe es gerne, wenn ihr dem Ganzen wenigstens eine Chance geben könntet. Es ist für unser aller Wohl am besten, ich habe gesehen was passieren wird, wenn wie bisher gehandelt wird.“ kam es bittend von mir.
Mrs. Kenway, habt ihr eigene Kinder?“ fragte er mich jetzt völlig unerwartet und ich blinzelte ihn erstaunt an, ob dieses Themenwechsels.
Ja, ich habe einen erwachsenen Sohn, welcher im 21. Jahrhundert geblieben ist und mit Master Kenway habe ich zwei Kinder, unser Sohn ist 5 und unsere Tochter wird bald 3 Jahre alt.“ erklärte ich ehrlich und sah ihn weiter fragend an.
Dann wollt ihr auch nur das beste für eure Kinder nehme ich an?“ diese Frage war mehr als merkwürdig, jede Mutter oder Vater wollte nur das Beste für seinen Nachwuchs! „Natürlich wünsche ich mir das, Master Davenport!“

 

Ich hatte auch einen Sohn, wisst ihr? Und eine Frau, leider habe ich beide vor vielen Jahren zu Grabe tragen müssen, es war Typhus, welcher die beiden dahin gerafft hat.“ sprach er traurig und vor allem sehr leise.
Das tut mir schrecklich leid für euch, Master Davenport!“ mehr konnte ich nicht sagen, es war die Wahrheit!
Dieser Junge, welcher um das Training bitten wird, weiß er, wer sein Vater ist?“
Das war natürlich eine gute Frage, aber ich meine mich zu erinnern, dass Ziio ihm erzählte, wer sein Vater ist.
Achilles sackte immer mehr in sich zusammen.

Master Davenport, geht es euch nicht gut?“ fragte ich nun etwas besorgt.
Wisst ihr, Mrs. Kenway, ich habe mit vielem gerechnet, doch dass hier eine Frau auftaucht, welche aus einer anderen Zeit stammt, die mich dann auch noch belehrt und mir sagt, ich werde bald einen Schüler haben, ist für mich etwas viel so früh am Tag!“ ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
Verzeiht, Master Davenport, aber ich bin schneller voran gekommen, als ich dachte. Ich mache mich dann aber auch wieder auf den Weg zurück. Bis zur nächsten Herberge ist es ja eine ganze Ecke.“

 

Als ich mich erhob um mich zu verabschieden, stand er langsam auf und sah mich wieder musternd an.
Mrs. Kenway, ihr solltet vielleicht wenigstens diesen Tag und die Nacht hier verbringen. Euer Pferd wird sicherlich auch diese Ruhe benötigen genau wie eure Wache draußen, dann könnt ihr morgen erfrischt wieder aufbrechen! Seid mein Gast, Mrs. Kenway!“ sein Ton war leise und freundlich. Sollte ich wirklich bleiben?
Ich möchte euch aber keine Umstände bereiten, Master Davenport.“ sagte ich zögerlich, mir lag so etwas einfach nicht.
Ihr könnt mir ja zur Hand beim Essen zubereiten gehen, das genügt mir schon!“ kam es breit lächelnd von ihm und wieder keimte in mir das schlechte Gewissen. Dieser Mann war alleine hier, versorgte sich alleine, da war es verständlich, dass er ein wenig Gesellschaft doch ab und an genoss.

 

Ich blieb! Gemeinsam gingen wir hinaus und Achilles führte Fenrir, die Wache und mich zu den Ställen, wo ich meinen Hengst absattelte und trockenrieb. Dann nahm ich mein Gepäck und wir gingen wieder hinein.
Das Mittagessen bestand, zu meinem Leidwesen, aus frisch geschossenem Hasen! Wieder einmal musste ich mich zusammenreißen, aber unbemerkt blieb meine Abneigung dieses mal nicht. Der alte Mann hatte ein gutes Auge und fragte auch gleich nach.

Ihr seid kein Freund von diesem Fleisch, wie ich sehe. Lasst mich raten, diese Tiere tun euch leid, oder?“ etwas schüchtern sah ich ihn an und nickte.
Ja, es ist ein Kindheitsalbtraum, als mein Großonkel mein eigenes Kaninchen häutete und ich zufällig gerade dann aus dem Fenster sah. Seitdem fällt es mir schwer, diese Tiere zu essen!“ gab ich als ehrliche Antwort. „Ich halte mich einfach an die Beilage, Master Davenport, wenn es euch nichts ausmacht.“

 

Nach dem Essen zog sich Achilles zurück, um sich auszuruhen und überließ mir die im oberen Stockwerk befindliche Büchersammlung. Es war wieder erstaunlich, auch dieser Mann besaß im Grunde regelrechte Schätze und ich vertiefte mich in ein Buch, welches sich mit der Geschichte der Assassinen beschäftigte.
Irgendwann hörte ich Master Davenport von unten rufen.

Mrs. Kenway, seid ihr noch dort oben?“
Ich hoffe, ihr konntet euch ein wenig erholen.“ fragte ich, als ich unten ankam.
Dieser Schlaf war nötig, nach so vielen Neuigkeiten heute!“ lächelte er mich an.
Verzeiht, wenn ich euch so überrannt habe. Doch ich musste ja einen Anfang wagen!“

 

Ich denke, den habt ihr gemacht und ich hoffe, dass, wie sagtet ihr noch gleich, dieser Vertrauensbonus in euch nicht missbraucht wird.“ sein Blick sagte alles, eine hochgezogene Augenbraue und leicht tadelnd.
Keine Angst, Master Davenport. Es gibt ja bereits einige hier ansässige Assassinen-Zweige aus England oder Frankreich, welche sich ebenfalls unserer Sache schon angeschlossen haben.“ versuchte ich eine Erklärung um meine Loyalität zu bekunden. „Sogar aus Frankreich sind Brüder und Schwestern hier? Das hört sich doch vielversprechend an.“ jetzt hörte ich zum ersten Mal so etwas wie Begeisterung in seiner Stimme.

 

Den Rest des Nachmittags erzählte ich ihm dann noch von meinen Geschäften, welche ich auch mit den verschiedenen Bruderschaften und Riten tätigte. Irgendwann standen wir an der Klippe, dabei kam ich auf das Wrack in der Bucht zu sprechen und ein trauriger Schleier legte sich für einen Moment auf sein Gesicht.
Ja, es ist die Aquila. Mr. Faulkner hat sich leider dem Rum verschrieben und das in großen Mengen, so dass das Schiff vor sich hin verrottet. Ich finde es auch sehr schade, doch wir haben niemanden, der sich um den Wiederaufbau kümmern könnte.“
Dabei sah er auf die Bucht hinunter und stützte sich auf seinen Stock.

Ihr werdet mit dem Jungen einen ganz neuen Anfang machen, vertraut mir.“

 

Mrs. Kenway, warum seid ihr alleine hierher gekommen?“ eine berechtigte Frage, welche ich aber nicht wirklich beantworten konnte, außerdem kam sie etwas unerwartet.
Nun, ich wollte lieber erst einmal mit euch unter vier Augen sprechen. Zumal mein Gatte auch auf der Plantage derzeit alle Hände voll zu tun hat...“
Achilles unterbrach mich unwirsch.

Sagt mir nicht, ihr besitzt Sklaven...“ auch ich unterbrach ihn.
Nein, wir beschäftigen Pächter und Arbeiter, welche auch bezahlt werden. Die meisten von ihnen sind Auswanderer und wollen nur ein neues Leben hier beginnen. Master Davenport, mein Gewissen verbietet mir schon, Sklaven zu haben. Es ist mir sogar mehr als unangenehm mit den ganzen Angestellten um mich herum.“ gab ich als ehrlich Antwort.
Eure Einstellung gefällt mir, sie ist selten in diesen Zeiten zu finden, wisst ihr das?“ wieder wanderte sein Blick über die Bucht.

 

Als es Zeit fürs Abendessen war, stand ich mit dem alten Mann wieder in der Küche und ich muss sagen, er war was das Schnippeln von Gemüse anging unglaublich schnell.
Es gab zwar nur einen einfachen Eintopf, aber dieser war köstlich und ich notierte mir die Zutaten, das wollte ich zuhause auch einmal ausprobieren, oder besser ausprobieren lassen. Haytham würde mir die Hölle heiß machen, wenn ich selber in der Küche stünde.
Am Abend saßen wir noch lange im Esszimmer zusammen und er erzählte mir, wie er sich hier angesiedelt hatte, wie er seine Frau kennenlernte und im Grunde ein wenig aus seinem doch sehr turbulentem Leben.

 

 

Wie geht es Master Cormac?“ fragte er plötzlich völlig unvermittelt und für einen Moment war ich irritiert.
Nun, also... es geht ihm gut. Auch er hat sich mit Faith in Virginia niedergelassen und sie sind unsere unmittelbaren Nachbarn. Die beiden haben ebenfalls Kinder, 4 um genau zu sein. Eines ist adoptiert...“ und jetzt wusste ich nicht, wie und ob ich es überhaupt erwähnen sollte. Doch es würde vielleicht auch ein positives Licht auf Shay werfen! „Shay hat Mr. O´Briens Sohn an Kindes statt angenommen, als die Mutter, Caroline, von einer Verrückten niedergemetzelt worden war.“ Eine Kurzfassung der Ereignisse, aber weiter ausholen musste ich wohl nicht.

 

Wer tut bitte einer armen Frau so etwas an?“ kam es entrüstet von ihm.
Sie war Assassine und war die Nichte des Dukes of Ironside, Master Elias Lestrange. Doch dieses Vergehen hat sie mit ihrem Leben bezahlt, man hat sie erschossen!“ gab ich als Erklärung. Ich hörte, wie meine Stimme dabei eiskalt wurde, weil ich nicht gerne an Zoe zurück dachte!
Ihr ward bei der Hinrichtung zugegen, nehme ich an?“ auch seine Stimme wirkte kalt.
Ja, und Mrs. Cormac hat diese Zoe erschossen, als eine Art Rache, was ich durchaus verstehen kann.“ sprach ich leise, wenn man Faith umbringen würde, dann würde der Mörder keine Sekunde mehr Frieden vor mir haben.
Wir leben in grausamen Zeiten, findet ihr nicht, Mrs. Kenway?“ worauf wollte er nun hinaus?
Ja, das stimmt und ich habe oft Angst um meine Familie und meine Freunde!“ gab ich ehrlich zu.

 

Vielleicht können wir doch etwas verändern, gemeinsam!“ sagte er, als er sich vorsichtig erhob. „Ich denke, wir sollten jetzt schlafen gehen, es ist schon spät.“
Achilles reichte mir seine Hand und wünschte mir eine gute Nacht.

Die wünsche ich euch auch, Master Davenport!“ mit diesen Worten ging ich hinauf und machte mich Bettfertig.
Langsam kam mein Verstand auch wieder runter und meine Gedanken verlangsamten sich allmählich.
Als ich in diesem fremden Bett lag, alleine ohne meinen Templer, war es mal wieder eine dieser Nächte, welche ich gerne übersprungen hätte. Auch vermisste ich so langsam meine Kinder und mein Zuhause!
Mit diesen Bildern meiner Familie schlief ich dann langsam ein.

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~~~ Kapitel 15 ~~~

 

Good bye Davenport-Siedlung!

 

Der nächste Morgen begann früh, da ich von einem Scheppern aus der Küche geweckt wurde.
Es war noch nicht ganz hell, ich wusste nicht, wie spät es sein mochte.
Leise schlich ich die Treppe hinunter mit meinem Stiefelmesser in der Hand. Man weiß ja nie, wer einem hier in der verlassenen Gegend alles über den Weg laufen könnte.
Aber dann sah ich schon, wie Achilles mit einem Wasserkessel hantierte und ihn übers Feuer hing. Beim Befüllen muss er wohl einige von den Zinntellern herunter geworfen haben.
„Guten Morgen, Master Davenport!“ sprach ich ihn an und er drehte sich etwas erschrocken um.
„Oh, guten Morgen, Mrs. Kenway. Habe ich euch etwa geweckt?“ in seinem Gesicht lag ernsthaft ein schlechtes Gewissen.
„Nein, keine Sorge. Mein Tag beginnt daheim ja auch immer sehr zeitig! Aber kann ich euch behilflich sein?“ bot ich meine Arbeitskraft an, doch er schüttelte nur mit dem Kopf. „Nein, es ist schon gut. Ihr könnt euch in Ruhe fertig machen. Dann ist das Frühstück auch sicherlich fertig!“ erst jetzt bemerkte ich, dass sein Blick starr auf den Herd gerichtet war.
Oh verdammt, ich stand hier in meinem sehr, sehr dünnen Sommernachthemd, vor einem wildfremden Mann.
„Ich... bin dann oben.“ nuschelte ich verlegen und huschte schnell die Treppe hinauf.

 

Fertig angezogen mit gemachten Haaren und gepackter Tasche erschien ich wieder unten in der Küche.
Es stand wirklich Kaffee auf dem Tisch und ich jubelte innerlich, so konnte der Tag doch anfangen.
Während des Essens unterhielten wir uns noch über meine Route, welche ich genutzt hatte, um hierher zukommen. Master Davenport zeigte mir auf einer Karte aber eine weitaus kürzere und auch, man glaubt es kaum, sicherere Route. Ich notierte mir in kurzen Worten die wichtigsten Wegpunkte und dann ging ich hinaus zu den Ställen.
Fenrir schnaubte als er mich bemerkte. Er bekam noch zwei Möhren von mir, als Belohnung für seine Geduld.
Als mein Hengst gesattelt war, verabschiedete ich mich von dem Meisterassassinen und wünschte ihm noch alles Gute und dass wir uns sicherlich bald wiedersehen werden. Spätestens Anfang nächsten Jahres, vermutete ich mal in Boston. Ich hoffte aber inständig, dass wir nicht Zeuge dieses Boston-Massakers werden würden im März! Außerdem musste Connor erst einmal ein Grundtraining erhalten, welches nicht mit zwei Wochen abgetan war.

 

Ich drehte mich noch einmal in meinem Sattel um und winkte Achilles zum Abschied, dann verschwand ich im Wald. Auf dem ganzen Rückweg sinnierte ich über die Gespräche, von denen ich hoffte, dass sie Master Davenport als Warnung, Erklärung und Ehrlichkeit genug waren.
Auch hoffte ich, dass ich nichts vergessen hatte, sonst müsste ich ihm halt schreiben, was ich mir auch vorgenommen hatte. Der Kontakt, auch wenn er nur ganz klein war, sollte nicht gleich wieder abreißen.

 

~~~ Schwierigkeiten in Philadelphia ~~~

 

Ende April war ich wieder zuhause angekommen, wo man mich schon sehnsüchtig erwartete.
Florence und Edward stürmten auf mich zu.

Mama, hast du uns was mitgebracht! Hast du uns auch so vermisst wie wir dich? Vater war auch ganz traurig, dass du nicht hier warst. Ich habe schon ganz viel gelernt in der Schule…“ ich wuschelte durch die Haare meines Sohnes, als ich ihn in seinem Redefluss unterbrach.
Ich habe jedem von euch etwas mitgebracht.“ flüsterte ich verschwörerisch, während ich in meine Tasche griff.
Ich holte ein Bilderbuch für Florence heraus und für Edward einen kleinen Dreispitz, der aussah wie ein Piratenhut.

Oh danke… dann kann ich ja jetzt mit den Jungs auf der Jackdaw spielen!“ gerade als er laut nach seinen Freunden rief, hielt ich ihn auf.
Versprich mir, dass ihr nichts kaputt macht und nicht mit den Zündhölzern herumspielt, verstanden?“ mahnte ich den Wirbelwind.
Ja, Schusterehrenwort…“ rief er über seine Schulter hinweg.

 

Florence hatte sich einfach auf die Verandatreppe plumpsen lassen und sah sich ihr Buch an.
Mama, schau… ein Schme..metter...bim…“ das kam so konzentriert aus ihrem Mund, dass ihre Wangen ganz rot geworden waren.
Der ist wirklich hübsch, guck mal. Hast du den kleinen Kautz dort in dem Baum auch gesehen.“ für einen Moment saß ich mit meiner Tochter hier. Ich genoss es, wieder zuhause zu sein!
Haytham war auf den Feldern unterwegs, weswegen ich jetzt erst einmal in Ruhe auspacken konnte.

Tabea! Macht ein Bad nach dem Abendessen bereit.“ ich hatte es dringend nötig, wenn ich mich so im Spiegel betrachtete.

 

Pünktlich zur Teezeit erschien dann auch endlich mein Mann, welcher mich ebenfalls stürmisch umarmte.
Du hast mir gefehlt, mi sol.“ flüsterte er leise in meine wuscheligen Haare. „Gehe ich recht in der Annahme, dass wir nachher noch eine Verabredung im Bad haben?“ dabei strich er mir langsam über den Rücken.
Du gehst recht damit…“ ich war etwas atemlos gerade, weil mich seine Nähe und Duft wieder dahinschmelzen ließen.
Wir wollen auch!“ Edward hatte sich zwischen uns gedrängelt und schob uns auseinander! „Flo, wir wollen doch auch baden oder?“ sein heftiges Nicken, damit sie mitmachte, war süß. Wenn ich mir die beiden so ansah, sollten sie wirklich auch in der Wanne verschwinden.
Also schön, aber nur wer auch artig aufisst darf mitkommen.“ mahnte Haytham unsere Kinder.
Jubelnd verschwanden die beiden wieder im Wintergarten, während ich ihnen breit grinsend hinterher sah.

 

Wie ist es denn gelaufen, als ich weg war? Haben sich beide gut benommen?“ fragte ich jetzt vorsichtig nach.
Bis auf ein paar Kleinigkeiten lief es wie am Schnürchen. Walka war aber mal wieder eine Woche bei ihren Geschwistern! Edward hat mit Gilbert zusammen Spinnen gefangen und diese dann im Versammlungshaus herausgelassen. Du kannst dir einige der Mädchen sicher vorstellen, wie sie schreiend hinausgelaufen sind.“ Haythams Gesichtsmuskeln zeigten mir, er wollte den strengen Vater spielen, konnte sich aber ein Kichern nicht verkneifen.
Vielleicht wollten die jungen Herren auch einfach die Retter für die kleinen Damen sein. Schon mal daran gedacht, mi amor?“ grinste ich breit. „Du weißt doch, wir Frauen wollen beschützt werden von euch…“ oh verdammt, ich musste dringend ein bisschen Abstand zu meinem Mann nehmen, sonst…
Doch mein Templer eroberte mich im Sturm, in unserem Schlafzimmer, so schnell konnte ich nicht schauen.

Sieh mich an!“ mahnte er mich, als er mich unter sich auf dem Bett begrub.
Bei Odin, es war dringend nötig!

 

Befriedigt und selig lächelnd konnten wir dann wieder hinunter gehen, weil eigentlich der Tee auf uns wartete.
Haytham berichtete, was hier so während meiner Abwesenheit sonst noch passiert war. Im Grunde nichts spektakuläres, die üblichen Plantagenbelange oder hier und da kaputtes Arbeitsmaterial.
Dieses Jahr sollte eine neue Sorte Weizen ausprobiert werden, welche strapazierfähiger sei. Dazu hatte man ein eigenes Versuchsfeld abgegrenzt.

Ich bin schon gespannt, ob diese vollmundigen Versprechen der Wahrheit entsprechen.“
Edward hatte sich in der Schule gut eingelebt, lernte fleißig und gab auch gerne sein Wissen an seine kleine Schwester weiter.
Diese war natürlich jetzt immer sehr traurig, wenn ihr Bruder morgens das Haus mit Sybill verließ. Sein Kindermädchen brachte ihn nur zum Versammlungshaus, ging dann aber immer wieder nach Hause.
Florence hatte jetzt eine Vorliebe für Pflanzen entwickelt. Aus diesem Grunde hatte sie ein eigenes kleines Beet bekommen, in welchem meine Tochter ihre eigenen Kräuter oder Blumen pflanzen durfte.
Aber die Abende waren immer etwas schwierig gewesen, weil ich den beiden fehlte. Ab und an hatte ich sie ja im Geiste besucht, ganz ohne ging es auch für mich nicht!

 

Unser Familienbad war ein voller Erfolg an diesem Abend! Ich genoss diesen Moment in vollen Zügen, ließ mir von Florence die Haare einschäumen, umgekehrt machte ich es bei ihr.
Im Anschluss brachte ich sie beide ins Bett! Auch das hatte mir wahnsinnig gefehlt, dieses Ritual!

Mama, ich kann jetzt schon unseren ganzen Namen schreiben…“ gähnte Edward an meine Schulter gelehnt, als ich mit seinem Lied fertig war.
Großartig, min lille skat. Das zeigst du mir morgen!“ ich gab ihm noch einen vorsichtigen Kuss auf die Wange, bevor ich hinüber zu Florence ging.
Dort erwartete mich mein Mann, welcher ihr noch vorlas. Danach konnte ich auch noch gute Nacht sagen. Ihr Lied verschlief sie aber schon fast.

Hab lieb…“ nuschelte sie leise mit Daumen im Mund.
Sie gab ein zuckersüßes Bild ab, wie sie so dalag.

Florence ist ihre Mutter in Klein, mi sol.“ flüsterte Haytham hinter mir, als er auf seine Tochter sah.

 

Leise gingen wir hinaus, weil ich jetzt auch noch ein wenig Zeit mit meinem Mann haben wollte.
Wir verbrachten in dieser Nacht einige wundervolle Momente, erlebten Höhepunkte, die bitter nötig waren, bis wir beide müde und erschöpft in den Schlaf fielen.

Ich liebe dich.“ flüsterte ich an Haythams Brust geschmiegt.
Und ich dich erst.“ seine Arme drückten mich zur Bestätigung.

 

Der nächste Tag!
Ich hatte vergessen, dass es Sonntag war. Während meiner Reise hatte ich mich damit nicht weiter beschäftigt. Das hieß jetzt früh aufstehen, weil die Andacht anstand.
Mr. Hathaway begrüßte mich und fragte nach meinem Befinden, nach dieser Reise. Auch im Hinblick auf meine Verwundung. Daran hatte ich nur gelegentlich gedacht, weil die Schmerzen immer weiter nachgelassen hatten.
Im Anschluss berichteten mir die beiden Lehrer noch von Edwards Fortschritten. Er hatte sich wirklich gemacht. Das Stottern blieb aus, er hatte eine klare Handschrift, nur mit dem Rechnen da haperte es. Mittlerweile hatte er aber seinen Abakus, der ihm bisher gut geholfen hat.
Beruhigt konnten wir uns dann auf den Rückweg machen, wo uns schon das Mittagessen erwartete.

Am Nachmittag erschien ein Eilbote, welcher ein Schreiben aus Philadelphia überbrachte, mit der Bitte SOFORT zu antworten. Er müsse heute noch wieder zurück.
Der Brief kam vom Gouverneur, welchen man vor Gericht zerren wollte!
Er hätte sich abfällig über King George III geäußert und andere Personen mit seinen Hassreden beeinflusst. Außerdem wäre er in den Verruf geraten, sein Amt zu seinen Gunsten zu nutzen und um Geldwäsche zu betreiben. Hier ging es jetzt auch noch um Schmiergelder, Falschgeld und Erpressung!
Völlig entgeistert starrte Haytham auf diese Zeilen!

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!“ kam es nach einer Ewigkeit wütend von ihm.
Er schrieb ein paar Zeilen zurück, in welchen wir unsere Hilfe anboten. Wir würden nun Mr. Gillehand mit zu Rate ziehen, für den mein Mann auch gleich einen Brief verfasste, um ein Treffen mit ihm zu vereinbaren.

 

Wir begannen wieder zu packen, was natürlich Edward nicht so gut fand. So sah er seine Freunde eine Weile nicht.
Was meinst du, Haytham. Kann er nicht einfach bei Mildred so lange bleiben? Sie würde sicherlich gut auf ihn aufpassen.“ ging es mir laut gedacht durch den Kopf.
Ich glaube schon. Reite zu ihr und frag am besten nach.“ neben Haytham stand ein strahlender Edward, der sich auf dieses kleine Abenteuer ohne Mama und Papa in der Nähe zu freuen schien.
Selbstverständlich wäre aber immer noch Sybill an seiner Seite, das sollte er nicht vergessen.

 

Mistress Kenway, sicher kann Master Edward ein paar Tage hier bleiben.“ hinter der Frauenanführerin standen ihre Söhne, die sich vermutlich schon ausmalten gemeinsam ein paar Streiche aushecken zu können. Also war das abgemacht.
Am nächsten Tag brachte ich meinen Sohn mit seiner kleinen Tasche dorthin.

Du benimmst dich bei Mrs. Mildred, verstanden? Ich will keine Klagen hören!“ mahnte ich ihn noch eindringlich, ehe ich mich dann verabschiedete. Sybill würde immer wieder hier vorbeischauen, was mich zusätzlich neben Walka noch beruhigte.

 

Mit Florence und unseren Angestellten machten wir uns dann wenig später ebenso auf den Weg Richtung Philadelphia.
Rory hatte uns mitgeteilt, dass er ebenfalls dorthin fuhr und uns im dortigen Büro erwarten würde.
Als ich endlich wieder die Zivilisation einer Stadt sah, freute ich mich auf ein weiches Bett am Abend. Diese zwei Übernachtungen in den Gasthöfen unterwegs waren grauenhaft gewesen.
Wir bezogen in unserem Büro im oberen Stockwerk Quartier, wo man schon die Zimmer hergerichtet hatte. Florence überließ ich jetzt Sophia, damit wir uns mit dem Gouverneur und Mr. Gillehand treffen konnten.
Ich hoffte, dass es keine echten Beweise gab, die handfest waren. Ich traute diesem Mann einfach nicht zu, dass er Geld veruntreuen würde oder ähnliches. Hetzreden lagen ihm eigentlich auch nicht, auch wenn man den Leuten immer nur VOR den Kopf gucken konnte!

~~~ Kapitel 16 ~~~

 

Der Geheimdienst seiner Majestät

 

Vor dem Haus des Gouverneurs hatte sich eine wütende Schar an Menschen versammelt. Sie grölten „Hängt ihn für seine schändlichen Worte“, „Werft ihn ins Gefängnis“, „Soll er sich den Buckel krumm arbeiten auf den Feldern, damit er weiß, wie sich das anfühlt“ und so weiter!
Bei Odin, was hatte dieser Mann denn bitte für einen Eindruck gemacht?
Wir versuchten uns einen Weg durch diesen Auflauf an Menschen zu bahnen, was Haytham schließlich mit kräftigen Stößen seiner Ellbogen bewerkstelligen konnte.

Ach schau an. Da hat sich der feine Herr noch mehr patriotische Diebe ins Haus geholt!“ rief ein Herr in meiner Nähe. Gerade als er mich schubsen wollte, griff Haytham ihn beim Schlafittchen.
Finger weg von meiner Frau, oder ihr könnt ohne eure Zähne die nächste Mahlzeit einnehmen!“ fauchte er ihn an.
Ich mach mir an so einer Gouverneurshure doch nicht die Finger schmutzig!“ mit einer, der umstehenden Menge angepassten, ausladenden Bewegung hatte er Haythams Faust im Gesicht!
Ich hatte euch gewarnt und jetzt schert euch weg!“ mit der Hand vor der Nase torkelte der Mann durch die Menge und verschwand. So konnten wir jetzt ungehindert bis zur Tür gelangen, wo uns unser Gastgeber schon erwartete.
Unsere Wachen wurden vor der Haustür eingeteilt um weitere Übergriffe zu vermeiden!

 

Gott sei Dank, seid ihr unbeschadet hier angekommen. Diese Meute ist kaum zu bändigen und es werden von Tag zu Tag mehr abstruse Gerüchte über mich in Umlauf gebracht!“ verzweifelt ließ er sich auf das Sofa im Salon fallen, wo seine Gattin uns auch noch begrüßte.
Wir können keinen Fuß mehr nach draußen setzen, dabei gibt es noch laufende Geschäfte und die Versammlungen…“ sie war den Tränen nahe, weil auch sie nichts gegen diese Anschuldigen tun konnte.
Wir werden jetzt in den nächsten Tagen nach stichhaltigen Beweisen suchen, die euch entlasten werden. Schriftverkehr, Zeugen und so weiter müssen befragt werden, Sir. Aber vielleicht solltet ihr von Anfang an erst einmal berichten, wie es überhaupt zu diesen Aussagen gekommen ist.“ Haytham war die Professionalität in Person wieder.

 

Alles hatte seinen Anfang genommen nach einer Versammlung, in welcher es um die Steuern ging, die neuerlich erhoben wurden. Die Auflage besagte, dass der Briefwechsel nach England eine extra ausgeführte Steuer auf alles in Schriftform erhalten sollte.
Für einen Moment ließ ich mir das auf der Zunge zergehen. Wenn ich einen Brief zu Jenny schickte, musste ich EXTRA dafür bezahlen, weil es auf Papier verfasst war? Das klang mehr als absurd, man könnte es auch gleich eine Papiersteuer nennen. So ähnlich hieß es auch in dieser Auflage!
Der Gouverneur hatte sich entsprechend entrüstet dazu geäußert, in meinen Augen verständlicherweise. Wir alle schrieben Briefe an Freunde oder Familie in Britannien.

 

Danach wurden die ersten Gerüchte in Umlauf gebracht, dass er angeblich um das Ganze zu umgehen, seine Geschäfte nutzte um die Briefe zu schmuggeln. Außerdem sei er auch in illegale Machenschaften von Schmugglern verstrickt, welche seine Schriftstücke in ihren Fässern oder Warentruhen versteckten!
Seiner Frau wurde zudem auch noch Untreue vorgeworfen, weil sie sich mit diesen Herren nicht am Tisch sondern immer nur im Bett über den Preis einigte. Das wurde immer besser!
Bei diesen Worten brach sie in Tränen aus.

Das ist so beschämend! Ich würde so etwas nie tun. Man konnte mich auch gar nicht bei so… ich habe mich nie mit fremden Männer getroffen, das müsst ihr mir glauben!“ schluchzte sie laut.
Das glaube ich euch, Mrs. McKean! Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, diese Gerüchte von euch weisen zu können.“ ich drückte dabei ihre Hand, weil ich sie gut verstehen konnte.

 

Im Grunde kam eines zum anderen. Jeder sponn noch etwas hinzu wie es schien!
Aber dann hörte ich jetzt zum ersten Mal, dass dieser Mann regen Austausch mit den Söhnen der Freiheit hatte! Dazu kam, dass die Stimmung hier in den Kolonien wirklich immer mehr ins Anti-Britische rutschte.
Die Herrschaften die also vor dem Haus hier Stellung bezogen hatten, waren die Loyalisten. Ich musste mir jetzt selber alles zusammen basteln, weil ich leider auf politischer Ebene und auch zeitlich nicht alles hier in Amerika im Kopf hatte. Also hörte ich erst einmal zu.
McKean versuchte zum Wohle „seiner“ Bevölkerung hier entsprechende Erlasse durchzusetzen, die sie entlasten sollten. Nicht umgekehrt! Das stieß also vielen treuen Briten sauer auf, weil sie dahinter Verrat am König vermuteten.

 

Immer wieder hatte man auch Kutschen der Familie überfallen, weil man „Beweise“ sichern wollte, die man dann vor Gericht verwenden konnte. Sogar das Büro des Gouverneurs hatte man durchsucht in einer Nacht- und Nebelaktion!
Aber es wurde nichts belastendes gefunden, gestohlen wurde auch nichts, laut Aussage unseres Gastgebers.

Ich versuche doch nur nicht selber unterzugehen. Wir alle wollen friedlich miteinander leben, oder sehe ich das falsch?“ fragte er jetzt mit großen Augen.
Natürlich ist das der Wunsch eines jeden, Sir. Dennoch solltet ihr euch ein wenig bedeckter halten, was ihr vor den großen Versammlungen erzählt. Ihr seht leider jetzt, dass es so einige Personen gibt, die nur zu gerne euer Amt übernehmen würden.“ Haytham versuchte das Ganze nicht allzu bedrohlich klingen zu lassen, aber es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass diese Familie jetzt einer echten Gefahr ausgesetzt war.

 

Ein Diener brachte Mr. Gillehand herein.
Er war völlig dreckig! Seine gesamte Garderobe stank zum Himmel und seine Erscheinung war unheimlich! Sein Gesicht war wutverzerrt und mit Dreck übersät!

Mr. Gillehand! Das tut mir unendlich leid.“ McKean war aufgestanden und rief eine Bedienstete, damit sie dem Gast eine Möglichkeit zum Waschen und Umkleiden gab!
Es dauerte eine Weile, bis unser Advokat sauber wieder bei uns erschien.

Das ist ja unfassbar da draußen!“ seufzte er, als er sich langsam auf einem Sessel niederließ.
Kurz wurde ihm noch alles berichtet, damit er im Bilde war.

