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Kapitel: | 112 | |
Sätze: | 25.711 | |
Wörter: | 294.962 | |
Zeichen: | 1.696.259 |
~~~ Alex´ Gedanken ~~~
Immer wieder muss ich mich zurücknehmen, immer wieder merke ich, dass ich mich zusammenreißen muss. Dieses Jahrhundert ist nicht meines und es war mir eigentlich nicht zugedacht. Die Götter hatten mich ins 20. Jahrhundert entlassen. Doch warum war ich so fasziniert von dem völlig veralteten 18. Jahrhundert? War ich doch zur falschen Zeit geboren, nur die Götter hatten es übersehen?
Ich lebe jetzt hier in Virginia mit meinem Mann, nach einem turbulenten Start im November 1762! Wir sind Eigentümer einer großzügigen Plantage, welche wir ohne die üblichen Sklaven bewirtschaften! Hinter mir liegen fast zwei Jahrhunderte, welche es eigentlich noch zu erwarten gilt! Geboren in den 1970er und zurückgereist im Winter 2021. Das 21. Jahrhundert, in welchem mein großer Sohn nun sein Leben alleine meistert, seit ich fort bin.
Ich habe meine Entscheidung getroffen, ich bin in die Vergangenheit gegangen, um dem Mann beizustehen, welcher mich oft zur Weißglut gebracht hat, welcher mich im Kindesalter herablassend behandelt hat. Dennoch... ich bin hier und liebe diesen Menschen und ich nenne unser Leben einfach „Das Schicksal“ … Edward James Kenway hat mir den Weg geebnet, ohne es zu wissen, die Reiseartefakte haben mich in dieses Abenteuer geworfen!
Heute weiß ich, es ist Schicksal und wir können nur danach leben! Aber ich schweife ab, ich sollte euch sagen, dass ich meinen Frieden gefunden haben und nichts von dem bereue, was ich angefangen habe. Auch werde ich unseren Kindern genau diese Erkenntnis lehren!
Im Grunde bin ich angekommen und kann das Geschick der Menschheit nun wirklich in die richtigen Bahnen lenken! So hoffe ich, hoffen WIR... denn ich bin nicht alleine. Mir wurden wundervolle Menschen zur Seite gestellt! Mein Mann Haytham natürlich, meine Schwester im Geiste Faith und ihr Mann Shay!
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Wir landeten auf offener See, dass Wetter war wie erwartet winterlich und kalt. Langsam mussten wir die Orientierung wiederfinden und uns jetzt auf die alten Instrumente verlassen. Doch Rafael hatte mit Tobias und William eine kleine aber tüchtige Mannschaft zusammen stellen können, welche sich allesamt mit alten Segelschiffen auskannten. Das war ein beruhigendes Gefühl.
Nachdem wir die Karte studiert hatten, wurde der Kurs festgelegt. Soweit waren wir gar nicht von unserem eigentlichen Ziel, der Shirley Plantage, entfernt. Wir würden in ein paar Stunden dort anlegen können. Ich hatte einige Aufzeichnungen und auch alte Karten aus der Gegend gefunden, aus denen hervorgeht, dass es eine Anlegestelle dort gibt. Haytham betrieb den Handel mit Weizen und Tabak und nutzte diese gute Lage am Fluss für die Handelsschiffe.
In mir stieg die Nervosität und ich zitterte leicht, nicht nur von der Kälte. Ich schlang meinen dicken Umhang noch enger um mich und stand am Bug und sah den leichten Wellen zu. Bin ich wirklich schon da? Bin ich richtig hier?
„Du bist mehr als richtig, Alex. Glaub mir! Dort hinten siehst du sogar schon die Flussmündung und ab da ist es nicht mehr weit! Ihr seid fast am Ziel und ich muss gestehen, ich bin ebenso nervös. Die Vorbereitung hat sich aber gelohnt und du kannst vorerst ein wenig ausspannen und dich hier eingewöhnen.“ meinte Edward in meinem Kopf plötzlich.
„Es fühlt sich noch nicht real an, es ist noch so, als würde ich in einem Luftleeren Raum sein und gleich aus meinem Traum aufwachen. Aber es ist kein Traum, oder Edward?“ fragte ich ängstlich.
„Kein Traum, versprochen! Du stehst hier auf deinem Schiff und bist auf dem Weg zu meinem Sohn, welcher jetzt lange genug warten musste.“ seine Worte mit dieser warmen Stimme taten mir gut und ich beruhigte mich langsam.
Am frühen Nachmittag konnten wir von der Cheasapeak-Bay in den James-River einfahren. Das Wetter war uns Odin sei Dank hold und es kam kein Schnee oder ähnliches auf uns zu. Langsam segelte die Jackdaw immer weiter Richtung Westen, flussaufwärts, zur Shirley-Plantage. Wir hatten uns dann doch mit der Zeit vertan, wir würden gar nicht so lange brauchen und das freute mich.
Um mich aber noch die letzten Stunden abzulenken, ging ich in meine Kajüte und fing an, meine Truhen noch einmal zu inspizieren. Auch die gesicherte Stahltruhe nahm ich noch einmal in Augenschein. Es war alles an seinem Platz und ich betete mein Mantra wieder, dass alles in Ordnung war, dass ich nichts vergessen hatte...
Dann hörte ich, wie der Ausguck meldete, dass wir in einer halben Stunde anlegen konnten. Es war soweit...
Ich ging an Deck und stellte mich neben Rafael und sah zu, wie meine Brig vorsichtig dem Flussverlauf folgte. Ich nahm das Fernrohr und schaute, ob ich eventuell schon die Anlegestelle sehen könnte. Und tatsächlich, ich sah die Pfeiler im Wasser aufragen und... es standen dort einige Menschen und sahen in unsere Richtung. „Warum stehen da so viele Leute rum? Habe ich schon wieder etwas falsch gemacht, Rafael?“ fragte ich meinen ersten Maat vorsichtig.
Dieser grinste mich nur an. „Du hast doch zu Haytham gesagt, dass du mit der Brig auftauchst. Und ich vermute mal, irgendjemand wird ihm mitgeteilt haben, dass sie gesichtet worden ist, als wir in den Fluss einfuhren. Und du weißt, die Menschen hier sind neugierig.“
„Oh, dann funktioniert hier ja die Nachrichtenkette hervorragend.“ und ich schaute noch mal durch das Fernrohr, jetzt waren wir nicht mehr weit weg.
Da stand er, Haytham Kenway, in einen dunklen Mantel gehüllt und sah der Jackdaw entgegen! Ich schritt hinunter aufs Deck und zum Bug, damit ich näher dran war. Mein Herz fing wie blöde an zu schlagen und mir wurde schwindelig. Meine Hände hielten sich krampfhaft an der Reling fest, damit ich nicht umfiel und ich starrte ihn nur an. Und dann konnte ich sehen, wie ein breites Lächeln auf seinem Gesicht erschien.
Ich konnte nicht anders, mir liefen die Tränen die Wangen runter und ich spürte, dass meine Haut eiskalt durch den Wind wurde. Es kam mir alles vor wie in Zeitlupe und ich wäre am liebsten von Bord gesprungen und den Rest geschwommen, nur um schneller bei ihm sein zu können. Geduld ist nicht wirklich meine Stärke, ich glaube, ich erwähnte es bereits.
Endlich wurden die Taue festgemacht und der Anker fallen gelassen. Die Segel waren bereits gerefft und die Jackdaw kam zum Stehen. Doch bevor ich vom Schiff eilen konnte, sah ich nur, wie sich mein Verlobter in Gang setzte und die Planke hinauf eilte. Mit einem Satz hob er mich hoch und schwang mich herum. Völlig außer Atem, sah er dann auf mich herab, als er mich wieder auf die Füße gestellt hatte. „Du bist wieder da, mi sol!“ und er gab mir einen langen sehr leidenschaftlichen Kuss und in meinem Kopf breitete sich der Gedanke aus „Du bist angekommen!“
Vorsichtig lösten wir uns voneinander und sahen uns nur an. „Wenn ich darf, würde ich jetzt gerne für immer bleiben.“ meinte ich leise und lächelte Haytham an. „Ich bestehe darauf!“ kam es ebenso leise von ihm. Er schloss wieder die Arme um mich und ich legte erleichtert meinen Kopf auf seine Brust.
Erst jetzt realisierte ich, dass die anwesenden Leute keinen Mucks von sich gegeben hatten. Plötzlich hörte ich nur Jubelrufe und Applaus! Als ich mich umsah, standen zig Menschen um uns rum und klopften Haytham auf die Schulter oder reichten mir die Hände.
Überrumpelt von dieser überschwänglichen Begrüßung, stand ich einfach da und ließ es geschehen. Doch dann sah ich meine Küchenfee, Mrs. Wallace, sie stand etwas abseits und sah mich an. Ich ging auf sie zu und nahm sie in den Arm! Wir beide schluchzten nur und brachten irgendwie nicht einen ganzen Satz zustande. „Mrs. Frederickson, ich bin... so froh!“ kam es nur von ihr. Dann schob sie mich ein Stück von sich und betrachtete mich. „Ihr habt euch kein bisschen verändert und das nach über zwei Jahren! Ihr erstaunt mich immer wieder!“ grinste sie mich an.
Hinter mir hörte ich das Räuspern von Haytham. „Ich denke, wir sollten jetzt für die Unterkunft deiner Mannschaft sorgen und dein Gepäck zum Herrenhaus bringen lassen. Und dann musst du dich dringend aufwärmen, mi sol. Du bist durchgefroren!“ er zitierte einige Arbeiter heran, welche meine Truhen auf einen Karren packten, während meine Crew bereits unterwegs Richtung Gästehaus war. Da wir nur 15 Mann stark waren, wäre das kein Problem, meinte Haytham.
Ich ging noch einmal in meine Kajüte um zu schauen, ob ich nichts vergessen hatte und er folgte mir. „Du hast wirklich alles wieder auf den alten Stand bringen lassen. Das muss doch ein Vermögen gekostet haben, Alex.“ meinte er nur. „Billig war es nicht, das stimmt. Ich musste auch noch einiges an Geld locker machen, um die Behörde zu bestechen, dass sie mir mein Schiff nicht stilllegen. Ich hatte es damals, glaube ich, erklärt, oder?“ fragte ich jetzt einfach. „Ja, hast du. Ihr habt komische Gesetze und Bedingungen.“ lachte er mich an.
„Ich glaube, ich habe hier nichts vergessen, wir können dann los, mi amor. Ich bin so gespannt, wie du jetzt wohnst.“ gab ich aufgeregt von mir. Auch wenn ich schon ungefähr wusste, wie das Herrenhaus aussah, war ich neugierig, wie es in Echt dann wirkte.
„Bescheiden, wenn du mich fragst. Aber die Plantage ist für den Handel optimal gelegen. Dein Ratschlag war also richtig und ich muss mich noch dafür bei dir bedanken.“ und damit bekam ich wieder einen langen Kuss, welchen ich ebenso erwiderte! Ich hatte seine Lippen so vermisst. Mir entwich ein tiefes Seufzen und ich erntete ein breites Grinsen. „Mrs. Frederickson, alles andere muss noch warten, bis ich mit der Führung durch euer neues Zuhause mit euch fertig bin!“ seine Hand legte sich besitzergreifend auf meinen Hintern.
Das klang noch sehr gewöhnungsbedürftig, fand ich. MEIN neues Zuhause... es würde vermutlich eine gefühlte Ewigkeit dauern, bis ich mich eingelebt hatte. Auch wenn ich es nicht hoffte und auf Haytham baute, der mir dabei half!
Wir verließen die Jackdaw und zurück blieben zwei Mann als Wache. Gegen Abend würden sie abgelöst und die gesamte Mannschaft wird dann abreisen. Als meine Füße den festen Boden berührten, fühlte es sich erst mal wieder seltsam an. Ein Arbeiter brachte Haythams Pferd und reichte ihm die Zügel. „Dann mal hoch mit dir, mi sol.“ grinste er mich an und half mir hoch. Als ich sicher im Sattel saß, stieg er hinter mir auf und schlang seine Arme nach vorne und um mich herum. Dann setzte sich das Tier vorsichtig in Bewegung.
Dieses leichte Schaukeln gefiel mir und ich hielt mich an Haythams Armen fest, während ich mich an ihn schmiegte. Ich konnte seinen warmen Atem auf meinem Hals spüren und er gab mir einen Kuss in die Halsbeuge. „Du erschauerst immer noch, wie damals, mi sol!“ meinte er amüsiert. „Mi amor, du weißt, welche Wirkung du auf mich und meinen Körper hast. Das wird sich sicherlich nicht einfach so ablegen lassen.“ erwiderte ich und lehnte mich dichter an ihn.
„Wie lange warst du in deiner Zeit, bis du wieder hierher konntest?“ fragte er mich plötzlich. „Etwa zwei Jahre. Genauso viele sind hier ja auch vergangen. Ich wollte kein größeres Ungleichgewicht haben, was mein Alter oder deines angeht.“ dabei strich ich über seine Arme.
„Ich kenne gar nicht dein richtiges Alter, oder zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass du es mir gesagt hast, mi sol.“ kam es etwas verlegen von ihm, doch ich musste kichern. „Nicht schlimm, Haytham. Ich bin mittlerweile 46 Jahre alt!“ ich drehte mich ein bisschen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Du bist tatsächlich fast 9 Jahre älter als ich.“ meinte er staunend. „Ich hoffe, dich stört das nicht, Haytham?“ fragte ich ihn vorsichtig. „Nein, warum sollte es. Ich hatte es dir doch damals auch schon gesagt. Mich stört das nicht, im Gegenteil.“ und ich konnte sein breites Grinsen förmlich spüren. Ich kicherte in mich hinein. „So so, Master Kenway.“ plötzlich nahm er eine Hand vom Zügel und drückte mich an sich. Seine Lippen waren wieder an meinem Hals und … „Wenn du so weitermachst, zerre ich dich gleich von dem Gaul und garantiere für nichts mehr, mi amor!“ meinte ich etwas atemlos!
„Dann sollten wir uns beeilen, ins Warme zu kommen, mi sol. Mrs. Wallace hat sicher schon alles vorbereitet, wie ich sie kenne!“ sein Arm lag immer noch um mich herum und er trieb das Pferd jetzt an.
In einigen Metern Entfernung konnte ich auf der linken Seite das große Gästehaus aus Backstein schon sehen. Dahinter erkannte ich einige weiße Säulen um eine Veranda herum. Das musste dann wohl das Herrenhaus sein. Je näher wir kamen, desto mehr fiel mir auf, dass Haythams Aussage, er würde bescheiden wohnen, nicht ganz zutraf. Für meine Begriffe war das schon sehr … ordentlich und herrschaftlich. Ehrfurchtsvoll sah ich mir das Haus genauer an und fragte mich, wer denn bitte die ganzen Fenster putzen sollte. Ich und meine dummen Gedanken und ich musste schmunzeln.
„Mi sol, warum grinst du so?“ wollte mein Verlobter von mir wissen. „Ich... es klingt vermutlich gerade blöd, aber ich habe mich gefragt, wer denn bitte Lust hat, so viele Fenster zu putzen!“ und ich kicherte weiter.
„Ich vermute, niemand hat wirklich Lust dazu, aber ich habe meine Angestellten. Und ja, ich weiß, du musst dich daran noch gewöhnen. Aber ich helfe dir schon dabei, mi sol. Keine Sorge!“ damit stieg er ab und hob mich dann ebenfalls vom Pferd. Ein Stallbursche nahm die Zügel und führte das Tier in die Ställe. Diese lagen an der langen Auffahrt auf der rechten Seite. Vor dem Eingangsbereich prangte in der Mitte ein Brunnen, welcher aber gerade kein Wasser führte, um Frostschäden zu vermeiden, vermutete ich einfach mal.
Immer noch staunend trat ich auf die Veranda und sah mich um. „Es ist wunderschön hier, mi amor.“ kam es leise von mir und er legte einen Arm um meine Schulter. „In den Sommermonaten ist es sogar noch schöner hier. Und... jetzt wo du da bist, wird es endlich unser Zuhause sein!“ er gab mir einen Kuss auf die Stirn und führte mich ins Innere.
Die Eingangshalle verdiente ihren Namen. Vor mir erstreckte sich eine dunkle Treppe, welche sich auf halbem Wege gabelte nach oben auf die Galerie. Haytham erklärte mir kurzerhand die Raumaufteilung. „Gleich rechts hier, ist mein Arbeitszimmer. Daneben ist das Esszimmer mit angrenzender Küche. Auf der linken Seite findest du den Salon, an den grenzt das Lesezimmer und geradeaus ist der Wintergarten.“ jetzt führte er mich von Raum zu Raum und ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber unter Wintergarten stellte ich mir ein kleines extra Wohnzimmer vor. Doch das hier war... riesig. Es glich eigentlich eher einem Saal mit riesiger Fensterfront. „Im Sommer ist es auch möglich, alle Fenster dort zu öffnen und zur Seite weg zubewegen.“ meinte mein Verlobter stolz. Doch mir gefiel mal wieder, wie sollte es anders sein, das kleine gemütliche Zimmer mit den ganzen Regalen voller Bücher!
„Ich glaube, ich bleibe gleich hier, mi amor.“ grinste ich ihn an. „Das könnte dir so passen. Wir sind mit der Besichtigung noch nicht fertig.“ und damit zog er mich hinter sich her, die Treppe hoch. Wir gingen die Stufen nach links hoch, dort befand sich geradeaus das Schlafzimmer mit dem Ankleidezimmer, in welchem gerade eines der Mädchen meine Sachen verräumte. Links daneben gab es ein großes Gästezimmer an welchem ein kleinerer Raum anschloss für die Kinder des Besuchs. Haythams Kammerdiener hatte ein Zimmer nach vorne raus und daneben war ein noch ungenutztes Zimmer, ebenfalls mit dem Blick auf die Auffahrt.
Es gab drei kleinere Kammern, welche nach hinten heraus gingen, wo die engsten Angestellten, wie Mrs. Wallace zum Beispiel, ihre Schlafquartiere hatten. Auf der rechten Galerieseite gab es drei Zimmer, die nur mit einem Bett und einer Kommode möbliert waren. Nach vorne heraus lag auf dieser Seite ein großes Zimmer mit Regalen ringsum und einem Schreibtisch in der Mitte! „Wenn du magst, kannst du dich dort einrichten. Ein eigenes Studierzimmer? In dieses kannst du dich dann jederzeit zurückziehen, wenn du mal deine Ruhe vor mir haben willst.“ grinste er mich breit an. „Ich hoffe, dass das sehr sehr selten vorkommen wird, mi amor.“
„Die kleineren Zimmer nebenan, sind das auch noch Gästezimmer?“ fragte ich neugierig und in Haythams Augen trat ein warmer Glanz. „Nicht ganz, denn... ich hatte eher an Kinderzimmer gedacht!“ mit diesen Worten nahm er mich wieder in seine Arme und sah mich einfach nur an. „Haytham, ich...“ mehr konnte ich nicht sagen, das wäre noch in ferner Zukunft. Doch ich konnte nicht anders, als ihn liebevoll anlächeln. Wir hatten anscheinend beide denselben Gedanken und das beruhigte mich ein wenig.
Damit war die Führung erst einmal beendet und wir gingen hinunter in den Salon. Der Kamin war angefeuert und es breitete sich in mir eine wohlige Wärme aus. Meine Mannschaft hatte bereits Quartier im Gästehaus bezogen um sich aufzuwärmen und auszuruhen. Sie sollte dann zum Abendessen hier wieder erscheinen. Ich schritt die Regale mit den Büchern ab und fuhr, wie ich es immer tat, ehrfürchtig über die wunderschönen Buchrücken. „Es ist faszinierend zu sehen, wie du auf Bücher reagierst. Man könnte meinen, du hättest Angst, sie anzufassen, weil du befürchtest, sie zu zerstören.“ kam es erstaunt von Haytham.
„Frag mich nicht, warum ich so bin. Ich liebe es einfach zu lesen. Das gibt mir die Möglichkeit in ganz andere Welten einzutauchen und oft hole ich mir Inspiration für meine Geschichten zum Beispiel.“ meinte ich verträumt mit Blick auf die Regale.
„Du schreibst Geschichten? Was für welche und darf ich auch einmal einen Blick darauf werfen?“ fragte mich mein Verlobter. „Es sind immer nur irgendwelche Oneshots von den Protagonisten aus Büchern oder Filmen!“ erwiderte ich nur und erntete einen fragenden Blick. „Oh, ach so... ich meine es sind Kurzgeschichten und was ein Film ist, hatte ich, glaube ich, erklärt.“ grinste ich ihn an.
„Hattest du und ich habe es immer noch nicht richtig verstanden.“ seine Hand legte sich plötzlich unter mein Kinn und hob es an. Unvermittelt meinte er dann „Ich habe dich so vermisst, mi sol! Und als ich vorhin erfuhr, dass man die Jackdaw gesehen hatte, dachte ich erst, es ist wieder dieser Albtraum. In diesem sehe ich dich an Deck stehen und bevor ich zu dir kann, verschwindet alles in einem schwarzen Nebel. Verlass mich nie wieder, Alex. Bitte, versprich es mir!“ kam es plötzlich mit Tränen in den Augen von Haytham.
„Auch ich habe dich wahnsinnig vermisst, mi amor und du bist nicht alleine mit diesen bösen Träumen. In meinen dunkelsten Nächten hast du mich einfach fallengelassen und ich stürzte in die Hölle. Aber ich verspreche dir, ich werde nicht wieder gehen. Weil ich jetzt weiß, wo ich hingehöre und zu wem ich gehöre! Daran wird sich nichts mehr ändern!“ kam es stockend aus meinem Mund, ich musste meine Tränen unterdrücken.
Wir lagen uns in den Armen und ich atmete seinen Duft wieder ein... er hatte sich nicht verändert. Wie gewohnt, Seife und Lavendel und ich ertappte mich dabei, wie ich mich immer enger an ihn schmiegte. Seine Hände fuhren langsam und vorsichtig über meinen Rücken und seine Atmung wurde ruhiger, genauso wie sein Herzschlag. Auch das hatte sich nicht geändert. Ein zaghaftes Klopfen riss uns aus unserer Zweisamkeit.
„Master Kenway, Mrs. Frederickson. Ich habe etwas Tee für euch!“ kam es leise von Mrs. Wallace. Ich war ihr dankbar, ich hatte tatsächlich Durst und sie hatte mir meinen Kaffee gemacht. Ich lächelte sie an und nickte. „Danke, Mrs. Wallace.“ meinte Haytham und führte mich zu dem Sofa in der Ecke vor dem Kamin.
Dankbar nahm ich meine Kaffeetasse in die Hand und seufzte nur. „Alex, was ist das mit dir und dem Kaffee.“ lachte mein Verlobter mich an. „Keine Ahnung, ich liebe dieses koffeinhaltige Heißgetränk einfach. Und dich natürlich auch.“ erwiderte ich ironisch. „So so... ich werde also damit gleichgesetzt?“ kam es gespielt säuerlich aus seinem Munde.
„Das ist eine Ehre für dich, mi amor. Denn das heißt, du stehst sehr sehr weit oben in meiner Gunst!“ gab ich grinsend von mir. „Da bin ich aber beruhigt, mi sol.“ kopfschüttelnd sah er mich über seine Tasse hinweg an. Ich lehnte mich zurück und langsam spürte ich, wie auch mein Geist ein wenig zur Ruhe kam.
„Wie groß ist das ganze Areal eigentlich, Haytham?“ fragte ich jetzt, das hatte ich tatsächlich mal nicht recherchiert. Etwas überrascht durch den Themenwechsel antwortete er zögernd „Ungefähr 350 Hektar. Ich müsste es nachmessen, mi sol. Wie kommst du gerade jetzt darauf?“ fragte er weiter.
„Reine Neugierde, mi amor. Es interessiert mich halt, wie weitläufig das Gelände ist. Die Größe hatte ich gar nicht aus den Unterlagen herausgelesen.“ erwiderte ich einfach. „Das finde ich immer noch unheimlich, dass es Menschen gibt, die in meinem Leben herumsuchen.“ Haytham sah mich immer noch etwas skeptisch an. „Aber jetzt werden sie auch nach MEINEM Leben forschen, Haytham.“ grinste ich ihn an. „Das stimmt eigentlich. Ich hoffe, es kommen keine... unanständigen Berichte von dir ans Licht!“ lachte er jetzt und sah mich plötzlich mit dunklen grauen Augen an.
Ich musste schlucken und mich überkam ein Schauer, der nichts mit der Kälte oder ähnlichem zu tun hatte. Ein Diener trat ein und unterbrach unsere Unterhaltung. „Mrs. Frederickson, wo sollen wir diese schwere Truhe hinbringen?“
Das war eine gute Frage und ich kam auf den Gedanken, mein Arbeitszimmer einzuweihen. „Bringt die Truhe hinauf in das kleine Zimmer mit den leeren Regalen auf der rechten Galerie, welches noch ungenutzt ist.“ und der Diener verneigte sich und ging mit den Worten „Sehr wohl, Mrs. Frederickson.“
„Dann hast du dich entschlossen, daraus dein Reich zu machen, mi sol?“ fragte Haytham mich jetzt erleichtert, so als hätte ich doch auf einmal meine Meinung, bezüglich meines Hierbleibens überdacht. „Ja, so kann ich an meinen Nachforschungen weiterarbeiten und mich ausbreiten!“
„Du... wonach musst du denn noch suchen?“ Erstaunen legte sich wieder auf sein Gesicht. „Haytham, in den letzten Jahren ist so viel passiert. Ich werde dir in den nächsten Tagen, vermutlich eher Wochen, alles erzählen. Es ist … einfach wahnsinnig viel und stellenweise auch einfach kompliziert gewesen!“ meinte ich seufzend.
„Dann sollten wir heute einfach nur unser Wiedersehen feiern, mi sol.“ und er gab mir einen langen Kuss und ich schlang meine Arme um seinen Nacken. Es tat so gut, ihn wieder bei mir zu haben, ihn zu fühlen und zu schmecken. Mit einem Male fand ich mich auf seinem Schoss wieder und seine Hände glitten unter meine Röcke über meine Oberschenkel. „Ich glaube, das Mädchen ist mit dem Ausräumen deiner Truhen sicherlich fertig.“ raunte er mir ans Ohr!
Haytham ließ mich langsam von seinem Schoss gleiten und stand dann auf. Seine Hand schnappte sich meine und zog mich einfach mit, die Treppe hinauf Richtung Schlafzimmer. Es war leer und ich hörte ihn erleichtert aufatmen. Ohne weitere Worte schloss er hinter uns die Tür und drückte mich dagegen.
„Verzeih mir, wenn ich jetzt wenig Zeit für die Kleidung übrig habe.“ Und damit hatte er mich wieder hochgehoben und meine Röcke hochgeschoben. Meine Beine schlang ich um seine Hüfte und ich konnte seine Erregung spüren, sein Atem ging schwer an meinem Hals, als er mit seinen Lippen darüber hinweg glitt. Eine Hand auf meinem Hintern, die andere öffnete seine Hosen und ich konnte nur noch ein erschrockenes Aufkeuchen ausstoßen.
Das war der Moment, den ich mir so oft in den einsamen Nächten erträumt hatte. Diese Wiedervereinigung, dieses sich einfach haben wollen. Haytham nahm mich, wie er es gesagt hatte. Meine Hände hatte ich in seinem Nacken vergraben und wir waren wieder im Einklang.
Mein Verlobter befand nach kurzer Zeit, dass das Bett doch eine bequemere Alternative war und brachte mich hinüber. Seine Bewegungen wurden schneller und ich nahm ein stöhnendes „Sieh mich an!“ wahr. Wie ein Stichwort fühlte ich die Welle des Höhepunktes auf mich zukommen und ich ließ mich fallen, spürte gleichzeitig, dass auch Haytham sich nicht mehr beherrschen konnte. So kamen wir beide fast zeitgleich, es war eine Erlösung, die ich dringend gebraucht hatte. Wenn die Bediensteten noch nicht mitbekommen hatten, wo wir waren, dann spätestens jetzt, ich rief wieder einmal seinen Namen viel zu laut. Doch es war mir egal.
„Mi sol, ich habe dich und deinen Körper vermisst.“ nuschelte er mir atemlos ins Ohr und fuhr mit seiner Hand über meinen Oberschenkel. „Ich dich auch, mi amor. Und ich will mehr haben von dir!“ meinte ich meinerseits sehr atemlos und strich ihm seine losen Haare aus dem Gesicht. Für einen kurzen Moment sahen wir uns einfach nur an und ich versank wieder in seinen Augen.
Dann zog er sich langsam zurück, legte sich neben mich und zog mich an seine Seite. „Ich kann es immer noch nicht ganz begreifen! Es fühlt sich noch so unwirklich an, dass du jetzt hier bei mir bist. Alex, ich habe Angst, ich könnte aufwachen und alles wäre wieder wie gestern!“ sprach Haytham zögerlich und ich hörte tatsächlich eine gewisse Angst in seiner Stimme.
„Mir geht es genauso, auch ich habe diese Angst, dass es nur ein Traum ist. Aber ich bin fest davon überzeugt, wenn es nicht echt wäre, dann... also... ich... ich hatte ja schon so den einen oder anderen Traum... in dem ich... in dem wir...!“ stotterte ich herum, weil ich urplötzlich wahnsinnig schüchtern war. Haytham fand es lustig und kicherte vor sich hin. „Glaubst du, ich hatte nicht solche Gedanken in den einsamen Nächten? Unsere letzte gemeinsame Nacht hatte ich dann immer vor Augen und ich muss sagen, was ich sah gefiel mir. Was ich aber jetzt wieder hier habe, gefällt mir weitaus besser und... es ist befriedigender, mi sol.“ Haytham drückte mich an sich und küsste meine Stirn.
„Ich freue mich auf sehr viele befriedigende Nächte mit dir, mi amor!“ sagte ich und schob mich etwas hoch, damit ich ihn küssen konnte. Ich wäre gerne jetzt hier im Bett geblieben, denn es war unglaublich weich und vor allem groß. Doch mein Verlobter erinnerte mich daran, dass meine Crew gleich zum Abendessen hier sein wird.
„Haytham, können wir nicht einfach sagen, du bist plötzlich krank oder so...“ meinte ich und machte meinen schönsten Schmollmund. „Das könnte dir so passen, Alex.“ lachte er nur und gab mir einen Klaps auf den Hintern. „Aufstehen und da du mir meine Haare wieder völlig durcheinander gebracht hast, wirst du sie wieder in Ordnung bringen.“ mit diesen Worten erhob er sich und zog mich mit aus dem Bett.
„Ich hätte ja fast etwas vergessen, komm mit.“ freudestrahlend zog er mich ins Ankleidezimmer. Es gab drei große Schränke, drei Kommoden und noch eine Truhe an der gegenüberliegenden Wand der Tür. Haytham öffnete den linken Schrank und ich sah die Kleider, welche er mir damals in New York gekauft hatte.
„Daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht.“ mir blieb der Mund offen stehen und ich strich vorsichtig über die feinen Stoffe. „Vielleicht solltest du dich umziehen, ich bin dir gerne dabei behilflich, mi sol.“ grinste er mich breit über meine Schulter hinweg an. Ich musste in dem Moment lachen, weil er nicht unrecht hatte, seine Haare waren das totale Chaos. Aber als ich uns im Spiegelbild betrachtete, dachte ich nur, dass ich wirklich ziemlich klein bin, im Gegensatz zu ihm. „Ich kann nicht mehr in deinem Gesicht lesen, Alex. Ich hoffe nicht, du planst etwas böses für heute Abend?“ zwinkerte er mir zu. „Nein, keine Sorge, ich dachte nur darüber nach, wie groß du eigentlich im Gegensatz zu mir bist.“
„Ich finde es gut so, so kann ich dich jederzeit mit Leichtigkeit überall hin verschleppen!“ seine Finger fuhren langsam über meinen Nacken bei diesen Worten und hinterließen eine Gänsehaut. Zufrieden lächelte er mich an. „Du darfst mich gerne hier und jetzt verschleppen, Haytham Kenway, tu dir keinen Zwang an.“ mit einem Schwung drehte ich mich um und sprang ihn förmlich an. Meine Arme um seinen Hals und meine Beine um seine Hüfte, klammerte ich mich an ihn und übersäte ihn mit Küssen!
„Du bist unmöglich, Mrs. Frederickson.“ hörte ich ihn wie aus einem Nebel und wir fingen an, den jeweils anderen von seiner Kleidung zu befreien. Wir hinterließen eine Spur aus Stoff, auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer. Dort wurde ich auf dem Bett unter meinem Verlobten begraben und ich bekam meinen Templer, mit den so vermissten Befehlen und diesen wahnsinns grauen Augen. Unser Höhepunkt war dieses mal ruhiger, aber intensiver und ich spürte diese Muskelanspannungen von meinem Verlobten, wie sie langsam abebbten.
„Ich liebe dich, Haytham.“ gab ich atemlos von mir. „Und ich dich auch, Alex!“ darauf folgte einfach ein langer vorsichtiger Kuss. Von unten vernahm ich Stimmengewirr, welches mir verriet, dass die Crew eingetroffen war. Ich seufzte nur und auch mein Verlobter erhob sich mürrisch aus dem Bett. „Dann wirst du heute mal Zeuge, wie es in unserer Zeit bei Tisch zugeht!“ grinste ich meinen Templer an.
„Das klingt, als wäre es eine Drohung.“ lachte er nur und wusch sich durchs Gesicht. „Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Wir werden uns zurückhalten, mi amor. Wir sind ja keine Barbaren!“ und er erntete einen Klaps auf seinen Hintern von mir. Als ich dann vor meinem Schrank stand, wusste ich nicht so recht, was ich eigentlich anziehen sollte. „Haytham, ist es eigentlich egal, WAS ich für ein Kleid trage? Oder muss ich etwas beachten?“
„Wie meinst du das? Du kannst tragen was du willst... oh, du meinst ob es eine Art Kleiderordnung gibt? Nein, hier zuhause ist es dir überlassen!“ meinte Haytham nur. Gut, dann eben das schwarze Seidenkleid mit den silbernen Stickereien. Gerade als ich mein Unterkleid und die Strümpfe anhatte, stand mein Verlobter hinter mir. „Du brauchst eine Kammerzofe, Alex. In den nächsten Tagen, werden wir jemanden suchen und einstellen.“ kam es plötzlich lächelnd von ihm. Ich wollte gerade verneinen, aber dann fiel mir ein, dass mein Templer nicht immer zur Hand war um mir aus oder in meine Kleider zu helfen.
„Du hast Recht, aber heute wirst du mir noch behilflich sein müssen.“ und sah ihn strahlend an, irgendwie fühlte ich mich immer mehr wie zuhause und angekommen! Das ließ er sich nicht zweimal sagen und fing an, mein Korsett zu schnüren, grinste aber immer wieder über meine Schulter zum Spiegelbild. „Nein, ich werde keinen Platz lassen, mi sol. Das bei Faith damals war nur eine Ausnahme.“ meinte er in diesem Befehlston, welcher mich zittern ließ.
„Na gut, aber... bitte... lass mir wenigstens... Luft zum... Atmen!“ meinte ich stockend, es fehlte nur noch, dass er seinen Fuß in meinen Rücken stemmte, damit er die Schnüre ziehen konnte. „So kommt aber dein Dekolleté besonders gut zur Geltung, mi sol.“ raunte er mir leise ans Ohr und sein Blick wanderte in meinen Ausschnitt.
„Master Kenway, ich muss doch sehr bitten. Wir sind noch nicht einmal verheiratet und ihr starrt mir so auf meine Brüste!“ gab ich gespielt entrüstet von mir. „Ich kann auch einfach...“ doch ich schlug ihm auf seine Finger. „Nein, später, mi amor!“ grinste ich ihn an und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. So langsam sollten wir uns beeilen, wir hätten noch die ganze Nacht, den nächsten Tag und wie ich hoffte, die nächsten Jahre gemeinsam!
Als ich endlich in dem Kleid vor dem Spiegel stand, staunte ich nicht schlecht, es saß perfekt. Dann hatte sich mein Körper nicht allzu sehr verändert in den letzten beiden Jahren. Erleichtert atmete ich aus und fing an, meine Haare einigermaßen zu sortieren. Es gelang mir ganz gut und danach war Haytham dran. Er setzte sich auf den Stuhl vor dem kleinen Schreibtisch und reichte mir die Bürste. Im Spiegel beobachtete er mich wieder grinsend. „WAS denn, Haytham. Du weißt, ich liebe es, in deinen Haaren zu wuseln.“, dann hielt ich kurz inne. Hatten sich da wirklich ein paar silberne Strähnen in seine sonst fast schwarzen Haare geschlichen?
Ich musste grinsen. „Mi amor, du hast ja graue Strähnen plötzlich.“ und hielt die besagte Partie vor seine Nase. „Ist das ein Wunder? Wer eine Frau wie dich sein Eigen nennen darf, da bleibt es nicht aus, dass man schneller ergraut, als einem lieb ist.“ gab er lachend als Antwort und er zog meinen Mund zu sich. „Trotzdem habe ich dich vermisst.“
Als das Haarband fest saß, zog er noch seinen Gehrock über und wir konnten das Schlafzimmer verlassen. Auf der Galerie kam uns eines der Mädchen entgegen und funkelte mich wütend an, knickste aber höflich und ging an uns vorbei, vermutlich um im Schlafzimmer aufzuräumen.
„Wer ist das, Haytham? Sie sah nicht gerade glücklich aus, dass ich hier bin.“ das fehlte mir noch, dass hier eine zweite Justine arbeitete! Mit Schrecken musste ich an das Zimmermädchen bei den Cormacs denken, welche sich ziemlich daneben benommen hatte.
„Das ist Zoe, sie ist erst ein paar Wochen hier. Noch recht jung, aber Jones hatte sie empfohlen. Sie ist seine Nichte.“ ah, ja gut, aber dass muss ja nichts positives bedeuten. Doch ich verdrängte diesen Gedanken erst einmal, ich mag mich ja auch irren und sie würde sich noch an mich gewöhnen.
Unten angekommen, hörte ich bereits Rafael laut mit den anderen diskutieren. Es ging um die Anschaffung eines neuen PCs und er war der Meinung, er hätte das alleinige Wissen gepachtet. Als wir eintraten, verstummten sie alle und sahen mich mit großen Augen an. In diesem Moment fiel mir ein, dass jetzt eine lange Begrüßungsrunde anstand. Doch ich musste nicht anfangen, mein erster Maat kannte Haytham ja noch und fing an, alle vorzustellen.
Danach brachten die Angestellten mehrere Karaffen mit Wein und so unterhielten wir uns noch eine Weile, bis das Essen dann fertig war! Das Küchenpersonal hatte sich alle Mühe gegeben, diese überraschende Anzahl von zusätzlichen Gästen zu bewirten. Doch es war köstlich, aber... ihr wisst ja... Essen-wie-ein-Spatz-Diät... Haytham führte ein angeregtes Gespräch mit unserem Navigator, wie ich ihn gerne nannte. Er war der einzige, der diese alten Seekarten und Gewässerbeschreibungen hatte deuten können.
Ich hingegen hatte noch mit unserem Smutje ein Hühnchen zu rupfen, er hatte viel zu viele Lebensmittel für die kurze Zeit geordert. „Ich habe es doch nur gut gemeint. Wer weiß, was uns hätte erwarten können.“ gab er kleinlaut als Entschuldigung von sich. Das meiste müsste jetzt auch wieder mit ins 21. Jahrhundert genommen werden, denn es war Convenient-Food. Da durfte er sich von William sicher auch noch ein paar Worte zu anhören.
Als das Essen beendet war, versammelten sich alle wieder im Salon. Die Mannschaft musste wieder zurück, ich hatte sie nur kurz hierbehalten, falls... naja, für den Notfall... ich weiß nicht. Es hätte ja auch alles ganz anders laufen können. Auch die beiden Wachen von der Jackdaw waren mittlerweile anwesend.
Unentschlossen stand mein bester Freund jetzt vor mir, mit den Ringen in der Hand. „Alex, ich lasse dich nicht gerne hier alleine! Ich habe Angst, dass es dir vielleicht nicht gut gehen wird, oder das... verdammt, ich habe Angst um dich und ich vermisse dich doch jetzt schon!“ mit diesen Worten drückte er mich an sich und ich heulte an seiner Brust. „Rafael, bitte... mach es mir nicht noch schwerer. Yannick hat mich schon fast zum Zweifeln gebracht. Und vergiss nicht, ich werde euch auf dem Laufenden halten!“ sagte ich leise schluchzend und sah ihm in seine dunklen braunen Augen.
Abrupt drehte er sich zu Haytham um. „Master Kenway, passt bitte gut auf meine beste Freundin auf und sollten mir Klagen kommen...“ doch mein Verlobter ließ ihn nicht ausreden. „Mr. Thomasen, ihr werdet nichts dergleichen von ihr hören. Ich würde lieber selber sterben, als dass meiner Verlobten etwas zustößt. Das versichere ich euch!“ er reichte Rafael die Hand und die beiden klopften sich noch auf die Schulter.
Die Mannschaft stand schweigend dabei und die Jungs wussten nicht, ob sie sich auch äußern sollten. Doch jetzt kam einer nach dem anderen und nahm mich in den Arm und verabschiedete sich. Von ihnen würde ich wohl niemanden wieder sehen. Bei meinem besten Freund war ich mir nicht so sicher... er hatte bei der Hochzeit von Tobias und Marie einige Andeutungen gemacht, dass er mich an meinem Hochzeitstag nicht alleine lassen will.
Der Spiegel war aktiviert und nach und nach traten sie alle hindurch, als letzter stand Rafael unschlüssig da. „Bist du sicher, dass wir die Artefakte mitnehmen sollen?“ fragte er noch einmal und sah mich durchdringend an. Ich schluckte schwer und erwiderte nur, dass ich mir sicher sei und hierbleiben werde. Ich bekam einen letzten Kuss von ihm und dann war er verschwunden, zusammen mit dem Portal.
Ich starrte auf diesen Fleck, wo eben noch... Jetzt gab es für mich wirklich kein Zurück mehr. Meine Knie gaben unter mir nach und ich sackte einfach zusammen. Haytham hockte sich neben mich und hielt mich fest, seine Hand streichelte über meinen Kopf und er wiegte mich leicht hin und her. Mir liefen die Tränen einfach, zum einen aus Freude, zum anderen weil es jetzt zur Realität wurde, dass mein altes Leben abgeschlossen war. Das Ganze gepaart mit dieser Erkenntnis, dass ich hier jetzt „festsaß“ fürs erste. Aber ich würde hier etwas neues aufbauen, ich könnte hier meine Arbeit fortsetzen...
„Alex, du wusstest, dass sie gehen würden...“ doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Das ist es nicht alleine, Haytham. Es ist einfach diese Tatsache, dass ich wirklich hier bin und bleibe. Ich habe im Moment keine Möglichkeit mehr, selber zu reisen! Es macht mir Angst, zugleich bin ich aber froh hier zu sein. Das Ganze verwirrt mich gerade, halt mich einfach fest, ja?“ ich klammerte mich an meinen Verlobten.
Irgendwann hob mich Haytham hoch und trug mich zum Sofa vor den Kamin. „Mi sol, du bist eiskalt. Wärme dich auf, ich will nicht, dass du noch krank wirst!“ kam es leise von ihm, während er mich weiterhin im Arm hielt. Kurz darauf erschien Mrs. Wallace und fragte, ob wir noch etwas benötigten. Als sie mich so schluchzend sah, kam sie langsam auf uns zu. „Mrs. Frederickson, ihr seid hier nicht alleine und verzeiht meine direkte Art, auch ich bin für euch da.“ und ihr Gesicht erhellte sich bei diesen Worten. „Mrs. Wallace, ihr seid einfach ein Schatz.“ ich nahm ihre Hand und drückte sie. „Habt ihr noch... von dem guten Rum etwas übrig?“ fragte ich vorsichtig und mein Verlobter räusperte sich nur.
„Sicher doch, ich bringe euch ein Glas...“ meinte sie nur, aber mein Blick deutete ihr, sie solle lieber die Flasche mitbringen. „Oh, ich verstehe!“ und mit einem wissenden Grinsen ging sie hinaus. „Mi sol, sie ist eine Angestellte. Du musst lernen, sie auch so zu behandeln...“ ich seufzte nur und sah ihn traurig an.
„Das weiß ich, Haytham, aber Sybill hat mir damals sehr geholfen und mir beigestanden. Sie ist wie eine gute Freundin. Das wird sie bleiben, ob es dir recht ist oder nicht.“ belehrte ich ihn jetzt und hoffte, dass er wenigstens etwas Verständnis hätte. „Aber lass es nicht Oberhand gewinnen und vor den anderen Bedienstete reiß dich zusammen, ich gehe davon aus, dass Mrs. Wallace das aber selber weiß.“ ein Kuss auf die Stirn sagte mir, dass das Thema erst einmal vom Tisch war.
Als ich mit dem großen Glas Rum neben Haytham vor dem Kamin saß, fing ich an mich zu entspannen. Meine Gedanken kreisten mit einem Mal um seinen Geburtstag. „Hast du eigentlich etwas für deinen Geburtstag geplant, mi amor?“ fragte ich frei raus. „Nur ein kleines Essen mit einigen Geschäftspartnern und Nachbarn. Nichts großes, warum fragst du?“
„Naja, einfach so. Ich dachte, dass eventuell Faith und Shay dich auch besuchen kommen!“ kam es jetzt etwas enttäuscht von mir. „Du wirst sie bald wieder sehen, mi sol. Sie haben mich über Weihnachten und Silvester zu sich eingeladen!“ meinte mein Verlobter freudig und sah mich erwartungsvoll an. „Das hört sich großartig an. Ich freue mich so, sie alle wiederzusehen. Ich habe sogar etwas für die beiden, was ich ihnen schenken kann zu Weihnachten!“ grinste ich vor mich hin.
„Oh, was ist es denn, Alex?“ fragte er etwas enttäuscht. „Für dich habe ich aber auch ein Geschenk, ich bin noch am überlegen, ob du es zum Geburtstag bekommst oder doch erst zu Weihnachten!“ ich sah ihn fragend an, ich wusste wirklich nicht, WANN ich ihm sein Kurzschwert schenken sollte. Es war in der gesicherten Truhe in … meinem Arbeitszimmer. Und wieder hatte ich so ein merkwürdiges Gefühl, ich musste mich noch daran gewöhnen, dass es auch MEIN Zuhause war, oder besser UNSER Zuhause.
„Also ich kann auch bis Weihnachten warten, weil mein Geburtstagsgeschenk bereits neben mir auf dem Sofa sitzt und schon genug von dem Rum getrunken hat!“ lachte er mich an und wollte mir schon das Glas aus der Hand nehmen. „Er ist aber so lecker und er wärmt mich. Du hast gesagt, dass ich mich aufwärmen soll...“ doch ich spürte wirklich die Wirkung des Alkohols allmählich, ich hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen und das ist eher fatal.
„Ich wüsste auf jeden Fall noch eine andere und vor allem gesündere Methode, welche dich wärmen würde, mi sol.“ seine Augen verdunkelten sich und jagten mir wieder diese wohligen Schauer über den Rücken. Ich ließ Rum Rum sein und drehte mich zu Haytham, schlang meine Arme um seinen Nacken und gab ihm einen verlangenden Kuss. „Diese Art des Wärmens würde ich gerne einmal in Anspruch nehmen, Master Kenway!“ meine Stimme krächzte leicht bei diesen Worten, weil ich schon wieder dahinschmolz.
„Dann kommt mit und ich zeige es euch, Mrs. Frederickson.“ er erhob sich und führte mich nach oben. Leise schloss er die Tür und kam auf mich zu. Und ich muss sagen, mein Verlobter hatte einfach ein Talent für diese Art des Aufwärmens. Er beschloss, dass er mir noch ein paar Lektionen hinsichtlich meines Verhaltens gegenüber den Bediensteten beibringen sollte und zwar vor dem Kamin. Dieser war ordentlich angeheizt und sein Körper gab mir dann den Rest. Er kniete hinter mir und hielt mich an den Haaren, wiederholte seine Worte immer und immer wieder, während er sich langsam in mir bewegte.
Ich spürte diesen Schweißfilm an meinem Rücken, als er mich ganz an sich heranzog und seine Hände meine Brüste umfassten. „Du wirst noch einiges lernen, Mrs. Frederickson. Dafür werde ich sorgen!“ kam es raunend von Haytham und sein Höhepunkt war hart und heftig. Seine Arme umklammerten mich, bis sich seine Muskeln wieder beruhigten. Vorsichtig wanderten seine Hände zu meiner empfindlichsten Stelle und brachten mich über diese letzte Schwelle.
Meine Hände griffen seine Oberschenkel und ich suchte verzweifelt nach Halt. Langsam kam auch ich wieder zu Atem und meine Muskeln fühlten sich wie Pudding an. Haytham schien es nicht anders zu gehen, er trug mich nur noch zum Bett und deckte uns beide zu. „Bei Odin, Haytham... ich habe dich vermisst und deine Lektionen!“ meinte ich lächelnd. „Ich habe da noch einige auf Lager, Alex.“ grinste er mich an und kniff mir spielerisch in die Brust. Ich nahm seine Hand in meine und gab ihr einen Kuss auf die Innenfläche, dann legte ich sie mir einfach auf den Bauch.
„Auf jeden Fall ist dir jetzt nicht mehr kalt, mi sol. Dann hat sich das ja gelohnt!“ gab er lachend von sich. „Aber jetzt habe ich Durst, mi amor.“ ich spürte, dass meine Kehle trocken wie die Wüste Gobi war. Als ich gerade aufstehen wollte, hielt er mich zurück und betätigte einen Seilzug auf seiner Seite des Bettes. „Du brauchst nicht aufstehen, du bekommst es direkt herauf gebracht, mi sol.“ sagte er und es dauerte wirklich nicht lange, bis Zoe auftauchte. Als sie uns sah, verdüsterte sich ihr Blick und ich konnte spüren, dass sie wütend und eifersüchtig war. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich mir von ihr etwas zu trinken bringen lassen wollte. Wer weiß, was sie mir da mit hineinmischt.
„Master Kenway, Mrs. Frederickson. Was kann ich für euch tun.“ kam es Zähneknirschend von ihr. Hinter mir hörte ich, wie Haytham zischend die Luft einatmete und ich selber fühlte mich an mich selber erinnert. „Ich hätte gerne einen Tee, Zoe.“ meinte ich dann in einer möglichst neutralen Stimme.
„Sehr wohl, Mrs. Frederickson.“ ein Knicks und sie verschwand. „Haytham, sie ist mir nicht geheuer. Ehrlich gesagt, habe ich Angst, sie könnte mir etwas in den Tee kippen oder sonst etwas tun.“ sagte ich jetzt etwas ängstlich. Er sah mich fragend an.
„Erinnerst du dich noch an diese Justine? Die bei Shay für Ärger gesorgt hatte? Vorhin schon dachte ich mir, dass sie etwas seltsam ist. Faith hatte damals mal den Vorschlag gemacht, man solle die neuen Zimmermädchen einem … eher unkonventionellen Test unterziehen.“ jetzt sah ich ihn fragend an und wartete auf eine Reaktion.
„Alex, glaubst du wirklich, dass dieses Mädchen mir nachstellt? Ich bin ihr Arbeitgeber, warum sollte sie...“ doch er unterbrach sich selber. „Oh, sie könnte gedacht haben, weil ich alleine hier lebte, dass sie … Aber ich habe ihr doch überhaupt keinen Anlass dazu gegeben.“ in diesem Moment war ich hin und weg von seiner doch sehr großen Naivität. Hatte mein Templer wirklich nicht bemerkt, dass diese Frau ihn anhimmelt? „Haytham, sie wird sicherlich in irgendeiner Art versucht haben, sich bei dir einzuschmeicheln. Ich kann es ja in ihren Augen sehen, dass sie eifersüchtig ist.“ versuchte ich eine Erklärung.
„Du erwähntest gerade einen Test. Wie unkonventionell ist er denn, ich hoffe doch, dass ich nicht zum Äußersten gehen muss?“ fragte er mich vorsichtig und ich sah ihn meinerseits erschrocken an. „Du glaubst doch nicht, dass ich zulasse, dass du... also, nein. Kommt gar nicht in Frage. Wir hatten überlegt, dass … also … wenn ein neues Mädchen eingestellt werden soll, dass... in diesem Falle DU, sie testest, in dem... nunja... du dich ihr etwas freizügig zeigst?“ erläuterte ich vorsichtig und wurde knallrot.
Mein Verlobter sah mich völlig entgeistert an! „Wie bitte seid ihr beiden denn darauf gekommen?“ sollte ich ihm das von Shay erzählen, dass er oben ohne im Ankleidezimmer stand damals, an meinem ersten Tag im Arsenal? Dass Faith und ich uns dann diesen Test ausgedacht haben und wir aufgrund dieser Gedanken im Anschluss eine wunderschöne Nacht hatten. Ich beschloss, ihm das zu erzählen, denn nur so konnte ich meinen Verlobten von dieser Art von Konfrontation überzeugen.
Ein breites Grinsen trat in sein Gesicht. „Interessant, worüber ihr Frauen euch unterhaltet, wenn ihr alleine seid. Vielleicht sollte ich dich doch des öfteren mit meiner kleinen Schwester alleine lassen. Ich profitiere dann sicherlich davon, genau wie Shay. Darüber waren wir Männer uns nämlich schon einig, dass diese Konstellation nicht so schlimm sei, wie angenommen!“ meinte er jetzt mit einem grüblerischen Ausdruck im Gesicht. „Ich hätte es wissen müssen, dass auch ihr Männer kleine Klatschbasen sein könnt.“ lachte ich drauf los und hatte Bilder von den beiden im Kopf, wo sie die Köpfe zusammen steckten und irgendwelche Tratschgeschichten austauschten.
In diesem Moment klopfte es zögerlich, doch es war nicht Zoe, sondern Mrs. Wallace, die mir den Tee brachte. „Mrs. Frederickson, ich bringe euch euren Tee. Wo soll ich ihn abstellen?“ fragte sie mich. „Gebt ihn mir einfach, danke Mrs. Wallace!“ sagte ich dankbar, dass SIE mir mein Getränk brachte.
„Wir brauchen euch dann heute nicht mehr, Sybill. Wir wünschen euch eine gute Nacht.“ meinte Haytham in seiner so typischen höflich professionellen Art. „Ich wünsche euch auch eine gute Nacht!“ und sie lächelte mich liebevoll an.
Als wir wieder alleine waren, nippte ich an dem Tee und es tat unglaublich gut. Mein Hals beruhigte sich wieder ein wenig. Für die Zukunft musste ich sehen, dass ich immer etwas abgekochtes Wasser hier hatte, ich brauchte mein Pensum an Flüssigkeit über den Tag.
„Und wann hattest du gedacht, sollte ich diesen Test starten?“ fragte mich mein Verlobter jetzt einfach, sah aber dabei nicht so wirklich überzeugt aus. „Je früher desto besser, denke ich. Dein Geburtstag wäre ein idealer Zeitpunkt, an diesem wird sie sicher ihre Chance sehen, sich bei dir Lieb-Kind zu machen! Bitte sie, eines deiner Hemden zu flicken oder zu bügeln oder ähnliches und wenn sie im Ankleidezimmer erscheint, dann... du weißt ja, wie man Frauen um den Finger wickeln kann, mi amor. Mir hast du es ja auch gezeigt!“ zwinkerte ich ihm zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„DAS war aber etwas anderes. Alex, was ist, wenn sie dann darauf anspringt?“ fragte er jetzt skeptisch. „DANN werde ich in der Nähe sein, glaub mir! Auch wenn es mir schwerfallen wird, diese Frau in deiner Nähe zu sehen...“
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du solche Vorschläge hast! Du würdest dich gut als Templerin machen, mi sol.“ meinte er leichthin und bereute seine Aussage sofort. „Entschuldige, du weißt wie ich das meine, oder?“ seine Hand lag wieder unter meinem Kinn und er zog mich ein Stück zu sich und küsste mich entschuldigend. „Ja, ich weiß wie du es meinst... und ich weiß auch, dass ich gerade ziemlich in der Luft hänge. Zu welcher Seite zähle ich hier?“
Ein frustriertes Seufzen kam aus seinem Mund und er sah mich fragend an. „Das weiß ich auch nicht. Eigentlich bist du gerade weder Assassine noch Templer. Natürlich hast du eine moralische Verbundenheit mit deiner Bruderschaft, aber ich glaube, das ist ein Thema für die Zukunft.“ er hatte ja Recht. Als ich meinen Tee alle hatte, löschte Haytham die Kerzen und ich kuschelte mich an ihn. Der Gedanke, dass ich meine erste Nacht in meinem neuen Leben gerade antrat, ließ mich erschauern und ich schüttelte mich leicht. „Mi sol, ist dir etwa immer noch kalt?“ fragte mich mein Verlobter und fuhr langsam mit seinen Fingern über meinen Rücken.
Ich könnte jetzt darauf eingehen und ich würde sicherlich noch eine Lektion erteilt bekommen, doch wenn ich ehrlich bin, ich war zu müde. „Nein, ich dachte nur gerade, dass jetzt mein neues Leben beginnt und... irgendwie bin ich aufgeregt.“ gab ich nuschelnd von mir, während ich ihm einen Kuss auf seine Brust gab. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.
Ich streckte mich gähnend und wollte mich umdrehen, aber irgendwie war mir das nicht möglich... verdammte Bettdecke und ich trat danach, um sie von mir zu schubsen. Immer verdrehte ich mich darin... Aber ein lautes „Aua!“ ließ mich hellwach im Bett sitzen. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Umgebung und... ich war nicht in meinem Bett...
„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, aber würdest du mich bitte anders wecken...“ kam es meckernd von dem Mann neben mir in diesem Bett... ich hatte immer noch nicht realisiert, dass ich... es war kein Traum. Ich war hier, in Virginia! Plötzlich war ich so euphorisch und hellwach, dass ich mich auf meinen Templer warf und ihn mit Küssen übersäte.
„Du bist wirklich hier, ich bin wirklich hier! Es war kein Traum!“ und ich freute mich gerade wie eine dreijährige und war auch genauso aufgeregt. „Ja, ich bin wirklich hier und... ich freue mich auch, dass du hier bist.“ damit drehte er mich unter sich und jetzt wurde ich mit Küssen übersät. Wir beide lagen uns in den Armen und ich atmete erleichtert aus. Es war noch nicht ganz hell, die Wintermonate waren einfach eher unwirklich.
„Haytham... ich... könnte gerade wieder einfach heulen! Ich dachte, ich hätte das alles nur geträumt!“ ich nahm sein Gesicht in meine Hände und seine grauen Augen sahen mich liebevoll an. „Ich habe dich schon eine Weile im Blick gehabt und konnte mich davon überzeugen, dass es KEIN Traum war, mi sol. Aber danke, der Tritt gegen mein Schienbein war dann das eindeutige Zeichen, dass ich wirklich wach bin!“ gab er lachend von sich und seine Hände zeigten mir, dass ich wirklich in seinen Armen lag.
Verdammt... Diese ganzen Monate, in denen ich auf Haytham verzichten musste, auf seine Nähe, seine Hände und seinen Körper... sie waren einfach zu viel und ich wollte diesen Mann einfach spüren. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf! Du bist einfach glücklich, du bist zufrieden und angekommen ... das ist dieses Gefühl, welches du nicht wirklich beschreiben kannst! Genieße es und lass dich davon leiten, das ist die Liebe die du immer für ihn gefühlt hast.
Mit einem Male hatte sich etwas verändert, nur eine Kleinigkeit in meinem Kopf. Es fühlte sich an, als könne ich Haytham in meinem Geist fühlen, ihn hören und regelrecht spüren. Vorsichtig griff er nach meinen Armen und hob sie über meinen Kopf, aber immer darauf bedacht, mich nicht aus den Augen zu lassen. „Ich will dich lesen, Alex, öffne deinen Geist...“ kam es mit kratziger Stimme von meinem Templer. Und ich ließ ihn in meine Gedanken, in meine geschützte Zone... Nur ihm würde ich erlauben, sich dort umzusehen... Es war seltsam... wir hatten uns weiter entwickelt, wie es schien... ich konnte ihn plötzlich lesen und er mich... wir brauchten keine Worte...
Ich nahm seinen Geist und ihn in mich auf... in seinen Augen konnte ich sehen, was er wollte, was er fühlte und ich sah eine Liebe, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ich weiß, es klingt so wahnsinnig kitschig... es war wirklich so, und ich wünsche jedem, so etwas zu erleben! Ich konnte in diesem Moment völlig frei denken, konnte die Person sein, die ich war... Und auch Haytham konnte sich völlig öffnen.
Es war eine Symbiose die wir eingingen, etwas, dass wir brauchten für die Zukunft. Wir brauchten eine Verständigung ohne Worte! Und ich fühlte sie, ich sah seine Gedanke förmlich vor mir... und umgekehrt vermutete ich es auch. Ich ließ ihn sehen, was in meinem Kopf vor sich ging.
Doch in ihm und auch in mir herrschte noch ein ziemliches Chaos und wir beide mussten grinsen in unserem Liebesspiel... es war noch kein völliger Einklang... wir erschufen dennoch eine Ebene... Was soll ich sagen... Es waren seine Worte, seine Stimme, welche mich auf diese Höhepunkte trieben und ich zerfloss wie Butter in der Sonne unter ihm.
Plötzlich sah er mich ungläubig an. „Alex, es war auf einmal völlig anders als sonst... es war, als würden wir reden, aber doch auch wieder nicht...“ sein Blick ruhte immer noch fragend auf mir. „Das ist eine neue Ebene, Haytham. Wir … brauchen eine andere Kommunikation... Wenn ich an deiner Seite sein soll, dann muss das oft ohne Worte passieren. Wir müssen uns blind aufeinander verlassen können.“ meinte ich atemlos und wie abgelesen. Und ich wusste, wer mir diese Worte gerade sagte... denn auch ihn verstand ich mittlerweile ohne laut zu sprechen. Es war Edward. Aber... musste er gerade jetzt in meinem Geist sein?
„Ignoriert mich einfach! Ich bin nicht wirklich hier, aber Alex... du weißt, diese Art des Redens ist essenziell! Gerade in heiklen Situationen.“ und ich fühlte, dass Haytham sich dessen bewusst wurde. Wir beide wussten, dass diese Ebene eine wichtige Rolle spielen würde in der Zukunft.
Und mit einem Mal fühlte ich mich frei. Edward war völlig aus meinen Gedanken verschwunden, so hatte es den Anschein. „Alex... war das gerade eine Art Abschied von meinem Vater?“ fragte mich Haytham skeptisch. „Nein, das glaube ich nicht. Er wird da sein. Er hat es dir ja auch versprochen. Er lässt mir nur ein wenig mehr Freiraum für meinen Geist... also... du weißt... er muss ja nicht alles sehen!“ grinste ich etwas verlegen!
Ich lag noch einige Zeit in seinen Armen und wenn ich ehrlich bin, ich hätte gerne die nächsten Jahrhunderte so verbracht, aber mein Verlobter hatte Verpflichtungen. Und erst jetzt fiel mir ein, danach zu fragen. „Ich platze mal wieder völlig unangemeldet in dein Leben, entschuldige! Was hast du denn heute noch zu erledigen?“ fragte ich einfach naiv. „Nichts entscheidendes. Es ist Winter, da habe ich ein bisschen Ruhe und kann das kommende Jahr planen. Und da du jetzt hier bist, kann ich es wirklich planen! Ohne wenn und aber und ich würde mich freuen, wenn du mir helfen würdest.“ meinte Haytham einfach.
„Dann sollten wir aufstehen und du zeigst mir als Erstes, wo ich jetzt eigentlich wohne.“ lachte ich, ich hatte keine Ahnung von den Dimensionen der Plantage. „Alex, erzähl mir nicht, du weißt wirklich nicht, worauf du dich eingelassen hast? Wie ich dich kenne, hast du schon ….“ Doch ich unterbrach ihn. „Nein, habe ich tatsächlich nicht, Haytham. Ich wusste nur, wie die Plantage in der Neuzeit heißt und wie sie ungefähr aussieht. Alles andere weiß ich nicht! Es war nur wichtig zu wissen, WOHIN ich segeln muss!“ gab ich lächelnd von mir.
„Und das hat deine Neugierde zugelassen? Mrs. Frederickson, ihr erstaunt mich.“ meinte er zwinkernd. „Danke, Master Kenway, ich bin nicht immer so neugierig...“ und musste lachen.
„Dann... raus aus den Federn, mi sol!“ und er schlug mit der flachen Hand auf meinen etwas wunden Hintern.... „Danke, ich weiß, dass ich heute nicht unbedingt reiten werden, Haytham. Ich werde lieber laufen!“ grinste ich nur.
Im Esszimmer war alles vorbereitet und ich konnte meinen Becher Kaffee ekstatisch zu mir nehmen. „Diese wohlwollenden Geräusche hätte ich auch gerne in ... anderen Situationen, mi sol.“ meinte mein Verlobter leicht schmollend.
„Vergiss nicht, du hast den gleichen Status wie Kaffee bei mir, mi amor. Irgendwann wirst du es vielleicht verstehen, ansonsten kann ich dich auch gerne mit Erklärungen nerven.“ meinte ich lachend.
Als wir fertig waren, gingen wir zu den Stallungen und mein Verlobter zeigte mir seine Pferde. Sie waren alle wunderschön, doch eines erweckte meine Aufmerksamkeit. Ein schwarzer Hengst... glänzendes wunderschönes Fell... ich stand einfach davor und strich mit meiner Hand vorsichtig über die Nüstern. „Alex, pass auf... er schnappt gerne mal.“ Doch es passierte nichts, dieses Tier blieb völlig ruhig und ich war einfach gebannt. „Was für eine Rasse ist das? Ich kenne mich da nicht so aus.“ fragte ich den Stallmeister, sein Name ist übrigens Izaak Mackenzie. „Ein Friese... eigentlich völlig scheu... doch jetzt...“ sein Blick ging staunend zu Haytham. „Wie heißt er denn?“ fragte ich völlig fasziniert. „Er hat noch gar keinen Namen, Master Kenway hat ihn erst vor zwei Tagen erworben und...“ ich sah zu Haytham und er nickte nur und lächelte mich an. „Sag mir, wie er heißen soll, Alex!“
Ich sah diesem Tier in die Augen... „Fenrir! Und ich weiß, es ist eigentlich Lokis Wolf... aber irgendwie passt es zu ihm!“ gab ich gleich als Erklärung dazu. Der Wolf und Der Friese
„Du hast ihm einen Namen gegeben, dann soll er auch dir gehören!“ meinte Haytham stolz und sah sich seinen Neuerwerb an. „Warum hast du ihm denn noch keinen Namen gegeben? Hatte er nicht einen von seinem Vorbesitzer?“ ich sah mich fragend um, es war etwas unverständlich, dass Tiere hier irgendwie Namenlos weitergegeben wurden.
„Wenn man ein Tier erwirbt, werden die Namen neu vergeben! Ist das bei euch anders?“ fragte er mich jetzt etwas ungläubig. „Ja, es ist ja wie ein Stammbaum. Nicht nur bei Menschen werden die Rasse und Eigenschaften weitergeben, das klingt jetzt etwas seltsam, aber du weißt was ich meine. Und von daher ist es einfach für das Tier eine Ehre, einen guten Namen zu führen.“ meinte ich jetzt etwas ehrfürchtig. Jetzt gehörte der Friese mir! Damit hatte ich nicht so schnell gerechnet. Fenrir stupste mich immer wieder an und seine dunklen Augen schienen mich völlig zu durchschauen.
Ich hatte ein eigenes Pferd... wie lange musste ich darauf warten? 46 Jahre... naja nicht ganz. Aber meine Eltern haben mir nie Reitunterricht oder ähnliches gegönnt. Es hieß immer, das ist zu teuer und ja ich weiß, dass es so war. Aber ich liebte Pferde, welches Mädchen liebte bitte keine Pferde... In mir stiegen wieder Tränen auf, weil ich mit 46 Jahren meinen Wunsch erfüllt bekam!
„Alex, ist alles in Ordnung?“ fragte mich Haytham jetzt besorgt. „Ja, aber... in meiner Zeit sind Pferde einfach ein Luxus. Meine Eltern konnten sich weder ein Pferd noch den Reitunterricht für mich leisten.. ich konnte immer nur zusehen.“ plötzlich klammerte ich mich an Fenrir... ich hatte Angst, er könnte einfach so in einem Nebel verschwinden!
„In was für einer Zeit lebt ihr bitte? Pferde sind das A und O in dem Leben eines jeden Menschen.“ kam es ungläubig von Haytham. „Das mag sein, aber wir brauchen sie nicht mehr. Wir haben zum Ernten, zum Säen und so weiter Maschinen. Und um von A nach B zu kommen, gibt es halt andere Fortbewegungsmittel. Pferde sind einzig zur Zucht oder eben noch für gestellte Jagdausflüge da. Mehr nicht. Einen echten Nutzen wie hier, haben sie nicht... was wirklich schade ist...“ gab ich betrübt von mir. Der Stallmeister sah mich mit großen Augen an.
„Ich denke, dann ist Fenrir für dich der ideale Begleiter. Er ist völlig ruhig in deiner Gegenwart und scheint auf deine Anweisungen zu warten.“ dieser Satz erfüllte mich mit einem gewissen Stolz und ich strich Fenrir über sein weiches Fell. Leise sprach ich zu ihm... Vi kommer godt overens, Fenrir og jeg vil passe godt på dig... (das war Dänisch: Wir werden uns sicher gut verstehen, Fenrir und ich passe gut auf dich auf.)