 

Jetzt mussten wir beratschlagen, WIE wir weiter vorgehen sollten!
Rorys Vorschlag erst einmal Wachen zu engagieren war auch einer unserer Gedanken gewesen. Unsere konnten wir leider hier nicht abstellen, wir brauchten sie selber. Auch weil mir die Angst um Florence in den Kopf kam, was wenn diese Leute da draußen eine Verschwörung rochen und auch uns gegenüber übergriffig wurden? Bei Odin! Ich hoffte, dass es dazu nie käme!
Ein Bote wurde mit einer Nachricht zu unserem Büro geschickt, damit von dort die entsprechenden Leute einberufen werden konnten. Gegen Abend, so hofften wir, hätten wir den ersten Schutz schon hier!

 

Wir folgten dem Hausherrn jetzt in sein Arbeitszimmer, wo wir uns um den Papierkram kümmern wollten.
Seine Bücher, welche er angeblich frisiert haben sollte um Geldwäsche zu betreiben, reichte er mir hinüber. Damit wäre ich eine Weile beschäftigt.
Die anderen Herren machten sich an die Geldfälschereigerüchte. Thomas Hickey! Aber nicht nur mir war dieser Gedanke gerade gekommen.

Nein, du hast Recht. Ich werde ihm eine Nachricht zukommen lassen. Derzeit ist er wieder in New York unterwegs, wenn ich seinen Berichten Glauben schenken kann! Er soll sich bei seinen Leuten umhören!“
McKean sah uns etwas verwundert an.

Ihr kennt solch …“ er wollte den Begriff ‚gesetzloses Pack‘ nicht in den Mund nehmen so schien es.
Es ist immer wichtig sich auch in diesen Kreisen auszukennen. So kann man schneller an die gewünschten Informationen kommen, Mr. McKean. Wir selber haben natürlich nicht die Finger in dubiosen Geldgeschichten!“ versicherte Haytham jetzt noch einmal eindringlich!

 

Ich setzte mich ans Fenster an einen kleinen Tisch und sah mir die Geschäftsaufzeichnungen an.
Er war ein guter Händler, ihn hätte ich gerne noch in meiner Liste. Aber erst, wenn diese Gerüchteküche abgeflaut ist. Ich konnte mir so etwas einfach nicht leisten. Es reichte schon, dass wir hier waren.
Ich fand aber nichts auf diesen ganzen Seiten, welche voll mit Zahlen waren. Korrekte Abrechnungen gepaart mit akkuraten Auflistungen von Warenmengen! Da war nichts, wer auch immer etwas dort gesehen haben will, muss blind gewesen sein.
Insgesamt verbrachte ich 2 Stunden oder mehr mit der in Augenscheinnahme der Bücher, bis mir die Zahlen vor den Augen verschwammen.

Ich werde kurz nach draußen gehen, Gentlemen.“ seufzte ich. Als ich zur Tür raus wollte, bat mich Haytham bitte nur hinten in den Garten zu gehen. Ich war ja nicht lebensmüde, versicherte ich ihm.

 

Die frische Luft tat gut, auch wenn es recht kühl war mittlerweile. Von der Straße hörte ich immer noch diese Leute. Aber langsam wurden es weniger, vermutlich würden morgen früh wieder zig Dutzende von ihnen hier aufschlagen!
Zu spät bemerkte ich, dass ich beobachtet wurde!
Eine verhüllte Gestalt ließ sich neben mir auf den Boden fallen, ergriff sogleich meine Arme und verschränkte sie auf meinem Rücken!

So, da ist ja die Helferin dieses Widerlings! Sag schon, besorgst du seiner Frau die Männer oder geht ihr gemeinsam auf Jagd?“ der Mann hatte einen schrecklich nuschelnden Akzent, so dass ich Mühe hatte ihn zu verstehen. Aber ich war immer noch in Schockstarre, dass ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte.
Langsam zog er mich in die hintere Ecke des Gartens, wo eine kleine Laube war. Dahinter drückte er mich bäuchlings an die Wand!
Plötzlich hörte ich das verdächtige Geräusch einer hervorschnellenden Klinge! Ein Assassine?

 

 

Langsam fand ich meine Sprache wieder.
Welcher Bruderschaft gehört ihr an?“ ich versuchte dabei souverän zu klingen, aber meine Atmung ging stoßweise, weil dieses Gewicht von ihm mich schier erdrückte.
Zu wem soll ich gehören?“ in dieser Stimme klang völlige Unwissenheit mit.
Die Klinge! Wem habt ihr sie abgenommen?“ mittlerweile konnte ich nur noch flüstern.
Geht dich nichts an, hab ich gefunden! Und jetzt beantworte meine Frage, oder muss ich handgreiflich werden?“ Kein Assassine also.
Ich weiß nicht wovon ihr redet! Mrs. McKean hat sich nie mit irgendwelchen Kerlen getroffen. Wer hat das denn gesehen?“ fauchte ich jetzt, weil es mir zu bunt wurde.
Ihr Dirnen haltet aber auch immer zusammen, wie? Eine gute Freundin hat die wehrte Gouverneursgattin gesehen, wie sie mit einem jungen Mann in eine Kutsche gestiegen ist.“ ich spürte den kalten Stahl jetzt an meinem Hals. „Sag schon, wie viel gibt sie dir, damit du deinen Mund hälst.“
Mehr als du dir leisten kannst!“ hörte ich plötzlich Haythams tiefe Stimme hinter uns.

 

Im Nu waren die beiden in einen Kampf verstrickt, mit Klingen und Schwert. Es wurde schnell klar, dass es wirklich kein Assassine war, wenn er sich auch so gab. Er kämpfte wie ein gewöhnlicher Soldat!
Als er wutschnaubend am Boden lag, stellte Haytham IHM ein paar Fragen.

Ich weiß von keiner Bruderschaft, Mann! Wir sollten hier nur für Ordnung sorgen. Diese ganzen Aufstände führen doch zu nichts!“ der Herr wandt sich unter meinem Mann wie ein Aal.
Hoch mit euch, wir besprechen alles weitere vor dem Gouverneur!“ damit zerrte er ihn auf die Beine und schob ihn ins Haus.
Im Arbeitszimmer des Hausherrn ging die Befragung dann weiter.

 

Wir erfuhren, dass es eigens von der britischen Krone angeheuerte Gruppen gab, die sich ausschließlich um diese „Aufwiegler“ hier in Amerika kümmern sollten.
Dem König gefiel es nämlich nicht mehr, dass niemand bereit war, seinen Krieg zu finanzieren! Aber er brauchte das Geld, sonst wären bald die Schatzkammern leer, überspitzt gesagt.

Wie viele seid ihr hier in Pennsylvania? Oder zieht ihr wie die Heuschrecken weiter?“ tönte Rory, weil auch er schon von diesen Leuten gehört zu haben schien. Also waren auch in Virginia nicht mehr alle sicher.
Der Gefangene stöhnte auf, sah von einem zum anderen.

Ihr reichen Schmarotzer habt doch keine Ahnung, wie es ist, zu hungern, weil sich Leute wie ihr an unserem Leid laben! McKean stopft sich die Taschen voll mit den Steuergeldern, die eigentlich für uns Soldaten als Sold gedacht waren…“ plötzlich bekam er große Augen! Er hatte sich verraten!
Ihr seid ein Soldat eurer königlichen Majestät?“ verdutzt sah Haytham zu mir, dann wieder zu dem Herrn auf dem Stuhl.
Nicht direkt…“ nuschelte er leise, weil er im Grunde jetzt Gefahr lief, mehr als er durfte auszuplaudern!
SPRECHT!“ brüllte unser Gastgeber, welcher sich kaum noch beherrschen konnte!

 

Diese „Gruppierung“ war ein Teil des britischen neu einberufenen Geheimdienstes. In der Armee gab es Leute, es gab bei Gericht entsprechende Leute oder auch einfache Händler hatten sich diesem Dienst verschrieben. Die Bezahlung schien auf jeden Fall besser zu sein, als bei der Armee als Soldat!
Aber dieser Mann hier war kein Deserteur, er war eine Art Kundschafter und sollte immer wieder Gerüchte verbreiten, die den Patrioten oder eben Gegnern der Krone entsprechend schadeten.
Überall hier in Amerika hatten sie sich etabliert und kaum jemand war bisher aufgeflogen. Besonders in Boston und New York waren sie aktiv, weil es dort aufgrund der Häfen recht schnell mit der Verbreitung von Nachrichten ging.
Einen Anführer hatte er nicht, er sei dem König direkt unterstellt.
In seiner Rocktasche fanden wir ein entsprechendes Schreiben, welches ihn als „Gesandten“ deklarierte.
Dennoch wollte ich wissen, woher er diese Klingen hatte. Bei der Antwort druckste er herum.

 

Die habe ich vor ein paar Jahren bei einem Toten in der Themse gefunden.“ er war in seinem Stuhl weiter zusammengesackt, traute sich nicht mehr hoch zusehen.
Ich nahm ihm seine Waffen ab und besah sie mir genauer.
Der Verschluss war… diese Technik kannte man hier noch nicht! Dieses genähte Leder mit den Ösen und Nieten war ohne entsprechende Maschinen nicht hinzu bekommen! Außerdem war dieser Federmechanismus mit dem rostfreien Stahl auch nicht aus dieser Zeit.
Erschrocken sah ich meinen Mann an.
Diese Klingen gehörten demnach einem unserer Verfolger von damals!

Habt ihr noch mehr solcher Dinge gefunden?“ hakte ich jetzt vorsichtig nach.
Ich weiß es nicht, ich war gerade mal 17 als ich diese Leiche fand, ich hab mir nichts dabei gedacht.“ eine ehrliche Antwort zur Abwechslung mal.
Wir werden sie behalten, ihr habt kein Recht, sie zu tragen!“ ich klang vermutlich sehr theatralisch, aber so fühlte ich gerade. Man nahm sich nicht einfach so die Klinge eines toten Assassinen!

 

Hoffen wir, dass niemand noch weitere Dinge aus der Themse damals gefischt hat!

Kapitel 17

 

~~~ Tyr und das Bordell ~~~

 

Aber eines erfuhren wir dennoch, wenn wir einen der Drahtzieher finden wollten, sollten wir uns in dem hiesigen Bordell umhören! Dort gab es eine Prostituierte, die sich Madame Fleur nannte.
Bei Odin, mehr Klischee ging für einen Namen einer Hure nicht. Hoffentlich roch sie wenigstens wie eine Blume um ihrem Namen Ehre zu machen.
Rory und Haytham brachten diesen Mann jetzt zum Gefängnis, damit er morgen entsprechend vor den hiesigen Richter gebracht werden konnte. Würde man ihn wegen Aufwiegelung hinrichten? Was wird jetzt aus den Gerüchten um die Familie des Gouverneurs?

 

„Ich werde in Umlauf bringen, dass das alles nur ein … großes … Missverständnis war. Dass man mich falsch unterrichtet hatte und mir gefälschte Dokumente zugespielt hat. Ich… hoffe, ich kann mich auf meinen König berufen.“ diese Worte kamen völlig desillusioniert über seine Lippen, sodass er mir für den Bruchteil einer Sekunde leid tat. „Vermutlich werde ich in England dann einen ordentlichen Prozess erhalten.“ diese Worte sprach er über seine Schulter, als er schon von meinem Mann hinausgeführt wurde!
Vor dem Haus waren keine Menschen mehr zu sehen, weswegen die drei unbehelligt in eine Kutsche steigen konnten.
Ich blieb beim Gouverneur und seiner Gattin, weil ich im Moment auch nichts weiter ausrichten konnte.

 

„Mistress Kenway, ihr spracht von einer Bruderschaft? Was habt ihr damit gemeint?“ fragte Mrs. McKean nach, als wir wieder im Salon saßen und warteten.
„Eine alte Kriegergilde wenn ihr es so nennen wollt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Menschen zu beschützen. Aber vieles davon ist eine reine Legende, ein Märchen, so würdet ihr es bezeichnen.“ ich konnte ihr gegenüber nicht mehr sagen, wollte es auch nicht!
„Und diese trugen solch seltsame Waffen an sich?“ weiterhin sah sie mich mit großen Augen an.
„So sagt man, ja.“ ich wurde leiser, weil ich nichts preisgeben durfte.
Im Grunde hakte man jetzt auch nicht weiter nach. Die Eheleute taten es als Hirngespinst ab! Odin sei Dank, kann ich da nur sagen!

 

Etwa eine Stunde später waren der Advokat und mein Templer zurück. Beide sahen mehr als wütend und aufgebracht aus.
„Es ist nicht zu fassen! Der Mann brauchte nur sagen, dass er dem König unterstellt ist und mit seinen Papieren wedeln, schon ließ man ihn wieder laufen!“ meckerte Rory lautstark vor uns!
„Aber er weiß jetzt, dass er besser seinen Mund halten sollte. Noch einmal kommt er nicht so glimpflich davon.“ auch Haytham war stocksauer deswegen.
„Du hast ihm gedroht? Ob das eine so gute Idee war…“ bevor ich aber noch etwas sagen konnte, sah er mich wütend an mit einem leichten goldenen Schimmer in den Augen.
„Sag mir nicht, was ich tun soll, hast du mich verstanden?“ erschrocken stand ich vor ihm, konnte hier aber schlecht Tyrs Namen erwähnen!
„Master Kenway, wir werden heute Abend zu diesem Bordell fahren, dann wissen wir, ob er weiter diese Gerüchte anfeuert oder ob er sich zurückgezogen hat.“ Mr. Gillehand hatte seine Hand auf den Arm von Haytham gelegt. Ich konnte spüren, dass auch er gerade seinen Gott repräsentierte. Gerechtigkeit!

 

Mit einem Male schüttelte sich mein Templer.
„Verzeih mir. Das war unbedacht von mir.“ ein Kuss auf meine Stirn war als Entschuldigung fürs erste genug, den Rest würde ich später mit ihm klären. ALLEINE!
Moment, die beiden wollten dieses Etablissement nachher aufsuchen?
„Wann hattet ihr gedacht brechen wir dorthin auf?“ fragte ich jetzt nach.
„WIR? DU bleibst in unserem Büro, mi sol. Das ist ein Bordell, schon vergessen?“ dieses fiese Lächeln konnte sich mein Mann sparen!
„Ja und? Auch ich kann mich dort umhören! Zur Not kann ich ja etwas netter zu einigen Herren sein…“ entsetzt sahen mich die Herren im Raum an.
„Bist du eigentlich noch bei Trost? Ich sagte NEIN und dabei bleibt es!“ Haytham war wieder nicht er selbst, verdammt!

 

Ich habs verstanden! Maulte ich jetzt im Geiste.
Schön für dich! In seinen Augen las ich, dass er mir diese Unterredung noch in einer Lektion unter die Nase reiben wird.
Wir blieben noch zum Abendessen. Mein schlechtes Gewissen meiner Tochter gegenüber wurde aber immer schlimmer, sodass wir kurz danach aufbrachen. Rory begleitete uns, weil auch er im Büro übernachten würde.
Wir planten noch ein paar Tage hier ein, nur um sicher zugehen, dass auch alles an Gerüchten vom Tisch war! Ein Stadtschreier würde die ersten Neuigkeiten im Bezug auf die weiße Weste des Gouverneurs gleich morgen früh kundtun.
Beim Büro erwartete mich eine weinende Tochter und eine erschöpfte Sophia!
„Mama…“ jammerte Florence als ich sie auf den Arm nahm.
„Min lille engel. Wir sind doch wieder da. Das hat lange gedauert ich weiß, aber jetzt erzählt dein Vater dir noch eine Geschichte und ich singe dir etwas vor. Komm.“ flüsterte ich leise, während ich über ihre blonden Haare strich.

 

 

Danach zog sich mein Mann um. Man könnte meinen er würde einen Staatsempfang geben wollen.
In mir begann meine Eifersucht zu brodeln… wozu putzte er sich wie ein Gockel heraus? Er sollte nur ein paar Leute befragen! Oder hatte er noch andere Pläne, wenn er schon mal in einem Bordell war?
„ALEX! Hör auf damit! Ich kann dich lesen und ich vermute JEDER könnte es gerade!“ Haytham war unglaublich ungehalten, aber seine Aura war normal gelbgold, kein Hrymr Einfluss. Nur… Tyr schien heute schlechte Laune zu haben. „Ist das ein Wunder bei deinen Unterstellungen?“ fauchte er mich an, als er neben mich griff um seinen Gehrock zu nehmen.
„Ich warne dich. Finde ich EIN fremdes Haar auf deinen Sachen oder sehe ich…“ mit einem schnellen Schritt war er bei mir, presste sich an mich und küsste mich mit einer Wut, die… irgendwie berauschend war.
„Ich werde solange mit meiner Lust warten, bis ich dich unter mir habe!“ in seiner Stimme klang dieses Versprechen es wirklich umzusetzen mit, was mich kribbelig werden ließ!

 

Und jetzt hieß es warten!
Ich erwähnte meine Ungeduld bereits einige Male, dazu kam jetzt meine unberechtigte Eifersucht, welche ich aber nicht abstellen konnte!
Wie ein eingesperrtes Tier wanderte ich erst in unseren Zimmern umher, dann durch das ganze Haus.
Unten in einem Arbeitszimmer sah ich noch Licht. Vorsichtig klopfte ich.
„Herein!“ hörte ich die Stimme einer Frau.
Hier in Philadelphia hatten sich in den letzten vier Monaten noch zwei weitere Schwestern niedergelassen. Eine davon saß nun vor mir an ihrem Schreibtisch.
„Ah, Mistress Kenway! Kann ich euch irgendwie helfen? Ihr seht besorgt aus.“ lächelte sie mich an.
Sie war ungefähr Mitte 30, dunkelblonde gelockte Haare. Ihr Name war Beatrice DonBonne! Sie kam aus der Schweiz, soweit ich unterrichtet war. Ihr Großmeister hatte sie beauftragt, die Geschäfte einiger abtrünniger Templer aus den einzelnen Kantonen unter die Lupe zu nehmen.
„Nein, aber mir sind gerade die Hände gebunden. Ich muss auf meinen Mann warten. Ein Bordellbesuch sei für mich nicht das richtige.“ grinste ich breit.

 

„Ich hatte das Gespräch kurz mitbekommen. Dann ist euer Mann also mit Rory dorthin unterwegs?“ meine hochgezogene Augenbraue sollte reichen. „Ich verstehe… Aber… ich denke, ihr braucht euch keine Sorgen machen.“
Gerade als ich etwas erwidern wollte, stand sie abrupt auf.
„Wisst ihr was? Ich habe hier für heute alles erledigt. Wie wäre es, wenn wir… ganz zufällig…“ ihr verschwörerisches Grinsen gefiel mir.
„Wartet, ich hole mir meinen Mantel…“ damit ging ich in die Eingangshalle um mich anzuziehen.

 

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg, nachdem ich Sophia noch Bescheid gegeben hatte.
Wir wurden unterwegs von einigen männlichen Passanten seltsam beäugt. Es war gegen elf Uhr nachts, zwei Frauen alleine unterwegs war immer noch eine Seltenheit in dieser Zeit.
Wir kamen vor besagtem Gebäude an und hörten dieses übliche Stimmengewirr, dieses Stöhnen und noch so einiges andere mehr.
Gemeinsam beschlossen wir, uns durch den Hintereingang hinein zu schleichen. Gerade als wir vor der besagten Türe standen, wurde diese aufgerissen und ein halbnackter Mann wurde uns entgegen geschleudert.
„Verpiss dich, du räudiger Hurensohn! Und komm erst wieder, wenn du die Krätze los bist!“ brüllte ein Herr ihm hinterher.
Als er uns bemerkte, lächelte er mit ein paar fehlenden Schneidezähnen im Mund. „Ladies, was kann ich für euch tun. Ihr seht nicht aus, als suchtet ihr eine Anstellung oder gar einen Schwanz für heute Nacht.“ dabei leckte er sich über seine Lippen.
„Sir, nein. Wir sind gut versorgt. Aber uns ist zu Ohren gekommen, dass hier zwei sehr gutaussehende Herren mit viel Geld abgestiegen sind heute Abend.“ ich hatte ein paar Geldscheine zusammengefaltet in meiner Hand und schob sie ihm in seine gierigen Finger.
Ein breites Grinsen erschien in seinem Gesicht, als er sie betrachtete.
„Fühlt euch wie zuhause, Ladies! Und wenn etwas ist, ihr wisst wo ich zu finden bin.“ mit einer freundlichen einladenden Bewegung hieß er uns einzutreten.

 

Ich kannte diesen sehr eigentümlichen Geruch von dem Bordell in New York noch. Man kann es nicht richtig beschreiben, aber für mich war er einfach nicht sehr anregend, immer noch nicht.
Beatrice und ich gingen den kleinen Flur hier unten entlang, bis wir zu den drei großen „Gemeinschaftsräumen“ kamen. Hier saßen die Freier bei einem guten Ale zusammen, beratschlagten vermutlich einige Schandtaten, begrapschten die auserkorene Dame für die Nacht und so weiter!
„Dort drüben in der Ecke!“ ich deutete in die Richtung und meine Begleiterin begann zu lächeln.
„Mr. Gillehand ist aber ein echtes Schmuckstück, findet ihr nicht, Mistress Kenway?“ erstaunt sah ich sie an.
„Ich… habe ehrlich gesagt nie so darauf geachtet.“ stotterte ich etwas verlegen. Erst jetzt besah ich mir unseren Advokaten genauer.
Ja, er hatte etwas. Ein markantes Äußeres, aber mit feinen Zügen im Gesicht. Seine langen dunklen Haare taten ihr übriges.

 

Die beiden Herren saßen mit drei anderen beisammen. Sie machten den Anschein, als wäre dies ein ganz üblicher Herrenabend.
Wir gingen etwas näher und ließen uns in einer dahinter liegende Nische an einem kleinen Tisch nieder. Von hier konnten wir einen Blick auf die Männer haben, während wir sogar ihre Gespräche mitverfolgen konnten!
An Haythams Bewegungen konnte ich sehen, er war nicht mehr ganz nüchtern, aber immer noch diszipliniert. So wie in unserer Hochzeitsnacht… mir kamen die Bilder in den Kopf…
„Es ist schön, euch so lächeln zu sehen.“ hörte ich Beatrice leise neben mir. „Das heißt, euer Gatte ist ein guter Mensch!“ in dieser Stimme lag plötzlich eine gewisse Sehnsucht, ebenfalls nicht mehr alleine sein zu wollen.
„Ihr seid nicht liiert nehme ich an, oder? Verzeiht wenn ich euch zu nahe trete damit.“ entschuldigte ich mich auch gleich noch.
„Nein, ich war verheiratet. Aber mein Mann verstarb kurz nach unserer Hochzeit und ließ mich mit einem Haufen Schulden alleine…“ irgendwie kam mir diese Geschichte bekannt vor, es war die, die ich am Anfang allen aufgetischt hatte.
„Das tut mir leid zu hören, Beatrice!“ dabei drückte ich ihre Hand.
„Aber ich hatte Freunde im Orden, die mir helfend zur Seite standen. Trotzdem hat es gedauert, bis ich wieder auf eigenen Beinen stand.“ ihr Blick wanderte in weite Fernen, also beließ ich es dabei.

 

Stattdessen beobachtete ich die Männer neben uns, wie sie einen Krug nach dem anderen leerten.
„Na mein Hübscher, du siehst aus, als könntest du mal einen guten Ritt vertragen. Deine Frau wird mir danken…“ hauchte eine Dirne lüstern am Ohr meines Mannes, welcher ein breites Grinsen auf dem Gesicht hatte und direkt in meine Richtung sah.
„Vielleicht brauchst auch du nur wieder einmal einen Mann, der dir zeigt, wo es lang geht.“ dieses lüsterne in seiner Stimme, ließ mich ebenso kribbelig werden. „Mein Freund hier verbringt heute seine letzte Nacht als freier Mann! Zeig ihm, was ihm entgeht, wenn er erst einmal in der Ehefalle steckt.“ Haytham sah dabei immer noch in meine Augen mit einer hochgezogenen Braue.
Die Prostituierte wandte sich jetzt an seinen Tischnachbarn und ich sah, wie sie sich verstohlen ein paar Scheine in den Ausschnitt steckte. Da war mein Mann wohl in Spendierlaune. Kurz darauf verschwand sie mit dem Herren im Schlepptau, welcher vermutlich selbst mit Viagra seine Probleme hätte… aber lassen wir das.

 

Was tust du hier? Diese raue Stimme war betörend!
Auf dich aufpassen! Selbst in meinem Geist hörte ich mich atemlos an!
Du wirst dich noch umschauen, mi sol! Dazu dieser Blick aus seinen dunklen Augen gepaart mit einem leichten goldenen Blitzen!
Ich freu mich schon drauf! War das jetzt eine Verabredung?

 

„Mistress Kenway!“ dabei stupste mich jemand an.
„Entschuldigt, aber… diese Eifersucht.“ ich war keine gute Schauspielerin musste ich mir eingestehen.
„Es sah eher aus, als würdet ihr vor Verlegenheit rot werden.“ kicherte Beatrice.
Wir bestellten noch zwei Becher Wein und beobachteten den Tisch neben uns weiter. Jetzt war es mit Heimlichkeit eh nicht mehr zu retten.
Immer wieder erschienen einige Frauen bei den Herren!
Dann endlich tauchte eine, wie sage ich es politisch korrekt?, Wuchtbrumme auf.
Alle am Tisch versammelten männliche Wesen waren von dieser Erscheinung eingenommen. Bei Haytham sah ich aber mehr den Gedanken, dass er es lieber etwas, nunja, kleiner hatte. Dabei fiel mal wieder sein Blick auf mich.

 

Die Dame war also Madame Fleur! Sie trug passend zum Namen ein Kleid mit eben solchem bunten Aufdruck und passenden Stickereien.
Nach ein paar ausgetauschten Freundlichkeiten und einem Kelch Wein, verschwanden sie alle mit ihr im, ich vermutete, Hinterzimmer.
Es ließ mir keine Ruhe!
Ich schnappte mir meine Begleiterin und wir schlichen hinterher.

Kapitel 18

 

~~~ Ein unerfreuliches Wiedersehen ~~~

 

 

Es ging die Treppe hinauf auf die linke Seite. Dort folgten wir einem schmalen Korridor, von welchem einige Türen abgingen, hinter denen reger „Betrieb“ herrschte. Wir sahen, wie die Gruppe am Ende im linken Zimmer verschwand.
Vermutlich war es das Büro der Madame!
Plötzlich wurde eine Tür aufgerissen, an welcher wir gerade vorbeikamen. Hinaus torkelte ein Herr, den ich sehr wohl kannte!
Thomas Hickey!
Entsetzt sah ich ihn an, umgekehrt starrte er mich mit leicht vernebelten Augen an!
„Was macht ihr hier, reicht euer Mann euch nicht mehr? Ich stelle mich gerne zur Verfügung…“ lallte er mir entgegen.
„Oh bitte… Thomas… lass die Gäste…“ die Dirne hinter ihm sah mich entgeistert an. „Wir haben Frischfleisch? Warum weiß ich nichts davon?“ maulte sie los.
„DAS ist die Hure vom Großmeister…“ bevor er noch mehr sagen konnte, hatte er meine flache Hand auf der Wange.
„Ein Wort noch und ich vergesse mich, Thomas!“ stieß ich hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ohhhh, wie immer… hochnäsig bis zum letzten, Weib! Vielleicht sollte ich Haytham mitteilen, dass ihr hier nach mehr Spaß im Bett sucht!“ lachte er jetzt laut und griff unter mein Kinn.

 

„Sagt ihm, was ich hier mache. Er ist gerade mit der Madame dort hinten verschwunden. Vielleicht wollt ihr ihm Gesellschaft leisten?“ ich zog ihn jetzt einfach hinter mir her, er war so perplex, dass er fahrig reagierte.
„Nein… ich… bin doch… gar nicht hier…“ also hatte er mal wieder Lügen aufgetischt für meinen Mann?
„Ihr werdet euch noch umsehen, Thomas. Meine Rache wird über euch kommen, aber nicht ICH selber werde es sein!“ diesen Worten ließ ich ein leichtes goldenes Leuchten meiner Augen folgen!
„Charles hatte immer Recht! Ihr seid verhext!“ fluchte er laut. Dann fiel sein Blick auf meine Begleitung. „Und ihr? Vögelt ihr auch mit dem Teufel persönlich?“ diese Worte kamen mit einem lauten Rülpser aus seinem Mund. Bei dem Gestank wären sogar die Fliegen von der Wand gefallen!
„Oh, ihr seid der berüchtigte Hickey?“ Beatrice spielte mit, was mich ehrlich überraschte. „Master Kenway kann sich ja glücklich schätzen, dass IHR an seiner Seite seid. Er wird sicherlich erfreut sein, euch hier zu sehen, nachdem man euch ja nun lange genug gesucht hat!“ die letzten Worte spie diese Frau ihm entgegen!

 

Bevor wir reagieren konnten, türmte dieser kleine Feigling!
„Ist er wirklich so feige, dass er seinem Großmeister nicht in die Augen sehen kann? Ich dachte immer, dass sei nur so daher geredet.“ flüsterte Beatrice jetzt leise, als wir näher an das besagte Zimmer kamen.
Jetzt hätte ich zumindest noch ein Ass im Ärmel, sollte mir Hickey noch einmal blöd kommen. Ich könnte ihn locker verpfeifen, dass er sich hier in Philadelphia rumtrieb, obwohl er angegeben hatte, er sei in New York.

 

Aus dem Inneren vernahmen wir die Stimme von Madame Fleur.
„Wer glaubt ihr seid ihr, hier herein zu marschieren und meine Mädchen zu befragen? Ich habe strikte Richtlinien und wünsche, dass man sie befolgt.“
Das Gespräch kam langsam in Gang und als dann die Fragerunde bezüglich dieser Königstreuen kam, herrschte für einen kurzen Moment Stille!
„Auch für mich wird es schwierig mich über Wasser zu halten! Die Mädchen werden von diesen Soldaten regelrecht überrannt, die immer darauf pochen, umsonst vögeln zu dürfen, weil sie uns ja beschützen würden! Natürlich suche ich mir dann entsprechende Einnahmequellen um das kompensieren zu können! Ich kann auch nicht von der Hand in den Mund leben und Aufpasser für die Mädchen sind teuer.“ sie seufzte laut. „In den letzten Monaten sind viele von ihnen plötzlich verschwunden, kurz darauf sehe ich sie tot in einem Hinterhof liegen. Ihnen werden die größten Versprechen gemacht und dann… zack… Kehle aufgeschnitten! Und wofür? Für eine Nummer umsonst!“ Madame wurde laut, sehr laut und haute vermutlich auf den Tisch, im wahrsten Sinne des Wortes!

„Madame Fleur, wir wollen diese Zustände ebenso ändern. Deswegen sind wir hier. Aber wir brauchen vorab Informationen um die Hintermänner zu finden. Immer wieder fiel euer Name…“ Rory schlug einen leisen freundschaftlichen Ton an.
„Wir brauchen persönlichen Schutz, Schätzchen!“ damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
„Dafür können wir sorgen, wenn wir umgekehrt auf eure Loyalität unserer Sache gegenüber zählen können.“ das war Haytham der sprach.
„Bekomme ich Sicherheiten?“ Profi war die Dame, keine Frage.
„Selbstverständlich!“ kam es wie aus einem Mund von Rory und Haytham.
Hier in der Stadt gäbe es einen General der britischen Armee, der ein Auge auf das Geschehen hatte. Ihn selber würde sie aber nicht kennen, sondern nur seine Frau, welche sich immer mal wieder sporadisch mit ihr in Verbindung setzen würde.
„Im Grunde ist sie eine eiskalte Person, aber sie hat Einblick in die Interna der Armee! Ihr Name ist Amber Hutchinson! Wenn ich recht informiert bin, dann ist sie die Witwe eines hochverschuldeten Farmers aus Virginia!“ bevor sie noch mehr sagen konnte, fiel ihr Haytham ins Wort.
„Der verstorbene Gatte hieß nicht zufällig Donovan?“ stöhnte mein Mann. In diesem Moment ging mir ein Licht auf. Ich hatte damals aufgeschnappt, dass Mrs. Donovan im Begriff war, wieder zu heiraten, ein hochrangiges Mitglied der britischen Armee.
„Doch, genauso hieß er. Kanntet ihr ihn? Wenn er euch noch etwas schuldet, dann kann…“ sie sprach nicht weiter.

 

„Sagt mir nur, wo ich diese Frau finde. Ich werde alles weitere selber klären können.“ ich sah meinen Mann vor mir, wie er sich über das Gesicht strich. Sein Akku war von 100 auf Null und der Alkohol tat den Rest.
Sie hatte sich mit ihrem Gatten etwas abseits der Innenstadt niedergelassen.
„Hier ist die Adresse.“ hörte ich die Madame noch sagen, als auch schon die Tür geöffnet wurde.
Meine Begleiterin und ich huschten schnell in eine Nische und warteten, bis die Männer an uns vorbei waren!
Du kannst dich nicht vor mir verstecken! Das wollte ich ja auch nicht, oder doch?
Als sie alle unten waren, gingen auch wir los.
„Kennt ihr diese Frau etwa? Die Witwe meine ich.“ also erzählte ich Beatrice von dieser Frau und dem Abend, als sie ihren Mann ermordet hat. Beim Büro angekommen, endete ich mit den Worten „Und ich bin froh gewesen, dieses Weib nicht mehr sehen zu müssen.“
Mrs. DonBonne verabschiedete sich jetzt auch für dich Nacht.
„Es war ein doch noch guter Abend, wir haben einige neue Erkenntnisse gewonnen. Ich wünsche eine geruhsame Nacht, Mistress Kenway!“ grinste sie breit, bevor sie den Verschlag schloss und sich nach Hause bringen ließ.
Ich hingegen ging ins Haus und hinauf in unser Zimmer. Dort erwartete mich mein Mann bereits.

 

„Das hat ja eine Ewigkeit gedauert! Habt ihr euch verlaufen, oder muss ich noch etwas wissen?“ er malte sich anscheinend einige schmutzige Dinge aus, welche ich mit meiner Begleiterin getan haben könnte.
„Nein, ich war anständig und werde jetzt zu Bett gehen.“ sprach ich leise, während ich die Schnüre meines Kleides lockerte.
„Warst du nicht, mi sol. Ich habe die Bilder in deinem Kopf gesehen!“ Haytham stand hinter mir, langsam zogen seine Finger den Stoff der Röcke höher, bis er meine bloße Haut fühlen konnte. Ich sah im Spiegel, wie er sich gleichzeitig sein Hemd auszog, mehr hatte er nicht mehr an!
„Ich kann diesen Gedanken nicht ertragen, dass dich andere Frauen so lüstern ansehen und sich ausmalen, wie es mit dir im Bett ist!“ jetzt war es raus!
„Sie sind eifersüchtig, weil sie nicht das bekommen, was DU hast!“ mit diesen harschen Worten drehte er mich zu sich um und schob mich auf die Kommode. „Ich kann nur mit dir all dies erleben und ausleben. Nur wir beide haben dieselben Gedanken, ohne etwas erklären zu müssen!“ langsam entblätterte mich mein Mann, unendlich langsam. Während dessen strichen seine Fingerspitzen immer wieder über meinen Hals, meine Brüste… Es verging schier eine Ewigkeit, ehe ich von all dem Stoff befreit war.

 

Haytham zeigte mir, dass er seine Lust bis jetzt zurück gehalten hatte und das in einer Geschwindigkeit, die mir hätte bewusst sein sollen. Umgekehrt konnte ich mich ihm dabei völlig hingeben, weil es diese angestauten Gefühle über den ganzen Tag waren.
Gepaart mit Tyr und Thyra war es natürlich um einiges härter, weil wir diesem alten Drang nachgaben, aber es war befreiend und ich wusste wieder, dass mein Mann nur mich begehrte.
Trotzdem würde ich immer wieder eifersüchtig werden… An jeder Ecke konnte so eine „Melody“ lauern…
„Oh bitte… nicht dieses Frauenzimmer. Ich hasse diese trällernde Stimme und sie… dieses Parfum ist grauenhaft…“ bei diesen Worten fuhren seine Finger erneut über meinen Körper und hinterließen eine dicke wohlige Gänsehaut. Seine Lippen folgten dem gleichen Weg und mir wurde klar gemacht, dass kein Parfum der Welt MEINES ersetzen konnte.
Mit einem lauten Aufstöhnen und einer Götterpreisung kam ich erneut in dieser Nacht, was Haytham ein zufriedenes Lächeln bescherte.
„Du gehörst mir.“ hauchte er kurz darauf an meinem Ohr, als ich auf seinem Schoß saß und er sich langsam in mir bewegte.

 

Florence war mehr als schlecht gelaunt am nächsten Morgen.
„Mag nicht…“ maulte sie beim Frühstück und warf ihren Löffeln mit dem Porridge über den Tisch.
„Florence! Benimmt sich so eine junge Dame!“ ihr Vater sah sie tadelnd an! Bei diesen Worten kräuselten sich ihre Lippen und sie begann zu weinen. „Es gibt nicht immer nur das, was du gerne isst. Benimm dich!“ mahnte sie Haytham erneut.
Sophia hatte den Löffel wieder herübergereicht, welchen unsere Tochter jetzt widerwillig in die Schüssel tunkte.
Bei jedem Bissen rollte sie theatralisch mit den Augen.
„Herr Gott, sie hat zu viel von dir!“ bei diesen Worten musste ich lachen, weil … ja, ich sah es ja selber!
„Aber sie vergöttert dich, mi amor.“ flüsterte ich leise, weil ich wusste, dass Haytham dieser Gedanke im Grunde immer wieder friedlich stimmte. Und genauso war es auch.
Er verbrachte eine Weile nach dem Frühstück mit seiner Tochter, zeigte ihr den Garten hinter dem Haus und versuchte sie weiter an ihren Adlerblick zu gewöhnen. Noch hatte sie damit ihre Probleme. Oft hörte ich Florence sagen, dass ihr der Kopf dann wehtun würde. Auch etwas das wir noch im Auge behalten sollten.

 

Wir ließen eine Nachricht an Mrs. Donovan, nein Mrs. Hutchinson, schicken, in welcher wir unseren Besuch ankündigten. Im Grunde konnten wir fürs erste vorgeben sie einfach wiedersehen zu wollen. Seit dem Verkauf hätte man sich ja nicht mehr gesehen und man wollte sich nach dem Wohlergehen erkundigen.
Natürlich mussten wir davon ausgehen, dass die Dame bereits ausreichend informiert worden war, dass wir entsprechende Untersuchungen vorangetrieben hatten.
Mal wieder hieß es, auf alles vorbereitet sein.
Ich zog eines der Kleider in Monturform an, damit ich die Klingen verstecken konnte und mein geheiligtes Stiefelmesser durfte im Strumpfband nicht fehlen.

 

Das Haus der Eheleute Hutchinson war einfach gehalten, aber gut gepflegt. Man öffnete uns und brachte uns in den Salon, wo uns die Witwe bereits erwartete.
An ihrem Blick sah ich bereits, dass sie im Bilde war, was unsere Anwesenheit in der Stadt anbelangte.
„Master Kenway, Mistress Kenway! Es freut mich, dass ihr mich besuchen kommt.“ in diesen wenigen Worten klang ein solch schwerer Zynismus mit, dass es mich schüttelte. Sie war keine gute Schauspielerin, genau wie ich. „Womit habe ich diese Ehre nur verdient?“ dabei warf sie meinem Mann einen lasziven Augenaufschlag zu.
Dieser überging diese Avancen wie immer.
„Mrs. Hutchinson, es freut mich, dass ihr euch hier so gut eingelebt habt. Dann ist Philadelphia jetzt eure neue Heimat?“ auch Haytham beherrschte dieses Spielchen.
Wir nahmen Platz und es begann dieses belanglose oberflächliche Gerede.
Vor Langeweile hielt ich mich an meiner Teetasse fest, weil ich sonst vermutlich eingeschlafen wäre.

 

Etwa eine Stunde später erschien Mr. Hutchinson, Offizier seiner königlichen Majestät. Makellose Uniform, auf Hochglanz polierte Stiefel und Schnallen und dazu ein breites falsches Lächeln auf dem Gesicht.
Die Begrüßung war steif und kalt, ebenso wie die Hand welche meine berührte. Mich überzog es mit einem eisigen Schauer!​​​​​​
„Es freut mich überaus, euch einmal persönlich kennen zu lernen. Meine Gattin hat mir schon so viel über euch berichtet. Eure Hilfe, Master Kenway, damals beim Verkauf der verschuldeten Plantage, war ein Segen für meine Frau. Männer haben nicht immer ein gutes Händchen für das geschäftliche wie es scheint.“
Entweder spielte er den Unwissenden, oder sie hatte ihn einfach dreist angelogen über die damaligen Umstände.

 

Mir wurde es etwas zu dumm mit diesem Geplänkel, ich wollte endlich auf den Punkt kommen, bevor ich jedoch etwas sagen konnte, preschte die Gastgeberin vor.
„Ich weiß weswegen ihr hier seid! Ihr wollt uns zum Schweigen bringen, nicht wahr?“ fauchte sie besonders in meine Richtung.
„Wenn ihr schon so fragt, ja. Im Grunde habt ihr es auf den Punkt gebracht. Aber nicht so schnell mit den jungen Pferden! Wir sollten vorab ein paar Kleinigkeiten aus der Welt schaffen!“ hörte ich die kalte drohende Stimme meines Mannes neben mir.

 

Kapitel 19

 

~~~ Die Wahrheit über Mrs Donovan ~~~

 

 

„Ihr wollt uns auf eure Seite bringen? Ist es das, was ihr wollt? Oh nein, ich werde meinen Eid King George gegenüber sicherlich nicht brechen! Oder an was hattet ihr gedacht?“ diese lauernden Worte des Generals waren eigenartig, weil er den Eindruck erweckte, als wüsste er nichts von seinen eigenen Taten hinsichtlich der Verleumdung des Gouverneurs zum Beispiel.
„Auf UNSERE Seite? Welche wäre das?“ wieder war es mein Gatte, welcher völlig gelassen nachhakte.
„Sagt ihr es mir!“ so langsam wurde es lächerlich.
„Bei Odin, wir gehören keiner Seite an! Hier geht es um die Verbreitung von Falschaussagen und Gerüchten, Mr. Hutchinson, welche EUER Werk sind!“ fauchte ich. Dafür erntete ich ein leises Lachen des Herren.
„Ich habe bitte WAS getan?“ sein Blick ging in Richtung seiner Frau, die plötzlich ein wenig von ihm abgerückt war. Mrs. Hutchinson sah aus, als hätte man sie ertappt. Sie war einfach keine gute Schauspielerin!

 

War SIE die einzige Drahtzieherin und hat einfach nur den Namen ihres Gatten für diese Zwecke missbraucht?
Langsam dämmerte es mir, sie hatte ihre Beziehungen zu Madame Fleur und deren weitere Bekanntschaften genutzt um an Informationen zu kommen. Anschließend hat sie sie mit ein paar kleinen Änderungen verbreiten lassen, von Stadtschreiern, von einigen Loyalen der Krone und so weiter. Sie hatte durch die Heirat wieder Geld und konnte sich diese Schmiergelder leisten!
„Ich fasse es nicht! Ihr steckt dahinter? Was bitte habt ihr davon, wenn ihr gute Bürger in Verruf bringt?“ aber die Antwort konnte ich mir auch selber geben.
„Was soll ich mit einem mickrigen General schon anfangen? Ich habe besseres verdient, aber es ist ein Anfang…“ mit einem Satz war sie aufgesprungen und wollte aus dem Zimmer stürmen. Mr. Hutchinson hielt sie mit eisernem Griff und Blick auf.
„Sag mir, dass du mich nicht nur geheiratet hast, um an die Informationen der Armee zu kommen!“ hinter zusammengepressten Lippen zischte er diese Frage hervor.
„Warum hätte ich mich sonst mit so einem Nichtsnutz wie dir abfinden sollen.“ dabei glitt ihr Blick in Richtung meines Mannes.
„Ihr seid erbärmlich, wisst ihr das, Mrs. Hutchinson? Ich als Frau schäme mich für euer Verhalten!“ ich schämte mich wirklich, weil solche Frauen den Männern den Glauben an die wahre Liebe einfach raubten.

 

Aus meinen Gedanken holten mich die Worte des Generals.
„Führt sie ab.“ sie kamen nur leise und erst jetzt sah ich, dass bereits weitere Beamte ihrer Majestät hier erschienen waren, oder sie waren schon im Haus… ich habe keine Ahnung. Kopfschüttelnd, weil mir die Worte fehlten, ließ ich mich neben Haytham nieder.
„Ich könnte so etwas nie tun, mi amor.“ flüsterte ich. „So skrupellos kann doch nur jemand sein, der nicht ganz bei Verstand ist!“
„Mistress Kenway, diese Vermutung hatte ich jetzt seit einigen Tagen bereits. Meine Frau hat sich immer merkwürdiger verhalten. Natürlich ist mir bewusst, dass sie mit anderen Männer das Bett geteilt hat um an Informationen zu kommen, oder sie hat entsprechende Beamte bestochen damit diese passende Gerüchte verbreiten!“ er ließ sich uns gegenüber auf dem anderen Sofa nieder.
„Wie werdet ihr jetzt weiter vorgehen? Wir wissen um den britischen Geheimdienst und um einige Hintermänner!“ Haytham war wieder in seine Templerart gerutscht. Seine Stimme hatte diesen abgeklärten Ton angenommen.

 

„Diese Gerüchte klingen langsam ab, wie ich hörte. Der Mann welcher für die Beschattung des Gouverneurs eingesetzt wurde, ist heute in den frühen Morgenstunden tot aufgefunden worden. Ich vermute, ihr seid nicht dafür verantwortlich?“ entsetzt sah ich den General an.
„Nein, er… du meine Güte.“ mir fehlten schon wieder die Worte.
„Damit weiß ich genug, Mistress Kenway! Hier und auch in den anderen Städten gibt es ein weitaus tiefer gehendes Netz an Informanten, welche auch meiner Gattin bekannt zu sein scheinen! Ich werde umgehend ein Verhör anordnen und euch postwendend informieren, falls Namen fallen sollten!“ aus betrübten Augen sah er uns abwechselnd an. Man hatte ihn betrogen und ausgenutzt. Niemand würde diese Neuigkeit einfach so wegstecken, weswegen wir uns umgehend verabschiedeten.
Wir hatten sein Versprechen, dass er uns in Kenntnis setzen würde, sollten entsprechende Neuigkeiten bekannt werden.

Auf dem Weg zum Büro sah ich, wie Haytham gedankenverloren vor sich hin starrte.
„Ist alles in Ordnung?“ hakte ich leise nach.
„Hmmm? Ja, natürlich. Ich frage mich nur, wie man auf so ein Weib hereinfallen kann? Liegt es an der nicht vorhandenen Menschenkenntnis, oder vielleicht Unerfahrenheit dieser Männer?“ Im Grunde hatte Haytham bisher, nunja, einfach Glück gehabt und war nie einer Betrügerin aufgesessen.
„Sicherlich sind das unter anderem die Gründe. Aber es gibt die Frauen die es mit… einigen körperlichen Tricks schaffen, einen Mann zu beeinflussen. Frag die Dirnen, die werden dir das sicherlich bestätigen.“ im selben Moment fiel mir auf, dass ich im Grunde die Witwe Donovan mit diesen Prostituierten gleichsetzte. Aber mal Hand aufs Herz! Sie hatte immer einen Blick für die reichen, gut situierten Männer. Nicht bei allen konnte sie landen, also musste sie an die „schwächelnden“ heran, welchen sie sich auch recht zügig entledigte, wenn ihr langweilig geworden war.
„Das klingt wie eine schwarze Witwe!“ er hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, als er mich mit großen Augen ansah. „Sie ist so eine von der Sorte!“ dabei schüttelte sich mein Templer vor Widerwillen.
„Leider…“ flüsterte ich.

 

Noch am selben Abend, es muss ungefähr nach dem Abendessen gewesen sein, erhielten wir eine Nachricht von den Eheleuten McKean.
Am morgigen Tag sollte eine Verhandlung vor dem Schiedsgericht stattfinden, wo man die Beschuldigungen und Verleumdungen ad acta legen wollte. Es hätten sich aufgrund der Aussage eines Generals und eines anderen Soldaten neue Erkenntnisse aufgetan, die es galt in Augenschein zu nehmen. Von Mrs. Hutchinson lasen wir kein einziges Wort.
„Haytham, wenn sie hier in einem Gefängnis sitzt… hoffentlich…“ beim Gedanken, dass man die Frau misshandelte, kräuselten sich mir alle Nackenhaare. Auch wenn ich dieses Weib hasste, DAS hatte niemand verdient.
„Was soll ich tun? Sie da heraus holen und bei uns einquartieren?“ Bei Odin, er konnte aber auch wirklich kaltherzig sein.
„Nein, aber gibt es nicht…“ mein Mann ließ mich nicht ausreden.
„Gibt es nicht! Sie ist eine Aufwieglerin, sie hat falsche Anschuldigungen in Umlauf gebracht und wer weiß was noch alles. Sie wird vor ein Gericht gestellt und verurteilt. DAS war es!“ Haythams Wut konnte mitunter gnadenlos sein, aber das hier?

 

„Du verschweigst mir etwas!“ in diesem Moment kam mir ein absonderlicher Gedanke.
Vor ein paar Jahren, als sie sich mit einigen Dingen übernommen hatte, war Haytham ihr zur Hand gegangen. Ist in den Tagen, wo er dort war, etwas vorgefallen? „Sag es!“ zischte ich wütend.
Sein Blick war unergründlich auf mich gerichtet. Seine Körpersprache nicht zu deuten!
„Ich weiß nicht, was du meinst.“ damit drehte sich Haytham um und wollte schon aus dem Zimmer gehen, aber ich hielt ihn auf.
„Du weißt, ich kann auch anders…“ meine Stimme dröhnte selbst mir in den Ohren.
„Das wagst du nicht, Alex!“ fauchte er mich an.
„Wir werden ja sehen…“ meine gesamte Konzentration ging in seinen Geist! Aber ich stand im wahrsten Sinne des Wortes vor verschlossenen Türen! Ein fieses Grinsen ging über sein Gesicht!
„Vergiss nicht, wir beide haben diese entscheidende Technik gelernt.“ diesen Sarkasmus konnte er sich sparen!
„Dann sag mir, was passiert ist?“ War er mit ihr doch ins Bett gestiegen, hatte sie ihm irgendwelche Versprechen gemacht…

 

„Oh bitte, lass das! Nein, nichts dergleichen ist passiert!“ seufzend ließ sich Haytham jetzt in einen der Sessel sinken!
„Dann rede gefälligst mit mir!“ Meine Stimme überschlug sich bei diesen Worten, weil ich unendlich wütend, zornig und vor allem … ja ich war enttäuscht und die Angst, er könnte mich betrogen haben, nahm immer weiter zu!
Ich hörte, wie er tief ein- und ausatmete, wie als würde er eine Meditation beginnen wollen. Geduld! Ihr wisst noch? Habe ich nicht!
„Wir saßen einen Abend in ihrem Arbeitszimmer und sahen die Bücher durch! Ich wollte sicher gehen, nichts übersehen zu haben. Auch Master Donovan könnte ja unter der Hand Handel getrieben haben, auch wenn er den Anschein eines zuverlässigen Händlers machte. Irgendwann stieß ich dann auf tatsächliche Ungereimtheiten, was einige Lieferungen anging. Amber nahm mir das Geschäftsbuch aus der Hand, überflog die Seiten, riss sie heraus und warf sie ins Feuer, mit den Worten, das hätte sich ja jetzt erledigt.“ müde rieb sich Haytham übers Gesicht.
„Sie berichtete von einigen Zahlungen, die sie an ihrem Gatten vorbei an die Krone entrichtete, damit sie sich eine Art Freifahrtschein erkaufen konnte, sollte sie einmal in Bedrängnis geraten. Aber dafür musste sie die Bücher manipulieren, wenn auch nur im kleinen Rahmen. Doch Amber hatte sich immer mehr Verbündete gesucht, welche aber damals durch diesen Bankrott nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten.“

 

Kurzum, Mrs. Donovan oder besser Mrs. Hutchinson musste plötzlich ihre Belange alleine klären, weswegen sie auf Haytham kam. Er war der einzige der nicht auf ihrer „Bezahlliste“ stand! Sie dachte, sie könnte sich sein Geld zunutze machen, indem sie mich beseitigte um seine Gunst zu erlangen.
Amber hatte tatsächlich einige Spione, welche dubiose Dinge über mich ans Licht gebracht hatten, angeheuert. Aber Haytham wusste es besser, weil ich eben nicht „hier“ geboren war, weder in der Zeit noch in den Kolonien!
Aber nach stundenlangen Debatten holte sie ein Schriftstück hervor, welches eindeutig aus der Zeit von Edward Senior stammte. Dort sprach man von mir und meinem Mordversuch an meinem Schwiegervater!
„Alex, ich wusste nicht, dass dir so etwas unterstellt wurde. Ich sah diese Papiere durch und sie waren von einem Orden aus Übersee. Diesen gibt es jedoch schon lange nicht mehr, aber es gibt noch ein paar gläubige Anhänger, welchen der Tod meines Vaters gerade Recht kam. JEDER bezichtigte DICH für seinen Mord.“ Sein Blick war mittlerweile verzweifelt.

 

Diese Frau gehörte aber keinem Orden an, keiner Bruderschaft!
„Nein, sie nicht! Aber ihr Großvater! MacAllister!“
Ich starrte meinen Mann mit großen Augen an. Ich hatte nie nach dem Mädchennamen oder der Familie von Mrs. Donovan gefragt, warum auch.
Dieser MacAllister hatte einige Tagebücher hinterlassen, nicht nur über mich waren dort Einträge, sondern auch über andere mögliche Widersacher des Ordens. Nach seinem Tod verfolgte man diese Liste und brachte einige unter die Erde oder holte sie auf die Seite der Templer.
Mich fand man nicht mehr. Aber Amber hatte herausgefunden, dass ich Frederickson hieß und hat dann eins und eins zusammengezählt. Dass sie damit aber bei meinem Mann nicht weiterkommen würde, weil er ja im Bilde war, machte sie wütend.
Gleichzeitig fühlte sie sich in die Ecke gedrängt, weil sie nun kein Druckmittel mehr hatte. Umgekehrt konnte sie jetzt aber auch meinem Mann unterstellen, dass er mit einer Namensfälscherin und Mörderin gemeinsame Sache machte.

 

Eines gab das andere und irgendwann stand Mrs. Donovan vor den Scherben ihrer eigenen Intrigen und ihres Lebens. Haytham hatte mit offenen Karten gespielt und meine Geschichte erzählt, nicht ganz wahrheitsgemäß versteht sich. Aber da sie nun keinen Trumpf mehr im Ärmel hatte, hisste sie die weiße Fahne und gab auf.
Leider nur bis sie diesen General kennen lernte!
Auch ihm wird sie sicherlich vorher schon einige ihrer Spione auf den Hals gehetzt haben! Mittlerweile schätzte ich die Dame so ein, dass sie ein hochgradig ungesundes Misstrauen allen Menschen gegenüber hegte.
„Das heißt aber auch, dass sie im Gefängnis vermutlich wirklich eine Sonderbehandlung genießen wird.“ meine Schlussfolgerung aus den ganzen bisher gewonnen Erkenntnissen ließ mich das annehmen.
„Genauso ist es. Mrs. Hutchinson genießt ein Privileg sondergleichen, Alex. Natürlich wird sie verurteilt, aber sie hat viel Geld investiert für ihre Freiheit.“ Großartig, dieses intrigante Flittchen kommt also davon, vermutlich sogar ohne Prozess.
„Darauf wird es hinaus laufen.“ wieder dieses tiefe Seufzen von Haytham.

 

„Warum hast du mir damals nicht gleich davon erzählt, dass du es so herausgefunden hast? Ich hätte dir doch diese Geschichte erzählt.“ eigentlich war ich enttäuscht, dass er mit mir nicht darüber gesprochen hatte.
„In deinem Zustand? Alex! Du hattest ganz andere Sorgen gerade.“ plötzlich stand er vor mir, zog mich an sich und sah auf mich herunter. „Außerdem habe ich es ehrlich gesagt auch einfach verdrängt, weil es im Grunde damals nicht mehr wichtig war.“
Wer hätte auch gedacht, dass man DAS nochmal ausgraben würde!
Die Generalsgattin würde aber sicherlich nicht mit diesen Fakten auftrumpfen können, weil sie zum einen verjährt waren und vor allem konnte sie nichts mehr beweisen. Die meisten Unterlagen hatte sie in ihrer Panik anscheinend verbrannt. Gut für mich, schlecht für sie.

 

Schon am nächsten Tag erhielten wir die Nachricht, dass das Gericht von einer Verhandlung absah. Mrs Hutchinson würde wieder auf freien Fuß gesetzt in den nächsten Tagen, mit der Auflage wieder in ihre Heimat zurück zukehren. Ein Tross aus Wachen würde das, angeblich, überwachen.
„Sie hat, laut ihrer Urkunden, irische Wurzeln. Ob sie aber dort noch Verwandte hat, ist fraglich…“ grübelte Haytham vor sich hin.
„Bei Odin, dann soll sie dort verhungern!“ pöbelte ich in meiner Eifersucht, weil er schon wieder über ihr zukünftiges Leben nachdachte. Was ging ihn das an.
„Alex, du müsstest dich selber dabei sehen! Ich sorge mich um meine Mitmenschen, da könnte es auch Lion sein, oder Rory… ich würde mir auch bei ihnen solche Gedanken machen. Ich finde nichts an dieser Frau, was mich anziehen würde!“ Als ich seine Lippen auf meinen spürte und seine Arme sich mich umschlungen, war ich auf seltsame Weise beruhigt. Ich konnte mich auf sein Wort verlassen.

Kapitel 20

 

~~~ Der Alltag und tote Mäuse ~~~

 

Also erzählte ich Haytham jetzt von diesem MacAllister, welcher mich mit in seine Machenschaften ziehen wollte.
„Du musst wirklich gedacht haben, Templer sind durch die Bank weg das reine Böse.“ kopfschüttelnd saß mein Mann neben mir.
„Aber du konntest mich ja eines besseren belehren, mi amor. Ich bin dir dafür sehr dankbar.“ ich ließ meinen Worten einen vorsichtigen Kuss auf seine Wange folgen.
Wir waren uns einig, dass wir viel mehr Menschen zeigen sollten, wie es auf der anderen Seite des Tellerrandes aussieht.
Mittlerweile waren sich auch Monsieur de la Sèrre und Monsieur Dorian ein kleines Stück entgegengekommen. Ein Bote hatte vor ein paar Wochen einen Brief von Dorian überbracht. Damit waren wir auf einem guten Weg, wie ich fand.

 

Wir statteten dem Gouverneur noch einmal einen Besuch an diesem Tag ab, um uns zu erkundigen, ob wirklich langsam Ruhe einkehrte.
Auch die Eheleute McKean waren entsetzt, als sie hörten dass dieser Spitzel ermordet worden war.
„Anscheinend wird kurzer Prozess mit den Leuten gemacht, die ihre Aufgabe nicht korrekt erledigen. In meinen Augen ist das aber doch etwas zu hart, findet ihr nicht auch?“ fragte der Gouverneur stirnrunzelnd nach.
„Das ist es in der Tat. Aber wir wissen nicht, wer noch alles dahinter steckt. Vermutlich wollte man jetzt noch auf Nummer sicher gehen, damit wirklich nichts mehr nach Außen getragen wird.“ Haytham hatte sich diesbezüglich auch schon Gedanken gemacht.
„Werdet ihr noch weitere Nachforschungen anstellen, Master Kenway?“ McKean hoffte auf unsere weitere Unterstützung wie es aussah. Ich konnte ihn verstehen, er hatte einfach Angst um sein Leben.
„Das werden wir, Mr. McKean. Ich habe unser Büro hier bereits entsprechend eingewiesen. Die Madame des Bordells wird beschattet und zwar durch die Personen, die sie auch zeitgleich beschützen. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich bitte euch jedoch noch einmal ausdrücklich, achtet auf eure Worte in der Öffentlichkeit!“ mein Templer appellierte eindringlich an den gesunden Menschenverstand des Herren vor ihm.
„Glaubt mir, ich werde meine Zunge in Zukunft hüten.“ erleichtert, dass ja noch einmal alles recht glimpflich ausging, konnten wir uns nun verabschieden.

 

Auf dem Weg zum Büro und unserer Tochter dachte ich aber noch einmal über diese vertrackte Situation nach.
„Haytham, so langsam kommen wir an den Punkt, wo auch WIR eine Entscheidung treffen müssen. Das macht mir Angst.“ flüsterte ich, während ich aus dem Fenster sah.
„Wir könnten uns auch vorerst noch neutral verhalten. Wer Hilfe braucht, bekommt sie. Und vergiss nicht, wir sind nicht alleine, wir können auf einige Brüder und Schwestern mittlerweile zurückgreifen!“ leider kam das nicht so überzeugend über seine Lippen, wie er vermutlich wollte.
Ich seufzte tief als ich mich zu ihm umdrehte.
„Weder die Loyalisten noch die Patrioten gehen friedlich vor, wie immer glauben beide Parteien sie seien auf der richtigen Seite. Sie versuchen es mit allen Mitteln durchzusetzen. Es ist im Grunde wie zwischen den Bruderschaften und den Orden! Aber leider werde ich es nicht schaffen, auf dieser hohen politischen Ebene eine Einigung zu erreichen. Auch wenn ich es gerne hätte. Wenn ich mir überlege was aus Amerika einmal wird…“ ich schüttelte den Kopf, weil ich insgeheim oft gedacht hatte, dass es vielleicht doch besser wäre, wenn die Briten blieben. Würde ich DAS laut aussprechen könnte mir die Todesstrafe vermutlich irgendwann drohen. Dieses Risiko konnte ich schlecht eingehen. Nur meinem Mann erzählte ich von meinen Gedanken.
„King George knechtet aber seine Kolonisten, hast du das schon vergessen?“ damit hatte er ja Recht, dennoch würde die Nation ohne die Briten völlig nackt dastehen. Sie wird sich ganz alleine aufbauen müssen, das Resultat sieht man dann erst später. Im Grunde brachte es nichts, darüber zu reden. Ich konnte es nicht ändern, ich durfte es nicht!
Auch Haytham kam zu diesem Schluss.

 

Wir verbrachten diesen Tag mit Florence in der Stadt. Ich bemerkte oft, dass sie vor den vielen Menschen Angst bekam und sich immer wieder an Haythams Bein klammerte. Irgendwann nahm er sie auf den Arm, was unsere Tochter mit einem glücklichen Lächeln dankte.
Sie bekam heute noch ein paar neue Anziehsachen, da auch sie wieder ein Stück gewachsen war. Unseren Schuster daheim würde ich noch beauftragen, ihr ein paar gute Stiefel zu machen, weil ihre Zehen schon vorne anstießen.
Als wir in einer kleinen Wirtschaft zu Abend aßen, sah ich plötzlich aus den Augenwinkeln, wie sich Mrs. Hutchinson einen Weg zu uns bahnte. Oh bitte nicht sie noch heute!

 

„Wie ich sehe, genießt ihr es, mich endlich losgeworden zu sein! Was hatte ich auch von euch erwartet, Haytham? Ihr seid herzlos, wie alle sagen. Ich hoffe, eure Tochter wird nicht so wie ihr.“ flüsterte sie wütend an seiner Seite.
In meinem Mann begann es zu brodeln, seine Finger bewegten sich unaufhörlich.
„Ich warne euch, Mrs. Hutchinson! Treibt es nicht zu weit. Ihr habt schon genug Schaden angerichtet. Außerdem haltet euch von meiner Familie fern, wenn euch euer Leben lieb ist!“ sein Gesicht strafte ihn Lügen bei diesen ruhig gesprochenen Worten.
„Ich schwöre, ich werde die Machenschaften eurer ach so geheiligten Frau schon noch aufdecken! Verlasst euch drauf! Und dann sehen wir ja, wer das letzte Wort hat.“ damit drehte sie sich um und verschwand.
Ich selber starrte ihr hinterher, weil mir gerade die Worte fehlten.
Plötzlich hörte ich ein Schniefen neben mir. Sophia hatte ihren Schützling noch auf dem Schoß, aber Florence rollten die Tränen über die Wange.
„Min lille engel, was ist los?“ als sie auf meinem Schoß saß, sah sie zu ihrem Vater, dann wieder zu mir.
„Mama ist lieb, Papa … auch. Die … Frau…!“ dabei klammerte sie sich ängstlich an mich! Erschrocken sah ich zu Haytham, welcher auch nicht so recht wusste, was er sagen sollte.
„Mein Engel, diese Frau ist weg und wird uns nie wieder belästigen! Das verspreche ich dir. Komm! Möchtest du noch etwas von dem Nachtisch haben?“ flüsterte er seiner Tochter verschwörerisch zu. Nickend öffnete sie einfach den Mund.
„Hauptsache von Papa!“ lächelte ich und strich ihr über die nasse Wange.