„Alex... ALEX... wo bist du schon wieder?“ kam es von meinem Verlobten. Überrascht sah ich auf... „Nirgends... ich erzählte nur... entschuldige!“ sah ich meinen Verlobten entschuldigend an. „Du hast eine fremde Sprache benutzt. Es klang merkwürdig!“ irritiert sah mich Haytham an. „Ich habe was getan? Oh...“ in diesem Moment fiel mir ein, dass ich ab und zu, wenn ich in Gedanken bin, auf Dänisch denke, warum auch immer. Ich hatte vor Jahren mal Unterricht darin und behalten habe ich auch einiges. „Das war dann wohl Dänisch, mi amor!“ lächelte ich ihn an. „Ab und an fallen mir einige Sätze wieder ein.“ Meine Vorfahren hatten anscheinend doch größeren Einfluss auf mich als ich zuerst dachte!
Wir verließen die Ställe, auch wenn ich gerne noch länger dort geblieben wäre, und Haytham zeigte mir den Garten, die Arbeiterunterkünfte und das Gästehaus. Hier könnten mal locker an die 100 Personen übernachten, ohne auch nur einen Fuß ins Herrenhaus setzen zu müssen. Die Angestellten und Bediensteten hatten saubere und wirklich gute Unterkünfte und ich war erstaunt. „Warum bist du so überrascht? Wer für mich arbeitet, sollte auch eine angemessene Unterkunft haben.“ mein Verlobter verstand nicht, warum ich so entspannt auf seine Plantagen-Politik reagierte.
„Wie soll ich es sagen, aber... den Plantagen Besitzern wird immer wieder in den Geschichtsbüchern unterstellt, sie wären gnadenlose Sklaventreiber und Schänder. Ihre Aufseher wären die Folterknechte und so weiter. Glaub mir, wenn ich hier auch nur einen Sklaven sehe, dann bin ich weg... Das geht einfach über meinen moralischen und ethischen Horizont!“ meinte ich entschieden.
„Ich... nein... ich habe normale freiwillige Angestellte und Bedienstete und auf den Feldern arbeiten die einfachen Leute, die ausgewandert sind und sich hier einfach ein neues Leben aufbauen wollen.“ entgeistert sah mich Haytham an. „Danke, ich hatte auch nichts anderes von dir erwartet, mi amor!“ sagte ich nur und gab ihm einen langen Kuss, in dem meine Dankbarkeit lag.
Als wir Richtung des Herrenhauses unterwegs waren, kam uns Mrs. Wallace entgegen. „Da seid ihr ja, Master Kenway, Mrs. Frederickson. Das Mittagessen ist fertig.“ sagte sie freudig, ich hatte den Eindruck, dass sie schon eine Weile nach uns gesucht hatte. Wir folgten ihr ins Esszimmer und ich fragte mich, welche Kompanie denn bitte noch erscheinen würde und ich dachte es nicht nur, sondern äußerte es auch. „Alex, wir sind alleine, wer sollte denn sonst noch...“ doch mein Verlobter unterbrach sich selbst, als er merkte, dass es eine rein rhetorische Frage war.
Es gab Rind zum Mittag und saisonales Gemüse. Ich würde mich noch daran gewöhnen müssen, dass ich nicht alles kaufen konnte, was ich wollte. Innere Notiz an mich!
Nach dem Essen saßen wir etwas schweigend beieinander, was aber eher dem vollen Magen geschuldet war, wenn auch bei mir eher wieder behindert durch dieses schreckliche Folterinstrument namens Korsett. „Alex, darf ich... dich etwas fragen?“ kam es zögerlich von Haytham. Unruhig, was jetzt kommen könnte, sah ich ihn an. „Ja, darfst du, Haytham?“
„Warum warst du nie mit dem Vater von Yannick verheiratet?“ und es kam mir eher so vor, als wäre er erleichtert, diese Frage endlich los zu sein. „Keine Ahnung... ich wurde schwanger kurz nach unserem Kennenlernen und... danach... es klingt eigenartig, aber... wir hatten keine Zeit dafür. Und ich habe es auch nie forciert. Warum sollte ich auch. Entweder man will es, oder man lässt es.“ meinte ich leicht gedankenverloren und ich bereute meine Art, wie ich es sagte.
„Versteh mich nicht falsch, mi amor. Aber... Marius... das war... ich möchte es nicht Fehltritt nennen... weil...“ ich fühlte wieder diese Tränen der Trauer, aufgrund seines Selbstmordes. „Haytham, er hat sich vor einigen Monaten das Leben genommen... und … ich habe immer noch damit zu kämpfen!“ Er schüttelte nur den Kopf und sah mich an. „Das ist ja... schrecklich. Warum hat er das getan?“ und ich fing an zu erzählen... es war das erste Ereignis, welches ich meinem Verlobten jetzt kundtat... „Er hat sich in seiner Wohnung in den Kopf geschossen... und seine Familie gibt Yannick und mir die Schuld. Du hättest die Blicke sehen müssen! Wenn sie töten könnten, ich würde nicht hier sitzen!“ ich fing an zu heulen, Marius tat mir leid. Wir konnten ihm nicht helfen, aber ich machte mir trotzdem Vorwürfe!
„Es tut mir leid für ihn, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah! Aber du hast doch alles getan, um ihm zu helfen. Und ich bin sicher, er ist dir dankbar gewesen für deine Unterstützung!“ meinte Haytham jetzt einfach so fürsorglich wie irgend möglich. „Das weiß ich doch... Aber diese... Vorläufer haben eine Macht, die man nicht immer sofort sieht und das macht mir Angst. Marius war mit seiner Gabe einfach völlig überfordert, das war nicht fair!“ seine Arme legten sich um mich. „Das war es nicht, nein. Doch er konnte sich auf dich und seine Verbündeten verlassen. Auch wenn ihr ihm nicht mehr helfen konntet. Und ich weiß, mi sol, du wartest auch auf DEINE Verbündete!“ meinte Haytham jetzt gespielt maulig und lächelte mich an. Er wollte mich auf andere Gedanken bringen und das war ihm gelungen!
„Ja, ich freue mich darauf, auch Faith wiederzusehen. Aber in erster Linie bin ich froh, hier zu sein und endlich dort weiterzumachen, wo ich einen Ankerpunkt habe.“ in diesem Moment kam mir der Gedanke, ob ich noch etwas zu der Gesellschaft an seinem Geburtstag wissen musste. Manche Themenwechsel sind sogar für mich erschreckend! „Nein, eigentlich nicht. Es sind halt Geschäftspartner und ach ja... Master Pitcairn wird mit seiner Frau hier sein und Master Johnson. Mit den anderen werde ich dich bekannt machen und hab keine Angst, es wird kein Staatsempfang.“ meinte er grinsend. „ Da bin ich ja beruhigt.“ vermutlich sah und hörte Haytham die Erleichterung in meiner Stimme.
Den restlichen Tag verbrachten wir mit Haythams Erzählungen wie er diese Plantage erworben hatte. Zusammen mit einem reichen Franzosen hatte er sie sich angesehen. Doch die Eheleute Dufresne waren diesem Herren gegenüber skeptisch und nicht wohlgesonnen, er machte einen kalten Eindruck. Haytham hingegen war dann die erste Wahl der Dufresnes und er bekam den Zuschlag. Es war, wie er sagte, ein Schnäppchen! Was man denn als solches bei 350 Hektar bezeichnen konnte... doch wer bin ich, DAS zu beurteilen? „Wenn es jetzt wärmer wäre, würde ich dich gerne auf einen Ausritt mitnehmen und dir alles zeigen...“ meinte mein Verlobter.
„Dann tu es doch einfach. Ich kann mich ja warm anziehen. Und ich habe jetzt sogar ein eigenes Pferd!“ erwiderte ich breit grinsend. „Also gut... dann zieh dich einfach wirklich warm an und ich zeige dir UNSERE Plantage.“ Warum fühlte ich mich noch unwohl bei dem Ausdruck „unsere“ Plantage? Ich hatte keinen Handschlag dafür getan... ich war einfach nur da... das war nicht richtig.
„Alex... ich kann dich lesen!“ kam es nur von Haytham. „Dann weißt du auch, warum ich mich gerade unwohl fühle. Ich konnte keinen Beitrag leisten... Das ist nicht richtig!“ meinte ich maulend. „Du wirst deinen Beitrag noch beisteuern... und WIR werden das in Zukunft gemeinsam machen. Schon vergessen, mi sol?“ und er sah mich fragend an. „Aber...“
„Kein ABER!“ er nahm meine Hand. „Ich kann doch nicht erwarten, dass du schon Jahrzehnte im Voraus hier alles ermöglichst... Wir sind jetzt hier.... Wir bauen unsere Zukunft auf. Ich habe nur einen Grundstein gelegt und jetzt ist es an dir oder vielmehr an UNS darauf aufzubauen. Darauf habe ich die letzten beiden Jahre gewartet.“ ich brach wieder in Tränen aus... Dieser Gedanke, dass Haytham UNSERE Zukunft plante, ohne wenn und aber...
„Doch ich kann nichts beisteuern, nicht … finanziell...“ kam es jetzt leise und kleinlaut von
mir, im Grunde war es das, was mir auf der Seele lag. „Und wer verlangt das, Alex? Ich bestimmt nicht. Wir beide werden das ausbauen, was wir angefangen haben und wir werden entsprechend unserer Missionen handeln! Aber vergiss eines nicht... ich will dich hier haben und daran wird sich nichts ändern!“
Das beruhigte aber mein schlechtes Gewissen nicht. Ich seufzte nur und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. „Dann werde ich mich wohl mal umziehen, so kann ich schlecht reiten!“ grinste ich meinen Verlobten an. Sein Blick wanderte von oben nach unten über meinen Körper und ich konnte sehen, dass seine Gedanken gerade in eine ganz andere Richtung glitten. „Master Kenway... dazu werden wir sicher später noch Zeit haben!“
„Ich werde euch beim Wort nehmen, Mrs. Frederickson.“ und ich dachte nur... nicht nur beim Wort NEHMEN!... Verdammt, jetzt rutschten meine Gedanken auch schon in die Gosse und ich wurde rot.
Schnell ging ich hinauf und entledigte mich meines Kleides. So langsam hatte ich den Dreh raus, es alleine aufzuschnüren. Das Korsett schmiss ich erleichtert auf einen der Sessel und stand nun nur im Unterkleid vor dem Kleiderschrank. Was sollte ich jetzt anziehen, ich hatte nur die beiden Ornate mit. Ansonsten hatte ich gar keine Hosen dabei, aber mit Röcken wäre es zu kalt auf einem Pferd.
Also schnappte ich mir den Meister-Ornat von Faith und zog mich an. Völlig automatisch wollte ich schon nach meinen Klingen greifen, doch... sie lagen nicht in meiner Truhe! Hektisch suchte ich das ganze Zimmer ab, doch als ich hier nicht fündig wurde, rannte ich hinunter und fand Haytham in seinem Arbeitszimmer. Völlig außer Atem, fragte ich ihn, wohin meine Waffen gekommen seien!
„Oh, dafür habe ich im Keller einen extra Raum. Entschuldige, aber ich hätte es dir wohl sagen sollen. Das habe ich vergessen!“ und dann erst sah er mich richtig an und ich konnte sehen, dass er mit meiner Auswahl der Kleidung ganz und gar nicht zufrieden war. „Alex, muss das sein?“ meinte er etwas mürrisch.
„Nunja, ich habe nichts anderes, was sich zum Reiten eignet. Also wird der Ornat fürs erste reichen müssen. Nun sieh mich nicht so an, ich bekomme ein schlechtes Gewissen.“ maulte ich zurück. Doch dann sah ich, dass er daran dachte, dass er eine neue Lektion für mich hätte heute Nacht! Der Gedanke daran war sehr verlockend und ich wappnete mich innerlich schon.
„Dann komm mit, ich zeige dir den Keller.“ Die Treppe dorthin befand sich in der Küche, genauer gesagt in dem Vorratsraum. Das erste was mir ins Auge stach, waren die vielen Regale mit Vorräten und Wein. Es gab einige gestapelte Fässer und Kisten. Staunend ging ich weiter hinter Haytham her.
Links gab es den Kohlenkeller, dieser grenzte an die Waschküche an. Von dieser führte eine schwere Eichentür zu einem großen Raum, in dessen Mitte ein großer Tisch stand mit einigen Stühlen drumherum. An der Kopfseite dieses Raumes prangte ein großer Wandbehang mit dem Templerkreuz darauf. Im gesamten Kellergeschoss gab es auf Deckenhöhe schmale Fenster, welche genügend Licht spendeten!
Ich erschauerte leicht, so ungefähr stellte man es sich immer vor. Abgeschieden, unterirdisch, nicht einsehbar... einfach sehr verschwiegen. „Wir müssen den Orden halt schützen, Alex. Das weißt du doch.“ er hatte meine Gedanken lesen können. „Ja, ich weiß das.“ gab ich nur von mir, es würde nicht mehr lange dauern und ich müsste eine Entscheidung treffen. Ich schob es aber mal wieder nach hinten... nicht jetzt daran denken!
Hinten rechts führte eine Tür zur Waffenkammer. Holla die Waldfee, hier lagerte aber wirklich ein sehr großes Arsenal an Waffen und Munition. Mit großen Augen ging ich an den Regalen und Waffenständern entlang. „Das ist ja Wahnsinn, was du alles hier hast.“ ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Vor allem war ich fasziniert von den altertümlichen Gegenständen, ein Museum würde vermutlich alles dafür geben, diesen Fundus zu übernehmen.
„Ich muss auf alles vorbereitet sein und ich bin ein Mensch, dem Sicherheit über alles geht.“ jetzt sah er mich nur fragend an. „Das verstehe ich natürlich, es ist nur... für mich ist das einfach überwältigend gerade.“ ich war immer noch leicht sprachlos. Ein Lächeln erschien auf Haythams Gesicht. „Vermutlich werde ich noch eine Weile brauchen, dir den Umgang mit Schusswaffen beizubringen, denke ich mal! Oder weißt du ...“ ich unterbrach ihn aber. „Das wäre wirklich eine gute Idee, ich kann zwar mit einer Pistole umgehen und bin auch eine recht gute Schützin, doch das ist mit unseren Waffen. Also bräuchte ich tatsächlich ein wenig Nachhilfe hierbei!“
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. „Und du weißt ja, ich mag es, wenn du mir etwas beibringst.“ kam es etwas zu lasziv aus meinem Mund und mein Verlobter sprang darauf an. Seine Arme hielten mich eisern umklammert und er presste seine Lippen auf meine. „Du glaubst gar nicht, wie gerne ich dir jetzt sofort hier eine Lektion erteilen würde, Mrs. Frederickson.“
„Doch, das kann ich nämlich spüren!“ meine Hand strich sanft über seine Erregung und er stöhnte auf bei meiner Berührung. Ich ließ mich langsam auf meine Knie sinken und er lockerte seine Umklammerung. Ich ließ ihn nicht aus den Augen und er sah auf mich herab, als ich langsam seine Hose öffnete und ihn mit meinem Mund anfing zu verwöhnen. Haytham schloss die Augen und seine Hand griff in meine Haare und dirigierte mich in einem ganz eigenen Rhythmus.
Seine Atmung wurde immer schwerer und ich konnte sehen und fühlen, dass er seinem Höhepunkt nahe war. Mit einem „Das wird noch ein Nachspiel haben!“ kam er heftig zuckend und ich schmeckte ihn wieder. Sachte ließ ich von ihm ab, als ich spürte, dass er wieder zu Atem kam. Vorsichtig knöpfte ich seine Hose wieder zu und erhob mich langsam.
„Alex, du machst mich wahnsinnig, weißt du das?“ lächelte mich mein Verlobter jetzt an und gab mir einen langen Kuss. Er hob mich hoch und trug mich zum Tisch im Versammlungsraum, dort ließ er mich darauf nieder.
Seine Hand fand ihren Weg zwischen meine Schenkel und glitt in meine Unterwäsche. Ich brachte nur ein Aufkeuchen zustande, als seine Finger anfingen mich leicht zu massieren. „Mrs. Frederickson, ich hoffe, es ist die Vorfreude auf die späteren Lektionen!“ kam es mit dieser rauen Stimme von Haytham, als er seine Finger in mich gleiten ließ.
„Ich brenne auf euren Unterricht, Master Kenway!“ stöhnte ich nur und es dauerte nicht lange und ich kam unter seinen Händen während ich mich an ihn klammerte. Er hielt mich jetzt fest und küsste mich, bis ich wieder ruhiger atmete. „Liegt es daran, dass wir einiges nachzuholen haben, mi sol, dass ich die Finger nicht von dir lassen kann?“ fragte er mich grinsend. „Ich vermute es, aber du weißt ja, wie du mich um den Finger wickeln kannst. Vielleicht liegt es auch einfach daran!“ meinte ich nur.
Er räusperte sich und meinte dann in einem möglichst nüchternen Tonfall „Deine Klingen und Waffen sind in der Kiste hier.“ dann stellte er sie auf den Tisch und ich öffnete sie. Es war alles noch da. Doch ich überlegte, ob ich sie jetzt wirklich anlegen sollte. Wir wollten ja niemanden eliminieren, sondern nur über die Felder reiten. „Brauche ich die Waffen eigentlich jetzt?“ sah ich Haytham fragend an.
„Es könnte durchaus von Nöten sein, sich zu verteidigen. Leg sie ruhig an.“ und er tat es mir gleich und nahm sich seine Pistolen und das Schwert. Seine versteckten Klingen hatte er bereits angelegt. Leicht grinsend sah ich ihn an, er hatte keine Montur an, sondern ganz normale Kleidung. Es war immer noch ein eigenartiges Gefühl, dass ich jetzt tatsächlich in seinem und unserem Alltag angekommen bin.
„Du siehst mich so seltsam an, Alex.“ misstrauisch beäugte er mich plötzlich. „Es ist nichts Schlimmes, ich habe nur gerade festgestellt, dass ich ja jetzt mit dir einen gewissen Alltag erlebe. Das ist für mich noch etwas ungewohnt, ich war sonst immer alleine und... habe für mich und meinen Sohn gesorgt!“
„Das ist übrigens etwas, was ich nicht verstehen kann. Eine Frau hier in dieser Zeit, hätte gar keine andere Wahl als ihren Körper zu verkaufen um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es sei denn, sie kommt in einem Haushalt unter. Wie … hast du es dann geschafft?“ fragte er etwas zögerlich und ich sah, er hatte Angst vor der Antwort.
„Haytham, ich hatte eine Arbeit, ich hatte eine Wohnung und ich hatte Familie und Freunde die mich unterstützten. Frauen in meiner Zeit haben auch wesentlich mehr Rechte und Möglichkeiten ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Es werden aber diesbezüglich noch einige Jahrzehnte und Jahrhunderte vergehen, bis es soweit ist. Wir Frauen haben lange für unsere Rechte kämpfen müssen. Und trotzdem werden wir mitunter immer noch schlechter als Männer bezahlt, obwohl wir den gleichen Beruf ausüben! Ich war in der glücklichen Position, dass wir nach Leistung und Aufträgen bezahlt wurden...“ ich stockte plötzlich... Haytham sah mich mit großen Augen an.
„Alex... es hört sich seltsam an für mich. Gibt es denn keine Traditionen mehr bei euch? Es muss doch jemand für die Kinder daheim sein, jemand muss doch...“ aber er unterbrach sich selber, ich nahm seine Hand und sah ihm in die Augen. „Haytham, ich respektiere deine Einstellung, aber ich lasse mich nicht auf EINE Rolle reduzieren. Ich werde dir zur Seite stehen, ich werde meine eigene Meinung behalten und ich werde, wenn Odin es wünscht, unser Kind großziehen. Aber... ich will nicht nur DARAUF reduziert werden. Vergiss nicht, meine Aufgabe ist klar definiert und ich werde sie erfüllen, koste es was es wolle!“
Plötzlich hörte ich ein erleichtertes Aufseufzen... „DAS ist durchaus ein Kompromiss auf den ich mich einlassen kann! Ich brauche dich und ich weiß, du bist eine gute Mutter. Yannick ist ein guter Junge und...“ er sprach nicht weiter, sondern nahm mich einfach in den Arm, denn er sah, dass mir die Tränen bei dem Gedanken an meinen Sohn über die Wangen liefen.
„Es tut mir so leid für dich ... aber denke daran, er wird es schaffen, er hatte dich, die Frau, die ihn zu einem guten Menschen erzogen hat. Und... ich hatte einige Gespräche mit ihm und ich weiß, er wird dich und dein Tun in Ehren halten!“ Haytham gab mir einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn. Und ich konnte es förmlich hören, dass er ebenso ein Kind haben wollte, an welches er seine Ansichten und Traditionen weiter reichen konnte. „Haytham... ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch … Kinder bekommen kann.“ und in mir verdunkelte sich alles, ich war 46 Jahre alt...
„Das ist mir bewusst und ich weiß ja tief in mir, dass ich einen Sohn habe... dennoch wünsche ich mir ein Kind, welches ich aufwachsen sehen kann.“ meinte er mit einer Traurigkeit in der Stimme, die ich noch nicht von ihm kannte. „Vielleicht sollte ich ein paar Worte mit Faith reden und sie um Rat fragen. Vielleicht... hat sie ja ein paar hilfreiche Tipps... wie ich... also... dass ich... du weißt schon!“ verlegen und mit hochrotem Kopf stand ich auf einmal vor ihm.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er sah mich mit dunklen grauen Augen an. „Wir werden ein paar Wochen in New York verbringen und ich denke, ihr werdet sicher die Zeit für derlei Gespräche haben. Weil ich möchte, dass du glücklich bist.“ diese Worte kamen fast lautlos aus seinem Mund und ich starrte ihn fassungslos an.
„Du meinst das ernst, oder?“ ich hielt sein Gesicht in meinen Händen und versuchte herauszufinden, ob er es wirklich so meinte, wie er sagte. Doch seine Gedanken offenbarten, dass er es tatsächlich so wünschte! „Ich liebe dich, mi amor!“ gab ich mit stockender Stimme von mir und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. Für einen Moment hielt er mich einfach und ich konnte spüren, dass er sich wieder entspannte, genau wie ich auch.
„Ist das alles Schicksal?“ fragte Haytham etwas unsicher. „Ja, das wird es sein, anders ließen sich meine Reisen und... unsere Liebe nicht mehr erklären, mi amor.“ Ich hätte es vor einigen Jahren nicht mal in Erwägung gezogen, diesen Templer auch nur anzurühren. Und jetzt?
„Ich werde dir jetzt dein neues Zuhause zeigen, komm.“ wie in Zeitlupe löste er unsere Umarmung und nahm meine Hand und führte mich nach oben. Als wir bei den Ställen waren, wurden unsere Pferde gesattelt und ich stand vor Fenrir, meinem wunderschönen schwarzen Friesen. Meinem ersten eigenen Pferd. Und in diesem Moment realisierte ich wieder, dass sich für mich einiges geändert hatte und auch noch ändern wird. Langsam strich ich über das Fell dieses Tieres und er stupste mich wieder an, seine Nüstern entspannten sich wieder und er schnaubte nur.
„Du er et smukt dyr. Hvorfor kendte jeg dig ikke før i min tid!“ (Dänisch... Du bist ein wunderschönes Tier. Warum habe ich dich nicht schon vorher in meiner Zeit gekannt!) Der Stallmeister und Haytham sahen mich mal wieder mit großen Augen an. „Ich... habe ich wieder in Dänisch mit ihm gesprochen?“ fragte ich und die Herren nickten heftig. Ich musste einfach grinsen, warum passierte mir das bei diesem Pferd?
Als mein Tier fertig war und auch Haythams Stute bereit war, saßen wir auf und mein Verlobter lenkte uns über die große Auffahrt Richtung der ersten Felder. Um diese Jahreszeit waren sie verwaist, der Winter hatte sich bereits ausgebreitet. Jetzt ging es kreuz und quer über dieses riesige Gelände und ich würde heute sicher nicht alles zusehen bekommen, dachte ich noch so bei mir.
Hin und wieder erzählte mir Haytham, auf welchen Feldern was angebaut wurde. Er achtete darauf, dass es ausgewogen war und nicht jedes Jahr auf dem selben Feld das gleich gepflanzt wurde. Er hatte sich lange mit der Thematik beschäftigt und sich Ratschläge von erfahrenen Pflanzern geholt. Das fand ich eine gute Eigenschaft, er war nicht so arrogant zu glauben, alles selber wissen zu können, sondern ließ auch andere Meinungen und Ansichten zu.
Irgendwann kamen wir an einem kleineren Feld vorbei und er lenkte seine Stute in Richtung der kleinen Hütte. Doch ich sah, dass er misstrauisch darauf sah. „Haytham, was ist los?“ fragte ich ihn. Es schien etwas nicht zu stimmen.
„Es kommt kein Rauch aus dem Schornstein, Alex. Es brennt kein Licht. Das ist zu dieser Jahreszeit und Witterung sehr ungewöhnlich!“ Langsam stieg er ab, als wir vor der Behausung standen. Auch ich saß ab und stand etwas unsicher neben ihm. „Vielleicht sind sie gerade bei ihren Nachbarn, oder...“ doch er ließ mich nicht ausreden.
„Alex, hier lebt eine Familie mit 3 kleinen Kindern. Sie kommen aus Irland und haben sich vor einem halben Jahr erst hier niedergelassen. Hier stimmt etwas nicht.“ Ich sah mich um, aber ich konnte weder etwas hören noch etwas mit meinem Blick wahrnehmen.
Plötzlich zitterte mein Verlobter und starrte die Unterkunft an. „Haytham... was ist los?“
Doch zu mehr kam ich nicht... er stürmte auf die Tür zu und trat sie kurzerhand ein und hielt sich sofort den Mantel vor die Nase. Ich ging hinterher und mir stieß dieser widerliche süßliche Verwesungsgeruch in die Nase und das, obwohl Winter ist und die Temperaturen tagelang unter Null waren. Wir fanden die Familie zusammen gekauert in einer Ecke des großen Raumes. Doch... etwas war seltsam. (Anmerkung: Ich habe bei einem Bestatter gearbeitet, ich weiß, wie Verwesung riecht!)
„Alex, sie sind nicht eines natürlichen Todes oder aufgrund einer Krankheit verstorben!“ gab mein Verlobter keuchend von sich und musste sich beherrschen, dass er sich nicht übergeben musste. „Woher weißt du das?“ fragte ich jetzt ebenso mit dem Brechreiz kämpfend.
„Ich... kann es sehen! Es hat ein kurzer Kampf stattgefunden... sie... wurden dabei einfach eiskalt erschossen!“ kam es stockend von Haytham. Ich setzte meinen Blick ebenfalls ein, doch ich sah nichts. Keine Spuren oder Auren...
Dann drehte sich mein Templer ruckartig um und schritt aus der Behausung... sein Blick hing am Boden, auf welchem ich nichts erkennen konnte. Haytham jedoch war in der Lage Dinge zu sehen, welche für uns alle nicht mehr nachvollziehbar waren. Also ging ich davon aus, dass er einer Spur folgte und so war es auch. Einige Meter weiter blieb er stehen und hob etwas vom Boden auf und zeigte es mir. „Das gehörte einem der Mörder!“ meinte er nur und ging weiter. Es war … ein Zahn, aber ein goldener! Wie bitte kam der hierher, soweit von... Aber ich hatte keine Zeit nachzudenken, ich musste meinem Verlobten hinter her eilen.
Schnellen Schrittes ging er weiter in Richtung des Waldes und sah die ganze Zeit auf den Boden. Dann blieb er wieder stehen und bückte sich, hob wieder etwas auf. Dieses mal war es ein Fetzen von … ja... von einem Kleidungsstück... „Haytham... jetzt warte doch bitte mal...“ doch er ließ sich nicht beirren und ging einfach weiter.
Ein paar Meter weiter, als wir schon zwischen all den Bäumen standen, hielt er inne. „Alex, siehst du das?“ Ich sah seinem Fingerzeig hinterher, doch ich sah nur kahle Bäume. „Was soll ich sehen?“
Erstaunt blickte er auf mich hinunter und realisierte, dass ich nicht dasselbe sah wie er. „Ich... ich kann wirklich anders sehen, das merke ich gerade. Also... hier sind einige Plünderer durchgekommen und haben dort auf der Lichtung ihr Lager gehabt. Doch wie es aussieht, sind sie schon vor ein oder zwei Wochen weitergezogen.“ meinte er jetzt sichtlich enttäuscht.
„Bei Odin, das ist ja schrecklich... aber warum bringt man denn bitte diese armen Menschen um. Sie haben doch auch kein Vermögen unter der Matratze!“ fragte ich einfach und mein Verlobter schüttelte mit dem Kopf. „Nein, das sicher nicht. Aber sie hatten Lebensmittel und das genügt in dieser Zeit schon, mi sol. Es wird wegen viel weniger schon ein Mord begangen... Doch ich kann es nicht verhindern!“ frustriert schlug er mit der Faust gegen einen Baumstamm.
„Verzeih meine Frage, aber hatte diese irische Familie Waffen zur Verfügung, um sich selber zu verteidigen? Nunja, es sah eher so aus, als hätten sie sich einfach versucht zu verkriechen!“ die Leichen umklammerten sich alle, aber ich hatte keine Waffen oder ähnliches gesehen.
„Nein... sie... Alex, das ist es. Ich sollte meinen Arbeitern helfen, sich selbst zu verteidigen! Warum habe ich nicht selber daran gedacht?“ und sein Blick klärte sich, er hatte die ganze Zeit den Sinn genutzt. „Weil du davon ausgegangen bist, dass sie sich selber schützen können! Daran ist nichts Verwerfliches!“ meinte ich nur.
Ich sah, dass er jetzt in Panik war um seine anderen Arbeiter. Also eilten wir wieder zu unseren Pferden und ritten zur nächsten Unterkunft, dort aber war alles in Ordnung und mein Verlobter ordnete an, dass die Nachricht umgehend weitergetragen werden soll. Am nächsten Tag erwartete er alle beim Herrenhaus, um die Sachlage zu besprechen. Auch war es wichtig, dass die Familie ein ordentliches Begräbnis bekam.
Als Haytham die Anweisung geben wollte, griff ich einfach seinen Arm und schüttelte den Kopf. „Lass uns das machen, bitte!“ doch ich hatte nicht mit der Solidarität der Feldarbeiter gerechnet. Man trommelte einige andere Männer noch zusammen und schon wurde ein großes Grab hinter dem Haus ausgehoben. Der Boden war leicht gefroren, doch sie schafften es und ich staunte über diese Zähigkeit!
Dann brachte man die Toten dorthin und schüttete die Erde über sie! Die Nachbarn standen mit gesenkten Köpfen um das Grab und murmelten ihre Gebete.
Es war mein Verlobter, der das Wort ergriff.
Steh nicht am Grab mit verweintem Gesicht
ich bin nicht da ich schlafe nicht.
Ich bin der Wind der weht über die See
ich bin das Glitzern im weißen Schnee.
Ich bin die Sonne auf reifender Saat
ich bin im Herbst in der goldenen Mad.
Wenn ihr erwacht im Morgenschein
werd ich immer um euch sein.
Bin im Kreisen der Vögel im Himmelszelt
ich bin der Stern der die Nacht erhellt.
Steh nicht am Grab in verzweifelter Not
ich bin nicht da,ich bin nicht Tod.
Es war eine irische Grabrede. Ich kannte sie aus einigen Büchern und mir liefen die Tränen über die Wangen! Dieser Mann hatte ein Wissen inne, welches sich so manch anderer auch einmal aneignen sollte. Ich hielt seine Hand und fühlte, dass er diesen Verlust ehrlich betrauerte.
Einige der Frauen beäugten mich jetzt misstrauisch, man kannte mich noch nicht. Wir gingen mit den anderen Trauernden in Richtung des Weges. Dann drehte sich Haytham um und stellte mich vor. „Meine Verlobte, Mrs. Frederickson, ist gestern endlich aus Europa hier eingetroffen. Sie wird, neben mir, für eure Belange mit da sein und mich unterstützen. Somit wird sich nichts ändern.“ sprach er freundlich, aber in diesem autoritären Ton.
Sie alle nickten und hießen mich willkommen. Ich hörte auch deutsche Akzente heraus und schmunzelte in mich hinein und freute mich, dass ich ab und zu ohne simultan übersetzen zu müssen, reden konnte. Dann verabschiedeten wir uns und mein Verlobter erinnerte noch einmal an die Versammlung morgen früh.
Es war mittlerweile schon stockdunkel geworden und Haytham führte mich wieder nach Hause. Fenrir war die Ruhe selbst und strahlte sie auch auf mich aus. „Was hast du für morgen dann geplant, wenn die Farmer alle erscheinen sollen?“ fragte ich jetzt einfach, obwohl ich es mir schon fast denken konnte.
„Sie alle werden Waffen zur Selbstverteidigung bekommen! So eine Tragödie darf sich einfach nicht wiederholen!“ kam es aufgebracht von meinem Templer. „Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein, sie alle ohne Schutz hier draußen zu lassen! Mir hätte bewusst sein müssen, dass hier Plünderer, Diebe und sonstiges Gesindel umherstreift. Ganz zu schweigen von den Tieren im Wald.“ man konnte seine immer größere werdende Wut auf sich selber förmlich sehen.
„Ist bisher noch nichts passiert? War es das erste Mal?“ fragte ich vorsichtig, ich wusste nicht so recht, wie er reagieren würde. So wütend habe ich ihn ja noch nicht erlebt. „Ja, das erste Mal. Die Männer werden die Waffen bekommen und dann sollten wir noch Wachen patrouillieren lassen.“ meinte er jetzt etwas geistesabwesend. „Du meinst, so eine Art Bürgerwehr?“ der Begriff kam mir in den Sinn.
„So etwas in der Art ja! Und ich muss noch ein Wort mit dem Aufseher hier sprechen, vielleicht kann er mir gute Männer empfehlen!“ ich hörte immer noch ein wütendes Zittern aus der Stimme. Als wir bei den Ställen ankamen, nahm man uns die Pferde ab und ich verabschiedete mich von Fenrir mit einem Lächeln.
Mein Verlobter wartete nicht, sondern ging einfach voraus. Seine Gedanken überschlugen sich und er fühlte sich schuldig. Ich eilte ihm hinterher. „Haytham, jetzt warte doch mal.“ ich musste ihm förmlich hinterher rennen, so schnell war er im Haus verschwunden! Der Diener konnte gerade noch so den Hut und den Umhang fangen, ehe mein Verlobter in sein Arbeitszimmer stürmte.
Bestürzt sah ich hinterher und hörte die Tür heftig ins Schloss fallen. Ich sah den Diener nur an, doch dieser schüttelte den Kopf. „Mrs. Frederickson, lasst ihn jetzt lieber alleine, wenn ich euch diesen Rat geben darf.“ meinte er leise und ging.
Ich stand in der Halle und wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Als ich Mrs. Wallace sah, war ich erleichtert und orderte ein Glas und den Portwein, sie solle mir bitte beides in mein Arbeitszimmer bringen. „Sehr gerne, Mrs. Frederickson. Er wird sich sicherlich wieder beruhigen, aber... was ist passiert?“ ich nahm ihren Arm und zog sie außer Hörweite meines Verlobten.
„Eine Familie wurde von Plünderern einfach ermordet und niemand hat etwas gesehen. Die Diebe müssen schon mindestens zwei Wochen auf und davon sein. Es war schrecklich, es waren doch noch so kleine Kinder dabei!“ mich schüttelte es bei dem Gedanken und Sybill bekreuzigte sich nur. „Jesus, dass ist ja fürchterlich.“
„Für morgen früh hat Master Kenway alle Arbeiter angewiesen hierher zu kommen. Sie sollen Waffen bekommen, damit sie sich in solchen Fällen vernünftig verteidigen können. So etwas sollte wirklich nicht noch einmal passieren!“ erklärte ich ihr weiter und sie nickte mir zustimmend zu. „Mrs. Frederickson, dann richtet euch erst einmal selber ein, vielleicht lenkt es euch von diesem schlimmen Bild ab. Ich bringe euch gleich den Wein!“ lächelte sie mich nur an und verschwand Richtung Küche.
Langsam stieg ich die Treppe hinauf, immer noch wusste ich nicht, ob es nicht doch besser sei, mit Haytham zu reden. Aber ch ließ es. Auch er musste sich erst an meine Anwesenheit gewöhnen, so blöd wie es auch klingen mag. Dann betrat ich zum ersten mal MEIN Arbeitszimmer.
Ich entzündete einige Kerzen auf dem Schreibtisch und auf dem Tisch, welcher vor dem Kamin umrahmt von einem Sofa und zwei Sesseln stand. Der Kamin war bereits angefeuert, was mich freute, es war hier angenehm warm.
In den Regalen waren so gut wie gar keine Bücher, nur ein paar wenige. Ich ging zu meiner Truhe und öffnete sie. Sie war mit meinen Fingerabdrücken gesichert und ich konnte davon ausgehen, dass sonst niemand in dieser Zeit in der Lage sein wird, sie unbefugt zu öffnen.
Als erstes fischte ich meine neuesten Aufzeichnungen heraus und legte sie auf den Schreibtisch. Danach waren einige Bücher dran, welche ich in eines der Regale stellte. Ich hoffte, dass es mit der Zeit noch mehr werden würden.
Dann besah ich mir die Schmuckstücke. Im Moment waren es drei an der Zahl. Lokis Ring, Iduns Apfel und Freyas Brisingamen. Alle drei hatte ich ebenfalls in kleine gesicherte Kästen verpackt, welche mit Blei ausgekleidet waren. Doch ich ließ sie in der Stahltruhe, sie waren einfach zu wichtig und zu wertvoll, als dass ich sie offen hier herumstehen lassen kann.
Dann fiel mir mein Handy in die Hand. JA, ich habe es mitgenommen! Und jetzt erklärt mich für ganz verrückt, auch eine Powerbank welche Solarbetrieben wird, hatte ich dabei. Das ganze ist leichtsinnig, aber... ich konnte nicht anders. Der Rest in der Truhe waren noch weitere Mappen mit Bildern und Zeichnungen von den Armreifen, oder auch Kopien aus den Chroniken der Familie Williams/McGregor.
Mit dem Handy in der Hand ging ich zu meinem Schreibtisch und fing an, mich … einzurichten? Es fühlte sich immer noch so an, als sei ich nur Gast und würde bald wieder gehen. Bei dem Gedanken schüttelte ich mich nur und dann klopfte es vorsichtig. Es war Sybill und brachte mir den Wein. „Bitte sehr, Mrs. Frederickson. Wie ich sehe, habt ihr einen Anfang gemacht, euch wie zu Hause zu fühlen.“ Wieder lächelte sie mich liebevoll an. „Ja, aber ich befürchte, das wird noch eine ganze Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.“ grinste ich jetzt zurück.
„Wenn ihr Fragen habt oder etwas braucht, ihr wisst, wo ich zu finden bin, Mrs. Frederickson.“ meinte sie nur. „Danke, das weiß ich. Dann werde ich mal mein neues Leben beginnen!“ sagte ich euphorischer als ich eigentlich war. „Ich wünsche viel Erfolg dabei!“ und damit ging sie leise aus dem Zimmer.
Dieser Portwein verströmte einen unglaublich leckeren Duft und ich nahm einen großen Schluck. Das Abendessen würde erst angerichtet werden, wenn Haytham wieder erschien. Doch wie lange das dauern konnte, wusste ich nicht.
Ich schlug die Mappe auf und nahm das kleine Tagebuch heraus, welches ich schon zuhause mit einigen letzten Zeilen begonnen hatte. Ich nahm die Feder in die Hand und tauchte sie in das kleine Tintenfass, dann begann ich zu schreiben.
„Alex... da bist du ja!“ erschrocken sah ich auf und vor meinem Schreibtisch stand mein Verlobter. Er sah etwas entspannter aus und sah lächelnd auf mich herab. „Wie ich sehe, richtest du dich ein, das freut mich. Und die Regale werden sicher schneller voll, als du gucken kannst.“ kam es lachend von ihm. Entweder hatte er sich wirklich wieder gefangen oder er versteckte seine wahren Gefühlen hinter seiner Fähigkeit, die Emotionen zu verbergen.
„Ich versuche es zumindest, Haytham. Ich hoffe, du hast dich wieder etwas beruhigen können. Ich... habe dich lieber alleine gelassen. Ich wusste nicht, ob du meine Gesellschaft wolltest.“ meinte ich etwas zurückhaltend, mir wurde bewusst, dass wir uns in einigen Bereichen der Beziehung noch fremd waren und uns noch annähern mussten.
„Du hättest mich ruhig unterbrechen können, ich hoffe aber, du hattest keine Angst vor mir!“ kam es jetzt zögerlich von ihm. „Nein, Angst vor dir nicht direkt. Aber ich weiß ja nicht, was du brauchst oder wie du dich verhältst, wenn du so in Rage bist.“ ich sah in seinem Gesicht plötzlich etwas wie Angst, so als würde ich auf dem Absatz kehrt machen und wieder verschwinden. „Haytham, ich werde nicht einfach bei so etwas das Weite suchen. Doch ich muss mich noch daran gewöhnen und du dich auch. Wenn du möchtest, dass ich dir dann beistehe, dann sag es mir, oder eben du willst es nicht. Das ist völlig in Ordnung.“ sprach ich schnell weiter, weil ich ihn gar nicht erst ins Grübeln kommen lassen wollte.
„Du hast Recht, ich muss mich noch daran gewöhnen, nicht mehr alleine zu sein.“ meinte er jetzt lächelnd und kam um den Schreibtisch herum und schlang von hinten seine Arme um mich. „Du führst Tagebuch, mi sol?“ fragte er etwas ungläubig. „Ja, das tue ich. Schon seit Jahren. Ich habe Yannick fast 20 dieser Bücher überlassen. Alle von dem Tag seiner Geburt an. Da hat er erst einmal genug zu lesen und vergisst mich nicht so schnell!“ und zu spät merkte ich, dass mir die Tränen wieder die Wangen runterliefen. Haytham reichte mir sein Taschentuch und zog mich hoch.
Er nahm mich in den Arm und ich legte meinen Kopf auf seine Brust. „Das hast du richtig gemacht, aber Yannick würde dich nie vergessen! Glaub mir, ein Kind vergisst seine Eltern nie!“ und in seiner Stimme schwang Trauer mit. Zum ersten Mal wurde mir klar, dass auch er seine Mutter und seinen Vater vermisste. Ich sah zu ihm auf und versuchte ein Lächeln. „Du vermisst sie auch und ich habe dich wieder daran erinnert. Es tut mir leid, mi amor!“ meinte ich entschuldigend.
„Und das ist auch völlig normal, aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Auch ich möchte dir beistehen, wenn es dir einmal nicht gut geht.“ ich atmete erleichtert aus und schlang meine Arme um ihn. Etwas unvermittelt meinte mein Verlobter dann, dass das Abendessen fertig sei und ob ich mich noch umziehen wolle.
„Das wäre eine gute Idee, dann kann ich mir auch gleich noch kaltes Wasser ins Gesicht werfen, damit ich für dich keinen gruseligen Anblick biete!“ meinte ich lachend und er hob nur fragend eine Augenbraue. „Selbst mit der gebrochenen Nase warst du kein schlimmer Anblick, mi sol. Im Gegenteil...“ und ich bekam einen langen warmen Kuss der mich mal wieder schmelzen ließ.
„Ich... also wir sollten... ich gehe jetzt und werde mich umziehen.“ gab ich stotternd von mir, damit ich meine schmutzigen Gedanken loswurde. Vorsichtig löste ich mich von ihm, ging hinüber und mein Verlobter folgte mir. Wir zogen uns beide um und ich richtete noch meine Haare und das Wasser im Gesicht war wirklich eine Wohltat. Als ich von der Waschschüssel aufsah, stand Haytham hinter mir und betrachtete mich seelenruhig.
„Habe ich etwas falsch gemacht oder vergessen?“ fragte ich unsicher, verdammt nochmal... manchmal war sein Verhalten unheimlich. „Ja, hast du!“ erschrocken sah ich ihn an. „Was denn?“ Er drehte mich zu sich um und hob mein Kinn an. „Mir einen Kuss zu geben, mi sol!“ grinste er mich triumphierend an. „Was dachtest du?“
„Wenn es nur das ist, mi amor. Ich dachte schon an das Schlimmste. Doch... WAS genau, würde mir nicht einfallen!“ sagte ich nur und gab ihm den Kuss, den ich vergessen hatte. „Du schmeckst nach Wein, Alex. Das gefällt mir.“ kam es mit einem lüsternen Blick von ihm und... ihr wisst schon... Beine und Pudding... dieser Mann machte mich noch verrückt.
Plötzlich fiel mir siedend heiß ein, dass ich meine Truhe noch verschließen musste. „Haytham, geh ruhig schon vor, ich muss noch...“ doch er ging einfach mit hinüber. Als ich mein Handy in der Hand hatte, sah er mich fragend an. „DAS ist ein Gerät, mit dem ich in meiner Zeit über weite Strecken mit anderen kommunizieren kann. UND ich kann damit Fotos, Bilder machen.“ ich sah, dass er nichts verstand und nur nickte. „Ich glaube, ich werde es dir bald mal erklären.“ grinste ich nur, legte alles Wichtige wieder in die Truhe und verschloss sie. Mein angefangenes Tagebuch und die Mappe mit einigen Aufzeichnungen wanderten in eine der Schubladen meines Schreibtisches.
Als wir die Kerzen gelöscht hatten, gingen wir hinunter und aßen zu Abend. Das war also mein erster Tag hier? Ich hatte ein Pferd bekommen, wir hatten eine Beerdigung erleben müssen... Nicht schlecht für den ersten Tag. „Ich habe übrigens Anweisung geben lassen, dass eine Stellenausschreibung für deine Zofe ausgehängt wird. Ich gehe davon aus, dass wir nicht lange suchen müssen, mi sol. Aber das wird wohl erst soweit sein, wenn wir aus New York zurückkehren.“ lächelte er mich an.
„Das eilt ja jetzt auch nicht unbedingt, Haytham. Aber denke an den Test, dass ist mir wichtig, ich möchte dieses Thema möglichst schnell vom Tisch haben.“ meinte ich jetzt nur. „Oh das hätte ich jetzt fast vergessen. In Ordnung, an meinem Geburtstag lasse ich mir etwas einfallen für die Dame!“ grinste er mich jetzt an und ich hob nur eine Augenbraue! „Keine Angst, ich falle nur über dich her, Alex!“ er drückte meine Hand bei diesen Worten.
Nach dem köstlichen Essen, saßen wir noch im Lesezimmer zusammen und Haytham erzählte mir Geschichten über einige der Bücher. Es waren durchaus echte Raritäten darunter, auf die er stolz war. Ich betrachtete ihn das erste mal in Ruhe, als er in diesem Redefluss war. Sein Profil hatte feine Züge, sein Gesicht war... wie sagt man, aristokratisch. Ich spürte wieder, wie ich einfach in mich hinein lächelte und mich fragte, womit ich seine Liebe eigentlich verdient hatte!
„In dem du mein ganzes Leben mit dem großen Auftritt damals auf den Kopf gestellt hast, Mrs. Frederickson.“ kam es grinsend von meinem Verlobten. Verdammt... ich hatte mal wieder das Buch nicht geschlossen, doch ich lächelte ihn nur an. „Ja, mein Erscheinen hat Wirkung gezeigt, Master Kenway!“ und ich sah ihn wieder an den herrenlosen Kisten im New Yorker Hafen lehnen und mich beobachten.
Haytham betrachtete mich immer noch, sagte aber nichts. Und plötzlich fühlte ich seine Worte in meinem Kopf und ich konnte in seinem Geist lesen. Es durchlief mich ein Schauer dabei, diese Art von Kommunikation ist ungewohnt und ein klein wenig unheimlich. Aber ich genoss es gerade, wie er durch meinen Geist streifte und ich umgekehrt ihn lesen konnte.
Seine Wut war tatsächlich völlig abgeebbt und war einem Plan gewichen. Also stand es fest, dass die Arbeiter mit Waffen versorgt würden und wir eine Bürgerwehr zusammenstellen würden. Umgekehrt ließ ich ihn wissen, was in meiner verschlossenen Truhe zu finden war und erntete eine hochgezogene Augenbraue. Ich fühlte mich immer entspannter und meine Gedanken glitten wie von alleine in unser Schlafzimmer. Er nahm mir mein Glas aus der Hand und führte mich nach oben!
Es waren wieder keine Worte nötig und es mag sich eigenartig anhören, aber es war eine stille Nacht, in der wir beide den jeweils anderen in unsere Gedanken ließen. Und was ich sah, trieb mir dann doch eine ziemliche Röte ins Gesicht und dafür erntete ich ein breites lüsternes Grinsen von meinem Verlobten. Er setzte einige seiner nicht jugendfreien Gedanken auch direkt in die Tat um, nachdem wir uns von allen störenden Stoffen befreit hatten.
Ich bekam das angedrohte Nachspiel und die Lektion, dass der Ornat nicht gerne gesehen wurde. Aber alles ging völlig ohne ausgesprochene Worte von Statten. Nur kurz vor meinem Höhepunkt ließ es sich Haytham nicht nehmen, mich daran zu erinnern, ich solle ihn ansehen! Ich konnte nicht anders, aber ich musste seinen Namen wenigstens als ich kam ihm ins Ohr hauchen. Auch mein Verlobter flüsterte nur keuchend meinen Namen und seine Hände entließen meine Arme aus ihrer Umklammerung.
Ich hielt Haytham noch eine Weile so fest, bis wir wieder bei Atem waren, dann drehte er sich von mir herunter und schloss mich seinerseits in die Arme und deckte uns zu. „Du bist ein guter Lehrmeister, Haytham.“ meinte ich jetzt etwas verschlafen, aber durchaus befriedigt. „Danke, ich gebe mein Bestes, mi sol!“ und ich konnte sein Lächeln spüren. Er gab mir noch einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn und ich versank in meinen Schlaf.
Ich erwachte früh morgens, weil mir kalt war. Ich tastete nach der Decke, doch... ich fand sie nicht. Es war noch dunkel und meine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. „Du bist wach, mi sol.“ hörte ich die raue Stimme meines Templers und dann spürte ich ihn auch schon, wie er zwischen meinen Schenkeln kniete und sich über mich beugte. „Wie ich sehe, du auch schon, mi amor, und wie es scheint, hast du auch schon konkrete Pläne.“ meinte ich schwer atmend.
Bevor ich noch irgendwie reagieren konnte, nahm er mich ohne weitere Worte und ich konnte spüren, dass es immer noch der Nachholbedarf war und wir beide nicht unbedingt Rücksicht nahmen auf den anderen. Es war eine dringende Notwendigkeit und sie beruhigte uns beide.
„So lasse ich mich übrigens gerne wecken, da kann sogar der Kaffee nicht mithalten, mi amor!“ meinte ich grinsend. „Ich fasse das als Kompliment auf, mi sol!“ gab er ebenfalls breit grinsend zurück. „Wie spät ist es denn und... warum bist du schon wieder wach, Haytham?“ so langsam begann mein Verstand wieder zu arbeiten und ich sah mich um. „Es ist bereits 6 Uhr durch und ich bin noch nicht viel länger wach, als du, Alex. Da du jetzt aber wach bist, steh auf und mach dich fertig. Wir haben noch den Termin mit den Arbeitern heute morgen!“ kam es jetzt in einem etwas geschäftsmäßigen Ton.
„Ach ja, die Waffenübergabe.“ sagte ich nur und drehte mich unter meinem Verlobten weg und stand auf. Der Fußboden war eiskalt und ich erzitterte. Ich musste mir angewöhnen so etwas wie Hausschuhe hier stehen zu haben, sonst friere ich mir noch meine Zehen ab. Hinter mir hörte ich nur ein belustigtes Glucksen. „Was? Es ist halt kalt, ich bin so etwas einfach noch nicht gewöhnt, Haytham.“ gab ich etwas maulend von mir und eilte ins Ankleidezimmer und als ich vor dem Schrank stand, wusste ich wieder nicht, was ich anziehen sollte.
Ich griff nach einem der schlichten Kleider aus Wolle, es würde ja kein Staatsakt werden. Gewaschen und angezogen ging ich dazu über meine Haare zu bürsten. Grausam, es waren so viele Knoten darin, dass ich schon fast drauf und dran war, eine Schere zu bemühen! „Es wird dringend Zeit, dass du eine Zofe bekommst, dass kann man sich ja nicht mit ansehen! Und jetzt lass es, du verrenkst noch deine Arme!“ meinte Haytham grinsend, öffnete die Tür und rief nach einer Magda.
Kurz darauf stand eine hochgewachsene, schlanke, blonde Frau vor mir. Ich schätzte sie so auf Ende 20. „Master Kenway, Mrs. Frederickson.“ kam es von ihr und sie knickste nur.
„Bis wir eine Kammerzofe für meine Verlobte haben, bitte ich euch, Mrs. Frederickson beim Ankleiden und Haare machen behilflich zu sein.“ mit einer Handbewegung deutete er auf mich! Sie lächelte in meine Richtung und besah sich jetzt das Chaos auf meinem Kopf. „Mrs. Frederickson, habt ihr einen bestimmten Wunsch, was die Frisur angeht?“ fragte sie höflich. „Nein, Magda, es wäre nur gut, wenn sie hochgebunden werden könnten. Ich mag es nicht so, wenn sie in meinem Nacken liegen!“ und damit machte sie sich ans Werk und ich sah, wie Haytham sich mit Hilfe seines Kammerdieners ebenfalls anfing fertig zu machen.
Als ich endlich Ordnung auf meinem Kopf hatte, konnten wir hinunter und ich muss sagen, diese Magda hatte gute Arbeit geleistet. Im Esszimmer wartete schon mein Kaffee und auf Haytham die Post. Ich schnappte mir eine Zeitung, die, wie sollte es anders sein, schon etwas älter war. Gegen halb neun erschienen die Arbeiter mit ihren Familien vor dem Haus und wir betraten die Veranda.
Mein Verlobter erklärte jetzt allen, was er vorhatte und fragte, wer schon Erfahrung im Umgang mit Schusswaffen hatte und wer mit dem Schwert umgehen konnte. Durch die Bank weg konnten ALLE mit irgendeiner Waffe umgehen und das war von Vorteil. Einige der Männer hatten aber bereits eigene Pistolen oder Dolche. Jones hatte mit zwei anderen Bediensteten aus der Waffenkammer jetzt einiges hochgebracht und es ging an das Verteilen.
Danach musste noch besprochen werden, wie es mit der Sicherheit und der Bürgerwehr weitergehen würde. Die Farmer waren sich alle einig, dass keine gesonderte oder extra eingestellte Truppe von Nöten sei. Sie würden selber Wachen abstellen. Und wenn die Erntezeiten waren, dann könne man sich auch behelfen. Der Aufseher sagte dann, dass er den Plan für den Wachdienst dann mit Master Kenway heute noch durchgehen wird und ihn dann allen mitteilen lässt.
Ich sah auf einmal in sehr erleichterte Gesichter, es waren auch die Frauen und Kinder mitgekommen. Darunter noch kleine Babies und ich dachte daran, was diese Kinder alles bereits erlebt haben mussten. Doch mein Verlobter riss mich aus meinen Gedanken. „Und wenn noch Fragen sind, ihr könnt euch auch an meine Verlobte, Mrs. Frederickson, wenden!“ sie nickten mir zu und ich fragte mich, ob sie mich überhaupt akzeptieren würden. Ich hätte hier noch einen langen Weg vor mir, schoss es mir durch den Kopf.
Wir gingen nun mit dem Aufseher, Brian Robinson, in Haythams Arbeitszimmer. Mr. Robinson sah mich plötzlich fragend an, als ich mitging. „Meine Verlobte wird bei der Planung mit dabei sein, wir haben gestern die tote Familie gemeinsam gefunden.“ sagte mein Templer in dieser ihm so typischen Art. „Verstehe, Master Kenway. Mrs. Frederickson, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, Brian Robinson, zu euren Diensten!“ er verbeugte sich leicht und hauchte einen Kuss auf meinen Handrücken.
Er war ungefähr 1,90 m groß und hatte braune kurze Haare, welche hier und da ergrauten. Ich schätzte ihn so auf mein Alter. Seine Statur würde ich als kräftig bezeichnen, er war muskulös nicht dick! Der Beruf als Aufseher passte zu ihm!
Es dauerte nicht lange, bis der Plan mit den Wachen stand und jetzt sah ich auf der Karte auch zum ersten Mal die Ausmaße dieser Plantage. Sie war dann doch größer, als ich angenommen hatte. Die einzelnen Patrouillen wurden immer durch Quadratabschnitte geschickt, so dass sie sich auch immer irgendwie im Auge hatten. Es waren auf jeden Fall auch noch genügend Arbeiter für die Feldarbeit vorhanden, weswegen man wirklich nicht noch extra jemanden einstellen musste.
Mit dem Plan und der Karte machte sich Mr. Robinson jetzt auf den Weg zu den Arbeitern um sie einzuweisen.
Haytham sah mich zufrieden an und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich bin jetzt etwas beruhigter, mi sol. Auch weil wir genügend Arbeiter und Farmer für diese Wache haben und die eigentlichen Feldarbeiten nicht darunter leiden werden.“ er zog mich zu sich auf den Schoss. „Und ich kann sicher sein, dass dir hier nichts passieren wird, Alex. Auch wenn DU eigentlich auf mich aufpassen sollst!“ lächelte er mich jetzt an.
„Naja, aber du darfst auch gerne ein Auge auf mich haben. Wer weiß, was ich hier noch alles anstellen werde!“ grinste ich ihn an und gab meinem Templer einen kurzen Kuss. „Du solltest dich besser zügeln, ansonsten wirst du viele schlaflose Nächte erleben und viele Tage, an denen du nicht sitzen kannst.“ lachte er jetzt einfach und kniff mir in den Hintern.
„Wenn du das so sagst, würde ich dich am liebsten...“ doch wir wurden von einem Boten unterbrochen. Er überbrachte die Nachricht, dass sich auf die Ausschreibung für eine Mannschaft der Jackdaw schon viele Männer gemeldet hätten. Haytham gab dem Boten ein Trinkgeld und ließ ihn ausrichten, dass wir unterwegs seien. Bei der Anlegestelle hatten sich bereits über 30 Männer versammelt.
Das freute mich auch, so konnten wir zu Weihnachten nach New York mit meiner Brig segeln. „Das geht ja schneller als gedacht, mi sol. Dann lass uns diese Herren mal in Augenschein nehmen!“ meinte er mit einem Klaps auf meinen Hintern. Ich zog mir noch meinen dicken Wollmantel über mit der Kapuze und auch Haytham wickelte sich in einen Umhang und nahm seinen obligatorischen Dreispitz.
Wir ließen unsere Pferde satteln und waren kurz darauf unterwegs zur Inspektion. Es war eiskalt mittlerweile und meine Beine waren Eisklumpen, als wir bei meinem Schiff ankamen. Doch zum Umziehen war keine Zeit geblieben. Etwas steif stieg ich von Fenrir ab und überließ einem Arbeiter die Zügel, nachdem ich noch beruhigend auf meinen Friesen eingeredet hatte.
Und dann sah ich mich einer Horde Männern gegenüber, die allesamt aus einem Piratenfilm hätten entsprungen sein können. Anscheinend hatten sie einen Vorredner ernannt, welcher uns jetzt begrüßte. „Mrs. Frederickson, Master Kenway. Mein Name ist Louis Hargreaves, zu euren Diensten.“ stellte er sich vor und verbeugte sich. Haytham ließ seinen Blick über die anderen Anwesenden gleiten und schien schon eine Vorauswahl zu treffen. Ich hoffte, ich hatte ein Mitspracherecht.
„Mr. Hargreaves, es freut mich euch kennen zu lernen. Wie ich sehe, sind eine ganze Menge dem Aufruf gefolgt.“ meinte ich jetzt einfach und der Vorredner sah mich erstaunt an. Aber mein Verlobter ließ sich nicht irritieren und bat die Männer an Bord der Jackdaw. Wir gingen in die Kajüte und machten den Anfang mit Louis. Er hatte von klein an, auf Schiffen gearbeitet, seine Eltern waren bei der Überfahrt von Frankreich in die Kolonien verstorben, so dass er gezwungen war, sich irgendwie über Wasser zu halten. Nach kurzer Zeit beschlossen wir, dass er auf jeden Fall zur Mannschaft gehören sollte.
Danach ging es einer nach dem anderen. Bis auf einen Herren, welchen ich nicht dabei haben wollte, weil er sturzbetrunken war, ließen wir sie alle anheuern. Zu meiner Freude muss ich gestehen, ich hatte schon gedacht, es würde eine Ewigkeit dauern. Ob nun diese Zusammensetzung der Crew auf ewig so blieb, wusste ich zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht, aber für den Anfang sah es ganz gut aus.
Nun ließ mein Verlobter die neue Mannschaft einteilen. Auch wenn ich noch skeptisch beäugt wurde, doch als wir ihnen erzählte, wer mir das Schiff vermacht hatte, bekam ich anerkennende Blicke.
Meine neue Crew würde jetzt erst einmal in die Arbeiterunterkünfte ziehen und in der späteren Zeit werden wir weitersehen. Wir brauchten aber in ein paar Tagen die Männer, also blieben sie gleich hier auf der Plantage!
Ein Arbeiter brachte sie zum Anwesen und wir ritten ebenfalls zurück, es war schon längst Zeit für das Mittagessen! Und ich spürte, wie mein Magen knurrte und ich freute mich schon auf einen warmen Tee. Ich fühlte mich völlig steif gefroren. Die Wärme an meinen Beinen von meinem Hengst tat aber gut und ich fror etwas weniger. Im Stall verabschiedete ich mich noch von ihm und ging dann mit Haytham ins Haus.
Für einen Moment stand ich reglos am Kamin im Esszimmer, bis meine Finger wieder beweglich waren. Ich hätte kein Besteck halten können. Sybill hatte uns beiden zum Essen Tee gereicht und es war eine Wohltat für den kalten Hals. Als wir fertig waren, bat mein Verlobter mich mit in sein Arbeitszimmer.
Er fing an, mir die Arbeiten auf der Plantage zu erklären, die Abläufe näher zu bringen. Auf einer Karte, wie sie heute Vormittag schon genutzt wurde, zeigte er mir, wo was lag und wie viele Farmer ihre eigenen Unterkünfte und kleinen Häuser hatten. Dann holte er ein riesiges Buch aus dem Regal, welches alle Handelsbewegungen des letzten Jahres zeigte, unter anderem auch die sich immer verändernden Preise.
„Da sind riesige Unterschiede stellenweise zwischen den Preisen. Gestern noch so, heute schon wieder so. Das ist ja fast wie an der Börse.“ meinte ich staunend. „Woher bekommst du dann so schnell die Informationen? Du musst dich ja irgendwie darauf einstellen können!“
„Wenn ich eine gewisse Menge an Tabak zum Beispiel habe, wird dieser eingelagert und ich warte auf einen Käufer, welcher hier erscheint oder mir ein schriftliches Angebot zukommen lässt, um mir die eventuell zu zahlende Summe nennt zum Beispiel. Was du hier in dem Buch siehst, sind lediglich die Anhaltspunkte, wie sich die Lage verändert.“ meinte Haytham jetzt erklärend.
„Und wie weit wird der Tabak hier verarbeitet?“ fragte ich jetzt, ich habe so etwas noch nie gesehen und würde es gerne mal. „Er wird getrocknet, fermentiert und ist dann zur Endverarbeitung bereit. ( Jetzt in den Wintermonaten ist es ruhiger, aber ab März und April wird es turbulenter.“ erklärte er mir.
Tabakverarbeitung
Erklärvideo
Und wieder musste ich mir eingestehen, dass man einfach eine verklärte Vorstellung hatte, wie eine Farm oder Plantage in dieser Zeit geführt wurde. Es war harte Arbeit, gerade was die Tabakverarbeitung angeht und es herrschte Mangel an Arbeitskräften. Deswegen haben auch viele Plantagen-Besitzer auf die Sklaven zurückgegriffen, weil sie halt billig waren. Mein Templer hatte eine andere Einstellung und ich war ihm mehr als dankbar dafür.
Kurz vor dem Abendessen erschien noch einmal der Aufseher und berichtete, dass die ersten Wachen eingeteilt sind und sie bereits heute Nacht schon anfangen werden. Dann besprachen die beiden noch, was in der Abwesenheit von Haytham und mir zu tun sei. Wir würden ein paar Tage nach seinem Geburtstag nach New York aufbrechen, damit wir pünktlich zu Weihnachten dort sein konnten. Und vor Ende Januar kämen wir auch nicht zurück, so erklärte es mein Verlobter.
Diese Reisedimensionen waren erschreckend, aber ich musste mich damit jetzt auch arrangieren und lernen, wie und was ich dann packen musste. Ich hatte beschlossen, dass ich Magda mitnehme als Zofe, solange ich noch niemand anderen hatte. Mr. Robinson verabschiedete sich noch und wir gingen essen.
„Wie lange wären wir mit der Jackdaw unterwegs bis nach New York?“ fragte ich jetzt einfach. „Je nach Witterung schätze ich 9 bis 11 Tage! Warum fragst du?“ er sah mich etwas skeptisch an. „Weil ich das letzte Mal vor über 20 Jahren mit ihr so lange gesegelt bin und... ich jetzt doch ein wenig Angst bekomme!“ gab ich ehrlich zu.
„Wovor hast du Angst? Dass du seekrank wirst?“ grinste er mich an und ich stieß ihm meinen Ellbogen in die Seite. „Nein, das nicht. Aber ich kenne die Mannschaft nicht und sie kennt das Schiff noch nicht. Ach... ich weiß auch nicht, ich mache mir wahrscheinlich schon wieder zu viele Gedanken!“ meinte ich jetzt etwas ungehalten. „Das machst du tatsächlich. Ich musste auch schon auf Schiffen mit segeln, wo mir einiges nicht geheuer war. Es wird schon nichts passieren!“ Haytham drückte meine Hand und sah mir beruhigend in die Augen.
„Dein Wort in Odins Ohr, mi amor.“ meinte ich seufzend. „Da fällt mir ein, wer wird Weihnachten noch alles in New York sein, Haytham? Ich hoffe doch nicht, dass auch Lady Melanie anreist oder schon angereist ist?“ fragte ich etwas genervt, auf diesen Teil von Faiths Familie konnte ich verzichten. Diese Frau hatte meinen Namen verunglimpft, weswegen ich nicht mehr auf den britischen Ritus zurück greifen konnte.
Mir fiel ein, dass ich das auch noch irgendwann zur Sprache bringen musste. „Du magst sie wirklich nicht, oder?“ mein Verlobter sah mich stirnrunzelnd an. „Nein, aber muss ich ja auch nicht. Ich habe Odin sei Dank nichts mit ihr zu tun.“ gab ich nur maulig von mir. „Da ist noch etwas, oder? Willst du mir davon erzählen?“ mein Templer sah mich auffordernd an.
„Es hat mit meinen Nachforschungen in meiner Zeit zu tun, Haytham...“ ich atmete tief durch und fing an zu erzählen, dass wir herausgefunden haben, dass der letzte Armreif im Besitz der britischen Templer ist. Auch dass ich das fehlende letzte Schmuckstück dort finden und bekommen könnte. „Und was soll ich sagen, ich kam nicht mal bis an die Tür. Man wimmelte mich immer gleich ab. Irgendwann steckte mir ein Mitarbeiter dann, dass man im britischen Ritus mir nicht wohlgesonnen sei. Vor über 250 Jahren taucht in den Chroniken mein Name auf, der von Lady Melanie in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Ich sei nicht vertrauenswürdig!“ ich sah zu meinem Verlobten und er starrte mich nur an.
„Sie... Alex, das kann unmöglich sein...“ ich ließ ihn nicht ausreden. „Dann komm mit, ich zeige dir eine Kopie dieser Aufzeichnungen.“ ich zog ihn hinter mir her in mein Arbeitszimmer und öffnete meine Truhe, holte die schwere Ledermappe mit diesen Chronik-Kopien heraus. Es dauerte einen Moment, bis ich die Seite fand, welche ich suchte und reichte sie dann meinem Verlobten.
Seine Augen weiteten sich und er sah ungläubig auf das Papier. „Wie bist du an diese Aufzeichnungen gekommen?“ kam es jetzt in einem kühlen Ton von ihm und erschrocken sah ich ihn an. „Wie bitte? DAS ist das einzige, was dir dazu einfällt?“ ich schüttelte nur meinen Kopf. „Also schön, da ich, wie du weißt, eine Einigung mit einigen Ordensteilen in Frankreich, Spanien und Deutschland erreicht hatte, hatte ich auch entsprechende Unterstützung. Und diese Hilfe übergab mir dann diese Kopien. Aber es ist gut zu wissen, dass es dich nicht interessiert, wie es sich für mich anfühlt, so etwas über sich lesen zu müssen.“ Damit riss ich ihm das Blatt aus den Händen und packte es wieder in die Mappe. Gerade als ich sie wieder in die Truhe legen wollte, griff er meinen Arm.
„Verzeih mir, ich... es tut mir leid, aber... Alex, du hattest Einsicht in Dinge, die eigentlich unter Verschluss gehalten werden und nur...“ ich ließ ihn nicht ausreden. „Ja, das weiß ich, aber wenn du mir gerade zugehört hättest, dann hättest du verstanden, warum ich eigentlich so weit gekommen bin, wie ich es jetzt bin. Und das obwohl ich noch der Bruderschaft angehöre!“ maulte ich weiter rum.