 

Nach einer regnerischen anstrengenden Rückfahrt kamen wir Mitte Mai wieder daheim an. Es war Nachmittag, aber Odin sei Dank endlich einmal trocken. Mit einer mürrischen Florence ging ich hinein um sie umzuziehen, weil sie sich während der Fahrt mit Marmelade voll gekleckert hatte. Eine der Herbergsdamen hatte für sie extra ein paar Brote gestrichen, damit unsere Tochter nicht hungrig wurde.
„Mama, wo ist Mina?“ suchend sah sie sich in ihrem Zimmer um.
„Sie wird sicherlich draußen auf Mäusejagd sein, min lille engel.“ sagte ich, während ich ihr ein neues Hemdchen überzog, was nicht so leicht war. Sie war so am Herumzappeln, dass ich meine Mühe mit ihr hatte.
Wieder unten wollte Florence schon zur Tür raus, als die kleine Katze uns entgegen stiefelte.
Zwischen ihren Zähnen hielt sie eine fette Maus, welche sich noch bewegte. Meine Tochter streichelte begeistert das flauschige Tier. Dabei ließ Mina ihre Beute los, die natürlich sofort die Flucht ergriff. Ich sah dieses Nagetier nur noch in Richtung Küche verschwinden! Oh nein…
Plötzlich vernahm ich spitze Schreie neben klopfenden Geräusche. Mit einem triumphalen „Hab ich dich endlich!“ kam die Köchin in die Eingangshalle. Als sie Mina und Florence sah bekam sie große Augen. „Miss Florence, hat eure Katze dieses Vieh hierher gebracht? Ihr müsst aufpassen, dass nicht noch mehr davon hier rein kommen!“
Entsetzt sah mein kleiner Engel auf das tote Tier, dann zu ihrer Katze, die sich um die Beine von ihr schlängelte mit einem Schnurren.
„Das ist Minas Essen!“ brachte sie wütend hervor und streckte ihre kleine Hand aus.
Seufzend mit einem Blick auf mich, ich nickte der Köchin zu, gab sie der kleinen Dame das Mahl für ihr Haustier.
„Das nächste Mal bringe ich das Vieh gleich raus. Das fehlte noch, dass die Vorräte angeknabbert werden!“ damit drehte sich die Köchin wieder um und ging.

 

Katze und Kind verschwanden nach draußen, wo die Maus sogleich wieder in Beschlag genommen wurde von Mina.
„Schau, es ist doch gut, dass wir sogar eine Katze fürs Haus haben!“ anerkennend stand jetzt mein Mann neben mir.
„Ja, aber nicht, wenn sie lebende Mäuse herein bringt.“ grinste ich ihn an und erzählte von der Jagd in der Küche.
„Aber es ist ja nichts weiter passiert. Nicht wahr, mein Engel?“ lächelnd hockte er neben seiner Tochter, die jetzt wieder in allen ihr möglichen Sprachen erzählte.
„Ich lasse euch dann mal alleine! Ich werde jetzt Edward abholen…“ bevor ich noch etwas sagen konnte, sprang Florence auf!
„Will mitkommen, Mama!“ rief sie glücklich!
„Wie heißt das, mein Engel?“ hörte ich Haytham streng fragen.
„Ma...mö...möchte ich mitkommen.“ flüsterte sie jetzt mit gesenktem Kopf. Ich sah wieder Edward Junior vor mir, wie auch er so da stand, wenn sein Vater ihn mal wieder korrigierte.
„Alex, ich kann schon fast das Augenrollen hören!“ lachte er, nahm mich aber in den Arm.

 

Mein Mann hatte einiges an Post in seinem Arbeitszimmer liegen, welche er schon einmal bearbeiten wollte. Also machte ich mich alleine auf den Weg unseren Sohn zu holen.
Vor mir im Sattel saß jetzt Florence, welche vorsichtig über das schwarze Fell meines Hengstes strich. Bald dürfte sie dann auch ihr eigenes Pferd reiten, fiel mir wieder ein. Im September oder Oktober sollte Mackenzie ihr ein paar Reitstunden geben.
Als wir bei Mildred ankamen, rannten die Jungs alle nur in Hosen im Garten herum. Sie hatten von einem der Bewässerungsgräben eine kleine Abzweigung gebuddelt und hatten nun ihren Spaß mit dem Schlamm und ihren Booten, die sie dort in dem Wasser herum schippern ließen.
Edward bemerkte mich zuerst gar nicht, erst als er die Rufe seiner kleinen Schwester hörte, drehte er sich erschrocken um.
„Mama, Flo, ihr seid wieder da!“ schnell rannte er auf uns zu, aber bevor er noch meine Sachen einsauen konnte, erschien auch schon die Frauenanführerin selber.
Sie nahm mir Florence ab, sodass auch ich absteigen konnte und den Dreckspatz in die Arme nehmen konnte. Mit etwas Abstand versteht sich, aber sogar mein Sohn entschuldigte sich für seinen Aufzug.
„Schau mal, wir haben einen … Dings… Befestidings… Befestigungsgraben für die Burg gegraben!“ er war so aufgeregt, dass er begann sich zu verhaspeln.
„Das sieht ja fantastisch aus!“ lobte ich die Jungs.
„Danke, Mistress Kenway. Miss Florence, wollt ihr auch ein Boot in die Schlacht schicken?“ fragte der Älteste nach. Natürlich wollte sie das und folgte dem Jungen.
Nun gut, dann würde ich sie nachher auch noch mal neu anziehen müssen.

 

Ich ging unterdessen mit Mildred hinein um mich zu erkundigen, ob Edward auch artig war.
Seufzend ließ sie sich auf einem Stuhl im Wohn- und Esszimmer nieder. An ihrem etwas müden Gesicht konnte ich erahnen, dass es nicht so leicht war, alle 4 Jungs zu bändigen. Mrs. Wallace war natürlich jeden Tag mit anwesend, aber auch sie konnte nicht alle Kinder zähmen.
„Aber euer Sohn hat sich gut benommen, wirklich. Er ist ein lieber Junge. Er hat sogar beim Tischdecken geholfen, ohne dass ich etwas sagen musste. Ihr könnt euch den verwunderten Blick von Sybill gar nicht vorstellen.“ lachte sie bei dem Gedanken daran. „Dennoch war es schön, dass er hier war. Sie alle haben sich Geschichten zum Einschlafen erzählt, oder mein Mann hat den Jungs noch ein paar gruselige Dinge aus der Gegend berichtet.“ jetzt aber stockte sie und sah mich für einen Moment fragend an.
„Mistress Kenway, Edward erzählte von so vielen unglaublichen Wesen, von Göttern und von Drachen, so als wäre er direkt dabei gewesen. Diese Phantasie ist großartig! Habt ihr ihm diese Geschichten erzählt? Ich würde sie auch gerne lesen, weil ich so begeistert war beim Zuhören.“
„Es gibt darüber nichts auf Papier, Mildred, leider. Ich habe meist frei aus dem Gedächtnis etwas… erfunden. Vielleicht könnte man im Sommer für die Kinder ab und an ein kleines Campinglager errichten, wo sie sich gegenseitig am Lagerfeuer Geschichten erzählen. Ich glaube, das würde sie alle begeistern!“ So etwas wie ein „Ferienlager“, ging es mir durch den Kopf.
„Eine wunderbare Idee.“
Nachdem sie mir noch von der Schule, Edwards Fortschritten und den dann doch etwas bösen Streichen der Jungen berichtet hatte, brach ich auf. Es wurde Zeit fürs Abendessen. Ich verblieb mit ihr so, dass auch ihre Jungs gerne mal bei uns übernachten durften, wenn sie ein wenig „Ruhe“ bräuchte.
„Mistress Kenway, aber…“ ich schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist das wenigste was ich als Wiedergutmachung tun kann.“ ich nahm sie kurzerhand in den Arm, was sie mit einem tiefen Seufzen erwiderte.

 

Auf dem Rückweg saß Edward vor mir und Florence vor ihm.
„Min lille skat, was habt ihr nur wieder angestellt? Ihr habt Kuhfladen vor den Türen der Bauern angezündet und ihr seid mitten in der Nacht einfach hinaus in die Kälte, nur um nach Geistern zu suchen?“ tadelnd hob ich eine Augenbraue, auch wenn er es nicht sehen konnte.
„Aber… das war doch nicht böse gemeint. Die Leute wollten dann das Feuer austreten und …“ kicherte er für einen Moment, weil er die Bilder der in diese sprichwörtliche Scheiße getretenen Leute wieder vor sich sah. Dann aber wurde ihm klar, dass auch sein Vater davon erfahren würde oder im schlimmsten Fall bereits unterrichtet worden war. „Vater wird das nicht gut finden, oder?“ flüsterte er ängstlich.
„Damit musst du rechnen. Walka scheint es aber gut gegangen zu sein, wie ich sehe.“ Die Hündin trottete neben uns her, jagte hier und da einigen Insekten hinterher.
„Mama… ich… ich glaube, sie kann mich verstehen…“ dieser Unglaube in seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
„Wie kommst du darauf?“ hakte ich jetzt ebenfalls neugierig nach.
„Walka sitzt oft neben mir, schaut wirklich zu. Manchmal glaube ich, nickt sie, wenn ich etwas richtig mache oder sie… ich bin doof, oder? Das gibt es nicht, oder?“ ich sah zu seiner Gefährtin hinunter, welche plötzlich neben uns herlief und zu uns aufsah.
„Doch, ich glaube, das ist tatsächlich so.“ ich sah in den Augen der Hündin ein leichtes Leuchten! Sie war nicht mehr alleine und leitete zusätzlich Edwards Geschicke. Als ich ihm das erklärte, sah er entgeistert zu ihr.
„Haaaaaaah… ich hab mir das nicht eingebildet!“ rief er, aber bevor er vom Sattel hüpfen konnte, hielt ich ihn fest.
„Min lille skat, warte bis wir zuhause sind. Ich bin müde und habe Hunger!“ ich trieb Fenrir etwas an, damit es schneller ging. So hatte Walka auch noch genügend Bewegung für heute.

 

 

Beim Herrenhaus angekommen, trat ein mürrischer Ehemann auf die Veranda, kreuzte seine Arme auf dem Rücken und betrachtete seinen Sohn, wie er langsam die Stufen heraufkam.
„Edward! Hinauf auf dein Zimmer! Das Abendessen ist für dich gestrichen und Walka kommt wieder zu ihren Geschwistern!“ Ohne Begrüßung ohne alles schnappte er sich die Hündin und marschierte zum Zwinger mit ihr.
Selbst mir blieb der Mund wieder einmal offen stehen.
Edward hingegen schrie ihm hinterher, er könne ihn mal und rannte ins Haus! Oh… bitte! Florence hatte die beiden nur beobachtet, brach aber jetzt ebenfalls in Tränen aus!
Toller Einstieg hier daheim, wirklich!
Mrs. Wallace tauchte plötzlich in der Tür auf, sah mich fragend an, sagte aber nichts, als sie sah, wie Haytham mit Walka davon ging.
Sophia stand ebenfalls dort, nahm dann ihren Schützling auf den Arm und versuchte auch sie noch zu trösten.

 

„Sybill, ich werde jetzt hinauf gehen. Vielleicht kann ich Edward etwas beruhigen.“ sie sah mich kopfschüttelnd an, dann glitt ihr Blick Richtung der Zwinger.
„Lasst das, Mistress Kenway. Master Kenway ist in Rage, ich habe gehört, was die Jungs alles angestellt haben, von dem ich gar nichts wusste.“ Beim Hineingehen berichtete sie mir nun von den ganzen Schandtaten, Mildred hatte anscheinend auch nicht alles mitbekommen. Die jungen Herren waren also doch recht geschickt im Vertuschen!

Kapitel 21

~~~ Ein Gespräch, welches lange fällig war! ~~~

 

Fast alle Jungen in unserer Siedlung hatten es sich zur Aufgabe gemacht, immer reihum irgendjemandem einen Streich zu spielen.
Dem einen wurde der Pfeifentabak gegen Gras ausgetauscht, einem anderem nähte man alle Hosenbeine zu oder aber versteckte ganze Garderoben auf dem nahe gelegenen Heuboden. Außerdem hatten sie ein kleines Fass Schwarzpulver gefunden und damit herum gespielt. Odin sei Dank hat es aber noch ein Arbeiter rechtzeitig gesehen, sonst wäre das Ding hochgegangen. Dabei hatte ich Edward ausdrücklich verboten mit den Zündhölzern zu spielen!
Die Liste wurde immer länger und ich fragte mich irgendwann, woher nahmen sie sich die Zeit? So viele Stunden konnte kein Tag haben und wir waren auch kein halbes Jahr unterwegs gewesen!
„Bedenkt, es sind sehr viele junge Burschen hier.“ sagte Sybill zögerlich, weil sie sah, dass ich damit noch nicht so umgehen konnte. Natürlich gab es auch in meiner Zeit solche „Lausebengels“, waren die auch so wie hier? Mir selber ist das als junges Mädchen nie so aufgefallen, im Gegenteil… ich hatte des öfteren mitgemacht. Bei dem Gedanken schoss mir vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht und Mrs. Wallace grinste mich breit an. „Ich hatte auch nichts anderes erwartet.“ sie konnte sich das Lachen kaum verkneifen!

 

Uns beiden verging es aber, als Haytham durch die Tür trat.
„Alex, wir müssen reden!“ donnerte er mir entgegen, gleichzeitig schritt er zügig in sein Arbeitszimmer. Sybill tätschelte meinen Arm und lächelte mir aufmunternd zu.
Warum hatte ich jetzt bitte ein schlechtes Gewissen und eine gewisse Angst in mir? ICH habe doch diesen Unfug nicht angestellt! Verdammte Axt nochmal!
Ich war noch nicht ganz im Raum, da hörte ich nur ein lautes „Mach die Tür zu!“. Danach setzte ich mich auf einen der Sessel und wartete, während mein Mann, wie gewohnt wenn er nachdachte oder wütend war, mit verschränkten Armen auf dem Rücken umher lief.
„WAS ist in dieses Kind gefahren? Weißt du was er alles angestellt hat, als wir nicht da waren? DAS geht einfach zu weit! Wenn er so weitermacht schicke ich ihn nach Europa auf eine Militärschule oder Internat!“ seine Stimme wurde immer lauter und wütender.
„Das wagst du nicht, Haytham!“ erwiderte ich ebenso zornig. Nein, dann würde ich mit meinem Sohn dorthin gehen und würde auch gleich Florence mitnehmen!
„Doch, ich kann und ich werde es tun, wenn das so weiter geht.“ jetzt stand er vor mir, sah mich wutentbrannt an.
Langsam erhob ich mich!
„Es sind einfach Jungs, die sich noch ausprobieren, die erforschen, die einfach noch lernen müssen. Dazu gehören auch solche Streiche! Dabei erfahren sie die Konsequenzen was passiert wenn sie etwas anzünden oder ähnliches…“ bevor ich aber noch ausholen konnte, fuhr er mir schon fast brüllend über den Mund.
„Es war so klar, dass du versuchst Edward in Schutz zu nehmen! Ihn verteidigst bis aufs Blut! Aber das wird ihn in seinem späteren Leben nicht weiterbringen, Alex. Er braucht eine strengere Hand als meine, wie es scheint. Und du hör auf ihn in Watte zu packen!“ Millimeter trennten uns nur voneinander, sein aufgebrachter Herzschlag war über diese Distanz deutlich zu spüren.

 

„Ich bin seine Mutter, vergiss das nicht! Auch ich habe ein Mitspracherecht in seiner Erziehung! Du wirst ihn nicht wegschicken, nur weil sein Verhalten dir lästig wird!“ zischte ich Haytham entgegen. „Wage es und ich bin auch weg!“ seine Augen weiteten sich bei meinen letzten Worten.
„Du hebst ihn auf eine höhere Stufe als mich, deinen Ehemann?“ in diesem Moment wurde mir erst richtig bewusst, dass Haytham noch lange nicht meine Ansichten des 21. Jahrhundert zu 100 Prozent verstand, geschweige denn umsetzen konnte. Er lebte in diesem von Männern bestimmten Jahrhundert, wo ich als Ehefrau kein Recht hatte, ihm zu widersprechen!
Plötzlich stiegen mir die Tränen in die Augen, weil mir genau das klar wurde. Ich hatte es mir nie wirklich vorstellen können, dass dieser Mann irgendwann einmal doch in diese typische Vater- und Ehemannrolle fallen könnte. Ich hatte mir also vieles einfach nur schön geredet? War ich so verblendet?

 

Ich ließ mich wieder auf den Sessel nieder und starrte auf meine Hände in meinem Schoß! Ich suchte nach passenden Worten.
„Ja, das tue ich dann wohl in deinen Augen.“ flüsterte ich leise, bemüht meine Wut und die Tränen zu unterdrücken.
„Dann solltest du schon einmal darüber nachdenken, wohin du mit Edward gehen willst.“ diese Worte waren so kalt, dass es mich schüttelte. Ich würde sicherlich nicht mit unserem Sohn alleine gehen, Florence würde mich begleiten!
„Nein, das wird sie nicht!“ seine Hand griff mein Kinn und drückte zu. Aus Angst ließ ich meinen Blick über ihn wandern, suchte nach Anzeichen für Hrymr oder Tyr… da war nichts. Es war tatsächlich die echte Wut über die Taten seines Sohnes!
In mir stieg jetzt reale Angst empor, weil ich zum ersten Mal erfuhr, was es hieß, wenn der Ehemann einen fallen ließ!

 

Im selben Moment fiel mir aber auch ein, dass ich recht unabhängig war. Die Jackdaw war mein, die Geschäfte liefen, neben denen von Faith, auf meinen Namen!
„Ich weiß mich schon durchzubeißen, es wäre nicht das erste Mal, Haytham!“ maulte ich mit Schmerzen in meinem Kiefer.
„Du wirst hier in dieser Zeit alleine nicht so einfach überleben, glaub mir. Ich kann auch anders. Unterschätze nicht meinen Einfluss…“ jetzt reichte es mir.
„Weißt du was? Wir sollten vielleicht einmal ein wenig Abstand voneinander haben. Ich werde packen und die Jackdaw beladen. Ich werde …“ verdammt, ich hatte noch nicht zu Ende gedacht, WOHIN ich sollte. Zu Faith wäre Quatsch, dorthin würde er zu schnell nachkommen können. Denk nach… wohin… denk nach… „Ich reise nach London und werde bei den Bradshaws für eine Weile bleiben mit den Kindern!“
Gerade als ich mich umdrehen und den Raum verlassen wollte, griff seine Hand nach meinem Oberarm.
„Nichts wirst du tun und wenn ich dich einschließen muss…“ sprachlos stand ich vor ihm und sah in seine grauen wütenden Augen.
„Gut, versuch es doch!“ provozierte ich ihn aus welchem Grund auch immer. Verdammt, was war denn auf einmal mit uns los? War es wirklich dieses ganze unausgesprochene, für selbstverständlich erachtete gegenseitige Verständnis?

 

 

Plötzlich ließ er von mir ab. Sein Blick blieb aber eisig auf mich gerichtet.
„Haben wir uns vielleicht doch die ganze Zeit nur etwas vorgemacht, dass unsere Beziehung und Ehe so einfach funktioniert?“ in seiner Stimme schwang ein seltsamer Ton mit, so als würde ihm erst jetzt bewusst, dass ich nicht hierher gehörte.
Jetzt bekam ich Panik, weil … weil ich diese Ehe nicht aufs Spiel setzen wollte. Ich liebte diesen Mann, ich wusste, dass er schwierig sein kann…
Beide standen wir uns jetzt mit einigem Abstand gegenüber und musterten einander.
„Du kennst mein Leben, Haytham. Ich musste auf eigenen Beinen stehen, weswegen ich über Erziehung auch anders als du denke.“ Warum ich den nächsten Satz sagte, weiß ich nicht, aber ich hoffte auf eine unerklärliche Art, er würde Haytham zur Vernunft bringen. „Ich habe schon einmal einen Sohn alleine gelassen, ich werde es nicht noch einmal zulassen. Schon gar nicht mit seinen gerade mal 5 Jahren.“ Im Grunde flüsterte ich das Ganze, weil ich Angst hatte, wieder weinen zu müssen.
„Ich ließ meinen Sohn ganz im Stich…“ mit einem Male sah ich diese übermächtige Trauer in seinen Augen. Sein ganzer Körper schien in sich zusammen zufallen.
Langsam schritt ich auf meinen Mann zu.
„Das hast du nicht, du hattest keine Zeit und Gelegenheit bekommen, für ihn da zu sein.“ mir kamen die Worte fast tonlos über die Lippen, weil mir auch noch der Satz auf der Zunge lag, dass er ja bald einiges nachholen könnte. Aber das würde sich wie ein Vorwurf anhören.

 

Dann lagen plötzlich seine Arme um mich, Haytham klammerte sich an mich. So ähnlich war es, als er vor unserem Bett auf die Knie ging, als Edward gerade geboren war.
„Ich will doch nur, dass er ein guter Mensch wird. Aber wie soll ich das schaffen?“ diese Worte klangen nicht flehend oder verzweifelt, sie waren einfach eine Frage nach dem WIE!
„Darauf habe ich auch keine Antwort, Haytham. Du hast Edward vorhin klar gemacht, was passiert, wenn er wieder etwas anstellt. Dadurch wird er lernen, aber das geht nicht von einem auf den anderen Tag. Es werden noch viele Streiche und Verfehlungen von ihm kommen, glaub mir. Ihn aber von uns zu trennen, dass würde nicht nur ihm wehtun.“ flüsterte ich leise in seine Haare, als er seinen Kopf an meine Schulter lehnte.
Geduld!, ging es mir durch den Kopf.
„Verdammt, Alex. Ich fühle mich völlig… nicht überfordert, aber… ein wenig hilflos…“ im Raum tauchte ein leichter Nebel auf, aus ihm trat Edward Senior.
„Haytham!“ mein Pirat legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes. „Glaubst du, ich habe alles richtig gemacht? Du hattest nur nicht die Möglichkeiten, so viel… Unsinn anzustellen wie mein Enkel jetzt, aber hättest du es genauso getan… auch ich hätte dich entsprechend gestraft. Aber niemals hätte ich dich weggeschickt.“ die letzten Worte waren kaum hörbar. „Euer Sohn ist mir, leider, doch sehr ähnlich und wird euch sicherlich in Zukunft noch mehr Ungemach bereiten. Das ist aber doch normal! Alex, aber bitte lass in solchen Momenten DEINE Lehren aus dem 21. Jahrhundert außen vor! Sie sind nicht der heutige Maßstab, wir müssen an die Sicherheit denken, welche hier ganz anders einzuordnen ist als in deiner Zeit.“ seine blauen Augen ruhten jetzt auf mir.
„Ja, ich weiß. Wir haben es leichter, als ihr hier. Das habe ich schon verstanden, ich bin ja nicht blöd…“ maulte ich drauflos, weil mal wieder jeder davon ausging, ich … Bei Odin, ich ging wirklich etwas zu leichtsinnig mit den Gepflogenheiten hier um!

 

„Siehst du, DAS meine ich damit!“ grinsend sah er wieder zu seinem Sohn. „Aber schick Edward nicht weg, er liebt dich und braucht euch beide gleichermaßen um ein guter Mensch zu werden. Außerdem, was würde Florence ohne ihren großen Bruder machen. Er muss sie beschützen.“ dieser Satz kam mit einem leichten ironischen Unterton aus Edward Seniors Mund.
Jetzt erschien ein Lächeln auf Haythams Gesicht.
„Du hast Recht, dieser kleine Lausebengel braucht unsere Erziehung. Aber es wäre ab und an ganz hilfreich, wenn du MIR zur Seite stehen könntest, Vater. Weil… ich … ich hatte nicht diese…“
„Ich weiß, Haytham.“ Beiden ging der Gedanke im Kopf herum, dass Haytham einfach alleine war, er hatte niemanden der ihn auch noch zu irgendwelchem Dummfug hätte anstiften können.
Ich stand neben den beiden Kenways und sah von einem zum anderen.
„DU bist für Florence verantwortlich, hast du mich verstanden?“ grinste mein Pirat mich an.
„Aha, ich darf wieder die Frauenarbeit übernehmen…“ im selben Moment biss ich mir auf die Zunge…
„Nein… du hast bewiesen, dass du auch ganz anders kannst. Aber mein Enkel braucht seinen Vater als Orientierung! Die Zeiten hier sind andere Alex!“ lächelte Edward, während er meine Wange tätschelte.

 

Damit war das jetzt geklärt, hoffte ich.
Edward Senior verabschiedete sich mit den Worten, dass unsere Kinder ihren Weg meistern werden. Wir würden ihnen schon die richtige Erziehung geben.
Als wir alleine im Arbeitszimmer standen, sah mich Haytham fragend an.
„Ich wäre nie auf solche… Ideen wie unser Sohn gekommen. Vater hat Recht, genau wie du auch. Niemand konnte mich anstiften, Jenny war mit sich beschäftigt…“ in meinen Augen brannten Tränen, weil ich immer noch diese Zeit vor Augen hatte, wo er völlig einsam war. So etwas tat mir einfach in der Seele weh.
„Mi amor, du oder besser WIR können es doch jetzt anders machen. Unser Sohn ist ein kleiner aufsässiger Mensch, der noch in seine Schranken gewiesen werden muss. Auch Florence wird nicht immer einfach zu handeln sein.“
Jetzt sah mich Haytham mit großen Augen an.
„Meine Tochter wird… Nein…“ ich unterbrach ihn in diesem Moment grinsend.
„Auch sie wird nicht immer das befolgen, was du ihr sagst! Jedes Kind sucht sich eigene Wege und lernt dadurch die eigenen Grenzen kennen!“ In diesem Moment hatte ich Yannick wieder vor Augen, wenn er mal wieder Mist in der Schule gebaut hatte, oder mit seinen Freunden irgendwelche seltsamen „Mutproben“ gemacht hatte. DAS waren Kinder, sie mussten sich erproben, sich kennenlernen, die Konsequenzen aus ihrem Handeln lernen!

 

Wir blieben noch für einen Moment hier umschlungen stehen, bis ich spürte, dass wir uns beide beruhigt hatten.
„Haytham, lass uns hinauf gehen zu Edward. Ich weiß, er hat dich vorhin sehr übel beschimpft, aber… sieh mich nicht so an. Das Abendessen ist nach wie vor gestrichen und Walka bleibt im Zwinger! Aber versuchen wir ihm das ganze ein wenig zu erklären, ja?“ ich strich über seine Wange, dabei erhellten sich seine grauen Augen wieder und er gab mir einen vorsichtigen Kuss.
„Ich könnte ihn auch gar nicht wegschicken. Es würde auch mein Herz brechen.“ flüsterte er.

 

Oben vor Edwards Zimmer stand Sybill mit einem traurigen Blick. Als sie uns sah, erhellte er sich, weil sie bemerkte, dass wir eine längst überfällige Aussprache hatten.
„Master Edward wartet sicherlich schon…“ sprach sie leise.
Im Zimmer selber saß unser Sohn auf dem Bett, vor ihm waren seine Zinnsoldaten ausgebreitet, ein paar Bücher lagen ebenfalls aufgeschlagen auf der Decke.
„Wohin schickt ihr mich.“ flüsterte er leise, sah uns aber nicht an.
„Nirgendwohin, mein Sohn. Komm her.“ Haytham hatte sich auf die Bettkante gesetzt und zog Edward auf seinen Schoß. „Was du gemacht hast, war nicht richtig und du hast anderen Menschen wehgetan und sie geärgert. Das ist falsch und gehört sich nicht. Jedes mal, wenn du in Zukunft wieder solche Ideen hast, wirst du bestraft. Aber ich werde dich nicht wegschicken. Darüber sind deine Mutter und ich uns einig. Deine Freunde sind hier, dein Zuhause ist hier.“ plötzlich versagte die Stimme meines Mannes als er sein Gesicht in die wuscheligen Haare von Edward vergrub.
„Ich hab dich lieb, Vater.“ die kleinen Arme umschlangen Haythams Hals als wäre es die letzte Rettung.
Für einen Moment stand ich heulend daneben, weil es einfach ein wunderschöner Anblick war. Neben mir tauchte Mrs. Wallace auf, nahm meinen Arm und drückte ihn. In ihren Augen sah ich, dass sie nichts anderes erwartet hatte.

 

Wir gehörten alle in welcher Form auch immer zusammen!

Kapitel 22

 

~~~ Jugendsünden und Erziehungsfragen ~~~

 

 

An diesem Abend war an Schlaf kaum zu denken, weil beide Kinder irgendwie unruhig waren. Also veranstalteten wir ein Familienkuscheln in unserem Schlafzimmer.
Edward erzählte von seinen Abenteuern, während Florence ihm wie gebannt zuhörte.
„Und dann haben wir mit einem spitzen Holzstock Fische versucht zu fangen, aber nur Nathaniel und ich konnten das!“ diese Beute hatten sie dann mit den staunenden Mädchen geteilt, nachdem jemand einen Feuerstein und Zunder besorgt hatte.
Dieser Abend verging einmal mit Geschichten meines Sohnes, welche mit so viel Phantasie erzählte wurden, dass man wirklich meinen könnte, man wäre dabei gewesen!
Aber irgendwann waren beide dann übermüdet eingeschlafen. Florence hing halb auf Haytham, während Edward auf meinen Oberschenkeln eingeschlafen war.
„So kann ich mich nicht bewegen…“ ich versuchte flüsternd mein Kichern zu unterdrücken. Nicht so leicht!
„Also ich kann mich nicht beklagen.“ hörte ich meinen Mann gähnend sagen, während er sich ausgiebig streckte. Fehlte eigentlich nur die herausgestreckte Zunge.

 

Ich wurde von einem leisen Gemurmel geweckt.
Als ich mich umsah, saßen Florence und Edward am Fußende und spielten mit ihren Kuscheltieren.
„Guten Morgen ihr beiden!“ flüsterte ich, weil ich… vergesst es! Haytham war bereits wach!
Es dauerte auch nicht lange, bis die Kindermädchen an die Tür klopften.
„Master Edward, kommt. Ihr müsst euch für die Andacht fertig machen.“ sprach Sybill tadelnd, während Sophia eine gähnende Florence in ihre Obhut nahm.
Oh nein, es war schon wieder soweit? Entschuldigt, ich bin ungerecht.
„Leider haben wir gerade keine Zeit für …“ seine Lippen überzogen kurzerhand meine Brüste mit Küssen, so das ich wusste, dass wir dies später nachholen würden.

 

Auf dem Heimweg von der Andacht, bei welcher Mr. Hathaway mahnende Worte an die jungen Herren der Gemeinde gerichtet hatte, erzählte uns Sybill noch von einigen anderen erfreulicheren Dingen während unserer Abwesenheit.
Es gab Nachwuchs bei einem Pächter-Ehepaar, außerdem hatte es einen Büchsenmacher hierher verschlagen. Er kam aus dem Norden, woher wusste Sybill leider nicht. Aber er hatte viel Erfahrung bei der Pelztierjagd, beschäftigte sich demnach mit Scharfschützen-Gewehren. Das würde uns mal wieder zu Gute kommen.

 

Die nächsten Tage zerrten an meinen und Haythams Nerven! Edward fragte im Minutentakt, wann Walka wieder ins Haus dürfte.
„Wenn du noch einmal fragst, hänge ich noch einen Tag daran.“ kam es irgendwann ungehalten von meinem Mann.
„Das…“ bei dem Blick seines Vaters verstummte er augenblicklich und verkrümelte sich nach draußen. Im Grunde wussten wir, dass er beim Zwinger bei seiner Walka war.

 

Dann stand der 3. Geburtstag von Florence an. Wieder einmal überkam mich eine gewisse Wehmut, wenn ich an ihre Geburt dachte.
Der 4. Juli… sie würde tatsächlich mit der Unabhängigkeitserklärung ihren Ehrentag feiern dürfen. Gedankenverloren sah ich dabei auf meine Tochter, welche im Garten in ihrem Beet mit Sophia und einer Magd werkelte.

 

„Die Unabhängigkeitserklärung?“ hörte ich plötzlich Haytham hinter mir und drehte mich erschrocken herum.
„Kannst du das offen Buch nicht einfach auch mal übersehen, mi amor?“ grinste ich ihn breit an.
„Nein, es ist einfach zu spannend!“ dieses spitzbübische Grinsen war hinreißend. „Und jetzt sag mir, was es damit auf sich hat.“

 

Nun gut, ich erklärte es ihm, genau wie ich auch gleichzeitig betonte, dass wir noch einen winzigen Einfluss haben werden bezüglich Lee und Washington. Alles andere werden wir, ich selber auch!, in den nächsten Jahren dann ausarbeiten müssen.
Vorhersagen, was ich noch tun konnte, stand nicht in meiner Macht.
„Aber im Grunde ist das ein großartiger Erfolg oder nicht? King George kann ja nicht ewig so mit uns herum springen!“ Haytham sah sich natürlich als der Kolonist, welcher von seinem König mit Steuern bombardiert wurde. Verständlich, auch ich musste damit erst einmal leben.
Leider konnte ich nicht alle unterzeichnenden Herren aufzählen, weil mir da ein wenig das geschichtliche Wissen fehlte. Aber die wichtigsten wie Washington, Franklin, Amherst, Jefferson, Hamilton oder auch Adams waren einfach die bekanntesten Persönlichkeiten!
„Du wirst auch bei der Unterzeichnung dabei sein, Haytham. Auch wenn deine Unterschrift nicht auf dem Papier ist. Aber du wirst Zeuge sein.“ flüsterte ich, weil ich das noch aus, wenn auch etwas versteckten, Dokumenten wusste.
Bei diesen Worten begannen seine Augen zu leuchten.
„Wirklich? Ich… das ist eine große Ehre, nehme ich an?“ damit traf er den Nagel auf den Kopf, wenn auch das Ganze erst ab da wirklich in Fahrt kam. „Aber wer wird dann das Oberhaupt dieser Nation?“

 

Für einen kleinen Moment starrte ich ihn entsetzt an. Sollte ich ihm sagen, dass George Washington der erste gewählte Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte? Wirklich gut zusprechen war er nicht auf den Mann. Auch wenn er ihn schon mal lobend erwähnte.
„In ein paar Jahren werde ich dir das erst sagen, Haytham.“ wir waren an einem Punkt, an welchem ich wirklich nicht so vorgreifen durfte. Connor musste noch mit Washington seinen eigenen Konflikt austragen. Vorher sollte ich mich bedeckt halten!
„Ich vermute, jeder spekuliert auf irgend jemanden. Charles wird es sicherlich nicht werden, aber ich hoffe, dass wir seine Position in der Armee noch weiter ausbauen können…“ das hörte ich von Haytham, während ich versuchte mich nicht zu verplappern. „Jesus, du siehst aus, als müsstest du mir einen Mord gestehen!“ in Haythams Augen sah ich diese Skepsis.
„Nein, keine Sorge…“ flüsterte ich. Aber im Grunde hatte er mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.