„Willst du mir sagen, dass dir die Templer zur Seite gestanden haben, bei der Suche nach den anderen Reiseartefakten?“ kam es mal wieder ungläubig von ihm. „Was hab ich denn gerade gesagt? Ja, genauso ist es gelaufen. Wir haben GEMEINSAM gearbeitet. Es geht hier um eine größere Sache, als nur uns beide. Das musste mein Mentor zwar auch erst noch verstehen lernen, aber sogar dieser Sturkopf hat es eingesehen.“ ich hatte mich in Rage geredet und atmete schwer.
„Ich kann mir das immer noch nicht vorstellen! Es hört sich wie ein Märchen an, wenn du das erzählst. Diese Vorstellung, dass diese Zusammenarbeit wirklich funktioniert hat und anscheinend auch weiter stabil bleibt, ist unglaublich. Vielleicht sollten wir es tatsächlich versuchen, wenn du es geschafft hast.... dann...“ er fing an zu stammeln und sah mich hilfesuchend an.
„Das sich das völlig fantastisch anhört und man es kaum glauben kann, ist verständlich. Doch ich wollte es und hatte ein Ziel vor Augen, welches mich angetrieben hat. Und ich war hartnäckig...“ meinte ich, doch mein Verlobter unterbrach mich grinsend. „Ja, das glaube ich dir aufs Wort. Aber vermutlich ist genau DAS das wichtigste, ein Ziel und dieses Durchhaltevermögen!“ jetzt blickte er grüblerisch über meine Schulter. „Aber ich befürchte, du wirst Lady Melanie nicht von dir überzeugen können.“ meinte er bedauernd.
„Ist mir bewusst und ehrlich gesagt, will ich das auch gar nicht mehr. Und ich brauche ihren Zuspruch auch nicht mehr. Solange sie mir einfach nicht zu nahe kommt, ist alles in Ordnung!“ meinte ich schnippisch, mich regte der bloße Gedanke an diese Frau auf. „Weißt du, Haytham, was erschreckend ist? Das sie bis in meine Zeit eine gewisse Macht auf den Orden hat, besser auf den britischen Ritus. Es klingt schon fast wie eine Legende!“
„Damit liegst du wohl nicht ganz falsch!“ kam es von meinem Verlobten und ich sah, er bereute seine Worte. „Lass mich raten, du wirst mir nichts weiter dazu sagen, oder?“ seufzte ich nur und wandte mich meiner Truhe zu. „Ich kann nicht, Alex.“ kam es in einem entschuldigenden Tonfall.
„Schon in Ordnung, uns war ja beiden klar, dass es diese Hindernisse geben wird!“ kam es ziemlich trotzig aus meinem Mund und ich konnte ihn förmlich mit den Augen rollen sehen!
Sollte ich ihm davon berichten, dass ich aber schon eine gewisse Vermutung hatte? Das mir oder besser auch Tobias aufgefallen ist, dass die Familie eine sehr hohe und ungewöhnliche Lebenserwartung hatte? Aber ich behielt es vorerst noch für mich, ich wollte erst Gewissheit haben.
„Alex...“ doch ich wischte über seinen Mund. „Nein, ich weiß es ja und ich hab es ja verstanden.“ es war doch echt zum Kotzen. Ich stand vor Haytham und sah ihm lange in die Augen! Plötzlich nahm er mich in den Arm. „Wir müssen eine Lösung finden, dass geht so nicht.“ meinte er frustriert. „Du hängst völlig in der Luft und...“ er stockte kurz und ich führte den Satz weiter. „... und habe keine Verbündeten hier, ich bin eigentlich alleine!“ und dann brach ich wieder in Tränen aus.
Und wieder fragte ich mich, wie es jetzt weitergehen sollte. SO wollte ich es nicht und anscheinend wollte auch mein Templer eine andere Lösung. Aber wie sollte ich einen Anfang hinbekommen, wenn mir niemand vertraute? „Innerlich habe ich mit der Bruderschaft schon längst abgeschlossen...“ schluchzte ich, nicht einmal mein Mentor wusste davon und ich bereute es eigentlich, ihn nicht eingeweiht zu haben! „Alex, das weiß ich und wenn es nach mir alleine ginge, würde ich es auch anders handhaben. Aber es steckt einfach zu viel dahinter, was ich zu bedenken hätte und... Verdammt!“ er löste sich von mir und ging zum Fenster und starrte in die Dunkelheit.
„Selbst wenn ihr mir irgendwelche Dinge anvertrauen würdet, WEM sollte ich hier davon erzählen? Ich könnte es niederschreiben und dann? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt, Haytham.“ immer noch liefen mir die Tränen übers Gesicht. Ich bekam aber keine Antwort mehr ... und da beschloss ich, dass ich frische Luft brauchte und ging hinaus zu den Ställen.
Es war stockdunkel bereits und der Stallmeister sah mich erstaunt an. „Mrs. Frederickson, was macht ihr so spät noch hier? Geht es euch nicht gut?“ Ich hatte vergessen, dass ich immer noch verheult war, doch es war mir egal. „Doch doch... es geht mir gut. Ich wollte nur nach Fenrir schauen!“ meinte ich leichthin und ging an ihm vorbei zu meinem Hengst.
Vorsichtig strich ich über sein Fell und fing an zu reden!
Det er virkelig så svært at stole på nogen, du elsker. Skal denne væg altid være mellem os? Det gør så ondt, at jeg ikke kan være en reel del af hans liv, mens jeg stadig er medlem af Broderskabet. Jeg elsker Haytham, men det fungerer bare ikke sådan. Hvad skal jeg gøre? (Dänisch... Ist es wirklich so schwer, jemandem zu vertrauen, den du liebst. Sollte diese Mauer immer zwischen uns sein? Es tut so weh, dass ich kein wirklicher Teil seines Lebens sein kann, solange ich noch Mitglied der Bruderschaft bin. Ich liebe Haytham, aber es funktioniert einfach nicht so. Was soll ich tun?)
Fenrir stupste mich an und schnaufte leicht. Ich lehnte meine Stirn an ihn und strich weiter über das Fell, es war unglaublich beruhigend.
„Ihr müsst eine Lösung finden, Alex. Aber ich kann dir dabei nicht helfen, ich kann lediglich hoffen, dass ihr einen Kompromiss finden werdet, mit welchem ihr beide zurecht kommt. Oder... du musst den nächsten Schritt gehen. Doch willst du das wirklich?“
„Edward ich weiß es nicht, es... ist gerade einfach zu viel für mich. Ich bin noch nicht richtig angekommen, ich habe mich noch nicht eingelebt und jetzt gleich diese schweren Entscheidungsfragen. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll!“ ich kommunizierte wieder in Gedanken mit ihm.
„Versuch mit Haytham zu reden, er versteht dich und deinen Konflikt ja. Auch er steht zwischen den Stühlen und fühlt sich nicht wohl. Geh, rede mit ihm!“ meinte der Pirat jetzt forsch.
„Wenn du meinst!“ maulte ich nur. Was bitte sollte ich sagen? „Ja, meine ich! Geh!“ und damit verschwand er wieder aus meinem Geist.
Ich seufzte nur und sah Fenrir an. „Soll ich wirklich mit ihm reden?“ fragte ich ihn und er stupste mich wieder an, dieses mal aber kräftig, so als wolle er mich zum Gehen bringen! „Fenrir ist ein schlaues Tier, Mrs. Frederickson. Ich glaube, er wollte euch damit zustimmen.“ meinte der Stallmeister lächelnd.
„Ich wünsche euch eine gute Nacht, Mr. Mackenzie!“ dann ging ich hinüber zum Herrenhaus. Als ich eintrat, sah ich, dass mein Verlobter in seinem Arbeitszimmer saß. Ich stand da und wusste nicht, ob ich reden wollte, ob ich es sollte oder … ich war einfach durcheinander.
Ich ignorierte Edwards Worte und ging hinauf in mein Studierzimmer. Die Truhe war noch offen, ich nahm mein Handy heraus und setzte mich an meinen Schreibtisch. Als ich es einschaltete, kam das obligatorische Gedudel und es sprang wirklich noch an. Ich suchte meinen Ordner mit den Bildern... und tief in mir wusste ich, ich hätte es sein lassen sollen. Sobald ich das erste Foto sah, auf welchem Yannick mit Melissa freudestrahlend im Sommer auf meinem Balkon zu sehen ist, liefen mir wieder die Tränen.
Es war eine Mischung aus Trauer, Angst, Heimweh und Einsamkeit. Doch ich musste sie irgendwie überwinden. Ich scrollte ein bisschen weiter und fand von der Halloween-Party Fotos und musste lächeln. In diesem Moment klopfte es zögerlich am Türrahmen, ich hatte die Tür offen gelassen. Haytham stand dort und sah mich einfach nur an.
Langsam kam er auf mich zu und ging um den Schreibtisch und lehnte neben mir mit dem Rücken daran. Mein Templer sagte kein Wort und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich legte mein Handy beiseite, nachdem ich es ausgeschaltet hatte und sah zu ihm auf. „Was jetzt, Haytham?“ fragte ich einfach. Ob ich eine Antwort wollte, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
„Willst du dem Orden beitreten?“ kam es unvermittelt von ihm und sein Blick war eiskalt, ich konnte ihm nicht standhalten. „Theoretisch ja, aber es geht nicht.“ und wie aus einem Reflex griff ich an meinen linken Ringfinger und sah auf meine Tätowierung. Solange sie noch sichtbar war, würde ich nicht den Templern beitreten können.
„Doch, du hast es selber gesagt! Du gehörst derzeit keiner Seite an, weil du hier keine Verbündeten hast.“ meinte er praktisch gedacht und ganz Unrecht hatte er ja nicht. „Aber ich habe eine moralische Verpflichtung, Haytham. Würdest du es umgekehrt machen?“ hakte ich nach. „Nein, vermutlich nicht. Aber du gehörst zu meinem Leben und... DU bist für mich wie eine Verbündete.“ kam es jetzt leise und zögerlich von meinem Templer.
Plötzlich schien er einen Entschluss gefasst zu haben, richtete sich auf und zog mich hoch. Er sah mir fest in die Augen und ich sah wieder diesen warmen Glanz darin, nichts mehr von der Kälte. „Wenn wir in New York sind, werde ich mich mit Shay beraten und ich werde eine Lösung für uns beide finden! Ich gehöre nicht mehr offiziell dem britischen Ritus an, also muss ich auch nicht unbedingt Lucius mit einbeziehen. Aber ich befürchte, daran führt dennoch kein Weg vorbei.“ ich blinzelte ihn an, was wollte er erreichen?
„Was soll das bringen? Gerade Lucius wird sicherlich nicht glücklich sein, mich zu sehen. Und was Shay angeht, nun, das ist noch etwas anderes. Haytham, ich bin völlig durcheinander! Das ist einfach gerade zu viel für meine Nerven und ich kann keinen klaren Gedanken fassen!“ dann spürte ich nur noch seine Arme um mich und seinen warmen Körper. In mir breitete sich wieder dieser Frieden aus und ich wurde ruhiger.
„Dann solltest du eine Nacht darüber schlafen und morgen früh sehen wir weiter.“ meinte er ruhig und nachdem die Kerzen aus waren und meine Truhe wieder verschlossen war, gingen wir hinüber. Erst jetzt spürte ich die Müdigkeit in mir und ich saß halb schlafend auf dem Bett.
„Mi sol, du solltest dich noch ausziehen.“ meinte mein Verlobter und half mir dabei. Als ich mich dann an ihn schmiegte unter der Decke, seine Finger auf meinem Rücken fühlte, wie sie darüber strichen, fiel ich in einen traumlosen Schlaf.
Als ich erwachte, sah ich in die grauen Augen meines Verlobten. „Du bist schon wieder so früh wach, mi amor!“ sagte ich verschlafen und schlang mein Bein über ihn und kuschelte mich an seinen warmen Körper. „Einer muss ja auf dich aufpassen, mi sol.“ meinte er leise. „Und ich bin froh, dass du es bist, Haytham.“ raunte ich nur und gab ihm einen Kuss auf die Brust.
„Ich will dich ganz in meinem Leben haben, Alex. Ohne Wenn und Aber oder faule Kompromisse. Was... hälst du davon... wenn... also... wenn wir im März heiraten?“ plötzlich war ich hellwach und setzte mich auf. „Was? So schnell?“ meinte ich erschrocken, doch es kam, glaube ich, falsch bei ihm an. Denn jetzt war Haytham derjenige, der etwas ängstlich in meine Augen blickte. „Es... nunja, es sind ja noch ein paar Monate!“
„Entschuldige, ich hatte es nicht so gemeint, aber... ich bin doch noch gar nicht richtig wach und... Bei Odin... natürlich will ich dich heiraten. Das WANN wäre mir sogar egal, von mir aus könnten wir gleich heute...“ ich konnte nicht mehr so schnell reagieren, wie er über mir war! „DAS wollte ich hören, mi sol.“ und seine Lippen begannen mich mit Küssen zu übersähen. Plötzlich hielt er inne und sah mich mit diesen dunklen grauen Augen an. „Du hattest doch nicht ernsthaft gedacht, dass ich dich jetzt nicht mehr heirate, oder?“ fragte ich ihn etwas außer Atem.
„Zugegeben, ein wenig unwohl habe ich mich schon gefühlt. Aber … es geht in diesem Falle um uns... nur wir beide müssen uns vertrauen und... ich weiß auch, dass Faith in dir jemanden sieht, dem sie vertrauen kann. Also... bin ich fest davon überzeugt, dass wir diese Mauer auch damit einreißen können. Ich will nicht, dass wir auf zwei Seiten stehen, dass geht nicht und es ist... nicht gut!“ meinte er jetzt euphorisch.
„Und das soll mir jetzt WAS sagen, mi amor? Ich... kann dir nicht folgen!“ perplex sah ich ihn an. „Das heißt, dass wir in New York heiraten werden! Die offizielle Hochzeit kommt dann im März!“ ich starrte ihn nur an, das konnte nicht sein Ernst sein. Dieser Vorschlag war... „Haytham, so hätte ich dich gar nicht eingeschätzt. Aber... ich weiß nicht, was ich sagen soll!“ und damit nahm ich einfach sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einen langen sehr dankbaren Kuss.
„Es reicht, wenn du JA sagst, mi sol.“ grinste er mich an und ich erntete einen festen Griff seiner Hände an meinem Oberschenkel. Plötzlich waren wir wieder im Geist zusammen und ich hob meine Arme über meinen Kopf und ließ ihn gewähren. Ich hörte ihn, wie er mich anwies, still zu halten... wie er mir mein doch recht ungehöriges Verhalten erklärte... Und ich nahm seine Lektionen wieder auf, wie ein Schwamm, ich fühlte mich tatsächlich wie ausgetrocknet und lechzte nach ihm.
„Bei Odin, ich liebe dich, mi amor.“ nuschelte ich atemlos an seiner Schulter, während ich seine Muskelanspannungen abebben spürte. „Ich dich auch, mi sol. Du machst mich wahnsinnig, weißt du das?“ und er grinste mich breit an. „Ja, das weiß ich und das mache ich mit Absicht!“ und streckte ihm die Zunge raus. Dieser tadelnden Blick war … einfach göttlich.
„Aber... Haytham, wo willst du so kurzfristig noch einen Friedensrichter oder... ähnliches herbekommen?“ fragte ich jetzt völlig pragmatisch, denn es würde sicherlich noch dauern, bis man so einen Menschen für einen Termin bekam. Und dann auch noch zwischen Weihnachten und Neujahr!
„Oh, keine Sorge. Ich weiß da schon jemanden, der diese Aufgabe sicher gerne übernimmt.“ ich sah ihn fragend an und ich spürte, dass er es gerade liebte mich zappeln zu lassen. „Haytham, sprich...“ und ich stupste ihn in die Seite.
„Ich dachte an Master Johnson! Er hat eine, wenn auch etwas abgewandelte Form, dieses Postens inne und ist berechtigt Trauungen vorzunehmen. Auch wenn wir verpflichtet wären, spätestens nach einem halben Jahr die Ehe öffentlich zu machen.“ meine Augen weiteten sich und ich war sprachlos.
„Aber... ich... das geht... so schnell... und ich hab doch gar kein Kleid und... du auch nicht!“ ein Lachen kam ihm über die Lippen und er drehte sich von mir runter. „Ich glaube, ich brauche auch keines. Mir reicht ein Anzug, mi sol!“ ich schubste ihn nur. „Du... man, du weißt was ich meine.“ in diesem Moment fiel mir mal wieder auf, dass ich in meine flapsige Art verfallen war, welche mir prompt einen Klaps auf den Hintern einbrachte. „Zügle dich, Alex!“
„Verzeihung, Master Kenway, aber... ich glaube, ihr solltet euren Unterricht dahingehend noch ein wenig verbessern und ausbauen!“ hauchte ich an seinem Hals und fing an, mit meiner Zunge daran herunter zufahren. Doch weiter als bis zu seiner Brust kam ich nicht, denn er hielt mich auf. „Ich werde euch später beim Wort nehmen, Mrs. Frederickson und dann Gnade euch Gott!“ kam es mit rauer Stimme aus seiner Kehle. Doch einen verlangenden Kuss bekam ich noch, ehe mein Verlobter sich aus dem Bett schwang.
Nach dem Frühstück erschien Mr. Robinson und erstattete Bericht, wie die letzte Nacht verlaufen war mit der Bürgerwehr. Es war alles ruhig geblieben und heute fingen die ersten Schützenneulinge an, mit den Pistolen umzugehen. Mein Templer war sichtlich erleichtert und bat dann den Aufseher, ihn regelmäßig auf dem Laufenden zu halten.
Ich war derweil wieder in meinem Arbeitszimmer, da mein Verlobter noch mit dem Stallmeister und einem Arbeiter die Schritte besprechen musste, wenn wir nicht da waren. Irgendwann klopfte es leise an meiner Tür und ich bat den Besucher herein. Es war Mrs. Wallace, die mich verlegen ansah. Mit gesenktem Kopf stand sie vor mir und druckste rum. „Sybill, was ist los? Ist etwas passiert?“ fragte ich jetzt alarmiert und sie sah mich entschuldigend an. „Mrs. Frederickson, also... ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Aber... Zoe, sie... ich habe sie gerade dabei erwischt wie sie... also...“ mir schwante böses und ich bat sie einfach weiter zureden.
„Dieses Mädchen hat sich an den Hemden von Master Kenway zu schaffen gemacht. Oder besser eines, welches eigentlich zur Wäsche sollte und... Magda hat gesehen, wie sie es in ihre Kammer mitnahm. Mrs. Frederickson, ich hatte schon so etwas geahnt, aber … traute mich bis jetzt noch nicht, etwas zu Master Kenway zu sagen. Ich... wollte erst sicher sein!“ Ich konnte sie nur entgeistert anstarren, es dauerte eine Weile bis ich meine Sprache wiederfand.
„Dann hatte ich mit meiner Vermutung tatsächlich recht, sie will meinen Verlobten haben!“ ich stand abrupt auf und sah die Küchenfee nur an. „Mrs. Wallace, wo ist Zoe jetzt gerade?“ Ohne ein Wort deutete sie auf die Schlafzimmertür. Als ich mich in Bewegung setzte, folgte sie mir leise. Die Tür stand einen Spalt auf und ich traute meinen Augen nicht. Anstatt das Bett zu machen, lag sie darin und hielt unsere Decke umklammert!
Ich schlug die Türe auf, welche donnernd an die Wand krachte. Erschrocken sah mich diese Frau auf unserem Bett an und wurde puterrot im Gesicht. „Würdet ihr mir bitte erklären, WAS das hier werden soll, Zoe?“ brachte ich hinter zusammen gebissenen Zähnen hervor, brüllen wollte ich nicht. Die Genugtuung gab ich ihr nicht.
„Mrs. Frederickson, ihr habt mich erschreckt. Ich... ich bin nur gestolpert … und dabei...“ ich ließ sie nicht ausreden. „Genau, und dann seid ihr ungünstig auf unser Bett gefallen! Ihr scheint mich für sehr naiv und dumm zu halten! Steht jetzt endlich auf und dann werden wir das mit Master Kenway besprechen!“ Ich zog sie hoch und hinunter zum Arbeitszimmer von meinem Templer.
Dieser brütete über einigen Verträgen, Zoe wollte sich schon losreißen und das Weite suchen, doch ich war stärker als sie und hielt ihren Oberarm umklammert. „Haytham, wir müssen reden!“ ich schob das Zimmermädchen vor mir her bis vor seinen Schreibtisch. Er sah von mir zu Zoe und dann zu Mrs. Wallace. Doch ich deutete ihr, hier zu bleiben, sie war ja eine Zeugin.
„Alex, was ist passiert?“ fragte er vorsichtig und ich erzählte ihm, wie ich sie in unserem Bett gefunden habe und die Geschichte mit einem seiner getragenen Hemden. Zoe neben mir fing an zu zittern und ich sah, dass ihr Tränen die Wangen runterliefen. Doch ich muss gestehen, ich hatte wenig bis gar kein Mitleid mit ihr. „Zoe, stimmt das?“ und Haytham sah sie mit diesem eiskalten Blick an, den auch ich zu gut kannte.
„Aber... Master Kenway... es... ich habe es nur gut gemeint!“ Was hatte sie gut gemeint? Wollte sie unser Bett warm halten? Das könnte ihr so passen, wenn eine andere Frau in meinem Bett ist, dann nur Faith!
„Mrs. Wallace, holt bitte Jones dazu. Schließlich ist sie seine Nichte und er hat sie empfohlen, er sollte dabei sein.“ meinte mein Templer völlig sachlich. Wie konnte er dabei so ruhig bleiben? Ich hielt das Zimmermädchen immer noch eisern fest, weil meine Eifersucht gerade weder Gnade noch eine Grenze kannte.
Kurz darauf erschien Sybill mit Haythams Kammerdiener, welcher jetzt überrumpelt von einer Person zur anderen starrte. Doch sein Blick blieb an mir hängen und er funkelte mich böse an. Ja, er war nicht gut auf mich zu sprechen, da ich ihn damals aus dem Schlafzimmer seines Arbeitgebers geworfen hatte. Damit konnte er nicht umgehen und überhaupt war er eher der Kriecher- und Stiefelleckertyp. „Master Kenway, ist etwas passiert?“ fragte er so schleimig-höflich wie immer.
„Eure Nichte scheint ihre Aufgabe, für mein Wohl zu sorgen, doch ein wenig zu ernst zu nehmen. Meine Verlobte hat sie gerade in unserem Bett erwischt, wie sie sich darin geräkelt hat mit meiner Bettdecke in den Armen. Auch hat sie eines meiner getragenen Hemden an sich genommen. Und ich muss euch sicher nicht erklären, WAS das zu bedeuten hat, oder?“ meinte Haytham völlig sachlich und ich staunte über diese Verschlossenheit.
„Master Kenway, das ist sicher nur ein Versehen und wird nicht wieder vorkommen. Sie ist noch sehr jung und unerfahren und... es tut mir leid, ich werde natürlich dafür sorgen, dass Zoe in Zukunft ihre Arbeiten ordentlich und zu euren Wünschen erfüllen wird!“ kam es in diesem widerlichen unterwürfigen Ton von ihm. In diesem Moment fragte ich mich nur, ob wir nicht BEIDE gleich hinauswerfen könnten. Mein Verlobter kam mir aber zuvor.
„Jones, es wird nicht wieder vorkommen. Dafür werdet IHR sorgen und Zoe, wenn ich oder meine Verlobte euch noch einmal bei derlei Aktivitäten erwischen, dann werde ich euch entlassen ohne Lohn und euer Onkel wird euch dann begleiten!“ entweder hatte Haytham gesehen, dass Jones auch etwas seltsam ist, oder es war NUR eine Drohung. Doch sie zeigte fürs erste Wirkung, beide Angestellten verbeugten sich tief und entschuldigten sich tausendmal.
Zoes Lohn wurde einbehalten für zwei Wochen, als Mahnung und sie bekam jetzt ein anderes Mädchen zur Seite, welches sie überwachen sollte. Wenn wir wieder hier waren, sollte ich ihre Arbeiten im Auge behalten. DAS tat ich doch gerne, denn NIEMAND wird sich meinem zukünftigen Mann so an den Hals werfen! Die beiden verließen mit gesenkten Köpfen das Arbeitszimmer, nur Mrs. Wallace stand noch unschlüssig neben mir. „Mrs. Frederickson, es tut mir leid, dass ihr so kurz nach eurer Ankunft so etwas erleben müsst. Jungen Mädchen geht manchmal einfach der Kopf durch, aber ich hoffe, sie hat es verstanden!“ meinte sie in ihrem fürsorglichen und beschwichtigenden Ton.
„Mrs. Wallace, euch muss ich nicht erklären, dass ich aus einer anderen Zeit stamme. Dort sind die jungen Mädchen sogar noch schlimmer und es ist... stellenweise ein Graus. Aber ich dulde es nicht, dass man sich in meine Beziehung einmischt und schon gar nicht in dieser Form. Wir haben bei den Cormacs eine ähnliche Situation gehabt und glaubt mir, das dortige Zimmermädchen hatte sogar noch Master Cormac unterstellt, er wäre mit ihr im Bett gewesen!“ entsetzt sah sie mich an. „Ja, ich hatte davon gehört. Auch.... dass diese Justine...“ doch Haytham unterbrach sie mit einem Wink. „Sybill, ich werde es Mrs. Frederickson erklären. Ich danke euch für die Unterstützung, ihr könnt jetzt erst einmal gehen.“ sagte er immer noch in diesem doch sehr herrischen Ton.
Sie knickste nur und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
„Haytham, was war da mit dieser Justine? Faith erzählte mir von den Eskapaden mit ihr. Aber ich dachte, es sei mit der Kündigung dann erledigt gewesen?“ fragte ich jetzt nach. „Nein, leider nicht. Lucius hat mir geschrieben, dass dieses Frauenzimmer vor einigen Monaten meine kleine Schwester der Hexerei bezichtigt hätte. Es ging um die Forschungen die sie, aufgrund ihrer neuen Möglichkeiten, betrieben hat. Master Williams konnte gerade noch die Unterlagen und alles Verdächtige verbrennen, ehe die Soldaten fündig werden konnten.“ Haytham ließ sich auf seinen Stuhl sinken und sah erschöpft aus.
„Du meinst, sie hat wirklich... meine Bücher genutzt, oder dass was sie daraus geschrieben hatte? Oh bei Odin... ich hatte sie gewarnt, dass sie das lassen sollte!“ ich sank auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. „Was war denn hier alles los, seit ich weg bin? Aber Faith ist nichts passiert, oder? Ich weiß, dass sie noch ein zweites Kind haben, mit diesem ist aber alles in Ordnung, oder muss ich mir Sorgen machen?“ jetzt wurde ich allmählich unruhig und besorgt.
Bisher hatten wir uns noch gar nicht über die Ereignisse hier oder in meiner Zeit groß unterhalten können. Ich hoffte nur, dass ich noch genügend Zeit haben werde, bis wir bei den Cormacs sind. „Soweit ich weiß, ist im Moment alles in Ordnung. Obwohl... Shay ist erst vor ein paar Wochen wieder angekommen. Er war... spontan mit der Morrigan abgereist. Doch wohin, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass ich eine Erklärung von ihm bekommen werde, wenn wir dort sind.“ Shay würde nicht einfach so seine Familie alleine lassen., dachte ich mir noch so und langsam kam der Verdacht auf, dass mehr dahinter steckte.
„Dann sollten wir möglichst zügig nach New York aufbrechen, Haytham. Ich habe das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmt.“ er sah mich fragend an. „Sieh mich nicht so an, ich weiß auch nicht, WAS ist... aber... es ist so ein Gefühl!“ meinte ich nur scharf.
„Wir werden am 5. oder 6. Dezember aufbrechen. Du solltest bis dahin gepackt haben, mi sol.“ meinte er und sah mich mit leuchtenden Augen an. „Warum bist du plötzlich so euphorisch, mi amor?“ grinste ich nur. „Ich werde einige Tage mit dir auf engstem Raum verbringen... was glaubst du, warum ich in meinen Gedanken schon wieder ganz woanders bin?“ seine Augen hatten sich schon wieder verdunkelt und ich ahnte, woran er dachte.
„Master Kenway, wir haben so gut wie keine Privatsphäre dort an Bord. Das sollte euch klar sein, meine Kajüte ist ja nicht sehr abgelegen und... es ist sehr kalt und frostig!“ sagte ich mit einem lasziven Unterton in der Stimme. „Ich weiß euch schon zu wärmen, Mrs. Frederickson! Verlasst euch drauf!“ kam es rau von meinem Verlobten. Wir saßen uns gegenüber und wussten beide, dass wir mal wieder nicht die Finger von einander lassen konnten.
Es klopfte und eines der Mädchen trat nach Aufruf ein. „Das Mittagessen ist dann soweit!“ und mit einem Knicks ging sie wieder hinaus. Haytham stand auf und kam um den Schreibtisch herum, als er so vor mir stand und auf mich herab sah, war ich wieder völlig hin und weg. „Alex... gib mir deine Hand.“ kam es in diesem Befehlston und ich tat, wie mir geheißen. Er zog mich einfach dicht an seinem Körper hoch und ich hätte ihn am liebsten wieder besprungen! Verdammt... das war ein mehr als unpassender Moment.
Sein Kuss brachte mir definitiv keine Abkühlung im Gegenteil... doch ich würde ihn einfach als Nachtisch mit nach oben nehmen, beschloss ich im Stillen. „Du hast aber wieder sehr interessante Gedanken, mi sol.“ lächelte er mich lüstern an. „Ja habe ich und … ich könnte dich daran teilhaben lassen.“ seine Hand wanderten an meinem Hals entlang und Richtung meines Dekolletés. Doch ich schlug spielerisch seine Finger beiseite. „Master Kenway, das geht nun wirklich zu weit.“
Das Mittagessen war schneller erledigt, als gedacht. Warum nur? Doch der Nachtisch an diesem Tag war unschlagbar und mein Verlobter kam in den Genuss meiner vollen Hingabe! „Das... ich weiß nicht was ich sagen soll... oder fühlen soll... wenn ich sage, dass ich mehr haben möchte, wäre das zu vermessen?“ fragte Haytham mich schwer atmend an meiner Brust.
„Nein, es zeigt mir, dass ich nicht alles falsch gemacht habe, mi amor!“ meinte ich und hauchte einen Kuss auf seine Stirn. „Was soll ich eigentlich morgen bei dem Geburtstagsessen tragen, Haytham. Hast du einen bestimmten Wunsch?“ fragte ich gedankenverloren...
„Gar nichts...“ meinte er ebenso abwesend und ich musste lachen. „Das könnte dir so passen!“ und er erntete einen Biss in seinen Hals. „Dann... ich würde gerne dieses rote Kleid an dir sehen. Aber lass bitte deine Haare dieses mal offen. Wenn ich schon Wünsche frei habe, dann wäre es das, was ich gerne sehen würde an dir!“ meinte er und seine Hände fuhren über meinen Rücken und hinterließen diese Gänsehaut... Das Geburtstagskleid
Ich war immer noch in diesem Taumel, dass ich bald verheiratet bin, mit dem Templer, welchen ich jahrelang als den Erzfeind eingetrichtert bekommen habe. „Weiß du, dass es sich seltsam anfühlt, dass ich bald mit dir vereint sein werde. Deinen Namen tragen werde?“ fragte ich einfach frei raus. „Das kann ich mir nicht unbedingt vorstellen, aber ich weiß, wie du noch vor einiger Zeit über mich und den Orden gedacht hast.“ kam es gespielt empört von ihm und ich hatte klatschend seine flache Hand auf meinem Po.
Ich kicherte einfach vor mich hin... denn meine Nerven lagen blank. MAL WIEDER! Ich wollte ihn, ich wollte in dieser Zeit bleiben und ich wollte dem Orden beitreten! Aber alles andere drum herum machte mich gerade nervös.
„Du schreibst doch dein Tagebuch, oder?“ fragte mich Haytham jetzt etwas verschlafen. „Ja, mache ich. Genau wie du auch, mi amor.“ denn es war ja klar, dass diese Bücher mittlerweile schon einige Reihen in den Regalen fassen müssten und ja, er hatte sie unter Verschluss aus berechtigten Gründen!
„Dann schreibe bitte, WANN wir diese ungeplante Hochzeit haben werden!“ kam es in diesem Befehlston, welcher mich aber jetzt aufsehen ließ. „Warum sollte ich das, Haytham?“ fragte ich erstaunt. „Du hast doch erzählt, dass diese Truhe zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft wieder geöffnet werden kann. Und dann NUR von deinem Sohn, oder nicht? Also... vielleicht... wäre es nicht schön, wenn er dabei wäre?“ er hatte Recht! Ich hatte nicht wirklich darüber nachgedacht... aber wie oft sollte er denn dann noch hierher reisen? Wäre das nicht einfach zu riskant? Als ich das äußerte sah mich mein Templer fragend an. „Ja, wäre es... aber du gehst auch schon mehr Risiken ein, als gut für uns ist. Zum darüber nachdenken ist es jetzt eh zu spät.“
„Das wäre es, ja!“ sagte ich etwas sprachlos, ich war erstaunt, dass er diesen Gedanken überhaupt hatte! „Aber wir können doch nicht die Cormacs so völlig überrennen! Das wäre nicht richtig!“ meinte ich jetzt etwas verlegen. Faith hätte mit den Kindern schon zu tun und … überhaupt. Es war Weihnachten!
„Es ist einfach nur der kleine Rahmen und wir sind unter uns, und wenn ich ehrlich bin, ich würde es eigentlich auch später nicht größer haben wollen.“ meinte er grinsend. „Da wirst du aber von Faith sicher noch ein paar Takte zu hören, mi amor.“ meinte ich nur. Doch sie würde eigentlich kein Mitspracherecht haben, oder doch? „Haytham, ich würde deine kleine Schwester gerne als meine Trauzeugin haben wollen an meiner Seite.“
Erstaunt sah er mich an. „Das war mir klar, du brauchst mich nicht um Erlaubnis fragen, mi sol.“ warum aber hatte ich diesen Wunsch, mir seine Meinung einzuholen. Als ich das fragte sah er mich einfach nur mit einem unglaublich warmen Ausdruck an. „Alex, das war eines der größten Komplimente, das du mir machen konntest!“ und seine Lippen übersäten mich mit Küssen.
„Haytham... darf ich dich etwas fragen?“ kam es etwas vorsichtig von mir. „Hmmmm ja!“ ein leicht verschlafener Ausdruck lag jetzt auf seinem Gesicht. „Wie … also wenn du in diese Templerrolle fällst... was ist der Grund oder besser gefragt, warum bist du dann auf einmal so kalt und... so unnahbar?“ in diesem Moment hatte ich mir schon die Antwort selber gegeben. „Ich muss eine gewisse Distanz wahren und da ich als Großmeister fungiere, muss ich mich zusammenreißen. Eigentlich ist es nichts anderes, als das, was du an den Tag gelegt hast bei Lady Melanie damals. Man schottet sich ab und agiert … emotionslos. Denn deine eigenen Gefühle gehören nicht dorthin!“ erklärte er mir.
„Ich weiß... aber... diese Art ist mir unheimlich und ich fühle mich nicht wohl, wenn du sie auspackst.“ meinte ich immer noch an ihn gekuschelt. „Das ist aber genau der Zweck, mi sol. Ich muss meinem Gegenüber zeigen, dass er mir nichts anhaben kann.“ diese Worte waren mir bewusst. „Aber... ist es nicht wahnsinnig anstrengend? Wenn ich an die Zeit deiner Gehirnerschütterung denke...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Frag nicht danach, Alex. In mir tobte ein wahrer Krieg. Ich musste immer den Orden an erster Stelle halten, aber... DU hast es mir nicht leicht gemacht!“ kam es jetzt in diesem lasziven Ton von ihm und er drehte sich zu mir und zog mich auf sich. „Jetzt bin ich auch noch an deinem Gefühlschaos schuld? Und was ist mit meinem? Du hast mich … auch … ziemlich … durcheinander gebracht.“ keuchte ich nur, als ich ihn in mir spürte.
„Master Kenway... ihr solltet mich vorwarnen...“ ich beugte mich hinunter und holte mir meine Küsse, während Haytham mich nahm und mir zeigte, was er damals für Gedanken an mich hatte. „Deine Art mir gegenüber war einfach... unkonventionell und völlig natürlich. Das kannte ich nicht und es irritierte mich am Anfang... doch... als ich dich das erste Mal nahm, konnte ich spüren, dass du anders als die Frauen hier bist....“ ein tiefes Stöhnen, als ich mich bewegte... „und... ich will mehr davon, mi sol!“ kam es nur und plötzlich kniete er hinter mir... wir waren wirklich wie ausgehungert, das wurde mir in diesem Moment wieder bewusst.
Mit seiner Hand in meinem Nacken, welche mich auf das Bett drückte, meinte Haytham nur „Ich will dich einfach haben, Alex!“ langsam zog er sich zurück und ich drehte mich an seien Seite. „Dieses Dessert war mal so richtig nach meinem Geschmack, mi amor.“ grinste ich so vor mich hin. „Du bekommst sicher noch einige davon...“ meinte er raunend. „Das will ich hoffen, Master Kenway.“ gab ich leise von mir.
Ich machte mich daran aufzustehen, weil ich Durst hatte. Meine Wasservorräte hatte ich, dank Mrs. Wallace, überall verteilt stehen in den Karaffen. „Warum gerade Wasser, das habe ich damals schon gefragt. Es gibt doch wesentlich leckerere Getränke...“ fragte mich mein Verlobter jetzt. Ich grinste ihn nur an. „DEINE erste Lektion im Zusammenleben mit mir, lautet: Trinke mindestens eineinhalb Liter Wasser am Tag! Damit hast du deinen Wasserhaushalt im Griff und deinem Körper geht es gut. Glaub mir, du wirst es merken!“ ich sah diesen ungläubigen Blick und musste doch grinsen.
„Vielleicht sollte ich es einmal probieren...“ meinte er zweifelnd und ich musste kichern. „Wenn du es einmal probiert hast, wirst du nie wieder davon los kommen. Es ist wie eine Droge...“ und ich sah ihn an und versank in diesen grauen Augen die wie MEINE Droge waren und bereute meine Worte. „Ich kann dich lesen, mi sol.“ lächelte er mich an. „Das hoffe ich doch...“
Der Rest des Tages war einfach nur damit gespiekt, dass ich mein Kleid anprobierte... und mir fiel ein, dass meine Haare gewaschen werden mussten. Als ich ankündigte, dass ich ein Bad benötigte, sah ich das Leuchten in Haythams Augen und ich konnte mir einfach ein lautes Lachen nicht verkneifen. „Haytham... lass mich raten, du wirst mich begleiten und mir bei der Haarpflege helfen?“ fragte ich Augenzwinkernd. „Wenn ich mit ins Bad darf, dann sicherlich... ansonsten...“ dieser schmollende Gesichtsausdruck trieb mein schlechtes Gewissen in die Höhe. „Du musst unbedingt mitkommen... wen sollte ich sonst nur in ein Handtuch gehüllt bewundern?“ zwinkerte ich ihm zu. Das Handtuchbild
„Jesus, du bist wirklich... einfach unmöglich!“ lachte er mich jetzt an. „Ich kann doch nichts dafür, dass dir nur ein Handtuch um die Hüfte wirklich steht und... wenn es nach mir ginge...“ meinte ich breit grinsend. „Nein, so werde ich dich sicherlich nicht ehelichen, Alex!“ gab er entschieden von sich und stieg aus dem Bett. Ja, es war Zeit... doch... es war einfach zu bequem und... ich hatte noch keine Aufgaben hier.
„Ich brauche eine Beschäftigung hier...“ meinte ich nachdenklich. Erstaunt sah mich Haytham an... „Was willst du denn machen? Du wirst bald sicher genug damit zu tun haben, mir unter die Armen zu greifen und du musst Mrs. Wallace und die Angestellten im Haus im Auge behalten!“
„Ja, aber dass ist jetzt nicht unbedingt die Erfüllung, Haytham. Ich glaube, ich muss mich erst noch eine Weile einleben, bevor ich rum meckere.“ grinste ich, denn ich sah, dass auch mein Verlobter noch nicht ganz mit der neuen Situation zurecht kam.
„Was machen wir eigentlich mit Zoe und Jones? Hast du eine gewisse Zeitspanne ins Auge gefasst?“ fragte ich einfach, weil mir durch den Kopf ging, dass es schon eine Galgenfrist geben sollte. „Wir warten ab, bis wir wieder hier sind und dann sehen wir weiter. Ich gehe davon aus, dass sie... nicht wieder meine getragenen Sachen an sich nimmt.“ Haytham war diesbezüglich sehr zuversichtlich. „Dann warten wir ab. Aber wenn ich nur merke, dass wieder etwas ...“ doch mein Templer strich mir über den Mund. „...dann werden wir sie entlassen!“ damit gab er mir einen Kuss auf die Stirn und wir verließen unser Schlafzimmer für den restlichen Nachmittag.
Ich verbrachte meine Zeit mit meinem Tagebuch und schrieb meine Gedanken an unsere Hochzeit auf. Formulierte sie aber so, dass Yannick sie definitiv richtig verstehen würde. Es wäre nur eine vorläufige Hochzeit und der Rest würde folgen. Im Grunde ließ ich ihm freie Hand zum selber Entscheiden. Wenn er denn diese Truhe auch so bekam, wie ich hoffte.
Als ich mit meinen Aufzeichnungen fertig war, ging ich nach unten und ich hörte, dass Haytham sich mit jemandem unterhielt. Es war aber nur der Stallmeister, welcher sich erkundigte, wann wir genau wieder da seien. Es fehlte noch ein Sattel für Fenrir. Der derzeitige, war nicht gut für ihn und man sollte einen angepassten haben. Als ich ins Arbeitszimmer trat, erhoben sich die beiden Männer und Mr. Mackenzie fragte mich frei raus, ob ich einen bestimmten Wunsch hätte.
Als ich ihn fragend ansah, ergriff mein Verlobter das Wort. „Lasst den Sattel einfach an den Hengst anpassen, ich denke dunkles Leder sollte es sein. Es muss zur Präsenz des Pferdes passen!“ bei diesen Worten verabschiedete ich mich und ging in den Stall zu meinem Pferd. Die Männer würden das schon regeln, ich hatte von so etwas keine Ahnung.
Fenrir bemerkte mich schon von weitem, ich konnte sehen, dass er still stand und einfach nur leicht schnaubte. Ich trat auf ihn zu und ich verfiel mal wieder in eine Zwiesprache... Warum auch immer ich in seiner Gegenwart in die Sprache meiner Vorfahren fiel... doch vielleicht würde mir das irgendwann jemand erklären!
„Mi sol, da bist du ja... ich hatte mir schon Sorgen gemacht.“ kam es erleichtert von Haytham. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass es langsam dunkel wurde. „Ich denke, wenn du mich in Zukunft suchst, musst du hier anfangen oder der Spur dieses Friesen folgen!“ meinte ich zwinkernd.
„Du bringst mich auf eine Idee, meinen Adlerblick noch weiter zu trainieren.“ begeistert sah er mich an und ich sah für einen Moment den kleinen Haytham vor mir. „Damals warst du von meinen Vorschlägen nie so angetan.“ grinste ich ihn an. „Zu der Zeit war ich völlig grün hinter den Ohren und... wusste nicht, wie man sich verhält.“ in diesem Moment war ich froh, dass er es jetzt wusste. Seine Arme schlangen sich um mich... doch plötzlich wurde Fenrir unruhig und tappte hin und her.
Hvad sker der med Fenrir? Hvorfor er du så rastløs? (Dänisch... was ist los, Fenrir? Warum bist du so unruhig?)
Er stupste mich immer wieder an und schob mich förmlich aus der Box. „Haytham, er hat etwas. Irgend etwas stimmt nicht.“ Geistesgegenwärtig ließen wir unsere Pferde satteln und, obwohl ich nur ein Kleid und meinen Mantel trug, ritten wir los. Fenrir schien etwas zu spüren. Er hatte es nicht wirklich eilig, aber er trabte kontinuierlich vor der Stute von Haytham her. Plötzlich hielt er mitten auf einem brach liegenden Feld inne und schnüffelte am Boden!
Ich stieg ab, damit ich besser sehen konnte. Aber es war fast dunkel und ich konnte nichts mehr ausmachen. Auch mit meinem Blick ließ sich nichts erkennen. „Alex, da... hier ist jemand verscharrt worden!“ kam es nur von meinem Verlobten! „Und das auch erst seit wenigen Stunden!“ kam es als Erklärung!
Ich sah ihn einfach nur an. Unsere beiden Begleiter scharrten mit den Hufen und waren extrem unruhig. „Kannst du hier bleiben und ich hole eine Schaufel und den Aufseher, oder...“ fragte er mich. „Ich bleibe hier und warte. Geh und hol den Aufseher. Hier stimmt etwas nicht.“ Innerlich wappnete ich mich und mir wurde bewusst, ich hatte nicht einmal mein Stiefelmesser dabei. In Zukunft sollte ich mich immer damit ausrüsten. Nur für den Fall.
Also wartete ich auf Haythams Rückkehr und stand dicht bei Fenrir.
„Ihr macht eine kleine Krise durch, Alexandra. Aber sie wird vergehen. Glaube mir. Ihr müsst euch aneinander gewöhnen, auch ich hatte diese Schwierigkeiten. Es ist nicht leicht, aber ihr beide schafft das und bitte, sei offen zu meinem Sohn, er braucht das, sonst wird er es nicht immer sofort verstehen. Sieh mich nicht so an, ja... das sind wir Männer halt. Du müsstest mir auch den Hauptmast auf den Schädel hauen, ehe ich verstehe, was du willst...“ grinste mich Edward an. „Hab ein bisschen Nachsicht mit ihm, er muss auch noch lernen!“
„Die werde ich haben, ich merke selber, dass ich mich auch erst an eine neue Person in meinem Leben gewöhnen muss!“ meinte ich nur und musste grinsen.
„Übrigens, das hier ist … einer der Plünderer, die die arme Familie auf dem Gewissen haben.“ Meinte Edward plötzlich mit Blick auf den Boden.
„Woher weißt du das? Und... warum sagst du mir das erst jetzt, wo Haytham schon unterwegs ist!“
„Entschuldige... ich habe nicht darüber nachgedacht. Denn... ich musste an eure Hochzeit denken und... ich war abgelenkt...“
„Werden du und Tessa auch dabei sein?“ und ich konnte nicht anders... ich heulte drauf los.
„Wir werden an eurer Seite sein, verlass dich drauf.“
„Ich vermisse dich Edward und dich Tessa auch...“ gab ich nur von mir und mir liefen kontinuierlich die Tränen über die Wangen. „Wir dich auch und ich muss dir danken, immer noch und mal wieder, dass du Haytham beistehst... dass du diesen Schritt gegangen bist. Es wird noch Schwierigkeiten geben, aber ihr werdet sie meistern!“
Gerade als Haythams Mutter vortrat, stand mein Templer neben mir und nahm meine Hand, drückte sie fest. Den Aufseher sah ich aber nicht.
„Haytham mein Liebling!“ sagte sie liebevoll und ging auf ihn zu... nahm sein Gesicht und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich, Haytham. Vergiss das nicht!“ Sie sah mich an und nickte mir zu. Diese Begegnung war einzig und allein dafür da, dass es einen Moment völlig alleine gab.
Ich brach in diesem Moment zusammen. „Es tut mir so leid... ich hätte es verhindern sollen, ich hätte es verhindern können... es tut mir leid...“ auf meinen Knien saß ich auf dem Feld und heulte. „Nein, du hättest es hinausgezögert... doch JETZT kannst du etwas entscheidendes verändern... du hast noch genug Zeit, Alex!“ gab Edward zu bedenken und er hatte Recht!
Dann war auf einmal alles völlig ruhig und... wir standen alleine auf dem Feld. Die Pferde waren plötzlich entspannt, obwohl sie die Leiche eigentlich immer noch spüren mussten. „Dein Vater sagte gerade, dass hier einer der Plünderer verscharrt wurde, welche die Familie ausgeraubt und ermordet haben.“ erklärte ich ihm schniefend. „Woher... ich frage gar nicht nach. Diese Vorläufer scheinen wirklich eigenartiger zu sein, als wir angenommen haben.“ gab Haytham kopfschüttelnd von sich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
Hinter ihm tauchte Mr. Robinson auf und gemeinsam, gruben sie den Leichnam aus. Es war der Dieb, welchem der Goldzahn gehörte, den wir auf dem Weg zu ihrem Lager gefunden hatten. Ich hielt die Laterne möglichst hoch, damit die Herren etwas sehen konnten. „Den kenne ich, dass ist Phil, ein Saufkopf wie er im Buche steht. Dann kann ich mir schon denken, mit wem er umhergezogen ist.“ meinte der Aufseher jetzt wütend. Haytham sah ihn fragend und auffordernd an, weiter zusprechen. „Das ist eine Gruppe von 4, naja, jetzt nur noch 3 Mann. Sie sind stets auf Krawall und Ärger aus und sind bekannt für ihre Skrupellosigkeit. Einige Vergewaltigungen, Morde und sonstige Überfälle gehen auf ihr Konto.“ ich starrte ihn nur fassungslos an. „Mrs. Frederickson, das ist hier nichts ungewöhnliches. Diese Kerle habe nie eine Arbeit länger als eine Woche behalten und jetzt im Winter stellt man auch niemanden ein. Im Grunde sind es arme Würstchen, die überleben wollten.“ meinte Mr. Robinson jetzt und zog seinen Hut.
„Ich hoffe jetzt für euch, dass ihr wisst, dass diese ach so armen Männer eine ganze Familie auf dem Gewissen haben, nur um an die Lebensmittel zu kommen!“ meinte ich jetzt scharf und spürte Haythams Hand beschwichtigend auf meinem Arm. „Mr. Robinson, wir sollten ihn jetzt möglichst tief und an anderer Stelle begraben.“ damit packten sie den Toten bei den Armen und Beinen und luden ihn auf den Karren. Der Aufseher lenkte diesen in Richtung des Waldstückes und wir saßen auf und folgten ihm. „Warum hat die neue Wache nichts gesehen?“ fragte ich stirnrunzelnd. „Vermutlich, weil sie noch nicht richtig eingeteilt waren, als der Mord oder Unfall, wie auch immer, hier passierte. Anders kann ich mir das nicht erklären.“
Doch mir kam ein anderer Gedanke. „Und wenn einer der Arbeiter ihn auf dem Gewissen hat und diesen Phil nur schnell beiseite schaffen wollte...“ mein Verlobter sah mich mit großen Augen an. „Alex, du hast ja interessante Verschwörungstheorien auf Lager. Aber ich glaube nicht, dass es so kompliziert ist, seine Kumpanen wollten diesen Trunkenbold einfach loswerden. Vermutlich weil er lästig war oder einfach ein Klotz am Bein!“ Seufzend gab ich mich mit dieser lapidaren Erklärung ab.
Als Haytham einen geeigneten Platz ausgemacht hatte, stiegen wir ab und die beiden begannen, das Grab auszuheben. Hier war der Boden nicht ganz so gefroren, wie auf der anderen Seite, wo die irische Familie beigesetzt worden ist. Nach 2 Stunden war Phil unter der Erde und wir verabschiedeten uns vom Aufseher, welcher uns noch eine gute Nacht wünschte.
Wir ritten jetzt etwas zügiger zurück, ich erwähnte es ja, mit Rock reiten ist einfach zu kalt an den Beinen. Ich übergab Fenrir dem Stallburschen und mein Verlobter und ich gingen ins Haus und ich warf mich auf das Sofa vor dem Kamin. Am liebsten hätte ich mich IN das Feuer geworfen, meine Finger waren völlig steif gefroren. „Mi sol, warum trägst du nicht die Handschuhe beim Reiten, du holst dir wirklich irgendwann noch den Tod, wenn du nicht besser auf dich achtest.“ meinte Haytham etwas tadelnd aber liebevoll.
„Ganz ehrlich? Ich hatte sie vorhin einfach vergessen. Aber wäre es jetzt schon zu spät um ein Bad zu bitten?“ fragte ich ihn jetzt und er zog nur eine Augenbraue hoch. „Alex, und wenn du morgens um zwei nach einem Bad verlangst, ist das in Ordnung. Dafür sind die Angestellten nun mal da. Du musst dringend lernen, diese Scheu abzulegen.“ und dann rief er nach Magda, welche auch kurz darauf im Salon erschien.
„Magda, richtet bitte für Mrs. Frederickson und mich ein Bad. Danke!“ gab er die Anweisung und ich wollte mich schon entschuldigen, dass ich solche Umstände machte. Doch Haytham hielt mich mit einer Handbewegung davon ab. „Sehr wohl!“ ein Knicks und sie war verschwunden. Mein Templer drehte sich zu mir um und zog mich hoch. „So einfach geht das, mi sol. Und jetzt komm, zieh dich schon mal aus.“ grinsend zog er mich hinter sich her nach oben.
Als ich im Ankleidezimmer vor einem meiner Schränke stand, war ich versucht, die Jogginghose und den Schlabberpulli zu greifen. „Suchst du etwas bestimmtes, Alex? Du siehst so unschlüssig aus.“
„Du wirst es nicht glauben, aber ich habe drei Kleidungsstücke aus meiner Zeit dabei. Teile die ich immer gerne zuhause getragen habe, wenn ich Feierabend hatte.“ grinste ich ihn an. „Darf ich sie sehen?“ fragte mich Haytham neugierig. „Sicher doch.“ ich fischte die Sachen hinaus und breitete sie auf dem Bett aus.
„So was trägt man bei euch?“ ungläubig sah er auf die Kleidungsstücke und fuhr mit den Fingern darüber. „Der Stoff fühlt sich sehr weich an, was ist das?“ es lag Faszination in seiner Stimme. „Das ist … Baumwolle und eine Kunstfaser... aber... das zu erklären würde Stunden dauern.“ gab ich eine kurze Erklärung. „Ich kann mir diese Sachen nicht an dir vorstellen, ... sie sehen irgendwie unförmig aus.“ ich konnte nicht anders und musste lachen.
„Das ist Sinn der Sache, sie sollen einfach nur bequem und funktionell sein. Diese Sachen hat man ja nicht in der Öffentlichkeit an, sondern nur zuhause auf dem Sofa beim Netflix gucken!“ und wieder war ich in meine normale Redensart gefallen. „Ich habe zwar kaum ein Wort verstanden, aber ich gehe davon aus, dass du wohl recht hast.“ grinste er mich an. „Und jetzt dreh dich um, ich helfe dir aus deinem Kleid.“
Als ich dann den Morgenrock anhatte und Haytham ebenso fürs Bad fertig war, klopfte es auch schon und Magda kündigte an, dass das Wasser eingelassen war! Ich räumte noch meine Sachen wieder in den Schrank und dann gingen wir endlich hinunter. Das Bad war im Keller in der Waschküche. Dort gab es diese große Feuerstelle, welche fast das ganze Untergeschoss heizen konnte.
Es roch hier jetzt nach Rosen und ich ließ mich langsam in die Wanne gleiten, diese war aber größer als im Fort George und bot für mindestens zwei Personen Platz. Handtücher lagen ebenfalls mehr als genug bereit, ich taute endlich wieder ganz auf und stöhnte laut auf. „Ich bin doch noch gar nicht in deiner Nähe, Alex.“ kam es lächelnd von Haytham. „Dann solltest du dich lieber beeilen, mi amor!“ meinte ich süffisant.
Er nahm hinter mir Platz und legte seine Arme um mich und gemeinsam rutschten wir etwas tiefer in das warme Wasser. Ich wäre fast eingeschlafen, doch mein Verlobter erinnerte mich an die Haarwäsche, eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr dazu. Bei der Kälte würde es Ewigkeiten dauern, bis mein Chaos auf dem Kopf getrocknet ist. Ich öffnete etwas widerwillig meine Haare und tauchte einmal unter, dann fing Haytham an, sie einzuschäumen. „Du meine Güte, man ahnt nicht, was das für eine Menge ist, wenn du sie immer so hochgebunden hast, mi sol.“ meinte er anerkennend. „Ich bin auch ehrlich gesagt, ein bisschen stolz auf diese Haarpracht. Nur die Farbe könnte eine andere sein.“ meinte ich lachend.
„Aber sie steht dir, warum würdest du sie ändern wollen? Die grauen Strähnen finde ich übrigens auch sehr anziehend.“ kam es jetzt in einem sehr anzüglichen Ton von meinem Templer. „Wenn du das so sagst, dann sollte ich sie in ihrem jetzigen Zustand belassen. Nicht dass du mich sonst noch rauswirfst!“ ich drehte mich ein wenig und grinste nur.
Nachdem mir die Haare ausreichend gespült worden waren und Haytham sich vergewissert hatte, dass sie jetzt sauber genug sein, war er an der Reihe und ich freute mich schon darauf. Doch als ich mich umdrehte und mit einem Krug Wasser seine Haare einweichen wollte, hielt er nur meine Hand fest. Seine Augen hatten dieses dunkle Grau angenommen und blickten mich an, sahen wieder in meinen Geist. Ich sah, was er wollte, spürte es und seine Hände griffen sich meine Handgelenke und drehten sie auf meinen Rücken. Haytham zog mich weiter auf seinen Schoss und drang mit einem lauten Aufstöhnen in mich ein. Eine Hand hatte sich jetzt auf meinen Hintern gelegt und dirigierte mich. Es war nichts zu hören, außer unseren schneller werdenden Atemzüge. Du musst noch viel lernen, aber ich werde es mir nicht nehmen lassen, dich persönlich einzuweisen. Und jetzt beweg dich endlich, ich will dich spüren, will sehen, wie du kommst! Hörte ich ihn in meinem Kopf und sah in seine Augen und ich kam mit seinem Namen auf den Lippen. Du gehörst mir, Alex. NUR mir! Und dann kam auch er und bäumte sich unter mir auf.
Vorsichtig ließ er meine Handgelenke los und ich konnte ihn berühren. Ich gab ihm einen sanften Kuss und strich dabei über seinen Nacken und seine Brust. Sein Herzschlag beruhigte sich allmählich und auch ich wurde wieder ruhiger. Ich ließ es mir nicht nehmen, seinen Körper noch einzuseifen, wir waren doch leicht ins Schwitzen hier gekommen und ich hatte so einen Grund meine Finger über ihn gleiten zu lassen.
Als das Wasser dann langsam zu kalt wurde, hob mich mein Verlobter aus der Wanne und wickelte mich erst einmal in ein Handtuch. Ja, Haytham nur mit Handtuch um die Hüften... das hat schon was... ich schüttelte meine Gossengedanken aber ab, das Abendessen würde sonst kalt werden. „Ich sehe schon, ich sollte dir noch einige Flausen aus dem Kopf jagen, Mrs. Frederickson.“ grinste er mich breit an und zog seinen Morgenrock über.
Ich stand kurz darauf im Schlafzimmer um mir ein einfaches Wollkleid anzuziehen und die etwas dickeren Strümpfe. Ich fror tatsächlich auf einmal, ich vermisste das warme Wasser von eben und diesen Körper... Bei Odin... mein Kopf war schon wieder hochrot. Plötzlich legten sich seine Arme um mich und mir wurde augenblicklich warm. „Wir sollten jetzt hinunter zum Essen gehen, mi sol.“ sprach Haytham leise an mein Ohr und sah mich im Spiegel lächelnd an. Zur Bestätigung nahm ich seine Hand und küsste die Innenfläche sanft.
Mittlerweile war es schon gegen 23 Uhr als wir mit Abendessen fertig waren. Der Tag war ereignisreicher, als ich es mir vorgestellt hatte und langsam machte sich Müdigkeit breit. Ich gähnte herzhaft, als ich die Treppe hinauf zum Schlafzimmer ging, doch ich hielt abrupt inne, als ich sah, dass die Tür zu meinem Arbeitszimmer offen stand. Mein Verlobter hinter mir, blieb ebenfalls stehen und beide gingen wir nun leise darauf zu. Ich setzte meinen Sinn ein und ich nahm eine schwache rote Aura war, welche in den Schubladen meines Schreibtisches wühlte.
Leise schob ich die Tür ganz auf und sah wie Zoe meine Papiere in den Händen hielt. Als sie uns bemerkte, erschrak sie und ließ sie einfach fallen. „Mrs. Frederickson, Master Kenway... es... ist nicht so wie... ich habe nur... ich wollte...“ zitternd starrte sie uns an, sie hatte keine Erklärung. Ich ging langsam auf sie zu und sie wich zurück mit großen Augen. „WAS habt ihr hier zu suchen, Zoe? Ich denke nicht, dass es hier etwas zu tun für euch gibt!“ meinte ich jetzt lautstark. Dann sah ich, dass sie aber Odin sei Dank nur die Liste, welche ich mit Sybill aufgestellt hatte, heraus gekramt hatte. Ich hoffte, einfach mal, dass sie sich nicht an den verschlossenen Laden vergriffen hatte.
„Sir, ihr müsst mir glauben, ich … habe nur...“ stotterte sie vor sich hin. „Zoe, haltet besser den Mund, ehe ihr euch noch um Kopf und Kragen redet.“ meinte Haytham jetzt eiskalt und war in seine Templerrolle verfallen. „Aber... eure Verlobte... sie...“ jetzt reichte es mir aber. „Was ist mit mir?“ fragte ich jetzt genervt.
Zoe sah hilfesuchend zu meinem Verlobten, doch von ihm konnte sie keinerlei Hilfe erwarten. „Ihr hintergeht euren Verlobten und seid ihm untreu. Ihr seid schon verheiratet!“ platzte es plötzlich aus ihr heraus und ich stand nur mit offenem Mund da. Haytham war ebenfalls perplex und sah von Zoe zu mir. „Wie kommt ihr bitte auf diese Schnapsidee?“ meinte ich jetzt nur und starrte das Zimmermädchen weiter an. „Ich... habe es gelesen!“ nun stand sie mit erhobenen Hauptes vor uns und fühlte sich überlegen.
Ich dachte die ganze Zeit daran, wo sie dass bitte gelesen haben will. „Und WO habt ihr das gelesen? Und überlegt euch jetzt gut, WAS ihr antwortet, solltet ihr an meine verschlossenen Unterlagen gegangen sein, dann Gnade euch Odin, Zoe!“ gab ich jetzt wütend von mir. Sie konnte nur noch mein Tagebuch meinen, doch ich hatte nichts in dieser Richtung geschrieben!
Triumphierend hielt sie aber tatsächlich mein Tagebuch in ihren Händen. Doch da fiel mir auch ein, ich schrieb es auf Deutsch, konnte diese Frau jetzt auch noch meine Muttersprache? Auf einen Versuch kommt es an und ich fragte sie auf Deutsch, was sie genau meinen würde und WANN ich das geschrieben hätte. Mit großen Augen, sah sie mich an und ich bemerkte, dass sie kein Wort verstanden hatte.
Mein Templer stand immer noch mit vor der Brust verschränkten Armen da und sah sie lauernd an. „Zoe, wenn ihr es doch gelesen habt, dann könnt ihr doch auch meiner Verlobten antworten, oder nicht?“ fragte er jetzt in einem bissigen fiesen Ton. „Ich... Sir, aber... hier steht doch... eine Hochzeit, irgendwas... ich lüge nicht, Master Kenway!“ sie konnte ein paar Worte lesen und hatte sich etwas zusammengereimt.
„Ihr legt jetzt sofort dieses Tagebuch dahin zurück, wo ihr es herhabt, auch die anderen Sachen, welche noch in eurem Ausschnitt stecken und dann werden wir über eure Kündigung sprechen, Zoe!“ meinte ich zähneknirschend, ich wollte dieses Frauenzimmer hier nicht länger haben. Sie hatte sich und das konnte ich tatsächlich schwach wahrnehmen, einige Blätter vorne in ihr Dekolletee gesteckt! Erstaunt sah sie mich an, legte aber wie in Zeitlupe alles auf den Schreibtisch.
„Haytham, würdest du bitte Jones dazu holen? Wir sollten hier dringend die Sachlage klären!“ meinte ich immer noch wütend. Er ging hinaus und ich ging langsam um den Schreibtisch und zog dieses Weib dahinter weg und setzt sie mit einem entschiedenen Ruck auf den Stuhl. Ihr Mund stand immer noch offen und sie zitterte am ganzen Körper. Doch ich hatte, wie vorhin schon einmal, überhaupt kein Mitleid mit ihr, im Gegenteil, ich wollte sie bestraft wissen. Sie sollte hier keine Unruhe stiften können!
Dann nahm ich an meinem Schreibtisch Platz und sortierte meine Unterlagen. Sie hatte Odin sei Dank, keine Seite aus meinem Tagebuch gerissen und ich konnte auch sonst nichts entdecken, was fehlen würde. „Warum tut ihr das, Zoe?“ fragte ich jetzt etwas ruhiger und sah sie durchdringend an. „Ihr kommt nach all den Jahren hier einfach an und glaubt, dass euch dieser Mann alleine gehört und auf euch gewartet hätte. Das ist nicht richtig und er hat etwas besseres verdient!“ kam es jetzt schnippisch und ziemlich gehässig von ihr. „Ihr meint damit, er hätte EUCH verdient? Euch, die ihr Lügen verbreitet? Das bezweifle ich!“ gab ich zynisch zurück.
In dem Moment kamen Jones und Haytham zurück und der Kammerdiener nahm auf dem anderen Stuhl Platz, während sich mein Verlobter neben mich stellte und mir eine Hand auf die Schulter legte. Er ergriff jetzt das Wort. „Ich denke, wir werden nicht mehr viele Worte über diese Sache verlieren. Aber Jones, eure Nichte hat sich an den persönlichen Dingen meiner Verlobten vergriffen und ich hatte euch gewarnt, kommt noch irgend etwas dergleichen vor, bedeutet das die Kündigung.“ jetzt sah Zoes Onkel grimmig zu seiner Nichte. „Du bist doch wirklich zu nichts zu gebrauchen, du dumme Kuh!“ ich sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an, was für eine interessante Wortwahl aus seinem sonst wie mit Seife ausgewaschenen Mund.
„Master Kenway, ich versichere euch, dass so etwas nie wieder vorkommt. Aber... Mrs. Frederickson ist... sie hat mich, als ich damals den Vorschlag gemacht habe, euch angemessen zu behandeln, einfach aus dem Zimmer geworfen. Sie hat nicht das Recht dazu und ihr musstet nur wegen IHR weiter leiden. Sie wird es wieder tun, sie ist der Teufel in Person. Das habe ich damals schon gespürt!“ schossen ihm die Wörter aus dem Mund und ich konnte nicht anders, als weiter staunen, mir fehlten die Worte.
„Diese Frau hat mich mithilfe von Master und Mrs. Cormac gerettet, falls ihr es schon vergessen haben solltet!“ meinte mein Verlobter jetzt laut. „Wie kommt ihr auf solch eine Anschuldigung?“ polterte Haytham weiter. „Ich habe gesehen, wie ein Leuchten sie umgab, als sie euren Anhänger berührte und ihre Augen waren ganz rot dabei. Und dann kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, als eure Verlobte bewusstlos war und so eine komische Sprache führte! So etwas wollt ihr einfach in euer Haus lassen?“ Jones wurde immer ungehaltener und bekreuzigte sich jetzt allen Ernstes auch noch. Ich hielt meine Hände vors Gesicht, ich musste ein Lachen unterdrücken.
„Das ist doch nicht euer Ernst, oder? Ich hatte euch damals schon gesagt, dass es nichts mit dem Teufel zu tun hatte. Master Kenway hatte man nur etwas unter sein Essen gemischt, genau wie mir. Da könnte ich EUCH jetzt auch einfach so für beschuldigen. Doch ich tue es nicht, es geht hier nämlich um Fakten.“ mischte ich mich jetzt ein, es war absolut absurd!
„Ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen!“ kam es jetzt patzig von Jones. „WAS habt ihr gesehen? Das Leuchten? Denkt einmal darüber nach, es war die Sonneneinstrahlung und Abends waren einige Kerzen angezündet worden. Es hat sich etwas in meinen Ketten und meinen Augen gespiegelt!“ erklärte ich jetzt logisch und hoffte, dass dieser Mann nicht ganz so blöd und abergläubisch ist, wie so viele Menschen in dieser Zeit.
„Mein Onkel lügt nicht, ich glaube ihm das.“ kam es maulig von Zoe. „Und warum seid ihr euch so sicher, Zoe?“ meinte ich genervt. „Weil ihr auch jetzt wieder Master Kenway unter eurer Kontrolle habt und er nicht mehr er selber ist!“ sagte sie erhobenen Hauptes. Verzeiht, aber in diesem Moment konnte ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen, es war so dermaßen lächerlich! Die beiden Angestellten saßen vor mir und starrten mich an.
„Das was ihr als anderes Verhalten von mir wahrnehmt, hängt einfach damit zusammen, dass ich meine Verlobte wieder an meiner Seite habe und wir endlich heiraten können! Ihr könnt das anscheinend nicht verstehen, noch nicht, Zoe. Dafür seid ihr einfach zu jung, aber es gibt euch nicht das Recht, unbegründete Anschuldigungen gegen Mrs. Frederickson auszusprechen!“ meinte Haytham jetzt kalt und sah sie mit diesem steinernen Blick an, welchen ich auch einige Male zu spüren bekommen hatte.
„Master Kenway, bei allem Respekt! Aber diese Frau... ihr wisst doch gar nicht, woher sie kommt.“ meinte jetzt der Kammerdiener, vermutlich um doch noch ein Umdenken bei Haytham auszulösen. „Doch, das weiß ich. Sie kommt aus Preußen, aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Hannover. Sie hat einen Sohn, welcher jetzt in ihre Fußstapfen daheim tritt, den sie zurückgelassen hat dort. Genau wie ihre Verwandten und Freunde!
Sie hat den großen Schritt hierher gewagt! Also zweifelt gefälligst nicht an der Loyalität meiner zukünftigen Frau!“ fauchte der Großmeister jetzt plötzlich.
Jetzt sah mich Zoe zögerlich an und dann zu ihrem Onkel. „Davon wusste ich nichts, Onkel!“ die beiden hatten sich also etwas ausgedacht, aber ihr Plan war nicht richtig durchdacht. Ich würde mal sagen, dumm gelaufen! „Ihr solltet jetzt besser gehen und mir nie wieder unter die Augen treten. Und ich warne euch nur ein einziges Mal, erfahre ich, dass ihr mich noch einmal beschuldigt und verunglimpft, dann Gnade euch Odin!“ plötzlich spürte ich eine Kälte in mir, welche sich in meinen Worten niederschlug und auch mein Gegenüber nahm sie wahr. Die beiden Angestellten sahen mich ängstlich an, doch ich spürte nur die beruhigende Hand von Haytham auf meiner Schulter. Ich hatte mich erhoben und sah drohend auf Jones und Zoe.
„Ich denke, damit ist alles geklärt und ihr werdet jetzt umgehend packen und unser Haus, Grund und Boden verlassen und nie wieder betreten.“ sagte Haytham drohend in ihre Richtung und sie nickten nur ängstlich, erhoben sich dann und eilten hinaus. Ich orderte Magda und einen Diener, welche die beiden im Auge behalten sollten, bis sie hier weg waren!
Dann setzte ich mich wieder und legte meinen Kopf in meine Hände. „Du meine Güte, was ist das nur für ein Einstieg hier.“ meinte ich erschöpft und völlig müde. „Ich hatte mir das auch alles etwas anders vorgestellt, mi sol. Und es tut mir leid!“ er strich mir über die Haare und zog mich dann hoch in seine Arme. „Haytham, du musst aufhören, eine solche Wirkung auf Frauen zu haben!“ nuschelte ich an seiner Brust, während ich mich an ihn kuschelte.
„Das würde ich, wenn ich wüsste, wie es geht, mi sol!“ meinte er glucksend. „Aber sei unbesorgt, du wirst die einzige Frau in meinem Leben bleiben. Du reichst mir völlig und ich brauche nichts anderes.“ kam es leise von ihm und ich musste grinsen. „Das könnte ich durchaus auch anders interpretieren, mi amor!“ und sah dabei zu ihm auf. „Alex... du weißt, dass es genauso ist, wie ich es sagte. Du bist wirklich... willst du mich eigentlich damit provozieren?“ fragte er jetzt mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Ich? Nein, das würde ich nicht wagen Master Kenway!“ meinte ich kichernd und seine Hand landete unvermittelt auf meinem Po. „In ein paar Wochen sind wir verheiratet, dann hast du eh keine Chance mehr, vor mir wegzulaufen, mi sol! Dann gehörst du voll und ganz mir!“ der folgende Kuss war pure Hingabe von meinem Verlobten und ich schlang meine Arme um seinen Nacken und zog mich etwas hoch. „Darauf freue ich mich schon, mi amor!“ gab ich flüsternd von mir, doch je länger ich in diesen Armen verweilte, desto müder wurde ich. Und als wenn Haytham es geahnt hätte, nahm er mich einfach hoch und trug mich in unser Schlafzimmer.
Magda teilte uns dann noch kurz mit, dass Jones und Zoe gegangen seien, oder besser jemand hätte ihnen eines der Pferde zur Verfügung gestellt. Wir wünschten ihr eine gute Nacht und sie ging ebenfalls mit müden Augen in ihr Quartier. „Aber die haben doch nicht Fenrir bekommen, oder?“ fragte ich etwas ängstlich nach. „Nein, um Gottes Willen, dieses Tier gehört dir. Das wäre wie Diebstahl. Ich gehe davon aus, dass sie irgendeines bekommen haben.“ das beruhigte mich ungemein.
Als ich endlich unter der Decke lag, seine Arme um mich herum hatte, konnte ich einschlafen. Doch nicht ohne ihm schon einmal zum Geburtstag zu gratulieren! Die Uhr unten hatte zweimal geschlagen. „Herzlichen Glückwunsch, mi amor.“ nuschelte ich und strich Haytham sacht über die Arme.
Dieser Duft von Kaffee am Morgen ist für mich einfach immer noch himmlisch und als ich mich umdrehte und langsam meine Augen öffnete, hielt man mir einen Becher hin. „Guten morgen, mi sol.“ kam es von Haytham. Wer hatte denn nun Geburtstag, ER oder ich? „Guten morgen, mi amor. Du bist schon wieder früher wach!“ meinte ich etwas schmollend, ich hätte ihn gerne geweckt und ihm ausgiebig zum Geburtstag gratulieren wollen.
Langsam setzte ich mich auf und sah ihn an. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, Haytham.“ meinte ich leise und gab ihm einen sanften Kuss. Mein Templer erwiderte ihn mit einem tiefen Seufzen. „Darauf habe ich mich besonders gefreut, es ist das erste Mal, dass du an diesem Tag bei mir bist, Alex!“ lächelte er mich liebevoll an. „Ich konnte es auch nicht abwarten.“ Ich stellte meinen Becher auf meinen Nachttisch und zog meinen Verlobten zu mir herunter und fing langsam an, ihn zu entkleiden.
Meine Lippen fanden seine und ich ließ meine Finger über seinen Körper wandern, welchen dann mein Mund folgte. Bis ich meinem Großmeister meine ganze Hingabe darbot und meine Lippen ihn wieder schmecken konnten. Seine Hände hatten sich in meine Haare gekrallt und ich vernahm nur seinen schweren Atem. In meinem Kopf hörte ich ihn wieder. In Zukunft solltest du mich öfter so wecken! Und jetzt mach weiter, ich will deine Zunge spüren! Ich ließ mir Zeit und verwöhnte ihn weiter. Doch nicht lange hatte ich die Kontrolle. Das könnte dir so passen, Alex. Ich zeige dir schon, wer dich führt und dir zeigt, was du tun sollst! Plötzlich zog er mich hoch und ich saß auf seinem Schoß. Haytham hob mich an und drang dann langsam in mich ein. Seine Hände ruhten auf meinem Hintern und hinterließen ihre Abdrücke.
Lass dich fallen und beweg dich! Ich beugte mich über ihn und küsste ihn fordernd, ich spürte, dass ich mich nicht mehr lange zurückhalten konnte. Haytham, lass mich kommen, bitte! … Doch er dachte nicht daran, sondern sah mich nur lange an und in seinen Augen sah ich völligen Frieden und Liebe! Dann sollte ich dir wohl noch eine Lektion bezüglich deines Verhaltens neulich im Keller erteilen! Und mit einer geschmeidigen Drehung lag ich unter ihm und meine Hände hatten keine Chance mehr. Er nahm mich, so wie er es wollte und ich sah, dass er es genoss, wie ich mich nicht wehren konnte. Haytham kam völlig ekstatisch und sein fordernder Kuss dabei war hart. Doch es brachte mich ebenfalls zum Höhepunkt und ich war so atemlos, dass ich nur seinen Namen dabei hauchen konnte.
Als er langsam meine Hände wieder freigab, konnte ich meinen Templer in den Arm nehmen und ihn wieder berühren. Ich lächelte ihn ein wenig erschöpft an, doch auch er war ziemlich fertig. „Alex, warum machst du mich so verrückt?“ grinste er mich an. „Weil ich dich liebe und ich nicht die Finger von dir lassen kann.“ meinte ich lächelnd. „Nicht nur die Finger, mi sol.“ grinste er Augenzwinkernd. „Wenn du es nicht magst... also...“ meinte ich gespielt maulig. „Nein, mach ruhig so weiter. Ich liebe es, wenn meine Hände in diese Mähne greifen und ich... dir zeigen kann, was ich will!“ kam es in diesem rauen begierlichen Ton von ihm und ich erschauderte.
Langsam drehte er sich von mir runter und schloss mich in seine Arme. Ich wäre fast wieder eingeschlafen, hätte uns nicht ein Klopfen aus den Gedanken gerissen. Es war Mrs. Wallace, die ankündigte, dass das Frühstück fertig sei und sich dann leise wieder entfernte. „Wir sollten uns dann wohl fertig machen, mi sol.“ kam es etwas mürrisch von meinem Verlobten und auch ich wäre gerne hier geblieben. „Ja, leider.“ meinte ich und setzte mich auf. Der Kaffee war zwar jetzt kalt, aber für diese nette Aktivität nahm ich es gerne in Kauf. Ich trank einen großen Schluck und stöhnte vor Freude. Neben mir hörte ich nur ein „Du und dieser Kaffee... irgendwas scheine ich falsch zu machen, du klingst bei mir nie so...“ ich sah ihn gespielt geschockt an. „Master Kenway, ihr seid schon fast besser als dieses Getränk, ihr müsst mir nur besser zuhören, wenn ich eure Lektionen erteilt bekomme!“
„So so... Ich werde euch daran erinnern, wenn ihr mal wieder etwas lernen sollt, Mrs. Frederickson.“ grinste er mich an und stand dann auf. Nachdem ich mal wieder fluchend über den kalten Boden ins Ankleidezimmer gegangen war und wir fertig angezogen waren, konnten wir hinunter.
Das Personal stand aufgereiht im Esszimmer, begrüßte den Hausherrn und beglückwünschte ihn zu seinem Ehrentag. Dieses Geburtstagsfrühstück war üppiger als die normalen und ich fragte mich mal wieder wer das alles essen sollte. „Du kennst diese Dimensionen nicht, kann das sein?“ fragte mich Haytham, während er sich über den Tee hermachte. „Nein, eigentlich frühstücke ich so gar nicht. Nur am Sonntag, dann habe ich Zeit für so etwas. Unter der Woche muss ich halt früh los, da schaffe ich das nicht.“ erklärte ich ihm und sein Blick war ein einziges Erstaunen. „Aber warum hast du keine Zeit?“ ich musste dann doch grinsen. „Weil ich mir das alles selber fertig machen müsste und kein Personal habe. Sprich ich müsste noch eine Stunde eher aufstehen, um so ein Frühstück zu bekommen. Und... nein, dazu bin ich zu faul. Kaffee und eine Banane reichen dann morgens oder eben mein Müsli.“
„Dann solltest du dich ab jetzt einfach freuen, dass du hier nichts mehr selber machen musst, mi sol.“ sprach er lächelnd und drückte meine Hand. „Haytham, warum trägst du eigentlich den Templerring nicht immer?“ schoss mir diese Frage plötzlich in den Kopf, als ich so seine Hände betrachtete. „Du hast seltsame Themenwechsel, mi sol. Ich habe ihn nur selten auf, eigentlich nur zu offiziellen Anlässen, so wie heute Abend zum Beispiel. Ansonsten stört er mich bisweilen.“ eine verständliche Erklärung, wobei ich meine Ringe nach Möglichkeit immer trug.
„Von wem hast du eigentlich diesen silbernen Ring auf dem linken Ringfinger?“ fragte er mich jetzt seinerseits interessiert. „Yannick hat ihn mir vor 2 Jahren zu Weihnachten geschenkt.“ Ich nahm ihn ab und las die Gravur darin und schon fing ich an zu heulen. Ich reichte ihn Haytham und er sah ihn sich genauer an. „Er liebt dich wirklich und... wenn ich diese Zahlen lese, kommt es mir immer noch so unwirklich vor.“ Als er mir den Ring wieder aufsetzen wollte, hielt er kurz inne und sah auf die kleine Assassinen-Tätowierung. Vorsichtig strich er mit seinem Daumen darüber und sah mich dann fragend an. „Ich weiß, dass ich eines Tages eine Entscheidung treffen muss!“ sagte ich leise und er steckte mir den Ring wieder auf.
Nach dem Frühstück ging ich mit Magda hinauf und besprach, was sie alles packen sollte. Sie würde auch Haythams Kleidung einpacken, Jones war ja nicht mehr hier. Auch dort mussten wir noch für Ersatz sorgen und ich hoffte, er würde einen vernünftigen Kammerdiener wiederfinden. Eigentlich hätte ich auch meine Truhen gepackt lassen können, weil jetzt alles wieder hinein geräumt wurde. Ich musste bei diesem Gedanken grinsen. Ich überlegte kurz, ob ich die Stahltruhe auch mitnehmen sollte und ich entschied mich dafür. Ich wollte sie hier nicht unbeaufsichtigt lassen und es gab einige Dinge, die ich unbedingt Faith zeigen wollte.
Als das alles soweit geklärt war, war es schon fast wieder Mittag. Doch ich zog meinen dicken Umhang an und marschierte hinüber zu den Ställen. Fenrir schnüffelte an meiner Hand und wartete anscheinend auf eine Leckerei. Der Stallmeister reichte mir einige Äpfel und mein Hengst schnappte freudig danach. Sie schienen ihm zu schmecken. „Wie alt ist Fenrir eigentlich?“ fragte ich jetzt neugierig. „Er ist drei Jahre alt, also noch recht jung, Mrs. Frederickson.“ grinste er mich an. „Und wo war er vorher?“ meine Neugierde wollte befriedigt werden. „Er gehörte einem alten Ehepaar ein paar Meilen von hier. Sie mussten ihre Plantage und die Pferde und alles aufgeben, da sie nie Kinder bekommen hatten und haben deswegen alles verkauft.“ meinte er jetzt etwas traurig. „Das ist wirklich schade, dann mussten sie es an völlig fremde Menschen verkaufen. Das ist kein schöner Gedanke!“ und ich dachte an meine Wohnung, welche jetzt meinem Sohn gehörte. In diesem Moment war ich froh, dass ich wenigstens ein Kind hatte.
Ich unterhielt mich noch ein wenig über die Pferde und ihre Herkunft mit Izaak, als Haytham in der Tür auftauchte und mich angrinste. „Du hast es ernst gemeint, mit dem, wenn ich dich suche muss ich hier anfangen, oder?“ lachte er nur und der Stallmeister beglückwünschte seinen Arbeitgeber auch noch zu seinem Geburtstag.
„Ja, das hatte ich durchaus so gemeint und wie du siehst, ich bin hier.“ lächelte ich ihn an und er teilte mir mit, dass das Essen fertig sei. Nach einer kurzen Verabschiedung vom Stallmeister und Fenrir gingen wir zurück zum Haus. Ich ließ meinen Blick wieder einmal über das Gelände hier schweifen und musste feststellen, dass ich mich darauf freute, hier den Frühling oder Sommer zu erleben. „Du wirst dich umgucken, Alex. Im Frühling sieht es hier schnell anders aus.“ grinste er mich breit an. „Das offene Buch schon wieder, oder?“ lachte ich und Haytham drückte meine Hand.
Das Mittagessen bestand nur aus einer Kleinigkeit, da es ja am Abend ein großes Essen gab. Und erst jetzt fiel mir auf, dass doch reger Betrieb in der Küche herrschte. Ich musste mich zusammen reißen, um nicht hinein zumarschieren und mit anzupacken. Wie sollte es anders sein, mein Verlobter las in mir und meinte dann, dass ich sicher in die Küche dürfte, doch NUR zum zuschauen und überwachen. MEHR nicht... ich seufzte tief.
Dann erklärte er mir die Sitzordnung für heute Abend. Neben Master Pitcairn und Master Johnson nebst Gattinnen, würden noch fünf weitere Herren mit ihren Frauen erscheinen. Mein Platz war an seiner linken Seite, neben mir würde dann Johnson sitzen mit seiner Ehefrau. Uns gegenüber würde Jonathan mit seiner Frau platziert, daneben nehmen die Donovans Platz, gefolgt von den Eheleuten Doyle und Whittner. Neben William und seiner Frau kamen dann Eheleute Bassiter und dann noch Mr. Und Mrs. Hemslow.
„Aber keine Sorge, ich werde dich schon mit allen bekanntmachen. Und denk immer daran, es ist kein Staatsempfang, mi sol. Bleib einfach ruhig und zappel nicht herum.“ kam es jetzt belehrend von meinem Verlobten und ich bekam es mit der Angst zu tun. „Das sagst du so leicht, dass ist erst das zweite Mal, wo ich mit dir einen offiziellen Anlass erlebe. Was soll ich überhaupt sagen und...“ ich fing an zu zittern und mir brach plötzlich der kalte Schweiß aus. Was wenn ich mich verhasple, mich verspreche oder ich einfach einen blöden Fehler machte! „Du wirst das hinbekommen, du warst bei der Hochzeit von Faith und Shay sehr souverän, und auch heute Abend wirst du das sein, mi sol.“ ein liebevolles Lächeln erschien auf seinem Gesicht und ich konnte nicht anders, ich küsste ihn einfach.
Haytham hatte bereits meine Jackdaw beladen lassen und der Mannschaft mitgeteilt, dass wir im Laufe des morgigen Vormittags aufbrechen werden. Ich freute mich auf Faith, aber ich hatte immer noch ein mulmiges Gefühl, was die Tage auf See jetzt betrafen. Wie gesagt, das ganze ist schon eine Weile her mit meiner Segelei. „Keine Angst, stell dir vor, ich würde sie steuern!“ meinte Edward in meinem Kopf und ich musste grinsen. „Aber bitte keine Schiffe angreifen, ich möchte heile bei meiner Freundin ankommen.“ … „Gut, ich reiß mich zusammen!“ kam es nur lachend und schon war er wieder verschwunden.
Mittlerweile war es schon fast fünf Uhr und ich ging mit Magda hinauf, damit sie mir beim Ankleiden und Haare machen helfen konnte. Doch da würde nicht viel zu tun sein, Haytham wollte, dass ich sie offen trug. Was mir nicht so gut gefiel, weil... sie einfach zu schwer sind und im Nacken unangenehm kratzen. Doch für einen Abend würde ich es sicher aushalten.
Das rote Kleid war wirklich leuchtend Rot und weit ausgestellt. Es waren einige Unterröcke noch dabei und wie sollte es anders sein, das Korsett. Meine provisorische Zofe hatte geschickte Hände und schnürte mich gekonnt ein, nicht zu fest und nicht zu locker. Mit einem Zwinkern meinte sie nur, es würde auch so reichen. „Danke Magda“ und ich lächelte zurück.
Dann kam das Überkleid und ich stand mit offenem Mund vor dem Spiegel. Es sah fantastisch aus und der Ausschnitt brachte meine Brüste ordentlich zur Geltung. „Magda, haben wir eventuell so etwas wie ein Tuch oder ähnliches. Mann kann ja fast alles sehen!“ Sie sah sich suchend in meinem Kleiderschrank um und wurde fündig, es war ein ebenfalls rotes Spitzentuch, welches sie mir jetzt über Schultern und Ausschnitt legte und etwas feststeckte. Das gefiel mir doch etwas besser, ich wollte nicht so halb nackt vor diese fremden Menschen treten.
Jetzt waren nur noch meine Haare an der Reihe und Magda brachte alles in Form. Ein paar Haarnadeln waren aber von Nöten, da mir einige Strähnen sonst ins Gesicht fallen würden. Doch es fiel nicht wirklich auf. Kurz vor sechs war ich dann endlich fertig und drehte mich noch einmal vor dem Spiegel und befand, dass ich so gehen konnte. Mein Verlobter hatte sich in dem Gästezimmer umgezogen und als ich die Treppe hinunter ging, stand er dort am Fuße und seine Augen wurden groß.
„Mi sol, du siehst … hinreißend aus.“ Und sein Blick glitt über meinen Körper und blieb dann grinsend an meinem Ausschnitt hängen. „Das Tuch ist aber nicht der Plan gewesen, Alex.“ meinte er mit dunkler Stimme. „Aber ich fühle mich sonst etwas nackt so ohne und...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Darüber reden wir dann später, mi sol.“ kam es in diesem Befehlston und da wusste ich, was mich erwarten würde. Doch ich freute mich schon darauf.
Die Gäste trafen fast alle Zeitgleich ein und das machte das Begrüßen einfach, so blieben wir nämlich einfach gleich hier an der Treppe stehen. Die Bassiters und Hemslows waren als erste eingetroffen. Die obligatorischen Handküsse und Knickse und man beäugte mich sehr kritisch. Auch Eheleute Whittner warfen mir interessierte Blicke zu, Mrs. Donovan sah mich allerdings etwas säuerlich an, warum auch immer. Sie war noch relativ jung und ihr Ehemann... war halt alt. Dann traten die Eheleute Doyle ein und mir klappte der Mund auf. Mr. Doyle war ein kleiner Mann der mir bis zum Ausschnitt reichte und seine Frau war etwas größer als ich. Zusammen gaben sie ein seltsames Paar ab, aber sie begrüßten mich freudig und was soll ich sagen, sie waren mir gleich sympathisch. William samt Gattin und Master Pitcairn mit Frau erschienen als letzte.
Zuerst wurde der Aperitif im Salon gereicht und man unterhielt sich über den neuesten Klatsch und Tratsch. Ich muss gestehen, ich klammerte mich regelrecht an Haytham, ich war plötzlich wahnsinnig unsicher und ängstlich. Die Vorstellungsrunde begann dann aber noch und mir wurden vielen Fragen gestellt. Unter anderem woher ich meinen Verlobten kannte und da kam mir das Gespräch bei Lady Melanie wieder in den Sinn und ich tischte diese Geschichte mit meinem erfundenen Vater auf. Dann wurde mein Verlobter gefragt, wann denn die Hochzeit anstehen würde, weil man ja schon so lange verlobt sei.
Er sah mich liebevoll an. „Wir haben uns für März entschieden. Mrs. Frederickson sollte sich erst einmal hier richtig eingewöhnen, wir waren sehr lange getrennt.“ gab er von sich und tätschelte meinen Arm. Damit gaben sich die Gäste zufrieden und nun war auch das Essen serviert und wir nahmen im Esszimmer Platz. Ich war dankbar, dass ich neben Master Johnson sitzen konnte, den kannte ich wenigstens schon und seine Frau war mir ja eh sehr sympathisch, genau wie die Eheleute Pitcairn.
Während des Essens wurde natürlich alles geschäftliche und politische außen vor gelassen und ich musste in mich hinein grinsen. Die Gespräche waren mehr als Geplänkel und auch der ein oder andere anzüglich Witz wurde gemacht. Und ich hatte mir Gedanken über meine Manieren bei Tisch gemacht, das war völlig unnötig, es war tatsächlich sehr angenehm in dieser Gesellschaft.
Gegen 21 Uhr standen die Frauen auf und verabschiedeten sich, um in den Salon zu gehen. Mein Verlobter hatte mich diesbezüglich schon aufgeklärt und ich folgte den Damen, wenn auch etwas missmutig. Doch Haytham sah mich aufmunternd an und wandte sich dann an seine männlichen Geschäftspartner.
Als ich nun so zwischen diesen ganzen Ehefrauen saß, überkam mich Panik. Jetzt war ich alleine und musste mich beweisen! Ich hatte noch nicht ganz Platz genommen, da donnerten die Fragen auf mich ein. Wann denn unser Nachwuchs geplant sei, ob ich denn auch schon über die Hochzeit nachgedacht hätte und diese auch ordentlich geplant hätte. Ob ich schon ein Kindermädchen im Auge hätte und und und … Es war eine Flut aus Wörtern und ich bemühte mich, sie alle zu beantworten.
Irgendwann nahm mich Mrs. Johnson zur Seite und meinte zu den anderen, sie sollten mich auch einmal zu Atem kommen lassen und führte mich hinaus. Erst in diesem Moment spürte ich, dass mir schwindelig und schlecht war. Sie ging mit mir auf die Terrasse, wo ich mich auf einen der Korbstühle dankbar fallen ließ. „Mrs. Frederickson, ihr dürft ruhig sagen, wenn euch nicht wohl ist. Ihr müsst nicht die Zähne zusammen beißen, wir wissen alle, dass wir uns ab und an nicht ganz gut fühlen.“ meinte sie jetzt leise und fürsorglich. „Danke Mrs. Johnson, aber ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir schlecht wurde. Es ist in den letzten Tagen seit meiner Anreise so viel geschehen, dass ich noch gar nicht wirklich zum Nachdenken kam. Und erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mit meinem Verlobten auch noch keine richtige Gelegenheit hatte, etwas zu planen.“ meinte ich jetzt entschuldigend.
„Und ihr werdet sicher auch noch eine Weile brauchen. Man muss sich wieder aneinander gewöhnen.“ lächelte sie mich an. „Geht es wieder, Mrs. Frederickson?“ fragte sie jetzt und ich bejahte die Frage. „Ich würde trotzdem gerne noch einen Moment an der frischen Luft bleiben!“ Sie blickte mich immer noch etwas besorgt an. „Soll ich Master Kenway holen?“
„Nein, bemüht ihn nicht. Es geht schon wieder und ich danke euch, dass ihr mich gerade schon fast gerettet habt, Mrs. Johnson.“ und ich war ihr wirklich dankbar. Sie blieb noch einen Moment mit mir hier draußen, obwohl ihr eigentlich auch ziemlich kalt sein musste. Als wir wieder im Salon eintrafen, sahen die Damen mich alle besorgt an. Und prompt kam die erste, die die Vermutung aufstellte, ich sei guter Hoffnung. Bitte... nicht das. Ich war nicht schwanger und da war ich mir ziemlich sicher.
Es ging weiter, dass man mich so langsam in die Geheimnisse hier einweihte und mich an dem ganzen Tratsch teilhaben ließ. Diese Frauen hatten es wirklich Faustdick hinter den Ohren und ihre Andeutungen welche Magd mit welchem Aufseher im Bett war, waren schon sehr detailliert. Langsam entspannte ich mich und hörte einfach aufmerksam zu und gab ab und an ein geschocktes „Nein, nicht doch!“ von mir.
Endlich gegen Mitternacht wurde ich erlöst, die Herren hatten ausgiebig auf den Hausherrn angestoßen und waren der Meinung, dass es nun Zeit sei, aufzubrechen. Die beiden Ehepaare Pitcairn und Johnson würden über Nacht im Gästehaus bleiben, da der Rückweg zu weit wäre. Sie würden morgen früh mit uns zusammen aufbrechen.
Nachdem alle anderen verabschiedet wurden und die nächsten Essen schon in Planung waren, ging ich müde in den Salon und ließ mich aufs Sofa fallen. Ich schnappte mir mein Glas mit dem Portwein und starrte gedankenverloren ins Feuer. Plötzlich legte sich eine Hand auf meinen Oberschenkel und ich zuckte zusammen. „Haytham, musst du dich immer so anschleichen!“ maulte ich ihn an, ich hatte wirklich fast einen Herzinfarkt. „Verzeih mir, aber ich wollte dich nicht erschrecken. Du hast nur gerade wunderschön ausgesehen, wie der Feuerschein auf deinem Gesicht zu sehen war und du wieder so weit weg warst.“ er sah mich liebevoll an und in seinen Augen spiegelte sich Verlangen wieder.
„Danke, mi amor.“ brachte ich nur raus, stellte mein Glas auf den Tisch und küsste meinen Templer. Aus diesem Kuss wurde mehr und ehe ich mich versah, lag ich vor dem Kamin unter ihm und genoss den Rausch den er mir bescherte. Es gab keine Belehrungen, keine Lektionen, nur wir beide wollten uns und das war genug und ich fühlte mich geborgen.
Ich konnte sein Kompliment nur an ihn weitergeben, dieses Flackern des Feuers in seinen Haaren, ließen sie aussehen wie lebendig geworden! Nachdem wir beide wieder im wahrsten Sinne des Wortes zu uns kamen, erhoben wir uns. Es war schon recht unbequem auf dem Boden und das Bett rief nach mir. Ich zog Haytham einfach hinter mir her und ich war ihm dankbar, als er mich aus dem Kleid gepellt hatte und ich endlich liegen konnte. „Das war ein wirklich anstrengender Abend, mi amor.“ gab ich müde von mir. „Haben dich die Frauen nicht in Ruhe gelassen, mi sol? Ich hoffe, es war nicht allzu schlimm. Ich habe nur gesehen, dass du mit Mrs. Johnson kurz draußen warst, ging es dir nicht gut?“
„Ich selber hatte gar nicht gemerkt, dass mir schwindelig wurde, sie hat mich dann einfach, naja, gerettet. Ich mag Mrs. Johnson, sie ist unglaublich nett. Wir sollten die beiden einmal besuchen gehen.“ nuschelte ich schläfrig. „Ja, das sollten wir tun, mi sol. Und jetzt schlaf. Wir müssen morgen früh aufstehen!“ erinnerte mich mein Verlobter und nahm mich in den Arm und gab mir noch einen langen Kuss auf meine Wange.
Diese Finger wanderten an meinem Rücken entlang und warme Lippen folgten ihnen. Wohlig seufzend schlug ich die Augen auf, drehte mich um und schlang meinen Arm und mein Bein um meinen Verlobten. „Da bist du ja wieder, mi sol.“ kam es rau aus seiner Kehle. „Ich glaube ja. Aber ich bin mir noch nicht sicher.“ meinte ich leise.
„Was ich fühlen kann, lässt mich hoffen, dass du ganz da bist...“ raunte er an meinem Ohr und seine Finger wanderten tiefer zwischen meine Schenkel. Eine Gänsehaut überlief meinen Körper, ich öffnete mich und zog Haytham zu mir. In seinen Augen aber war nicht dieses fordernde Verlangen, sondern es war friedlicher und genauso fühlte es sich an. Auch waren meine Hände frei und ich hielt meinen Templer umschlungen. Wir verloren uns beide in dieser Ruhe und genossen den jeweils anderen, es war... ja es war einfach beruhigend.
„Mir ist gestern etwas klar geworden.“ meinte Haytham plötzlich, als er mich in seine Arme zog. „So, was denn? Ich hoffe, ich darf immer noch bleiben?“ meinte ich grinsend. „Ja, darauf bestehe ich immer noch! Aber... es ist einfach sehr turbulent zugegangen und... ich weiß überhaupt nicht, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist und ich... habe dir auch nichts erzählt. Das sollten wir nachholen, findest du nicht?“ fragte er mich lächelnd.
„Genau das gleiche dachte ich gestern auch schon, als mich Mrs. Johnson nach draußen begleitete. Wir werden die nächsten Tage sicherlich genügend Zeit haben, mi amor.“ und gab ihm einen Kuss auf die Brust. „Die werden wir haben, das stimmt.“ lachte er und in seinen Augen lag eine Ruhe, die sich auf mich selber übertrug. Es war so ähnlich, wie an dem Tag damals, als er mich zur Jackdaw brachte, mein Templer ruhte in sich selber!
„Müssen wir wirklich schon aufstehen, Haytham? Es ist gerade einmal hell geworden und es ist kalt.“ nölte ich rum und kuschelte mich an seine Schulter. „Ja, es muss leider sein, also... raus aus dem Bett!“ und seine flache Hand landete auf meinem Po.
Für den Antritt der Fahrt hatte ich ein dickes, dunkelblaues Wollkleid ins Auge gefasst und die dickeren Strümpfe. Mein Wollumhang hing noch unten. Die Truhen würden gleich während wir frühstückten geholt werden. Ich ging noch einmal in mein Arbeitszimmer und nahm auch noch mein Tagebuch in die Hand und packte die Recherche-Mappe in die gesicherte Truhe. Danach konnte ich beruhigt hinunter gehen.
William saß mit blassem Gesicht am Tisch, während seine Gattin versuchte ihm wenigsten Tee einzuflößen, während die Pitcairns sich bereits über ihre Weiterreise nach Boston unterhielten. Das Frühstück fiel etwas ruhig aus, aber das war mir auch ganz recht. Bei der Verabschiedung vereinbarte ich mit Mrs. Johnson ein Treffen im Februar, wenn wir wieder zurück sind und Mrs. Pitcairn freute sich schon auf unsere Hochzeit im März.
Fragend sah ich Haytham an, doch er drückte nur meinen Arm und ich hörte ihn in meinem Kopf sagen. „Ich habe schon alles mit Master Johnson besprochen. Er wird mit seiner Frau im Arsenal sein und uns trauen. Die beiden sind dann passender Weise gerade in New York.“ Dann hätten die beiden doch auch mit uns gemeinsam reisen können, doch ich verwarf den Gedanken. Sie hatten sich sicherlich etwas dabei gedacht.
Und so stiegen wir in die Kutsche und fuhren zur Anlegestelle, wo meine Jackdaw bereits auf mich wartete und die Mannschaft natürlich. Für einen kurzen Moment stand ich da und betrachtete die Brig. „Alex, ist alles in Ordnung?“ fragte mich mein Templer etwas besorgt. „Ja, natürlich, mi amor. Aber... dieser Anblick, wenn sie voll getakelt ist, auch wenn sie noch nicht unter vollen Segeln steht, ist … großartig. Verzeih mir, ich bin manchmal sehr merkwürdig!“ grinste ich ihn beschwichtigend an und ich bekam ein Lachen zurück. „Nein bist du nicht, ich weiß auch von Master Cormac, dass er so über seine Morrigan denkt.“ er drückte mich kurz und nahm dann meine Hand und wir gingen an Bord. Dort begrüßten wir den neuen ersten Maat. Es war Mr. Hargreaves, so hatte ich es beschlossen, er machte einen guten Eindruck, war höflich und sehr belesen.
Als alles verstaut war, gab ich vorsichtig den Befehl zum Ablegen und halbe Segel. Doch die Mannschaft reagierte sofort und hatte keine Scheu, Befehle von mir anzunehmen. NOCH nicht, dachte ich für einen kurzen Moment.
Wir nahmen Fahrt auf und in mir breitete sich eine wohlige Vorfreude aus. Bald würde ich meine Freundin wiedersehen, ich könnte sie ENDLICH wieder in den Arm nehmen. „Alex... das offenen Buch!“ mahnte mich Haytham plötzlich und ich sah ihn erschrocken an. „Entschuldige, ich... sollte mich wohl doch noch mehr zusammenreißen.“
Die Jackdaw wendete langsam um die kleine Insel inmitten des James-Rivers und segelte dann wieder Flussabwärts Richtung Chesapeake-Bay. Ich schritt jetzt über mein Schiff und nahm es wieder in Augenschein und sprach hier und da mit einem Besatzungsmitglied. Sie alle waren froh, eine Arbeit zu haben, das konnte ich bei allen hinaus hören. Es waren wirklich harte Zeiten gerade, die meisten Männer hier hatten Familie und mussten sie über Wasser halten. Ich konnte ihre Ängste nachvollziehen, auch wenn sie hier etwas anders waren als in meiner Zeit. Hier gab es keine soziale Unterstützung oder ähnliches, wer Arbeit hatte, konnte sich glücklich schätzen.
Dieses mal hatte ich den Eindruck, als würde der Weg länger dauern als die Hinfahrt. Doch ich mag mich auch täuschen. Als ich Mr. Hargreaves darauf ansprach, meinte er nur, dass sie jetzt auf der flacheren Seite des Flusses agieren mussten und deshalb nur langsam voran kämen. „Er hat Recht, die Brig hat zu viel Tiefgang und könnte auflaufen! Dieser Mann weiß was er tut, keine Sorge, Alex!“ Ein kurzer Satz des Vorbesitzers, welcher mich aber beruhigte.
Ich stand in den späten Nachmittagsstunden, kurz bevor wir aus dem Fluss auf die Bay segelten, am Bug und mein Verlobter hielt mich im Arm. Es war ziemlich kalt, doch es ließ sich noch aushalten. „Vermisst du meinen Vater?“ fragte mich Haytham und ich dachte kurz, ich hätte ihm darauf schon einmal eine Antwort gegeben. Doch ich konnte ehrlich antworten... „Ja, ich vermisse ihn. Edward war wie ein... guter Freund für mich und es war einfach eine Verbindung zwischen uns, welche ich nicht erklären kann.“ meinte ich dann mit einem fragenden Blick an meinen Templer.
„Nein, ich bin nicht eifersüchtig, aber es interessiert mich einfach, ob wir beide diesen Menschen gleichsam vermissen!“ meinte er nur. „DU wirst ihn anders vermissen, als ich, Haytham. Er ist dein Vater und für mich ist er ein Vertrauter geworden in den Jahren!“ etwas gedankenverloren sah ich hinaus auf den Fluss. Es wurde allmählich dunkel und ich hoffte, dass es kein zu großes Risiko war, im Winter solche Strecken zu segeln, wobei es nicht allzu weit war.
In der Messe aßen wir zu Abend und ich muss sagen der Smutje hatte einiges drauf! Aus den einfachen Dingen hatte er es geschafft, alle satt zu kriegen und es schmeckte himmlisch. Insgeheim musste ich mir eingestehen, dass ich selber kein großes Kochtalent hatte. Dieser Tag endete einfach nur ruhig und gegen 21 Uhr fuhr die Jackdaw in die Chesapeak-Bay ein. Sofort konnte man spüren, dass der Wellengang anders wurde und mir wurde etwas mulmig im Magen.
Nach 20 Jahren wieder auf... naja, offener See war es NOCH nicht ganz, aber annähernd, dennoch... es war ungewohnt. Ich versuchte mich abzulenken, doch so wirklich klappen wollte es nicht, also legte ich mich einfach schlafen. Haytham saß noch eine Weile am Schreibtisch und schrieb in seinem Tagebuch. Irgendwann legte er sich zu mir und umschlang mich, aber er war eiskalt und ich erzitterte und wollte ihn von mir schubsen. „Na na... So schlimm bin ich nun auch wieder nicht, Mrs. Frederickson.“ meinte er tadelnd. „Doch, das seid ihr, Master Kenway! Ihr fühlt euch wie ein Eisblock an!“ aber all mein Flehen und Sträuben brachte nichts... er holte sich, was er verlangte, ohne Widerworte und einige Hautpartien wurden von seinen Händen erwärmt, was ich dann doch durchaus begrüßte!
Unter die Decken und Felle gedreht, sah ich zu ihm auf und gab ihm einen langen Kuss. „Danke, mi amor, für die Wärme!“ ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Dafür nicht, mi sol. Du sollst in meiner Gegenwart nicht frieren müssen!“ und er drückte sich an mich.
Ich erwachte frierend, mir war übel und ich war alleine! Zustände wie ich sie nicht haben wollte und ich schaffte es gerade noch so über einen Eimer, der neben dem Schreibtisch stand! Mir lief es eiskalt den Rücken runter... war ich etwa doch schwanger? Aber... das war unmöglich... man hatte mir vor einigen Jahren gesagt, dass ich so nicht mehr schwanger werden könne auf natürlichem Wege. Langsam beruhigte ich mich und trank einen großen Schluck von dem Wasser aus dem Krug auf meinem Schreibtisch. Es war eiskalt und meine Zähne taten mir weh... Bei Odin... der Tag fing ja wirklich gut an...
Langsam realisierte ich, dass die Übelkeit von diesen stark schwankenden Bewegungen kam. War ich wirklich nichts mehr gewohnt? Ich hätte mir in diesem Moment gerne selber in den Hintern getreten, vielleicht sollte ich meinen Verlobten später bitten, dass für mich zu übernehmen, ER würde mir dabei sicherlich mehr als gerne behilflich sein!
Ich fischte praktische Kleidung aus einer meiner Truhen und zog mich an. Ich muss sagen, Magda hatte sehr durchdacht gepackt, ich wusste ohne großes Überlegen, wo sich was befand. Also war es mein Meisterassassinen-Ornat welchen ich mir überzog. Dieser hielt mich warm und behinderte mich nicht in meinen Bewegungen. Doch ich konnte mir den Blick von meinem Templer schon genau vorstellen... rollende Augen und dieses „muss das sein“ Es war mir aber egal, nackt wäre es noch schlimmer!
Dann trat ich aus der Kajüte an Deck und es war nebelig... einfach... nebelig... ich sah kaum meine Hand vor Augen und das hier auf dem Schiff. Es war unheimlich und ich musste unwillkürlich an „The Fog – Nebel des Grauens“ denken, das machte die Sache jetzt nicht unbedingt besser.
Als ich hinauf zum Ruder ging, sah ich schon Haytham dort stehen. Brauchte dieser Mann eigentlich gar keinen Schlaf?, fragte ich mich mal wieder stirnrunzelnd. „Mi sol, du bist auch mal wach, das freut mich!“ meinte er amüsiert und ich hörte Edward aus diesen Worten. Der war auch diverse Male genauso erstaunt über mein Erwachen. Das musste in der Familie liegen. Das tut es, Alex, das tut es. Er ist in seinem Element! Haytham ist auf der Jackdaw, er ist dort, wo er sich oft erträumt hatte zu sein. Jennifer hatte ihm den Mund wässrig mit ihren Erzählungen gemacht... und jetzt endlich, kann er meine Brig oder besser UNSERE Brig auch sehen und fühlen! Das war es, was ich dir versucht habe zu erklären. Mein Sohn braucht Erinnerungen, um sich auf seine Wurzeln beziehen zu können. Er braucht es, um Orden und Bruderschaft zu vereinen. Wir sind auf einem guten Weg! hörte ich meinen Piraten im Kopf und mir stiegen die Tränen in die Augen.
„Edward, ich habe immer noch Angst, dass ich... dass... ich musste die Jackdaw noch einmal sinken lassen! Ich will sie nicht noch ein weiteres Mal in Wirklichkeit so sehen! Kommen wir unbeschadet in New York an?“ fragte ich ängstlich... ein ungutes Gefühl beschlich mich plötzlich.
„Nein, nicht ganz unbeschadet. Es haben leider einige Assassinen Wind davon bekommen, dass man den Großmeister ungeschützt mit seiner Verlobten auf dem Weg nach New York überfallen könnte!“ meinte er nur trocken.
„Und das soll mich jetzt beruhigen? Bist du eigentlich noch ganz bei Trost? Könntest du nicht einfach solche Informationen etwas früher auf uns loslassen? Gerade jetzt in diesem Nebel...“ doch ich konnte nicht weiter sprechen. Er deutete auf das Heck und auf die Backbordseite... „Schiffe... sie nähern sich... vertraue jetzt erst einmal auf Haytham. ER hat sie schon bemerkt, sein Sinn ist sehr weit ausgeprägt mittlerweile.“ und weg war mein Pirat damit....
Ich trat neben meinen Verlobten und sah ihn fragend an. Ja, ich habe sie bereits bemerkt! Das beruhigte mich auf eine gewisse Art. „Haytham, wir sollten etwas tun. Sie sind hinter dir her und das erst so kurz nach unserem Aufbruch. WER hat ihnen diese Informationen gegeben? Man lauert ja nicht bei dieser Witterung Tagelang oder Wochenlang in einer Bucht!“
„Nein, das sicherlich nicht. Aber ich habe eine Vermutung, Jones und Zoe schienen auf etwas zu warten!“ meinte er nur und ich sah ihn fragend an. „Dann erleuchte mich doch bitte Haytham, ich weiß nicht, wovon du sprichst!“ gab ich jetzt patzig von mir. Wie ich es hasste, wenn man diese kryptischen Aussagen an mich weitergab!
„Jones hatte, als du eine Weile wieder fort warst, um einige Wochen Beurlaubung gebeten. Als er wieder zurückkam, hatte er seine Nichte im Schlepptau. Mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, dass sie überhaupt verwandt sind, aber das ist eine andere Geschichte. Dieses Mädchen hatte eine seltsame Art an sich mir gegenüber. Sie schien alles, wirklich alles, in sich aufzusaugen. Ob es Worte waren oder einfach Gesten. Ich sah es einfach und habe des öfteren meinen Sinn eingesetzt. Völlig neutrales blau und ich dachte mir nichts dabei. Erst als wir sie beide fortgeschickt haben, kam mir der Gedanke, dass doch mehr dahinter steckte.“ ich sah Haytham immer noch fragend an, weil ich nicht nachvollziehen konnte, was jetzt so ungewöhnlich daran war.
„Es war, als würde ich an ihrem Körper ein Symbol in Gold erkennen. Es leuchtet schwach an ihrer rechten Seite vom Bauch. Doch was es genau war, konnte ich nicht ausmachen!“ Mir schoss die Aussage von Yannick in den Kopf, als er das Amulett bei seinem Vater wahrnahm. „War es... wie eine Kette, oder wie ein Amulett? Sah es so ähnlich aus?“ fragte ich vorsichtig.
„Es war … rund … doch ich konnte nichts weiter ausmachen.“ er sah mich fragend dabei an. „Yannick hatte so etwas bei Marius gesehen und es war ein Amulett wie deines, jedoch leuchtete es grünlich... Haytham... ich habe gerade Angst, dass es noch mehr von diesen Wesen geben könnte... noch mehr von diesen Runenringen... Dieses Amulett bedeutet, dass jemand von so einem Wesen besessen sein könnte... aber ich habe doch alle beisammen...“ ich lehnte mich frustriert an die Reling und sah aufs Meer.
Und seine logische Antwort auf meine unausgesprochene Frage war „In DEINER Zeit! Ja, da hast du sie gebannt... aber hier? Doch ich würde zu gerne wissen, was es damit auf sich hat... du hattest Faith bereits erzählt, dass es mit den nordischen Göttern zu tun hat?“
„Genau das hat es auch!“ ich atmete tief durch und fing an zu erzählen, wie es sich mit Marius verhielt. Doch das wusste er schon und ich ging dazu über, Haytham von Marie und der Parallel-Welt zu erzählen. „Ich habe sie dann einfach mitgenommen, ich konnte Marie nicht dort lassen, du hättest sie sehen sollen. Es war grausam. Der Shay dort hatte ein riesiges Blutbad angerichtet und hatte ihr alles genommen. JEDEN Verbündeten und dann brach er einfach nach Europa auf ohne weitere Erklärung!“ Haytham starrte aufs Meer und ich konnte spüren, dass er genau wie ich auch damals, mit dieser Assoziation Probleme hatte. Es war nicht UNSER Shay... es war ein anderer... „Das weiß ich, dennoch... es fällt mir schwer ihn so zu sehen.“
„Das ist es, glaub mir. Auch ich hatte... so meine Probleme... Haytham... ich... es war grausam!“ und ich schlang einfach meine Arme um ihn und er wusste, was ich meinte. „DU würdest so eine Tat nie begehen! Das weiß ich und du wirst auch nie wieder so ein Bild vor Augen bekommen!“
Mit einem Male brüllte der Ausguck, dass er ein Verfolgerschiff sah, welches sich angeblich Schussbereit machte! Am Heck konnten wir jetzt tatsächlich ein Schiff ausmachen, ein ziemlich großes sogar! Es war eine Fregatte mit Namen HMS Iron Duke. Mir sagte der Name jetzt leider nichts, ich kannte mich mit der britischen Marine einfach nicht so aus. Doch mein Verlobter wusste es und fluchte laut.
„Das darf nicht wahr sein, wie kommt dieses Schiff hierher? Sie sollte eigentlich schon längst auf dem Grund des Atlantik liegen!“ polterte er los und ich sah ihn erschrocken an. Gab es noch mehr solcher Geisterschiffe wie meine Jackdaw? War ein anderer ebenfalls durch die Zeit gereist? Ich hoffte, es gäbe eine einleuchtende und bodenständigere Erklärung dafür. „Wem gehört dieses Schiff?“ fragte ich vorsichtig, erntete aber einen wütenden Blick von Haytham. „Keinem geringerem als dem Namensgeber der Fregatte. Dem Duke of Ironside! Königstreu und Meisterassassine mit einer riesigen Bruderschaft unter sich, welche sich derzeit über die Kolonien verteilt, wie eine Plage!“ seine Wut war förmlich zu spüren.
Ich stand immer noch sehr ratlos neben ihm. „Ich habe nie von ihm gehört, so wie du ihn schilderst, hätte er doch in unseren Chroniken auftauchen müssen!“ von so einer schillernden Persönlichkeit musste etwas hängen geblieben sein.
„Du kannst halt auch nicht alles wissen!“ und damit drehte er sich um und ging unter Deck! Ich stand wie bestellt und nicht abgeholt bei meinem neuen ersten Maat und starrte meinem Verlobten hinterher. „Schönen Dank auch!“ sagte ich schmollend und wollte ihm hinterher. Noch war diese Fregatte nicht nah genug, als dass sie eine Bedrohung darstellte.
„Alex, bring Haytham zur Vernunft. In dieser Wut fällt er wahrscheinlich übereilte Entscheidungen, welche fatal wären. Diese Fregatte könnt ihr besiegen, seid einfach schneller als sie. Mein Schiff hat schon ganz andere Kämpfe hinter sich gebracht.“
„Hattest du nicht von mindestens zwei Schiffen gesprochen?“ fragte ich Edward jetzt, vorhin hatte er das erwähnt, oder nicht? „Ja, das andere ist aber ein kleines Kanonenboot und für die Jackdaw keine echte Gefahr. Und jetzt sieh zu, dass du zu deinem Verlobten kommst, ehe er euch ins Unglück stürzt!“
Plötzlich fühlte ich ihn wieder und ich konnte sein Denken über eine Strategie und einen Schlachtplan förmlich vor mir sehen. Wir mussten die Brig wenden und mit einer Breitseite schon einmal auf die Iron Duke schießen. Dann längsseits gehen und wieder mit einer vollen Ladung schießen. Wenn wir dann hinter sie kamen, konnten wir wieder wenden und sie von der anderen Seite in die Mangel nehmen. So schnell könnte sie nicht nachladen, geschweige denn, so schnell manövrieren. Die Jackdaw war einfach leichter und kleiner und daher auch wendiger.
„Danke!“ meinte ich nur und rannte unter Deck hinter Haytham her.
Ich fand ihn bei einem der Kanoniere, mit welchem er besprach, was er sich so gedacht hatte. „Wir werden versuchen hinter dieses Monster zu gelangen und sie dann soweit schwächen, bis wir ihr die Breitseiten verabreichen können.“ sagte er gerade in seiner üblichen kalten Templerart und ich hatte Angst, dass ich nicht zu ihm durchdringe.
„Haytham, stopp. Warte mal. Ich hätte da eine schnellere Lösung, wie wir sie nachhaltiger schwächen können...“ doch er ließ mich nicht ausreden und sah mich nur belustigt an. „Alex, ich weiß, was ich hier tue und glaub mir, ich habe wohl mehr Erfahrung...“ „Jetzt hör mir mal zu, Junge! Ich weiß sehr wohl, dass du einige Schlachten bereits hinter dir hast. Aber du wirst dich auf deine Verlobte jetzt verlassen, ihr werdet die Brig sonst in ein frühes Grab bringen!“
„Aber...“ doch er unterbrach sich selber und sah mich wütend an. „Also schön, was schlägst du vor?“ ich bat ihn, mit an Deck zu kommen und orderte die Mannschaft, damit ich den Plan besprechen konnte.
Sie alle sahen mich plötzlich nur fragend an, da war sie, die geballte Männlichkeit, welche keine Meinung von einer Frau zuließ, wenn es um Gefechte ging. Doch ich wurde in meiner Art so kalt, dass ich sogar mit einer anderen mir selber fremden Stimme die Befehle brüllte. Und was soll ich sagen, sie spurten und gingen alle auf ihre Posten.
Und das gerade noch rechtzeitig, mittlerweile war uns die Iron Duke ziemlich nahe gekommen und der Nebel hatte sich weiter gelichtet. Das Kanonenboot war aber jetzt weit abgeschlagen hinter der Fregatte.
Die Jackdaw drehte jetzt und als sie quer zum Assassinen-Schiff stand, gab ich den Befehl für die erste Salve und sie saß perfekt. Die Kanonen waren gut ausgerichtet worden und ich war regelrecht in einem Rausch. Meine Brig drehte weiter und ging längsseits, so wie besprochen.
Dann sah ich, wie die Luken der Kanonen bei dem anderen Schiff geöffnet wurden, und mir wurde doch ein wenig mulmig. Ich ließ mich aber nicht beirren und gab den nächsten Schussbefehl und auch diese Breitseite saß und zerstörte einige Bereiche des zweiten Kanonendecks. Doch auch wir wurden jetzt getroffen, nicht so schlimm wie befürchtet, es sah eher so aus, als würde man auf einen besseren Zeitpunkt warten.
Daneben orderte ich die Schützen für die Puckle-Gewehre und auch sie trafen ziemlich gut und dezimierten die Besatzung an Deck. Mit vollen Segeln ließ ich meine Jackdaw sich hinter die Fregatte setzen und die Salve der Bugkanonaden donnerte auf das Heck der Iron Duke und fetzten einige fiese Löcher hinein. Ich ließ meine Brig jetzt mit der Steuerbordseite wieder längs der Fregatte bringen und wieder donnerten die Kanonen sehr gezielt auf das andere Schiff. Da ich immer noch schneller war, konnte ich mich wieder davor setzen und die nächste Salve ließ ich auf die Assassinen los.
Meine Brig glitt nun mit der Steuerbordseite neben die Fregatte und wieder konnte ich das befriedigende Donnern der Kanonen und die Einschläge hören! Es war berauschend, aber auch beängstigend zu gleich. Immer wieder wurde auch das Deck der Fregatte beschossen, ich musste die Mannschaft dort auch noch halbwegs außer Gefecht setzen.
Doch jetzt war ich unterlegen, die Assassinen hatten die Nase voll und schlugen zurück. Auf dieser Seite des feindlichen Schiffes waren mindestens 20 Kanonen, welche jetzt auf uns gerichtet und schussbereit waren. Ich hörte nur noch die Einschläge und der Rauch um uns verdichtete sich noch mehr und brachte mich zum Husten! „GETROFFEN! WIR HABEN EINE SEKTION DER KANONEN VERLOREN!“ hörte ich es von einem Mann meiner Besatzung! Verdammt!!!!! Und dann vernahm ich noch den Schrei „FEUER!“ einige Männer eilten zu Hilfe.
Ich musste jetzt Abstand schaffen und ließ mein Schiff hinter die Duke gleiten. Aus dieser Position konnte ich sie langsam, Stück für Stück mürbe machen. „Alex, du wirst uns noch versenken!“ schrie mich Haytham an! „Nein, werde ich nicht, du wirst sehen. Es klappt!“ kam es eisig aus meinem Mund!
Meine Befehle prasselten jetzt auf die Mannschaft ein, Gewehre, Kanonen und Bugkanonaden... immer und immer wieder laden und feuern! Die Fregatte änderte ihre Taktik und wollte wenden und sich jetzt so mit einer Breitseite an uns rächen. Doch sie hatten die Geschwindigkeit der Jackdaw unterschätzt und wir wurden zwar getroffen, aber nur von 10 schweren Kugeln. Diese rissen einige unschöne Löcher in mein Schiff, aber die ließen sich reparieren. Noch waren alle Treffer immer oberhalb des Wassers!
Und dann ließ ich die Kanonen anders ausrichten, tiefer! Mir kam der Gedanke, wenn ich unterhalb des Wasserspiegels Schaden bei der Fregatte anrichtete, könnte ich so ein Kentern beschleunigen.
Als ich einem der Kanoniere jetzt unter Deck diesen Befehl erteilte, schrie mein Verlobter mich wieder an, ich würde uns ins Verderben stürzen. Doch ich ließ mich nicht beirren und machte einfach in meinem Tun weiter! Mittlerweile waren auch vier oder fünf Mann mit einigen Reparaturen beschäftigt und das Feuer war bereits gelöscht. Hier herrschte aber kein Durcheinander oder Chaos, es war ein geordnetes Gefecht, würde ich sagen.
Dann schlugen die nächsten Kugeln der feindlichen Fregatte auf mein Schiff ein. Und es schüttelte die Brig ganz schön durch. Ich eilte wieder hinauf und dann, als wir in guter Position waren, ließ ich die neu ausgerichteten Kanonen los. Und sie verfehlten ihr Ziel nicht, ich hörte die Kugeln dumpf ins Wasser schlagen, aber man nahm ein gedämpftes Knirschen von Holz wahr.
Wieder ließ ich meine Brigg hinter der Fregatte in Stellung gehen und wartete einen Moment, bis alles wieder geladen war und ließ mich auf der Backbordseite neben das Assassinen-Schiff gleiten. Die Schüsse fanden wieder ihre angedachten Ziele und jetzt hörte ich zum ersten Mal die erhofften Rufe der dortigen Mannschaft. „Wassereinbruch!“ kam es aus mehreren Mündern.
An Deck hatten wir auch schon gute Arbeit geleistet, doch leider hatte ich keine Zahl, wie stark eine Besatzung einer Fregatte sein könnte. Da ich aber davon ausgehen musste, dass dieser Einsatz geplant war, wären sicherlich nicht nur die üblichen Leute dabei sondern auch noch Kämpfer!
Mit einem Male sah ich, wie das andere Schiff anfing sich leicht auf die Steuerbordseite zu neigen. Nicht sehr viel, aber man sah den leichten Winkel, also nahm sie Wasser auf und das nicht zu knapp. Wie viel Zeit würde mir bleiben, bis sie sinken würde oder so kippen würde, dass wir nicht mehr herunter kamen?
In meinem Rausch verwarf ich aber diesen Gedanken und gab den Befehl zum Entern. „Alex, was tust du? Bist du wahnsinnig geworden?“ immer wieder schrie mich Haytham an und in seinen Augen lag Panik und Wut! „Nein, bin ich nicht, aber ich lasse mein Schiff nicht von solchen Idioten platt machen!“ brüllte ich zurück über den ganzen Lärm, schnappte mir ein Seil und schwang mich hinüber!
Die ersten Männer, die sich mir in den Weg stellten, waren schnell Geschichte, weil ich in völlig erstaunte Gesichter sah. Und mir fiel ein, dass ich ja meinen Meisterassassinen-Ornat trug! Dieses Überraschungsmoment nutzte ich vollkommen aus und ehe sie sich versahen, war fast ein Dutzend der feindlichen Mannschaft erledigt und lag blutend auf Deck.
Mein Weg führte mich weiter auf der Suche nach dem Kapitän, wenn wir ihn zum Reden bringen könnten, dann wären wir in der Lage, auch die anderen Zellen dieser neuen Bruderschaft auszumachen und auszulöschen. Doch in diesem ganzen Getümmel und dem Rauch, war nichts auszumachen, was nach einem Kapitän aussah.
Plötzlich baute sich ein Mann vor mir auf, gerade als ich Richtung Heck und Kapitänskajüte unterwegs war. Er war mindestens eineinhalb Köpfe größer als ich, lange graue Haare und ein vernarbtes böses Gesicht blickte mir entgegen. Sein Ornat war eindeutig das eines Meisterassassinen. „Ihr seid also diese Templerhure an Kenways Seite? Macht euch nicht lächerlich und verzieht euch einfach!“ schrie er mich an und zückte seinen Säbel.
Ich stand kampfbereit vor ihm und ließ mich von seiner Art nicht beirren, ich spürte, er könne mir nicht das Wasser reichen. Meine Augen schlossen sich und ich fühlte diesen Kampfgeist sich in mir ausbreiten. Ich sah in meinem Geist, wie dieser Grauhaarige sich um mich bewegte um herauszufinden, was ich da eigentlich tat. „Vielleicht solltet ihr euch ein wenig beeilen, die Fregatte geht sonst schneller unter, als ihr mich angegriffen habt!“ provozierte ich ihn.
„Ich hatte schon von eurer frechen Art gehört, Miss. Aber ich werde sie euch schon noch austreiben, verlasst euch drauf!“ und damit stürmte er auf mich zu und glaubte sich im Vorteil, weil er von hinten angriff. Doch ich hatte es geahnt und drehte mich mit Schwung um und der folgende Kampf war einer der ersten echten und … ich hatte weder Angst noch Panik. Ich war gewappnet und wusste, ich schaffe es.
Und so war es auch. Dieser Mann hatte gedacht, dass er leichtes Spiel mit mir hätte, doch ich ließ ihm keine Chance. Seine hektischen Schläge teilweise waren einfach lächerlich und ich konnte den meisten ausweichen, oder sie blocken und parieren. Als ich meinen obligatorischen Tritt vors Brustbein erledigt hatte, hörte ich ihn plötzlich schwer atmen und er sackte vornüber.
Langsam schritt ich auf ihn zu und rammte ihm mein Knie ins Gesicht, sein Kopf schoss nach hinten und mich starrten seine dunkle Augen völlig entsetzt an und aus seiner Nase und seinem Mund floss Blut. Plötzlich röchelte er nur noch und hielt sich die Brust! Dann sah ich, dass sich dort ein riesiger Blutfleck ausbreitete und er griff unter sein Hemd.
Als er seine Hand vorsichtig wieder öffnete sah ich, dass er ein Amulett aus Silber trug, welches wie eine Sonne geformt war und bei dem Kampf muss es sich ungünstig gedreht haben, sodass ich es ihm in die Brust getreten hatte. Dann verdrehte er die Augen und fiel vornüber vor meine Füße!
Die Kette landete daneben, ich starrte sie für einen Moment an und nahm sie dann vorsichtig in meine Hände. Ich hatte den Kampf um mich herum komplett ausgeblendet und starrte auf dieses Symbol, ein Sonnensymbol! Es lag golden leuchtend in meiner Hand, es strahlte eine gewisse Wärme aus und ich hatte das Gefühl, davon eingehüllt zu werden. Lass mich hier nicht untergehen, nimm mich mit! Hörte ich eine Stimme in meinem Kopf und schüttelte mich, denn es fühlte sich unbehaglich an. Aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und steckte diese Kette in eine meiner Taschen meines Mantels.
Dann realisierte ich, dass es um mich stiller geworden war und meine leicht dezimierte Mannschaft, es geschafft hatte, den Rest der Assassinen-Mannschaft in Gewahrsam zu nehmen. Ich trat auf diesen Haufen zu und fragte, wer denn der Kapitän war. Alle Augen gingen in die Richtung des toten Grauhaarigen. „Und wie ist sein Name?“ fragte ich so kalt, dass mir selber eine Gänsehaut über den Rücken lief. „Geralt Montegue!“ meinte einer der Männer maulend. Der Name sagte mir mal wieder nichts und ich ließ sie noch einen Moment alleine und verschwand in der Kajüte, um nach anderen aussagekräftigeren Dingen zu suchen.
Es dauerte aber nicht lange, das Logbuch ließ schon einige Schlüsse auf die Ladung, die Ziele und so weiter zu. Dann noch einige Seekarten und ich fand im Schreibtisch von Mr. Montegue seine persönlichen Bücher und Unterlagen. Ich verstaute alles in einer Tasche, welche hier über dem Stuhl hing und gerade als ich wieder hinaus wollte, donnerte die Tür auf und Haytham trat ein.
„Sag mal... was in drei Teufels Namen... Alex... WAS IST IN DICH GEFAHREN!“ brüllte er mich an und kam auf mich zu. Ich grinste ihn nur an. „Kannst du dir das nicht denken?“ meinte ich jetzt schnippischer als ich eigentlich wollte, doch irgendwie war ich auf Krawall gebürstet gerade. Schwer atmend stand mein Templer vor mir und sah mit einer Wut auf mich hinunter, die mir aber seltsamerweise keine Angst machte.
„Was willst du mit der restlichen Mannschaft machen?“ fragte er jetzt trotzig und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Die werden in die Beiboote gesetzt und können zurückrudern. Was dachtest du denn? Wir geben ihnen etwas Proviant mit, der Rest davon geht auf die Jackdaw und wir sollten die Ladung noch kurz inspizieren!“ und erst jetzt realisierte ich, dass ich nicht allein dachte, sondern ein gewisser Pirat sich händereibend in meinem Kopf breitgemacht hatte!
Ich ging einfach an meinem Verlobten vorbei und hinaus auf Deck. Dort befahl ich 5 meiner Leute für den Proviant zu sorgen. Dann wurden die Beiboote klargemacht und ich erntete vernichtende Blicke von der feindlichen Crew, doch es war mir egal. Wir mussten uns langsam beeilen, die Fregatte hatte mittlerweile schon eine ganz schöne Schieflage. Mit zwei weiteren meiner Besatzung ging ich unter Deck und versuchte wenigstens etwas von der Ladung zu bekommen, doch sie war verrutscht und schon unterhalb des Wasserspiegels, also nicht mehr zu gebrauchen. Es war hauptsächlich Tee und Tabak, aber man hätte ihn sicher weiter verhökern können, wenn er nicht schon durchgeweicht wäre! Also ging ich unverrichteter Dinge wieder hinauf und sah, dass das Oberdeck bereinigt war.
„Und jetzt alles wieder auf die Jackdaw. Wir werden die Iron Duke versenken, macht die Kanonen bereit!“ brüllte ich meiner Mannschaft zu und schwang mich wieder auf meine Brig. Seltsamerweise war dieses Kanonenboot nicht zu sehen und ich befürchtete, dass es sich aus dem Staub gemacht hat, nur um Bericht erstatten zu können!
Wieder auf meinem Schiff atmete ich tief durch und wartete, bis die feindliche Fregatte leer war, dann gab ich die Anweisung für die Kanoniere, sie zu versenken! Als ich die Einschläge hörte, war es wie eine Befreiung und ich war unendlich erleichtert. Jetzt mussten nur noch die Schäden an meinem Schiff behoben werden, so gut es halt hier gerade ging.
Mit einem Mal zog mich jemand hinter sich her und in meine Kajüte! „Alex, es reicht jetzt! Was bitte hast du dir dabei gedacht? Du hättest mich in deine Pläne einweihen müssen!“ schrie er mich mal wieder an. Doch jetzt reichte es mir und ich polterte zurück. „Nein, du hörst MIR zu! Ich wusste, was ich da tat, ich war nicht alleine. Vergiss das nicht! Ich konnte es regelrecht fühlen, dass es klappt! Und dieser Geralt Montegue war nun wirklich kein Gegner...“
„Verstehst du nicht, was ich meine? Ich hatte Angst um dich! Es hätte sonst was passieren können und du bist einfach ohne Warnung drauf losgestürmt!“ kam es jetzt immer noch laut, aber etwas friedlicher über seine Lippen. „Doch, das verstehe ich. Aber ich WUSSTE dass mir nichts passieren wird, Edward war die ganze Zeit dabei! Haytham, ich … kann es dir vermutlich nicht begreiflich machen, doch wenn ich so wie gerade agiere, dann bin ich nie alleine! Vertrau mir bitte!“ meinte ich jetzt mittlerweile erschöpft, weil das Adrenalin aus meinem Körper wich und mein Pirat sich auch zurückgezogen hatte.
Haytham sah mich immer noch ziemlich wütend an, schüttelte den Kopf und fing plötzlich an, mich hin und her zudrehen, so als wolle er schauen, ob wirklich noch alles an mir dran war! „Ähm... ich bin noch ganz, Haytham. Mir fehlt wirklich nichts. Ich werde nur ein paar heftige blaue Flecken morgen haben...“ lächelte ich ihn jetzt versöhnlich an.
„Diese Angst um dich war unerträglich, mi sol!“ damit riss er mich an sich und küsste mich einfach! Und er wird diese Angst noch oft zu spüren bekommen, bis er gelernt hat, dir zu vertrauen! Warum musste Edward gerade jetzt in meinen Kopf huschen. Verzeihung, ich bin schon weg. Danke!
„Und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein, mi amor. Wenn ich an deiner Seite kämpfen soll, dann... wirst du oder besser werden wir uns auf einander verlassen müssen. Deswegen ist unsere Art der Kommunikation so wichtig!“ und mir fiel plötzlich ein, dass ich ihn wirklich nicht ein einziges Mal über meinen Zustand in Kenntnis gesetzt habe. „Verzeih mir, dass ich dich überhaupt nicht beachtet habe. Bei Odin, ich war in einem Rausch und es war mir nicht möglich, auch noch daran zu denken!“ gab ich etwas entsetzt von dieser Erkenntnis von mir.
„Dachte ich mir schon, aber daran sollten wir noch dringend arbeiten, Alex.“ Seine Augen hatten jetzt endlich wieder diesen warmen Glanz und ich konnte mich etwas beruhigen. Für einen Moment standen wir Arm in Arm in meiner Kajüte, ohne ein Wort zu sagen und fühlten wie wir ruhiger wurden.
„Ich sollte jetzt mal nach den Schäden schauen und überlegen, wie weit man sie hier auf offener See beheben kann.“ meinte ich leise. „Soweit ich es sehen konnte, brauchen wir einiges an Holz, aber ich gehe davon aus, dass wir so notdürftig repariert bis nach New York kommen sollten. Es sei denn, du möchtest dich jetzt auch noch mit einem Kriegsschiff anlegen?“ kam es provozierend von Haytham und ich stupste meinen Ellbogen in seine Seite.
„Nein, keine Sorge. Mein Bedarf an Kämpfen ist fürs erste gedeckt, ich hätte jetzt lieber ein warmes Bad und … dich“ nuschelte ich verlegen! „Das Bad kann ich dir nicht geben, aber alles andere...“ kam es in seinem rauen Ton. Doch wie sollte es anders sein, wir wurden unterbrochen. Der erste Maat erschien und erstattete Bericht. „Mrs. Frederickson, wir konnten jetzt die beschädigte Sektion abschotten und notdürftig flicken. Die restlichen Schäden werden gerade provisorisch behoben. Ihr braucht euch also keine Gedanken machen, wir werden den Rest der Überfahrt sicher überstehen!“ meinte er und sah mich zuversichtlich an.