 

Die Bradshaws waren neben dem Duke und einigen Nachbarn ebenfalls an diesem Ehrentag mit anwesend. Man hatte noch ein paar kleinere Geschäfte zu besprechen, weswegen es eher ein Überraschungsbesuch der beiden war.
„Miss Florence, ihr seht zum Anbeißen aus.“ kam es lachend von Loki, als er sie hochhob um sie zu umarmen. Ihr lautes Gequietsche hörte man vermutlich bis nach Kanada… das es noch nicht so gab!
Unsere Tochter hatte die volle Aufmerksamkeit an diesem Tag, von allen. Was aber Edward Junior irgendwann zu blöd wurde und er, mal wieder, mit ein paar Jungs in einer stillen Ecke verschwand.

 

Ohhhh nein… ich ging hinterher, weil ich das Risiko eines Streits heute aus dem Weg gehen wollte.
Aber… die jungen Herren standen hinter dem Geräteschuppen und… Bei Odin… sie rauchten!
„EDWARD!“ fauchte ich, als ich um die Ecke trat.
Alle anderen standen stocksteif da und starrten in meine Richtung!
„Ähm!“
„Ich… das…“
„Wir haben nur…“
„Sagt nichts unseren Eltern…“
Sie alle stammelten nur kurze Sätze!
Bevor ich jedoch etwas erwidern konnte, erbrach sich mein Sohn hustend. Pfeifentabak sollte man nicht inhalieren! Das wusste jedes Kind… ha, welch Ironie. Hier wusste man das alles noch nicht.

 

Ich scheuchte die anderen Kinder zu ihren Eltern, während ich Edward festhielt als er sich immer noch stoßweise übergab.
„Ich hoffe, das ist dir eine Lehre! Rauchen, in egal welcher Art, ist totaler Blödsinn!“ ich war in meine Mutterrolle gefallen und tadelte ihn wütend. Ich selber hatte das Rauchen aufgegeben und wusste, wie man sich MIT dem Dunst fühlte, aber auch OHNE!
„Mir ist…“ ein Würgen… „… so…“ er krampfte wieder zusammen… „...schlecht“ jammerte er im Anschluss.
„Das geschieht dir recht. Komm jetzt, ab ins Bett. Tabea macht dir noch einen Tee für den Magen! Wage es aber nicht, noch einmal nach unten zu kommen. Hast du mich gehört?“ meine Stimme war lauter geworden, ich hoffte, dass Edward es auch verstanden hatte.
„Ich bin aber noch nicht…“ wieder hörte ich ihn würgen! „Ich geh schon, Mama.“ flüsternd kam dann noch „Liest du mir noch etwas vor?"
Seufzend stimmte ich zu, weil ich meinen kleinen Schatz auch nicht so leiden sehen konnte.

 

Nachdem er dann eingeschlafen war, Florence auch mittlerweile im Bett war, saßen wir Erwachsenen noch beisammen.
Mittlerweile hatte anscheinend jeder so seine Probleme mit den heranwachsenden Kindern. Entweder sie probierten heimlich vom Rumtopf, oder stibitzten, wie in Edwards Falle, den Pfeifentabak. Sogar einige der jungen Mädchen waren mit von der Partie.
„Wo soll das mit den jungen Menschen denn noch hinführen?“ hörte ich eine Mutter fragen.
„Es wird immer schlimmer mit ihnen!“ kam es von einem anderen Vater.
„Respekt fehlt ihnen, ganz eindeutig. Die Jugend wird immer undankbarer.“ vernahmen wir von einem anderem Ehepaar.

 

Jedes Jahrhundert, jede Epoche dachte exakt so über die „Jugend“. Aber im Grunde, wir sollten es uns eingestehen, war es auch immer ein kleiner Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit, oder nicht.
Diese „Rebellen“ ebneten einer anderen Generation neue Wege! Große Geschwister öffneten den Weg für die kleinen Geschwister, weil die ELTERN gelernt hatten. Somit war der Kreislauf des Lebens gesichert.
Man gab alles an die „jüngeren“ weiter. So wird es auch immer bleiben!

 

Später in unserem Schlafzimmer fühlte ich Tyrs Gegenwart, genauso wie ich Thyras Präsenz wahrnahm.
„Auch wir haben damals die neue Generation kritisch beäugt…“ hörte ich den Kriegsgott sagen.
„Natürlich, das ist auch gut so. Wir brauchen unerschrockene Gemüter auf dem Schlachtfeld!“ kam es von Thyra, ohne dass ich noch etwas dazu beitragen konnte.
Es war… seltsam. Ich stand vor meinem Mann und sah zu ihm auf.
Plötzlich verband sich wieder alles und wir konnten uns im wahrsten Sinne des Wortes vereinen!
Mein Mann ließ mich den Kriegsgott spüren, ebenso bekam er umgekehrt meine kleine Wikingerin.
Für einen Moment war es, als würden wir in dieser abgelegenen Höhle unsere Vereinigung haben. Ich fühlte die Felle unter mir, die nasse Kälte um uns…
„Lass mich dich wärmen…“ raunte mein Templer an meinem Ohr, während seine warmen Hände meinen Körper erkundeten.
Es war wie losgelöst, wir waren in diesem Moment in Wessex, wir waren Hemsleth und Thyra. Diese Momente hatte ich nie so bewusst erlebt, aber sie waren unglaublich.
Und Plötzlich ließ man uns in diese Welt eintauchen! Wir waren in dieser Höhle, lagen auf diesen Fellen und liebten uns!
Beide genossen wir diese kleine Reise, diese Auszeit, wenn sie auch nur kurz sein würde.

 

Als wir in den frühen Morgenstunden wieder erwachten, sah ich in die klaren grauen Augen meines Mannes.
„Lass uns diese Höhle suchen, Alex. Ich will wissen, wo sie ist.“
„Aber wo sollen wir anfangen? Ich weiß nur, es war in der Nähe von London…“ er unterbrach mich.
„Das weiß ich bereits, aber es könnte ein kleines Gebirgsmassiv sein…“ Haytham erzählte, wo er es vermutete und wie wir dorthin gelangen konnten.
Frustriert und OHNE Koffein fragte ich nörgelnd, ob das nicht noch warten könnte. Dieser Mann machte einen manchmal wahnsinnig.
„Gut, erst dein Kaffee, dann werden wir uns damit befassen.“ beschwingt stand er auf… nackt…
Seufzend lehnte ich am Kopfende und sah ihm zu, wie er sich das Gesicht wusch.
„Der Kaffee alleine wird heute nicht reichen, Master Kenway!“ säuselte ich lasziv in seine Richtung.
„Oh? Ich muss euch wohl noch einmal verdeutlichen, dass ich…“ aber ich bedeckte seine Lippen mit meinem Mund, als er wieder auf das Bett kam.
Wenig später fühlte ich mich fast so, als hätte ich einen Koffeinschub.
Vor der Tür hörten wir bereits die Kinder und einige Gäste miteinander reden. Auch wir sollten uns fertig machen.

 

Kapitel 23

 

~~~ Die Isu in Mrs Mullers Geist ~~~

 

Es wurde immer anstrengender mit Edward. Ich möchte es nicht als leicht beeinflussbar bezeichnen, aber ihm gefielen die Ideen seiner Freunde, welche sich immer neue Streiche einfallen ließen.
Aber umgekehrt war er ein guter Schüler, was mir auch immer wieder Mr. Hathaway versicherte, sogar in Mathematik machte er große Fortschritte.
An einem Abend, als Haytham von seiner Tour der Ernteaufsicht wieder daheim war, verschwand unser Sohn plötzlich still und heimlich.
„Ist etwas mit Edward, mi sol?“ fragte mein Templer besorgt und sah sich um.
„Ich… ich weiß es nicht.“ gab ich leise von mir, weil ich befürchtete, dass der kleine Kenway wieder irgend etwas ausgeheckt hatte, was ihm eine Strafe einbringen könnte.
Haytham ging nach oben und ließ sich von Michael fürs Abendessen umziehen und ich meinerseits, ging Edward suchen.

 

Ich fand ihn bei seinem Hengst Darius.
„Ich wollte das doch nicht… jetzt wird Vater wieder wütend sein und… Walka muss wieder alleine draußen bleiben…“ hörte ich die schniefenden Worte meines Sohnes.
Langsam näherte ich mich den beiden und sah, wie er seinen Kopf an das Pferd schmiegte und vorsichtig über das Fell strich.
„Min lille skat, was ist passiert?“ fragte ich leise und trat näher.
Erschrocken sahen mich diese blaugrauen Augen an.
„Mama! Was… es ist nichts!“ stammelte er und wandt sich um zum Tor. Bevor er aber verschwinden konnte hielt ich ihn auf.
„Edward! Was ist passiert? Wir werden es doch eh erfahren! Sag was geschehen ist.“ versuchte ich ihn zu ermuntern zu berichten.
„Wir… ich… also…“ stotterte Edward ängstlich. „Ich habe… Gilbert hatte sich mit dem Jagdmesser seines Vaters geschnitten und… wir wussten nicht was wir tun sollten… Sein Vater hatte ihm verboten damit zu spielen…“ verzweifelt sah er in meine Augen. „Ich … Ich weiß, Mutter Idun hat es mir verboten… aber Gilbert ist einfach umgefallen und das Blut aus seiner Hand… Mama, das war unheimlich! Ich … wollte dass es ihm wieder gut geht… ich habe ihm doch nur geholfen!“

 

Edward Junior hatte seine Heilungskräfte auf Gilbert wirken lassen während die anderen Kinder ebenfalls anwesend waren. Sie alle waren zuerst entsetzt zurück gewichen, als sie sahen, wie sich seine Haut mit diesem goldenen Schimmer, den Zeichen überzog und sich die Wunden ihres Freundes langsam schlossen.
„Jessie fragte welchem Hexenkult wir angehören würden, weil ich wüsste, wie man jemanden heilt. Er meinte, dass seine Mutter ganz viele Kräuter und so zuhause hat, die genauso helfen. Aber sie traute sich wohl nicht, uns das auch zu zeigen. Mama… warum darf man nicht heilen?“
Bei dieser pragmatischen Frage sah ich meinen Sohn lange an und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.
„Die Zeit ist einfach noch nicht soweit derlei Können ohne Zweifel und Vorbehalte zuzulassen. DU beherrscht etwas, das NIEMAND sonst kann, Edward. Jessies Mutter ist, wie Tante Faith, eine Heilerin! Sie tut nichts böses, sie ist auch keine Hexe oder ähnliches. Und DU bist auch nicht böse oder verflucht. Aber…“ ich seufzte tief. „… min lille skat! Du weißt doch, dass du ein ganz besonderes Talent hast. Du musst vorsichtig sein!“
Wir gingen langsam zurück zum Haus, weil ich befürchtete, dass mein Gatte bereits davon erfahren hatte.

 

In der Eingangshalle kam er schon aus seinem Arbeitszimmer geschossen und funkelte Edward böse an.
„Was hast du dieses mal zu deiner Verteidigung zu sagen?“ fauchte er unserem Sohn entgegen.
„Ich weiß, dass ich nicht darüber nachgedacht habe. Aber… Gilbert wäre sonst vielleicht gestorben…“ flüsterte Edward leise und ich sah diese Angst um seinen Freund in seinen Augen.
Die Hände auf dem Rücken verschränkt wanderte Haytham nun vor seinem Sohn auf und ab.
Bitte, lass das sein, dachte ich im Stillen!
„Wie erklärst du ihnen diese plötzliche Heilung, Edward?“ in seiner Stimme klang wieder dieser Oberlehrerton mit, welcher einfach unangenehm war.
„Genauso wie Jessies Mutter auch die Genesung von Nathaniel erklärt hat. Sie hat gesagt, dass Geduld, Ruhe und der Glaube an die Genesung das wichtigste seien!“ Unser Sohn stand plötzlich mit erhobenem Haupt vor seinem Vater und trotzte jedem steinernen Blick!

 

„Mi sol, ich wünsche diese Frau umgehend zu sprechen!“ damit drehte er sich ohne weitere Worte um und ging in sein Arbeitszimmer zurück.
Ich hingegen hieß Edward hinauf zugehen, damit Sybill ihn fürs Abendessen umziehen konnte.
Ich ging hinaus und rief nach einem Diener, welcher Jessies Mutter bitten sollte, umgehend hier vorstellig zu werden.
Das Abendessen fiel entsprechend schweigsam aus, was auch Florence nicht entging. Trotzdem fragte sie unentwegt, ob ihr Vater morgen wieder mit ihr den Adlersinn trainiert und ob die beiden dann auch wieder Versteck-spielen üben würden.
Abwesend gab Haytham zur Antwort „Ja… das werden wir wohl…“ sah aber zu seinem Sohn, welcher immer kleiner wurde auf seinem Stuhl.

 

Beide Kinder waren im Bett, als Jessies Mutter erschien. Verständlicherweise brachte auch sie erst die Kinder zu Bett, ehe sie uns aufsuchen konnte. Aber … mein Mann war einfach ungehalten und konnte wieder seine anerzogene Disziplin nicht ablegen. Beruhigend legte ich ihm meine Hand auf den Arm, als die Dame eintrat.
Zögerlich nahm sie auf dem Sofa Platz und sah uns nervös an.
„Mrs Muller, wie mir zu Ohren gekommen ist, habt ihr den Kindern von irgendwelchen Wunderheilungen berichtet?“ hörte ich Haytham lauernd sagen, während er die Frau vor sich musterte. Ohne darüber nachzudenken tat ich es ihm gleich, aber ihre Aura war neutral, nichts auffälliges konnte ich wahrnehmen.
„Sir, Master Kenway, bei allem Respekt. Ich habe ihnen nur versucht zu erklären, dass… Heilung Zeit braucht, gute Fürsorge und heilende Kräuter.“ erklärte sie sich leise und sah wieder auf ihre Hände im Schoß.
„Warum habt ihr dann Gilbert nicht geholfen, als er diesen tiefen Schnitt hatte? Wo wart ihr in diesem Moment? Oder seid ihr erst später zufällig dazu gekommen, als er sich verletzt hat?“ weiter sah er sie musternd an, aber seine Haltung hatte an Spannung zugenommen.
„Die Kinder brachten ihn nachdem… Edward die erste Versorgung übernommen hatte, zu mir. Glaubt mir, Master Edward hat nichts schlimmes getan! Ich sah schon einmal in… meinen Träumen diese Art der Heilkunst.“ jetzt wurde ihre Stimme zittrig. Ihr Blick glitt vorsichtig hinauf zu Haytham, der sich auf einen Sessel vor Mrs Muller setzte.
„Ihr meint eine Art Vision? Habt ihr solche schon öfter erlebt?“ diese kalte Tonlage ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen!

 

Plötzlich sah die Frau mir direkt in die Augen, an ihrer Haltung konnte ich erahnen, dass sie um die richtigen Worte rang.
„Ja, Sir. Ich… träume oft von seltsamen Dingen…“ stockend brach sie ab, aber sah mich weiterhin an. „Bitte, ich bin nicht verrückt oder… noch schlimmer, mit dem Teufel im Bunde! Ich schwöre…“ sie klang verzweifelt, weil sie Angst hatte, wir würden sie tatsächlich als Hexe brandmarken wollen!
„Mrs Muller, wenn dem so ist, dann erzählt mir davon. WAS seht ihr? Vielleicht … kann man aus den Bildern etwas herleiten…“ versuchte ich die Dame zu beruhigen. „Auch ich kenne so etwas und seid versichert, wir glauben nicht, dass ihr einen Packt mit dem Herrn der Unterwelt geschlossen habt. Mein Sohn erzählte von euren Kräutern und dass ihr auch schon anderen geholfen habt."​​
„Mistress Kenway, aber die Dinge die ich sehe sind völlig surreal! Ihr werdet mir meine Kinder wegnehmen und mich verbannen!“ mit einem Satz war sie aufgesprungen und wollte hinaus rennen. Haytham konnte sie aber aufhalten!

 

„Wartet, Mrs Muller! WER hat euch gesagt, dass wir so eine Art der Bestrafung praktizieren?“ hakte mein Mann jetzt wesentlich freundlicher nach, weil er spürte, dass seine Templerrolle gerade nicht gefragt war.
„Ich… habe es gesehen!“ schluchzte sie und hielt sich die Hände vors Gesicht.
Ich sah zu Haytham, welcher mich ebenso fragend ansah.
„Mrs Muller, ihr habt von solchen Strafen geträumt?“ mir kräuselten sich die Nackenhaare, weil ich befürchten musste, dass hier unser Erzfeind Hrymr seine Finger mit im Spiel haben könnte.
„Ja…“ hauchte sie stockend. „Es war, als wäre ich dabei gewesen. Ich … konnte alles fühlen und riechen …“
Ich ermunterte sie, weiter zusprechen, indem ich sie wieder auf das Sofa zuschob.
In diesem Moment kam mir ein etwas absonderlicher Gedanke. Wenn ich ihr den Vorschlag machte, sie zu hypnotisieren um an diesen Bildern teilhaben zu können, hoffte ich, sie würde dem zustimmen! Etwas skeptisch willigte sie ein und ich setzte mich neben sie, nahm ihre Hand in meine. Langsam drang ich in ihren Geist, während Haytham die Frau mit dem Adlerblick im Auge behielt. Sicher ist sicher!

 

Wie bereits vermutet, herrschte Ruhe in ihrem Kopf. Die Gänge waren nicht verworren, sie waren geradlinig und übersichtlich. Langsam schritt ich weiter, öffnete hier und da eine Tür, aber es waren lediglich Erinnerungen an die Geburten ihrer Kinder zum Beispiel, an ihre Hochzeit und so weiter.
Ich wollte schon wieder auftauchen, als ein abseits gelegener dunkler Gang meine Aufmerksamkeit erregte. Als ich um die Ecke trat, sah ich verschwommene Gestalten umher laufen. Es sah aus, als würde ich in ein Feuer schauen, so flimmerten die Bilder dort.
Mit einem Mal hörte ich aber deutliche Stimmen von zwei Herren, welche sich zu streiten schienen. Je näher ich kam, desto mehr spürte ich ein elektrisches Kribbeln auf meiner Haut! Isu! Schoss es mir in den Kopf.
„Wir sollten hier nicht länger verweilen, du siehst, was du angerichtet hast.“ fauchte der eine.
„Aber wir sind noch nicht am Ziel, wir müssen diesen Jungen überzeugen, dass er hier nicht hingehört. Er muss glauben, dass er auf unserer Seite besser aufgehoben ist.“ erklärte sich der andere wütend.
„Und dann? Wie willst du erklären, dass diese Sterbliche ihn mit sich nimmt? Dieses Weib ist unwissend…“ immer noch war die Stimme dieses Mannes ungehalten.
„Das ist das nächste Problem. Sie merkt langsam, dass… etwas nicht stimmt. Deswegen müssen wir schnell handeln! Wir müssen hier schnellstmöglich weg! Aber OHNE dieses Kind geht es nicht!“ worauf wollte er hinaus? Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun, weil ich keine Verbindung sah, die auf uns und Mrs Muller hindeuten könnte.

 

Gerade als der andere wieder ansetzen wollte, drehten sich beide erschrocken in meine Richtung!
„Verdammt! Ich habs dir gesagt! Wir waren zu langsam!“ schrie er, zog eine seltsame Waffe aus seinem Gürtel und rannte auf mich zu. Sein Kumpan tat es ihm gleich.
Aber bevor die beiden bei mir waren, hatte auch ich mich bewaffnet! Ich hatte zusätzlich aber noch meinen eigenen Geist in Sicherheit gebracht. Je näher sie kamen, desto unangenehmer war das Gefühl auf meiner Haut!
„Diese Menschen sind mir immer noch ein Rätsel. Diese ganze Fürsorge für den Nachwuchs… das ist doch lästig!“ brüllte einer von ihnen. „Na komm schon, verteidige dich!“
Damit war der Kampf eröffnet, so dachte ich zumindest. Aber als hätte ich, wie damals in Versailles, die Zeit verlangsamt, konnte ich in Ruhe die beiden Angreifer betrachten und auch entwaffnen.

 

Sieh an mein Kind. Sie sind doch nicht so dumm, wie ich immer dachte. Diese Rasse ist lästig, wenn auch ab und an mal nützlich. Aber das kann man auch an zwei Fingern abzählen! Sprach mein Allvater abwertend und stand jetzt neben mir mit erhobener Hand. Die Szene stand jetzt komplett still!
WER ist das vor uns und warum belagern sie diese arme Frau? Hakte ich leicht gereizt nach, weil mal wieder nur kryptische Aussagen auf mich trafen.
Du siehst hier zwei Isu-Krieger vor dir, welche den Rang eines Latrinen-Aushebers haben! Dieses Lachen von Odin donnerte durch den ganzen Gang und ich befürchtete schon, dass mich das aus meiner Konzentration reißen könnte. Sie sollten anscheinend unseren kleinen Edward für ihre Sache gewinnen, ihn überzeugen, dass ich keine Macht über ihn habe. Sie schrecken einfach vor keinen unfairen Mitteln zurück. Dann müssen wir halt andere Seiten aufziehen und ihnen eine Lektion erteilen. Lass mich das mit Thor, weil er ja nun einmal der Pate deines Sohnes ist, übernehmen.
Diese Männer vor uns sollten also eine harmlose Heilerin benutzen um unserem Sohn ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie ebenso davon ausgehen konnten, dass Haytham ihn für seine unbedachte Art bestrafen würde. Doch so leicht ließ sich Edward nicht beeinflussen, das hatte er vorhin bewiesen, als er seinem Vater fest in die Augen sehen konnte.
Ich wurde jetzt Zeuge, nicht nur ich, auch Haytham bekam die Bilder zu sehen, wie Thor und Odin sich diese beiden Isu zur Brust nahmen. Sie taten mir zwischenzeitlich schon bald leid, weil sie sich gegen Blitze, Druckwellen, Speere, Schwerter und allgemeiner göttlicher Kraft gegenüber sahen.
Der Donnergott zeigte kein Erbarmen, als er dem linken Angreifer den Schädel zertrümmerte, während dieser von ihm an die Wand gedrückt wurde.
Ebenso musste sich der andere Herr ebenso geschlagen geben, als ihn der Allvater nach einem schnellen Schlagabtausch mit dem Speer regelrecht auf dem Boden aufspießte.

 

Du weißt, was du jetzt zu tun hast! Sprach Odin zufrieden aber leicht außer Atem zu mir.
Ja, ich wusste, dass ich Mrs Muller nun diese Illusionen nehmen musste, damit sie die Heilerin, liebende Mutter und Ehefrau wieder war, als die sie hier jeder in der Gemeinde kannte.
Man hatte ihr also diese „Visionen“ geschickt um sie glauben zu lassen, dass sie sich alsbald absetzen musste. Sie sollte das Gefühl haben, nicht mehr willkommen zu sein! Gemeinsam mit unserem Sohn sollte sie dann verschwinden. Ich bezweifelte aber weiterhin, dass Edward da mit gespielt hätte.

 

Langsam tauchte ich im Arbeitszimmer von Haytham wieder auf und sah die Dame vor mir musternd an. Ihre Aura war in ein Blaugold umsprungen und diese hinterließ auf meiner Haut ein warmes Kribbeln. Da hatte man dieser Frau also ein kleines bisschen göttliche Gabe überlassen.
Sie hat es verdient, weil sie sich der Heilkunst, wie sie Freya zum Beispiel nutzt, verschrieben hat. Sie ehrt uns, genau wie auch du uns zugetan bist, mein Kind. Mit diesen leisen aber doch zufriedenen Worten verschwand der Gottvater wieder.

 

Kapitel 24

 

*** Heilerin unter Isu-Einfluss ***

 

„Mistress Kenway! Habt ihr das auch gespürt?“ fragte Mrs Muller erstaunt aber leise nach.
Mit einem Lächeln konnte ich sie beruhigen und sagte ihr, dass auch ich unsere Götter um uns gespürt habe. Im gleichen Zuge erwähnte ich auch, dass ich eine enge Verbundenheit zu der nordischen Mythologie habe.
„Das beruhigt mich.“ seufzte sie tief, als sich ihr Körper entspannte. „Verzeiht, Master Kenway. Ich konnte ja nicht wissen, warum ihr mich sprechen wolltet.“ fragend sah ich sie an.
„Mrs Muller, auch ich habe mich zu entschuldigen. Aber versteht meine Angst um meinen Sohn. Er ist fasziniert davon, jemandem eine Wunde zu versorgen und den Prozess der Heilung dann beobachten zu können. Ich musste aber davon ausgehen, dass ihr… andere Praktiken anwendet. Aber jetzt wissen wir um eure Fähigkeiten und es ist immer gut noch eine weiter Person hier in der Gemeinde zu haben, welche im Notfall ebenso zur Hilfe kommen kann.“ DAS hatte Haytham jetzt sehr geschickt umschrieben und ich sah, dass die Dame vor uns mehr als erleichtert war.
Für sie waren jetzt die Visionen und seltsamen Träume Geschichte und ich hoffte, dass auch wir nicht mehr auf Isu in den Köpfen unserer Arbeiter oder Pächter stoßen würden.

 

Als wir sie verabschiedet hatten, saßen wir noch beisammen, weil uns beiden noch der Kopf schwirrte.
„Warum wollen uns jetzt diese Vorläufer auch noch an den Kragen? Wir sollten doch mit ihnen gemeinsam, gerade auch wegen Faith, eine Sicherheit für die Menschen schaffen.“ grübelte mein Mann jetzt laut vor sich hin, während er ein Glas Whiskey in der Hand schwenkte.
„Vielleicht sollten diese beiden Herrschaften einen Keil zwischen die Zusammenarbeit treiben, damit eine Seite der anderen immer mehr misstraut! Vermutlich gibt es auch auf Seiten der Götter, ob nun Isu oder Nord, Widersacher, die einer Übereinkunft nicht wohlgesonnen sind.“ seufzte ich und lehnte mich an meinen Mann.
„Also müssen wir auch darauf ein Auge haben?“ auch er klang leicht genervt.
„Darauf wird es wohl hinauslaufen.“ sagte ich leise, dabei lief es mir eiskalt den Rücken herunter, weil ich befürchtete, dem Ganzen irgendwann einfach nicht mehr gerecht werden zu können. Auf der anderen Seite waren wir nicht alleine, wir könnten noch weitere Personen für diese „Überwachung“ mit einbeziehen.
„Wir müssen dringend Edward und Florence weiter aufklären, mi sol. Ich möchte nicht, dass sie irgendwann diesen Vorläufern völlig unwissend gegenüberstehen.“
Haytham hatte Recht, die nächsten Lektionen für unsere Kinder.

 

In dieser Nacht tat ich nicht wirklich ein Auge zu, weil mir ein Bild in Mrs Mullers Geist nicht aus dem Kopf wollte.
Die Dame hatte tatsächlich meine Heimatstadt gesehen, so wie ich sie damals verlassen hatte. Kurze sekundenschnelle Bildaufläufe zeigten meine Wohnung, die Umgebung, meinen Arbeitsplatz und so weiter. Ich hatte Haytham nichts davon berichtet, weil… ja, weil ich selber nicht wusste, was ich davon halten sollte.
Diese beiden Vorläufer schienen also genauestens informiert zu sein, woher ich kam. Schon in meiner Zeit war uns klar, dass die Isu eine mächtige Technologie beherrschten, welche wir sterblichen nie erreichen würden.
Ich ging jetzt davon aus, dass es keine „echten“ Zeitreisenden wie ich waren, sondern diese Herrschaften über die DNA anderer Isu gespeist wurden. So etwas hatte ich nämlich einmal in einem Bericht von Tobias gelesen, welcher sich mit dieser Rasse ausführlich befasste.
Dennoch blieb ein fader Nachgeschmack bei dem Gedanken, dass wir nie vor anderen Zeitreisenden sicher waren.

 

~~~ Wir bekommen Besuch ~~~

25. Februar 1770

 

In den letzten Wochen wurde ich zusehends nervöser, weil ein geschichtliches Ereignis anstand vor dem ich bereits gewarnt hatte.
Das
Boston Massaker! März diesen Jahre
Die Söhne der Freiheit dort waren informiert worden, sich an diesen Tagen jeglichen Versammlungen, Aufläufen oder Demonstrationen fernzuhalten! Außerdem hatte ich mit Master Davenport diesbezüglich noch korrespondiert und er versicherte mir, dass er vorher mit dem jungen Connor in die Stadt reisen würde für die Besorgungen. Das ließ mich ein wenig aufatmen. Auch wenn ich wusste, dass bis in „meine“ Zeit nie der oder die Schuldigen gefunden werden würden. Der erste Schuss blieb ein Rätsel.
Mittlerweile war mir aber leider zu Ohren gekommen, dass Charles Lee wieder in den Kolonien war und sich nach einer für sich passenden Bleibe umsah. Mein Mann hatte mir davon berichtet.

Mi sol, ja ich weiß! Ich habe ihm geraten sich im Landesinnere eine entsprechende Plantage zu suchen. Mir ist auch eine für ihn passend eingefallen. Keine Sorge, er wird nicht direkt neben uns wohnen!“ versicherte mir Haytham immer wieder, als er meine Besorgnis bemerkte.

 

Florence hatte sich zu einer Botanikerin gemausert. Sie liebte ihre Kräuter, ihre Beete und ließ sich alles genauestens erklären. Ich war dazu übergangen Mrs Muller zu Rate zu ziehen, weil sie sich ebenso hervorragend auskannte und meine Tochter war ihr sehr zugetan!
Es gab einige Nachmittage an denen die beiden in die Wälder gingen, natürlich nur mit einer Wache und dem Kindermädchen!, um neue Samen zu finden. Was wirklich mehr als nützlich war, Jessies Mutter zeigte ihr auch gleich, welche Pilze essbar waren und welche man nicht anfassen sollte.
An einem Abend als sie nach Hause kamen, reichte mir Mrs Muller ein kleines Buch. Dort hatte sie einige Aufzeichnungen verfasst, die meiner Tochter noch nützlich sein könnten.

Mistress Kenway, ich denke Miss Florence ist soweit, dass sie anhand der Bilder schon erkennen kann, welche Pflanzen heilen und welche den Tod bringen können. Ich möchte, dass sie dieses kleine Leitwerk bei sich trägt. Es ist wichtig. Später kann eure Tochter dann auch noch selber etwas dazu beitragen.“ Ihre Stimme war regelrecht glücklich, aber ich wusste, dass ihre Söhne nicht von dieser Kräuterkunde angetan waren. Sie wollten lieber in die Schlacht ziehen! Jungs halt, dachte ich resigniert.
Florence bedankte sich bei der Dame noch und begann sich die Zeichnungen anzusehen, ohne ein weiteres Wort zu sprechen.

 

Am heutigen Nachmittag saßen wir im Wintergarten beisammen, weil es recht stürmisch und kalt draußen war. Edward hatte leider noch eine Strafarbeit nachzuarbeiten für Mr Hathaway, weil er mit seinen dreckigen Stiefeln auf dessen Pult gesprungen war um zu verkünden, dass er besser predigen könnte als Mr Hathaway. Dafür musste er nun 100mal auf ein Blatt schreiben „Ich darf nicht den Lehrer und Prediger beleidigen“
Ich sah, wie Haytham mit, im wahrsten Sinne des Wortes, Adleraugen über diese Aufgabe wachte, während ich Florence noch erklärte, wie man aus verschiedenen Kräutern einen Tee oder auch eine schmackhafte Suppe machen konnte.
Immer wieder hörte ich ein genervtes Schnauben, weil Edward die Finger langsam wehtaten, Haytham hingegen ermahnte ihn sich zu beeilen, sonst würde er beim Abendessen zusehen müssen!