„Danke Mr. Hargreaves für die Information, ich hätte mich sonst auch selber davon überzeugt! Wie geht es der restlichen Mannschaft und euch? Ich hoffe, es gibt keine schwereren Verletzungen?“ Er sah etwas unschlüssig in meine Richtung, meinte dann aber resolut, dass es nur ein paar kleinere Stichverletzungen waren und eine gebrochene Hand. Die üblichen Blessuren, wie Splitter unter der Haut, oder leichte Verbrennungen und so weiter. Wie beiläufig erwähnte er, dass wir 4 Tote zu beklagen hätten, aber sein Blick ging traurig gen Boden. Ich ließ die Beisetzungen vorbereiten und leistete erste Hilfe bei einigen Verwundeten.
Gegen Abend, als es schon dunkel war, wurden die Toten der See übergeben. Mir liefen die Tränen über die Wangen, auch wenn ich diese Männer nicht wirklich kannte. Dieses Gefühl von Trauer war einfach da und ich sprach ein stilles Gebet zu meinen Göttern!
„Ich trinke auf euch, all ihr Hohen,
in Asgard, in Wanenheim, in den heiligen Bergen
und in den Grabhügeln!
Möge euer Segen Midgard erfüllen, und mögen eure Namen
auf immer erinnert sein:
Odin und Frigg, Thor und Sif,
Freyr und Freya, Tyr und Eir,
Njörd und Nerthus, Balder und Nanna,
Ull und Skadi, Heimdall,
Forseti, Fulla - und auch Loki, der für sein
Lachen gepriesen sein soll,
solange seine Lippen der Lüge verschlossen bleiben.
All ihr Alben, Idisen und Landgeister,
gebt Heil und Hilfe, ihr Segensreichen!
Schaut wohlwollend auf diese Männer und
erleuchtet Ihnen den Weg,
auf dem sie wandern,
denn es ist der Weg ihrer Ahnen."
Mr. Hargreaves übernahm die Ansprache, denn er kannte diese Leute besser und sagte noch ein paar persönliche Worte.
Danach gab ich für heute Nacht die Rumvorräte frei, aber mit der Anordnung, nicht zu übertreiben, wir wollten ja schnell weiter kommen. Es dauerte nicht lange, da waren die ersten Männer auch schon mit den Krügen unterwegs. Ich grinste in mich hinein und ging zum Smutje, ich hatte Hunger und er war dabei, dass Essen fertig zu machen.
Eingelegter Fisch ist jetzt nicht unbedingt so meine Leibspeise, aber besser als zu verhungern, dachte ich mir noch. Als dann die Männer mit in der Messe Platz nahmen, spürte man regelrecht die Erleichterung, dass dieses Zusammentreffen mit der Fregatte so glimpflich ausging.
Erst jetzt kam ich auf die Idee, Haytham nach diesem Montegue zu fragen. „Und wer ist dieser Montegue? Wie hängt der denn mit dem Duke of Ironside zusammen? Was passiert jetzt eigentlich, wo die HMS Iron Duke versenkt ist?“ Er unterbrach mich grinsend. „Alex, könntest du eine Frage nach der anderen stellen und auch mal zwischendurch Luft holen?“
„Könnte ich, wenn ich nicht so neugierig wäre!“ und erntete Gelächter meiner Mannschaft. „Frauen halt, Master Kenway, gewöhnt euch dran!“ kam es kumpelhaft von Mr. Hargreaves. Im ersten Moment dachte ich noch, dass mein Verlobter diese doch sehr direkten Worte nicht besonders gut finden würde, doch er nickte weiterhin grinsend.
„Lass uns zu Ende essen und ich erkläre es dir, wenn wir die Papiere durchsehen.“ Damit meinte er, dass wir unter uns sein sollten und diese Angelegenheit nicht für andere Ohren bestimmt war. Als wir dann fertig waren, holte ich mir noch aus den Vorräten meinen Wein und ging mit Haytham in meine Kajüte. Dort entzündete ich die Kerzen und breitete die Seekarten und die Papiere auf dem großen runden Tisch aus.
„Weißt du was ich mich die ganze Zeit frage, Alex?“ kam es vorsichtig vom Großmeister. „Nein, sag es mir!“ meinte ich zögerlich, ich hatte Angst, dass etwas schlimmes kommt. „Du hast ohne zu zögern die Assassinen angegriffen! Ist dir das eigentlich bewusst?“ in seinem Blick lag ein wenig Anerkennung, aber auch Tadel, so als hätte ich einen Fehler begangen.
„Ich... habe nicht darüber nachgedacht... es ging um unsere Sicherheit und um mein Schiff! Was hätte ich denn tun sollen? Diese Meute hat ja auch ohne zu fragen angegriffen!“ meinte ich etwas nuschelnd, ich hatte mir wirklich keine Gedanken darüber gemacht, sondern ich hatte gehandelt. „Es waren aber im Grunde deine Brüder und Schwestern!“ kam die wieder einmal logische Erklärung von Haytham. „Das mag sein, aber... nicht wirklich MEINE, ich habe mit diesen Bruderschaften nichts am Hut. Sie sind mir völlig fremd!“ siedend heiß fiel mir ein, ob ich nicht jetzt einen riesengroßen Fehler begangen haben könnte, der in der Zukunft noch weitreichendere Folgen haben könnte.
„Bei Odin, ich habe ohne zu denken gehandelt!“ und sah meinem Verlobten entsetzt an. „Ja, das hast du und das ist heute noch einmal gut ausgegangen, doch in Zukunft darfst du nicht so unbedacht Entscheidungen treffen. AUCH wenn sie von meinem Vater kommen!“ warf er gleich als weitere Erklärung ein. „Was mich aber erstaunt hat und da bin ich doch sehr stolz auf dich, du hast dich gegen eine Männerfront durchgesetzt mit einer Art, die dir wirklich steht. Sogar ich war kurz drauf und dran zu salutieren!“ meinte er jetzt breit grinsend.
„Das ist mir aufgefallen, ich hatte mich kurz vor mir selber erschreckt.“ lachte ich jetzt. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hättest in deiner Templerart mit uns kommuniziert, Alex! Sei ehrlich zu dir selber, wie hast du dich damit gefühlt?“ fragte er plötzlich völlig sachlich und sah mich durchdringend an. „Gut, es war... befreiend und es fühlte sich völlig natürlich an. Haytham... habe ich heute den Grundstein für meine Entscheidung dem Orden beizutreten, gelegt?“ fragte ich etwas ängstlich, in mir tobten gerade Gewissensbisse, die ich am liebsten wegwischen würde.
„Unter anderem, Alex. Aber schon viel früher und tief in dir, wusstest du es bereits. Vergiss nicht, ich stehe hinter dir bei der Entscheidung, egal welche es ist, oder wann du sie triffst!“ seine Arme legten sich um meine Taille und ich legte meinen Kopf an seine Brust. Sein ruhiger Atem und sein Herzschlag brachten mich wieder runter und ich konnte klarer denken.
„Und jetzt lass mich deine Fragen beantworten.“ meinte mein Templer ruhig. Master Montegue war ein Untergebener des Dukes of Ironside und ihm treu ergeben. Er ging in den Kolonien, wie auch sein Fürsprecher, dem Ausbau der Bruderschaft nach. Man wollte sich hier, genau wie die Templer, etablieren. Doch diese, wenn auch große, Randgruppierung der Assassinen aus England, konnte nicht richtig Fuß fassen, da man mit den Indianern immer und immer wieder aneinander geriet und sich keine Freunde machte.
Der Duke selber saß in Philadelphia in seinem Anwesen und steuerte und kontrollierte von dort alles. Selten traf man ihn in der Öffentlichkeit, er hatte Angst vor Übergriffen auf seine Person. Verheiratet war er auch, aber nicht mit Kindern gesegnet. Er hatte sich vor drei Jahren ungefähr mit meinem Verlobten angelegt, als dieser aus Frankreich zurück kehrte. Haytham hatte auf einem Schiff eine Passage gebucht, welches Waren in hohem Wert mit sich führte und das war ein gefundenes Fressen für Ironside.
Er ließ kurzerhand das Schiff angreifen, doch sie waren unterlegen und mussten sich geschlagen zurückziehen. Kurze Zeit später wurde diese Fregatte wieder gesichtet, dieses mal aber von einigen Schiffen der Templerflotte und man hatte kundgetan, die HMS Iron Duke sei angeblich gesunken. Eine Lüge, wie sich jetzt herausstellte.
„Da sie aber jetzt tatsächlich auf dem Meeresgrund liegt, gehe ich davon aus, dass der Duke nicht Ruhe geben wird, bis er Rache üben konnte. Er hat jetzt hohe Verluste erlitten, was die geschmuggelten Waren angeht. Ich vermute einfach mal, dass noch mehr Sachen an Bord waren, welche aber nicht schriftlich benannt wurden.“ endete die Erklärung meines Templers.
„Und er hat ein Schiff verloren. Aber ich gehe davon aus, dass er durchaus noch mehrere sein Eigen nennt. Wer schmuggelt, braucht mehrere Transportmöglichkeiten.“ gab ich gedankenverloren von mir. „Man kennt mich anscheinend schon, laut des Kapitäns bin ich die freche Templerhure an deiner Seite!“ meinte ich wütend und dieser Begriff war mir ein Gräuel! „Dein Ruf eilt dir voraus, Alex. Sieh es positiv. Ja, ich weiß, dass … ist mehr als beleidigend und wäre ich dabei gewesen, wäre er noch schneller in sein Grab gekommen!“ kam es ebenso sauer von meinem Verlobten.
„Haytham, ich will dem Orden beitreten!“ völlig perplex sah mich der Großmeister an. „Wie? Jetzt?“ sein Blick war immer noch verwirrt und er musterte mich skeptisch. „Es ist mein Wunsch, ja. Nicht jetzt und hier, ich weiß, dass das nicht so ohne Weiteres geht. Aber in baldiger Zukunft will ich es! Mir wird gerade klar, dass ich mit den hiesigen Assassinen anscheinend nichts gemeinsam habe. Sie verfolgen eine andere Art Lehre, die ich nicht so verinnerlicht habe. Ich kann mich viel besser mit den Ordenslehren anfreunden.“ mein Blick ruhte auf seinen grauen Augen und langsam klärten sie sich wieder.
„Mi sol, ich weiß nicht, was ich sagen soll!“ ich nahm sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einfach einen vorsichtigen Kuss. „Nichts, Haytham, du brauchst nichts sagen. Nur so kann ich mit dir zusammenleben, nur so kann ich meine Ziele und Arbeit fortsetzen. Und... es ist nicht nur wegen dir, es ist auch wegen Faith. Sie hat mir damals einmal gesagt, es ist eine Entscheidung des Herzens und keine der Epoche. Vor Jahren war ich noch hin- und hergerissen zwischen diesen Jahrhunderten. Jetzt bin ich aber hier und merke, dass ich mit diesen Bruderschaften wenig gemeinsam habe. Meine Ansichten ähneln denen des Ordens in dieser Zeit HIER!“
Er hatte mir die ganze Zeit zugehört und plötzlich änderte sich sein Ausdruck auf dem Gesicht. „Die Lehren scheinen sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte zu verändern und immer wieder anzugleichen, so hört es sich an. Das ist faszinierend, mi sol. Aber so kann ich auch wieder auf einen eventuellen Frieden zwischen diesen Bünden hoffen und wenn du an meiner Seite bist, dann bin ich mir sicher, dass wir es gemeinsam schaffen können.“ mit einem Mal war er so euphorisch, dass er mich hochhob, auf den Tisch vor uns setzte und anfing mich voller Verlangen zu küssen.
Doch bevor wir uns noch weiter verlieren konnten, klopfte es und ich vernahm die Stimme unseres ersten Maates. Ich bat ihn hinein und er kam ohne Umschweife auf sein Anliegen zu sprechen. „Mrs. Frederickson, wir sollten heute Nacht schon weitersegeln, im Osten ziehen dichte Wolken auf, auch wenn wir hier noch eine Sternenklare Nacht haben. Wir sollten bevor wir Schnee und Eis abgekommen, wieder in der Nähe einer Küste sein.“ Das klang logisch und ich gab ihm freie Hand, die Mannschaft zu unterrichten. Sie würden nicht begeistert sein, sie waren gerade in Feierlaune, doch ich beschloss, wenn wir in New York ankamen, ihnen zu ermöglichen, das nachzuholen.
Mit einer Verbeugung verabschiedete er sich und wir wünschten uns eine gute Nacht, ich würde nicht über Nacht an Deck bleiben. Als Mr. Hargreaves die Kajüte verlassen hatte, setzte ich mich müde auf das Bett und gähnte sehr undamenhaft. „Alex, du meine Güte. Wirke ich so einschläfernd auf dich?“ lachte er auf mich hinunter. „Nein, eigentlich nicht, aber... es war ein langer ereignisreicher Tag und auch die letzten waren nervenaufreibend. Verzeih mir, mi amor. Ich bin nur wahnsinnig müde auf einmal.“ er zog mich ohne Vorwarnung hoch und nahm mir meine Waffen ab, meine versteckten Klingen und zog mir meinen Übermantel aus. Er selber entledigte sich seiner Waffen, der Stiefel und seines Mantels, setzte sich auf die Kante und zog mich auf seinen Schoß.
„Dann sollten wir für ausreichend Schlaf sorgen, damit du noch die ein oder andere Lehrstunde bekommst und auch verinnerlichst. Ich will dich wach haben, damit du es behältst, Mrs. Frederickson!“ mit diesen Worten drehte er mich unter sich und gab mir einen langen leidenschaftlichen Kuss. Legte sich dann aber neben mich und umschlang mich mit seinen Armen und deckte uns dann zu.
„Ich liebe dich, Haytham.“ kam es jetzt schläfrig von mir, ich konnte meine Augen kaum noch offen halten. „Ich dich auch, Alex!“
Ich wurde wach und wie erwartet tat mir alles weh! Mein ganzer Körper schien blau angelaufen zu sein und ich fühlte mich gerädert. Doch als ich mich umdrehte, sah ich in die grauen Augen meines Templers und ich atmete erleichtert auf. „Guten morgen, mi amor.“ meinte ich und lehnte mich weiter an ihn. „Guten morgen, mi sol.“ und ich bekam einen Kuss auf die Stirn. Über mir vernahm ich bereits geschäftiges Treiben der Mannschaft, welche krampfhaft versuchte, den Frost von den Bohlen zu bekommen. Denn das war eine Unfallquelle, welche nicht zu verachten war auf einem Schiff.
Ich verbrachte diesen Tag hier an meinem Schreibtisch, nachdem wir gefrühstückt hatten und Haytham wanderte über Deck und sprach mit den Besatzungsmitgliedern. Ich vervollständigte das Logbuch und schrieb mein Tagebuch weiter. Das mit dem Logbuch war noch so eine Sache, ich wusste überhaupt nicht, was und WIE ich meine Einträge verfassen sollte. Mr. Hargreaves hatte mir aber ein paar Tipps gegeben und ich war ihm dafür dankbar.
Ein wenig unruhig blieb ich aber den Tag über, ich hatte immer die Befürchtung, dass wir weitere Verfolgerschiffe bekamen. Doch es blieb ruhig und die nächsten Tage war es nicht anders, ich konnte mich etwas entspannen. Sogar das Wetter war uns hold geblieben, es war zwar Wolkenverhangen, aber es schneite nicht!
Die letzten Tage blieben weiterhin ruhig und meine Übelkeit war verflogen, ich wurde wieder seefest, was mich freute.
Ich fing an, über die letzten Jahre zu berichten. Haytham sah mich oft völlig ungläubig an, zum Beispiel als ich erzählte, dass wir mal eben nach Russland geflogen waren. „Du meinst mit diesen Metallvögeln, welche ich in diesen Visionen gesehen habe?“ seine Neugierde ließ mich an den kleinen Haytham denken und ich musste einfach grinsen. „Ganz genau. Damit kommt man sehr schnell von A nach B, auch wenn es nicht immer sehr komfortabel ist.“ immer noch staunend sah er mich an. „Ich würde das gerne einmal gesehen haben, nur kurz einmal in deine Zeit reinschauen.“ in seinem Blick konnte ich diese Sehnsucht erkennen, doch ich erinnerte ihn daran, dass es nicht seine Zeit war und er sich zu vielen Gefahren aussetzen würde.
„Ich weiß, dennoch ist es sehr spannend, dir zuzuhören.“ in diesem Moment beschloss ich, meinem Verlobten die Bilder, welche ich mit meinem Handy gemacht hatte, zu zeigen. Als ich damit wieder bei ihm auf dem Bett saß, stutzte er kurz. „Was hast du vor, Alex?“ meinte er skeptisch. „Du wirst jetzt einen kleinen Einblick in mein Leben bekommen.“ lächelte ich ihn an und gab ihm einen langen Kuss.
Ich hatte Bilder von meiner Wohnung, von der Feier bei Rafael, von Yannick und Melissa. Auch hatte ich von meinem Büro Bilder gemacht und und und. „Du hast aber sehr beengt gewohnt, mi sol. Man hatte ja kaum Platz!“ kam es verständnislos von ihm. „Also mir hat es gereicht, ich musste es ja auch alleine sauber halten, Haytham. Vergiss das nicht.“ grinste ich ihn an. „Es ist immer noch unverständlich, wie du so überleben konntest. Wenn du doch alles alleine machen musstest, hattest du doch eigentlich keine Zeit für deinen Sohn oder für deine Arbeit...“ ich unterbrach ihn und erklärte ihm, dass wir eben diese Waschmaschinen, Geschirrspüler und so weiter hatten, die mir die Arbeit abnahmen und erleichterten.
„Damit ist es dann schon zu schaffen, aber man braucht halt eine gewisse Disziplin und Struktur, sonst klappt es nicht.“ grinsend sah er mich an. „Du hörst dich wie eine wahre Templerin an, Alex!“ meinte er lachend.
Die Abende verbrachten wir unten in der Messe mit der Mannschaft, dort war es wohlig warm. Ich genoss diese Tage, sie waren endlich etwas Ruhe, endlich Alltag oder etwas ähnliches zumindest, welche mich runter fuhren und ich mich entspannen konnte. Auch gewöhnte ich mich weiter an meinen Verlobten, ich bekam zum Beispiel seine schlechten Launen ab, umgekehrt er aber auch. Wir näherten uns in einigen Punkten immer mehr an. Noch nicht so tiefgehend, das würde dann später kommen.
Meine Reise nach Korsika ließ ich aber vorerst aus, denn... das würde ich ihm erzählen, wenn er sein Schwert wieder in Händen hielt. Ich freute mich darauf, es ihm endlich geben zu können. Wenn ich richtig lag, dann wären es nur noch ungefähr 9 Tage bis Weihnachten, doch war es hier üblich, am Heiligen Abend die Geschenke zu übergeben oder erst am ersten Feiertag? Aber ich wollte nicht fragen, weil ich Angst hatte, dass ich mich verplapperte, weil ich so aufgeregt war.
Endlich waren wir beim Fort Arsenal angelangt. Die Fahrt dorthin war im Winter alles andere als angenehm und ich fror einfach so vor mich. In diesem Moment vermisste ich mal wieder die Errungenschaften und technischen Fortschritte aus meiner Zeit. Doch ich musste mich mit Fellen und der Wärme meines Templers begnügen und ich muss gestehen, das war nicht wirklich unangenehm, im Gegenteil.
Als wir anlegten, kam uns Gist schon aufgeregt entgegen und nahm uns in Empfang. Vom Arsenal selber eilte uns Shay schnellen Schrittes entgegen und hatte eine mehr als besorgte Miene und er sah einfach müde und völlig erschöpft aus. WAS war bitte hier los? Doch mich brachte Christopher auf den neuesten Stand.
„Mrs. Frederickson, ihr kommt wie gerufen. Der kleinen July geht es immer schlechter und Lady Cormac hat sie seit Tagen nicht mehr aus den Augen gelassen!“ völlig überrumpelt sah ich ihn an und auch Haytham verstand nicht, was hier gerade passierte.
„Master Gist, ganz langsam... WAS ist hier los...?“ doch bevor er antworten konnte stand Shay vor mir und nahm mich in den Arm. „Alex, ich bin so froh, dass ihr wieder hier seid. July ist erkrankt und Faith hat die Medizin an dieses Balg gegeben... jetzt liegt meine Tochter im Sterben...“ Bei Odin... meine Knie gaben unter mir nach und mein Templer konnte mich gerade noch so halten.
„Bitte WAS?“ ich war völlig neben der Spur, das waren einfach zu viele Informationen auf einmal. „Shay... was hat Faith getan? Ihr hattet doch eine ausreichende Dosis... warum?“ doch mehr konnte ich nicht sagen, er zog mich einfach hinter sich her. „Ihr werdet es sehen und ich hoffe, ihr könnt noch etwas tun. Faith weicht July seit Tagen nicht von der Seite und ist völlig geschwächt und ebenfalls kaum ansprechbar... ich weiß nicht mehr weiter!“
So betraten wir die Villa und ich konnte dieses regelrechte Chaos direkt spüren. Hier war einiges im Argen... Und dann tauchte auch noch Master Williams auf, welcher mich und Haytham mit einem gewissen Zorn begrüßte. „Master Kenway, Mrs. Frederickson...“ kam es nur knapp von ihm, doch es war mir egal. Ich folgte Shay nach oben und Haytham tat es mir gleich.
Dann standen wir im Kinderzimmer... und mir brach das Herz... Faith saß wie ein Häufchen Elend am Boden und Shay umklammerte sie. Maggie hatte July bereits wieder in ihr Bettchen gelegt und Cadan war auf ihrem Arm. Master Cormac sprach leise zu seiner Frau und ich nahm nur ein „Danke Freya“ wahr... könnte mir jetzt endlich jemand sagen, WAS hier bitte alles passiert war?
Wir gingen hinaus, nachdem Faith ihren Kindern noch einen gute Nacht Kuss gegeben hatte. Die Herren gingen schon einmal hinunter, doch ich wartete noch auf Faith und dann stand sie vor mir. Mich sahen diese leicht glasigen blauen Augen an und ihr Gesicht erhellte sich. „Du bist wieder da, mein preußisches Weib!“
Ich konnte nicht anders, wir lagen uns in den Armen und ich genoss wieder ihre Nähe und ihre Lippen! Als ich dann etwas verlegen sagte, dass ich für nichts mehr garantierte, wenn sie so weitermache, kam nur ein süffisantes „Später vielleicht!“ von ihr.
Wir gingen Richtung Treppe und ich sah, wie mir Lucius einen eigenartigen Blick zuwarf... zu spät registrierte ich, dass mit Faith etwas ganz und gar nicht stimmte. Diese glasigen Augen waren also doch dem Fieber geschuldet. Aber sie hatte Glück. Ihr Vater und ihr Mann konnten sie gerade noch auffangen und brachten sie umgehend ins Bett. In meiner Panik hatte ich sie noch angeschrien, sie solle aufpassen... wie unpassend eigentlich, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.
Sogar Haytham war plötzlich da und wir standen um sie herum, wie sie jetzt im Bett lag, schwer atmend, Schweiß auf dem Gesicht... „Shay, erzählt mir, was vorgefallen ist.“ fragte ich den Iren jetzt in einem mehr als scharfen Ton, ich wollte Antworten!
„Ich weiß nur, also... July...“ Bei Odin... ja, das hatte ich doch bemerkt, dass es seiner Tochter besser ging... „Shay... SPRECHT!“ forderte ich ihn mit schriller Stimme auf, mir war nicht nach plaudernder Konversation, ich musste meiner Freundin helfen! „Anscheinend hat Freya ihr die Krankheit von unserer Tochter gegeben!“ Vielleicht? „Wo sind die Medikamente die ich euch gab?“ fragte ich jetzt alarmiert.
Hilfesuchend sah er sich um, doch man bat ihm keine an. „Es gibt nur noch... diese schmerzstillenden Mittel, Mrs. Frederickson.“ kam es leise von Shay. Ich blinzelte ihn nur an! „Wie bitte? Wo ist bitte der Rest geblieben?“ Wenn July nicht mit den Medikamenten geheilt wurde, dann mussten sie ja noch vorhanden sein. Doch anscheinend, Fehlanzeige. „Faith hat sie Cillian, dem Sohn von Caroline gegeben. Dem Sohn von Liam!“ kam es mit zusammengebissenen Zähnen von dem Iren. Oh bei Odin... es wurde nicht besser.
Meine Freundin hatte ein fremdes Kind gerettet, welches auch noch das Kind von dem ehemaligen besten Freund aus der Bruderschaft ihres Mannes war. Das Shay damit nicht klar kam, war verständlich. Was hatte sie nur getan? Ich atmete tief durch, zum Nachdenken blieb mir keine Zeit.
In diesem Moment fiel mir ein, dass ich einige medizinische Dinge noch an Bord in einer kleinen Tasche hatte, welche ich vor dem Umbau retten konnte. Unter anderem auch ein paar Antibiotika und ich hoffte, dass es helfen würde! Also schickte ich einen Diener los, die Tasche zu holen. Bis dahin konnte ich nur das Fieber mit kalten Tüchern bekämpfen. Ich saß neben meiner Freundin auf dem Bett. Ich hatte mir unser Wiedersehen etwas anders vorgestellt und mir liefen die Tränen über die Wangen. „Mi sol, es wird ihr bald besser gehen!“ kam es beruhigend von Haytham, auch er war in Sorge. Seine Hand ruhte in meiner und wir waren uns einig, dass wir beide diese störrische Schottin wieder auf den Beinen haben wollten!
Es dauerte eine ganz Weile, dann erschien der Diener mit der besagten Tasche und ich wühlte darin herum. Mit einem erleichterten Aufschrei, griff ich die entsprechende Flasche! Ich hatte sie tatsächlich dabei... ich zog mit zittrigen Fingern die Spritze auf und verabreichte diesem sturen Frauenzimmer ihre erste Dosis Cephalosporine. Auch wenn die Krankheit für Erwachsene nicht so schlimm verläuft, wie für kleine Kinder, dennoch war es ein Risiko und ich wollte sie nicht einfach so verlieren! Es würden noch mindesten 7 weitere in den nächsten 1 bis 2 Tagen folgen! Die Herren hatten sich, gut erzogen wie sie waren, abgewandt, ich musste ihr die Spritze in den Allerwertesten verpassen!
Haytham stand jetzt neben mir und sah mich fragend an. „Alex, was passiert jetzt? Wird sie wirklich wieder gesund?“ ich sah diese Besorgnis in seinen Augen und nicht nur in seinen, auch Shay saß auf dem Bett und sah mich fragend an. „Sie wird wieder gesund, es dauert nur ein paar Tage.“ gab ich zuversichtlich von mir und lächelte sie beide an.
Vorsichtig strich ich Faith eine Strähne aus dem Gesicht, sie war blass und hatte einen Schweißfilm auf der Stirn. „Shay, was war bitte hier los in den letzten Tagen. Ich meine, ich kann es mir jetzt so langsam denken, aber ich will es genauer wissen!“ und ich fing an zu weinen. Diese Wiedersehensfreude, gepaart mit der Angst, dass meiner besten Freundin, die mir über die schlimmste Zeit meines Lebens geholfen hatte, etwas zustößt, war unerträglich! Zu mehr kamen wir aber nicht!
In diesem Delirium fing Faith plötzlich an zu reden... es war, als spräche sie gerade mit mir in meinen eigenen Träumen. Ich sah die drei Herren bittend an, das Zimmer zu verlassen! Doch sie hatten schon verstanden und waren kurz darauf einfach verschwunden. Also würde ich mir später die Erklärungen holen, ich wollte hier nicht weg, sondern wollte wissen, wie weit sie meine Erinnerungen mit ihren gerade verband!
Ich saß mittlerweile neben ihr auf dem Bett und hatte mir eine Schüssel und kaltes Wasser geben lassen. So wechselte ich ich den kühlen Lappen und die Wickel um die Waden immer und immer wieder... Es war mittlerweile schon dunkel.
„Du blendest mich... was ist das für ein Ding?“ kam es von ihr... Ah, sie war gerade dabei, wo ich sie mit der Taschenlampe blendete... Jetzt schoss mir der Gedanke in den Kopf, warum ich vielleicht nicht so viele Träume von ihr hatte.
Lag es an diesem Fieber? Hatte ich diese Träume nur solange sie in diesem Wahn war? Aber... ich war doch jetzt hier... hätte sie dann nicht schon früher … Bei Odin... ich war zu müde, um mir darüber Gedanken zu machen. Doch bevor mir ganz die Augen zufielen sagte ich dem Mädchen, sie möge mich in ungefähr 2 Stunden wecken oder eben rufen... je nachdem... Dann fielen mir die Augen zu und ich lag an ihrer Seite und hielt sie fest! JETZT war ich definitiv angekommen!
„Mrs. Frederickson.“ hörte ich die vertraute leise Stimme von Marge... „hmmmmmmmmm...“ brachte ich heraus und drehte mich in die Richtung. „Es sind 2 Stunden um, wir sollten euch wecken!“ kam es leise von ihr. Erschrocken richtete ich mich auf und sah mich um. Als ich Faith sah, fiel mir wieder alles ein... es war kein Traum, es war real gewesen! Ich stand auf und wusch mir kurz durchs Gesicht und bat Marge mir Kaffee zu bringen. Mit einem Knicks und einem langen Händedruck ging sie wieder hinaus. Ja, sie war einfach die gute Seele hier.
Es war immer noch dunkel, aber ich schätze mal, so 3 Uhr nachts. Ich ging wieder zum Bett und zog eine neue Spritze auf, diese verabreichte ich meiner Freundin wieder einmal. Doch dieses mal reagierte sie und schlug mit ihrer Hand nach mir! Reagierte sie schneller auf dieses Mittel, als auf normales Antibiotika? „Aua... was... verdammt, das tut weh!“ kam es nur empört aus ihrem Mund! Und ich musste einfach breit grinsen! Ja, da war sie wieder, meine maulige sture Schottin! Was hatte ich sie vermisst!
„Alex... du... du bist wieder hier?“ ihre blauen Augen sahen mich zwar immer noch leicht glänzend an, doch waren sie nicht mehr ganz so fiebrig! „Hattest du etwa gedacht, du hast Ruhe vor mir? Wir Preußen sind nicht für unseren Müßiggang bekannt!“ lachte ich sie an und nahm sie in den Arm. Etwas schwach legte sie ihre ebenfalls um mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. „DAS war mir schon immer klar, du lässt nicht locker, oder?“ kicherte sie jetzt... es war eine Erleichterung für mich, sie so zu hören, das hieß, dass sie bald wieder auf den Beinen sein würde!
Dann erschien Mrs. Marge und brachte mir meinen Becher mit Kaffee, bei dem Duft ging ein Leuchten über das Gesicht von Faith! „DAS ist genau das...“
„... was du nicht brauchst und schon gar nicht darfst, Faith Cormac!“ gab ich in meinem besten Befehlston wieder. In diesem Moment erschienen Haytham, Shay und Lucius im Zimmer. Es wunderte mich um die Uhrzeit, aber ich sagte nichts. Die Herren waren anscheinend alles Frühaufsteher!
Ich zog mich ein wenig zurück, ich hatte keine Chance gegen diese geballte Wand an Familie durchzukommen. Haytham hielt meine Hand und drückte sie, als ich zu ihm aufsah, bemerkte ich, dass er nicht so recht wusste, was jetzt passieren würde. „Wir müssen abwarten, mi amor. Noch 5 Spritzen und es sollte überstanden sein!“ gab ich flüsternd von mir. „Bist du dir sicher?“ meinte er zweifelnd. „Ja, bin ich!“ meinte ich nur.
„Mrs. Frederickson, wenn ihr und Master Kenway ein wenig eurer Zeit für mich erübrigen könntet?“ kam es jetzt in einem unglaublich unangenehmen, kalten Ton von Master Williams, der mir eisige Schauer über den Rücken jagte.
Musste das gerade jetzt sein? „Aber sicher doch, Master Williams!“ kam es höflich wie eh und je von Haytham und er nahm mich an die Hand. Ich warf noch kurz einen Blick über meine Schulter, sah aber, wie Faith mir zunickte und vorsichtig lächelte. Wir folgten Faiths Vater aus dem Zimmer und hinunter in Shays Arbeitszimmer. Ich ließ meine Freundin nur ungerne aus den Augen, doch ich hoffte, dass man mir Bescheid gibt, sollte etwas sein.
Wir betraten das Zimmer und Lucius schloss hinter uns die Türe. Dann ging er an uns vorbei, nahm hinter dem Schreibtisch Platz und bat uns die Stühle davor an. Widerwillig setzte ich mich, ich fühlte mich plötzlich nicht mehr wohl hier. Er nahm kein Blatt vor den Mund und rannte mit der Tür ins Haus. „Master Kenway! Ihr wisst, ich bin nicht glücklich mit dieser neuen Konstellation, die ihr und meine Tochter getroffen habt. Und ich weiß, ich hatte die Verlobung lösen lassen, doch... es widerstrebt mir immer noch, dass ihr und auch Faith so einfach VOR meiner offiziellen Entscheidung über meinen Kopf hinweg bestimmt habt.“ Master Williams funkelte Haytham an und sah dann zu mir. WAS konnte ich jetzt dafür? Dann dämmerte es mir, in meinem Kopf hauchte mir Edward einen Gedanken ein. Denk mal darüber nach! Faiths Mutter war mir bekannt! Wir kannten uns bereits! Und Haytham ist nach meinem Tod wie ein Sohn für ihn geworden! Auch wenn mich das schmerzt... Doch weiter kam der Pirat nicht.
Die Welt war ein Dorf und ich traf hier auf die Dorfältesten anscheinend! Es fehlten nur noch Lady Melanie und Lion, doch die waren, Odin sei Dank, ja nicht hier! „Mrs. Frederickson, ihr wollt also Master Kenway ehelichen? Warum, wenn ich fragen darf?“ kam es in diesem herablassenden Ton von ihm. Und sofort fühlte ich diesen Umhang aus Ruhe über meinen Schultern und schottete mich ab. „Weil ich ihn liebe und gelernt habe, was es heißt, Kompromisse einzugehen!“ gab ich ruhig von mir und lächelte ihn einfach nur an. Mehr wollte ich ihm als Antwort noch nicht zugestehen.
„Ihr seid Assassine, wie soll das gut gehen? Für ein paar Monate wird es sicherlich funktionieren und dann? Es wird immer eine Barriere, ja gar eine Mauer geben, welche ihr nicht überwinden werdet.“ kam es jetzt wieder kalt von ihm. Es war Haytham, der jetzt antwortete. „Ihr wisst selber, wie es laufen wird. Eure Frau war ebenfalls Assassine!“ gab er in seiner Templerart von sich. Ich sah ihn schief an, ich fand sie immer noch unheimlich und mir behagte es nicht.
„DAS waren andere Zeiten, Master Haytham, denkt ihr nicht?“ kam es jetzt herausfordernd von Lucius. „Nein, das denke ich nicht. Die Zeiten mögen sich ändern, aber die Liebe zu einem Menschen bleibt bestehen!“ gab er selbstbewusst von sich und ich sah ihn stolz an. Er trat zum ersten Mal für mich und für unsere Liebe ein.
Plötzlich spürte ich die Gegenwart von Edward und ich konnte seine Präsenz wieder fühlen und auch sehen. Er hatte sich wieder manifestiert und stand jetzt zwischen mir und seinem Sohn. Und ohne Umschweife fing er an zu reden. „Master Williams! Wovon reden wir hier gerade? Ihr urteilt über meinen Sohn und seine Entscheidungen! Wer bitte gibt euch das Recht dazu?“ kam es kalt von Kenway Senior.
Mit großen Augen sah Lucius nun zu Edward und schluckte schwer. „Master Kenway, ich... wie ist das möglich?“ doch Haythams Vater dachte gar nicht daran, auf so eine Frage einzugehen.
„Ich warte auf eine Antwort! Und glaubt mir, ich weiß, dass Haytham wie ein Sohn für euch ist und auf eine gewisse Art freue ich mich für ihn. Doch es gibt euch noch lange nicht das Recht, über seinen Kopf hinweg zu entscheiden. Nicht EUCH und auch nicht Lady Melanie.“ sagte der Pirat jetzt in einem doch sehr lauten und kalten Ton!
„Bei allem Respekt, aber es geht hier um weit mehr als nur zwei Menschen, die sich lieben. Hier geht es um...“ wieder ließ man ihn nicht ausreden. „Genau darum geht es in diesem Moment, Lucius. Und die beiden wissen darum! Mrs. Frederickson und Haytham sind darauf vorbereitet! Und denkt für einen Moment daran, wie eure Mutter damals auf Liz reagiert hat! Sie war alles andere als begeistert, möchte ich meinen! Und mein Sohn wird diese Frau hier heiraten, ob es euch nun passt oder nicht! Meinen Segen habe ich den beiden bereits vor langer Zeit gegeben. Ich habe Mrs. Frederickson nicht ohne Grund meinen Sohn anvertraut. Sie wird an seiner Seite stehen, egal was es kostet!“ er atmete schwer und ich sah, wie er sich versuchte wieder zu beruhigen!
„Das verstehe ich nicht, wie könnt ihr euch so sicher sein, dass diese Frau die Richtige für euren Sohn ist?“ fragte Faiths Vater immer noch perplex, er verstand es wirklich noch nicht. Aber ich hatte keine Ahnung, wie viel von meinen Reisen er wusste. WAS hatte Faith ihm erzählt, auch das mit Edward? Doch lange musste ich darüber nicht nachdenken, Edward erzählte einfach, wie er mich kennen gelernt hat! Wenn auch mehr als kurz angerissen, doch das musste fürs Erste reichen!
„Sie ist mir im wahrsten Sinne des Wortes damals in Nassau vor die Füße gefallen und von da an hatten wir eine gewisse Verbundenheit, die bis heute anhält. Dank dieser Götterähnlichen Wesen ist es mir deshalb auch möglich, sie zu leiten und ihr in Kämpfen beizustehen. Ja, sie hat noch zu lernen, dieses Jahrhundert ist nicht einfach zu meistern und birgt noch große Gefahren. Doch sie ist willensstark und weiß, was sie tut. Und bedenkt, Master Williams, Alex ist diejenige die für eure Tochter alles tun würde und gerade jetzt auch wieder alles tut!“ mit vor der Brust verschränkten Armen stand der Assassine vor dem Schreibtisch.
Lucius saß da und starrte weiter zwischen Haytham, Edward und mir hin und her. Irgendwann fand er seine Sprache wieder. „Dann werde ich wohl mit dieser Entscheidung leben müssen. Genauso, wie ich einfach Master Cormac als Schwiegersohn vorgesetzt bekommen habe. Verzeiht mir, wenn ich damit noch so meine Probleme habe. Haytham, ihr wisst, dass wir euch nichts Böses wollen. Im Gegenteil, gerade mir lag am Herzen, dass ihr ebenso wie ich, eine Frau an eurer Seite haben solltet, welche euch gerecht wird und die euch liebt. Und wie ich sehe und mir jetzt eingestehen muss, habt ihr sie bereits gefunden.“ Täuschte ich mich, oder knickte er jetzt ein? Lag es an Edward oder einfach an der Tatsache, dass er über seine eigene Ehe nachdachte?
Master Williams erhob sich langsam und kam um den Schreibtisch herum. Dann stand er vor mir und reichte mir seine Hand. „Mrs. Frederickson, es … tut mir leid, wenn ich die ganze Zeit so schlecht von euch gedacht habe. Ihr müsst umgekehrt aber auch unsere Beweggründe verstehen...“ Edward ließ ihn wieder nicht ausreden. „Lucius, sie weiß, warum ihr so reagiert. Und auch ich kann es verstehen, wir sind nicht dumm. Doch es geht hier auch um Vertrauen und, wenn ich erwähnen darf, Mrs. Frederickson hat in ihrer Zeit tatsächlich ein Gleichgewicht, einen Waffenstillstand, zwischen Bruderschaft und Orden erreicht. Das können nicht viele von sich behaupten und ich bin der Meinung, das sollte man honorieren. Findet ihr nicht?“ der Pirat sah Faiths Vater fragend an. Dieser sah zu mir.
„Ihr meint, ihr... wie habt ihr das geschafft?“ sein staunender Blick blieb an mir hängen. „Master Williams, es war einzig und alleine meiner Hartnäckigkeit und meinem Durchhaltevermögen geschuldet. Und ich habe keine der beiden Seiten verraten, belogen oder betrogen. Mein schlechtes Gewissen verbietet es mir schon. Ich werde das Gleiche hier nicht erreichen, dessen bin ich mir bewusst. Aber ebenfalls einen Waffenstillstand oder in einigen Bereichen eine gewisse Zusammenarbeit wäre für beide Seiten von Vorteil. Ohne die wäre ich jetzt zum Beispiel auch nicht HIER! Ebenso bin ich mir bewusst, dass ich bald eine Entscheidung treffen werden muss.“ meinte ich jetzt in dieser meiner eigenen inneren Ruhe leise.
In seinem Gesicht sah ich Unglaube, Erstaunen und auch eine große Portion Misstrauen. Doch es schien so, als wolle er versuchen das Ganze zu verstehen! Und ich weiß, es ist nicht leicht. Bis vor einigen Jahren wäre ich auch nicht auf die Idee gekommen, so eine Einigung anzustreben!
„Dann lasst mich einen kleinen Anfang machen und euch meinen Segen ebenfalls aussprechen.“ er nahm Haythams Hand und legte unsere beiden zusammen. „Ich wünsche euch für die Zukunft nur das Beste und möge sie so verlaufen, wie ihr es geplant habt.“ mit diesen Worten ließ er uns los und reichte ebenfalls Edward die Hand. „Master Kenway, es ist mir immer noch unheimlich, euch hier wieder zusehen. Doch ich entschuldige mich für mein Verhalten.“ sagte er in einem versöhnlichen Tonfall und lächelte Edward an.
„Ich denke, dass lässt sich einrichten, Master Williams. Aber... höre ich irgendwelche Klagen bezüglich eures Verhaltens oder dem Verhalten eurer Mutter gegenüber meinem Sohn und meiner Schwiegertochter, seid gewarnt, ich kann auch ganz anders...“ doch dabei grinste er und ich ertappte mich dabei, wie ich erleichtert aufseufzte!
Damit war das Gespräch beendet und ich hoffte inständig, dass ich ab jetzt nicht immer das Gefühl haben muss, hier nicht willkommen zu sein. Mein Pirat schloss mich und Haytham in die Arme. „Ich wünsche euch beiden nur das Beste und vergesst nicht, ich werde an eurer Seite bleiben!“ er löste sich von uns und dann verschwand er in dieser nebligen Gestalt. Zurück blieb ein Master Williams, der ihm mit offenem Mund nachstarrte.
„Ich verstehe es immer noch nicht!“ kam es kopfschüttelnd von ihm. „Wir auch noch nicht, Master Williams. Wir sollten es einfach als gegeben hinnehmen.“ meinte mein Verlobter und lächelte mich an, ich konnte nur seine Hand drücken. Ich spürte, dass Haytham wieder mit dieser Trauer zu kämpfen hatte.
Gerade als wir aus dem Arbeitszimmer gehen wollten, wurde die Tür aufgerissen und die kleine July rannte weinend auf ihren Opa zu. „Opa, Mama und Papa streiten sich schon wieder. Ich habe Angst!“ schluchzte sie ihn an. Ich sah von Haytham zu Lucius und erntete ein Nicken, dann eilte ich nach oben. Aus dem Schlafzimmer hörte ich die Eheleute Cormac lautstark diskutieren oder besser streiten!
Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich dazwischen gehen sollte. Eigentlich sind beide alt genug um das zu klären. Es schien um Cillian und um das ganze drumherum zu gehen.
Ich öffnete vorsichtig die Tür und lugte hinein. Meine Freundin saß mit hochrotem Kopf am Kopfende und Shay stand mit verschränkten Armen vor der Brust vor dem Bett. Bevor noch einer der beiden etwas sagen konnte, ergriff ich das Wort und klärte die beiden über ihre Lautstärke auf. „July hat schreckliche Angst und kam gerade zu ihrem Großvater gelaufen. Euch hört man vermutlich durch die ganze Stadt!“
Shay sah mich wütend an und maulte auch gleich los. „Es geht euch nichts an, Mrs. Frederickson und nun verlasst diesen Raum“ Du meine Güte, er musste wirklich zornig sein, dass er mich mit meinem Nachnamen ansprach! Doch Faith war Odin sei Dank anderer Meinung! „Nein, sie bleibt. Ich lasse nicht zu, dass du Alex rausschmeißt Shay“
„téigh transa ort féin“ brüllte Shay seine Frau an und verschwand aus dem Raum. „Diolain! Pòg mo thòn!“ kam es ebenso laut von meiner Freundin. Wie schön, ich verstand zwar kein Wort, konnte mir aber denken, dass sie vermutlich keine Liebesbekundungen ausgetauscht haben. Die Tür schlug zu, dass die Wände bebten und dann herrschte Ruhe.
Faith drehte sich zur Seite und meinte nur meckernd „Geh!“ Das könnte dir so passen, du stures Weib. Nein, ich war jetzt hier und ich will jetzt Antworten haben, dachte ich mir einfach und setzte mich auf die Bettkante. „Ich werde nicht gehen, nicht bevor ich hier aufgeklärt werde. WAS war das gerade zwischen dir und Shay?“
„Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ DAS war ja wohl die Untertreibung des Jahres schlecht hin. „DAS war keine kleine Meinungsverschiedenheit, du störrisches Weib und du weißt das auch. Aber vielleicht kann ich euch beiden irgendwie helfen, auch wenn du gerade keine Lust hast, mir die Einzelheiten zu erklären.“ Ich hoffte, sie doch noch irgendwie aus der Reserve locken zu können, diese Spannung in diesem Haus war nicht auszuhalten. In diesem Moment war ich dankbar für die Aussprache mit Lucius, wenigstens herrschte dort jetzt Ruhe!
Dann kam es etwas zögerlich von Faith. „Und wie? Er wird nicht auf die hören, dass was du gerade erlebt hast, geht seit über einem Jahr so, seit wir in England waren …“ Ich sagte nichts, ich ließ sie einfach weiter reden und das tat sie und mir wurde das Herz schwer! Sie hatte von ihrem Vater den Auftrag bekommen, König George dazu zubringen, den Orden, explizit ihren Vater, zu unterstützen. Ihr Ehemann war alles andere als begeistert von dieser Idee. Lucius war dann mit Shay wegen der Schatulle aufgebrochen, Lady Melanie war nach Frankreich abgereist und Faith war mit ihrem Großvater in London geblieben.
„ Alex ich war zu der Zeit mit Cadan schwanger, ich fühlte mich so nutzlos. Shay er war mehrere Monate unterwegs, kam erst im April wieder als unser Sohn schon geboren war. Und weißt du was er mir vorwarf, als er merkte das meine Mission erfolgreich war, dass ich mit George das Bett geteilt hätte. Aber das habe ich nicht, ich meine der Mann ist tief gläubig und als ich eine Nacht in seinen Gemächern verbracht habe, wir haben uns die ganze Zeit über verschiedene Bücher unterhalten. Nichts weiter und das glaubte mir Shay nicht. Im Juli reisten wir wieder hierher zurück und meine beiden Kinder verlangten dann meine ganze Aufmerksamkeit. Wir beide näherten uns auch wieder an, ich freute mich so“ Ihre Stimme wurde immer brüchiger und ich konnte mir vorstellen, wie sie sich gefühlt haben muss. Zum Nichtstun verdammt werden und dann auch noch alleine hier! Jetzt hatte ich schon wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich sie eigentlich immer bei mir hatte, dank des Buches!
Ich ließ sie aber weiter reden und hielt nur ihre Hand. „Anfang März fand ich meine Freundin Caroline wieder. Ich holte sie mit ihrem Sohn von der Straße, indem ich sie bat unser Zimmermädchen zu werden. Ihr Sohn....Liam ist sein Vater. Shay er hasste mich dafür, aber ich war eine egoistische Kuh. Alex, ich fühlte mich einsam, so nutzlos für den Orden und ich wollte doch nur jemanden mit dem ich unbeschwert reden konnte. Wir stritten ein paar Tage und dann verschwand Shay ohne ein Wort mit der Morrigan, selbst Haytham wusste nicht wo er war. July sie war todtraurig und Cadan.…“ sie fing bitterlich an zu weinen und lehnte sich an mich und ich nahm sie einfach wortlos in den Arm. Bei Odin, hier ist einiges nicht mehr in Ordnung, ging es mir durch den Kopf. Aber was ich am allerwenigsten verstand, warum wusste Haytham nicht, wo Shay hin war? Doch ich hatte ihn gar nicht weiter danach gefragt!
Langsam fing meine Freundin sich wieder und erzählte weiter, doch es wurde nicht besser! „Er kam erst letzten Monat wieder, ohne ein Wort wo er war. Ich meine, das Schiff, es hätte sonst was passieren können. Er hat mir nicht eine Nachricht zu kommen lassen, Alex. Ich stand jeden Tag mit den Kindern an der Mauer und wir hofften, die Morrigan am Horizont zu sehen. Jeden Tag musste ich für die beiden eine neue Ausrede erfinden, warum ihr Papa nicht kam. July weinte irgendwann, sagte, ihr Papa hat sie nicht mehr lieb. Es brach mir das Herz, Alex, meinen kleinen Engel so zu sehen. Und in dieser Zeit half mir Caroline nicht aufzugeben, die Hoffnung nicht zu verlieren. Aus diesem Grund konnte ich ihren Sohn nicht sterben lassen.“
Das war harter Tobak, so hätte ich Shay gar nicht eingeschätzt. Eifersüchtig ist er, ja. Aber das ist Faith umgekehrt genauso, die beiden liebten sich einfach und würden niemanden, auch nicht mich, zwischen sich lassen! Doch die Sache mit Liams Sohn ist tatsächlich schwieriger, auch wenn der Ire einsehen muss, dass Cillian nichts für seinen Vater kann. Das wird noch lustig werden... irgendwie musste ich hier Ruhe reinbringen, gerade für die Kinder. Sie litten wirklich darunter! „Ich weiß, ich hätte Shay nicht den Sohn seines ehemals besten Freund vorsetzen dürfen, ich habe nicht an ihn gedacht und dadurch unsere Ehe zerstört, wo ich doch Shay über alles liebe....“
„Jetzt hör mir mal zu, du hast nicht die Ehe zerstört! Du hast einfach nur für deine Meinung eingestanden und warst für deine Freundin da. Daran ist nichts verwerfliches! Das mit Liams Sohn ist natürlich wirklich schwierig und ich muss gestehen, ich kann es leider auch nicht so ganz nachvollziehen. Auch wenn ich sagen muss, dass es mir als Mutter schwer fällt, Kinder krank oder weinend zu sehen und da ist es egal, ob es das eigene oder ein fremdes Kind ist!“ Ich nahm sie wieder in den Arm und ließ sie sich ausweinen.
Langsam beruhigte Faith sich und ich nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah ihr durchdringend in die Augen. „Ich glaube dir, dass du mit dem König nicht im Bett warst, aus den Geschichtsbücher geht klar hervor, dass er keine Mätressen hatte, gläubig ohne Ende war und ein Büchernarr war. Von daher ist es einfach unvorstellbar, dass er dich angerührt hat, zumal du auch noch schwanger warst! George hätte viel zu viel Angst vor dem Fegefeuer gehabt!“ meinte ich jetzt lächelnd.
Aus verquollenen blauen Augen, sah sie mich an. „Und jetzt? Shay wird nicht auf dich hören!“ Etwas resigniert meinte ich nur „Ja, vermutlich, aber ich werde ihm einfach keine andere Wahl lassen! Und du, meine liebste Schottin, bleibst im Bett und ruhst dich aus. Noch ist es nicht überstanden. Und wo wir gerade dabei sind, die nächsten 6 Stunden sind um... also... umdrehen!“ Damit erhob ich mich und zog die dritte Spritze auf. Ich hatte mal wieder nicht die Zeit im Blick gehabt, doch es war mittlerweile früher Vormittag und die Uhr schlug zehn mal.
„Alex, woher wusstest du, dass du...“ wollte sie schon fragen. „Faith, ich wusste es nicht. Es war reiner Zufall, dass ich diese Medikamente bei mir habe. Und jetzt dreh dich um, dein Hintern wartet schon auf seine nächste Dosis.“ grinste ich jetzt breit, aber sie tat murrend, was ich ihr gesagt hatte. Ein „Aua...das brennt wie Feuer!“ gab mir die Bestätigung, dass sie langsam immer fitter ist. Mit einem Klaps ließ ich die Decke wieder über sie fallen und schmiss die Spritze in die Tasche.
Bevor ich sie jedoch jetzt alleine ließ, gab ich ihr einfach noch einen Kuss. Ich hatte sie wirklich vermisst. Wenn meine sture Schottin wieder gesund ist, würde ich ihr für das Buch ausgiebig danken, doch erst mal mussten hier die Ungereimtheiten beiseite geschafft werden! „Ich sehe nachher wieder nach dir. Brauchst du etwas?“ fragte ich jetzt noch. „Ja ich habe Durst!“ das lässt sich einrichten und so ging ich hinunter in die Küche und bat Marge Tee nach oben zu bringen!
Danach machte ich mich auf, den Hausherrn zu suchen. Ich fand ihn mit den anderen beiden Herren im Salon und als ich eintrat, standen sie alle völlig automatisch auf. Haytham lächelte mich fragend an, genau wie Lucius, doch Shay funkelte mich weiter zornig an. „Master Cormac, könnte ich euch kurz unter vier Augen sprechen?“ fragte ich so höflich wie es mir gerade möglich war. Mein Verlobter und Master Williams warfen sich alarmierte Blicke zu, sagten aber nichts. Ohne ein Wort ging Shay an mir vorbei und zog mich mit in sein Arbeitszimmer. So kannte ich diesen Mann wirklich nicht, ihm schien es auch nicht wirklich gut zu gehen. Sein Gesicht war blass und Augenringe deuteten auf sehr wenig Schlaf hin!
„Setzt euch!“ kam es knapp, nachdem er die Tür geschlossen hat. „Danke, ich stehe lieber!“ kam es von mir ebenso kurz angebunden. „Und? Was willst du jetzt von mir?“ meinte er jetzt plötzlich wieder in diesem vertraulichen Tonfall.
„Ich möchte, dass du mir sagst, was hier los ist. Wo warst du die letzten Monate? Warum kannst du deiner Frau nicht einfach glauben und vertrauen? WAS verdammt nochmal ist so schwer daran, miteinander zu reden?“ im Groben hatte ich alle Fragen gestellt und sah ihn jetzt herausfordernd an.
„Was hier los ist? Du hast es doch gehört und bestimmt hat meine Frau sich bei dir über mein Verhalten schon ausgiebig ausgelassen!“ maulte er weiter rum und ich sah nur kopfschüttelnd auf ihn hinab. „Dein Ernst Shay? DAS ist jetzt deine Antwort? Also schön, ja, Faith hat mir von Cillian berichtet und dass du ihr unterstellst, sie wäre dir untreu gewesen...“ er ließ mich nicht ausreden.
„Sie war in den Gemächern dieses Mannes, ALLEINE MIT IHM! Eine ganze Nacht. Was glaubst du, was die beiden wohl dort gemacht haben?“ jetzt wurde er wieder lauter und sah mich wütend an. „Das kann ich dir sagen, sie haben sich wirklich nur unterhalten. Ich erkläre es dir gerne auch einmal. Dieser König George der Dritte, ist ein sehr frommer Mensch, welcher mehr Angst vor dem Fegefeuer hat, als ihm gut tut. Er betet stundenlang und liebt Bücher über alles. So... und jetzt noch einmal. WAS glaubst du, haben die beiden gemacht? Deine Frau war, falls du es vergessen haben solltest, auch noch schwanger zu dem Zeitpunkt mit eurem Sohn! Der Mann hätte Faith nicht einmal mit der Kneifzange angefasst!“ auch ich wurde laut, diese Sturheit der Männer hier war nicht immer leicht auszuhalten.
„Und woher weißt du das alles? Wie er ist, wenn er alleine mit jemandem ist. Zumal Faith ihn ja auch irgendwie überzeugt haben muss, den Orden zu unterstützen. Da kann ich mir an drei Fingern abzählen, WIE sie das gemacht hat!“ mir blieb der Mund offen stehen, das konnte unmöglich sein Ernst sein.
„Shay, hast du mir gerade eigentlich zugehört? Oder sortierst du wie alle Männer gerne Wörter einfach aus? König George der Dritte würde eine schwangere, verheiratete Frau NIEMALS anfassen und woher ich das weiß? Ich kann lesen und ich habe durchaus im Geschichtsunterricht aufgepasst! Er ging jungfräulich in seine Ehe! Und weißt du, was ich gerade besonders schlimm finde?“ fragte ich ihn herausfordernd.
„Nein, aber du wirst mich sicher gleich damit belästigen!“ kam es schnippisch vom Iren. Ich musste mich arg zusammenreißen, um ihm nicht eine Ohrfeige zu verpassen. „Es ist schrecklich, dass du deiner Frau Untreue vorwirfst! Umgekehrt könnte sie dir gegenüber jetzt genauso misstrauisch sein, niemand weiß, wo du die letzten Monate verbracht hast. Du hast noch nicht einmal Haytham erzählt, wohin du dich verkriechen wolltest! Du bist hier einfach abgehauen und hast deine Familie alleine gelassen und das OHNE EINE NACHRICHT! Dann sag mir doch, wo du warst!“ ich baute mich vor dem Schreibtisch auf und funkelte ihn sauer an. Langsam stand Shay auf und ich sah, dass er seinen Zorn herunter schlucken musste.
„Ich brauche vor dir keine Rechenschaft ablegen, Alex. Aber bitte, wie du willst! Ich hatte kein bestimmtes Ziel und ich bin meiner Frau sicher NICHT untreu geworden. Ich brauchte einfach Zeit zum Nachdenken und das kann ich am besten auf See! Sie ist doch wunderbar alleine hier zurecht gekommen, sie hatte doch endlich jemanden an ihrer Seite. Sie brauchte mich doch nicht!“ schoss er mir entgegen und ich sah, dass ihm meine Anwesenheit gerade überhaupt nicht passte. Erst war die eine Freundin weg, dann tauchte ich wieder auf und mischte mich auch noch in ihre Angelegenheiten!
Ich schüttelte nur den Kopf. „Shay, ich bitte dich. Faith macht sich große Vorwürfe, dass sie alles falsch gemacht hat. Und du gibst ihr nicht einmal das Gefühl, dass du sie unterstützt. Sie fühlte sich einfach völlig alleine hier und auch in London! Du warst mit Lucius unterwegs und sie musste Cadan alleine zur Welt bringen. Sie war EINSAM hier. Da ist es doch verständlich, dass sie glücklich war, als Caroline wieder hier war.“ versuchte ich es noch einmal und hoffte, dass ich ihn wachrütteln konnte.
„Ja, ihre ach so gute Freundin. Die ein Kind von meinem ehemals besten Freund hatte. Jeden Tag wurde ich an ihn dadurch erinnert. Weißt du eigentlich, wie sich das anfühlt? Es war wie eine Bestrafung für mich, diese Vorwürfe, dass ich Liam auf dem Gewissen habe! Und dann ist Faith auch noch so dumm und nimmt das Medikament unserer Tochter für diesen... dieses fremde Kind! Anscheinend war ihr unsere Tochter auf einmal egal!“ schrie er mich plötzlich an und ich starrte ihn entsetzt an. So was konnte er doch unmöglich denken!
„Nein, so war das nicht und du weißt das auch. Es ist für dich vielleicht nicht ganz verständlich, doch ich als Mutter kann es ein Stückweit nachvollziehen. Man kann weder seine eigenen Kinder, noch fremde Kinder so leiden sehen. Vor allem, wenn sie dann auch noch von der besten Freundin sind. Vergiss auch bei deinen ganzen Anschuldigungen nicht, dass deine Frau Heilerin ist und sich verpflichtet hat, anderen Menschen zu helfen! Dazu gehört auch, dass man Kompromisse eingehen muss!“ Ich hoffte, er würde ein Einsehen haben.
„Pfffff... Nur weil Freya eingeschritten ist, lebt meine Tochter noch! Kannst du dir vorstellen, wie es ist, sein eigen Fleisch und Blut am Rande des Todes zu sehen?“ plötzlich ließ er sich schwer auf seinen Stuhl fallen und hielt seine Hände vors Gesicht.
„Doch, dass kann ich mir vorstellen und ich wünschte, es wäre bei euch nicht so gewesen.“ meinte ich leise. „Deine Tochter lebt, deiner Frau geht es auch wieder besser und ich lege meine Hand für sie ins Feuer, dass sie dir definitiv nicht untreu war! Aber bitte, versuch mit Faith zu reden, sie hat Cillian nicht gerettet, weil sie July vergessen hatte. Sondern weil sie nicht wollte, dass eine andere Mutter leiden muss! Und wenn ich ehrlich bin, ich glaube, tief in sich hat Faith gespürt und irgendwie auch gewusst, dass ihr geholfen wird mit July!“
Shays Augen waren voller Tränen und er sah mich kopfschüttelnd an. „Ich weiß nicht, Alex. Wie kann ich ihr das verzeihen? Aber was den König angeht, da muss ich wohl auch auf dein Urteilsvermögen bauen und ihr glauben! Doch... ich kann ihr dass mit July nicht verzeihen, NOCH nicht!“ Ich ging um den Schreibtisch herum und ich sah, dass der Ire ein wenig erschrocken war.
Ich nahm seine Hände in meine und drückte sie. „Dann rede mit deiner Frau, sie fühlt sich unverstanden, sie fühlt sich alleine und nutzlos. Faith braucht endlich wieder eine sinnvolle Aufgabe, sie braucht DICH, ihren EHEMANN! Sie geht sonst ein und ich kann das nicht zulassen! Hätte ich das eher erfahren...“ er sah mir in die Augen und ich konnte eine Veränderung wahrnehmen, er wurde ruhiger. „Vielleicht hast du Recht. Und wenn ich ehrlich sein darf, bin ich eigentlich auch froh, dass du wieder hier bist. Du weißt ja, der Großmeister ist durchaus eine Nervensäge ohne dich!“ lächelte er mich zögerlich an.
„Lass ihn das lieber nicht hören, sonst landest du noch an seiner Schwertspitze!“ grinste ich ihn jetzt an und er erhob sich. Dann nahm er mich in den Arm und drückte mich. „Danke!“ war alles was er sagte und ich sah, dass er langsam begriff, was zu tun war. „Ich... glaube ich gehe nach oben und sehe... wie es Faith geht!“ meinte er etwas stammelnd.
Damit gingen wir wieder in den Salon, naja, ich ging dorthin und er marschierte die Treppe hinauf. Ich atmete tief durch und hoffte, dass ich es nicht schlimmer gemacht hatte, mit meinem plötzlichen Erscheinen. Als ich ins Zimmer trat, sahen mich die beiden Herren erwartungsvoll an. „Fragt mich jetzt nicht, ich kann nur hoffen, dass Shay und Faith eine Aussprache hinbekommen. Und mal ganz im Ernst... WAS bitte war hier in den letzten Monaten los?“ fragend schaute ich von einem Herren zum anderen, doch von meinem Verlobten konnte ich eigentlich auch keine Erklärung erwarten. Allwissend war er nicht.
Es war Master Williams, der mir jetzt berichtete, was alles passiert war! „Nun, wo soll ich anfangen, Mrs. Frederickson. Ich kam Anfang diesen Jahres hierher zurück, weil es Probleme gab, die Master Lee verursacht hatte. Er war der Verwalter von unserem Anwesen und vom Fort Arsenal, sowie den laufenden Geschäften hier, doch wir wurden beide von ihm enttäuscht, oder Junge?“ Und sah dabei zu meinem Verlobten. Dieses Junge war für mich nach wie vor gewöhnungsbedürftig, aber sei es drum. Doch was mich aufhorchen ließ war Charles! Sie hatten ihn ernsthaft als Verwalter eingestellt? Bei Odin, man hatte diesem Stümper tatsächlich solche wichtigen Aufgaben anvertraut? Und mir wurde immer und immer wieder Unachtsamkeit und Unkenntnis vorgeworfen! Dieser Mann war einfach eine wandelnde Plage mit irgendwelchen Kötern und ungewaschener Kleidung!
„Er hat bei einem Spiel in einer Taverne das Haus verspielt und die Geschäfte von Shay und Faith fast in den Ruin getrieben. Wir hatten Glück, dass eine befreundete Familie das Haus von Lady Melanie erworben hat und uns dies mitteilte. Nun, um es kurz zu fassen, ich reiste mit Lady Melanie und meinem Vater hierher und brachte mit den beiden alles wieder in Ordnung. In dieser Zeit hatte Faith ihre Freundin als Zimmermädchen angestellt und Shay bekam den Sohn seines ehemaligen Freundes vorgesetzt. Was habe ich auf Faith eingeredet, die beiden weg zuschicken, aber sie ist genauso stur wie ihre Mutter. Da kann man gleich mit einer Wand reden, die hört wenigstens zu und haut nicht ab, wenn es ihr nicht passt, was jemand zu ihr sagt. Leider ist das eine scheußliche Angewohnheit meiner Tochter, aber das werde ich jetzt nicht noch näher erläutern.“ Doch ich wusste was er meinte, auch ich war bisweilen so eine nicht stillstehende Wand!
Bis jetzt war es das, was ich schon wusste, doch was jetzt noch folgte, verschlug mir die Sprache! „Auf jeden Fall war mein Schwiegersohn eines Tages mitten in der Nacht verschwunden und eigentlich wollte ich ebenfalls wieder nach London, aber ich blieb auf Bitten meiner Tochter, auch weil sich jemand um die Geschäfte kümmern musste, Faith hat dafür einfach kein Händchen.“ da hatte er nicht ganz unrecht, sie hatte so etwas mal angedeutet, weswegen sie froh war, dass Aminata die Geschäfte leitete. Doch... wo war DIESE Frau jetzt hin?
„So vergingen die Monate und ich versuchte für Faith da zu sein, aber außer ihre Freundin ließ sie keinen wirklich an sich ran. Im September tauchte zu unserem Übel das alte Dienstmädchen wieder auf, warf Faith öffentlich vor, eine Hexe zu sein. Ihr könnt euch denken, wie Faith das Ganze mitnahm und ich musste ihre Aufzeichnungen verbrennen, sonst wäre sie auf dem Scheiterhaufen gelandet. Es war sehr knapp, nur ein paar Minuten später und die Soldaten hätten diese gefunden.“ Bei allen Göttern! Ich hatte sie gewarnt und ich dankte Lucius für seine geistesgegenwärtige Art. Auch wenn Faith sicherlich nicht wirklich begeistert gewesen sein wird. Doch wir könnten jetzt... ich hätte ja ein gewisses Wissen und meine Truhe wäre sicher! Aber ich sagte vorerst nichts, sondern ließ Master Williams fortfahren.
„Danach kam ich an sie gar nicht mehr ran und zum Glück tauchte dann endlich Shay wieder auf. Die erste Woche war noch in Ordnung, doch dann wurde der Junge krank. Faith verbot ihren beiden Kindern mit Cillian zu spielen und keiner außer den beiden Frauen durften zu ihm. Sie nutzte das Mittel, welches für July gedacht war und eigentlich dachten wir alle, dass July die Krankheit nicht bekommen würde, doch drei Wochen später hatte sie es. Faith, sie heulte stundenlang, machte sich Vorwürfe und versuchte alles, um ihre Tochter zu retten.“ Was ich mich jetzt nur fragte war, WIE wurde July krank? Sie hatte keinen direkten Kontakt, also dürfte sie gar nicht mit den Erregern in Kontakt gekommen sein! Eine weiter Frage, die ich mit Faith dringend in den nächsten Tagen zu besprechen hatte.
„Nun ich kann Shay voll und ganz verstehen, aber ich verstehe auch meine Tochter, warum sie so gehandelt hat. Nun wisst ihr was vorgefallen ist, Mrs. Frederickson!“ ich sah diesen Mann mit offenem Mund an und mir liefen plötzlich die Tränen über die Wangen. Es war schrecklich und ich war nicht hier! Nein, aber auch ich war nicht hier und hatte keine Ahnung, mi sol. Also werden wir, oder du, sicher noch länger hier bleiben, damit hier wieder Ruhe einkehrt. Hatte Haytham jetzt wirklich mit mir über den Geist kommuniziert? Ich ließ mich darauf ein und antwortete ihm. Das werde ich, Haytham. So kann ich nicht einfach wieder abreisen. Ich muss wissen, dass alles in Ordnung ist und... es tut mir in der Seele weh, dass ich für Faith nicht da sein konnte. Ich konnte meine Tränen kaum zurückhalten.
„Mrs. Frederickson, wir werden schon eine Lösung finden und meine Tochter ist eine willensstarke Frau...“ ich ließ ihn aber nicht ausreden. „Master Williams, das ist es nicht. Ich mache mir große Vorwürfe, dass ich nicht hier war und ihr helfen konnte. Ich möchte es wieder gut machen!“ Haytham hielt mich plötzlich nur noch in seinen Armen und versuchte mich so zu beruhigen.
„Ich weiß um eure Zeitreisen, deswegen kann ich euch versichern, dass ihr euch keiner Schuld bewusst sein müsst.“ zum ersten Mal war sein Blick nicht distanziert, sondern etwas freundlicher. „Master Williams, ich weiß, dass ihr um meine Herkunft Bescheid wisst. Dennoch ist es gerade für mich sehr schwer zu ertragen. Die letzten 3 Wochen seit meiner Ankunft hier sind einfach zu turbulent gewesen und... ich befürchte, es ist noch lange nicht zu Ende damit!“ meinte ich und sah meinen Templer dabei an und er nickte nur stumm.
Etwas beunruhigt, dass Shay so lange schon oben bei Faith war, überlegte ich, ob ich nachschauen sollte. Als ich auf der Treppe nach oben stand, wurde mir klar oder besser hörte ich, warum er noch nicht zurück war und ich ging leise wieder hinunter. „Alex, warum grinst du so? Was ist los?“ fragte mich Haytham. „Nunja, sagen wir so. Die beiden Streithähne haben sich fürs erste... versöhnt und ihre Differenzen beigelegt. Wir sollten sie jetzt ein wenig... alleine lassen!“ und mir stieg doch ein wenig die Röte ins Gesicht, doch es war Lucius, der nur eine Augenbraue hochzog und „Aha!“ sagte.
Also fing ich an, mich mit Maggie und den Kindern zu beschäftigen. Die nächsten vier Stunden hatte ich noch Zeit, bis ich die beiden stören musste. Leider hatte ich die Rechnung ohne July und Cadan gemacht, die beiden wollten unbedingt zu ihren Eltern. Also ließ ich sie nach oben gehen und wartete noch einen Moment, ob sie auch dort bleiben durften. Nach einiger Zeit sah ich Shay mit Cadan und dann mit July auf dem Arm ins Kinderzimmer gehen. Erleichtert ging ich zu meinem Verlobten.
Dann erschien der Ire im Salon und meinte nur, er würde etwas zu Essen für seine Frau holen und verschwand in der Küche. Ich wartete nicht lange und ging hinauf. Die nächste Spritze würde gleich anstehen. Als ich das Schlafzimmer betrat und meine Freundin mich sah, rannte sie in ihrem Hemd auf mich zu und umarmte mich „Danke mein preußisches Weib!“ kam es nur und sie bedachte mich mit ebenfalls stürmischen Küssen. Ja, da war sie wieder!
Plötzlich vernahm ich ein Weinen aus dem Kinderzimmer und sie stürmte zu ihrem Sohn. Ich eilte hinterher, ich hatte Angst, dass sie noch nicht so lange auf den Beinen bleiben konnte. Was ich dann aber von der kleinen July hörte, verschlug mir den Atem. Bei Odin, sie dachte, dass ihre Eltern sich nur wegen Cadan so stritten und wollte deswegen ihn krank werden lassen. Also war sie zu Cillian mit ihm gegangen, obwohl sie es nicht durften. Doch nicht ER wurde krank, sondern sie. Aber WARUM? Die kleine Maus tat mir unendlich leid, sie hatte versucht in ihrer kindlichen Sichtweise ihre Eltern wieder zu vereinen.
Und dann fragte ich sie einfach, das brannte mir wirklich unter den Nägeln. „Faith wenn July krank war hat es auch Cadan!“ meinte ich jetzt. „Nein, hat er nicht, unser Sohn war noch nie krank, weil Freya uns geholfen hat, ihn zu bekommen“ mir verschlug es die Sprache und ich brachte nur ein „Wow!“ raus. Als Faith die beiden fragte, ob sie mit ins Bett wollten, kam ein einstimmiges Ja und ich sah, wie sich der kleine Cadan an Faiths Ausschnitt zu schaffen machte. Sie stillte ihn noch, was nicht schlecht ist, aber... jede Mutter ist da halt anders. Doch sie reichte mir ihren Sohn und selber nahm sie die schniefende July auf den Arm und wir gingen hinüber ins Schlafzimmer.
Gerade dort angekommen, war Shay auch schon mit einem Tablett Essen wieder da und ich vernahm ein lautes Knurren aus der Magengegend von Faith. Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. Doch als wenn Essen das Stichwort für den Nachwuchs war, sprangen beide auf und rannten hinunter um sich mit süßen Brötchen einzudecken. Eigentlich lag es mir ja fern, die beiden in ihrer neuen Zweisamkeit zu stören. Aber... die nächste Dosis stand an. Ich zog sie schon mal auf, doch mir kam der Gedanke, dass ich jetzt wohl nicht unbedingt mitten in der Nacht in ihr Schlafzimmer platzen wollte, zumal ich auch gerne mal ein wenig Schlaf hätte. Der fehlte mir jetzt auch so langsam und ich unterdrückte ein aufsteigendes Gähnen.
Als Faith nur meinte, ich solle dann einfach machen, drückte ich die Spritze Shay in die Hand und zeigte ihm, wie man es richtig verabreicht. Doch dieser Ire zog die Decke und ihr Hemd hoch und fuhr sanft über ihren Hintern. Ich rollte nur grinsend mit den Augen und meinte lachend „Shay ich finde auch, Faith hat einen tollen Hintern, aber gib ihr endlich die Spritze“. Nachdem das erledigt war, warf ich die Spritze in meine Tasche und gab noch die Anweisung, alles dort zu verstauen, wo es niemand findet! Ich konnte nicht anders und sie bekam noch einen Klaps von mir und ich ging breit grinsend hinaus. Die Sache war hoffentlich jetzt auch geklärt und ich atmete etwas erleichterter aus!
Ich machte es mir mit meinem Templer im Salon gemütlich, ich war ehrlich gesagt einfach nur noch müde. „Mi sol, du solltest auch so langsam ein wenig Schlaf finden!“ meinte Haytham besorgt. „Ich weiß, aber... ich kann dich doch hier nicht alleine einfach sitzen lassen, mi amor.“ Und dann fiel mir ein, dass wir irgendwann ja auch noch ankündigen mussten, dass wir planten am 31.12. hier zu heiraten. In diesem Moment fand ich es aber einfach mehr als unpassend, auch wenn wir schon Master Johnson eingeweiht hatten.
Wir sollten noch ein oder zwei Tage abwarten, bis wir diese Neuigkeiten kundtaten. Morgen standen auch die Geburtstage von Shay und July an. Ein Geschenk hatte ich für die kleine Maus, was sie eigentlich zu Weihnachten bekommen sollte, aber ich beschloss, dass ihr Geburtstag jetzt genau der richtige Zeitpunkt war. Es war eine Puppe, welche aussah wie mein Verlobter, ich hatte sie anfertigen lassen von meiner Freundin, der Schneiderin! Haytham ahnte noch nichts davon und ich war gespannt, wie ER darauf reagieren würde.
Wir saßen hier eine Weile beisammen und die Geschwister spielten friedlich mit ihrem Großvater und zwischendurch wurde ich auch noch mit in die Kletterpartien eingebunden. Dafür dass July bis gestern noch so krank war, war sie richtig fit. Ich vermutete aber mal, dass Freya da einen großen Beitrag geleistet hatte.
Dann sprang die Maus plötzlich auf und rannte zur Tür! „Mama, du bist wieder gesund!“ lachte sie und umarmte Faith, auch Cadan kam ihr hinterher und war ebenfalls glücklich seine Mutter zu sehen. Doch ich wurde ziemlich sauer, ich sah, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte und ihr schon wieder der Schweiß auf der Stirn stand. „Was machst du störrisches Weib hier unten, du gehörst ins Bett, verdammt nochmal!“ maulte ich sie an. Plötzlich hielt sie ihrer Tochter die Ohren zu und ich dachte im ersten Moment, weil ich geflucht hatte. „Torte backen für morgen!“ kam es nur.
Maggie reagierte ebenfalls, als wir sahen, dass sie kaum das Gleichgewicht halten konnte. Sie wollte die Kinder Faith abnehmen, doch Cadan quengelte „Mama Hunger!“ Ich fackelte nicht lange und nahm ihr den Kleinen ab. In mir stieg echte Wut hoch und ich sagte in einem ähnlichen Ton wie auf der Jackdaw „Du legst dich ins Bett, jetzt sofort!“ Doch sie dachte gar nicht daran und meinte trotzig wie eine 5jährige „Nein, ich werde jetzt die Torte backen, ich habe es July versprochen!“ Schotten und dann auch noch welche aus dem 18. Jahrhundert, muss ich noch mehr sagen?
„Es reicht ihr beiden, Faith geh zurück ins Bett, Marge und Wilma werden die Torte machen und das ist ein Befehl von deinem Großmeister. Alex kommt bitte zurück in den Salon!“, sprach Master Williams jetzt ein Machtwort und ich wich erschrocken ein wenig zur Seite. Auch die anderen beiden Herren standen jetzt neben ihm.
Doch Faith gab klein bei, was nicht unbedingt zu ihr passte, doch sie musste sich eingestehen, dass es einfach noch nicht an der Zeit war, wieder das Bett zu verlassen. Auch wenn es nur ein paar Stunden waren! Also fügte sie sich und wir gingen hinauf, July blieb erst mal unten, damit Faith Cadan stillen konnte. Als er selig nuckelnd an ihrer Brust war, fragte ich einfach, warum SIE die Torte backen wollte. Dass der Geburtstag von July und Shay morgen ist, wusste ich. „Sie beide freuen sich immer, wenn ich etwas koche oder backe. Alex, wenn es nach mir ginge, bräuchte ich das hier alles nicht. Nur meine Familie und manchmal vermisse ich das einfach Leben, was ich früher hatte!“
Sie sprach mir aus der Seele, nichts anderes war ich gewohnt! Ich konnte sie so gut verstehen, doch dagegen etwas machen, lag nicht in meiner Macht. Auf meine Frage, ob Shay von ihren Ansichten wüsste, kam nur „Ihm geht es genauso, aber unsere Stellung lässt diesen Wunsch nicht zu, letztes Jahr als wir wieder ankamen, und keiner der Bediensteten war mehr hier, weil Lee sie nicht bezahlt hatte, da habe ich alles alleine gemacht, mit zwei Kindern und es hat mich nicht gestört, in diesen Wochen war ich glücklich.“ Und wieder schoss mir dieser Gedanke in den Kopf, dass Charles irgendwann bitterböse für diese ganzen Vergehen zahlen würde und ich freute mich innerlich schon darauf.
Ich spreche selten Warnungen aus, aber in diesem Falle sollte ich es tun.
Es geht definitiv härter zwischen Alex und Haytham zu im Schlafzimmer!
Wer mit dieser Form der "Aggressionsbewältigung" (in diesem Falle ist es
nichts anderes!) Probleme hat, sollte bitte dieses Kapitel überspringen.
Es hat nichts mit häuslicher Gewalt oder sexualisierter Gewalt im
herkömmlichen Sinne zu tun.
Wir hatten noch einen wirklich ruhigen und angenehmen Nachmittag und ich erzählte ihr einfach, dass sie eine Einstellung hatte, welche meiner nicht unähnlich war. Mir widerstrebten ebenso diese ganzen Angestellten und Bediensteten. Doch wenn ich jetzt über das ganze Anwesen in Virginia nachdachte, würde es alleine kaum zu schaffen sein.
Gegen Abend war eine der letzten Spritzen angesagt und ich verabreichte sie einfach, da ich gerade anwesend war. Und ich musste immer mehr an mich halten, wenn ich ihre weiche Haut zu fassen bekam. „Heute Abend solltest du wohl kurz aufstehen, damit dein Kreislauf wieder in Gang kommt. ABER... wenn du merkst es geht nicht, dann sag es!“ doch was redete ich... die wandelnde Wand würde tun, was sie will!
Sie machte sich frisch und ich half ihr in ansehnliche Kleidung, als wir das Esszimmer betraten, wurden wir schon erwartet. Und was soll ich sagen, July benahm sich tatsächlich richtig gut. Auch wenn sie immer wieder zu ihrem Großvater sah. Aha, daher wehte der Wind. Er hatte sie unter Kontrolle... ein Wermutstropfen huschte über mein Herz. Yannick war immer, wenn meine Mutter damals anwesend war, das liebste Kind. Das war schon immer so! Jetzt war sie nicht mehr da und ich hoffte mal wieder, dass sie meine Entscheidung verstand und an der Tafel unserer Vorfahren auf mich anstieß!
Nach dem Essen wollte Faith dann mit Maggie die Kinder ins Bett bringen. Wir konnten hier unten das Getrappel von kleinen Füßen hören und ich konnte mir denken, wer gerade vor meiner Freundin wegrannte. July war ein Wirbelwind, genau das Gegenteil zu Cadan. Ich war kurz am Überlegen, ob ich ihr eventuell zur Seite stehen sollte, doch es wurde schon ruhig, also blieb ich hier unten.
Mich hielt es aber heute Abend nicht lange hier unten, ich war einfach übermüdet. Die Überfahrt hatte mich geschlaucht und überhaupt, brauchte ich endlich etwas Zeit alleine, mit Haytham wäre natürlich noch ein kleiner extra Bonus. Also verabschiedeten wir uns gegen 22 Uhr und ernteten von Faith und Shay ein Augenzwinkern. Und ich wurde doch tatsächlich wieder rot.
Im Gästezimmer war es angenehm warm und ich schmiss meine Sachen achtlos auf den Boden und warf mich in das große weiche Bett. Es dauerte nicht lange, da kroch mein Verlobter ebenfalls unter die Decke und fing an mich mit Küssen zu bedecken und seine Finger gingen auf Wanderschaft. „Das ist nicht fair, Haytham... ich bin völlig erschlagen.“ meinte ich mit stockendem Atem. „Hatte ich nicht schon einmal erwähnt, dass ich in unserem Bett nicht unbedingt fair spiele, mi sol? Gewöhne dich dran und jetzt gib mir einen Kuss!“ Seine Hand war zwischen meinen Schenkel und wie von alleine öffnete ich mich für ihn. Es war vorsichtig und langsam und ich konnte ihn genießen. Dieses dunkle Grau ließ mich immer weiter auf meinen Höhepunkt gleiten und auch Haythams Bewegungen dirigierten mich dorthin. Flüsternd kam mir sein Name und eine Götterpreisung über die Lippen, als er mir kurz darauf folgte und mir einfach dankte.
Ich kuschelte mich noch an ihn und er deckte uns zu. Als ich mich hier in dem Zimmer umsah, fiel mir ein, dass hier damals das ganze Theater begonnen hat. „Haytham, hier hat alles vor ein paar Jahren angefangen.“ lächelte ich ihn an. „Stimmt, du hast mich gequält und mich angeschrien.“ und seine flache Hand landete auf meinem Po. „Das habe ich gar nicht, ich... aber du...“ er lachte leise und meinte nur „Siehst du, du hast kein Argument dagegen. Endlich mal nicht so schlagfertig, mi sol.“
„Männer sind schrecklich, wenn sie krank sind!“ gab ich gespielt motzig zurück und streckte ihm die Zunge raus. „Und du kannst von Glück reden, dass ich die Kissen nicht doch noch zweckentfremdet habe, Haytham.“ und dann fielen mir langsam die Augen zu.
(das Datum stimmt eigentlich nicht für Shay
(geb. 12.9.1731, New York), aber ich habe
mich durch das Einbauen der Charaktere
vom Todesengel ein bisschen an ihre
Geschichte angepasst!)
Endlich hatte ich ein paar Stunden Schlaf bekommen und auch mein Templer hatte mich mit Lektionen verschont. Ich drehte mich zu ihm um und sah, dass er bereits wieder wach war. Warum überraschte mich das eigentlich, ich kannte es doch schon. „Guten Morgen, mi sol. Ich hoffe, du konntest ein wenig Schlafpensum nachholen?“ kam es in diesem rauen Ton von ihm, der mir eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Ich weiß es noch nicht, aber ich denke, es könnte ruhig noch ein wenig mehr sein, mi amor!“ und wollte mich wieder an ihn kuscheln, doch ich spürte plötzlich, dass er andere Pläne für mich hatte. Er gab mir einen langen begierigen Kuss und seine freie Hand wanderte über meine Brüste zu meinem Bauch und... die Tür wurde aufgerissen und es stürmten zwei kleine Kinder hinein! Bei Odin, ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen! Im ersten Moment dachte ich schon, es ist etwas mit Faith passiert.
Doch July sprang aufs Bett und fing an, ihren Patenonkel zu malträtieren, während Cadan etwas unbeholfen versuchte ebenfalls aufs Bett zu kommen. Das konnte sich ja keiner mit ansehen, also hob ich ihn hoch und nun hatten wir die beiden hier bei uns. Ich konnte mir schon denken, wer so freundlich war, uns dieses Weckkommando zu schicken und ich sah in Haythams Augen, dass auch ER wusste wer der Übeltäter war. „Na warte, Master Cormac, dass wird dir noch leid tun.“ kam es hinter zusammengebissenen Zähnen von meinem Templer und ich musste lachen. Auch mit Faith würde ich ein entsprechendes Hühnchen rupfen!
Soviel zum Thema, endlich einmal etwas mehr Privatsphäre als auf der Jackdaw und dann das! Doch in diesem Moment fiel mir ein, dass die kleine Maus Geburtstag hatte und ich beschloss, dass sie ihr Geschenk einfach jetzt schon vor dem Frühstück bekommen sollte. Ich setzte Cadan in die Mitte von uns und zog mein Hemd über und tapste über den eiskalten Boden zu meiner Truhe. „Tante Alex, willst du schon wieder verreisen?“ fragte July mich erstaunt und ich sah sie fragend an. „Nein, ich wollte nur etwas hier herausholen, kleine Maus.“
Ich hätte es mir denken können, schwups stand sie neben mir und wartete voller Spannung, was ich nun vorhatte. Oh wie gut ich das noch von meinem Sohn kannte. Diese Neugierde ist auf der einen Seite ja ganz niedlich, aber in solchen Momenten... unpassend. „July, das ist eine Überraschung für dich. Setz dich bitte kurz zu deinem Onkel aufs Bett und mach die Augen zu, ja?“ meinte ich nur und sie marschierte wieder zu meinem Templer. „Ich sitze hier und hab die Augen zu!“ kam es stolz von ihr und sie hielt sich tatsächlich ihre kleinen Hände vor die Augen. „Nicht schummeln, ja?“ meinte ich kichernd und kramte jetzt die Puppe heraus, ich hatte sie bereits in Packpapier gewickelt und verschnürt gehabt.
Dann ging ich zu ihr und setzte mich zu den dreien. „Jetzt darfst du deine Augen wieder aufmachen, July.“ ich gab ihr das Päckchen. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Erstaunt sah sie mich an und auch Haytham sah mich fragend an. Doch ich gab keine Antwort, sondern meinte nur, sie könne es ruhig schon auspacken. In Windeseile war das Papier Geschichte und sie sah auf die Puppe. Nicht nur July sah sie staunend an, auch mein Verlobter sah von seinem Ebenbild zu mir und wieder zurück.
Ich aber grinste und nahm Cadan auf meinen Schoß. „Das ist ja Onkel Haytham!“ sagte sie mit großen Augen! „Schau mal, das bist du!“ und sie hielt ihm die Puppe hin. Man erlebt diesen Templer selten sprachlos, aber ich hatte es mal wieder geschafft, er saß da und starrte einfach von mir auf die Puppe und sagte nichts. Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun, hatte ich etwas falsch gemacht?
„Alex, ich... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“ langsam fand er seine Stimme wieder. Cadan fing an quengelig zu werden, weil er kein Geschenk bekam. „Du hast noch nicht Geburtstag, aber bald ist ja Weihnachten, dann bekommst du auch etwas. Heute ist der Tag von deinem Vater und deiner Schwester! Aber keine Sorge, ein extra Stück Torte werde ich für dich besorgen!“ meinte ich nur und drückte ihn an mich. Er war ein wirklich liebes Kind und schien sich mit der Erklärung fürs erste zufrieden zu geben.
„Du hast wirklich... Alex, du hast eine Puppe nach mir anfertigen lassen? Warum?“ fragte er jetzt immer noch völlig ungläubig. „Weil ihr July immer die Altair-Puppe abspenstig machen wolltet, da dachte ich, sie bekommt ihren Patenonkel dazu. Dann kann nichts mehr schiefgehen.“ meinte ich breit grinsend. „July, du musst unbedingt Mama dein Geschenk zeigen, sie ist bestimmt schon ganz neugierig!“ meinte ich nur weiterhin grinsend.
„Oh ja, das mache ich!“ und mit einem Satz war sie vom Bett und verschwand über die Galerie. Cadan jedoch war immer noch ein wenig geknickt und ich überlegte, was ich ihm als Alternative geben konnte. Jetzt war es an mir ungläubig drein zu blicken, Haytham stand auf und wühlte in seiner Truhe herum. Als er fündig geworden war, kam er wieder zurück zum Bett und hielt ihm eine kleine Schachtel hin. Vorsichtig öffneten wir sie und ich sah kleine Zinnsoldaten darin.
Es versetzte mir einen Stich, es war Haythams Spielzeug, daran konnte ich mich noch erinnern. Vorsichtig strich er dem Jungen über den Kopf und sagte mit leicht brüchiger Stimme „Sie gehören jetzt dir und denke immer daran, es ist wichtig, dass es einen Befehlshaber und einen Stellvertreter gibt. So ist deine Truppe immer gut aufgestellt!“ Verdammt... mir liefen die Tränen übers Gesicht. Dein Gespräch damals mit Birch, in dem kleinen Flur! Haytham... ich... doch er unterbrach mich still Ja, aber ich denke, sie sind bei Cadan doch erst einmal gut aufgehoben. Und es sind nicht alle. Ein anderer Teil ist immer noch in London! Seine Augen wurden etwas klarer und er nahm meine Hand und drückte sie!
Ich musste tief durchatmen und erntete einen fragende Blick von Cadan. „Am besten gehst du auch rüber und zeigst deinem Vater, dass du auch etwas neues zum Spielen hast. Er muss dir unbedingt sofort zeigen, wie du sie richtig aufstellst!“ meinte Haytham und grinste mich dabei dann an. „Papa helfen!“ und damit krabbelte er vom Bett und eilte hinüber!
Haythams Blick war immer noch von Erinnerungen getrübt und ich konnte nichts tun. Ich nahm ihn nur in den Arm und versuchte ihm ein wenig Halt zu geben. Auch für ihn waren die letzten Wochen nicht einfach, eigentlich war sein ganzes Leben nie einfach gewesen! Ich ertappte mich wieder bei dem Gedanken, dass ich viel früher etwas hätte ändern müssen. Zum tausendsten Mal, Alex. Nein, du hättest nichts ändern können. Wir wussten noch nicht genug, aber jetzt sind wir weiter und JETZT musst du einen entscheidenden Punkt ändern! Hörte ich plötzlich Edward in seiner leicht pöbelnden genervten Stimme. „Mein Vater hat recht, aber ich kann nichts gegen meine Trauer tun, die mich immer wieder heimsucht.“ kam es fast tonlos von meinem Templer!
„Nein, dagegen kann man nie etwas tun. Man kann nur weitermachen und die Erinnerungen in Ehren halten, mi amor.“ ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn. Mit seiner Reaktion hatte ich jedoch nicht gerechnet. Er erwiderte den Kuss, aber mit einer Aggressivität, die ich nicht von ihm kannte und für einen Moment war ich erschrocken. Sein Atem ging plötzlich schwer und ich hörte nur ein „Verzeih mir, ich … wollte dir keine Angst machen!“ und dann lag er an meiner Brust und versuchte sich zu beruhigen.
Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und ich befand, dass wir noch einen Schritt weiter gehen konnten. „Unterdrücke diese Gefühle nicht... wir sind uns einig, schon vergessen, mi amor?“ gab ich etwas stockend von mir, ich wusste ungefähr, was auf mich warten würde. „Ich will dich, Alex! Jetzt!“ Und er setzte seinen Willen in die Tat um, doch ich hatte dem zugestimmt und wusste wieder, dass es so genau richtig war. Ich konnte seine gesamten Gefühle förmlich sehen, sie spüren... Zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, dass Haytham sich nicht immer unter Kontrolle hatte.
Als er völlig erschöpft über mir zusammensackte und ich ihn in meine Arme nahm, hörte ich nur ein „Ich will dich nicht verlieren! Ich will bei dir sein!“ und mehr als „Ich werde bei dir bleiben!“ brachte ich nicht zu Stande. Danach lagen wir noch eine Weile so zusammen, bis er sich zurückzog und mich entschuldigend ansah. „Es... tut mir leid...“ doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Haytham, hast du es schon vergessen. Wir waren uns einig und wenn ich etwas nicht will, dann werde ich dir das auch sagen!“ ich schmiegte mich jetzt einfach an ihn und wäre fast wieder eingeschlafen, als es klopfte. Nein... nicht schon wieder! Doch es war Magda, welche das Frühstück ankündigte!
„Ich liebe dich, mi amor!“ meinte ich leise und gab ihm einen Kuss auf die Brust. „Ich dich auch, mi sol.“ und seine warmen Lippen berührten meine Stirn. „Danke!“ kam es plötzlich von ihm und ich sah ihn erstaunt an. „Wofür danke?“ ich stützte mich auf einen Ellbogen und sah ihn fragend an. „Dafür, dass du mich schon so lange erträgst!“ ein leichtes Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
„Ja, es war nicht immer leicht. Gerade mit der Gehirnerschütterung...“ doch ich kam nicht weiter. „DU hast mich einfach fast aus dem Bett gezerrt, obwohl ich so krank war!“ lachte er plötzlich. „Das hab ich nicht, du hast... ja, du hast recht. Aber auch nur, weil du mich mal wieder geärgert hast! Haytham... die ganze Geschichte ist einfach... so absurd. Was erzählen wir nur irgendwann unseren Enkelkindern?“ grinste ich immer noch.
„Die Wahrheit, mi sol! Nichts anderes!“ und ich bekam wieder diesen warmen Kuss, der mich beruhigte. „Und jetzt stehen wir auf, ich habe Hunger und ich habe keine Lust, meine zukünftige Frau noch länger ohne Kaffee ertragen zu müssen!“
„Hey... ich bin sehr gnädig heute morgen, mi amor!“ meinte ich schmollend. „Das denkst aber auch nur du!“ kam es süffisant von Haytham und ich hatte seine flache Hand mit Schwung auf meinem Hintern. „Aua...“
Unten im Esszimmer erwartete uns das übliche Chaos, irgendwie fühlte ich mich hier wie zuhause. Es war so schön unkonventionell und es war... entspannend. „Danke, dass du die beiden wieder zu uns geschickt hast.“ meinte Faith nur zynisch grinsend. „Bitte, liebste Freundin, hab ich doch gerne gemacht!“ und streckte ihr die Zunge raus!
Faith sah mittlerweile schon wieder besser aus, dieses Mittel war wirklich Goldwert! Vermutlich tat ihr Ehemann das übrige Heilmittel dazu! Und ich dankte Odin im Stillen, dass ich die letzten medizinischen Vorräte der Jackdaw einfach so an mich nehmen konnte vor dem Umbau! Die Jackdaw! Sie musste noch repariert werden... doch ich sträubte mich, jetzt schon danach zu fragen. Meine Mannschaft hatte bereits Quartier in den umliegenden Tavernen gefunden und ward vorerst nicht mehr gesehen. Wer hätte auch mit einem solchen Durcheinander gerechnet!
Doch eigentlich wollte ich das Thema auf July lenken, ob sie ihren Eltern ihr Geschenk auch gezeigt hatte. Faith sah mich plötzlich seltsam an und ich hatte wieder Angst, dass es nicht richtig war. „Ja, hat sie. Alex, dass du dich an ihren Geburtstag erinnert hast, finde ich toll.“ ich hob nur eine Augenbraue und sah sie erstaunt an. „Naja...“ und gerade als ich weiter ausholen wollte fiel mir ein, dass ich Shay noch gar nicht gratuliert hatte und auch der Großmeister hatte es noch nicht getan. „Du meine Güte... Shay, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Leider... habe ich... kein Geschenk parat!“ gab ich kleinlaut von mir.
„Das ganze Durcheinander ist auch nicht gerade zuträglich, dass man an alles denken kann. Alex, mach dir keine Gedanken. Ich werde es überleben!“ lächelte er mich an und ich atmete etwas erleichtert auf. Ein Weihnachtsgeschenk hatte ich für sie beide auf jeden Fall! Haytham gratulierte dem Iren ebenfalls noch zum Ehrentag und ich war mal wieder erstaunt, wie die beiden privat miteinander kommunizierten. Es war gelöst und völlig freundschaftlich, das fand ich sehr angenehm.
Doch ich konnte nicht länger warten wegen meiner Jackdaw, das Wetter war ja auch alles andere als gut mittlerweile. Und ich fragte einfach frei raus. „Shay, habt ihr zufällig Zimmermänner und Handwerker an der Hand, welche die Schäden an meiner Brig zu einem guten Preis beseitigen könnten?“ kam es etwas vorsichtig von mir und er sah mich mit großen Augen an. „Was ist passiert? Seit ihr einem Eisberg begegnet?“ Nein, es war die Jackdaw nicht die Titanic, dachte ich grinsend, doch ich konnte mir diesen Spruch gerade noch verkneifen! „Nein, wir sind einer Fregatte namens HMS Iron Duke über den Weg gesegelt und … nunja.“ Haytham fiel mir ins Wort.
„Alex war der Meinung, ein frontaler Angriff wäre das beste, ehe dieses Schiff uns unter Beschuss nehmen konnte. Sie ließ diese Fregatte regelrecht umkreisen und verabreichte ihr eine Breitseite nach der anderen... und war erstaunlicherweise erfolgreich.“
„Erstaunlicherweise? Ich wusste was ich da tue, Haytham!“ meinte ich empört und er grinste mich breit an. „Ja, das weiß ich. Und ich bin froh darum!“
Wir erklärten noch kurz, wer der Besitzer ist und warum man uns verfolgt hatte. Diese Gedanken bezüglich von Zoe und Jones erzählten wir auch, doch ich war immer noch nicht ganz davon überzeugt. Wir mussten Geduld haben und später noch Nachforschungen anstellen.
Nach dem Frühstück ging ich mit Haytham also Richtung Brig, ich brauchte etwas frische Luft und wollte mir das ganze Ausmaß an Beschädigungen endlich einmal ansehen. Mich traf der Schlag, als ich so vor der Jackdaw stand. Ich meine, ich hatte damals Bilder gesehen, als meine Leute sie gefunden hatten, aber jetzt so direkt aus der Nähe betrachtet...
„Sie hat ganz schön gelitten, Alex. Aber du hast das gut gemeistert. Jetzt sieh zu und mach mein Mädchen wieder fit!“ meinte Edward in seiner üblichen fröhlichen Art. Eigentlich fehlte nur noch ein freundschaftlicher Stupser in meine Seite.
„Ich mach ja schon, Edward. Aber Hexen und Blau färben kann ich noch nicht!“ erwiderte ich nur und musste grinsen. Er hatte recht, sie musste dringend wieder ordentlich aussehen.
Gist erschien neben uns und betrachtete ebenfalls die Schäden. „Sie ist eine Schönheit, Mrs. Frederickson. Ich habe nach dem Zimmermann und einigen Handwerkern geschickt. Ich vermute aber mal, die Jackdaw wird an Land leichter zu reparieren sein. Dort drüben ist der Trockendock-Bereich, sie wird sicherlich dorthin geschleppt.“ meinte Shays erster Maat und deutete auf einen entfernten Bereich, wo schon einige Schiffe an Land waren!
„Das ist gut zu wissen, ich hoffe, ich muss kein Vermögen hinblättern!“ meinte ich tief seufzend. „Alex, mach dir darüber keine Sorgen...“ doch ich ließ meinen Templer nicht ausreden! „Mache ich mir aber, das weißt du. Du kennst mein schlechtes Gewissen und ich muss mir dringend etwas suchen, womit ich etwas Geld beisteuern kann!“ meinte ich jetzt maulig. Es musste doch eine Aufgabe für mich geben! Dazu dann hoffentlich später mehr!
Wir standen hier und warteten auf die besagten Herren. Zum ersten Mal konnte ich auch einen Blick auf die Morrigan werfen, ich hatte sie noch nie von Nahem gesehen. „Wirklich schönes Schiff, findest du nicht Haytham?“ fragte ich gedankenverloren. „Hmmmm? Ja, ist sie und sie ist schnell und gut bewaffnet!“ grinste er nur. Da stimmte auch Gist mit ein.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erschienen die bestellten Herren Handwerker und inspizierten meine Brig und die Schäden. „Du meine Güte, Mister! Gegen was wolltet ihr antreten, gegen drei Men of War?“ kam es lachend von dem Zimmermann. „Nein, nicht ganz, ich habe mich nur mit einer Fregatte angelegt!“ lächelte ich ihn mit einer hoch gezogenen Augenbraue an.
„Verzeiht, Ma´am, ich … das kriegen wir aber schon wieder hin, wir werden sie rüber zu den anderen bringen und auf Land hieven. Ist einfacher dann!“ meinte er unbeeindruckt und sah mich fragend an. „Macht das, Mr. …?“ fragte ich ihn. „Oh verzeiht, wo sind meine Manieren? Julian Tobbsen! Zu euren Diensten.“
Wir vereinbarten noch, dass dieser Herr uns bitte regelmäßig über die Reparatur und den Fortschritt in Kenntnis setzen sollte! Schweren Herzens überließ ich mal wieder mein Schiff fremden Menschen. „Sie werden sie schon nicht versenken, mi sol.“ meinte Haytham zuversichtlich und ich hoffte, er behielt Recht.
So langsam wurde es Zeit fürs Mittagessen, also machten wir uns auf den Weg. Im Esszimmer, trafen wir aber nur auf Lucius an, welcher alle Hände voll zu tun hatte, um die Kinder im Zaum zu halten. Kurzerhand nahm ich ihm Cadan ab und auf meinen Schoß. July sah immer wieder vorsichtig zu ihrem Opa, aber blieb plötzlich still sitzen. Anschließend brachte Maggie die beiden ins Bett und wir unterhielten uns über meine Jackdaw.
Dann kam ich auf das Thema, dass es ja sicherlich nicht ganz billig werden würde und ich dringend einer Beschäftigung nachgehen müsse beizeiten. Mit großen Augen sah mich Master Williams an. „Könnt ihr mit Zahlen umgehen, Mrs. Frederickson?“
„Ja, kann ich. Wir sprechen hier von Buchführung, Haushalts- und Geschäftsführung nehme ich an?“ gab ich fragend zurück. „Ganz genau so ist es, stimmt es nicht, Haytham? Das Geschäft von Faith wäre ja fast vor die Hunde gegangen, dank dieses... unfähigen Tölpels Lee!“ kam es ärgerlich von Lucius. „Das hattet ihr vorgestern erwähnt, was hat dieser Mann nur gemacht?“ fragte ich kopfschüttelnd. „Alles aufs Spiel gesetzt und nur weil meine Mutter so große Stücke auf ihn hält, ist er so lange geblieben.“
Wir gingen in Shays Arbeitszimmer und nun klärte mich Master Williams langsam auf, um was es sich genau handelte. Es war halt Warentransport von A nach B. Unter anderem war auch Madame de L´Isle mit dabei, der Name sagte mir etwas, aber in meiner Noch-Funktion als Assassine nichts gutes. Aber ich verdrängte diesen Gedanken! Es gab eine Liste mit Schiffen und entsprechende Einträge für Aufträge und ähnliches.
Plötzlich bat Lucius Haytham, uns kurz alleine zu lassen. Das machte mir dann doch etwas Angst, ich meine, ich hatte keine Angst vor dem Mann an sich, ich wusste nur nicht, was jetzt so schlimmes kam, dass mein Verlobter nicht dabei bleiben durfte. Doch er klärte mich schnell auf. Es gab noch eine kleine dezente Unterkategorie, welche sich mit … nunja... nicht unbedingt legalen Dingen beschäftigte. Das fand ich am spannendsten.
Lucius reichte mir, um mich zu testen, eines der Geschäftsbücher und bat mich, entsprechende Berechnungen für Einkauf- und Verkaufspreise zu machen. Und ich konnte meine Buchführungsqualitäten unter Beweis stellen, auch wenn in dieser Zeit das Ganze etwas anders abläuft. Ich kam ganz gut zurecht damit und hätte hier noch Stunden verbringen können. In den nächsten Tagen, oder besser Wochen sollte ich die hier anwesenden Geschäftspartner kennenlernen. Endlich eine Aufgabe für mich, ich freute mich schon!
Gegen späten Nachmittag erschienen Faith und Shay wieder und sie sahen ziemlich mitgenommen aus. July stürmte auch gleich auf die Beiden zu und verlangte nun endlich ihre Torte, auf die sie so lange warten musste. Lucius hatte ihr immer wieder zu verstehen gegeben, dass gewartet wird, bis ihre Eltern wieder daheim sind. Warum Kinder auf ihre Großeltern hören, war mir ein Rätsel. Diese Fähigkeiten bekommt man anscheinend wirklich erst im Alter und ich musste dabei grinsen.
Faith war in der Küche verschwunden und kam mit einem Glas Portwein in der Hand wieder zu uns. Soweit kommt es noch, Alkohol bei dem Antibiotikum, nichts da! „Vergiss es, keinen Alkohol für dich, du bist immer noch krank und wo warst du eigentlich?“ fragte ich maulig, verabschieden konnte man sich schon noch. „Alex es ist nicht wichtig, komm feiern wir Geburtstag“ dieses falsche Lächeln war schlimmer als die Lüge. Etwas stimmte nicht und ich würde ihr doch gerne helfen!
Doch auch ich riss mich zusammen und der weitere Nachmittag verlief entspannt. July freute sich riesig über ihre Geschenke. Eine kleine Morrigan für die Badewanne, ein Pferd auf Rollen, welches auch gleich ausgiebig getestet wurde, ein kleiner silberner Vogelanhänger von Lady Melanie. Leider sah Cadan nicht so begeistert aus, er verstand einfach noch nicht, warum er nichts bekam. Als aber Faith vorschlug, später ein Bad zu nehmen, damit sie beide mit der Morrigan spielen konnten, war die Welt erst einmal wieder für ihn in Ordnung. Und wie sollte es anders sein, July freute sich so doll, dass sie ihrer Mutter von hinten um den Hals fiel und ihr gleich ihre Freude ins Ohr brüllte.
Die kleine Maus war so aufgeregt, dass sie anfing auf Faith herum zu klettern. Ein „July“ von ihrem Opa reichte dann aber, mich ignorierte sie in diesem Moment, was aber nicht weiter schlimm ist.
Und dann kam das Abendessen. Leider gab es Hase! Ich erwähnte es ja bereits, ich kann diese Tiere einfach nicht essen. Aus Höflichkeit und Anstand nahm ich ein paar Bissen und meinte nur, dass mir das Korsett einfach alles verschnürte. Danach war es Zeit für das Bad der Kinder. Ich blieb mit Haytham und Lucius noch im Salon und wir unterhielten uns über die nächsten Lieferungen und dass ich in den kommenden Tagen die anderen Geschäftspartner hier kennenlernen sollte.
Dann endlich erschienen Faith und Shay wieder als die July und Cadan im Bett waren. Und jetzt wollte ich eine Antwort! Ich bekam sie, aber mir verschlug es die Sprache. Caroline war gegangen, nachdem Shay ihr sagte, sie solle zu den Grants gehen, sprich zum Appel Pie. Doch sie schien andere Pläne gehabt zu haben, so sah es zumindest aus. Bei einer Bettlerin fand Faith den kleinen Cillian, fast erfroren und einen Brief von ihrer Freundin. Einen Abschiedsbrief!
Diesen reichte Faith nun meinem Verlobten, damit er ihn begutachten konnte mit seinem Blick. In diesem Moment war ich froh, dass dieser erweitert worden war und wir auch schon ein wenig Zeit hatten, ihn zu trainieren. Unvermittelt erhob er sich und meinte nur „Kommt!“ er war schon fast draußen, als ich ihn aufhielt und meinte, dass ich so wohl schlecht mit könnte. Also ging ich mit Magda schnell nach oben und fischte den Ornat von Faith aus dem Schrank. Warf mir meine Waffen und meinen Mantel über und beeilte mich, die Treppe wieder hinunter zukommen. Wie sollte es anders sein, die Blicke von Shay und meinem Templer waren genervt und ich wusste, dass würde nachher wieder Ärger mit Haytham geben.
Wir vier gingen nun hinaus, zurück blieb Master Williams, um auf die Kinder aufzupassen, falls hier etwas passieren sollte.
Haytham nahm die Dächervariante und ich musste mich wieder an solche Kletterpartien gewöhnen. Ich war verweichlicht und beneidete Faith um ihren Haken, ich sollte beizeiten nachfragen, ob ich einen baugleichen haben konnte! Wir aktivierten unsere Blicke und ich machte ein paar Assassinen aus, welche uns gefolgt waren. Ohne Worte war klar, dass wir uns aufteilten und sie so in einen Hinterhalt locken konnten, endlich mal etwas richtiges zu tun! Es war befreiend... „Eigentlich werden wir nicht viel zu tun haben, die zwei werden uns keinen übrig lassen“ aber ich meinte nur, dass es vier sind und jeder einen abhaben könnte, gerecht geteilt würde ich mal sagen.
Mir wurde ja oft Unvorsichtigkeit vorgeworfen, aber diese Truppe hier war auch nicht besser. Sie schlichen sich zwar heran, bemerkten uns aber wohl überhaupt nicht. Also war es ein leichtes, dass ich mir einen schnappte und ihn leise gen Hel schickte! Faith hatte ebenfalls einen erwischt und dann sah ich, dass vor meinem Templer einer der anderen Meuchelmörder kniete und bekam noch mit, wie dieser höhnisch grinsend meinte „Schöne Grüße vom Duke, er weiß wo ihr und eure Hure sich verstecken!“
Zum ersten Mal wurde ich Zeuge, wie mein Verlobter jemanden ermordete. Er tat es einfach und ich sah, dass es wirklich nur seine Professionalität war, keine Genugtuung oder Rache oder ähnliches. Er tat es, weil es jemand machen musste! Alex, wir haben jetzt wirklich ein Problem! Meinte er lautlos. Ja, ich habe es gehört. Dann sollten wir uns schnell darum kümmern. Und mir kam meine Jackdaw in den Sinn. Sie war nicht mehr in dem geschützten Bereich des Forts, sondern in den Trockendocks! In mir keimte Panik auf und ich wäre am liebsten sofort dorthin, aber Shays Frage, ob er uns dabei helfen könne, riss mich aus meinen Gedanken.
Haytham war wieder in seiner Templerrolle und meinte kalt, dass die beiden jawohl eine Aufgabe hätten und sich darum kümmern sollten. Du meine Güte, er hatte doch nur gefragt! Er kletterte hinunter in eine der Gassen und blieb abrupt stehen! Und dann sah ich, dass in dem ganzen Dreck eine Frau lag, man hatte ihr die Kehle aufgeschlitzt. In Faith Gesicht sah ich, WER das sein musste. Caroline, ihre Freundin! Bei Odin, wer sowas macht, wird jetzt keine Ruhe mehr haben. Doch leider konnte mein Templer nichts an Spuren ausmachen, was seltsam war, sein Blick war eigentlich sehr ausgebildet. Aber auch ich sah nichts!
Er gab mir nur den Befehl, Faith wieder zurück zubringen, er und Shay würden sich um die tote Frau kümmern! Ich nahm meine Schwester in den Arm und ging mit ihr durch die Straßen Richtung Fort Arsenal. Ich redete beruhigend auf sie ein, aber sie hörte nicht zu, sie war in Gedanken einfach zu weit weg. Als wir uns dem Fort näherten, vernahmen wir Kampflärm und rannten beide wie aufs Kommando los. Dort angekommen wimmelte es von Assassinen, welche sich mit den Wachen angelegt hatten. Ich machte einfach kurzen Prozess, ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen, dass diese Assassinen hier nichts mehr mit mir gemein hatten! Faith hatte sich wieder im Griff und kämpfte sich ebenfalls durch.
Am Tor trafen wir dann auf Lucius, doch er wusste nicht, WER das war. Seine Vermutung war, dass es Gefolgsleute des Dukes sein müssen. Ja, super! Das hatte ich ja toll hinbekommen, eine Plage beseitigt und die nächste angezogen! Ich war mal wieder sauer auf mich selber, ich brachte hier Menschen in Gefahr, welche nichts dafür konnten!
Als dann wieder Ruhe herrschte, gingen wir hinein, Master Williams schien eine fiese Verletzung an der Schulter zu haben. Meine Freundin verschwand kurz, um alles für die Behandlung zu holen. Für einen Moment war ich mit ihrem Vater alleine und ich fragte ihn, ob er eventuell irgendwelche Namen aufgeschnappt hatte. Doch er verneinte und meinte, dass sich das sicher jetzt klären wird. Dann erschienen auch schon mein Verlobter und der Ire.
Auch meine Freundin hatte alles beisammen und trat wieder ein. Kurzerhand erhob mich Faith in die Stellung einer Assistentin und ich half ihr, naja, ich reichte ihr an, damit sie die Wunde versorgen konnte. Es dauerte auch nicht lange und ich sah ein Strahlen über ihr Gesicht fliegen! Sie war in ihrem Element, doch durfte sie es nicht mehr in die Tat umsetzen. Sonst würde immer noch der Scheiterhaufen auf sie warten! Diese Justine ist … lassen wir das, ich hoffte, mir drohte nicht ähnliches mit Zoe oder Jones!
Als wir dann alle im Salon saßen, erzählte Haytham Master Williams in Ruhe, was vorgefallen war und dass Caroline leider bereits tot war. Ich sah, dass Faith sich zusammenreißen musste und sie tat mir unendlich leid. Sie nippte immer wieder an dem Whiskey, ich ließ sie aber gewähren, doch einen tadelnden Blick bekam sie hin und wieder von mir. Aber er tat ihr gerade gut, das war das Wichtigste.
Dann kam mir plötzlich ein Gedanke, welcher vermutlich etwas absurd klang, aber er ließ mir keine Ruhe. „Könnte es sein, dass der Duke wusste, dass Caroline zu euch gehört und sie deshalb getötet hat, um uns nach draußen zu locken, damit er das Fort angreifen kann?“ Was aber wiederum wirklich etwas absonderlich wäre. Er wollte ja Rache an Haytham und mir und nicht... Oh bei Odin, wenn es wieder so ein Irrer ist, der sich einfach eine Schneise frei schnetzelt, nur um Genugtuung zu bekommen, dann hatten wir ein ernstes Problem jetzt!
„Und ich muss dringend zu meinem Schiff. Haytham, wenn die Wind davon bekommen haben, wo wir sind, dann wissen die auch, wo die Jackdaw ist. Das Ganze geht mir eigentlich viel zu schnell, der Duke selber dürfte doch gar nicht hier sein, oder?“ die Angst um mein Schiff nahm jetzt wieder Überhand und Haytham beruhigte sie nicht wirklich mit seinen Worten „Eigentlich nicht, nein. Aber ich habe schon länger nichts von ihm gehört, also wäre es sicher möglich, dass er hier in der Nähe ist. Vielleicht weil er mal wieder Schmuggelaufträge an Land gezogen hat.“ kam es nachdenklich von meinem Verlobten.
„Ich muss los, es tut mir leid, aber ich kann die Brig nicht unbewacht lassen!“ meinte ich nur und ging einfach hinaus. Es war wie damals, als diese Truppe Stümper und die anderen Assassinen aus Hessen mein Schiff belagerten. Ich würde das nicht zulassen! „Alex, warte doch. Willst du da wirklich alleine jetzt noch hin?“ hörte ich Haytham hinter mir rufen. „Ja, will ich. Komm mit, oder lass es. Aber ich GEHE!“ und damit war ich aus der Tür. Ein lauter Fluch, welcher mich als stures Weibsbild betitelte, kam noch aus seinem Mund, doch er folgte mir.
Es war kein weiter Weg, die Docks waren am Hafen und ich sah mein Schiff schon von weitem. Ich kletterte auf eines der zu reparierenden anderen Schiffe, damit ich einen besseren Überblick bekam und hockte mich hin. Dann ließ ich meinen Blick über die Gegend hier wandern und siehe da, einige rote Punkte taten sich auf. Auf einem der Dächer der nahegelegenen Lagerhäuser sah ich zwei, auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren ebenfalls zwei und ich machte nochmal 5 vor meinem Schiff aus.
Leise stieg ich wieder hinunter. Ich übernehme die beiden dort auf dem Dach und du bitte die dort drüben, an der Hauswand. Meinte ich lautlos zu meinem Templer. Sei bitte vorsichtig, Alex! Kam es nur von ihm mit einem kurzen beruhigenden Kuss. Dann verschwand ich zwischen den Seilrollen und den kleinen Schuppen. Als ich auf dem besagten Dach endlich ankam, sah ich die beiden dort auf dem Bauch liegend, mein Schiff beobachten. „Diese Templer sind doch echt alle gleich, ein Schweinegeld haben die, aber sind beleidigt, wenn man ihnen EINMAL etwas wegnimmt! Wir wären ohne dieses Pack besser dran, ich sags dir Tommy!“ meinte der eine vor mir. „Vielleicht sollten wir dieses Weib mal mitnehmen und ihr zeigen, wohin sie eigentlich gehört!“ kam es ekelig süffisant lachend von diesem Tommy. Waren die beiden wirklich so taub, oder taten sie nur so. Ich stand nun über ihnen und ließ einfach meine beiden versteckten Klingen vorschnellen. Noch bevor die beiden sich umdrehen konnten, hatte ich ihnen die Schneiden in die Nacken gerammt beim Hinknien und sie waren auf der Stelle tot. Vorsichtig lugte ich hinunter und sah, dass auch mein Verlobter sich bereits der beiden Herren dort entledigt hatte.
Ich kletterte schnell wieder hinunter und zusammen schlichen wir Richtung Brig. Und, war es schwer? Fragte er mich grinsend. Nein, die hiesigen Assassinen müssen schwerhörig sein, oder blind oder beides. Meinte ich ebenfalls breit grinsend. Sieh an, sie sind schon hinein geklettert. Haytham, übernimm die beiden hier unten noch und ich versuche über eine der Kanonenluken hinein zu gelangen. Ich hatte gesehen, dass sich die drei anderen noch im Zwischendeck aufhielten. Wie immer, komm heile wieder, mi sol! Seine Hand drückte meine und ich verschwand hinter meinem Schiff und kletterte hinauf.
Meinen Blick ließ ich hier aktiviert, es war stockdunkel. Aber ich kannte mich auf meiner Brig aus, also konnte ich auch nicht unbedingt stolpern. Ich hörte die drei über mir, wie sie irgendwas suchten und hektisch hin und her eilten! Ich schritt auf die schmale Treppe zu und schaute vorsichtig nach oben. Sie durchwühlten einige noch übrig gebliebene Vorratskisten. Das war mir egal, die konnten sie meinetwegen haben. Ansonsten gab es hier definitiv NICHTS mehr was diese Meute interessieren könnte.
„Das ist doch sinnlos, dieser Typ hat einen Haufen Schotter und hier ist nichts von Wert zu finden! Hoffentlich haben die anderen bei dem Verräter mehr Erfolg!“ Sie hatten sich tatsächlich aufgeteilt. Jetzt teilten sie sich plötzlich auch auf und einer kam auf die Stufen zu, ich versteckte mich und wartete, bis er ganz hier unten war. Dann griff ich seinen Hals von hinten und zog meine Klinge über seine Kehle. Mit einem Röcheln ließ ich ihn zu Boden gleiten, doch ich hatte Pech, die letzten Zentimeter fiel er, er wurde zu schwer. Mist verdammter!
Ich zog ihn in eine Ecke und wartete einen Moment, aber die anderen beiden schienen nichts gehört zu haben. Einer war jetzt hinauf aufs Oberdeck und der andere war in Richtung Bugseite unterwegs. Ich stieg die Treppe hinauf und schlich mich leise an diesen Typen heran. Hatte ich erwähnt, ich könne nicht so leicht stolpern? Vergesst es, irgendjemand hatte mitten im Weg hier sein Werkzeug liegen lassen. Scheppernd trat ich dagegen und alarmierte den Herren vor mir und natürlich auch den anderen oben. Doppelter verdammter Mist!
„Ah, haben wir hier etwa noch eine Verräterin, ja? Ist dieser Kenway also besser im Bett als wir, oder liegts an seiner Kohle? Mädchen, du weißt doch gar nicht, was du alles verpasst!“ meinte er breit grinsend und kam auf mich zu. Warum dachten die Typen eigentlich immer so kleinkariert? Hier konnte ich sein Gesicht sehen, es schien ein wenig der Mond hinein. Und ich hätte mir am liebsten meine Augen ausgestochen, jasses, war der Typ hässlich! „Oh, ich verpasse gerne die ganz hässlichen Idioten, danke.“ Dann ging ich einfach in den Angriff über und mein Schwert fand immer wieder sein Ziel mit Leichtigkeit. Mit großen Augen versuchte sich dieser Neandertaler ohne Zähne zu verteidigen, aber er hatte nicht mit meinen Fähigkeiten gerechnet.
Etwas beengt war es hier schon, aber ich konnte mich unter seinen Schlägen, dank meiner Größe, gut wegducken, gelangte hinter ihn und zog ihm so mein Schwert über die Kniekehle. Ein Aufheulen und seine Beine klappten zusammen. „Du blöde Schlampe, dir zeig ichs...“ und er versuchte sich mein Bein zu schnappen, doch ich trat ihm mit voller Wucht ins Gesicht und hörte es knirschen und wieder ein Jaulen. Jetzt hatte ich ihn soweit und mit einem schnellen Schritt stand ich wieder hinter ihm und durchtrennte seine Kehle.
Ich atmete kurz durch und sah mich um, wo war jetzt der andere? Wollte der nicht auch noch mitmachen? Doch dann fiel mir ein, dass ich ja nicht alleine hier war. Ich machte meinen Verlobten auf dem Oberdeck aus, der letzte dieser Assassinen kniete vor ihm und atmete schwer. „Und jetzt solltet ihr besser den Mund aufmachen!“ meinte Haytham kalt und drehte das Gesicht des Mannes in meine Richtung, als ich die kleine Treppe hinauf ging. Dessen Augen wurden groß, als ich langsam auf ihn zukam.
„Ich hasse es, wenn man mir meine Sachen klaut, wegnehmen will und ungefragt auf mein Schiff latscht! Also, wo ist euer verehrter Duke, hmmmm? Sprecht schon, oder soll ich euch noch ein paar nette Narben schenken?“ meinte ich in einem so kalten Ton, der mich wieder selber erschauern ließ. „Euch werde ich überhaupt nichts sagen, Templerschlampe! Ihr seid nicht besser als dieser Cormac! Alles Verräter!“ und er spukte mir vor die Füße.
Was machen wir jetzt mit ihm? Weiter verhören oder ihn erledigen? Fragte mich mein Verlobter jetzt wieder lautlos. Ich will Antworten, lass ihn uns in die Kajüte bringen und an einen Stuhl binden. Haytham zog ihn hoch und erstaunt sah er sich um. „Was wird das, kann ich gehen?“ fragte er dümmlich grinsend.
„Ja, in meine Kajüte und dort werden wir uns ein wenig unterhalten, was meint ihr?“ grinste ich ihn böse an. Ich sah, dass er schwer schlucken musste, ich hoffte, dass ich nicht auch noch rote Augen hatte. So fühlte ich mich nämlich gerade, in mir war etwas böses aufgewacht.
Wir banden ihm Arme und Beine an den Stuhl und das ziemlich stramm. Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass man sich sonst schneller befreien konnte, als den Aufpassern lieb war. „So, dann wollen wir mal anfangen.“ meinte ich nur und lächelte ihn kalt an, dabei hatte ich mein Stiefelmesser gezückt und hielt es ihm vors Gesicht.
Alex, nicht übertreiben. Lass es langsam angehen und atme tief durch. Haythams Stimme in meinem Kopf beruhigte mich ein wenig und ich atmete langsam.
„Wo ist der Duke of Ironside gerade? Wie es scheint, nicht in Philadelphia, sonst hättet ihr hier alle nicht so schnell wissen können, wo wir sind! Also... WO IST ER?“ meinte ich eiskalt und funkelte den Mann vor mir an. „Ich... woher soll ich das wissen...“ kam es jetzt etwas zitternd von meinem Gefangenen. „Weil du ihn kennst und du zu seinen Stiefelleckern gehörst, du Idiot! Also... nochmal! WO IST ER?“ und ich drückte die Messerklinge langsam fester an seine Wange, knapp unterhalb des Auges.
„Ihr werdet mich doch sowieso umbringen, also brauche ich auch gar nichts sagen. Na los, macht schon, dann hab ichs hinter mir.“ und das war mein Stichwort. Ich schritt hinter den Stuhl, kniete mich hin und griff nach seiner rechten Hand und dem ersten Finger. Langsam, ganz langsam verdrehte ich den Daumen und hörte ihn zischend Luft holen. Mit einem leichten Schwung drehte ich den Finger ganz herum und hörte es knacken und der Mann vor mir heulte auf.
„Ihr habt noch mehr Finger und ich habe viel Zeit. Also, erzählt mir, was ich hören will!“ kam es wieder böse aus meinem Mund. „Ich... bin nur ein Laufbursche... mir ...“ doch ich nahm den nächsten Finger und machte kurzen Prozess. Ein Keuchen von ihm zeigte mir, er hatte Schmerzen, sehr schön! „Er sagt nie....“ der nächste Finger war dran! „Ahhhh, verdammt... du dämliche Templerhure! Was soll das?“ schrie er mich plötzlich an. Wenn sich Haytham bisher in Zurückhaltung geübt hatte, dann war es mit dieser jetzt vorbei. Er verpasste dem Typen einen rechten Haken, der sich gewaschen hatte und ich musste einfach fies grinsen.
„Wofür war das denn, du scheiß ...“ brüllte er meinen Verlobten an. „Dafür, dass du meine Verlobte schon wieder beleidigst und das auch noch in meiner Gegenwart!“ sagte er in seiner kalten Templerart, wenige Zentimeter vor dem Gesicht des Gefesselten!
Doch der nächste Knochen an seiner Hand musste dran glauben! So langsam gingen mir die Finger aus und ich überlegte schon, was ich als nächstes nehmen würde. Von dem Assassinen hörte ich plötzlich nur ein Würgen und ein unangenehmer Geruch stieg mir in die Nase, auch Haytham verzog angewidert das Gesicht und wandte sich etwas ab. „Bei Odin, was seid ihr nur für ein Weichei. Es gibt noch ein paar Knochen, ich habe immer noch Zeit!“ vorsorglich nahm ich das nächste noch heile Körperteil in die Hand. Schwer atmend hörte ich nur ein „Er ist... in dem großen Anwesen... im East Village... gehörte mal einer Jensen! Und jetzt lasst mich gehen!“ Den Gefallen konnte ich ihm leider nicht tun und erhob mich langsam hinter ihm. Mein Blick glitt langsam zu Haytham und er nickte unmerklich. Dann zog ich mein Messer über den Hals des Assassinen!
Ich ging ein Stück zurück und aus der Kajüte hinaus, ich brauchte kurz frische Luft. Mein Verlobter kam langsam hinter mir her. „Alex, sieh mich an. Es ist erledigt!“ meinte er nur und nahm mich in den Arm. „Bei Odin, warum finde ich das gerade so befreiend? Ich habe es... sogar ein bisschen genossen, es war wie eine Genugtuung...“ ich versuchte mir selber einen Reim auf mein Handeln zu machen. „Aber auf der anderen Seite, tun mir diese Männer leid. Es ist gerade ein wenig verwirrend!“
„Das wird es hoffentlich auch immer bleiben, wenn man erst aus Gewohnheit tötet ohne jegliches Gefühl, wäre es noch viel schlimmer.“ kam es in einem beruhigenden Ton von Haytham. „Was machen wir jetzt mit den Leichen? Wir können sie schlecht hier lassen.“ fragte ich, der Gedanke kam mir plötzlich. „Ich habe dafür einige Helfer. Komm, du wirst sie kennenlernen und dann weißt du auch, wer dir bei solchen Angelegenheiten helfen wird in Zukunft!“ damit nahm er meine Hand und zog mich vom Schauplatz des Geschehens fort. Die anderen vier Leichen hatten wir schon versteckt, also würden wir noch einen Moment haben, bevor hier jemand Verdacht schöpfen würde.
Wir gingen durch die Straßen, hinein in die ärmeren Viertel und kleinen dreckigen Gassen. Es war wie in einem typischen alten Krimi mit Hinterhofatmosphäre, als wir an einem schäbigen Haus ankamen. Der Großmeister klopfte und wir mussten eine Weile warten, ehe im oberen Stockwerk ein Fenster geöffnet wurde. „Wer stört um diese Uhrzeit?“ brüllte eine tiefe Männerstimme nach unten. „Haytham Kenway!“ rief er nur zurück, aber in seinem Tonfall lag der Befehl, SOFORT zu öffnen. „Oh verzeiht, ich habe euch nicht gleich erkannt, Master Kenway!“
Kurz darauf standen wir in einem schummrigen Ess- und Wohnzimmer. Ein etwa 50-Jähriger braunhaariger Mann saß uns gegenüber, nachdem man mich auch noch vorgestellt und begrüßt hatte. Sein Name war Thomas Edgyu, gebürtiger Brite und seit 10 Jahren hier. Er hörte Haythams Bericht zu und nahm die Anweisung entgegen, die Leichen zu entsorgen. Das ging ja schnell, dachte ich nur.
Als wir dieses Haus verließen, war es weit nach Mitternacht und ich spürte die Müdigkeit allmählich in meinen Knochen und auch meinem Geist. „Ich bin so wahnsinnig erschlagen jetzt, ich will nur noch ins Bett, mi amor!“ meinte ich beim Gehen an ihn gelehnt. „Das glaube ich dir gerne, mir geht es nicht anders. Dann lass uns zusehen, dass wir schnell zum Fort kommen!“ meinte er jetzt grinsend und zog mich hinter sich her. Haytham vergaß gerne mal, dass ich nicht so lange Beine wie er hatte. Doch ich hielt einiger Maßen Schritt. Leise öffneten wir die Tür, es war alles ruhig und alle anderen schienen schon zu schlafen.
Wir wollten gerade hinauf, als Mrs. Marge im Gang zur Küche auftauchte und uns erstaunt ansah. „Master Kenway, Mrs. Frederickson? Ihr kommt aber spät zurück, ist alles in Ordnung? Braucht ihr etwas?“ fragte sie besorgt, als sie auf unsere etwas schmuddelige Kleidung sah. „Danke, wir brauchen nichts. Es war nur eine harte Nacht in der Taverne. Ihr wisst ja, Männer!“ meinte ich zwinkernd und sie grinste breit. „Gute Nacht, Marge!“
Als ich endlich im weichen Bett lag und mich an Haytham schmiegte, hörte ich die anerkennenden Worte „Du hast dich heute als echte Templerin bewiesen, Alex. Ich bin stolz auf dich und ich liebe dich über alles!“ und bekam einen vorsichtigen Kuss in meine Halsbeuge mit anschließender Gänsehautgarantie. „Danke!“ war alles was ich darauf sagen konnte und schob mich enger an meinen Verlobten und drückte seine Hand. „Ich liebe dich auch, Haytham.“ und dann fielen mir die Augen zu.
Ich wurde durch ein Poltern geweckt und wollte schon meckern, dass ich mich beizeiten bei Faith für dieses Wecken rächen werde! Doch es war Haytham der für diesen Krach verantwortlich war. Als ich mich aufsetzte, sah ich nur, dass er am Fenster stand und hinaus starrte. „Was ist los?“ fragte ich plötzlich alarmiert, neben ihm stand seine Reisetruhe, sie war offen. Nichts ungewöhnliches, aber sie war nicht so ordentlich, wie er sie gestern Abend noch hinterlassen hatte.
Ich sprang aus dem Bett und eilte, ohne auf eine Antwort zu warten, zu meiner eigenen. Sie war ebenfalls durchwühlt worden! Aber Odin sei Dank hatte ich hier nichts wichtiges drin. Alle Schriftstücke oder ähnliches bewahrte ich in meiner Stahltruhe auf, welche sich im Templerzimmer versteckt hinter einer zweiten Wand befand. Shay hatte es mir angeboten, als ich auf die Wichtigkeit hingewiesen hatte.
„Haytham, fehlt etwas? Wer hat hier eingebrochen? Und... warum?“ ich stellte mich neben ihn und sah ihn fragend an. „Ich vermute, dass es doch einer dieser Lakaien geschafft haben muss, hier einzudringen, ohne bemerkt worden zu sein. Aber, weißt du was wieder seltsam ist? Ich kann keine Spuren sehen, es ist, als wäre hier ein... Geist gewesen, doch DESSEN Spuren könnte ich sehen.“ sprach er völlig gedankenverloren und seine Augen zeugten von deutlicher Skepsis und Verwirrung.
Schon gestern war es eigentlich eigenartig, dass er keine Spuren ausmachen konnte. Mir kam aber ein anderer Gedanke. „Haytham, ich könnte mir denken, warum hier jemand die Sachen durchwühlt hat und warum man auf der Jackdaw ebenfalls gesucht hat.“ meinte ich jetzt etwas erleichterter. „So? Dann klär mich bitte auf, ich tappe nämlich noch völlig im Dunkeln.“ kam es immer noch sauer von meinem Verlobten. „Ich habe Seekarten, persönliche Notizen und das Logbuch der HMS Iron Duke an mich genommen. Ich gehe davon aus, die Damen und Herren hätten sie gerne wieder in ihrem Besitz.“ erklärte ich ihm die Sachlage.
„Alex, das ist es. Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, die ganzen Dinge genauer zu inspizieren! Wo sind diese Unterlagen eigentlich?“ Haytham war sichtlich optimistischer jetzt. „Sie sind in meiner gesicherten Truhe unten. Shay hatte sie dort verstecken lassen, weil sie einfach zu wichtig ist.“ mein Verlobter gab mir einen freudigen Kuss und hob mich hoch. „Für so vorsichtig und umsichtig hatte ich dich gar nicht gehalten, Mrs. Frederickson.“ grinste er mich jetzt breit an.
„Danke, Master Kenway, aber ob ihr es glaubt oder nicht, auch ich weiß, wie man ein Geheimnis hütet!“ damit bekam er von mir ebenfalls einen freudigen Kuss und so umschlungen standen wir einfach da. Ich musste diese Idylle leider unterbrechen, meine Füße froren gleich ab und wieder einmal machte ich mir eine Notiz, dass ich dringend Hausschuhe hier brauchte.
Magda klopfte zögerlich und kündigte an, dass das Frühstück fertig sei. „Eigentlich würde ich...“ kam es raunend von Haytham, doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Dazu haben wir später sicherlich noch Zeit, mi amor.“ und schenkte ihm ein Lächeln, welches keine Missverständnisse aufkommen ließ. „Ich nehme dich beim Wort, das weißt du!“ und seine Hand nahm meinen Hintern in Beschlag und drückte zu.
Ich lief knallrot an, meine Gedanken waren schon wieder in der Kloake versunken. Unten im Esszimmer trafen wir das übliche geordnete Chaos an. Ich hatte meine provisorische Zofe noch gebeten, meinen Ornat zu reinigen, der sah im Hellen betrachtet, wirklich schäbig aus nach der Nacht.
Faith kam auch gleich ohne Umschweife auf mein Schiff zu sprechen. „Und? Konntet ihr die Jackdaw vor diesen Leuten beschützen?“
„Ja, es waren jetzt auch nicht so wahnsinnig viele von ihnen. Neun insgesamt und mit einem hatten wir noch einen netten Plausch!“ grinste ich sie breit an und vernahm neben mir ein Schnauben. „Diese Frau hat es Faustdick hinter den Ohren, dem Kerl wurden die Finger einzeln gebrochen, damit er redet!“ doch er grinste mich an und Shay sah mich ebenfalls mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
„Was? Sollte ich ihn lieb fragen und auf einen Tee einladen? Aus dem Alter bin ich nun wirklich raus und... wenn ich ehrlich bin, hier kann ich meine erlernten und trainierten Fähigkeiten endlich vernünftig einsetzen.“ meinte ich etwas maulig! „Hat er wenigstens auch den Mund aufgemacht?“ fragte mich meine Schwester einfach. „Ja, hat er und der Duke ist tatsächlich nicht mehr in Philadelphia, sondern HIER. Und ihr werdet es nicht glauben, in welchem Anwesen er Hof hält!“ sagte ich in Richtung Shay. „Hopes Anwesen, schätze ich mal. Dort wurde vor ein oder zwei Wochen tatsächlich von einem möglichen Einzug eines neuen Besitzers gesprochen. Verdammt, ich hätte dem mehr nachgehen sollen. Es tut mir leid, Master Kenway!“ kam es entschuldigend.
„Woher solltet ihr das wissen, Shay?“ sagte Haytham in seinem privaten Tonfall dem Iren gegenüber. „Aber ich denke, Alex und ich sollten uns dort einmal umsehen. Der Morgen ist wie geschaffen dafür.“
„Und ich habe auch noch ein paar Besorgungen zu machen, das passt perfekt, Haytham.“ lächelte ich an. Faith und Shay wollten Cillian wie versprochen besuchen und machten sich auch nach dem Frühstück auf. „Wenn ich fragen darf, mi sol. Was musst du noch besorgen?“ sein fragender Blick war Goldwert. „Ich brauche noch Geschenke für die Kinder, Haytham. Ich hatte eigentlich vorgehabt, July die Puppe zu Weihnachten zu schenken. Aber ich muss gestehen, in dem ganzen Vorbereitungstrubel bei mir, sind alle andere Feierlichkeiten vergessen gewesen!“
Wir machten uns zu Fuß auf den Weg, ich brauchte ein wenig frische Luft und auf dem Weg zum Anwesen, kamen wir an genügend Läden vorbei, in denen ich auch fündig wurde. July bekam noch eine Miniaturausgabe ihres Pferdes auf Rollen aus Holz und Cadan würde einen weiteren Satz Zinnsoldaten erhalten. Sie waren wunderschön bemalt und ich staunte über die präzise Arbeit, es war alles handgefertigt. Fantastisch, wenn ihr mich fragt!