Mama, wie schmeckt Minze?“ riss mich unsere Tochter aus meinen Gedanken.
Frisch, min lille engel. Schwer zu beschreiben, es fühlt sich etwas kalt auf der Zunge an, aber es erfrischt den Hals. Wenn man einen bösen Husten hat, macht man eine Salbe aus Minze und Fett und streicht sie über Brust und Rücken. Dadurch fällt das Atmen dann leichter.“ wie selbstverständlich gab ich mal wieder mein Wissen weiter und sah in große grüne Augen.
Du weißt aber viel!“ dieses Staunen in ihrer Stimme ging runter wie Öl.
Leider konnten wir uns dem Ganzen nicht weiter widmen, was Florence mit einem Schmollmund quittierte, wohingegen Edward erleichtert seufzte.

 

Mistress Kenway, Master Kenway! Es ist Besuch für euch eingetroffen. Master Achilles Davenport und der junge Master Connor.“ verkündete einer der Diener und stand wartend im Wintergarten.
Ich sah zu Haytham, welcher für den Bruchteil einer Sekunde einen erschrockenen Ausdruck im Gesicht hatte, dann aber wieder die Professionalität in Person war. Achilles hatte mir aber gar keine Benachrichtigung geschickt!

Mi sol, ich würde die beiden gerne ohne die Kinder begrüßen! Hörte ich ihn in meinem Kopf.
Auf der einen Seite konnte ich ihn verstehen, aber es war besser, wenn wir als die Familie auftraten, die wir auch waren. Connor gehörte, genau wie Yannick, einfach dazu. Das würde ich ihm gerne jetzt auch beweisen. Natürlich würde mein Mann noch ein bisschen brauchen, bis er sich an diesen neuen Umstand gewöhnt hatte.

Bitte, sie sollen eintreten.“ sprach Haytham vorsichtig. So habe ich ihn wirklich noch nicht erlebt. Aber auch ich war mehr als nervös! Nicht wegen Achilles und dem Konflikt mit Haytham, sondern…

 

Mein Mann sah zum ersten Mal seinen Sohn. Das Ergebnis aus seiner Beziehung zu Ziio! Auch ich würde diesen Jungen zum ersten Mal sehen und kennenlernen, so hoffte ich. In mir begann es zu kribbeln, mein ganzer Körper zitterte mit einem Male. Es wurde ernst, war ich aber schon soweit und konnte dem gerecht werden?
Die Zeit fehlte jetzt aber um in mich zu gehen und ein Mantra zu verfassen.

 

Dann traten sie ein!
Achilles gestützt auf seinen Gehstock und Connor, welcher dicht an seiner Seite ging.
Ich hatte Florence und Edward völlig vergessen, welche jetzt neben mir und Haytham standen und gebannt auf die beiden Besucher starrten.

Mama, ist das unser Bruder von dem Vater erzählt hat?“ flüsterte Edward leise, während seine Augen auf diesen Jungen gerichtet waren.
Ja, dass ist euer großer Bruder…“ sprach ich ebenso leise, weil meine Stimme plötzlich versagte.
Es war Achilles, welcher mir die Hand reichte, um sich und Connor vorzustellen.

Mrs Kenway, es freut mich, euch einmal wieder zusehen. Darf ich euch nun meinen Schüler Connor vorstellen.“ Dieser Mann war gefasst und seine Stimme war fest, als er auch zu Haytham sah.
Dieser sah gebannt auf seinen Sohn, brachte aber tatsächlich keinen Ton heraus! Fürs erste!

 

Connor reichte auch mir zögerlich die Hand und begrüßte mich höflich. Seine Stimme hatte einen warmen tiefen Klang, welche ihn sehr sympathisch machte.
Als mein Mann sich wieder rührte und seine Sprache wieder gefunden hatte, kam er seinen Manieren als Hausherr endlich nach, was ihm ein verschmitztes Grinsen des alten Assassinen einbrachte.

Master Davenport, es freut mich euch hier begrüßen zu dürfen. Darf ich euch … unsere Kinder vorstellen.“ Die Pause war nicht zu überhören!
Bis jetzt hatte der junge Indianer noch nicht viel gesprochen, aber als ihn Haytham jetzt direkt ansprach, sah man wie sie sich musterten.
Leider hatte ich kein Bild von Ziio um Vergleiche zu ziehen, also suchte ich nach Ähnlichkeiten zu meinem Templer. Sie waren vorhanden, wenn auch recht versteckt. Beide waren annähernd gleich groß, Connors Statur war aber „stabiler“, eben weil er viel in der Natur aufgewachsen ist und sich dort beweisen musste. Sein Gesicht hatte, wie Haythams auch, eine gewisse aristokratische Form.

Connor, endlich können wir uns kennenlernen. Ich gehe davon aus, dass deine Mutter dir aber einen anderen Namen gegeben haben wird?“ Der Hausherr hatte sich wieder im Griff und ging in seine disziplinierte Art über.

 

Bevor wir aber das Gespräch im Stehen weiter führen würden, bat ich alle Platz zu nehmen und orderte frischen Tee, weil ich sah, wie Achilles sich verstohlen die Hände rieb. Es war, wie ich schon schrieb, frostig draußen.
Ratonhnhaké:ton nannte sie mich.“ erklärte er leise.
Edward versuchte das jetzt auszusprechen, aber scheiterte kläglich. Jeder würde das vermutete ich einfach mal.
Lächelnd erklärte Connor die Art wie sein Name gesprochen wurde. Dabei sah er immer wieder zu Haytham. Es war Florence die leicht lispelnd, es fehlten gerade 2 Schneidezähne, die richtige Aussprache hinbekam.
Anerkennend sah Achilles zu meiner Tochter. „Miss Florence, das war ja großartig. Nicht einmal ich kann das.“
Stolz stand sie vor ihm und begann in allen ihr möglichen Sprachen vor Aufregung zu reden. Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue sah mich der Assassine an.

Sie wird mehrsprachig erzogen, Master Davenport. Wie Edward auch. Aber sie ist noch ganz am Anfang und bringt manches durcheinander.“ erklärte ich dieses Kauderwelsch.

 

Wir unterhielten uns eine Weile über die Erziehung im Allgemeinen, das Training für Connor, seine Fortschritte und auch dass die Siedlung langsam wieder zum Leben erwachte. Dank des jungen Assassinen.
Wir sind gerade dabei die Aquila wieder flott zu machen.“ sagte er stolz und sah dabei zu seinem Vater.
Wird Mr Falkner auch wieder Kapitän sein?“ fragte Haytham nach. „Mich würde nämlich interessieren, WER genau damals hinter mir her war und mir das Leben auf der Providence schwer machen wollte.“
Die Londoner Bruderschaft ist dafür verantwortlich gewesen. Aber wie wir sehen, konntet ihr euch hervorragend verteidigen.“ Davenports Stimme hatte einen lauernden Unterton angenommen.
Genau wie ihr ja auch den Umständen entsprechend wieder genesen seid. Dank Mrs Cormac.“ Auch Haytham schlug diesen Ton an.
Ich selber wurde nervös und sah, dass auch der junge Indianer unruhig wurde. Würden sich die beiden an die Kehle gehen? Hier vor den Kindern? Mein Blick wanderte von Haytham zu Achilles, aber sie blieben äußerlich völlig ruhig.

 

Kapitel 25

 

~~~ Streitgespräch oder Aussprache? ~~~

 

„Wie geht es eigentlich Master Cormac derzeit und seiner Gattin?“ hakte der Alte in einem sehr zynischen Tonfall nach.
„Soweit wir wissen, geht es der Familie blendend. Sie bewohnen eine Plantage auf der gegenüberliegenden Seite des James Rivers.“ erklärte mein Mann in kühlem Ton. Aber man hörte heraus, dass er sich zusammenreißen musste.
„Vielleicht sollte ich mich beizeiten bei Mrs Cormac einmal bedanken. Ohne sie, auch wenn es aus purem Egoismus war wie ich vermute, wäre ich nicht heile zurück zum Schiff gekommen.“ Achilles Blick ging in meine Richtung und er deutete auf Edward und Florence. Vermutlich war ihm dass Ganze doch ein wenig unangenehm in ihrer Gegenwart.
Kurzum bat ich die Kindermädchen mit ihnen hinaus zugehen. Die Vier hatten gerade die Tür geschlossen, als mein Mann wie aufgezogen begann los zulegen!

 

„Ihr habt ohne zu hinterfragen die Vorläufertempel gestört und habt tausenden Unschuldigen den Tod gebracht! Shay kam euch vermutlich gerade gelegen, als es um Lissabon ging! Anstatt ihn aufzuklären, habt ihr ihm nur Halbwahrheiten kundgetan! Euer Misstrauen ihm gegenüber war unbegründet, aber es hat ihn im Endeffekt nur bestärkt die Bruderschaft hinter sich zu lassen!“ schwer atmend saß Haytham neben mir und wischte sich übers Gesicht.
„Ihr wagt es mich zu kritisieren? IHR? Ihr habt ebenso willkürlich gehandelt und euch die Leute zunutze gemacht, die sich auf eure falschen Versprechungen eingelassen haben! Auch ihr habt keineswegs eine weiße Weste, MASTER KENWAY!“ Achilles´ Stimme hatte sich leicht erhoben, wurde jedoch nicht wütend sondern nur bestimmter. „Ich könnte euch einige Dinge aufzählen, welche euer Orden hier in den Kolonien verbrochen hat…“ er atmete schwer, gleichzeitig griff er hastig nach seiner Tasse.
Mein Blick wanderte zu Connor, der sich sichtlich unwohl fühlte. Auch er sah von einem zum anderen.
„Achilles, aber seien wir ehrlich. Wenn ich alles überdenke, was ihr mir in den letzten Monaten erzählt und beigebracht habt, dann… sind beide Bünde nicht ganz unschuldig. Wir sollten versuchen…“ leider unterbrach ihn jetzt mein Templer recht unwirsch.

 

„Du hast sicherlich recht und ich begrüße diese Einstellung! Bedenke aber, dass der Weg dahin noch sehr lang sein wird. Wie du siehst, kann dein Mentor nicht über seinen Schatten springen…“ ein fieses Lächeln umspielte seine Lippen als er zu Achilles sah.
„Es reicht!“ sagte ich mit zittriger und sehr wütender Stimme. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass es schwer werden wird und ein Kompromiss ist ebenso kein leichtes Unterfangen! Aber jetzt seht euch an! Genau hier wird es deutlich. HIER müssen wir die nächsten Schritte beginnen um eine Einigung zu erreichen.“ tief durchatmend setzte ich mich wieder, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich aufgestanden war.
Mich blickten drei verwunderte Augenpaare an.
„Mrs Kenway, es… natürlich sollten wir uns erst einmal einig sein. Es war etwas unbedacht von mir, versteht mich aber auch. Jahre der Ungewissheit und Zurückgezogenheit haben mich immer misstrauischer werden lassen.“ sprach nun der alte Mann leise.
Wie aus heiterem Himmel stand Haytham auf, ging um den kleinen Tisch herum und stellte sich vor Achilles.
„Master Davenport, ich vertraue auf das Bauchgefühl meiner Frau und... ich hoffe, wir können unseren Konflikt ab heute ad akta legen.“ Seine rechte Hand streckte er vor und wartete auf eine Reaktion seitens des Assassinen.
Langsam, wie in Zeitlupe, erhob sich dieser etwas schwerfällig und schaute einen Moment Haytham ohne jegliche Regung an. Doch dann reichte auch er ihm seine Hand und es mag sich kitschig anhören, aber mir fiel ein Stein vom Herzen.

 

Connor war ebenfalls aufgestanden und sein erleichtertes Lächeln konnte ich teilen. Ich nickte ihm lediglich stumm zu.
„Wir sollten von jetzt an vielleicht überlegen, wie wir die bevorstehenden Streitigkeiten, Konflikte und Aggressionen hier in den Kolonien eindämmen können, Gentlemen.“ warf ich leise ein, weil ich nicht genau wusste, ob es schon angebracht war.
„Das sollten wir, Mrs Kenway. Auf dem Weg hierher haben wir übrigens ein paar Truppen seiner königlichen Majestät gesehen, welche sich unrechtmäßig Zutritt zu einigen Häusern verschaffen wollten. Sie behelligen unbescholtene Bürger um ihren Sold aufzubessern, könnte man meinen.“ Kopfschüttelnd stand der Alte vor uns.
„In unserer Siedlung sind wir noch verschont geblieben, aber ich befürchte dass auch dort bald die Soldaten auftauchen werden.“ in Connors Stimme klang Angst mit und ich konnte ihn voll und ganz verstehen. Vermutlich dachte er an die Attacke auf sein Dorf vor etlichen Jahren. Bei dem Gedanken lief mir eine Gänsehaut über den Rücken.
„Hier haben wir auch schon mit diesem Abschaum Bekanntschaft machen müssen. Das letzte Mal waren es wieder Deserteure die sich mordend und plündernd hier über die Plantagen hermachten. Wie die Heuschrecken könnte man schon fast sagen.“ fauchte Haytham wütend.
„Dann sollten wir genau dort ansetzen, was meint ihr?“ fragte ich in die Runde und die drei Herren nickten mir zustimmend zu.

 

Plötzlich sah sich Haythams ältester Sohn zur Tür um.
„Ich habe also noch Geschwister, Vater?“ fragte er leise und wir begannen auch ihm unsere Geschichte ein wenig näher zubringen. Achilles hatte vieles nur andeuten können, weil auch er nicht exakt alles wusste.
Als wir zum Punkt mit den nordischen Göttern und deren Einfluss auf uns kamen, sah ich große braune Augen.
„Das klingt so fantastisch, Mrs Kenway!“ Connor konnte man ansehen, dass er es spannend fand.
„Bitte, du kannst mich Alexandra nennen.“ bot ich ihm an, weil ich es mehr als seltsam fand, dass gerade ER mich mit Mrs Kenway ansprach.
„Ähm… natürlich, Mrs… Alexandra!“ stammelte er leise mit rotem Kopf.

 

Langsam war es aber Zeit für das Abendessen.
Florence und Edward kamen wieder in den Wintergarten und man trug das Essen auf. Während wir so beisammen saßen und es uns schmecken ließen, erklärte unser Sohn Connor erst einmal, dass Walka seine Beschützerin sei.
„Sie ist immer an meiner Seite und weißt du, Connor, sie hat den bösen Kapitän verjagt, der hinter uns her war!“ aus ihm sprudelte die ganze Geschichte heraus und sein Halbbruder hörte gebannt zu. „Und dann hat Vater mich mit ihr wieder auf die Jackdaw geholt! Weißt du? Alle haben sich gefreut, dass meine Wächterin wieder heile da war! Ohne einen einzigen Kratzer!“
Zwischendurch ermahnte ich die kleine Plaudertasche bitte auch zu essen, ehe es kalt wurde.
Florence ließ es sich beim Nachtisch dann nicht nehmen, unseren Gästen ihre Liebe zu Kräutern und Pflanzen zu erzählen.
„Mrs Muller ist ganz toll. Sie hat mir … Plitze gezeigt, die nicht gut sind. Da sind weiße Punkte drauf. Hast du die mal gesehen?“ voller Erwartung, dass Connor sowas auch schon kannte, sah sie ihn an.
„Ja, davon habe ich gehört…“ weiter kam er aber nicht.
„Ich habe ein Buch mit Bildern von Ballistitum und … Mama, wie heißt das kalte Gras?“ Florence sah mich auffordernd an. Für einen Moment musste ich in mich gehen, damit ich mein Kichern unterdrücken konnte. Ihre Wörter waren mal wieder ein Sammelsurium aus allem, was sie wusste.
„Du meinst Minze, min lille engel?“ eifriges Nicken ihrerseits und sie redete weiter auf Connor und Achilles ein.

 

Am heutigen Abend war es mehr als schwer beide Kinder zum Schlafen zu bringen, weil sie völlig aufgedreht waren wegen des Besuchs.
„Mama, habe ich noch mehr Brüder oder Schwestern? Mag Papa uns immer noch, obwohl Connor jetzt da ist? Bleibt er jetzt bei uns und wohnt auch hier? Darf ich ihm morgen mein Pferd zeigen?“ und so weiter und so weiter.
Ich unterbrach Edwards Redefluss, weil es den Anschein hatte, als reiße dieser Strom nie ab!
„Nein, du hast vermutlich sonst keine weiteren Geschwister, Papa hat euch immer noch lieb. Ob er hier bei uns wohnen wird, weiß ich noch nicht. Aber Master Davenport wird sicherlich noch eine Weile hier bleiben, damit dein Vater mit Connor ebenfalls trainieren kann. Und ja, du darfst morgen mit ihnen zu Darius, min lille skat. Aber jetzt… Schlaf!“ grinste ich ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich freu mich schon!“ hörte ich ihn noch glücklich sagen, als ich an der Tür stand.

 

Bei Florence hatte Haytham die Antworten bereits gegeben auf Fragen, die er kaum verstanden hatte.
„Mein Engel, Connor muss auch noch viel lernen und ich werde ihm dabei helfen. Gemeinsam mit Master Davenport. Und du kannst ihnen bestimmt morgen auch dein Kräuterkunde-Buch von Mrs Muller zeigen. Jetzt ist aber Schlafenszeit.“ auch sie bekam einen Kuss auf die Wange, ehe ich ihr noch gute Nacht sagte.
„Mama, bist du jetzt Connors neue Mama?“ erstaunt sah ich sie an.
„Nein, niemand kann eine Mutter ersetzen, min lille engel. Seine Mama ist in Valhalla und wartet auf ihn, so wie meine eigene Mutter auch. Das weißt du doch.“ ich gab auch ihr noch einen Kuss und ging dann leise hinaus. Ziio würde natürlich bei ihren Göttern sein, leider kannte ich mich nicht hinreichend in dieser Beziehung aus. Vielleicht sollte ich Connor einmal fragen, überlegte ich mir beim Hinausgehen.

 

Unten im Wintergarten wieder angekommen, ließ ich mich neben Haytham nieder, welcher mir ein Glas Portwein reichte.
„Die beiden Kleinen sind ja kaum zu bremsen.“ lachte Achilles und nippte an dem Glas Whiskey.
„Sie sind sehr neugierig, ich entschuldige mich, sollte es euch unangenehm…“ der Assassine ließ mich nicht ausreden.
„Ach wo, Kinder sollten viele Fragen stellen. Nur so können sie lernen und sich weiter entwickeln.“ sein Blick ging anerkennend zu Connor.
Der restliche Abend verlief friedlich und wir konnten ein wenig die politischen Dinge besprechen. Unter anderem ging es um die Aufkäufe von indianischem Land, was natürlich Connor wütend machte.
„Ich weiß, dass es dort draußen Menschen gibt, die einfach nur ihre Börsen füllen wollen. Aber ich kann doch nicht einfach dabei zusehen, wie mein Land an irgendwelche Fremden geht.“ dieser Gedanke war einfach grausam. Ich hoffte immer noch, dass ich Connor von William Johnson fernhalten konnte. Der junge Indianer sollte nicht Hand an ihn legen, weil ich es dem Schicksal, in meinem Falle aber auch meinem geschichtlichen Wissen, überlassen wollte. William würde bei einer Versammlung oder Verhandlung mit den indianischen Stämmen seinen Tod finden.
„Wir müssen versuchen, dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. Aber ich befürchte, ganz ohne Kämpfe und Blutvergießen werden wir nicht weiterkommen.“ seufzte Haytham neben mir.
„Nein, das sicherlich nicht.“ aus Achilles Stimme hörte man große Frustration. Er hatte schon so einiges miterlebt und vermutlich war er diese Machenschaften überdrüssig.

 

Gegen Mitternacht verabschiedeten wir unsere Gäste. Mein Vorschlag, dass Connor eines der noch freien Kinderzimmer und Achilles das Gästezimmer oben beziehen könnte, stieß auf keine Zustimmung. Ich hatte nämlich nicht bedacht, dass der alte Assassine nicht mehr so gut zu Fuß ist. Also wurde er kurzerhand in das Gästehaus im Erdgeschoss einquartiert. Auch Connor entschloss sich, dort zu schlafen, weil er seinen Mentor nicht alleine lassen wollte. Löblich und man sah diese doch recht enge Bindung der beiden.
In Haythams Ausdruck bemerkte ich, dass er ein wenig eifersüchtig wurde. Vorsichtig nahm ich seine Hand und drückte sie.
Lächelnd drehte er sich zu mir, als die beiden nebenan verschwanden.
„Es… ist ein merkwürdiges Gefühl, mi sol. Ich hatte mir oft versucht ein Bild zu machen. Der Traum damals konnte aber nicht ansatzweise mithalten. Der Junge… er sieht Ziio so unfassbar ähnlich.“
Auch für mich war es noch seltsam, gab ich zu.
„Vielleicht solltest du dir einen Moment mit Connor alleine nehmen, damit ihr… euch etwas besser kennen lernen könnt, mi amor.“ schlug ich leise vor.
„Das werde ich, versprochen.“
Wir gingen hinauf um uns für die Nacht fertig machen zu lassen, weil mir plötzlich die Müdigkeit in die Knochen fuhr.

 

~~~

 

Natürlich wurden wir von einem aufgeregten Edward geweckt, der fragte wo sein großer Bruder hin sei.
„Sind sie schon wieder weg? Warum habt ihr mir nicht Bescheid …“ maulte er am Bett stehend herum.
„Edward! Beide sind noch da, aber sie haben nebenan im Gästehaus geschlafen. Master Davenport kann nicht so gut Treppen steigen, da war es besser, dass er dort nächtigt. Und Connor wollte ihn nicht alleine dort lassen.“ in Haythams Stimme hörte man, dass er ein wenig gereizt war. Kein Wunder wenn man morgens einfach so überrannt wird.
„Entschuldige, das wusste ich ja nicht.“ kam es jetzt kleinlaut von unserem Sohn.
„Dann frag das nächste Mal vorher ordentlich nach. Und jetzt geh und zieh dich an.“ immer noch war mein Mann genervt.
Ich stand auf, stieg in meine Hausschuhe und warf mir den Morgenrock über.
„Du meine Güte, dass ist ja ein toller Start in den Tag und das noch vor meinem Kaffee.“ auch ich war etwas angefressen, weil ich nicht besonders gut geschlafen hatte.
„Dann solltest auch du zusehen, dass du dich ankleidest und dein Körper mit Koffein versorgt wird. Du bist unausstehlich, mi sol.“ sein leises Kichern hinter mir veranlasste mich, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen.

 

Unten im Wintergarten saß bereits Achilles, aber keine Spur von Connor.
„Wo habt ihr euren Schützling gelassen, Master Davenport?“ fragte ich, während ich mich suchend umsah.
„Der Junge ist schon draußen bei den Ställen. Er war einfach zu neugierig, was ihr für Tiere habt und wie es hier im Hellen aussieht.“ der Assassine musste bei seiner Erzählung selber lachen. Da war also auch der ältere Spross meines Mannes ein wissbegieriger Mensch.
Schon kurz darauf erschien er bei uns und wir konnten das Frühstück beginnen. Mein Kaffee war mir aber schon zum Opfer gefallen und die zweite Tasse war in meinen Händen.
„Das sind wunderschöne Pferde, Vater. Der Stallmeister hat ein gutes Auge für die Tiere. Er hat mir berichtet, woran er erkennt, ob es einem Pferd gut geht oder nicht. Er ist gut zu ihnen!“ Connor war sichtlich angetan von dem Herren und unseren Reittieren.
„Darius ist besonders schön, nicht wahr?“ hörte ich Edward mit Nachdruck fragen.
„Oh, der Hengst gehört dir, oder? Ja, er ist wirklich fantastisch. Vielleicht lässt dich Vater ja mit mir ein wenig ausreiten. Du kannst mir ein wenig die Gegend zeigen?“ fragend sah er in die Richtung seines Vaters.
Dieser sah mit großen Augen auf seinen Ältesten, dann zu mir und antwortete dann mit einer so liebevollen Stimme, dass sicher nichts dagegen spräche.
Damit war es abgemacht, aber nur unter der Bedingung, dass zwei Wachen mit ritten.

Kapitel 26

 

~~~ Das Boston-Massaker ~~~

 

Die nächsten Tage vergingen mit dem eigentlichen Kennenlernen.
Haytham nahm sich immer wieder Zeit, um mit seinem Sohn unter vier Augen zu reden. Es gab einiges, was erklärt werden musste oder besser gesagt werden sollte.
„Connor hat ein Recht darauf zu erfahren, wer den Überfall auf sein Dorf damals befohlen hat. Er scheint zu glauben, dass ich es gewesen sei. Du hattest mir ja schon von der Begegnung im Wald mit Charles berichtet und der Junge geht davon aus, dass ER auf meinen Befehl hin den Brand gelegt hat. Es ist einfach unfassbar! Niemand hat ihn aufgeklärt…“ seufzte mein Templer eines Abends, nachdem er erneut ein Gespräch mit Connor hatte.
„Dich hat man auch oft im Unklaren gelassen, mi amor. Deswegen war ich von Anfang an dafür, dass wir unseren Kindern gegenüber keine Geheimnisse haben sollte. Jeder hat ein Recht zu erfahren, woher er kommt und was mit unserer Familie los ist. Du kannst ihm jetzt in Ruhe alles erzählen. Vielleicht kann er ja auch noch etwas über Ziio berichten, wer weiß.“ ich hoffte es wirklich, dass die beiden sich so annähern konnten.
„Er erzählte mir vorhin, dass er heimlich in dem Tagebuch seiner Mutter gelesen hat und als sie ihn erwischte gab es großen Ärger (*). Danach hatte er nicht mehr das Bedürfnis mehr zu erfahren.“ in Haythams Stimme klang Belustigung mit. „Sie hat ihn, auch wenn es nur kurz war, zu einem guten Jungen erzogen, mi sol.“
Da konnte ich ihm zustimmen, den Rest hatten die Stammesmutter und Achilles übernommen. Im Grunde war Connor immer noch am Lernen und was das Training anging, so musste er auch noch einiges beigebracht bekommen.

(*) Anfangsszene aus Assassin´s Creed III in Connors Dorf, wo Ziio in beim Lesen überrascht.
Boston Massaker (eigenes LP AC3)
Ziio überrascht Connor ab Min. 12:40

Florence hatte sich Master Davenport auserkoren um ihm ihre Leidenschaft für die Kräuter näher zubringen. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, der Großvater säße mit seiner Enkelin vor dem Kamin. Er hörte aufmerksam zu, wenn sie ihm die Bilder in ihrem niedlichen Kauderwelsch erklärte, oder wenn sie ihn mit sich zog, um ihm auf der Veranda ein paar kleine Pflanztöpfe zu zeigen.
„Master Davenport, wenn es euch zu viel wird, dann sagt mir das bitte. Unsere Tochter kann manchmal sehr anstrengend sein.“ sprach ich den Assassinen eines Mittags an, als er sich seufzend auf dem Sofa vor dem Kamin niederließ.
„Das macht mir nichts aus, Mrs Kenway. Ganz bestimmt nicht. Die Kleine ist in ihrem Element dabei und auch ich lerne noch etwas. Könnt ihr euch das vorstellen?“ lachte er, während ich ihm eine Tasse Kaffee reichte.
Endlich wurden die Temperaturen angenehmer und langsam begann der Frühling. Eine Wohltat wenn man mich fragte. Die Tage wurden wieder länger, es begann zaghaft zu blühen und mein Gemüt erhellte sich zusehends.

 

Es muss der 15. März gewesen sein, als wir gerade mit dem Mittagessen fertig waren und ein aufgeregter Bote in den Wintergarten stürzte.
„Master Kenway! In Boston gab es ein grausames Massaker! Es gab viele Verletzte und Tote…“ japsend stand er vor meinem Mann.
„Das ist ja schrecklich.“ Achilles war eingeweiht, weswegen er nicht sonderlich überrascht klang. Aber diese Nachricht stimmt einen bisweilen doch traurig und wütend zugleich.
„Weiß man schon, wer dafür verantwortlich ist?“ fragte Haytham mit einem Blick auf mich nach.
„Nein, es fiel ein Schuss bei einer Versammlung und… mehr weiß man nicht. Verzeiht, Sir, dass ich nicht mehr berichten kann.“ verlegen sah der Bote auf seine Füße. ER konnte ja nichts dafür.
„Nichts für Ungut, es ist ja nicht eure Schuld. Ich sehe aber, ihr habt ein Schreiben?“ mein Templer hielt seine Hand auf um den Brief entgegen zunehmen.
„Oh Verzeihung, Sir. Natürlich. Er ist von Master Lee!“ der junge Mann verbeugte sich tief und Haytham drückte ihm ein paar Münzen in die Hand, dann verschwand er wieder.
„Du hattest Recht, Alex.“ die Stimme meines Mannes klang erschüttert nachdem er die Zeilen von Charles gelesen hatte. „ER ist verantwortlich! Charles hat sich meinem Befehl widersetzt und ist nach Boston gereist. Seiner Meinung nach musste man diesen Rotröcken endlich ihren gerechten Platz zeigen! Herr Gott, sein Hass auf diese Soldaten muss grenzenlos sein! Damit hat er nicht nur ihnen, sondern auch noch der Bevölkerung Verluste beschert. Ich… bin fassungslos.“ ohne ein weiteres Wort stand er auf und verschwand in sein Arbeitszimmer.

 

„Alexandra, sollten wir deshalb nicht an dem Tag in Boston sein?“ fragte Connor leise nach, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Haytham außer Hörweite war.
„Genau deshalb. Sonst hätte man eventuell DICH beschuldigt. Aber das kann ich dir nicht wirklich erläutern, es wäre halt so gewesen. Aber dass Charles sich gegen Haythams Befehl stellt ist schon etwas anderes. Dieser Mann macht was er will, wenn das so weitergeht reitet er den Orden hier in den Kolonien noch vor die Wand, verdammt.“ in mir kochte es auf vor Wut auf diesen Widerling.
„Du scheinst ebenfalls einen ganz persönlichen Hass auf ihn zu haben, habe ich recht?“ zögerlich kamen diese Worte von dem Jungen.
„Davon kannst du ausgehen, Connor. Er hat… also, er hat mich versucht zu vergewaltigen und hat mich gemeinsam mit Hickey vor Jahren entführt. Ich konnte mich aber befreien.“ ich begann die Geschichte von damals zu erzählen, erst etwas zögerlich, weil ich Angst hatte, Connor würde es nicht ganz verstehen. Die Geschichte mit July und dem Biss von Charles´ Köter berichtete ich auch. Bei dem Satz, dass Shay den Spitz einfach erschossen hat, grinste er mich an.
„Auch wenn mir das Tier leid tut, aber für Lee war es eine gute Strafe!“ diese Genugtuung in der Stimme ließ mich lächeln. Wir waren uns alle einig, dass dieser Hundefreund nirgendwo gerne gesehen war.

 

Zwei Tage später hörte ich aus der Eingangshalle laute Stimmen. Ich trat aus meinem Arbeitszimmer, wo ich gerade über ein paar neuen Routen mit Mr Hargreaves gebrütet hatte.
Unten sah ich ihn dann stehen. Charles Lee! Er diskutierte mit dem Diener darüber, dass er dringend mit Master Kenway reden müsse! Es gäbe wichtige Neuigkeiten!
Als er mich auf der Treppe bemerkte, grinste er überheblich zu mir hoch.
„Mit euch werde ich gewiss nicht solch wichtige Neuigkeiten besprechen, Weib. Also könnt ihr auch genauso gut wieder gehen.“ fauchte er in meine Richtung.
Was ER aber nicht bemerkt hatte, war, dass mein Mann bereits eingetreten war und hinter ihm stand. Haytham war mit Achilles und Connor auf der Plantage unterwegs gewesen.
„CHARLES!“ sprach er ihn laut an.
Erschrocken drehte sich der Angesprochene um.
„M...m...master Kenway! Ich… habe euch… gar nicht kommen hören!“ stotterte er mit hochrotem Kopf, weil er jetzt eine Standpauke zu befürchten hatte.
„Das habe ich bemerkt und jetzt sagt mir, was ihr in meinem Haus zu suchen habt. Ihr habt Hausverbot. Wisst ihr nicht mehr?“ mein Templer stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und versuchte seine Wut zu zügeln.
Hinter Haytham waren Connor und Achilles jetzt eingetreten. In den Augen des jungen Indianers loderte eine Wut auf, welche ihres gleichen sucht! Ziio hätte einen ebensolchen Ausdruck ab und an gehabt, hatte mir mein Mann einmal erzählt. Jetzt hatte ich eine Vorstellung, wie das ausgesehen haben muss.
Auch Charles sah die beiden und ich mag mich täuschen, aber es schien, als würde er sich ducken wollen.
Weiter passierte aber nichts, da Connor sich unter Kontrolle hielt, genau wie sein Mentor und mein Mann.
„Folgt mir in mein Arbeitszimmer!“ befahl Haytham kalt und ging schnellen Schrittes voraus! Ein nervöser Lee folgte ihm etwas zögerlich.

 

Ich würde zu gerne Mäuschen spielen, ging es mir durch den Kopf. Vor allem fiel mir wieder der Elfenbeinstab ein, welchen ich ihm einfach nur zu zeigen brauchte. In meinem Kopf breitete sich eine Idee aus, wie ich diesen Idioten gebührend verabschieden würde! Vermutlich wuchsen mir gerade kleine Teufelshörnchen auf der Stirn und ich kicherte in mich hinein.
„Mrs Kenway, ihr scheint amüsiert zu sein, dass dieser Mann nun die Leviten gelesen bekommt.“ grinste mich Achilles an.
„Oh glaubt mir, ich freue mich wirklich darüber.“ mit erhobenem Haupt ging ich weiter hinunter und bat die beiden Herren mit in den Salon zu kommen. Vermutlich würde das Gespräch im Arbeitszimmer noch eine Weile dauern, hoffte ich zumindest. Mr Hargreaves verabschiedete sich mit den Worten, er wolle bei solch wichtigen Dingen nicht stören.
Bevor wir uns jedoch setzen konnten, hörten wir erneut lautes Stimmengewirr aus dem Eingangsbereich.
Dieses mal staunte ich nicht schlecht, es waren 6 Soldaten mit ihrem Kommandanten, welche um Einlass baten. Der arme Diener war sichtlich überfordert, weil schon wieder verlangt wurde, unverzüglich beim Hausherrn vorgelassen zu werden.
„Wir haben den dringenden Verdacht, dass sich hier der potenzielle Attentäter und sein Auftraggeber für das schreckliche Blutbad in Boston aufhalten!“ als man mich sah, verbeugten sich die Gentlemen selbstverständlich.

 

„Es tut mir leid, aber mein Gatte ist gerade in einem sehr wichtigen Gespräch. Leider kann ich auch nicht sagen, wie lange…“ in diesem Moment erschien besagter Hausherr und im Schlepptau hatte er einen zerknirschten Charles. Als dieser die Rotröcke sah, konnte man förmlich den Wunsch in ihm sehen, unverzüglich zu flüchten.
„Gentlemen, was kann ich für euch tun?“ fragte Haytham in seiner Rolle als Templer.
„Sir, uns ist zu Ohren gekommen, dass sich hier der Verursacher für den Anschlag in Boston verstecken soll. Wir müssen sichergehen, dass ihr ihn nicht beherbergt oder gar selber einer der Drahtzieher seid, Sir!“ immer diese so extrem höfliche Art, oft hatte ich damit noch meine Probleme.
„Und habt ihr auch eine Beschreibung des Herren? Vielleicht kann ich euch dann eher weiterhelfen?“ er bat den Kommandanten ihm zu folgen, während die anderen Soldaten sich wieder nach draußen begaben.
Leider blieb aber Charles wie angetackert hier stehen.
Ich ging einfach wieder zu den anderen und schloss demonstrativ die Tür, nachdem ich zwei unserer Wachen aufgetragen hatte, sie mögen ihn im Auge behalten.
„Das ging aber schnell.“ staunte Achilles.
„Zu schnell, wenn ihr mich fragt. Diese Nachricht kann sich doch gar nicht so zügig verbreiten.“ grübelte ich jetzt nach.
„So ungewöhnlich ist das nicht.“ Connor sah von mir zu seinem Mentor und nachdem wir ihn nickend aufforderten weiter zusprechen, erklärte er sich. „Es gibt berittene Boten, die schneller als normale Reiter Briefe und Nachrichten überbringen können. Außerdem sind sie gut darin, sich einfach in Luft aufzulösen, sollte es einmal brenzlig werden. Ich selber habe vor einigen Monaten auf meinem Weg zu Master Davenport zwei solche Männer gesehen. Sie bewegen sich völlig lautlos, sind schneller als das Auge sehen kann verschwunden und im selben Moment tauchen sie an einer anderen Stelle wieder auf.“ plötzlich kam mir der Gedanke an diese Ninjas wieder, die uns vor einiger Zeit auf unserem Weg von Mr Gillehand hierher überfallen hatten.

 

„Weißt du, wie ihre Kleidung aussieht?“ fragte ich nach, weil sie im Grunde ähnliches trugen wie Assassinen. Es musste ja eine leichte Robe sein.
Der junge Indianer bestätigte meinen Gedanken.
„Die Mäntel und Hosen gleichen denen der Ornate, Alexandra. Aber… es sind keine Assassinen. Das wüssten wir doch, oder nicht?“ in seiner Stimme klang Besorgnis mit, weil auch er sich bewusst wurde, dass da draußen nicht nur WIR agierten, sondern noch eine Vielzahl an Assassinen, Templer oder auch noch andere Gruppierungen.
„Ich dachte eher an Ninjas, weil ihre Kampftechniken auch anders sind. Wozu setzt man sie aber als Boten ein?“ im Grunde war es logisch, weil sie halt schnell waren und sich ihrer Umgebung auch schnell anpassen konnten. So verschwanden wichtige Dokumente seltener als mit einer Postkutsche (welche es so noch nicht gab!).
„Was ich mich aber noch frage, wo die Soldaten herkamen? Gibt es hier einen Stützpunkt in der Nähe?“ Achilles grübelte ebenfalls über diesen Vorfall nach. „Sie sahen nicht aus, als hätten sie einen längeren Weg hinter sich.“
Weiter östlich unserer Plantage hatten sich mehrere Einheiten niedergelassen, dass wusste ich von Mr Gillehand, welcher das nicht wirklich gut hieß. Diese Truppen brachten keine Sicherheit, im Gegenteil, man musste immer fürchten, dass sie einfach Nutzvieh mitnahmen, im Namen seiner königlichen Majestät.
Bei diesen Worten schüttelte Achilles traurig den Kopf.
„Es wird immer schlimmer und ich befürchte, dass wir kaum etwas ausrichten können.“ da hatte er leider recht, aber wir konnten ein wenig dagegen steuern.


Wieder hörten wir Stimmen aus dem Eingangsbereich, dieses mal aber keine lauten!
Wir drei traten aus dem Salon und ich sah noch, wie der Kommandant mit seinen Leuten frustriert wieder abzog.
„Und ihr Charles solltet euch für eine lange Zeit mehr als bedeckt halten. Es hat mich einiges an Überredung und Bestechung gekostet, dass man nicht euch beschuldigt! Die Beschreibung war EINDEUTIG! Ihr beschämt die Armee und den Orden, ist euch das eigentlich bewusst, Mann? Und jetzt, geht mir aus den Augen und finde ich euch noch einmal hier in der Nähe meiner Familie, dann Gnade euch Gott!“ erneut sah ich, dass Haytham sich nicht ganz unter Kontrolle hatte.
Seine Wut schwappte über, sein Atem ging schwer und seine Hand lag schon an seinem Dolch. Bei der kleinsten Bewegung von Lee würde er ihn zücken und das wäre das Ende von Charles! Doch wäre das jetzt so schlimm? Ja, weil er wirklich noch einen geschichtlichen, wenn auch eher peinlichen, Auftritt in dem Unabhängigkeitskrieg haben würde.
Mit einer tiefen Verbeugung in Richtung seines Großmeisters nuschelte er nur „Sir…“ und wollte sich gerade zum Gehen umdrehen, als ich unvermittelt den kleinen Stab aus meiner Rocktasche fischte und ihn ausgiebig inspizierte. So schnell konnten wir nicht schauen, wie Charles hinaus rannte und man ein Würgen hörte. Zufrieden sah ich mich um. Die Blicke der Herren waren durch die Bank weg belustigt. Das war meine Absicht gewesen.
„Böse, aber effektiv, Alex“ hörte ich meinen Mann leise sprechen.

 

Erwartungsvoll standen Achilles, Connor und ich jetzt vor ihm und hofften auf Erklärungen.
„Was seht ihr mich so an?“ fauchte Haytham plötzlich, drehte sich um und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Er donnerte die Tür zu, was eigentlich eher untypisch für ihn war. Gerade noch bester Laune wie es schien und jetzt das?
„Ich befürchte, wir müssen Geduld haben, ehe wir erleuchtet werden, was alles besprochen wurde!“ seufzte der alte Assassine und ging wieder in den Salon.
„Dieser Lee ist einfach…“ Connor sprach nicht weiter, er schüttelte sich angeekelt, was mir persönlich als Erklärung völlig reichte.

Kapitel 27