Als wir in die Nähe von East Village und dem besagten Anwesen kamen, wurde die Atmosphäre etwas anders. Hier lebten die besser betuchten Bürger und das bekam man auch zu spüren. Wir hielten uns ein wenig bedeckt, damit wir ein bisschen von den Gesprächen der Passanten mitbekamen. Oft ist es ja, dass man so auch schon erfährt, wer wo wohnt oder auch andere interessante Neuigkeiten und Tratschgeschichten.
Und tatsächlich unterhielten sich zwei Damen über den neuen Zuzug in der Stadt und schwärmten von dem Anwesen. Von ihm selber hätte man ja nur kurz die wehenden Rockschöße gesehen, welche aber sehr nobel ausgesehen haben sollten. Man freue sich außerdem, wenn der erste Empfang oder ähnliches anstand. Seine Tochter war ja in einem heiratsfähigen Alter.
Seine Tochter? Soweit wir wussten, war er zwar verheiratet, aber hatte keine Kinder. Woher kam plötzlich der Nachwuchs? Leider erfuhren wir nichts weiter und gingen ein bisschen um das große Grundstück herum. Haytham kannte es noch grob, aber meinte, es sei schwierig, dort hinein zu gelangen. Gerade jetzt war es besser bewacht, als der Tower in London! Und es gab auch nicht wirklich eine Möglichkeit über diese riesige Mauer zu kommen. Etwas frustriert machten wir uns wieder auf den Weg zurück zum Fort Arsenal, es wäre bald Mittag!
Doch mein Verlobter führte mich einmal quer durch die Gassen und wir standen vor einem Geschäft, welches hochwertige Kleider anbot. „Haytham, ich habe Kleider genug.“ lächelte ich ihn an, doch seine Reaktion war völliges Erstaunen. „Alex, willst du nur im Unterkleid zu unserer Hochzeit erscheinen?“ fragte er grinsend. „Nein, natürlich nicht. Aber ich habe doch...“ er unterbrach mich. „Ja, ich habe gesehen, welche Kleider du dabei hast. Ich will aber ein anderes für dich.“ er zog mich hinter sich her in den Laden und der Besitzer machte ein freudiges Gesicht, anscheinend gut betuchte Kundschaft zu haben.
„Ich freue mich, dass ihr Weg sie in mein bescheidenes Geschäft führt. Was kann ich für euch tun, Sir, Miss?“ fragte der kleine Mann vor uns, der aussah wie ein Hobbit und ich musste mir ein Kichern verkneifen. „Ich suche ein Kleid für meine Verlobte zu unserer Hochzeit in einigen Tagen und mir wurde ihre Schneiderei empfohlen, Mr. Gready!“ Aha, davon hatte er mir gar nichts erzählt, aber ich war gespannt, was man mir so anbieten würde!
Es dauerte nicht lange und Mr. Gready reichte mir ein 2-teiliges Kleid, welches aus einem schwarzen Überrock und einem beigefarbenen Seidenoberteil bestand. Dieses war wie ein Gehrock geschnitten und fiel links und rechts über den weiten Überrock. Es sah fantastisch aus und ich musste auch nichts weiter sagen.
Die Anprobe fand kurzerhand auch gleich statt und nachdem noch hier und da kleinere Änderungen vorgenommen werden mussten, sollte das Kleid an uns geliefert werden in den nächsten Tagen. „Danke!“ meinte ich und gab Haytham einen langen Kuss, welchen er mit einer festen Umarmung erwiderte.
Jetzt gingen wir aber endlich zurück, es war schon spät geworden und wir würden jetzt nicht mehr pünktlich zum Mittagessen erscheinen. Wirklich eilig hatte ich es aber auch nicht, ich genoss die Zeit mit meinem Templer alleine einfach. „Wir müssen so langsam mitteilen, dass wir planen Silvester zu heiraten, mi amor. Ich möchte nicht noch länger damit warten. Sonst fühlt sich deine kleine Schwester überrannt und sie ist ja auch noch nicht wieder ganz gesund. Auch wenn ich im Moment noch Bedenken habe, wegen Caroline. Ihr Tod nimmt Faith ganz schön mit, sie tut mir so leid!“ meinte ich etwas geknickt und sah ihn an, auch Haytham überlegte, wann ein günstiger Zeitpunkt sei. Doch den würde es wohl vorerst gar nicht geben.
„Wir sollten heute Abend, wenn die Kinder im Bett sind, das Gespräch darauf lenken, mi sol.“ sprach er nur und kurz darauf waren wir schon am Fort angelangt. Als wir eintraten, kam ein breit grinsender Ire die Treppe hinunter. „Master Cormac, ihr seht aus, als hättet ihr gute Nachrichten bekommen!“ meinte mein Großmeister ebenso grinsend. „Nicht unbedingt, aber... interessante Nachrichten.“ mehr sagte er nicht und ging an uns vorbei in sein Arbeitszimmer. Wir sahen uns beide fragend an und ich zuckte mit den Schultern. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätte er es uns mitgeteilt!
„Mi amor, ich werde uns noch etwas vom Essen besorgen, setz dich schon mal. Bin gleich wieder da.“ meinte ich freudig und verschwand in der Küche. Mrs Marge sah mich etwas säuerlich an. „Mrs. Frederickson, wir haben euch beim Essen vermisst. Aber wir haben euch etwas aufgehoben. Wartet im Esszimmer, ich bringe es gleich.“ sagte sie dann wieder etwas versöhnlicher und schob mich aus der Küche. Also gesellte ich mich zu Haytham und wir besprachen noch, dass wir heute Nachmittag einmal die persönlichen Unterlagen des Masters Montegue in Augenschein nehmen sollten. Das Logbuch hatten wir schon unter die Lupe genommen.
Mit gefülltem Magen ging es mir besser und ich konnte mich auch wieder besser konzentrieren. Also holte ich die Truhe aus ihrem Versteck und wir fingen an zu lesen. Dieser Herr war wirklich ein gerissenes Kerlchen. Er hatte überall noch Hintermänner und für jeden Helfer einen Helfershelfer. Das ganze war verzweigt über die ganzen Kolonien! Er schmuggelte Pelze, Tabak, Rum, feine Stoffe, Tee... eigentlich alles, was er finden oder erbeuten konnte.
Stolz berichtete sein Tagebuch auch von einigen Schiffen, welche das nasse Grab viel zu früh gesehen hatten und er sich die Ladung dann unter den Nagel reißen konnte. Master Montegue hatte seltsamerweise keinen festen Wohnsitz, er schien auf der HMS Iron Duke gelebt zu haben. Mein Verlobter wurde immer ärgerlicher, es waren auch ein paar Schiffe aus der Templerflotte darunter. „Das darf nicht wahr sein, wir sollten in Zukunft alle Schiffe nur noch mit Begleitschutz losschicken.“ Das gestaltete sich aber schwieriger als gedacht, es gab einige Handelsschiffe, welche leichte Bewaffnung hatten, doch nicht genug Begleitschiffe mit vielen Kanonen zum Beispiel.
„Und wenn ich meine Jackdaw noch zur Verfügung stelle?“ fragte ich etwas kleinlaut, eigentlich wollte ich das nicht und ich war mir auch nicht sicher, ob es das war, was Edward gutheißen würde. „Nein, Alex, wir brauchen sie hier oder in unserer Nähe. Die Brig ist unersetzlich, wenn wir schnell von A nach B müssen. Und... ich kann das nicht verlangen und mein Vater...“ zu mehr kam er nicht und der Pirat stand zwischen uns. „Ich hätte zwar nichts dagegen ihr beiden, aber ihr braucht mein Schiff einfach selber. Eure Missionen sind noch lange nicht vorbei, dass wisst ihr ja!“ meinte er und verschwand wieder ohne ein weiteres Wort.
„Dann ist es abgemacht, ich werde mich nach potentiellen Schiffen umhören, Alex. Und du tu bitte das gleiche, wenn du dich mit den Geschäften besser auskennst. Darüber wirst du sicher auch den einen oder anderen Kapitän kennenlernen, der jemanden kennt und helfen könnte.“ lächelte er mich jetzt an. „Bis dahin werde ich ein Schreiben an alle derzeit eingesetzten Schiffe senden, damit sie umsichtiger und vorsichtiger sind. Wer weiß, welcher Assassine als nächstes zuschlägt!“ Als alles wieder verstaut war, schloss ich die Truhe und schob sie zurück ins Versteck.
Im Eingangsbereich herrschte plötzlich Trubel und ich sah nicht zwei Kinder sondern plötzlich drei hier herumgeistern. Erstaunt sah ich zu Maggie und dann zu Faith. Der dritte Krümel in der Runde war Cillian, Carolines und Liams Sohn. Mein erster Gedanke war, jetzt wird es hier aber ganz schön voll und ich meinte ohne nach zudenken „Ich glaube, so langsam herrscht Platzmangel und wir sind euch lange genug auf die Nerven gegangen. Haytham, wir sollten schauen, dass wir eine andere Bleibe finden...“ mein Verlobter sah mich stirnrunzelnd an, für ihn schien das überhaupt keine Option oder überhaupt ein Gedanke gewesen zu sein.
Auch Faith schien sich über meinen Vorschlag zu wundern. „Ich meine es doch nur gut, Faith! Hier ist soviel los, da kannst du uns nicht auch noch mit umsorgen!“ meinte ich erklärend und erntete weitere fragende Blicke. WAS war so ungewöhnlich daran, wenn ich anbot mich vom Acker zu machen?
„Kommt gar nicht in Frage, wir haben euch ja schließlich eingeladen. Naja Haytham, dass du ebenfalls mit anreist war ein großer Bonus und ich freue mich, euch hier zu haben. Ihr bleibt! Wir kriegen das schon hin!“ gab meine Schottin mal wieder stur wie sie ist von sich. „Aber dann lass mich dir wenigstens irgendwie helfen, dir geht es ja auch noch nicht wieder so gut und wage es nicht, mich dabei anzulügen!“ meinte ich breit grinsend.
„Also bleiben wir jetzt, mi sol?“ fragte Haytham in einer Art, wo ich mich fragte, ob er gerade zugehört hatte und musste lachen. „Ja, mi amor, wir bleiben.“ ein Kuss sollte das bestätigen und ich bekam eine Umarmung, welche ein wenig... länger und intensiver war und mir ein leichtes Kribbeln über den Rücken jagte. Nur ungern löste ich mich von meinem Templer, doch ich hatte Lucius noch versprochen, mich mit den Geschäftsbüchern zu beschäftigen, damit ich nicht ganz unwissend vor die anderen Geschäftspartner trat.
Mit Faiths Erlaubnis konnte ich ihr Arbeitszimmer dafür nutzen und schloss mich mit den ganzen Papieren ein, es ging auch um die etwas andere Art des Warenaustausches. Ich prägte mir Zeiten, Liefermengen und Ziele ein, nur bei den Einkaufs- oder auch Verkaufspreisen kam ich ins stottern. Anscheinend handelte man diese immer erst vor Ort aus, so wie Haytham es mit seinem Weizen und dem Tabak ab und zu auch tat.
Ich machte mir einen Haufen Notizen, meist einfache Formeln und Eselsbrücken, damit ich Namen und Waren besser zuordnen konnte. Irgendwann klopfte es vorsichtig und ich hörte meinen Templer leise fragen, ob alles in Ordnung sei. Als ich aufsah, bemerkte ich erst, dass es schon dunkel war, aber wie viel Uhr es ist, entzog sich gerade meiner Kenntnis. „Ja, alles in Ordnung. Ich … bin nur irgendwie hier abgetaucht.“ ich öffnete die Tür und schaute in sein etwas besorgtes Gesicht. Doch als er mich sah, wie ich mit einem rauchenden, roten Kopf vor ihm stand, erhellte sich seine Miene.
„Anscheinend ist es sogar egal, WELCHE Bücher man dir vorlegt. Hauptsache du kannst lesen, mi sol. Eine interessante Eigenschaft, das muss ich dir lassen. Aber du solltest jetzt eine Pause machen. Das Abendessen ist fertig!“ meinte Haytham und gab mir einen vorsichtigen Kuss und seine Hände legten sich um meine Taille. Ich spürte, dass sein Atem plötzlich schwerer wurde und seine Augen dunkel wurden. Ich hätte ihn jetzt gerne einfach hier ins Zimmer gezerrt und ihm meine Liebe gezeigt, doch das ging nicht. „Mi amor, später... ich muss noch die Bücher wieder verstauen und dann sollten wir die anderen nicht warten lassen.“ gab ich zähneknirschend von mir und sah ihn entschuldigend an.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich auf dich freue... nachher... im Bett... oder egal wo!“ meinte er schwer atmend „Doch, das glaube ich dir aufs Wort, ich kann es auch kaum abwarten!“ und unser Kuss wurde länger und leidenschaftlicher. Vorsichtig nahm ich seine Hände von meiner Hüfte „Später, Master Kenway! Ich werde auf jeden Fall dort sein, wo ihr mich haben wollt!“ dann ging ich zurück in Faiths Arbeitszimmer und sammelte alle Unterlagen zusammen. Dieses mal verstaute ich sie in einer kleinen Truhe hier, solange wie wir hier noch wohnten, würde ich des öfteren daran müssen.
Im Esszimmer war es trotz mittlerweile drei Kindern ruhig und gesittet. July wurde wie gehabt von ihrem Großvater im Zaum gehalten und Cadan und Cillian wurden von Faith und Shay im Auge behalten. Als das Essen beendet war, wurde der Nachwuchs ins Bett gebracht und wir gingen hinüber in den Salon. Mittlerweile überkam mich eine leichte Müdigkeit, das gute Essen und der leckere Wein, förderten gerade meine Kuschellaune. Also schmiegte ich mich an meinen Templer und hätte fast die Füße aufs Sofa gelegt, weil es sich wie zuhause anfühlte!
Als Faith dann wieder unten war, sah man, dass sie immer noch mit den Nachwirkungen der Krankheit zu kämpfen hatte. Doch sie hielt sich wacker und in den nächsten Tagen konnte ich ihr auch etwas helfen, sie musste ja nicht alles alleine machen. Als alle mit Getränken versorgt waren, fiel mir auf, dass auch Maggie mit hier war. Aber ich dachte mir nichts weiter dabei, Haytham jedoch beäugte sie etwas kritisch. Ich kannte ihn nur zu gut und stupste ihn an. Lass das, Haytham. Du machst sie sonst noch nervös. Ich weiß, wovon ich rede, genauso hast du mich damals auch gemustert! Ermahnte ich ihn lautlos. Das war aber etwas anderes, mi sol. Sie ist das Kindermädchen, wenn ich mich recht erinnere! Erwiderte mein Verlobter nur maulig. Na und? Ich war Zimmermädchen, wo ist da der Unterschied? Lass es bitte einfach. Wir bekommen sicherlich eine Erklärung, mi amor! Meinte ich jetzt beschwichtigend.
Etwas zögerlich ergriff dann mein Großmeister das Wort, als wir uns im Stillen einig waren, unsere Hochzeit jetzt anzukündigen. „Alexandra und ich haben euch etwas mitzuteilen. Wir haben beschlossen, unsere Hochzeit vorzuziehen! Und zwar auf den 31. Dezember diesen Jahres bereits und die offizielle Feier findet dann wie geplant im März statt. Es wäre auch nur die eigentliche Trauung, nichts weiter und nur Master Williams, ihr Shay und du Faith wäret anwesend. Master Johnson übernimmt die Zeremonie und seine Frau wird noch dabei sein. Also bitte, macht euch keine Gedanken um irgendwelche großen Essen oder ähnliches. Es ist im kleinen Rahmen, mehr nicht.“ Jetzt war es raus und ich sah in erstaunte Gesichter.
Ich versuchte meinerseits eine Erklärung, Haytham hatte mit Shay bereits gesprochen, was meinen Beitritt in den Orden anging und sie waren sich einig, dass dem nichts im Wege stehen würde. „Es ist auch mein Wunsch, ... wenn wir ehrlich sind, können wir keine gemeinsame Zukunft planen. Ich möchte die Heirat und ich... möchte dem Orden beitreten, mit allen Konsequenzen...“ mir brach plötzlich die Stimme, jetzt wo ich es laut sagte, kam es mir so unwirklich vor, so als wäre ich in einem Traum gefangen! Haytham nahm mich in den Arm und beruhigte mich wieder. Shhhhhh, ich weiß, es hört sich plötzlich etwas seltsam an, wenn man es so ausgesprochen hört. Doch ich stehe an deiner Seite. Das werde ich immer, mi sol! Seine Augen sahen mich liebevoll an und ich gab ihm einfach einen vorsichtigen Kuss.
Faith stand als erste auf und eilte auf mich zu, nahm mich stürmisch in den Arm und gratulierte uns überschwänglich. „Ich weiß gar nicht so recht was ich sagen soll. Ich freue mich, dass ihr euch jetzt schon trauen wollt und das hier bei uns.“ völlig überrumpelt bekam ich einen langen Kuss von meiner Freundin und schlang einfach meine Arme um sie. Ich hatte sie wirklich vermisst, erst jetzt spürte ich, dass ich sie einfach brauchte! Etwas widerwillig lösten wir uns von einander, wir konnten beide die tadelnden Blicke unserer Männer im Rücken fühlen. Ich grinste sie nur an „Sag einfach nichts und sei meine Trauzeugin!“ und sah sie bittend an. „Das bin ich gerne!“
Shay hatte mittlerweile seinem Großmeister gratuliert und kam nun auf mich zu. „Alex, es freut mich, dass du diesen Schritt wirklich gehen wirst. Und ich weiß, er ist nicht leicht, doch ich weiß auch, du wirst für Haytham da sein.“ auch er nahm mich in den Arm und drückte mich.
Jetzt war es Master Williams der mich mit einem etwas sonderbaren Lächeln ansah. „Mrs. Frederickson, in den letzten Tagen überschlugen sich mal wieder die Ereignisse, ihr scheint ein Händchen für so etwas zu haben. Doch auch ich freue mich, dass ihr Master Kenway nun wirklich heiraten werdet. Meinen Segen habe ich euch gegeben und ich hoffe, ihr enttäuscht mein Vertrauen in euch nicht!“ ich sah ihn für einen Moment skeptisch an. „Master Williams, das habe ich nicht vor und ich werde meine Versprechen halten.“ dann nahm er meine Hand und ich bekam den obligatorischen Handkuss, dieses mal sogar mit einer leichten Verbeugung.
Erleichtert seufzte ich auf und griff nach meinem Glas und trank es in einem Zug aus. „Du meine Güte, Alex, hast du einen Durst!“ grinste mich Faith an. „Ja, hab ich, ich bin gerade um einige Kilo leichter, zumindest fühle ich mich so!“ lachte ich nur und setzte mich wieder zu meinem Templer.
Doch wir konnten nur einen kurzen Moment verschnaufen, bis wir endlich eine Erklärung für Maggies Anwesenheit von Master Williams erhielten. Die beiden waren schon seit langem ein Paar, haben es aber immer geheim gehalten, weil EINE Person sicher nicht so gut zu sprechen wäre auf diese Konstellation. Nämlich Lady Melanie, bei dem Gedanken an diese Frau verzog sich mein Magen und ich schüttelte mich. Sollte ich das einfach einmal hier zur Sprache bringen, dass sie meinen Namen verunglimpft hat? Vorerst lieber nicht, dazu wäre sicher noch später Zeit.
Wir hörten der Erklärung aufmerksam zu und ich konnte sehen, dass Maggie Lucius mit einem unglaublich liebevollem Blick ansah. Wenn man es jetzt genau nahm, war hier niemand mehr alleine und ich muss sagen, dass war ein sehr angenehmer Gedanke. Für einen Moment bemerkte ich dann Haythams Gesichtsausdruck, als er ansetzen wollte, über diese Art der Beziehung etwas zu sagen, doch ich hielt ihn zurück. Haytham, nein. Nicht jetzt. Gib ihm meinetwegen wenn ihr alleine seit einen Seitenhieb, aber nicht vor allen hier. Für Maggie wäre es sicher nicht schön, oder? Er sah mich an und es trat Einsicht in seine Augen. Du hast recht, hätte mich jemand so angegangen in deinem Beisein damals, dann wäre diese Person wohl nicht mehr unter den Lebenden, mi sol! Er lächelte mich an und drückte meine Hand zur Bestätigung.
Es kamen jetzt die üblichen Gespräche über bevorstehende Essen, wie der Ablauf sein soll und und und. Doch es war eine einfache Sache, wir würden gegen Mittag getraut werden und dann fand das Essen statt. Das war es dann. Die Silvesterfeier an sich würde dann in den Abendstunden stattfinden, wobei für die Kinder etwas eher eine kleine Feier stattfand. Ich vermutete nämlich, wie alle anderen auch, dass kaum eines der Drei so lange bis Mitternacht aufbleiben würde. Yannick hatte das erste mal durchgehalten, da war er 7 Jahre alt und auch nur, weil Oma ihm die ganze Zeit etwas erzählte und mit ihm spielte. Sie hatte eine Engelsgeduld! Wieder kroch dieser Stich in mich und ich vermisste meine Mutter!
Ich versuchte mich abzulenken von den trüben Gedanken. Weihnachten! Mittlerweile konnte ich Heilig Abend nicht mehr abwarten, ich war schlimmer wie eine dreijährige! Aber es waren nur noch ein paar Tage und dann könnte ich meinem Verlobten endlich sein Schwert zurück geben! Und auch meine anderen beiden Geschenke würden hoffentlich auf Freude treffen, für Faith hatte ich ein Mikroskop ergattert. Für meine Begriffe veraltet, aber hier würde es gute Dienste leisten. Shay würde einen Sextanten bekommen, welchen ich aus einem alten Seefahrer-Haushalt bekommen hatte. Siedend heiß fiel mir Lucius ein, er würde von meiner Seite leer ausgehen, ob das jetzt ein schlechtes Licht auf mich werfen würde?
Der Abend an sich war endlich mal nicht mit Katastrophen geebnet, ab und an musste Faith eines ihrer Kinder wieder beruhigen, aber es blieb ansonsten ruhig. Gegen 22 Uhr beschloss ich, dass ich wirklich genug Wein hatte, aber noch nicht genug Haytham! So zogen wir uns schon einmal zurück und wünschten eine gute Nacht. Morgen würde wieder ein langer Tag werden, vermutete ich, jetzt wo drei potentielle kleine Wecker aktiv waren!
Als wir endlich alleine waren, fiel ich meinem Templer einfach um den Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Seine Arme schlangen sich fest um meinen Körper und er drückte mich an sich und ich konnte seine Erregung sogar durch den ganzen Stoff des Kleides spüren. Es war eine Wohltat, als wir in Windeseile die ganzen Sachen ausgezogen hatten und mein Verlobter mich hochhob, so dass ich auf seiner Hüfte saß. Er brachte uns zum Bett und langsam ließ er mich darauf nieder, seine dunklen Augen blieben an meinen hängen. „Ich liebe dich, Mrs. Frederickson. Weißt du das eigentlich?“ kam es rau aus seinem Mund und seine Lippen bedeckten meine und ließen mich gar nicht antworten. Das weiß ich, Master Kenway. Aber ich kann es gar nicht oft genug von euch hören. Ich liebe euch auch! Mit einer vorsichtigen langsamen Bewegung drang er in mich ein und mir kam ein leises Stöhnen aus dem Mund.
Meine Hände waren dieses mal frei und ich konnte mich an ihn klammern und tat dies auch. Ich strich über seinen Rücken, während er sich gemächlich in mir bewegte und mich immer im Auge behielt. Mit der Zeit wurde sein Rhythmus schneller und meine Finger wanderten tiefer zu seinem Hintern und ich griff zu, um ihn tiefer in mir zu spüren. Doch das sagte ihm nicht zu und meine Hände waren wieder über meinem Kopf. Das könnte dir so passen, du weißt doch, wer dich hier führt! Kam es leicht fies von meinem Templer. Ich wollte dich doch nur noch mehr spüren! Meinte ich immer noch lautlos und sah ihn bettelnd an.
Mit einer Drehung saß ich plötzlich auf seinem Schoß und meine Hände waren wieder frei. Immer noch war ER es der mich dirigierte, aber ich konnte mich ebenso leicht bewegen und genoss es, wenn Haytham dadurch immer weiter zu seinem Höhepunkt getrieben wurde. Dieser ließ jetzt nicht mehr lange auf sich warten und es war doch ein etwas sehr lautes Aufstöhnen und kurz darauf brachte er mich auch hinüber. Bei Odin, ich liebte diese stille Konversation mit Haytham, es war einfach innig und ich fühlte mich ihm noch mehr verbunden.
Mit einem Male lag ich heulend an seiner Schulter. „Mi sol, ist alles in Ordnung?“ fragte er ängstlich. „Ja, es ist nur... ich weiß auch nicht. Ich habe nur gerade diese Erkenntnis gehabt, dass ich mich dir noch näher fühle, seit wir völlig lautlos mit einander reden. Es... ist einfach so viel mehr!“
Haytham drehte mich wieder unter sich und hielt mein Gesicht in seinen Händen. „Genauso geht es mir auch und ich genieße es jedes Mal, Alex. Ich kann vermutlich nie genug von dir bekommen und wenn wir alt und grau sind, dann wird es hoffentlich auch nicht enden!“ er lächelte mich an und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Vorsichtig legte er sich neben mich, deckte uns zu und nahm mich in seine Arme. „Weiß du eigentlich, dass sich dein Geruch nicht verändert hat in den letzten zwei Jahren, mi amor? Ich würde dich vermutlich unter tausenden blind wieder finden!“ gab ich kichernd von mir.
„Ich will nicht hoffen, dass du irgendwann einmal in so eine Situation gerätst. Du weißt doch, ich teile meine Frau nicht gerne!“ und als hätte ichs geahnt, hatte ich seine Hand klatschend auf meinem Po. „Aua...“ gab ich nur müde maulend von mir, doch mehr konnte ich nicht mehr sagen, mein Verlobter demonstrierte mir sehr ausgiebig, dass er diese Aussage wirklich ernst meinte. Eine neue Lektion hinsichtlich meines Verhaltens vorhin im Salon, als ich ihn gemaßregelt hatte, war mit inbegriffen und auch, dass ich ihn habe zu lange warten lassen!
Später lagen wir ziemlich atemlos nebeneinander und ich fuhr mit meinen Fingern über seine sich langsam wieder gleichmäßig hebende Brust. „Mach weiter, dass beruhigt mich, mi sol.“ kam es wohlig seufzend von ihm und er schloss selig die Augen. Das war das erste Mal, dass er vor mir einschlief, ich schmunzelte in mich hinein und gab ihm noch einen Kuss auf die Brust, dann fielen mir selber die Augen zu.
Als wenn ich es geahnt hätte, kam ein dreiköpfiges Weckkommando in unser Zimmer gestürmt und eroberte unser Bett. Wer hätte gedacht, dass Cadan doch so schwer ist, er schmiss sich mit vollem Elan auf mich und ich hatte schon Angst, er bricht mir die Rippen. Haytham wurde Opfer einer Hüpfattacke von July, welche ihn nicht schonte und ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Mein Templer schlug zurück, nahm sie in seine Arme und sie wurde durch gekitzelt. Die beiden Jungs ihrerseits fingen an, das selbe bei mir zu versuchen, doch sie hatten die Rechnung ohne mich gemacht. Auch sie fielen meinem eigenen Angriff zum Opfer.
Völlig außer Atem und mit lautem gekicherten „Nein, aufhören, Onkel Haytham!“ stürmte die kleine Maus vom Bett. Cadan und Cillian waren aber hartnäckiger und versuchten mich immer wieder zu erwischen, man muss es ihnen lassen, sie waren klein und schnell. Und da kam mir eine großartige Idee. Es war noch sehr sehr früh und ich wusste, es war eigentlich auch nicht Zeit zum Aufstehen, aber... „Wisst ihr, Opa Lucius ist sicher schon ganz traurig, dass ihr ihn noch nicht geweckt habt. Er wartet bestimmt schon auf euch!“ meinte ich breit grinsend und deutete auf die Tür. „Opa wach machen!“ kam es freudestrahlend von Cadan und er rannte zuerst aus dem Zimmer.
Als die Tür wieder ins Schloss fiel, drehte mich Haytham zu sich um und sah mir lachend in die Augen. „Du weißt, was das jetzt für mich heißt, oder? Die Predigt darf ich mir dann nachher anhören! Doch ich glaube, dass ich sie an dich weitergeben werde, Mrs. Frederickson. Nur damit du auch etwas davon hast.“ meinte er mit seiner rauen Stimme und küsste mich einfach. „Master Kenway, ich werde mir eure Predigt sicher gerne anhören!“ brachte ich etwas atemlos zustande und zog ihn zu mir hinunter.
Doch ein lautes „MRS. FREDERICKSON!“ riss uns aus der Zweisamkeit. Schnell stieg ich aus dem Bett und zog meinen Morgenrock über, es war Master Williams, der sich so Gehör verschaffte. Ich trat auf die Galerie und er stand mit hochrotem Kopf am Ende des Ganges und funkelte mich böse an. „Das wird ein Nachspiel haben! Ihr solltet eure zukünftige Frau besser im Zaum halten, Master Kenway!“ und damit drehte er sich um, doch ich sah, dass er breit grinsen musste und schüttelte nur den Kopf.
Von der gegenüberliegenden Seite bekam ich nur ein Lachen zu hören. „Alex, du bist unmöglich!“ meinte meine Freundin. „Ich weiß, das muss ich mir hier schon seit Jahren anhören. Man gewöhnt sich daran!“ gab ich ebenfalls lachend zurück und wir gingen wieder ins Zimmer.
Warum sollte es Master Williams besser ergehen, als uns? Gleiches Recht für alle, oder? Doch so aus der Ruhe gebracht, sah ich meinen wieder im Bett liegenden Verlobten an. „Wir sollten einfach aufstehen, was meinst du?“ er schüttelte den Kopf und deutete mit dem Zeigefinger, ich solle zu ihm kommen. „Ich denke nicht, es ist noch früh und wir haben jetzt ein wenig Ruhe. Wenn es dir also nichts ausmacht, hätte ich noch eine bessere Idee als aufzustehen, mi sol.“ Seine Hände zogen mich zu sich und dann saß ich auf seinem Schoss.
„Das... ist eine wirklich gute Idee...“ doch mehr brachte ich nicht zustande, er hob mich leicht an und nahm mich! Mit einem Finger auf meinen Lippen, meinte er, ich solle leise sein. Doch das fiel mir sehr, sehr schwer gerade, ich versuchte es aber. Seine drängenden Bewegungen waren nicht ohne und ich konnte mir ein tiefes Seufzen nicht verkneifen. Wir brachten uns beide zielstrebig zum Höhepunkt, irgendwie musste es jetzt sein und ich wollte meinen Templer einfach!
Glücklich und selig lag ich in seinen Armen, als es klopfte und Magda meinte, dass das Frühstück fertig sei. In diesem Moment schoss mir eine Idee in den Kopf. „Haytham, kann ich Magda nicht einfach als Zofe behalten? Sie macht eine großartige Arbeit und ich mag sie. Wir können ja sonst ein anderes Zimmermädchen für sie als Ersatz einstellen!“ mit meinem schönsten bittenden Blick sah ich ihn an. „Wenn du mich so ansiehst, dann kann ich wohl schlecht NEIN sagen, oder?“ grinste er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Sie wird deine Zofe, abgemacht. Wir werden ihr nachher davon berichten und ihren Vertrag aufsetzen, mi sol!“
Ich freute mich einfach und drückte ihn an mich. „Danke, Haytham!“ sein fragender Blick war mal wieder großartig. „Einfach so, mi amor. Ich bin gerade einfach glücklich und ich freue mich und ...“ ich seufzte einfach, stand dann aber mit einem neuen Elan auf, um mich fertig zu machen.
Nach dem Frühstück gingen wir dann mit Magda in Shays Arbeitszimmer. Im ersten Moment tat sie mir leid, Haytham war in seine Vorgesetzten-Rolle verfallen und die war mitunter sehr kühl. Es sah aus, als hätte sie Angst, doch ich drückte ihre Hand und hoffte, dass ich sie zuversichtlich genug ansah.
„Magda, bitte, setzt euch!“ meinte er nur und deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Ich blieb neben meinem Templer stehen und sah sie lächelnd an. „Ha... habe ich etwas falsch gemacht?“ kam es ängstlich stotternd aus ihrem Mund. „Nein, habt ihr nicht. Im Gegenteil!“ sagte ich nur und sah zu Haytham. „Wir haben beschlossen, dass wir euch eine andere Position in unserem Haushalt geben wollen. Und zwar die als Kammerzofe für meine Verlobte!“ jetzt trat auch auf sein Gesicht ein Lächeln und ich sah, wie Magda völlig erleichtert ausatmete und ihr vermutlich gerade ein riesiger Stein vom Herzen gefallen war. „Master Kenway, Mistr.... Mrs. Frederickson! Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich freue. Das ist... Danke!“ sagte sie freudestrahlend.
„Ihr habt mir in der kurzen Zeit bereits so gute Dienste geleistet, dass ich niemand anderen haben möchte, Magda.“ erwiderte ich wirklich dankbar für ihre Arbeit. Wir handelten jetzt noch die üblichen Dinge wie Bezahlung, freie Tage und so weiter aus. Als dann alles unter Dach und Fach war, entließ sie Haytham aus dem Zimmer und ich sah nur, wie sie breit grinsend hinaus eilte.
„Es fühlt sich gerade wieder so seltsam an, Haytham.“ meinte ich etwas gedankenverloren und sah aus dem Fenster. Es hatte geschneit und in der Sonne glitzerten die Eiskristalle wie kleine Diamanten, ich sah auf meinen Verlobungsring bei dem Gedanken. „Alex, du wirst sicher noch einige Momente haben, in denen du vieles noch an dich heranlassen musst und ich werde dir dabei helfen!“ er schlang von hinten seine Arme um mich und hielt meine rechte Hand hoch. „Ich fand diesen Ring immer sehr faszinierend, gerade im Sonnenlicht wirft er ganze Regenbögen!“ ich konnte spüren, dass er in Gedanken seine Mutter vor sich sah und ich drückte seine Hand!
Danach besprachen Faith und ich noch das Essen für die Hochzeit und ich war leicht überfordert. Sie plante wesentlich mehr Person ein, als erscheinen würden, mit der Begründung, dann wäre auf jeden Fall genug da. Doch davon könnte man ja eine ganze Kompanie satt bekommen. Schon als wir unsere Hochzeit angekündigt hatten, verfiel diese Frau in einen wahren Organisationsrausch. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen, doch ich versuchte mich zu fügen, ich kannte mich noch nicht hinreichend mit allen Gepflogenheiten hier aus.
Am frühen Nachmittag wurde mein Hochzeitskleid geliefert und ich ging mit hinauf, damit ich es gleich in den Kleiderschrank hängen konnte. Faith eilte mir aber hinterher und meinte, sie würde zu gerne einen Blick darauf werfen. Also hob ich den Leinensack an und sie betrachtete es. „Kann es sein, dass du eine Vorliebe für Schwarz hast, Alex?“ kam es etwas verwirrt von ihr. „Ja, das kann sein, Faith. Mein eigentlicher Kleiderschrank in meiner alten Zeit war sehr übersichtlich. Er bestand aus schwarzen und schwarzen Kleidungsstücken. Eines schwärzer als das andere!“ lachte ich, obwohl ich eigentlich plötzlich wieder ein Gefühl von Heimweh hatte!
„Hey, du bist nicht alleine und du bist hier oder eben in Virginia zuhause. Du hast Erinnerungen, welche du immer in dir haben wirst und wenn es einmal ganz schlimm ist, dann komm mich besuchen! Ich werde mit dir ein paar Assassinen jagen gehen, damit du auf andere Gedanken kommst!“ grinste mich meine Schwester breit an und nahm mich in den Arm. FBI... diese Frau war einfach großartig! „Alex, dieser Blick! Warum?“
„Wie erkläre ich es dir am besten? Wir haben in meiner Zeit eine Institution, die sich abgekürzt FBI nennt. Diese Leute dort sind Experten im Entschlüsseln von Nachrichten, dem Aufklären von Morden und auch im Körpersprache lesen. Doch am besten können sie eins und eins zusammenzählen und analysieren! Faith, du bist wie das FBI. Im Grunde ist fast jede Frau wie diese Einrichtung!“ meinte ich lachend. „Oh, danke. Ich bin eine perfekte Spionin also. Gut zu wissen. Wenn du mal eine brauchst, du weißt wo du mich findest!“ lachte sie einfach und ich konnte mich wieder entspannen!
Sie zog mich dann einfach hinunter in den Salon und ich staunte nicht schlecht, als ich vor einem riesigen Tannenbaum stand. Es ist doch eigentlich hier noch keine Tradition, ging es mir durch den Kopf. Aber Faith erklärte mir, dass ihre Großmutter auch immer einen hatte. Kurzerhand erzählte ich auch noch von unserem Adventskranz und dass wir am Heilig Abend Kartoffelsalat und Würstchen essen, damit die Dame des Hauses eben nicht so lange in der Küche stehen muss. In ihrem Blick sah ich, dass sie anfing etwas zu planen.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mal wieder über den Büchern in Faiths Arbeitszimmer. Als wir dann gerade beim Abendessen saßen, wurde Haytham und mir eine Nachricht von einem Boten überbracht. Mein Verlobter öffnete den Brief und sofort verdunkelte sich seine Miene! Wortlos zog er mich hinter sich her aus dem Esszimmer in den Eingangsbereich. „Der Duke will uns sehen!“ kam es nur und ich sah ihn fragend an. „Wann?“ Ironside hatte beschlossen, dass wir bei ihm vorstellig werden sollten, nach Weihnachten aber erst, am 27.12. um genau zu sein.
„Warum will er plötzlich mit uns persönlich sprechen?“ fragte ich einfach drauf los. „Deine Jackdaw hat eines seiner Schiffe zu Davy Jones geschickt, was glaubst du, was er will?“ und mit Schrecken musste ich an den Chevalier denken. „Nein, nicht schon wieder so eine besch... blöde Duell-Geschichte!“ pöbelte ich los. „Vielleicht will er auch einfach nur wissen, wer so plötzlich an meiner Seite auftaucht und sich in seine Angelegenheiten mischt. Alex, auch wenn ich es nicht gerne sage, aber du solltest bei dem Treffen in deine Assassinen-Montur steigen! Vielleicht ist er dann etwas versöhnlicher!“ meinte Haytham mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Das glaube ich kaum, DU bist im Raum, also wird er... Moment, ich könnte versuchen ihn anhand unseres Beispiels davon zu überzeugen, dass man auch zusammenarbeiten kann!“ meinte ich eher zu mir selber, als zu meinem Verlobten. „Nein, so hatte ich …“ ein tiefes Seufzen war zu hören „Aber einen Versuch wäre es sicher wert. Er ist eh schon nicht gut zu sprechen auf mich. Doch ich werde Shay ebenfalls instruieren und unsere anderen Männer mobilisieren. Ganz ungeschützt werde ich nicht dorthin gehen mit dir!“ Es war auch als Strafe für Shay gedacht, weil er ohne ein Wort so lange fort war. Wer würde schon gerne bei dieser Witterung stundenlang irgendwo Wache halten wollen?
„Wie viele Männer hast du eigentlich unter dir, ich glaube, ich habe das noch nie gefragt. Aber... wenn du es mir nicht sagen möchtest... dann...“ doch er sah mich lächelnd an. „Keine Sorge, der Orden ist in den letzten Jahren gewachsen und wir haben in vielen wichtigen Bereichen unsere Leute eingeschleust. Beizeiten wirst du sie auch alle kennenlernen, vermute ich mal, mi sol!“ ein Kuss auf die Stirn deutete mir, dass er mir vertraute und mit mir auch über diese Belange in Zukunft reden wird. Da ich nächste Woche bereits den Templern beitreten werde.
Auch das war noch irgendwie in weiter Ferne, ich freute mich darauf, aber hatte Angst, dass ich doch die falsche Entscheidung treffen würde. Aber Shay hatte recht, es würde keine einfache Sache sein und er wusste wovon er sprach. Und in mir kamen wieder diese Beschimpfungen hoch, in welchen ich als Verräterin betitelt wurde und mit Shay auf einer Ebene stand. Ich würde mit ihm dort stehen, auch Faith steht dort. Wir drei hatten den Assassinen abgeschworen, jeder aus einem ganz persönlichen Grund. Erst jetzt wurde mir klar, warum ich diese Verbundenheit gerade mit meiner Schwester hatte. Es war unter anderem genau DAS... wir teilten eine gemeinsame Entscheidung!
Nach dem Essen ging ich mit Faith kurz zum Stall hinüber, sie wollte mir etwas zeigen. Ihre Stute hatte tatsächlich Nachwuchs bekommen letzte Nacht. Es waren gleich zwei Fohlen. Ich war sofort hin und weg und streichelte die beiden Süßen einfach. Als ich mich aber hier umsah, fiel mir auf, dass nur Shays Hengst und eben Faiths Pferd hier waren. Auf meine Frage, wo alle anderen hin wären, kam es ziemlich sauer von Faith „Lee hat sie alle verkauft, nur Victoria, die Stute meiner Großmutter haben wir noch, aber mit ihr ist gerade mein Vater unterwegs. Sie ist ein Neapolitaner und ein wirklich wunderschönes Tier. Komm, lass uns reingehen und sag nichts der Rasselbande, es soll eine Überraschung für sie zu Weihnachten sein“ darauf hatte sie mein Wort, es wäre ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk für die Kinder!
Als besagte Rasselbande im Bett war, saßen Shay, Haytham und ich im Arbeitszimmer und besprachen unsere Vorgehensweise. „Ich werde mit den anderen Männern gegenüber auf den Dächern Stellung beziehen und wir werden einige auf der Straße haben, ebenso sollten wir um das Grundstück noch ein oder zwei Patrouillen haben.“ meinte der Ire und Haytham stimmte ihm zu. „So sollten wir abgesichert sein. Und Master Cormac, ihr kennt das Anwesen noch, wenn wir nicht spätestens gegen Mitternacht wieder hinaus kommen, dann sollte der Zugriff stattfinden!“ da war sie wieder, die Templerart und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
Gegen 21 Uhr saßen wir dann auch endlich im Salon und ich genoss noch ein Glas von diesem leckeren Portwein und kuschelte mich an meinen Templer. So langsam wurde ich wieder müde, dieses frühe geweckt werden war ich einfach nicht mehr gewöhnt. Aber so Schritt für Schritt fing ich an, Faith und auch Shay in die letzten Jahre einzuweihen, was so alles geschehen ist.
Viel konnte ich nicht erzählen, ich blieb bei Marie hängen und erntete völlig entsetzte Blicke von ihnen, auch von Master Williams. „Du hast was getan?“ fragte mich meine Freundin geschockt. Also versuchte ich es zu erklären und erwähnte das besagte Gleichgewicht für mich und dass ich diese Frau nicht diesem grausamen Schicksal aussetzen wollte. „Der andere Shay hatte einfach ein so großes Desaster angerichtet, dass sie schon an Selbstmord dachte. Doch so kam ich an diverse wichtige Dinge, welche mir geholfen haben, meine Aufgabe und Suche fast abzuschließen.“ und erst jetzt wurde mir bewusst, dass Maggie mit im Raum war und ich überhaupt nicht an sie gedacht hatte. Inwieweit konnte ich so offen in ihrem Beisein reden? Doch da mich keiner deswegen unterbrochen hatte, ging ich davon aus, dass es so in Ordnung war.
„Und sie hat jetzt diesen Großmeister Mr. Schäfer geheiratet? Alex, du hast anscheinend ganze Arbeit geleistet.“ grinste mich Shay plötzlich an. „Danke, ich habe mir alle Mühe gegeben.“ lachte ich und eigentlich hatte ich sie ihm nur vorgestellt, der Rest ist mittlerweile Geschichte. Weiter kam ich für den Abend nicht mit den Erzählungen, mich überkam ein wahnsinniger müder Schauer, dass ich fast meine Augen nicht mehr offen halten konnte und immer wieder einnickte an Haythams Schulter.
Ich entschuldigte mich und wünschte allen eine gute Nacht und auch mein Verlobter tat es mir gleich. Ich lag noch nicht ganz im Bett, als ich seine warmen Händen über meine Brüste gleiten fühlte. „Mi amor, ich bin wirklich müde. Ich bin zu nichts mehr fähig...“ gähnte ich, doch als er mir „So einfach wirst du mich nicht los, Mrs. Frederickson!“ ins Ohr flüsterte, war ich wach und öffnete mich wie von alleine. „Na also, warum nicht gleich so?“ und ich spürte seine Finger, wie sie einer nach dem anderen in mich glitten und den Weg für sich ebneten.
Es war einer dieser leisen und ruhigen Momente, in denen ich mich einfach hingeben konnte. Ich konnte Haytham genießen und er mich ebenso. Wir beide ließen uns einfach vom Fühlen, Schmecken und Sehen leiten. Seine Stimme in meinem Kopf brachte mich um den Verstand und wieder einmal war es wie ein neuer Schritt. „Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse, dass ich dich von deinem wohlverdienten Schlaf abgehalten habe, mi sol?“ meinte er schelmisch grinsend. „Hmmmm... ich könnte dir böse sein, Haytham. Aber ich will es nicht, ... es war einfach zu schön und jetzt halt mich einfach fest.“ meinte ich nuschelnd an seiner Brust!
Die letzten beiden Tage verliefen sehr ruhig, obwohl mittlerweile drei Kinder hier herumtobten. Doch man konnte sie wunderbar nach draußen in den Schnee locken, damit sie sich austobten und sie alle fanden es wunderbar. Auch ich genoss diese Momente, sie waren Alltag, ich lernte so ein wenig mehr vom normalen Leben im 18. Jahrhundert. Eine Wohltat und es wäre schön, wenn es so friedlich bleiben könnte. Doch ich wusste, dass es in absehbarer Zeit hier härter zugehen würde.
Die Beerdigung von Caroline war einer der Momente, welchen ich einfach gerne gestrichen hätte, meine Freundin tat mir leid und auch der kleine Cillian. Ohne Mutter aufzuwachsen ist nichts, was man einem Kind wünscht, doch ich wusste, dass Faith alles daran setzen würde, ihr bestes zu geben. Der Junge hätte hier ein wunderschönes Zuhause und eine Familie, die ihn liebt. Sogar Shay arrangierte sich mit dem Gedanken, Cillian konnte nichts für seinen Vater!
Außerdem hatte ich mich noch um ein Geschenk für den Neuzuwachs gekümmert, er sollte nicht leer ausgehen. Also bekam er Holzbausteine in einem passenden Kasten und auch für Cadan besorgte ich noch eine kleine verzierte Holzkiste für seine Zinnsoldaten!
Ich hatte die Zeit ebenfalls genutzt, um mich mit den Geschäften weiter zu befassen, was mir einen anerkennenden Blick von Master Williams einbrachte. „Ihr seid wirklich mit Eifer dabei, Haytham hatte recht, es ist egal, welches Buch man euch vorlegt, ihr vertieft euch darin. Das ist eine seltene Eigenschaft, bewahrt sie euch, Mrs. Frederickson!“ Verblüfft sah ich an und brachte nur ein „Danke, Master Williams!“ heraus und ging einfach. Ich kann schlecht mit Komplimenten umgehen, ich sollte Faith irgendwann einmal fragen, wie man darauf am besten reagierte.
In dieser Nacht vor Heilig Abend war ich vermutlich nervöser und aufgeregter als die Kinder, ich könnte übermorgen Haytham sein Kurzschwert zurückgeben!
Ich war in einen traumlosen Zustand geglitten, nachdem ich eine Lehrstunde in keine Widerworte geben bekommen hatte. Beim Frühstück hatte ich nämlich geäußert, dass ich mich entgegen der Etikette an Heilig Abend nicht in ein Korsett zwängen lassen würde. Es wäre schade um das Essen. Es brachte mir die besagte Lehrstunde und auch einen vernichtenden Blick meines Verlobten ein. Was davon mir besser gefiel, überlasse ich euch.
Ich erwachte in freudiger Erwartung auf diesen Tag, auch wenn die Bescherung erst morgen früh stattfinden würde. Als ich mich nach meinem Templer umdrehte, war er, wie immer, bereits wach. Von der Galerie hörten wir schon geschäftiges Treiben und dann klopfte Magda auch schon, dass das Frühstück fertig sei. „Guten morgen, mi amor.“ und meine Arme und Beine schlangen sich völlig automatisch um ihn und zum Dank erhielt ich einen langen Kuss. „Guten morgen, mi sol.“ grinste er mich an und fragte mich dann, was ich letzte Nacht geträumt hätte. Ich hätte sehr unruhig geschlafen!
„Ich kann mich nicht wirklich erinnern, Haytham. Eigentlich habe ich gar nichts geträumt und wenn... dann vermutlich von der Bescherung!“ meinte ich lachend. „Wer freut sich nicht auf Geschenke an Weihnachten. Doch ich hätte nicht gedacht, dass du noch so aufgeregt sein würdest, mi sol!“ kam es ebenso amüsiert von meinem Verlobten.
Gerade als wir fertig auf der Galerie erschienen, kamen auch schon unsere Gastgeber aus ihren Gemächern. Gemeinsam gingen wir ins Esszimmer und ich staunte nicht schlecht, alle drei Kinder benahmen sich sehr vorbildlich! Als Faith fragte, woran das auf einmal liegt, meinte ihr Vater nur „Ich habe gesagt, wenn sie sich heute nicht benehmen, bringt ihnen morgen das Christkind keine Geschenke!“ Das klappt nur bei den Großeltern, ich hatte es bei Yannick damals auch versucht!
Der Kaffee brachte meinen Kreislauf in Gang und ich wurde wieder ein ganzer Mensch. Gerade als ich mich mit den Geschäftsbüchern zurückziehen wollte, eilte Faith mir hinterher. „Alex, warte mal. Ich wollte dich fragen, ob du mir eventuell beim Essen helfen könntest?“ meinte sie grinsend. Ich war jetzt keine begnadete Köchin und hatte Bedenken, dass ich eher alles versalze oder anbrennen lassen, doch ich willigte eben mit dieser Bemerkung ein.
In der Küche wurde mir dann das Küchenpersonal vorgestellt. Eva und Ina waren beides Nichten von Mrs. Marge und Wilma war gerade mit der Gans beschäftigt. Doch sie beäugte mich kritisch, wandte sich dann aber wieder dem Rupfen zu. Und jetzt rückte meine Freundin mit der Sprache raus, weswegen ich eigentlich helfen sollte. „Alex wir machen das Essen für heute Abend und es würde mich freuen, wenn du den Kartoffelsalat machst“ ich starrte sie ungläubig an, sie wollte dieses Einfache-Leute-Essen heute Abend haben? Mit einem heftigen Nicken und einem warmen Lächeln im Gesicht machten wir uns ans Werk. Nebenbei hatte ich noch erklärt wie man Mayonnaise macht und dann fing ich an, den Berg an Kartoffeln zu schälen, mir half aber Ina dabei.
Zum Mittag sollte es eine Suppe geben, da eben am Abend das große Essen anstand. Ich sah den Damen dabei zu, wie sie die Würstchen herstellten und dachte mir mal wieder, dass es ein riesiger Aufwand in dieser Zeit war. Ich wäre einfach losgegangen und hätte sie beim Schlachter eingekauft. Mittags schnappte sich dann Faith die Teller und ich den Topf mit der heißen, leckeren Nudelsuppe. Sie roch fantastisch und ich hörte meinen Magen knurren. Als meine Freundin die Teller hinstellte, sah ich, wie ihr eine Träne über die Wangen lief. Der Tod von Caroline ging ihr einfach sehr nahe und sie vermisste diese Frau. Ich würde bald Gelegenheit haben, den Mörder aufs Korn zu nehmen, so hoffte ich! Ich nahm sie kurz in den Arm und meinte leise, dass alles gut ist! „Du hast recht, ich hab keine Zeit für so was und nun komm, holen wir die drei, auch wenn dein Verlobter mir wieder einen Todesblick zuwirft, weil ich es gewagt habe, dich bei der Arbeit einzuspannen“ Das konnte durchaus sein, Haytham sah es nun mal nicht gerne, wenn ich solche Tätigkeiten übernahm. In diesem Moment war es mir aber einfach egal, ich hatte so die Gelegenheit, mich ein wenig mehr in diesem Jahrhundert zurecht zu finden.
Im Salon bot sich ein Bild, wie wir es schon oft gesehen hatten. July wurde von Shay und Haytham belagert, welche ihr immer noch Altair abnehmen wollten. Die Jungs waren mit einem Buch und Lucius beschäftigt. Als wir verkündeten, dass das Essen fertig sei, folgten sie uns, besser gesagt, sie wollten. July klammerte sich an das Bein meines Verlobten und verlangte von ihm getragen zu werden. „July, benimmt sich so eine junge Dame?“ fragte er etwas tadelnd. Doch es schien sie nicht zu interessieren, sie rannte einfach vor und rief nur, sie sei schneller als ihr Onkel.
Als wir endlich alle geordnet bei Tisch saßen, fing Faith an, die Suppe aufzutun. July begann ohne Umschweife zu essen, sie schien wirklich Hunger zu haben und ich musste grinsen. Als sie dann auch noch den Teller anhob, um die Reste heraus zu schlürfen, sah ich sie lachend an und fragte, woher sie das hatte. „Vom Opa, sagt damit kann ich Uromi ärgern“ Ja, damit konnte sie Lady Melanie sicherlich SEHR verärgern! Und ich warf Lucius einen anerkennenden Blick zu, so hätte ich ihn nicht eingeschätzt, doch ich vermutete einfach, dass er nur in Gegenwart seiner Enkel so war!
Als es für den Nachwuchs Zeit fürs Bett war, schnappte ich mir nun endlich die Geschäftsbücher und verzog mich in das Arbeitszimmer meiner Freundin. Ich hatte bei weitem noch nicht alles verinnerlicht und verstanden, also nutzte ich die freien Stunden jetzt einfach. „Mi sol, ich würde es begrüßen, wenn ich dich nicht noch einmal in der Küche antreffe! Du weißt, dass ich das nicht mag, es gehört sich für dich nicht. Und ja, ich weiß, dass du sonst auch alles alleine gemacht hast, doch hier brauchst du es nicht!“ kam es tadelnd von Haytham. „Ich weiß, Haytham. Aber so habe ich einen besseren Überblick über dieses Jahrhundert, verstehe es als eine Art Lehrstunde!“ plötzlich wurden seine Augen dunkel und ein „Wenn du noch mehr Lehrstunden haben willst, kann ich sie dir gleich jetzt und hier geben!“ kam es voller Begierde über seine Lippen und mir liefen tausende wohliger Schauer über den Körper. „Dann solltet ihr heute Nacht euren Lehrplan im Kopf haben, Master Kenway! Ich glaube, ich habe so einiges wieder vergessen!“ hauchte ich an seinem Ohr und spürte, wie er eine Gänsehaut bekam. Entschieden drehte ich mich jetzt um und marschierte breit grinsend Richtung Arbeitszimmer.
Mir schwirrte irgendwann der Kopf vor lauter Zahlen und ich beschloss, für heute die Geschäfte Geschäfte sein zu lassen! Als ich in den Salon kam, waren alle wieder anwesend und die Kinder verlangten nach heißer Schokolade. Gerade als ich sagte, ich hätte auch gerne eine, kam Eva bereits mit einem Tablett herein. Wie ich so was vermisst hatte, gerade in den Wintermonaten genoss ich heißen Kakao oder eben Schokolade. Jetzt fehlte eigentlich nur noch der Amaretto, doch ich verkniff mir diesen Wunsch.
Irgendwann hielt es die Kinder aber nicht mehr auf ihren Plätzen und wir verfrachteten alle kurzerhand nach draußen. Nur unsere Templer bevorzugten die Wärme vor dem Kamin. Austoben im Schnee war immer eine gute Idee und Faith und ich hätten auch unsere tägliche Dosis frische Luft gehabt. Wobei ich sagen muss, als wir vorhin gemeinsam in der Küche standen, hätte ich sie mir am liebsten geschnappt und einfach ins Gästezimmer gezerrt. Ich vermisste sie, ihren Geruch und ihren Geschmack. Und es mag sich seltsam anhören, doch mein Verlangen nach ihr unterschied sich zu dem zu Haytham in keinster Weise. Sobald sich uns die Gelegenheiten boten, küssten wir uns und uns war es mittlerweile egal, ob es böse Blicke oder Kommentare gab.
Als ich sie jetzt so beobachtete, wie sie mit den Kindern spielte, spürte ich, wie sie darin aufging. Sie liebte sie und würde alles für ihre Sicherheit und Geborgenheit tun, was in ihrer Macht stand.
Die Schneeballschlacht war ein voller Erfolg und wir standen und lagen irgendwann völlig durchnässt im Hof. In diesem Moment beschlossen wir aber, ins Warme zu kommen, nicht dass noch jemand krank wurde. Mrs. Marge und Ina standen bewaffnet mit Handtüchern im Eingang und ich half Faith dabei, die Kinder wieder trocken zu legen. In Windeseile waren alle drei auch schon wieder unten, doch Faith hielt mich kurz zurück und nahm mich in den Arm. Ihr Kuss tat einfach gut und ich erwiderte ihn. „Wie wäre es mit einem Bad, nur wir zwei“ flüsterte sie mir ins Ohr und ich sah in ihren Augen, dass es ihr nicht anders ging als mir. Unsere Männer würden es hoffentlich nicht bemerken, sie waren mit Diskussionen und den Kindern beschäftigt.
Kurzerhand zog sie mich nach unten und ein kurzer Blick mit dem Sinn sagte uns, wir hätten freie Bahn. Ich war hier noch nicht im Bad gewesen und staunte über die doch sehr großzügige Wanne. Da hätten durchaus mehr als zwei Menschen Platz! Das Wasser dampfte schon vor sich hin und es roch so lecker nach Rosen, ich atmete tief ein und fing an mich zu entspannen. Faith bot mir an, dass ich auch mit Haytham diese Annehmlichkeit nutzen dürfte, doch jetzt wäre sie an der Reihe und fing an, mich aus meinem Kleid zu befreien. Ihre Lippen wanderten über meine Haut „Ich habe dich vermisst!“ hauchte sie. „Ich dich auch und jetzt, dreh dich um!“ Ich half ihr aus den nassen Sachen und dann führte ich sie in die Wanne.
Wir waren kaum im Wasser, als sie mich an sich zog und wir verloren uns in einem langen verlangenden Kuss. Endlich konnte ich sie wieder berühren und das nicht nur in meinem Traum, ihre Haut war immer noch so weich. Als ich meine Finger vorsichtig über ihr Piercing gleiten ließ, vernahm ich ein lautes Aufstöhnen und atemlos kam nur „Hör nicht auf, mein preußisches Weib!“ und wer bin ich, auf so einen Befehl nicht zu hören. Als sie mir die Seife reichte, war ich der Ansicht, ich müsste meiner sturen Schottin beim Waschen helfen und genoss es, durch ihre Haare zu fahren. Ein raunendes „Das fühlt sich großartig an!“ ließ mich sie einfach nur daran erinnern, was noch kommen wird!
Und so war es jetzt an ihr, mich vom Schmutz zu befreien und ich genoss ihre Hände in meinen Haaren, auf meinem Körper. Es fühlte sich einfach anders an als mit Haytham, nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders! Auch meine Haare wurden noch vom Schaum befreit und wir lagen uns wieder in den Armen und ich genoss ihre Lippen wieder auf meinem Mund! Langsam schob sie mich zum Rand und meinte, ich solle mich auf die Kante setzen und die Augen schließen. Ich tat wie mir geheißen, wartete so geduldig, wie es mir eben möglich war und vernahm, wie sie tapsend etwas aus einem der Schränke holte.
Wieder zurück begann ihr Mund mich weiter zu verwöhnen und plötzlich fühlte ich etwas kaltes auf meiner Haut. Ich solle raten, aber meine Augen geschlossen halten! Mein Vertrauen in diese Frau war nahezu grenzenlos mittlerweile, also blinzelte ich nicht einmal, sondern ließ es auf mich zukommen. Dieser kühle Gegenstand fuhr weiter über meine Brüste und dann langsam und bedächtig zwischen meine Schenkel. Jetzt konnte ich mir denken, WAS es war und in freudiger Erwartung, öffnete ich mich einfach und ihre Zunge folgte diesem wunderbaren Spielzeug, als sie es in mich gleiten ließ. Ich konnte nicht anders, ich stöhnte laut auf und hielt mich in ihren Haaren fest, ihre Zunge trieb mich gerade zusätzlich in den Wahnsinn.
Dann war es vorbei und ich wollte mich nicht mehr beherrschen! Ich stöhnte nur noch „Oh FAITH!“ und sackte am Wannenrand hinunter. Atemlos lehnte ich mich an sie und sie küsste mich beruhigend und ihre blauen Augen gaben mir wieder den Halt im Hier und Jetzt. „Ich liebe dich!“ sagte ich leise, weil es mir in diesem Moment bewusst wurde! Ich konnte es fühlen, diese Sehnsucht die ich für diese Frau hatte, war einfach in mir und sie musste raus!
„Ich liebe dich!“ kam es flüsternd zurück und wir versanken in einer langen Umarmung! Ich ließ es mir nicht nehmen, meine Freundin ebenfalls noch zu verwöhnen und erst jetzt besah ich mir ihr Spielzeug. Es war aus massivem Glas und wirklich gut verarbeitet, dadurch war es auch leicht zu reinigen. Breit grinsend nahm ich es in meine Hände und ließ es unter Wasser gleiten, damit es sich wieder aufwärmte. Langsam kam ich auf Faith zu und umschlang sie mit meinem freien Arm, zog sie so zu mir und küsste sie verlangend.
Ich strich mit dem Spielzeug über ihren Körper und vorsichtig ließ ich es zwischen ihren Oberschenkeln versinken und vernahm ein wohliges Stöhnen. Mittlerweile lehnte sie am Rand der Wanne und ich ließ auch meine andere Hand ins Wasser gleiten, fing an sie zu streicheln und massierte ihr Piercing. Ihr Atem ging immer schneller, ihre Arme schlangen sich um meinen Nacken und aus ihrem Mund kam ein gehauchtes „Alex...“ ich umfasste ihren Po und ließ dann meine freie Hand über ihren Körper gleiten. Wie hatte ich das alles vermisst!
Wir beide sahen uns selig lächelnd an und befanden, dass das Wasser nun leider zu kühl wurde. „Wir müssen das unbedingt wiederholen, mo rionnag!“ kam es mir wie selbstverständlich über die Lippen und ich erntete dafür hochgezogene Augenbrauen! Seit wann hatte ich schottisches Gälisch im Repertoire und vor allem auch noch Kosenamen? „Frag mich gerade nicht, ich... bin selber erstaunt!“ meinte ich weiterhin breit grinsend, doch ich fühlte so ähnlich, wenn ich mit Fenrir sprach. „Alex, das ist...“ doch mehr sagte sie nicht, sondern schlang ihre Arme erneut um mich und sie sah mir mit diesen wahnsinnig blauen Augen bis auf den Grund meiner Seele, so fühlte es sich zumindest an.
Es war diese Verbundenheit mit ihr, welche ich schon beim Lesen dieses Tagebuchs von ihr hatte. „Faith, ich muss dir noch danken für dein Buch! Es hat mir oft über schwere Momente geholfen!“ meinte ich mit leicht tränen erstickter Stimme plötzlich, SIE hatte so etwas nicht in dieser Zeit gehabt von mir. „Ich hätte dir so gerne auch etwas dagelassen!“ doch zu mehr kam ich nicht mehr. „Du hast es bekommen? Es hat geklappt?“ fragte sie völlig begeistert. Wir waren jetzt dabei uns abzutrocknen und sie hielt kurz inne. „Wo hast du es gefunden? Oder besser WANN?“
„Gefunden habe ich es nur zufällig, als ich in der Asservatenkammer der Templer war. Glaub es oder nicht, aber es sprang mich förmlich an, es leuchtete strahlend Weißgold und ich musste es an mich nehmen. Und wenn ich ehrlich bin, ich habe es einfach eingesteckt, ohne dass Mr. Schäfer es mitbekam. Ich wusste schon bei den ersten Zeilen, dass du es geschrieben hattest, deine Handschrift ist unverkennbar!“ lächelte ich sie liebevoll an. „Aber wie bist du auf diese Idee gekommen? Ich meine, es hätte sonst wo landen können.“
„In der Zeit in London musste ich mich beschäftigen und irgendwie fing ich an, dieses Tagebuch zu verfassen. Und mir wurde immer klarer, dass ich es nicht für mich schrieb, sondern für dich. Warum, kann ich eigentlich auch gar nicht erklären. Es war so ein Gefühl!“ ich gab ihr noch einen langen Kuss. „Danke für dieses Gefühl, du sture Schottin!“
Vor der Tür vernahmen wir lautes Kindergeschrei und unsere Männer schienen sich langsam doch Sorgen zu machen. Ich grinste meine Schwester an und meinte, wir sollten uns dann jetzt doch mal wieder dazu gesellen. Schweren Herzens und mit einem frustrierten Seufzen von uns beiden, öffneten wir die Tür und verließen das Bad.
Wir waren noch nicht ganz im Eingangsbereich, da traf uns mit voller Wucht der Alltag und ich ergab mich meinem Schicksal. Mein Verlobter kam grimmig auf mich zu. „Wo in aller Welt ward ihr so lange und...“ doch sein Blick glitt über meinen Körper und als er meine nassen Haare sah, wurde ihm klar, WO wir abgeblieben waren die letzte Stunde! „Alex...“ kam es drohend aus seinem Mund und Haytham baute sich vor mir auf, doch ich nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn einfach sanft.
„Ich habe sie einfach vermisst, mi amor. Es war eine kleine Auszeit und wir konnten unser Wiedersehen ein wenig... genießen. Sei mir nicht böse, ab jetzt bin ich wieder ganz für dich und dein Wohl da!“ meinte ich lächelnd. „Darüber werden wir uns nachher noch ausgiebig unterhalten, Mrs. Frederickson! Verlasst euch drauf!“ kam es mit seinem Befehlston und rauer Stimme. „Ich freue mich schon darauf, Master Kenway!“ flüsterte ich begierig in sein Ohr und ging hüftschwingend an ihm vorbei und die Treppe hinauf. Meine Haare musste ich noch bürsten, sonst sähe ich beim Abendessen aus wie ein wild gewordener Handfeger und dass will keiner sehen.
Das Abendessen war wie... ja, es war ein bisschen wie Zuhause. Nur leider fehlte EIN entscheidender Part. Mein Sohn! Aber ich war Faith dankbar, dass sie versuchte mir ein bisschen mein Heimweh zu nehmen und lächelte sie über den Tisch hinweg an. Neben mir legte Haytham eine Hand auf meinen Oberschenkel und ließ mich seine Kraft spüren. In seinen Augen las ich wieder diese seichte Eifersucht, welche er immer an den Tag legte, sobald ich von meiner Schwester sprach oder in ihrer Nähe war. Doch ich schloss meine Finger um seine Hand und drückte ebenfalls zu. Du bist und bleibst meine Nummer eins, mi amor! Aber lass mir diese Momente mit deiner kleinen Schwester! Meinte ich bittend. Ich werde es versuchen, aber versteh mich auch, mi sol. Du bist mein und ich teile nun mal nicht gerne! Kam es jetzt ebenso bittend. Ich liebe dich, Haytham! Mehr sagte ich nicht und ein Leuchten in seinen Augen sagte mir, dass wir wieder einen Einklang hatten.
Das Essen verlief wirklich ruhig und anschließend war es der obligatorische Gang in den Salon. Heute durften die Kinder, weil sie einfach zu aufgeregt waren um zu schlafen, noch einen Moment aufbleiben. Und sie hielten ziemlich lange durch, obwohl sie eigentlich hundemüde vom Toben draußen sein müssten. Wehmütig musste ich an Yannick denken, der nach solchen Aktionen auch immer bei mir auf dem Sofa eingeschlafen ist... „Alex, er wird das nie vergessen! Diese Erinnerungen hat er für sein ganzes Leben!“ kam es von Faith und ich schrak aus meinen trüben Gedanken hoch. Das offene Buch hatte zugeschlagen, doch hier im Kreise von meinen Freunden dachte ich mir plötzlich, könnte ich es ruhig so lassen! „Das weiß ich, mo rionnag!“ lächelte ich sie an und sie grinste nur. „Seit wann kannst du gälisch, mi sol? Ich glaube, ihr ward zulange alleine im Bad!“ meinte Haytham gespielt empört, musste aber lachen.
Es war gegen 21 Uhr als die Kinder dann im Bett verschwanden, einer nach dem anderen und ich genoss für einen Moment diese Stille hier. Aus meinen Gedanken riss mich dann Lucius. „Mrs. Frederickson, wie kommt es, dass ihr Sprachen oder auch Wörter sprecht, die ihr eigentlich gar nicht beherrscht. Haytham erwähnte so etwas, wenn ihr mit eurem Hengst sprecht.“ kam es fragend von ihm. „Das kann ich euch leider auch noch nicht erklären, es gibt so vieles, was in letzter Zeit mehr als eigenartig ist.“ gab ich ehrlich zur Antwort. „Dann lasst es mich wissen, wenn ihr Klarheit habt, ich würde zu gerne wissen, welche Macht dahinter steckt!“ sagte er auffordernd aber freundlich.