~~~ August 1770 ~~~

 

Wir hatten immer noch mit diesen widrigen Umständen des beginnenden Krieges zu tun. Man las es in der Zeitung, die Nachbarn begannen sich zu sorgen, zu Recht wie ich betonen möchte. Es begann immer mehr zu brodeln, weswegen auch Achilles immer unruhiger wurde.

 

Im Sommer diesen Jahres, es war August mittlerweile, zog es den alternden Assassinen wieder in seine Siedlung. Connor folgte ihm fürs erste, weil er dem alten Mann zur Hand gehen wollte.

 

„Vater, ich verspreche, ich werde weiter trainieren und mich nicht mehr so leicht von Neuigkeiten beeindrucken lassen. Es scheint, als würden diese Zeitungsschreiber versuchen, die Menschen in eine bestimmte Richtung zu schieben. Auch wenn es nicht der Wahrheit entspricht. Aber warum stoppt man diese Art der Berichterstattung nicht einfach. Die wirkliche, die ECHTE Wahrheit muss verbreitet werden…“ Connor verstand wie so viele, auch ich gehörte in meiner Zeit und jetzt ebenso dazu, nicht, warum Lügen verbreitet wurden.
Natürlich versuchte man die Menschen auf eine perverse Art zu manipulieren! Ich möchte es nicht Propaganda nennen was dort geschah, aber das kam dem schon recht nahe.
„Connor, ich bitte dich lediglich darum, dass du hinterfragst was dir erzählt wird. Du musst nicht misstrauisch sein, sondern einfach nur die Information noch einmal hinterfragen, ob alles auch einen Sinn ergibt oder ob es Lücken gibt. DAS ist entscheidend. Nimm das geschriebene Wort nicht einfach so hin, sondern überlege, ob es wirklich so passiert sein kann.“ Haytham erklärte ihm genau das, was auch Edward IHM beigebracht hatte. Ein Lehrer oder Tutor bringt dir etwas bei, aber was wollte der Dichter zum Beispiel mit seinem Werk ausdrücken. DAS ist wichtig.
„Großvater hat mir dasselbe bereits gesagt.“ grinste der Junge breit. „Auch dir hat er diese Denkweise beigebracht.“
„Ich hätte mir denken können, dass Vater auch mit dir einige Unterredungen haben wird.“ das Gesicht meines Mannes erhellte sich, als er seinen großen Sohn in den Arm nahm um ihn zu verabschieden.

 

Wir standen auf der Veranda und winkten den beiden noch hinterher in ihrer Kutsche.
„Mama, kommt Connor wieder?“ fragte Edward neben mir und lehnte auf seine Arme gestützt an der Brüstung.
„Natürlich, min lille skat. Aber er muss auch an die Davenport Siedlung denken. Dort fehlt es an Handwerkern und Bewohnern allgemein. Vielleicht sollten wir Achilles einmal besuchen gehen?“ Die Augen meines Sohnes weiteten sich vor Freude.
„Auja! Dann kann ich Darius endlich auch mal richtig reiten und nicht nur über die Felder oder durch den Wald!“ er malte sich schon diesen kleinen Urlaub aus, leider musste ich ihn bremsen.
„Wir werden sehen, wann die Schule ein paar Wochen nicht stattfindet. Erst dann können wir dorthin, Edward. Es geht nicht, dass du einfach beim Unterricht fehlst.“ Bei diesen Worten ließ er die Schultern hängen und seufzte schwer.
„Also nie…“ enttäuscht stiefelte er Richtung Pferdestall… ich ließ meinen Sohn in Ruhe. Darius war in solchen Momenten oft der Ruhepol und brachte ihn wieder runter.

 

~~~ Oktober 1770 ~~~

 

Wir hatten einen nicht ganz so heißen Sommer zu verzeichnen, aber die Überfälle nahmen zu. Manchmal waren es nur kleine Diebstähle aus Hühnerställen oder mal eine Schaufel Weizen aus dem Speicher.
Trotzdem fiel auf, dass sich diese kleinen Dinge immer mehr häuften. Aus der Zeitung war zu lesen, dass es Steuern gab, die sogar die Boten betrafen. Wer einen Brief zum Beispiel beförderte musste Seitenzahlen, Absender- und Empfängerort genauesten angeben. Meilen und Menge der Papiere wurden dann entsprechend ausgerechnet. Es artete ins Lächerliche aus!
Meine Briefe in die Niederlande, Frankreich oder auch zu Jenny verschiffte ich einfach mit den normalen Waren. Aber auch dort wurden wir immer öfter an entsprechenden Posten, dem mittlerweile einberufenen Zollstationen, untersucht. Es wurde immer schwieriger.

 

„Mistress Kenway, was haltet ihr davon wenn wir noch einige Schiffe oder Überlandkonvois so tarnen, dass sie lediglich normale Reisende befördern?“ Mr Gillehand, welcher auch schwer betroffen war, hatte mich vor ein paar Tagen diesbezüglich kontaktiert. „Auch für mich wird es immer umständlicher meine Korrespondenz unbehelligt von A nach B zu bekommen. Da muss man doch etwas unternehmen können.“
Natürlich könnte man da etwas machen.
Kurz darauf erschien mein erster Maat bei mir.
„Ich komme gleich auf den Punkt, Mr Hargreaves. Ich möchte, dass ihr versteckte Zwischenräume in die Jackdaw bauen lasst. Es sollte möglich sein, Briefe, Päckchen oder auch etwas größere Waren ungesehen zu verstauen. Ich denke da an die unterste Sektion, dort wo kaum jemand eine Inspektion starten würde. Und wenn doch, dann würde man – in unserem Falle – nichts vorfinden!“ ich hatte mir diesbezüglich schon Gedanken gemacht und legte ihm eine provisorische Zeichnung vor.
„Ich sehe…“ seine Hand strich über den Mund und er inspizierte meine Illustration. „Das ist etwas schwierig zu bewerkstelligen, aber nicht unmöglich. Gebt mir und den Zimmerleuten ein paar Tage, dann sollten wir entsprechende Hohlräume gebaut haben.“ Jetzt lächelte er mich verschmitzt an. „Und ja, auch ich habe schon darüber nachgedacht. Es wird immer etwas geben, was ungesehen von einem Ort zum anderen geschafft werden muss.“ Damit nahm der diese Zeichnungen an sich, verbeugte sich und wünschte mir noch einen guten Tag.
Damit hätten wir ein Problem, wenn auch nur kleines, gelöst!

 

Einige Tage später bekamen wir einen Brief, welcher von Kapitän James Cook geschickt wurde. So lädiert wie dieser Umschlag aussah, musste er Monatelang unterwegs gewesen sein und durch einige Hände gegangen sein.
„Ich habe schon länger nichts mehr von ihm gehört. Da fängt man an sich Sorgen zu machen. Ich bin gespannt, was er auf seiner diesjährigen Entdeckungsreise erlebt hat.“ Haytham war sichtlich erfreut von dem Herren zu lesen.
„Du meinst DEN James Cook? Der der auch Austra….“ ich hielt inne, weil ich gar nicht wusste, WANN Cook diesen Kontinent wirklich entdecken würde.
„Warum wundert es mich nicht, dass du auch diesen Herren bereits kennst, mi sol?“ grinste mein Mann mich an und wir gingen in sein Arbeitszimmer um die Zeilen zu lesen.

 

Tatsächlich war Kapitän Cook Anfang des Jahres aufgebrochen mit der Endeavour, hatte einige widrige Umstände welche Wetterbedingt waren zu meistern. Stolz berichtete er davon, dass er eine Inselgruppe entdeckt hätte, sich aber noch nicht sicher sei, wie er sie benennen sollte. An Bord sei ein Botaniker namens Solander, der sich mit den auf den Eilanden befindlichen Pflanzen beschäftigte.
Was haltet ihr von dem Namen „Solander Islands“? Es würde den Herren ehren und ihn für immer verewigen…
Sein Enthusiasmus war in diesen Worten förmlich zu spüren.
Es ging aber noch weiter. Man sei eine lange Küste entlang gesegelt, welche schier kein Ende nehmen wollte. Die Temperaturen waren der Region angemessen, laut James. Warm, aber noch erträglich.
Wir haben anscheinend einen, ich nenne es einfach mal so, neuen Kontinent entdeckt! Könnt ihr euch das vorstellen? Es gibt so vieles, was wir noch gar nicht erforscht haben oder noch finden müssen. In den nächsten Monaten werde ich mich daran setzen und mich mit diesem Land hier beschäftigen. Es scheint riesig zu sein…
Hier endete der Brief mit einem Gruß von Cook, dass er sich auf ein Wiedersehen freute, um alles genauestens berichten zu können. Das Datum war der 25. Mai 1770.

 

Australien! Er hatte es entdeckt. Ich sah immer wieder auf seine Worte, las sie vermutlich 3 oder 4 mal, weil ich mir sicher sein wollte. Aber er war südwärts gesegelt, es war eine Südseereise, wie er es bei seinem Aufbruch nannte. Außerdem kam mir der Name Solander bekannt vor.
Etwas zögerlich sprach ich Haytham auf meinen Verdacht an.
„Ich glaube, er hat tatsächlich Australien, den großen Kontinent am Äquator, entdeckt. Vermutlich greife ich jetzt vor, aber ich muss es loswerden. Man wird ihn kolonialisieren und er geht in britische Hände.“
Mein Templer musterte mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen einen Moment.
„Hmmm, ich muss dir das glauben, weil ich noch nie von diesem Australien gehört habe. Vielleicht sollten wir aber noch nicht allen kundtun, dass Kapitän Cook so einen Erfolg hatte.“ gab er zu bedenken. Falls ich nämlich falsch läge, wäre es sehr unangenehm, für alle Beteiligten.
„Ich werde nichts sagen, versprochen. Aber es klingt aufregend, dass ich das miterleben darf!“ wie ein kleines Kind freute ich mich gerade.
„Das glaube ich dir aufs Wort.“ lachte Haytham, während er den Brief in eine Schublade legte.

 

~~~ November 1770 ~~~

 

Mitte des Monats bekamen wir Besuch von Master Johnson, welcher um eine dringende Unterredung bat. Auch er war betroffen von den vielen Steuern und suchte nach Geldquellen um weiteres Land aufkaufen zu können. Ich erinnerte mich, dass er es nur erwarb um die dort lebenden Eingeborenen schützen zu können. Leider würden sie es auch nur bedingt verstehen, wenn ich meinem geschichtlichen Wissen trauen konnte.
William und Haytham verbrachten einige Stunde im Arbeitszimmer, unterbrochen vom Mittagessen oder dem Abendessen.
„Die Lage für Master Johnson scheint ja ernster zu sein, als ich dachte.“ ich hatte meinen Mann etwas zur Seite genommen, während sich unser Besuch „die Füße“ vertrat.
„Wir planen uns in den Teehandel mit einzuklinken. So können wir über Steuern vielleicht zusätzlich die Kosten für den Landerwerb decken. William ist ja auch kein Millionär und der Orden kann nicht so große Summen zur Verfügung stellen. Wie du ja weißt, muss ich noch Reserven bereithalten für den Fall eines Krieges… Ja, er wird kommen, mi sol.“ unterbrach er seinen Redeschwall, als er sah, dass ich etwas erwidern wollte. „Ich weiß das, aber Jonathan zum Beispiel glaubt noch an den friedlichen Ausgang der Auseinandersetzungen.“
„Mi amor, aber wenn ihr darin investiert, verliert ihr bald eine Menge an Geld. Britannien wird eine immens hohe Teesteuer verlangen, welche die Kolonisten hier in ein paar Jahren nicht mehr hinnehmen werden. Der Aufstand ist vorprogrammiert! Genau wie Anfang diesen Jahres in Boston.“ flüsterte ich jetzt, weil ich sah, dass Master Johnson wieder ins Arbeitszimmer trat.
„Wir besprechen das später, Alex.“ Haytham war in seine Rolle als Großmeister geschlüpft, das Zeichen für mich, dass ich mich jetzt zurückhalten sollte bei dem weiterführenden Gespräch.
„Master Johnson, ihr entschuldigt mich? Ich muss mich noch um… einige Schiffsreparaturen kümmern.“ log ich ihm freundlich ins Gesicht und ging hinaus.

 

Für einen Moment atmete ich tief durch, als ich in der Eingangshalle stand. Es war bereits dunkel draußen, die Kinder waren im Bett und im Grunde hätte ich nichts weiter zu erledigen.
Also zog ich mir meinen Mantel über und ging hinüber zu den Pferdeställen. Der Anbau war groß genug für die 10 neuen Arbeitstiere, 5 weitere Pferde waren mittig der Plantage in einem kleineren Stall untergebracht. Dort beaufsichtigte unser Stallbursche, welcher jetzt Stallmeister war, die Tiere und deren Gesundheit.
„Mistress Kenway, kann ich euch helfen?“ Mr Mackenzie striegelte gerade Brida als ich eintrat.
„Danke, Mr Mackenzie, ich wollte mir nur die Beine vertreten und da dachte ich mir, ich schaue mal nach meinem Liebling.“
Fenrir stand in seiner Box, die frisch mit Stroh ausgefüllt war. Immer noch war ich fasziniert von diesem stolzen Hengst und betrachtet ihn mit einem verträumten Lächeln.
„Darius und Brynjolf geht es übrigens hervorragend. Master Edwards Reitkünste werden von Tag zu Tag besser. Ich freue mich schon, wenn ich der kleinen Miss Florence ebenfalls dabei helfen kann.“ in seiner Stimme klang ein klein wenig Wehmut mit. Er war nicht verheiratet und hatte auch keine Kinder. Vermutlich kompensierte unser Stallmeister das mit unseren Kindern, was uns nur zu Gute kam.
„Sie freut sich auch schon. Immer wenn sie bei mir mit reitet versucht sie die Zügel zu übernehmen.“ ich ließ lachend meine Hand über Fenrirs Hals streichen, welcher mich dabei anstupste.
„Dann wird es ja ein Leichtes ihr alles beizubringen!“ auch Isaac musste dabei kichern.

 

Mein Weg führte mich hinters Haus, wo ich in unserem Obstgarten nach dem Rechten sah. Nunja, es war dunkel, erkennen konnte ich also nicht viel und im November trugen die Bäume auch keine Früchte mehr.
Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Alarmiert setzte ich meinen Adlersinn ein und siehe da, eine leichte rote Aura war auszumachen. Aber sie war nicht menschlich, sondern auf 4 Beinen und schlich zwischen den Bäumen und Büschen umher. Ich konnte nicht genau sehen, WAS es war, es könnte vielleicht ein Wolf sein. Langsam ging ich rückwärts um dieses Tier im Auge zu behalten. Wie war das noch? Keine hektischen schnellen Bewegungen, ging es mir durch den Kopf.
Mit einem Mal schoss dieses Tier auf etwas in seiner Nähe zu, ebenfalls auf vier Beinen aber in diesem neutralen Ton der Aura. Ein ohrenbetäubendes schmerzerfülltes Miauen war zu hören und der erste Gedanke war, dass Mina ja hier draußen herumstreunte.

 

Vorsichtig ging ich näher und als mich dieser vermeintliche Wolf bemerkte zuckte er zurück und sprintete in Richtung der Felder für den Eigenbedarf. Ich sah mich um, weil diese Tiere ja eigentlich nie alleine auftauchten, aber ich sah nichts, außer dem kleinen Fellknäuel zu meinen Füßen. Ohne groß darüber nachzudenken nahm ich es auf den Arm und ging hinein. Im Salon musste ich mit Schrecken feststellen, dass es tatsächlich Florences kleine Katze war. Ihre Flanke war aufgerissen und ihr lebloser Körper lag jetzt vor mir.
„Oh nein…“ ich begann zu weinen, dieser Anblick war fürchterlich. WAS aber hatte sie angegriffen. Eigentlich hatten wir hier noch nie einen Wolf gesehen und ich war mir auch nicht sicher, ob sie hier so verbreitet waren.
Gerade als ich mit unserer Katze hinaus in die Eingangshalle trat, kamen auch Haytham und William aus dem Arbeitszimmer.
„Was…“ mein Mann schritt schnellen Schrittes auf mich zu und betrachtete das blutende Fellbündel in meinen Armen. „Das kann doch nicht sein…“ flüsterte er.
„Ich glaube, es war ein Wolf, der sie angefallen hat…“ doch zu mehr ließ mich Master Johnson nicht kommen.
„Das glaube ich nicht, ich vermute dahinter einen Kojoten, der auf der Suche nach Beute hier herum streunerte. Wenn auch selten, reißen sie unter anderem auch Hauskatzen. Das Angebot an Nahrung ist ja in diesen kalten Tagen eher beschränkt.“ bedauernd sah er mich an.
„Wie soll ich das Florence morgen erklären?“ schniefend sah ich von einem zum anderen.
„Wir erklären es ihr ganz normal und werden Mina einen schönen Platz unter der Weideneiche geben. So hat unsere Tochter einen Ort, wo sie um ihre Katze trauern kann.“ Haythams Arm legte sich um meine Schultern, während William mir den Leichnam vom Arm nahm.

 

In ein Tuch gewickelt legten wir sie unten in den Vorratskeller, dort war es kühl, sicher und keine anderen Tiere konnten dort hin.

Kapitel 28

 

~~~ Minas Beerdigung ~~~

 

Am nächsten Tag nach dem Frühstück erklärten wir unserer Tochter, was sich letzte Nacht im Garten zugetragen hatte. Wie erwartet brach Florence in Tränen aus und klammerte sich an ihren Vater, der sie mit hinunter in den Keller nahm.
Eigentlich hatte ich ihn gebeten, der kleinen Maus die Katze nicht mehr zu zeigen, weil es kein schöner Anblick sei, aber er war der Ansicht, dass es für ihre Entwicklung wichtig ist.
„Mi sol, der Tod gehört nun mal zu unserem Leben. Auch unsere Tochter muss das lernen!“ sein Ton duldete mal wieder keine andere Meinung oder Ansicht.
„Haytham! Sie ist vier Jahre alt! Wie…“ begann ich, als er mir über den Mund fuhr.
„Florence wird es begreifen, glaub mir. Hätte Edward etwas ähnliches erlebt, würde ich genauso verfahren.“ es war zwecklos etwas logisches als Gegenargument zu bringen, weil mein Gatte „dicht“ gemacht hatte.
„Wie du meinst!“ zischte ich aus zusammen gebissenen Zähnen in seine Richtung und ging schon mal hinaus zur Weideneiche.

 

Die Beerdigung des kleinen Lieblings war untermalt von lautem Schniefen. Auch Edward liefen die Tränen über die Wange.
„Mama, kann ich sie nicht wieder…“ bevor er jedoch noch etwas sagen konnte, unterbrach ich ihn.
„Nein, das geht nicht. In diesem Falle müssen wir es so hinnehmen. Bei Walka war es etwas anderes.“ plötzlich lief mir eine kalte Gänsehaut über den Rücken, weil mir Bilder von dem Film „Friedhof der Kuscheltiere“ im Kopf herumspukten. Seltsamerweise ließ sich auch keiner der Götter blicken, geschweige denn hörte ich etwas von ihnen. Anscheinend war es wirklich endgültig mit Mina, so hart es klingt.
Der ganze Tag verlief trüb, wie das Wetter heute. Florence saß vor dem Fenster im Wintergarten und starrte in Richtung der Weideneiche. Wir konnten sie nicht einmal mit gemeinsamen Spielen aufmuntern und ich begann mir Sorgen zu machen.
„Min lille engel, wollen wir etwas zusammen malen oder …“ aber zu mehr kam ich nicht, sie schüttelte ihren kleinen Blondschopf und sah wieder hinaus.
Mir tat es in der Seele weh, meine Tochter so zu sehen. Ich selber hatte als ich klein war, eine Katze verloren, sie hatte sich im gekippten Fenster „aufgehängt“. Ich konnte meine Tochter sehr gut verstehen, aber sie war noch so klein und ich war mir nicht sicher, ob sie es wirklich schon verstand.

 

Am Abend brachte ich sie zu Bett und als ich ihr Schlaflied anstimmen wollte, fragte sie, ob ich es auch für Mina singen könne.
Natürlich tat ich ihr den Gefallen und hielt Florence dabei im Arm bis sie eingeschlafen war.
Bei Edward saß gerade noch mein Mann und versuchte ihn davon abzuhalten die tote Katze wiederzubeleben.
„Das darfst du nicht tun, mein Sohn. Das ist wider der Natur und wie deine Mutter schon sagte, bei Walka war es eine andere Situation.“ seine Stimme war ruhig, aber hatte einen feinen Befehlston inne.
„Flo ist aber so traurig! Ich will nicht, dass sie weint!“ traurig sah er von Haytham zu mir. „Mama, sag doch auch was!“
„Dein Vater hat Recht, min lille skat. In ein paar Wochen ist dieser Schmerz weniger und Florence wird wieder fröhlich sein. Das Leben geht halt einfach weiter.“ sprach ich leise, weil dieser Satz mir Tränen in die Augen steigen ließ. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich ihn zu oft von Freunden und Verwandten zu hören bekommen. Er war abgedroschen und eigentlich nur eine Phrase. Nichts weiter. Dennoch steckte ein Fünkchen Wahrheit in ihm.
„Wenn ich groß bin, dann ändere ich das.“ mit diesen Worten drehte er sich in seine Decke mit dem Rücken zu uns.
Zum ersten Mal in all den Jahren schickte er uns regelrecht hinaus. Keine Geschichte, kein Lied wollte er hören. Ihr könnt euch vorstellen, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe.
Trauriger als zuvor. Es tat mir weh!

 

„Mi sol…“ mein Mann kam hinter mir her, als ich in mein Arbeitszimmer gehen wollte. Für heute hatte ich keine Lust mehr auf Gesellschaft. Ich wollte einen guten Wein, ein Buch was mich ablenkte und alleine sein.
„Nein, ich brauche eine Auszeit, Haytham!“ meine Stimme war kaum hörbar, weil mir immer noch ein Kloß im Halse steckte und ich den Tränen nahe war.
Enttäuscht ließ er die Schultern hängen und ging ohne weitere Worte an mir vorbei hinunter. Noch jemand der mir nicht wohlgesonnen war heute. Toll.
Ich bat Magda mir den Wein zu bringen, als sie mich in mein Nachthemd gesteckt hatte.
„Mistress Kenway, der Tag war ja nicht sehr schön. Es tut mir aufrichtig leid.“ flüsterte sie, als sie mir meinen Morgenmantel reichte.
„Danke, Magda. Es kann ja nicht immer nur Sonnenschein geben, nicht wahr?“ ich versuchte ein Lächeln, aber es erstarb schon beim Gedanken daran.

 

Wie lange ich in meinem Arbeitszimmer am Kamin verbrachte, kann ich nicht sagen. Aber irgendwann war das Feuer heruntergebrannt und ich dämmte es noch ein. Dann ging ich leisen Schrittes hinüber in unser Schlafzimmer, wo mich niemand zu erwarten schien.
Auf der Galerie stehend, sah ich aus dem Salon noch einen Lichtschimmer und ging hinunter.
Vor dem Kamin saß mein Mann, versunken in einem Buch, ähnlich wie ich kurz zuvor auch.
„Darf ich hereinkommen?“ fragte ich zögerlich, weil ich nicht wusste wie ich anfangen sollte.
„Natürlich, es ist ja auch dein Zuhause.“ Bei Odin! Warum war dieser Mann manchmal so seltsam?
Es war noch warm hier und ich stellte mich vor den Kamin um meine Hände zu wärmen. Wie fange ich jetzt ein Gespräch an? Warum hatte ich ein schlechtes Gewissen? Verdammt noch mal!
„Alex, ich weiß, dir gefällt meine Einstellung nicht, was die Erziehung im Bezug auf den Verlust von Haustieren angeht. Es ist aber und das musst du zugeben, ein normaler Prozess im Leben. Auch unsere Kinder werden sich dem stellen müssen. Je früher, desto besser. Sie müssen sich dem stellen können und lernen damit umzugehen! Ich will sie nicht zu eiskalten Monstern erziehen, aber wenn es zu diesen Aufständen und dem späteren Krieg kommen wird, sollten sie mit solchen Dingen vertraut sein!“ für einen Moment sah ich ihn an, weil er im Grunde ja Recht hatte.

 

„Trotzdem! Florence ist noch zu jung, um das überhaupt zu begreifen. Warum musstest du ihr den toten Körper von Mina noch zeigen, war das auch zu Lehrzwecke? Das geht dann doch zu weit, finde ich.“ ich erinnerte mich an das Sezieren von Fröschen an unserer und auch Yannicks Schule. Für mein persönliches Empfinden, muss man mit so etwas nicht konfrontiert werden.
„Und wie hättest du es unserer Tochter erklärt, wenn SIE Mina gefunden hätte? Sie wäre dann sicherlich noch mehr erschrocken, weil die Katze einfach so draußen in den Büschen lag. Glaub mir, es ist besser so sie aufzuklären.“ Haytham hatte sich erhoben und kam zu mir herüber. „Lass uns den beiden bitte die Wahrheit über Leben und Tod erklären. Unsere Kinder können mehr verkraften als du annimmst. Sie wachsen nicht in deiner Zeit …“ plötzlich wurde ich bei diesem Ansatz wütend.
„Ach, du glaubst also, ich bin verweichlicht großgezogen worden? Immer noch gehst du davon aus, dass ich all das hier nicht einfach so wegstecken kann, wie ihr hier?“ fauchte ich ihn an.
„Herr Gott, Alex. Dreh mir doch nicht das Wort im Munde rum. Du selber hast gesagt, dass es friedlicher bei euch zuging und man nicht immer mit Kriegen, Verlusten und ähnlichen Ängsten wie das nackte Überleben konfrontiert war. Natürlich hast du deswegen eine andere Einstellung, dass spreche ich dir ja auch nicht ab. Bedenke aber, wir müssen wissen, dass die Kinder nicht gleich aufgeben, sobald sie mit solchen Dingen in Kontakt kommen.“ vorsichtig legten sich seine Arme um meine Taille.

 

„Oh man, ja ich weiß ja…“ seufzend legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Ja, er hatte Recht. Es fiel mir aber auch nach 8 Jahren noch schwer mich an diese Gepflogenheiten zu gewöhnen. Auch ich würde mich bald einem Krieg stellen müssen, welcher uns die Angst lehren wird, alles zu verlieren.
Ein leises Glucksen war zu vernehmen.
„Ich finde deine Ausdrucksweise hin und wieder immer noch faszinierend.“ langsam hob er mein Kinn an und gab mir einen vorsichtigen Kuss. „Bitte, wir werden gemeinsam weiter zusammen wachsen und die Kinder ebenso. Hab auch du ein wenig mehr Vertrauen in mich in solchen Momenten!“
Stumm nickte ich und schmiegte mich in seine Arme. Meine Wut und die Trauer ebbten langsam ab und machten Platz für … eine unerwartete heftige Müdigkeit, welche mich herzhaft gähnen ließ.
„Wir sollten zu Bett gehen, mi sol. Der Wein hat dich wohl ein wenig müde werden lassen.“ er drehte mich Richtung Tür und gab mir einen Klaps auf den Po. „Verführerisch wenn du in deiner Nachtwäsche so vor mir hergehst.“ ich konnte seine dunklen Augen auf meinem Hintern regelrecht spüren.
„Du hast es aber erfasst, ich bin müde, mi amor. Das Bett ruft nach mir.“ kicherte ich leise.
Ich weiß noch, dass ich angekuschelt an meinen Mann einschlief und in einen traumlosen Schlaf glitt.

 

~~~ Silvester 1770/1771 ~~~

 

Gillehand Plantage

 

Das diesjährige Silvesterfest verbrachten wir bei unserem Advokaten, welcher mittlerweile zum Richter berufen worden war.
Wir konnten also auch darauf mit ihm anstoßen.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell hier Fuß fassen könnte.“ diesen Satz ließ er nicht nur einmal an diesem Abend verlauten!
​​​​​​„Wir gratulieren euch auch noch einmal zu dieser großen Leistung, Master Gillehand. Auf das ihr noch lange dieses Amt bekleiden werdet.“ wir erhoben die Gläser und ein einvernehmliches „Hört! Hört!“ kam von allen Gästen gleichzeitig.

Das kleine Feuerwerk bestaunten wir in diesem Jahr mit ein wenig Schnee. Odin sei Dank hatte es noch nicht zu heftig geschneit.

Plötzlich zupfte jemand an meinem Rock.
„Mama, das ist laut.“ jammernd stand Florence vor mir. Ich hob sie hoch und wir standen andächtig bei den anderen und bestaunten die bunten Lichter. Wie jedes Jahr fiel es mir schwer die Tränen zu unterdrücken. Es war doch ein Fluch mit dem Jahreswechsel.
„Bist du taurig?“ flüsterte meine Tochter in mein Ohr.
„Nein, eigentlich nicht. Aber es ist so schön, dass ihr alle bei mir seid. Manchmal weint man auch, wenn etwas sehr schön ist, weißt du min lille engel.“ in ihren Augen sah ich, dass sie überlegte, was ich meinen könnte.
„Mein kleiner Engel, du bist ja einfach wieder aufgestanden. Das war aber gefährlich, dass du alleine…“ Haytham konnte nicht weitersprechen, als ich auf Sophia deutete, welche etwas abseits stand und zu uns hinüber schaute. „Oh, ich verstehe.“
Gemeinsam gingen wir zu dem Kindermädchen um auch ihr ein frohes neues Jahr zu wünschen.
„Ich danke euch, Master Kenway, Mistress Kenway. Und ich möchte noch einmal sagen, dass ich sehr froh bin, für euch arbeiten zu können. Nicht wahr kleine Miss?“ lächelnd mit einem Glitzern in den Augen sah sie ihren Schützling an.
Florence jedoch gähnte herzhaft an meiner Schulter und war im Begriff einzuschlafen.
„Wir sind auch dankbar, euch diesen Posten gegeben zu haben.“ sprach ich leise, damit unsere Tochter gar nicht erst wieder munter wurde.
Die beiden gingen jetzt hinauf und ich sah ihnen lächelnd hinterher.
„Ohne Sophia oder Sybill wären wir oft aufgeschmissen, mi amor.“ mein Kopf lehnte an Haythams Seite.
„Die beiden sind Goldwert, mi sol.“ sein Kuss schmeckte nach dem gerade gereichten Champagner und ich kostete ihn ausgiebig.
Genauso wie ich meinen Mann entsprechend genoss in dieser Nacht.

 

Der Morgen war zu früh angebrochen für meinen Geschmack. Mein Kopf fühlte sich benebelt an, mein Mund war zugeklebt und mein Hintern fühlte sich sehr warm an.
„Guten Morgen, mi sol. Das neue Jahr wartet auf uns. Aufstehen!“ hörte ich meinen Templer neben mir freudig sagen.
„Das kann noch warten.“ nuschelte ich in die Kissen und drehte mich wieder um.
„Nein, das Frühstück ist sicherlich gleich fertig. Hopp!“ ein Klatschen seiner flachen Hand auf meinem Po war mein Stichwort.
„Bei Odin, sei doch nicht immer so gemein.“ ich pellte mich aus dem Bett und saß für einen Moment schweigend auf der Bettkante. „Wasser, ich brauche etwas zu trinken.“ auf dem Nachttisch hatte ich mir schon ein Glas zurechtgestellt. Auch wenn der Inhalt eiskalt geworden war über Nacht und damit meine Zähne klappern ließ.
„Gleich bekommst du heißen Kaffee, das versöhnt dich hoffentlich dann wieder.“ grinste mein Templer mich an.
Wir verbrachten noch zwei Stunden bei Master Gillehand, weil es doch noch geschneit hatte und die Kutschen entsprechend gerüstet werden sollten. Mit den Kindermädchen hatte ich Edward und Florence dick eingepackt und mich auch gleich mit. Nur Haytham schien mal wieder die Kälte nicht zu bemerken, er ließ es sich zumindest nichts anmerken.

 

Gerade als wir in unser Gefährt stiegen, hörte ich einen freudigen Schrei meiner Tochter.
„Da, eine Katze…“ in Windeseile hatte sie sie auf dem Schoß und streichelte sie.
Das Tier war nicht sehr groß und sah etwas verwildert aus. Dann bemerkte ich die tränenden Augen.
„Min lille engel, die Katze scheint einen Schnupfen zu haben. Lass sie lieber hier, damit Master Gillehand…“ entsetzt sahen mich grüne funkelnde Augen an.
„Nein, ich passe auf!“ es war jetzt an mir erstaunt zu schauen.
Haytham neben mir nickte mir zu.
„Versprich mir mein kleiner Engel, dass du wirklich auf sie aufpasst. Vielleicht kannst du ja bei Mrs Muller nach ein paar Kräutern fragen, damit sie wieder gesund wird.“ sein Blick glitt von der Katze, zu Florence und dann zu mir. Damit war ich einverstanden und nickte erleichtert, weil wir uns einig waren.
Den gesamten Weg über wurde das wuschelige Tier gestreichelt, bekam Geschichten zu hören oder man sang ihr vor.
Siehst du, ihre Trauer ist verflogen. Hörte ich Haytham in meinem Kopf.
Es ist schön zu sehen, dass sie wieder glücklich ist.
Sogar Edward ließ es sich nicht nehmen, die Mieze auch mal auf den Schoß zu nehmen und ausgiebig zu streicheln.

Kapitel 29

~~~ Ein neues Haustier ~~~

 

So begann unser 1771 glücklich, was mich unendlich beruhigte. Florence konnte wieder lächeln und verbrachte die nächsten Tage oft mit Mrs Muller, welche ich hatte rufen lassen.
„Dieser Katzenschnupfen ist sehr lästig für das arme Tier, aber ich denke, wir bekommen das schon wieder hin. Was meint ihr Miss Florence?“ Unsere Kräuterkundlerin war uns mehr als willkommen, weil sie für vieles, was auch ich nicht wusste, ein Mittel hatte. Sie alle halfen, wenn auch nicht so schnell wie die Medikamente in meiner Zeit.
Nach ungefähr drei Wochen ging es unserer neuen Mitbewohnerin wieder gut und erst jetzt fiel mir ein, dass sie ja auch einen Namen brauchte.
„Min lille engel, wie soll denn deine Katze jetzt heißen?“ fragte ich eines Morgens nach dem Frühstück, als sich das Fellknäuel hier im Wintergarten vor dem Kamin zusammengerollte hatte.
Für einen Moment herrschte Stille. Ihr Blick ging zu der schlummernden Katze, dann wieder zu mir.
„Ida, Mama.“ flüsterte meine Tochter.
„Der ist schön, wie kommst du darauf?“ Aber meine Frage wurde nicht beantwortet, sondern Florence schlängelte sich von meinem Schoß und legte sich neben Ida.
Vermutlich werde ich nie eine Erklärung bekommen.
Lächelnd und zufrieden ließ ich die beiden alleine und ging hinauf in mein Arbeitszimmer.
Es war in letzter Zeit einiges liegen geblieben, wie ich mir frustriert eingestehen musste.

 

Am späten Nachmittag, es war schon wieder fast dunkel, traf ein Bote ein mit einer eiligen Nachricht aus Davenport.
Mein Herz setzte für einen Moment aus, weil ich schlechte Kunde befürchtete.
„Nein, es ist nichts passiert, mi sol. Du kannst beruhigt sein.“ aber auch in Haythams Stimme klang Erleichterung mit. „Connor warnt uns, Hickey noch weiter zu unterstützen. Er hat von einem Informanten erfahren, dass er seinen Schmuggel und die Schwarzmarktgeschäfte gefährlich weit ausgedehnt zu haben scheint. Die Briten sind hinter ihm her, aber auch die Soldaten der kontinental Armee. Verdammt noch mal, dieser Mann entwickelt sich, neben Charles, zu einer Plage! Ich kann ihn schlecht beschützen. Seine Geschäfte haben mit mir und dem Orden im Grunde nichts zu tun, sie dienen ja lediglich dazu Informationen zu beschaffen.“ er war ins Grübeln verfallen bei diesen Worten.
Wenn ich mich nicht täuschte, würde Thomas in 5 Jahren am Galgen landen wegen Schmuggelhandel, Geldfälscherei und Verrat.
„So lange kann ich ihn aber nicht vor der Justiz schützen!“ da hatte er Recht, also musste er Thomas vorerst sich selbst überlassen. „Ich werde nach New York reiten und ihn auch noch einmal persönlich warnen! Vielleicht kommt er ja doch noch zur Vernunft.“
Mein abfälliges Lachen blieb nicht unbemerkt.
„Ich weiß, du magst ihn nicht, aber das war unangebracht.“
„Er wird nicht auf dich hören, Haytham. Er wiegt sich in Sicherheit, glaub mir. Seine Leute sind um ihn herum und halten das Schlimmste von ihm fern. Lass ihn machen, er reitet sich selber in die Sch… entschuldige. Außerdem… wird Connor noch dafür sorgen, dass er seine gerechte Strafe bekommt.“ In kurzen Worten schilderte ich noch einmal, was später passieren würde.
„Das gefällt mir auch nicht wirklich.“ seufzte er als er bemerkte, dass er kaum eine andere Wahl hatte. „Gut, ich werde Achilles und Connor schreiben, dass sie Hickey ebenso noch im Auge behalten sollen. Sollte es zu größeren Katastrophen kommen, dann schreiten wir ein.“

 

~~~ Mai 1771 ~~~

 

Mein Geburtstag fiel dieses Jahr auf einen warmen sonnigen Tag und wir genossen gutes Essen und guten Wein auf der Terrasse. Elias war mit Gattin erschienen und sogar Jennifer hatte es rechtzeitig geschafft uns besuchen zu kommen.

 

Elias war aber nicht nur mit guten Neuigkeiten erschienen, auch Jennifer berichtete nichts gutes aus England.
Wir bekamen hier den Unmut der Kolonisten immer mehr zu spüren, die Steuern waren, wenn man sie nicht geschickt umgehen konnte, eine Farce! Steuern auf ALLES was zum Beispiel auch den täglichen Bedarf anging. Ob wir ihn nun nach Europa verschifften oder wir hier etwas kauften, was aus Britannien kam. Ganz zu schweigen von der für mich immer noch absonderlichen Steuer auf Druckerzeugnisse!
Mittlerweile hallte die Parole der aufgebrachten Kolonisten „No taxation without represantation“ (Keine Steuer ohne politische Mitwirkung) durch die Straßen der Städte.
Von einigen Freunden in New York hatten wir erfahren, dass man ihnen auferlegt hatte, britische Soldaten bei sich aufzunehmen, weil in den Garnisonen nicht ausreichend Platz sei und sie in ihrer Pflicht als britische Bürger dazu verpflichtet seien.
„Ich verstehe das einfach nicht! Es sind ja noch nicht einmal nur Briten dort, sondern auch Deutsche oder Italiener. Wie kann man bitte auch von denen solche Gelder erpressen?“ hakte ich mal wieder nach, auch wenn mir niemand darauf eine befriedigende Antwort geben konnte.

 

„Der Aufstand wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ warf Elias seufzend ein. „Auch ihr müsst euch hier weiter darauf vorbereiten. Die Schlachten werden nicht immer so weit entfernt ausgefochten. Aber das weißt du ja, mein Kind.“ sein Blick war betrübt, weil auch in Philadelphia nicht alles zum Besten bestellt war. Dort brodelte es auch hier und da und die Wut der Bürger war deutlich zu spüren.
„Die Söhne der Freiheit sollten in naher Zukunft aktiver werden. Wir brauchen eine Armee und keine Bauern die sich selbst verteidigen müssen.“ Haytham kannte meine Ausführungen über den Unabhängigkeitskrieg und hatte sich, zu meinem Leidwesen, einige Male mit Lee getroffen um ihn in die neu einberufene Kontinental-Armee einzuschleusen. Er selber hatte einige Versammlungen des Kongresses mittlerweile besucht um sich ein Bild von den Fortschritten zu machen.
„Daniel und ich haben uns aus einigen Kreisen bereits zurück gezogen und versuchen möglichst unsichtbar zu bleiben. Wir haben von einigen Inhaftierungen gehört, welche einfach nur auf einen Verdacht fußen. Man könnte meinen, King George hätte den Verstand verloren allmählich.“ Jennifer sah mich kopfschüttelnd an. Im Grunde war es so, dass der König – verzeiht den Ausdruck – aber nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Und das war nur der Anfang seiner geistigen Umnachtung!

 

Ein paar Tage später setzten wir uns alle mit einem Architekten zusammen um ein neues Projekt hier auf der Plantage in die Tat umzusetzen.
Wir wollten in die Tiefe bauen! Unsere geldlichen Möglichkeiten waren solide und so konnten wir entsprechende Pläne ausarbeiten. Im Grunde wäre es ein großangelegter Keller, welcher sich nicht direkt unter dem Haupthaus sondern etwas weiter weg in der Nähe der Felder für den Eigenbedarf befand. Der Eingang sollte von einem der Lagerhäuser am Fluss aus zugänglich sein, ein weiterer würde in unserem hiesigen Keller liegen und der dritte dann unscheinbar in einem Schuppen in der Nähe des Feldes. Dort lagerten Werkzeuge und Handwerkszeug für die Bauern.
Nach 5 Tagen stand ein erster Plan.
„Diese Ausmaße sind aber nicht innerhalb von ein paar Wochen zu schaffen, Master Kenway.“ gab der Architekt zu bedenken. „Wir werden einige Monate brauchen befürchte ich. Ihr solltet mit mindestens 5 Monaten rechnen. Dabei gehe ich von guten Wetter- und Untergrundbedingungen aus.“
„Ich hatte tatsächlich mit einem Jahr gerechnet.“ wir hatten wirklich in größeren zeitlichen Dimensionen gedacht. Umso erleichterter konnten wir mit der neuen Berechnung sein.
„Und jetzt weiß ich auch, wer diese Tunnel und Lagerräume hier errichtet hatte.“ lächelte ich die Umstehenden Personen an, sie alle, sogar der Architekt, waren über meine Zeitreisen informiert. „Dieses Portal in der Zukunft ist nämlich genau dort unten.“ Diese Erinnerung der Dame damals im Gefängnis erschien vor meinem inneren Auge.

 

Somit beschlossen wir mit dem Bau bald möglichst zu beginnen und stießen auf dieses große Vorhaben noch an.
In 3 Wochen sollten die Bauarbeiter anrücken und ihre Arbeit aufnehmen. Der Architekt selber wird in der ganzen Zeit ebenfalls hier wohnen. Platz war zu genüge da, versicherte ich dem Herren immer wieder, welcher sich schon in den Arbeiterquartieren einrichten wollte.

 

~~~ Lasst den Bau beginnen ~~~

 

Pünktlich Anfang Juni erschienen alle hier und begannen mit den ersten Spatenstichen. Gebannt sah ich eine Weile zu, weil ich es überaus interessant fand, wie man mit diesen einfachen Mitteln solche „Wunder“ bewirken konnte.
Natürlich war es harte körperliche Arbeit, keine Frage und die Männer auf der hiesigen Baustelle mussten bei guter körperlicher Gesundheit sein. Aber ich sah, dass man tüchtige Herren gefunden hatte und – das war mir und Haytham am wichtigsten gewesen – KEINE Sklaven! Es gab Italiener, Deutsche, Spanier und auch Franzosen. Diese hatten sich von ihrem Militärdienst losgesagt, weil sie keinen Sinn im Krieg sahen. Leider wurden die Männer am Anfang trotzdem schief angesehen, das legte sich aber nach den ersten gemeinsamen Tagen.
Über William Johnson hatten wir noch vertrauenswürdige Briten anheuern können, welche im wahrsten Sinne des Wortes, vor Haytham und mir einen Eid ablegen mussten, Stillschweigen zu bewahren und nicht bei der erst besten Gelegenheit ihrem König von solchen Geheimaktionen zu berichten.
„Wir haben kein Interesse an den ungerechten Machenschaften unseres Königs. Wir können unseren Lebensunterhalt kaum bestreiten aufgrund der Steuern. Meine Frau und meine Kinder haben oft nichts zu essen, weil wir es uns einfach nicht leisten können. Aber jetzt kann ich ihnen immer etwas Geld schicken.“ der Herr verbeugte sich tief und in seinen Augen sah man die Aufrichtigkeit seiner Worte.

 

Um die Gänge im Untergrund zu stützen wurden zunächst Holzbalken verwendet und wenn ein gewisser Abschnitt fertig gestellt war, wurde der Bereich mit Backsteinen ausgekleidet.
Die erste Lieferung Mitte Juli kam auch unbeschadet hier bei uns an aus Boston. Der Kapitän des Handelsschiffes jedoch betonte, dass diese Menge an Steinen bereits für Aufsehen gesorgt hatte.
„Mistress Kenway, ich schlage vor, ihr solltet in unregelmäßigen Abständen kleinere Menge in Auftrag geben, auch wenn dadurch ein Verzug im Bau entsteht. Leider erregt ihr so die Aufmerksamkeit einiger königstreuer Bürger und Soldaten, die im Hafen zum Beispiel Patrouille laufen.“ sein Blick glitt auch zu meinem Mann.
„Wir werden wohl nicht drumherum kommen, nehme ich an.“ seufzte mein Templer und setzte sich an dem Abend gleich noch einmal mit dem Architekten zusammen.
Mindestens 2 weitere Monate würden ins Land gehen, bis alles fertig wäre. Trotzdem war dies kein Weltuntergang, denn schließlich hatten wir keinen echten Zeitdruck. Wir machten ihn uns selber.

 

Somit kamen häufiger kleine Mengen hier an, abwechselnd über Land und Fluss. Wir sorgten außerdem dafür, dass nie dieselben Lieferanten und Händler involviert waren! Kein leichtes Unterfangen und dieser Bau beanspruchte einen Großteil unserer Zeit.
Leider litten die Kinder darunter, die immer wieder zu kurz kamen. Mein schlechtes Gewissen versuchte ich zu beruhigen, indem ich mir mit Haytham einen Tag in der Woche nahm, an dem wir etwas mit den beiden unternehmen konnten.
„Mi sol, das passt mir aber gerade nicht in den Zeitplan. Ich muss noch …“ mein hochgezogene Augenbraue sollte reichen, ihn an seine Pflichten als Vater zu erinnern. „Schon gut, ich habe verstanden.“ hörte ich etwa Trotz in seiner Stimme?
„Die beiden brauchen aber diese Momente mit uns. Wir haben so wenig Gelegenheiten derzeit mit ihnen etwas zu unternehmen. Und sieh, es ist ein Tag. Danach kannst du gerne wieder zu den Maulwürfen gehen.“ Wir hatten den Männer unter Tage diesen Namen gegeben, damit auch die Kinder wussten, was hier eigentlich passierte. Haytham ließ es sich nämlich nicht nehmen regelmäßig dort nach dem Rechten zu sehen.
Heute also, es war der 25. August, trafen wir uns beim Versammlungshaus erst zur Andacht und danach sollte noch ein Barbecue stattfinden. Heute ruhten auch die Arbeiten an den unterirdischen Räumen, in Folge dessen war kaum noch ein Sitzplatz zu bekommen, was aber Mr. Hathaway nicht davon abhielt seine einstündige Ansprache zu halten.
Mein Blick glitt über die ganzen Menschen um mich herum, während wir gemeinsam um die Feuer saßen. So viele unterschiedliche Sprachen und Religionen trafen hier auf einander, aber man verstand sich auch ohne vieler Worte hatte ich den Eindruck.
Gegen Mitternacht machten Haytham und ich uns auch auf den Weg zurück, die Kinder waren schon früher mit ihren Kindermädchen nach Hause gefahren.

 

Im Bett lag ich noch eine Weile wach und sinnierte über die neuen Fortschritte.
„Mi sol, versuch jetzt zu schlafen.“ flüsterte er in meine Haare, während er mich zu sich zog.
„Das sagst du so einfach. Es ist ein großartiges Gefühl, dass wir etwas vorantreiben und erreichen können. Nicht nur für uns, sondern auch für andere.“ sprach ich leise, als ich an ihn gekuschelt war.
„Ich hoffe immer noch, dass es auch reichen wird.“ ich hörte diese Skepsis in seiner Stimme.
„Es wird nie genug sein, mi amor. Leider. Aber tatenlos herumsitzen wäre noch schlimmer.“ so langsam überkam mich jetzt die Müdigkeit und ich schlang mich um meinen Templer.
„Das könnte ich auch gar nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, mi sol.“ er hauchte mir noch einen Kuss auf die Stirn und langsam glitten wir in unseren Schlaf.

Kapitel 30

~~~ Unglück auf der Baustelle ~~~

 

In der Nacht des 29. Septembers hatte es ein heftiges Unwetter gegeben und einige Bereiche unseres Tunnelsystems standen unter Wasser. Teilweise waren Gänge etwas abschüssig und somit staute sich das Wasser entsprechend.
​​​Am Mittag des darauffolgenden Tages spürte man eine leichte Erschütterung der Erde und für einen kurzen Moment hatte ich die Befürchtung ein Erdbeben würde sich ankündigen. Doch die Entwarnung kam kurz darauf durch einen Vorarbeiter.
„Master Kenway! Master Kenway!“ rief er, als er auch schon ohne auf Einlass zu warten, in das Arbeitszimmer meines Mannes stürzte. „Es gab heftige Wassereinbrüche, die die Wände aufgeweicht haben und dadurch sind mehrere Gänge eingestürzt!“ rief er und gestikulierte heftig mit den Armen.
„Bei Gott! Gibt es Tote und Verletzte?“ dabei hatte sich Haytham bereits erhoben und seinen Gehrock gegriffen.
„Sir, wir versuchen in diese Sektionen zu gelangen, aber die Erdmassen sind vollgesogen und nur schwer beiseite zu schaffen. Wir arbeiten daran!“ beide Herren eilten jetzt nach draußen und ich folgte ohne Worte!
Die Angst, dass es Tote bei diesem Unterfangen gab, brachte mir eine Gänsehaut.

 

Bei der Unfallstelle oder besser beim Ort des Geschehens angekommen, stieg mein Templer mit dem Vorarbeiter hinunter und hieß mich, oben zu warten. Verdammte Axt! Ich hatte natürlich – nur – ein Kleid an, damit wäre ich kaum eine Hilfe.
Ich sah mich hier bei den Umstehenden Damen und Herren um. Einige Frauen lehnte weinend an der Schulter einer anderen oder weinten hemmungslos.
Es waren natürlich deren Ehemänner und auch einige Söhne dort unten am Arbeiten und nicht mehr heraufgekommen. Ihre Angst, dass sie sie vor wenigen Stunden das letzte Mal gesehen haben, ließ mich zittern.
Einer der Tunnelgräber, welcher nass und voller Schlamm bedeckt, ebenfalls hier stand sah ebenfalls ängstlich zum Eingang. Ich nahm mir ein Herz und sprach ihn an.
„Sir, sind dort eure Kameraden gefangen?“ fragte ich leise.
„Mistress Kenway, es war… wir waren gerade dabei einen neuen Abschnitt zu beginnen. Die Balken waren fest verankert und wir waren uns sicher, dass wir nun fortfahren könnten. Doch als wir noch einmal zurück wollten um neue Laternen und Werkzeuge zu holen, brach auf halber Strecke plötzlich die Decke ein. Ich konnte mich mit Witczek gerade noch hier nach draußen retten, aber die anderen wurden unter dem Schlamm begraben…“ er zitterte am ganzen Körper bei der Erzählung.
Sie taten ihr bestes, sogar mit bloßen Händen, ihre Kameraden zu befreien. Aber immer wieder gab es kleinere Erdrutsche und sie mussten sich weiter zurück ziehen. Keine Stimmen waren dort zu vernehmen, keine grabenden Geräusche.
„Es war plötzlich totenstill dort unten…“ kam es heiser aus seinem Mund.

 

„Wir brauchen hier unten mehr Licht und mehr Schubkarren, Eimer und Schaufeln!“ rief mit einem Mal mein Mann, der wieder an der Oberfläche erschienen war.
„Hast du etwas gehört, Haytham? Leben sie noch?“ mir stiegen die Tränen in die Augen, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass hier Menschen bei lebendigem Leib begraben worden waren. Und das nur, damit WIR hier unentdeckt bleiben konnten!
„Leider nicht, aber ich konnte … Lebenszeichen ausmachen.“ flüsterte er mir nur zu. Auren nutzte er nicht, weil er befürchtete, dass auch andere uns hörten.
„Wirklich?“ etwas erleichterter atmeten ich aus.
„Nur schwach, aber sie sind da. Es müssen an die 12 Personen sein…“ Haytham ging an mir vorbei zu dem Herren, mit dem ich gerade gesprochen hatte und berichtete von seinen ersten Eindrücken.
Als dieser diese Nachricht hörte, sah man, dass er mit neuem Eifer den anderen Helfern zur Hand ging. Das war die Motivation, die gefehlt hatte.

 

Die Stunden vergingen und Unmengen an Erde wurde heraus geschafft, oder aber in andere kleinere Abschnitte umgelagert.
Mittlerweile hatte man Fackeln und Decken organisiert, auch einige Lagerfeuer waren entfacht worden um die Überlebenden gleich wärmen zu können. Die Temperaturen waren seit einigen Tagen in den Keller gegangen, was eigentlich eher ungewöhnlich für September war.
Mehrere Frauen hatten Essen herangeschafft und es wurde ein Schichtplan fürs Graben aufgestellt.
Länger als 4 Stunden sollte niemand dort unten schuften, weil auch mittlerweile die Luftzufuhr nicht mehr die Beste dort war. Noch gab es keine kleineren Entlüftungsschächte wie in den ausgebauten Tunneln.

 

Um 2 Uhr nachts endlich hörte man freudige Schreie und zwei Träger brachten einen Arbeiter herauf! Er war über und über mit Schlamm bedeckt, regte sich aber, wenn auch recht fahrig und langsam.
Sofort war eine Frau mit 2 Kindern an seiner Seite und kniete neben ihm nieder. Betend dankte sie Gott für die Rettung ihres geliebten Gatten. Auch ich war mehr erleichtert, dass der erste geborgen worden war.
Immer noch hegte ich die Hoffnung, dass auch alle anderen lebend bei ihren Familien ankamen!
Nach und nach brachte man immer weitere Herren hier an die Lagerfeuer. Alle, wie es schien, am Leben, wenn auch sehr sehr schwach. Unser Arzt und Dr. Ambrosch – welcher eigentlich bereits im Ruhestand war – nahmen sich ihrer an und taten ihr bestes, sie wieder auf die Beine zu bringen. Auch Mrs Muller war mit dabei!

 

Um 7 Uhr in der Früh, es waren mittlerweile 8 Tunnelgräber lebend hier oben, traten die Helfer durch den Eingang heraus und trugen zwei leblose Körper über ihren Schultern. Vorsichtig legten sie Toten auf die vorbereiteten Decken und bedeckten sie mit einer weiteren.
Mit einem Male hörte man ein herzzerreißendes Schluchzen aus den Reihen der Anwesenden, als die Ehefrauen registrierten, dass es sich um ihre eigenen Gatten handelten.
Mir brach wirklich das Herz in diesem Moment. Wie würde ich in so einer Situation reagieren, wenn Haytham so vor mir liegen würde? In meinem Kopf tauchten entsprechende Bilder auf, die ich einfach nicht loswurde. Hektisch sah ich mich nach ihm um, sah ihn hier aber nicht.
„Wo ist Master Kenway?“ rief ich in die Runde, doch alle schüttelten nur unwissend den Kopf.
Er hat sich für diese Männer geopfert, Schätzchen! Nur damit du deinen perfiden Plan des Schmuggelns aufrecht erhalten kannst. Sieh nur, was du angerichtet hast! Die Toten werden sich an dir rächen! Sie werden dich Nacht für Nacht heimsuchen und du kannst nichts dagegen tun!“ hörte ich die mir so vertraute Stimme von Hrymr plötzlich in meinem Kopf. Sein Lachen schüttelte mich!

 

„Mistress Kenway! So wacht doch auf! Es ist alles in Ordnung!“ jemand rüttelte an mir und plötzlich spürte ich eine flache Hand auf meiner Wange.
„Was fällt euch ein…“ fauchte ich und sah in die Augen von Dr. Ambrosch.
„Verzeiht, aber ihr wolltet schon dort in den Tunnel hinabsteigen! Ich musste euch aufhalten!“ rief er mir immer noch aufgeregt zu.

 

„Warum sollte ich das tun…?“ fragte ich immer noch völlig benebelt.
„Ihr, also… ihr seid erneut schlafgewandelt. Etwas oder Jemand schien euch zu sagen, dass ihr dort hinunter gehen sollt. Ihr habt immer wieder nach eurem Gatten gerufen.“ erklärte mir der Arzt jetzt in einem etwas ruhigerem Ton. „Ihr hattet wohl einen Albtraum, Mistress Kenway. Master Kenway ist wohlauf, bis auf ein paar Schürfwunden und einer verstauchten Hand.“ jetzt klang er entschuldigend.
„Sind alle Bauarbeiter geborgen worden? Leben sie noch?“ ich hörte meine eigene Stimme kaum, aus Angst, dass ich etwas falsches sagen oder fragen könnte.
„Nein, leider sind 5 der Herren ums Leben gekommen. Ertrunken oder erstickt.“ sein Blick ging Richtung des mittlerweile 3. Lagerfeuers, wo sich im Morgengrauen die abgedeckten toten Körper befanden.
„Bei Odin! Das wollte ich nicht.“ ich brachte kaum einen Ton heraus. Es war wirklich alles meine Schuld.
Natürlich ist es deine Schuld, du dumme Gans. Warum wolltest du mich auch so hintergehen Hrymrs Stimme klang so fies, dass es mich erneut schüttelte.
Du hast es nicht anders verdient! Niemals wirst du deinen Willen, deinen Wunsch und dein Ziel erreichen und durchsetzen können! Voller Wut hallten meine eigene Worte in meinem Kopf wider.