In diesem Moment fiel mir zum ersten Mal auf, dass er entspannter war. Seit seine Beziehung zu Maggie öffentlich war, agierte er ruhiger und nicht so zerknirscht. Ich fand es sehr angenehm, es trug auch zu dem Verhältnis, welches ich geschäftlich mit ihm hatte, bei. Mein Verlobter war bald der Meinung, dass es Zeit wäre, sich zurück zuziehen und erhob sich, nahm meine Hand und wir wünschten allen noch eine gute Nacht.
Ich ließ mich völlig erschöpft auf das Bett fallen und starrte hinauf zu dem Baldachin. „Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass es die Geschenke nicht an Heilig Abend gibt.“ meinte ich grinsend. „So? Dann wird es Zeit, dass wir dir unsere Traditionen näher bringen, mi sol.“ meinte Haytham lachend über seine Schulter hinweg, als er versuchte die Halsbinde zu lösen. „Verdammt...“ und ich sah nur, wie er daran herumzerrte. „Mi amor, lass mich das machen, du reißt es sonst entzwei!“ als ich vor ihm stand und ich diese Doppelknoten anfing zu lösen, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen.
„Alex, ich weiß, ich habe das schon einmal gefragt. Aber es lässt mir keine Ruhe. Warum eine Frau, warum Faith?“ ich nestelte weiter an dem Tuch herum, aber vermied den Augenkontakt. „Ich kann es dir nicht sagen, es ist eine Verbundenheit, welche ihr Männer vermutlich so nicht nachvollziehen könnt. Es ist nicht so, dass wir euch verlassen würden oder euch nicht lieben! Im Gegenteil! IHR gebt uns eine gewisse Sicherheit, in welcher wir uns so … entspannt bewegen können. Ich liebe sie, Haytham. Sie ist … wie meine Schwester... ich kann es nicht wirklich erklären!“ er nahm meine Hände in seine und ich sah zu ihm auf. „Ich hatte es schon damals geahnt, dass ihr euch zu ähnlich seid. Sie war die einzige Frau, die es gewagt hat, mich in meine Schranken zu weisen. Also ist es doch das Schicksal, welches bei uns beiden zuschlägt, oder?“
In seinen Augen sah ich dieses Flehen, dass ich ihm recht geben sollte und das konnte ich ruhigen Gewissens tun. Genau das war es und ich würde es auch nicht ändern wollen. „Ja, das ist es und wenn ich ehrlich sein darf, man muss dir ab und zu auch einfach mal sagen, was Sache ist. Männer sind mitunter sehr schwer von Begriff!“ meinte ich flüsternd und zog seinen Mund zu mir hinunter. „Dann solltest du mir zügig ebenfalls einige Lektionen erteilen, denkst du nicht?“ kam es schwer atmend von ihm und ich spürte seine Erregung an meinem Oberschenkel, als er sich an mich drückte.
„Master Kenway, dann solltet ihr mich jetzt aber meine Arbeit machen lassen, sonst...“ doch es war zu spät, in seinen Augen sah ich, dass er einfach nur noch mich haben wollte. Alles andere blendete er gerade aus und ich ließ es zu. Seine Arme hoben mich auf seine Hüften und er trug mich zum Bett, meine Röcke hatte er schon hochgeschoben und ich konnte nur noch leicht erschrocken aufstöhnen, als er mich nahm. Seine Bewegungen waren dieses mal unkontrolliert, aber fordernd und hart. Sei leise und sieh mich an, mi sol! Wir wollen doch nicht die ganze Aufmerksamkeit auf uns lenken! Hörte ich seine tiefe Stimme in meinem Kopf. Ich tat wie mir geheißen und er brachte mich zu einem langen Höhepunkt, welchen ich ihm ebenfalls bescherte.
„Jesus, du machst mich wahnsinnig, Weib!“ kam es atemlos an meiner Brust von Haytham. „Du mich auch!“ gab ich grinsend von mir und strich langsam durch seine Haare. Irgendwann hatten wir dann auch mal die Kleidung abgelegt und ich lag an seiner Seite. „Ich liebe dich, Haytham!“ meinte ich murmelnd und mir fielen die Augen zu. „Ich dich auch, Alex.“ kam es leise und ich spürte, wie auch mein Templer sich weiter entspannte.
Langsam schlug ich die Augen auf und sah mich um. Es war noch nicht ganz hell draußen, aber normalerweise herrschte um diese Zeit bereits jede Menge Trubel. Und ich hatte gerade heute morgen damit gerechnet, doch es war völlig ruhig auf der Galerie. Das einzige was ich vernahm, war das leise Geklapper von Geschirr und dass einige der Bediensteten bereits dabei waren, alles vorzubereiten.
Als ich zu Haytham sah, hatte er die Augen auch noch geschlossen, doch ich wusste, dass er eigentlich schon wach war. „Guten morgen, mi amor!“ meinte ich leise und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Hmmmm...“ kam es nur von ihm und seine Arme schlangen sich wieder um mich und ich kuschelte mich wieder an ihn. „So früh schon wach, mi sol?“ fragte er jetzt etwas ungläubig. „So früh noch NICHT wach, mi amor?“ gab ich kichernd von mir. Seine Hand glitt über meinen Rücken und es kam ein tiefer Seufzer. „Ich habe tatsächlich tief und entspannt geschlafen, Alex. Ich bin selber erstaunt.“ kam es jetzt leise von ihm.
„Es freut mich, dass du auch mal richtig schläfst und nicht immer in dieser Halb-Wach-Und-Schlaf-Phase verweilst.“ meine Finger fuhren über seine Brust und ich sah, wie sie eine Gänsehaut hinterließen. Als ich sie tiefer wandern ließ, griff seine Hand danach und zog sie an seinen Mund. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, hörte ich wieder seine Worte in meinem Kopf. Keine Hände, mi sol. Ich will dich! Und wer bin ich, ihm zu widersprechen?
Entspannt gingen wir später hinunter ins Esszimmer, wo uns Maggie und Lucius bereits erwarteten. Kurz nach uns erschienen dann auch Shay und Faith, doch von der Kinderschar keine Spur. Ich genoss diese Ruhe und meinen Kaffee, während ich mit Maggie über diese hier herrschenden Weihnachtstraditionen sprach. Immer mal wieder musste ich mein Gewicht verlagern, mein Hintern tat hier und da doch noch ein wenig weh. Faith sah mich grinsend an und ich konnte mir denken, laut ihres Gesichtsausdrucks, dass sie heute morgen ähnliche Probleme mit dem Sitzen hatte.
Mit einem Mal polterte es auf der Treppe und die Esszimmertür wurde aufgeschlagen, dass sie an die Wand krachte. Herein stürmte aber nicht wie erwartet July, sondern Cadan. Er erntete einen bösen Blick seiner Mutter mit den harschen Worten, er könne die Tür auch leise öffnen. Ja, Kinder hören natürlich SOFORT auf solche Anweisungen... wenn ihnen danach ist. Jetzt war es mit der Ruhe hier vorbei, doch ich konnte die drei ja verstehen, sie freuten sich auf die Bescherung und waren jetzt aufgeregt.
Nach dem doch recht überstürzten und aufgeregten Frühstück der Kinder, durften sie nun endlich in den Salon. Dort hatte ich bereits meine Geschenke ebenfalls platziert und hoffte, dass die Kinder sie mögen würden. Beim Eintreten brüllten alle drei gleichzeitig los und es war ohrenbetäubend! Meine Gedanken glitten wieder zu Yannick, er war damals nicht anders gewesen. Er stürzte sich auch immer gleich unter den Baum auf die Präsente.
Mit einem Fingerzeig von Faith jedoch, setzten sie sich brav auf ein Sofa und warteten. Dann fing meine Freundin an die Geschenke an sie weiter zugeben. Sie waren alle ein voller Erfolg und auch Cillian hatte exakt gleich viele Päckchen zum Auspacken. Ich war froh, dass ich noch die Gelegenheit hatte, etwas für den Kleinen zu besorgen. Ich wollte nicht, dass er leer ausging, also hatten wir bei einem Spaziergang noch ein Spielwarengeschäft gefunden und ihm ebenfalls eine Kleinigkeit besorgt.
Dann war ich an der Reihe, meine Geschenke weiterzugeben. Natürlich gab ich July, Caden und Cillian ihre zuerst. Und als ich freudige Gesichter sah, entspannte ich mich. Dann waren jetzt noch Faith und Shay an der Reihe, es war damals nur eine Idee gewesen, doch ich hoffte auch hier, dass sie Freude daran haben würden.
Als Faith den schweren Holzkasten öffnete, weiteten sich ihre Augen. Ich hatte aus einer alten Apotheken-Auflösung ein für meine Begriffe, altertümliches Mikroskop ergattert. Aber es waren noch alle Teile vorhanden und es war nicht zerkratzt! Auch Shay schien sich über den Sextanten zu freuen, diesen hatte ich aus einer Haushaltsauflösung.
Mit zitternden Händen nahm ich das letzte Geschenk in meine Hände und stand völlig unschlüssig da. Langsam ging ich damit zu Haytham. „Mi amor, ich hatte dir versprochen, dass ich auch noch etwas für dich habe!“ und reichte es ihm vorsichtig. „Mi sol, ich...“ ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Pack es einfach aus.“ sagte ich leise und setzte mich neben ihn. Die Blicke der anderen waren ebenfalls erwartungsvoll.
Vorsichtig, als würde er eine Bombe entschärfen wollen, wickelte er den langen Holzkasten aus. Auf diesem prangte das eingebrannte Zeichen des Schmieds aus Suhl! Langsam öffnete er die Verschlüsse, hob den Deckel an und für einige Sekunden wechselten sich in seinem Gesicht Unglaube, Freude, Trauer und Erkenntnis ab. Mit großen Augen sah er dann zu mir und wieder zurück auf das Schwert. „Alex, ist das... du hast es wirklich... wie? Mein Gott... es... ich kann es nicht glauben!“ er stammelte so vor sich hin, dann stellte er den Kasten auf den Tisch, zog mich hoch und umarmte mich überschwänglich.
Die anderen Anwesenden konnten jetzt einen Blick darauf werfen und plötzlich vernahm ich die Stimme von Edward und drehte mich langsam um. „Ja, es ist das Kurzschwert, welches ich Haytham zu seinem 8. Geburtstag geschenkt habe! Und jetzt wisst ihr auch, warum ich der Meinung bin, dass diese Frau an die Seite unseres Sohnes gehört!“ kam es stolz von ihm und ich sah, wie Tessa neben ihn trat. „Dass du es gefunden hast und hast wieder herrichten lassen ist einfach ein wunderbares Geschenk.“ Dann trat sie auf uns zu und sah ihrem Sohn lange in die Augen. Mit einem breiten Grinsen und einem gespielten tadeligen Unterton meinte sie. „Und dieses Mal passt du gefälligst besser darauf auf, mein Liebling!“ und mein Verlobter bekam einen Kuss auf die Stirn, auch Edward stand bei uns und sagte nur, dass Haytham es gut festhalten solle, genau wie mich auch. Mir liefen in einer Tour die Tränen, ich war so froh, dass mein Templer es wieder in den Händen hielt und meine Mission erfolgreich war.
„Wir wünschen euch noch frohe Weihnachten!“ kam es mit einer leichten Verbeugung von Kenway Senior und dann verschwanden beide in diesem Nebel. Haytham sah ihnen nach und auch er hatte Tränen in den Augen, als er mich dann ansah. „Das kann ich nie wieder gut machen, mi sol.“ meinte er nur und drückte mich wieder an sich. „Das brauchst du auch nicht. Es reicht mir, dass du dich darüber freust und ich hoffe, dass du es auch benutzen wirst!“ gab ich leise von mir und hielt mich an ihm fest.
„Es ist wunderschön, ich hatte ja keine Ahnung. Wo hast du es gefunden, Alex?“ kam es fragend von Faith und riss uns damit aus unserer Zweisamkeit. „Oh, dass ist schnell erzählt.“ meinte ich grinsend. „Aber das erzähle ich dann später.“ Ich wusste ja, dass noch eine weitere Überraschung für die Kinder im Stall wartete. Also marschierten sie auf Anweisung von Faith nach draußen, doch ich blieb mit meinem Verlobten jetzt hier drinnen. Ich brauchte einen Moment zum Durchatmen.
Master Williams sah mich lange an und sagte dann nur. „Ich hatte euch völlig falsch eingeschätzt, Mrs. Frederickson und ich sehe jetzt, dass ihr für Haytham ebenfalls nur das Beste wünscht. Dieses Geschenk ist wirklich einzigartig und eure Entschlossenheit bei der Suche muss ich einfach honorieren.“ er nahm meine Hand und gab mir einen Handkuss. In seinen Augen wurde das leichte Misstrauen, welches er mir gegenüber immer noch an den Tag legte, langsam weniger!
„Alex, ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll.“ Haytham hatte das Schwert an sich genommen und hielt es in den Händen und wiegte es hin und her. Herr Grondau hatte gute Arbeit geleistet, es war perfekt ausbalanciert und die verschnörkelten Initialen hatte er tatsächlich retten können. Dann sah mein Verlobter das Zertifikat, welches ich dabei gelassen hatte. Er verstand Deutsch und konnte somit auch lesen, was dort stand. „Dieser Schmied hat das alles richtig analysiert und dir eine exakte Beschreibung mitgegeben. Der Mann ist wirklich gründlich, so etwas ist schwer zu finden, mi sol.“
„Wem sagst du das? Ich musste mich durch ganz Deutschland fragen, bis ich einen Schmied fand, der auch wirklich sein Handwerk versteht. Dazu muss ich wohl erklären, dass wir nicht wie hier überall an jeder Ecke einen haben. Auch dieser Beruf stirbt leider immer weiter aus.“ in seinem Gesicht sah ich mal wieder die Frage, warum wir so einen wichtigen Berufszweig nicht mehr bräuchten. Doch ich meinte nur, dass ich das sicherlich später noch erklären werde.
Dieser Moment Ruhe war wirklich Balsam für meine gereizten Nerven, der Hochzeitstermin rückte immer näher und ich wurde immer nervöser. Ich lehnte an Haythams Schulter und hörte ihm zu, wie er mir die Geschichte von seinem 8. Geburtstag noch einmal erzählte. Wie stolz er war, als er das Schwert in der Hand hielt und es am liebsten jeden Tag getragen hätte. „Aber mein Vater meinte, dass ich das erst später dürfte und dass mich eine Tracht Prügel erwarten würde, sollte ich es ohne seine Erlaubnis an mich nehme!“ lachend schüttelte er den Kopf. „Damals hatte ich soviel Angst davor, dass ich mich nie traute auch nur in die Nähe von diesem Schwert zu kommen.“
„Das hört sich wirklich brutal an mit der Prügel. Ich weiß ja, dass Edward streng war, aber... ich würde und ich habe meinen Sohn nie geschlagen. Für meine Zeit ist das einfach völlig undenkbar!“ meinte ich nur und sah ihn fragend an. „Es gab schon hin und wieder den Rohrstock. Einer meiner Hauslehrer war zudem ständig der Ansicht, ich hätte nicht genug gelernt, weswegen ich mit dem Lineal auch schon mal meine Strafe bekommen habe.“ meinte er wie selbstverständlich und ich versuchte es zu verstehen. „Nein, ich hätte nie Hand an dich gelegt, Haytham. Und nein... sieh mich nicht so an, nicht nur wegen deines Vaters, sondern auch... weil ich es nicht konnte. Auch wenn ich manchmal etwas sauer war.“ grinste ich ihn an. „Ja, das hattest du bereits ein oder zweimal erwähnt, mi sol. Und ich muss sagen, mich beängstigt dieser Gedanke immer noch ein bisschen, dass du mich schon so früh kanntest.“ in seinen Augen lag wieder eine gewisse Trauer und ich küsste ihn einfach.
„Du warst süß, Haytham!“ rutschte es mir raus und ich musste kichern. Er zog eine Augenbraue hoch und musterte mich. „Danke für das Kompliment.“ meinte er ebenso glucksend. „Oh, was gibt es zum Lachen. Ich würde auch gerne mitmachen!“ kam es von der Tür, in der Faith gerade wieder auftauchte.
„Ich habe deinem großen Bruder nur gerade mitgeteilt, dass er einmal vor langer Zeit einfach süß war.“ breit grinsend sah ich zu meinem Verlobten und dann zu Faith, welche jetzt ebenfalls kicherte. „So, war er das?“ fragte sie mich. „Er ist es immer noch, sonst wäre ich nicht hier!“ und gab ihm schnell einen Kuss, bevor antworten konnte. So so, ich war süß. Ich werde dir nachher zeigen, was ich bin, Mrs. Frederickson. Hörte ich seine raue Stimme in meinem Kopf und ein Schauer lief mir über den Körper. Wie schön, dass alleine meine Worte reichen! Und sein dunkler Blick dabei brachte mich fast um den Verstand.
Der Rest des Tages verlief danach ruhig, bis auf die aufgeregten Kinder. Wir genossen für diese beiden Feiertage einfach den Alltag, ich würde bald für eine Weile keinen haben.
Als ich erwachte, war mir, als hätte ich etwas vergessen und drehte mich automatisch zu meinem Verlobten. Dieser sah mich mal wieder grinsend an und begrüßte mich mit einem langen Kuss. „Guten morgen, mi sol!“ seufzend legte ich die Arme um ihn und kuschelte mich noch näher an ihn, ich hatte das Gefühl, als wäre es noch kälter als sonst hier. „Ich würde ja gerne sagen, lass uns noch etwas im Bett bleiben, Alex. Doch die Pflicht ruft, leider!“ kam es nörgelig von Haytham.
Ach ja... DAS hatte ich verdrängt, der Termin mit dem Duke am Nachmittag. Wir mussten noch einige Vorbereitungen treffen und ich war froh, dass es erst nach Weihnachten stattfand. Faith hätte mir den Hals umgedreht, hätten wir ihren Mann über die Feiertage in Anspruch genommen. Diese Formulierung klingt immer irgendwie falsch und ich musste leicht grinsen. „Guten morgen, mi amor. Aber wir hätten doch noch einen kleinen Augenblick?“ sah ich mit meinem liebsten bettelnden Blick an und hörte nur ein tiefes Seufzen. „Du glaubst gar nicht, wie gerne ich hier mit dir bleiben würde. Doch... ich muss dich aus dem Bett werfen!“ doch er tat es etwas langsam und war für kurze Zeit über mir und... seine Diszipliniertheit war manchmal schon etwas nervig. Aber er hatte ja Recht.
Mittlerweile hatte ich mir von Faith ein paar Pantoffel geliehen, meine Füße dankten es mir morgens. Ich musste einen sehr eigenartigen Anblick bieten, wenn ich nur mit diesen Dingern bekleidet durchs Zimmer huschte.
Das Frühstück weckte meinen Verstand und mein Koffeinpegel erreichte den Normalstand. Gegen 10 Uhr erwarteten wir dann einige Männer, welche uns unterstützen würden. Wir brauchten sie vielleicht nicht unbedingt, aber sicher ist sicher und bei dem Duke war Vorsicht geboten. 6 Scharfschützen, darunter auch Shay, würden auf den Dächern der Häuser rund um das Anwesens platziert sein, 10 Mann würden die Straßen als Fußgänger im Auge behalten und um das Grundstück wurden nochmal 12 Mann postiert, welche in Gruppen von 4 Patrouille gingen. So fühlte ich mich schon sicherer und hoffte, dass wir eine Lösung mit diesem Griesgram finden würden.
Gerade als wir zum Mittag wollten, bat mich Lucius noch einmal unter vier Augen sprechen zu dürfen. Ich folgte ihm wieder in Shays Arbeitszimmer, doch es ging um ein paar neue Geschäfte hinsichtlich des Schmuggel-Wodkas. „Es wird Zeit, dass ihr die anderen Geschäftspartner kennenlernt, Mrs. Frederickson. Heute wird es ja wohl nicht mehr klappen, aber ich hoffe, dass wir morgen zu Dimitri kommen. Es gibt ein paar Probleme mit der Lieferung!“ meinte er etwas düster. „Ich denke, morgen wäre dann ein guter Zeitpunkt. Ich gehe davon aus, dass das Treffen mit dem Duke nicht allzu schlimm wird.“ erwiderte ich zuversichtlich. „Euer Wort in Gottes Ohr!“ meinte Lucius trocken. „Oder besser in Odins, Master Williams!“ kam es mir schmunzelnd über die Lippen.
Dann war es soweit, ich hatte mich in meinen Ornat geworfen, welchen Magda einer gründlichen Reinigung unterzogen hatte und mir erklärte, dass ich doch bitte das nächste mal keine toten Tiere hin- und hertragen sollte. Das war nämlich meine etwas dümmliche Erklärung für die Flecken.
Als wir vor dem Anwesen ankamen, sah ich mich vorsichtig mit meinem Blick um und sah unsere Leute ringsum verteilt auf ihren Posten. Erleichtert atmete ich aus und wir gingen auf die ersten Wachen an dem großen Tor zu. „Halt, wer seid ihr und... was wollt ihr?“ kam es stirnrunzelnd von einem der Männer, welcher mich misstrauisch ansah. Der Meisterassassinen-Ornat zeigte Wirkung, genau wie wir vermutet hatten. „Master Kenway und das ist meine Verlobte, Mrs. Frederickson. Der Duke erwartet uns bereits!“ kam es in seinem kalten Ton und die Wache ging ohne ein weiteres Wort zur Seite.
Im Innenbereich des Grundstücks wurden wir von einem weiteren Wächter in Empfang genommen, welcher uns dann hinein führte und direkt in den großen Salon brachte. Es war beeindruckend und ich hätte gerne Zeit gehabt, mir die ganzen Bücher, die hier in den Regalen vor sich hin staubten, zu Gemüte zu führen. Wir nahmen Platz und warteten.
Dann erschien er, der Duke of Ironside, Master Elias Lestrange, in der Tür und im Schlepptau hatte er Zoe und Jones! Beide sahen aber eher wie geprügelte Hunde aus, sie hatten einen leicht vorsichtigen gekrümmten Gang an sich. Vermutlich hatten sie sich eine Strafpredigt anhören müssen, doch ich hatte, wie vor ein paar Wochen schon, kein Mitleid mit ihnen.
Das Erscheinungsbild von Master Lestrange war wie erwartet. Sehr imposant und durch seine Körpergröße sogar noch einprägsamer, dazu kamen seine doch recht langen grauen Haare und seine dunklen, fast schwarzen Augen. Die Gerüchte waren also wahr, doch Zoe konnte einfach nicht seine Tochter sein, sie war zu jung und er zu alt.
Mit einem überheblichen Grinsen kam er auf uns zu und wir erhoben uns. Ich reichte ihm meine Hand und als sie in seiner lag, fühlte ich eine Kälte, welche einfach unheimlich war. Seine Augen musterten uns die ganze Zeit, auch als er Haytham begrüßte. Er analysierte uns, doch ich war mir nicht sicher, ob er auch den Adlerblick hatte. „Mrs. Frederickson, Master Kenway, es freut mich, euch dann doch endlich persönlich kennenzulernen.“ kam es so wahnsinnig eklig höflich, dass ich an mich halten musste um mich nicht zu übergeben. Seine Stimme war tief, rau und einfach unnahbar. „Meine Nichte habt ihr ja bereits kennen gelernt, nehme ich an! Und Jones... nunja, den ebenfalls!“ kam es jetzt mit einem vernichtenden Blick in Richtung der Angesprochenen, welche den Anschein erweckten, als würden sie sich bei diesen Worten ducken! Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken.
Sie war seine Nichte! Erst jetzt sah ich sie mir genauer an und tatsächlich entdeckte ich gewisse Ähnlichkeiten, wenn sie auch relativ klein waren.
Wir nahmen wieder Platz und man bot uns Getränke an, doch mein paranoides Ich wollte lieber nichts trinken. Wer weiß, was man hinein gemischt hatte. „Mrs. Frederickson, ihr glaubt doch nicht wirklich, ich würde euch auf der Stelle hier vergiften wollen, oder? Wo bliebe da der Spaß?“ kam es in einem weiterhin überheblichen, leicht amüsierten Tonfall und mit Schrecken stellte ich fest, dass ich mal wieder für einen kurzen Moment das offene Buch war. Alex, reiß dich zusammen, jetzt kommt es darauf an! Hörte ich Haytham in meinem Kopf und ich fühlte diesen Ruhemantel über meinen Schultern. Mit einem Lächeln sah ich Elias an. „Nein, eure Lordschaft, aber man kann nie vorsichtig genug sein!“ gab ich kühl von mir.
Und jetzt kam es wirklich darauf an, ich oder besser WIR durften uns keine Fehler erlauben. Doch ich hatte im Hinterkopf bereits einen kleinen Schlachtplan ausgearbeitet, von welchem mein Verlobter jedoch noch nichts ahnte. Ich baute auf die Geschäfte, welche dieser Lestrange unter der Hand betrieb und ich in Zukunft ebenso. Doch vorerst musste ich Haytham noch außen vor lassen, er wusste nichts von den anderen Dingen, die ich mit übernommen hatte.
„Ich komme gleich zu meinem Anliegen, weswegen ich euch gebeten haben, mich hier in meinem Anwesen zu besuchen. Mrs. Frederickson, ihr habt mir einen großen Verlust gebracht!“ meinte er nur kalt und sah mich dementsprechend an. „Das ist mir bewusst, eure Lordschaft, doch man griff meine Jackdaw einfach an. Also musste ich mich verteidigen. Ihr hättet sicherlich nicht anders gehandelt!“ über sein Gesicht huschte ein erstaunter und fragender Blick.
„Aber musstet ihr sie gleich versenken und auch gleich den Kapitän zu Davy Jones schicken?“ fragte er leicht zornig. „Er ließ mir leider keine andere Wahl, er griff mich ohne Vorwarnung an und ich, wie ich bereits sagte, verteidigte mich nur.“ erwiderte ich ruhig und lächelnd. „Das hörte sich aber von der überlebenden Besatzung etwas anders an, Mrs. Frederickson! Ihr sollt es gewesen sein, die meine Fregatte angriff und auch Master Montegue kaltblütig hingerichtet hat!“ seine Stimme wurde lauter und er sah mich durchdringend an.
„So ist es aber nicht gewesen, seht, die HMS Iron Duke ging in Schussposition, hätte ich wirklich einfach abwarten sollen und meine Brig versenken lassen sollen? Wir wissen beide, dass wir unsere Schiffe nicht einfach aufgeben würden, sie sind ein Teil unseres Lebens und essentiell zum Überleben!“ gab ich ruhig von mir und sah ihm lange in die Augen. Doch ich spürte keine Angst, keine Nervosität. Ich hatte mich abgeschottet und ruhte in mir selber, neben mir tat Haytham dasselbe und ich spürte seine Ruhe ebenfalls.
„Was ist mit den Waren an Bord geschehen, Mrs. Frederickson?“ fing er mit einem überraschenden Themenwechsel an. „Die verbliebene Mannschaft sprach davon, ihr hättet alles an euch genommen!“ sein Ton wurde schärfer und jetzt wusste ich auch, worauf er unter anderem hinauswollte. Seine Waren waren ihm heilig. „Eure Lordschaft, ich konnte nichts mehr an mich nehmen, alles war bereits unter Wasser und nicht mehr zu gebrauchen, leider!“ erklärte ich ihm in einfachen Worten.
„Ihr meint, mit der Iron Duke ging ein Vermögen einfach so unter?“ plötzlich war er aufgestanden und funkelte bitterböse auf mich herab. Wenn ich vorhin von einer imposanten Erscheinung sprach, dann war sie jetzt furchteinflössend. Ich musste von neuem meine Ruhe finden und atmete tief durch und erhob mich. Haytham wollte mich abhalten, doch ich nahm seine Hand beiseite. Dann stand ich vor Elias und sah zu ihm auf. „Eure Lordschaft, genau das ist passiert. Doch vergesst nicht, ich habe mich nur verteidigt und mich gegen wüste Beleidigungen gewehrt! Ich lasse mich nicht als Templerhure betiteln von einem daher gelaufenen Kapitän, der mich nicht einmal kennt!“ jetzt war ich es, die ihn anfunkelte und ich hörte nur ein zischendes Einatmen von meinem Verlobten.
„Mrs. Frederickson, wie ich hörte, paktiert ihr mit … diesen … Leuten! Was bitte sollen wir davon halten? Ihr wisst selber, dass WIR uns gegen die Lehren der Templer stellen!“ er sah mich lauernd an. „Das weiß ich, eure Lordschaft, doch beide Seiten könnten von einem Austausch profitieren. Wenn auch nicht auf allen Ebenen, das würde sicher noch Jahrtausende dauern, doch eure Waren könntet ihr sicherer transportieren, weil ihr mehr Schiffe zur Verfügung hättet. Und umgekehrt wäre es sicherlich hilfreich, wenn man … nun ja, die Möglichkeit hätte, ein leises Verschwinden einer Person zu ermöglichen. Meint ihr nicht auch? Ich habe es des öfteren erlebt, dass man sich eine verbindende Konstellation durchaus vorstellen und auch aufbauen kann. Wie gesagt, es basiert in erster Linie auf Vertrauen, welches aufgebaut werden sollte. Denkt ihr nicht!“ meine Worte erschraken mich selber, ich war völlig gelassen und sprach wie mit einem guten Freund, entspannt und neutral.
„Ihr erstaunt mich, Mrs. Frederickson. Mir wurde berichtet, ihr wäret ein zänkisches Weib und einfach ungenießbar!“ damit glitt sein Blick mal wieder zu Zoe und Jones. WAS bitte hatten die beiden erzählt, doch ich konnte es mir eigentlich denken. Einige Menschen hier, hatten einen falschen Eindruck von mir erhalten. Sogar Faith hatte bei unserem Kennenlernen einen völlig deplatzierten Eindruck bekommen.
„Sir, ich bin sicherlich nicht sehr einfach in meiner Art, doch ich weiß, was ich will und wie ich es durchsetzen kann. Und nur, weil ich mir nicht immer über den Mund fahren lassen, heißt es nicht, dass ich unfähig bin. Sondern ich möchte mein Gegenüber kennenlernen, damit ich nicht unwissend bleibe. Und da wären wir wieder bei dem Punkt der Zusammenarbeit. Ein Vertrauensbonus ist immer schwer, ich weiß das. Wenn ich euch enttäusche, dann habt ihr jedes Recht mich zu jagen, Master Lestrange!“ meine innere Ruhe wich allmählich innerer Unruhe und ich musste immer stärker an mir arbeiten.
„Mrs. Frederickson, mir ist noch keine Frau so entschieden entgegen getreten, auch nicht ein einziger Geschäftspartner!“ er ließ sich wieder auf dem Sofa uns gegenüber nieder und sah mich einfach an, während ich ebenfalls wieder Platz nahm. „Eure Lordschaft, bedenkt einfach, dass wir alle unsere eigenen Interessen haben und verfolgen wollen. Da ist es in erster Linie egal, ob nun Bruderschaft oder Orden. Ich weiß, Zoe und Jones haben euch ein Bild vermittelt, welches sehr verzerrt ist. Doch ich habe ihnen nicht erlaubt, einen Einblick in mein oder unser Tun zu bekommen. .... ihr habt sie als Bedienstete fungieren lassen und diesen werde ich sicherlich nicht meine Absichten kundtun. Wo dachtet ihr hin?“ einen fiesen und vernichtenden Blick von mir konnte ich den beiden nicht verwehren. Sie hatten es verdient!
Ein frustriertes Seufzen aus Richtung des Dukes und wieder fiel ein todbringender Blick auf die beiden. Es war für mich eine Genugtuung und ich hoffte, dass ich so einige kleine Schritte machen konnte. Jetzt meldete sich aber Haytham zu Wort und ich musste mich zurückhalten, nicht mit den Augen zu rollen. Es lief gerade so gut und ich hatte Angst, dass er in seiner Templerart etwas zerstören könnte.
Doch es kam anders. „Sir, wenn ihr erlaubt, würde ich auch etwas beisteuern wollen, meine Verlobte hat Recht und warum sollte man sich angreifen, wenn es eigentlich keinen Konflikt gibt? Ihr habt die Jackdaw verfolgen lassen, nur weil ICH an Bord war. Man hätte da sicher auch andere Wege gefunden, denkt ihr nicht?“ meinte er völlig logisch gedacht.
Es tat mir unendlich leid für meinen Verlobten, der Duke reagierte nicht mehr auf ihn, sondern hatte seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. „Ja, das mag sein, Master Kenway.“ kam es beiläufig von ihm. Ich fand es mehr als herablassend, so mit Haytham zu reden, doch ich hoffte unterbewusst, dass sich das Verhältnis entsprechend klären würde mit der Zeit.
Und mit einem Male fühlte ich nur noch, wie mir der Boden unter den Füßen weggerissen wurde...
... und ich war plötzlich mit Elias alleine! Es war wie ein leerer Raum, aber lichtdurchflutet... er stand vor mir und sah mich an. „Und jetzt sollten wir uns über das Wesentliche unterhalten, Mrs. Frederickson. Ich weiß um eure Nähe zu den nordischen Göttern. Ich weiß um euer Vermächtnis! Doch ihr selber habt es noch nicht ganz ergründen können. Dieses Treffen wird nun die erste Ebene sein, in welcher wir uns einig werden. Euer Verlobter wird, sobald wir alles geklärt haben, eingeweiht, von EUCH! Doch bis es soweit ist, sollten wir uns stillschweigend unterhalten. Ja, diese Fähigkeit habt ihr und ich mache sie mir zunutze. Ich bin älter als ihr denkt und ich weiß, ihr hattet ebenfalls solche Gedanken.“
„Eure Lordschaft... ich...“ stammelte ich wortlos in meinem Kopf. „Ich wusste, es steckt mehr hinter eurer Geheimniskrämerei, als ich gedacht hätte. Doch... wie sollen wir so eine Einigung hinbekommen?“ immer noch starrte ich in diese fast schwarzen Augen und dann sah ich einen goldenen Schimmer aufblitzen. „Mrs. Frederickson, denkt nach! Wonach sucht ihr, wer kann euch helfen, welche Verbündete habt ihr hier?“ diese Frage kam völlig neutral, ohne Hohn, ohne Drohung oder sonstiges. „Ich... suche nach dem letzten Armreif! Mehr nicht!“ kam es etwas trübe von mir, mein Verstand wollte nicht mehr mitmachen.
„Wir werden euch nicht im Weg stehen, wenn ihr uns auf See beisteht und wir Profit machen können!“ hörte ich ihn noch sagen und dann war ich schon wieder im Salon und sah zu Elias auf. Habe ich gerade mit ihm ein Abkommen geschlossen, einen Waffenstillstand... Aber... WARUM?
„Eure Lordschaft, ich weiß nicht, was ich sagen soll... außer, dass ich mich auf die gemeinsamen Geschäfte und Gewinne freue!“ gab ich etwas perplex von mir, genau das war es, was ich gerade mit Lestrange besprochen hatte. Ich war immer noch verwirrt und sah von Haytham zu Elias. „Bitte, seid meine Gäste zum Abendessen und wir besprechen alles weitere!“ sagte er in einem euphorischen Ton und mein Verlobter sah mich fragend an.
Gerade als Haytham in meinen Geist eindringen wollte, hielt ich ihn auf mit einem Händedruck und einem vehementen Kopfschütteln. Später … nicht jetzt! Elias grinste breit, er wusste, dass ich ihn noch nicht an unserer persönlichen Konversation teilhaben lassen konnte.
„Sir, ich würde jetzt gerne eine kleine Erklärung bekommen, was jetzt gerade vorgefallen ist. .... ich tappe im Dunkeln, das gefällt mir nicht. Und jetzt sind wir zum Essen bei euch Gast!“ ich lächelte ihn an und versuchte eine Erklärung. „Es gibt eine vorsichtige Einigung, Haytham, eine Annäherung, welche aber noch ausgebaut werden muss. Alles andere erkläre ich dir später!“ und damit warf ich dem Duke einen dankbaren Blick zu.
Doch Haytham war nicht begeistert von dieser Entscheidung und bedachte den Duke mit bösem Blick. „Master Kenway, in Kürze werdet ihr erfahren, worum es geht. Es ist nichts, worüber ihr euch sorgen müsstet. Ich kann euch nur zu eurer Verlobten gratulieren, sie ist... eine Bereicherung, auch wenn ich selber noch etwas skeptisch bin. Den Verlust meiner Einnahmen durch die gesunkene Ware lasse ich fürs erste außen vor. Wir werden uns in Zukunft sicherlich einig werden!“ meinte Elias jetzt in einem völlig freundschaftlichen Ton, welcher mich erstaunte.
Dieser Duke war kein Feind an sich, er war einfach nur darauf aus, möglichst schnell Geld zu machen. Ein bisschen erinnerte er mich an Edward, auch er war erst einmal nur auf Profit aus. Ironside jedoch hatte es ausgebaut und betrieb einen regen Handel. Beim Essen erzählte er mir von den ganzen Zweigen und welche Schiffe wohin unterwegs waren. Ich hörte ihm fasziniert zu und blendete meinen Verlobten völlig aus, ich saugte diese Informationen mal wieder einfach in mich auf, wie ein Schwamm.
Immer mehr wurde mir klar, dass ich Faiths Geschäfte in Einklang mit seinen bringen konnte. Ich musste nur die anderen Geschäftspartner überzeugen, von denen ich noch KEINEN persönlich kannte. In diesem Moment verflog schlagartig mein Enthusiasmus. WIE sollte ich das in Einklang bringen...
Während des Essens wurde ansonsten nur Smalltalk gehalten, es gehörte sich nicht, geschäftliches bei Tisch zu besprechen. Satt und mit gutem Wein ausgestattet folgten wir dem Hausherrn zurück in den Salon. Haytham hatte sich wieder etwas beruhigt. Zoe und Jones waren schon längst nicht mehr anwesend und ich fragte mich wo sie waren. Sie werden euch nicht mehr belästigen, Mrs. Frederickson! Hörte ich die Stimme des Dukes in meinem Kopf. Ein Schauer lief mir über den Körper... er hatte doch nicht … nein... sie lebten, oder? Sicher war ich mir aber nicht.
Da Elias meine Gedanken gelesen hatte, sprach er nun auch mit Haytham. „Ich habe von meiner Nichte erfahren, dass sie eine Frau aus purer Rachsucht ermordet hat, welche mit Mrs. Cormac bekannt war. Nur um euch aus dem Arsenal zu bekommen und bestrafen zu können. Sie hatte keine Berechtigung dazu und ich muss mich für sie auch noch einmal entschuldigen. So ein Verhalten wird in der Bruderschaft nicht geduldet und ich gehe davon aus, dass Mrs. Frederickson darüber Bescheid weiß. Ebenso wie ihr im Orden ein solches Verhalten nicht dulden würdet, Master Kenway! Außerdem weiß ich von ihrem Betragen euch gegenüber in eurem Haushalt! Eine Entschuldigung reicht da sicherlich nicht aus. Aus diesem Grund habe ich meine Nichte und Jones vorerst im Keller in eine Zelle sperren lassen. In einigen Tagen werde ich darüber entscheiden, WANN die Hinrichtung stattfinden wird. Ich werde euch rechtzeitig in Kenntnis setzen, sofern ihr das wünscht, Master Kenway, Mrs. Frederickson!“ meinte er in einem völlig geschäftsmäßigen Ton und dann schien für ihn das Ganze auch kein Thema mehr zu sein!
Gegen 22 Uhr und einigen Aufträgen und Papieren später verließen wir das Anwesen, was die abgestellten Männer sichtlich begrüßten und sich erleichtert auf den Weg zu ihren Familien machten. Shay eilte auf uns zu, als wir vor dem Tor erschienen und ich tief Luft holte. „Mrs. Frederickson, Master Kenway... ihr ward ja eine Ewigkeit dort... Was ist ...“ doch ich ließ ihn nicht ausreden. Ich musste dringend zurück und in mein Bett. Morgen würde ich ihm alles erklären. Mein Kopf schwirrte und ich dachte die ganze Zeit, welcher Gott wachte über Elias? Er war mir nahe... doch... warum zum Teufel...
„Master Cormac, bitte. Lasst uns morgen früh alles erklären... Faith sollte anwesend sein … und... ich brauche jetzt Schlaf.“ ich klammerte mich an den Arm meines Verlobten. Und so gingen wir wieder zurück zum Fort. Das ging einfacher als gedacht. Genauso wie mit der Beschaffung der anderen Ringe... bezweckten die Götter etwas damit? Sollte es so einfach sein? Bei Odin... ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und war froh, als wir in unserem Zimmer waren und ich wie durch Zauberhand nur im Hemd im Bett lag!
Traum der Götter
Ich stand vor ihnen, sie sahen mich an und wiesen auf die Schmuckstücke. „Nimm sie, lege sie an, dann wirst du sehen, was es damit auf sich hat.“ sagte Freya.
Vorsichtig nahm ich das Brisingamen in die Hand und ich fühlte eine tiefe Erleichterung, ich spürte, wie es ein weiteres Leben erzeugte. Bei jeder Berührung und bei jeder Erwähnung. Es war, als lausche ich Gebeten von den Menschen...
Ich nahm den Ring der die Midgardschlange darstellte und fühlte, wie ich die Welt umschloss. Wie ich sie in ihrem Ganzen sah. Nicht nur einen Bruchteil, sondern sie war mir nahe.
Ich nahm den goldenen Apfel und sah, wie um mich der Boden zu neuem Leben erblühte, die Bäume sprießten... Alles Leben wurde erneuert.
Dann sah ich in weiter Ferne eine Schmuckschatulle, welche von einer Frau gehalten wurde. Sie umklammerte sie und sah mich einfach nur an. „Du bist die rechtmäßige Besitzerin, doch... noch ist es nicht an der Zeit!“ hörte ich die Stimme und ich erkannte sie, es war Tessa!
„Warum nicht? Ich habe doch alles beisammen?“ fragte ich ungläubig. „Noch habe ich nicht meine Zustimmung gegeben!“ kam es von Haythams Mutter! Und in diesem Moment hatte ich wirklich Angst, dass sie mir die Nächte mit Edward nicht verzeihen konnte. „Das ist es nicht, Alexandra. Wir warten auf euren nächsten Schritt, erst dann...“
Ich wurde schweißgebadet wach und sah mich um... es war noch nicht hell, es war ein unwirkliches Licht. Und als ich nach Haytham tastete, war auch er nicht da. Ich bekam Panik und sprang aus dem Bett und ohne Nachzudenken ging ich auf die Galerie. Dort war nichts zu hören... niemand war dort. Also ging ich hinunter... Im Salon sah ich dann das Licht eines Kerzenleuchters und ein Glimmen vom Kamin. Vorsichtig ging ich hinein... Haytham saß völlig gedankenverloren vor dem Feuer und bemerkte mich nicht. Das war ungewöhnlich, normalerweise registrierte er ALLES um sich herum.
„Haytham, was ist los?“ fragte ich und ließ mich neben ihm nieder und schlang meine Arme um ihn. Doch er erwiderte es nicht, sondern saß nur dort und starrte vor sich hin. „Haytham... Sprich mit mir!“ wurde ich etwas lauter und rüttelte an seiner Schulter und als hätte ich ihn aus einem tiefen Traum geholt, sah er mich an. „Verzeih mir, ich war... in Gedanken!“ Er legte lethargisch seinen Arm um mich, es war nicht liebevoll oder beschützend... es war, wie aus einer Anweisung heraus... es war kalt!
Ich schreckte zurück und setzte mich einfach auf eines der anderen Sofas. „Was ist los, mi amor?“ kam es jetzt befehlend von mir, sein Verhalten war mir fremd! „Du hast mich nicht eingeweiht, es war, als hättest du mich vergessen! Du hast einfach ohne mich einzubeziehen gehandelt! Ein bisschen war es wie bei dem Gefecht mit der Fregatte! Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Es scheint einen weiteren Menschen zu geben, neben deinem Sohn und mir, mit welchem du so kommunizieren kannst. Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
„Haytham, woher sollte ich das alles vorher wissen? Ich war genau wie du völlig überrumpelt. Und … ich habe dich nicht außen vor gelassen, sondern ich musste erst einmal selber die Grenzen abstecken. Glaub mir, es ist für mich eine neue Ebene zu reden. Dass der Duke auf einer Wellenlänge mit mir ist, wusste ich doch nicht. Aber er scheint mit den Göttern, so wie ich und Faith auch, im Einklang zu sein. Bitte... lass mich das erweitern!“ ich flehte ihn förmlich an mit diesen Worten.
„Und ich? Wo stehe ich?“ kam es kalt von meinem Templer. Für einen Moment saß ich sprachlos da. „Du bist an meiner Seite, so wie ich an deiner Seite stehe. So wie es eine Schildmaid eben tut! Wir werden gemeinsam für unsere Zukunft kämpfen.“
„Nein, du führst den Kampf an und ich muss dir folgen!“ sagte er so kalt, dass ich erschauerte. „Darum geht es dir, Haytham? Wer das SAGEN hat?“ ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Wir führen den Kampf gemeinsam! Ich werde DIR zur Seite stehen, egal was kommt. Darüber muss ich nicht diskutieren. Aber auch ICH habe meine Aufgaben bekommen, vergiss das nicht, Haytham. Du bist bald mein Mann, mein Ehemann... und wir werden eine weitere Ebene unserer Beziehung betreten und erleben! GEMEINSAM! Was heute vorgefallen ist, werde ich noch erklären, doch... es ist nicht so einfach.“
„Alex, enttäusche und belüge mich nicht!“ kam es immer noch kalt und jetzt vor allem warnend von ihm. Ich war in diesem Moment enttäuscht, dass er so von mir dachte! „Nein, das werde ich nicht und hatte ich auch nicht vor!“ meinte ich deshalb etwas zu laut und aggressiv, fing mich aber wieder und fuhr leiser fort. „Ich liebe dich nämlich und gehöre zu dir, hast du das schon vergessen?“ Als ich jetzt in seine Augen sah, erhellten sie sich langsam. „Du bist mein! Und ich will dich an meiner Seite! Es fühlte sich vorhin einfach eigenartig an, als du so mit ihm gesprochen hast!“ Bei diesen Worten war er aufgestanden und stand jetzt vor mir. Langsam zog er mich hoch und seine Lippen legten sich auf meine. „Ich liebe dich, mi sol!“
Ich befürchte, diese Nacht war für alle anderen Bewohner eher schlaflos, Haytham demonstrierte seinen Besitzanspruch gleich hier vor dem Kamin im Salon und ließ es sich nicht nehmen mir noch zu erklären, dass auch lautlose Konversation durchaus mit ihm stattzufinden hatte. Seine Hände hinterließen ihre Spuren auf meiner Haut, doch ich genoss seine Zuwendung und gehörte einfach meinem Templer für diesen Moment!
„Alex, lass mich in Zukunft nicht einfach dastehen, wie einen dummen Jungen. Auch wenn ich weiß, dass du dich damals oft nicht anders gefühlt hast. Jetzt ist eine andere Zeit und wir beide wissen um unsere Ziele und Missionen.“ Hauchte er mir an meine Schulter. „Verzeih mir, Haytham, es war nicht meine Absicht. Es gibt einiges, was du nicht weißt.Ich muss vieles noch vorher klären! Vertrau mir einfach im Moment, mi amor! Bitte!“
„Wir wussten, dass es nicht einfach werden wird. Wir sind jetzt so weit gekommen, dass ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen kann. Wir müssen aber noch dringend an unserer Kommunikation arbeiten, denke ich.“ jetzt lächelte er mich versöhnlich an. „Du hast Recht, das müssen wir dringend tun und ich muss mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr alleine agieren muss!“ ich hielt ihn einfach fest, ich wollte, das Haytham weiß, dass ich es ernst meinte. In seinen Augen las ich dann, dass wir wieder im Einklang waren und er trug mich hinauf.
Ich erwachte mit heftigen Kopfschmerzen und stöhnte vor mich hin. „Alex, was ist los?“ kam es schläfrig aber besorgt von meinem Verlobten. „Mein Kopf zerspringt gleich, das war einfach zu viel für meinen Geist gestern, befürchte ich!“ und hielt mir eine Hand auf die Stirn. „Ich sollte Faith gleich mal nach einer Schmerztablette fragen. So kann ich den Tag nicht überstehen, es tut mir leid.“ mir war zudem auch noch übel, was aber an den Schmerzen an sich lag. „Soll ich sie schon einmal fragen?“ kam es von Haytham, er war bereits aufgestanden und hatte mir einen kalten Lappen besorgt. Es war eine Wohltat und ich stöhnte wieder. „Das wäre lieb, danke.“ sagte ich und schloss meine Augen erneut.
Ich hörte, wie sich die Tür leise schloss und drehte mich um. „Alex, hey, wach auf!“ kam es leise von meiner Freundin und ich spürte ihre Lippen auf meiner Stirn. „Fieber hast du nicht, aber ich habe dir die Tabletten mitgebracht.“ sagte sie leise und setzte sich auf die Bettkante. „Du siehst ziemlich mitgenommen aus, mein preußisches Weib. Was habt ihr gestern noch unten im Salon angestellt!“ grinste sie mich an. Mir war gerade nicht nach viel reden, ich hatte Probleme überhaupt zu denken, geschweige denn Worte formen und sie aus meinem Mund zu bekommen.
„Später...“ nuschelte ich und versuchte ein Lächeln meinerseits. Als ich mich aufgesetzt hatte, hielt ich stumm bittend meine Hand auf und sie reichte mir die Pille und das Glas Wasser. Nachdem beides in meinem Magen war, drehte ich mich wieder in meine Decke und versank im Traumland. Ich bekam für den Rest des Vormittags nichts mehr mit.
„Mi sol, wie geht es dir?“ hörte ich die tiefe besorgte Stimme von Haytham. Langsam drehte ich mich um und öffnete die Augen, ich spürte, dass mein Kopf nicht mehr spannte und die Schmerzen weg waren. „Wesentlich besser, mi amor. Es war wohl zu viel der geistigen Unterhaltungen gestern. Zumal die, die ich mit Elias hatte, irgendwie eine Ebene anders war. Jetzt wo ich darüber nachdenke, ist er mir etwas unheimlich.“ meinte ich vor mich hin plappernd.
„Es geht dir besser, eindeutig. Du redest schon wieder und deine Gedanken überschlagen sich dabei.“ kam es lachend von Haytham und er nahm mich in den Arm. „Wie spät ist es, mi amor? Es ist ja schon fast dunkel!“ erschrocken fuhr ich hoch. „Keine Sorge, du hast nichts wichtiges verpasst. Lediglich die Einladung vom Duke zur Hinrichtung seiner Nichte.“ meinte er etwas angewidert. „Oh, so schnell ist er mit dieser Entscheidung? Wann soll sie stattfinden und weiß Faith bereits davon?“
„Im neuen Jahr, am 5. Januar um 10 Uhr vormittags auf dem Anwesen wird sie stattfinden. Und sie soll erschossen werden. Er hat es sehr detailliert beschrieben. Und nein, ich habe Faith noch nichts erzählt, ich dachte, wir sollten es ihr gemeinsam sagen!“ meinte er beruhigend, doch ich spürte, dass er darauf brannte, diese Neuigkeit zu erzählen. „Dann sollte ich mich wohl endlich mal aus dem Bett begeben, was meinst du?“ lächelte ich ihn an und schwang die Beine aus dem Bett. Ich stand noch nicht ganz, da wurde mir schwindelig und ich konnte mich gerade so an meinem Verlobten festhalten.
„Langsam, mi sol. Du hast den ganzen Tag geschlafen.“ kam es fürsorglich von ihm und er brachte mich zur Kommode. Während ich mich frisch machte, blieb er in meiner Nähe, nur für den Notfall. Doch ich sah, wie seine Augen bei jeder meiner Bewegungen dunkler wurden, vor allem als ich mich auszog um mir mein Unterkleid und die Strümpfe anzuziehen. „Haytham, hol deine Gedanken aus der Gosse.“ grinste ich ihn an. „Das würde ich, aber bei diesem Anblick fällt es mir nun mal sehr schwer!“ und seine Hand wanderte über mein Gesicht zum Hals und dann über meine Brüste. Ich hielt sie fest und hob sie an meinen Mund. „Später, mi amor. Ich hatte weder Kaffee noch etwas zu Essen!“
„Eine wirklich miese Kombination, du hast Recht.“ lachte er mich an und reichte mir mein Korsett.
Unten im Salon angekommen, wurden mir besorgte Blicke zu geworfen, doch ich konnte sie alle beruhigen. Es war nichts Schlimmes, einfach nur Kopfschmerzen. Für die Zukunft musste ich mir aber etwas anderes dagegen einfallen lassen, die Pillen würden nicht für immer halten!
Als ich dann den Kaffee und zwei dick belegte Brötchen vertilgt hatte, spürte ich auch wieder, wie mein Körper sehr dankbar war. Ich lehnte satt und zufrieden an meinem Templer. Haytham bat Maggie mit den Kindern kurz nach draußen zu gehen, es gäbe etwas zu besprechen. Master Williams sah ihn säuerlich an. „Verzeiht, aber ich möchte dabei die Kinder nicht hier haben.“ meinte mein Verlobter jetzt ruhig, aber bestimmt.
Er sah mich jetzt auffordernd an und ich ergriff das Wort. In kurzen Worten schilderte ich jetzt den gestrigen Abend und das mit inbegriffene Abendessen. Von einem eventuell neuen Geschäftspartner erzählte ich auch und erklärte auch gleich, warum ich mich dafür entschieden habe. „Alex, dieser Mann hat meine Freundin ermordet, eiskalt!“ kam es wütend von Faith. „Nein, nicht er war es. Es war Zoe! Sie war sauer auf Haytham und mich, sie wollte Rache für den Rauswurf! Und dann hat sie sich gedacht, so würde sie uns auf jeden Fall aus der Reserve locken. Was ja auch wunderbar geklappt hatte, doch sie wurde hier nicht fündig, als sie heimlich hier einstieg.“ erzählte ich jetzt weiter, mir war dieser Gedanke während meines Berichtes gekommen, dass diese Frau es gewesen sein musste, die den Mord UND den versuchten Diebstahl begangen hat. „Und warum hat Haytham dann keine Spuren gefunden?“ fragte sie immer noch sauer und mit Tränen in den Augen.
„Das ist etwas, was ich auch noch nicht verstehe. Doch hier hat jemand in unseren Sachen gewühlt, aber meine gesicherte Kiste, Odin sei Dank, nicht gefunden! Aber oben war alles durcheinander in unseren Truhen! Und auch dort hat Haytham keine Spuren sehen können.“ versuchte ich eine beschwichtigende Erklärung. „Worauf ich aber jetzt hinaus wollte, oder besser WIR, ist, dass Zoe aufgrund eines Befehls vom Duke of Ironside am 5. Januar hingerichtet werden soll, sie soll erschossen werden. Wir haben eine Einladung dafür erhalten!“ meinte ich jetzt etwas angewidert. „Sie hat eigenmächtig ohne Befehle gehandelt, so etwas wird in der Bruderschaft nicht geduldet!“ erklärte ich weiter.
„Ich will dabei sein, ich will sehen, wie sie stirbt. Am liebsten würde ich sie selber...“ sagte Faith und wurde dabei immer aufbrausender. Shay hielt sie jetzt zurück und sah uns fragend an. „Ich schlage vor, dass Faith euch an dem Tag begleiten wird. Und wenn es nur ist, um sicher zu sein, dass der Gerechtigkeit genüge getan wurde!“ sprach er völlig ruhig und hielt seine Frau dabei im Arm und beruhigte sie wieder. Ich konnte es ja verstehen, ich würde so einen kaltblütigen Mörder auch nicht einfach so davon kommen lassen.
„Ich gehe davon aus, dass der Duke nichts dagegen haben wird. Gegen dich, Faith, hat er ja nichts.“ lächelte ich sie an. „Das sollte kein Problem sein, dann werde ich eine Antwort schreiben, mi sol.“ meinte Haytham trocken, erhob sich und ging in Shays Arbeitszimmer.
„Alex, was ist das zwischen dir und diesem Duke gewesen? Haytham war nicht begeistert von diesem Abend und ich spüre, dass er so seine Probleme mit diesem neuen Verhältnis hat.“ kam es jetzt leise von meiner Freundin. „Ich weiß, es war aber auch für mich mehr als eigenartig. Irgend etwas an ihm ist anders. Es fühlte sich ein bisschen so an, als wäre er besessen, doch als er meinte, er wäre älter als ich mir vorstellen könnte, war mir klar, dass es etwas anderes sein musste. Ich brauche unbedingt Schriften über die nordischen Götter, die hatte er nämlich erwähnt und mein Vermächtnis.“ redete ich ohne Luft zu holen.
„Dann haben wir ja noch einiges vor uns, oder?“ ein vorsichtiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Wir unterhielten uns noch über die entsprechende Lektüre und dass ich mich dann in den kommenden Tagen damit auseinandersetzen würde. Sofern ich Zeit hatte, die Hochzeit stand an und ich musste mir eingestehen, dass ich entsetzlich nervös wurde!
Es war Master Williams, welcher sich jetzt räuspernd Gehör verschaffte. „Mrs. Frederickson, ich möchte euch nicht drängen, aber wir hätten heute noch einen Termin!“ meinte er und es fiel mir siedend heiß Dimitri ein. Die Probleme mit der Lieferung! „Verzeiht, Master Williams, das hatte ich völlig vergessen. Aber wir können gleich aufbrechen, wenn es euch recht ist!“ sagte ich lächelnd, irgendwie fühlte ich mich jetzt besser und vor allem auch ausgeruht. Als mein Verlobter dann wieder im Salon erschien, teilte ich ihm mit, dass Lucius und ich noch eine Besprechung mit einem Geschäftspartner hätten. „Soll ich euch begleiten?“ fragte er fürsorglich und wieder tat es mir leid, dass ich ihn noch nicht einweihen konnte. „Nein, das wird nicht nötig sein, Master Kenway.“ kam es kühl von Faiths Vater.
„Aber wenn du bitte einmal nachschauen könntest, wie weit die Reparaturen an der Jackdaw sind?“ bat ich vorsichtig und er lächelte mich an. „Das werde ich, mi sol. Pass auf dich auf!“ er gab mir noch einen Kuss auf die Stirn und Lucius und ich machten uns auf zu Dimitri. Ich durfte den Hengst von Shay nehmen, ein wunderschönes Tier und er ließ sich ohne Murren von mir lenken.
Auf dem Weg zu diesem Russen wurde mir dann noch erzählt, dass er mit dem ehemaligen Kindermädchen von Faith liiert sei. Danja! Ich hatte mich schon gewundert, wo sie abgeblieben war, aber daran gedacht, einmal nachzufragen hatte ich auch nicht. Es war einfach zu viel vorgefallen in den letzten Tagen und Wochen!
Dann standen wir vor einem Geschäft, an dem ein Schild hing „Wegen Renovierung geschlossen“ und ich sah Lucius fragend an. „Seid ihr sicher, dass wir richtig sind?“ er grinste mich an und ging einfach hinein. Im Inneren erwarteten uns drei Männer, die an einem runden Tisch beisammen saßen und sich angeregt unterhielten. Auf Russisch! Verdammt, ich sollte meine Sprachkenntnisse ausbauen, ging es mir durch den Kopf.
„Ah, Master Williams, es freut mich, euch wiederzusehen.“ begrüßte ihn ein großer, schwarzhaariger Mann, der auch noch wahnsinnig gut aussah. Dieser russische Akzent tat sein übriges dazu und ich sah von einem zum anderen. „Dimitri, ich bin ebenso erfreut. Darf ich euch Mrs. Frederickson vorstellen, die Verlobte von Master Kenway. Sie wird ab jetzt die Geschäfte hier übernehmen und leiten.“ Ich reichte ihm einfach meine Hand und er sah mich einfach an.
Fragend hob ich eine Augenbraue. „Master Dimitri, habe ich einen Fleck auf der Nase, oder warum mustert ihr mich so?“ meinte ich lächelnd, hielt aber meine Hand weiterhin vor ihn. Irgendwann nahm er sie und der Handkuss folgte. „Mrs. Frederickson, so so. Ihr glaubt also, ihr könnt einfach so ein Geschäft übernehmen. Ihr seht nicht danach aus!“ meinte er kalt und ich musste an mich halten, nicht in meine alte Art wie zu Hause zu fallen.
„Ich weiß sehr wohl, worum es geht und wie man mit Zahlen und Waren umgeht. Ich habe es von meinem Vater gelernt und Master Williams half mir dabei, einen Überblick über die hiesigen Abläufe zu bekommen! Also seid versichert, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin!“ die innere Ruhe hatte mich wieder. Für diese Worte erntete ich einen scharfen Blick und dann sah ich hinter ihm Danja stehen. Sie hatte einen überraschten Ausdruck im Gesicht. „Mrs. Frederickson! Ihr seid wieder da?“ fragte sie völlig ungläubig. „Ja, ich bin zurück und werde nun bleiben!“ zu mehr kamen wir nicht, es war Dimitri der uns jetzt an den Tisch bat und Getränke orderte.
Wie befürchtet, war es Wodka. Da musste ich dann wohl jetzt durch, obwohl ich keine echte Grundlage im Magen hatte. Doch ich musste mir eingestehen, dass dieser Hochprozentige wirklich gut war und nicht so eklig brannte, wie Billigfusel. „Ihr solltet wenigstens wissen, was ihr an Waren transportieren werdet!“ kam es lachend von Dimitri. Zwei Gläser später waren wir dann beim eigentlichen Thema, dem Problem mit einer Lieferung. „Uns wurde mal wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht, einige Rotröcke haben sich am Lagerhaus zu schaffen gemacht und fanden die Vorräte. Doch anstatt es zu melden, haben sie sich einfach bedient und liefen dann sturzbetrunken durch die Straßen und erzählten jedem, der es hören wollte, wo sie guten kostenlosen Wodka finden würden.“ Ja, diese Soldaten waren einfach eine Plage und ich würde mich jetzt auch noch mit ihnen rum ärgern müssen.
„Einer meiner Männer hat dann die Jungs alarmiert und sie haben die Vorräte schnell woanders hingeschafft. Noch rechtzeitig, nur wenige Stunden später wimmelte es dort von Rotröcken!“ gab er ärgerlich als Erklärung. „Dieses Pack ist wirklich lästig!“ meinte ich jetzt einfach. „Da habt ihr Recht, doch wir werden wohl mit ihnen leben müssen!“
„Ist viel verloren gegangen durch dieses Saufgelage?“ fragte Lucius jetzt. „Nein, aber es ist auch eher die Frage, wohin wir noch die Lager ausweiten müssen. Hier ist es stellenweise nicht mehr sicher genug.“ da fiel mir ein, dass wir in Virginia Lagerkapazitäten hatten und ich diese für solche Aktivitäten sicher nutzen konnte. Und wir hatten den Vorteil, dass die Plantage an einem Fluss lag.
Also machte ich Dimitri diesen Vorschlag und meinte, er solle sich, wenn wir wieder daheim waren, ein eigenes Bild davon machen! Als ich dann erwähnte, dass wir unsere Hochzeit ja im März planten, lud ich ihn und Danja kurzerhand einfach mit ein. „Mrs. Frederickson, ich werde mir selber einen Überblick verschaffen und ich freue mich über die Einladung.“
Wir besprachen danach, was in den kommenden Wochen an Lieferungen anstünden und ich konnte die derzeit nicht genutzten Schiffe mit ins Spiel bringen. Auch fiel mir ein, dass Lestrange mir einen Auftrag für eine Lieferung zugedacht hatte, welcher sich wunderbar mit dieser Wodka-Passage verbinden ließ. „Ihr habt mehrere Eisen im Feuer wie ich sehe, Mrs. Frederickson. Das gefällt mir!“ meinte er. Wir tranken noch darauf und als wir das Haus verließen, war es bereits stockdunkel und es schneite wieder.
„Mrs. Frederickson, ihr ward souverän, dass muss ich euch lassen. Wo habt ihr gelernt, euch so ruhig und sachlich zu verhalten?“ fragte mich Lucius, als wir wieder auf den Pferden saßen und zurückritten. „Von klein auf wurde mir diese Art Kommunikation eingetrichtert. Höflich sein und bleiben. Sein Gegenüber ausreden lassen und zuhören. Es gab einiges was man mir beibrachte, Master Williams!“ den Rest des Weges ritten wir schweigsam nebeneinander her. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ich selber genoss gerade diesen Ritt im Schnee und diese Stille die man immer empfindet wenn Schnee liegt. Auf den Straßen war auch nicht all zu viel los und wir konnten unbehindert unseren Weg fortsetzen. Am Fort erwartete uns der Stallmeister, nahm uns die Pferde ab und wir gingen hinein.
Faith kam voller Erwartung auf mich zu. „Und? Wie ist es gelaufen, Alex? Dimitri ist mitunter sehr schwierig zu handhaben.“ grinste sie mich an. „Es hat wunderbar geklappt, auch wenn ich jetzt dringend Tee oder ähnliches brauche. Mach dir keine Sorgen, Faith. Ich glaube, wenn er im März nach Virginia kommt, dann spätestens habe ich ihn überzeugt!“ meinte ich breit grinsend. Im Salon erwartete mich dann auch mein Verlobter. „Da seid ihr ja wieder und du bist in einem Stück wieder hier, mi sol.“ meinte er und als er mir einen Kuss geben wollte, wedelte er mit der Hand. „Alex, hast du etwa getrunken?“ kam es jetzt tadelnd von Haytham. „Nur zwei, drei Gläser Wodka. Aber der war wirklich gut, eigentlich mag ich das Zeug sonst gar nicht.“ grinste ich ihn an.
Marge reichte mir und Lucius jetzt im Salon kurzerhand jeweils einen Teller vom Abendessen und ich nahm es dankbar an. Mein Magen knurrte doch schon ordentlich. Währenddessen erzählte mir mein Verlobter, wie weit die Reparatur fortgeschritten sei. „Es sind nur noch ein paar Kleinigkeiten. Vielleicht noch zwei Wochen, dann ist sie wieder ganz!“ meinte er lächelnd.
Als ich dann fertig war, lehnte ich mich an meinen Verlobten. „Ich muss dringend mein Tagebuch weiterschreiben, sonst platzt mein Kopf noch! Es waren so viele Eindrücke die letzten Wochen, ich muss es niederschreiben.“ meinte ich wie zu mir selber. „Du kannst dich gerne jederzeit in mein Arbeitszimmer zurückziehen.“ antwortete Faith. „Danke, ich komme sicherlich auf das Angebot zurück!“ lächelte ich sie an und wieder spürte ich, dass ich sie jetzt gerne einfach wieder haben wollte. Eine dezente Röte stieg mir in die Wangen und meine Schwester schien die gleichen Gedanken zu haben.
Du weißt, ich liebe dich und ich freue mich darauf, wenn wir mal wieder ein paar Stunden für uns alleine sein können! Ich konzentrierte meine Sinne auf sie und drang in ihren Geist. Ihre blauen Augen fingen an zu leuchten und sie seufzte leicht. Mittlerweile war es spät geworden und Haytham und ich verabschiedeten uns.
Im Zimmer hatte Magda für ein wohliges Feuer gesorgt und ich fing an mich zu entkleiden. „Was hältst du von diesem Russen, Alex?“ kam es plötzlich von meinem Verlobten, in einem Ton, welcher keine Lügen duldete. „Er ist etwas seltsam am Anfang, aber wenn man sich ordentlich mit ihm unterhält, ist er doch sehr umgänglich.“ gab ich ehrlich als Antwort. „Das meinte ich nicht!“ und in seinem Gesicht sah ich pure Eifersucht!
„Oh, du meinst... Haytham, ich bitte dich! Er ist mit Danja zusammen. Ja, er sieht verdammt gut aus, aber das ist mir egal. Ich habe dich und meine schmutzigen Gedanken gelten immer nur dir. Er ist... einfach ein Geschäftspartner. Ich weiß, wie man solche Dinge trennt, Haytham!“ meinte ich jetzt etwas zickig und ich hörte ein tiefes Seufzen. „Entschuldige, aber ich habe Angst, dass du...“ ich sah ihn völlig perplex an. „Du glaubst doch nicht, dass ich mit jedem gutaussehenden Mann, der mir begegnet ins Bett steige? Haytham, ich liebe dich und ich will nur dich! Niemanden sonst!“ ich nahm sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einen langen verlangenden Kuss, welchen er erwiderte und dabei seine Hände besitzergreifend auf meinem Hintern legten.
„Trotzdem werde ich dir zeigen, dass du mir gehörst, Mrs. Frederickson!“ kam es in diesem Befehlston von ihm und ich landete in Sekundenschnelle auf dem Bett. Meine Arme wurden Opfer seiner Schraubzwingenhand und ich konnte nicht mehr viel machen. Ich lernte in dieser Nacht, dass mein Verlobter es wirklich nicht gerne sah, wenn ich mich mit fremden Männer traf und mich auch noch mit ihnen unterhielt. Ich würde morgen mal wieder nicht so bequem sitzen können, doch es war mir gerade egal, ich konnte in seinen Armen einschlafen, das war alles, was ich wollte.
Ich erwachte und mit mir auch meine Nervosität. Ein Blick auf meinen Verlobten reichte mir und ich sah ihn breit grinsen. „Es ist ehrlich erschreckend, dass du immer so früh wach bist, mi amor.“ meinte ich und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Ich sehe dich gerne an, wenn du schläfst, du bist dann immer völlig entspannt.“ kam es leise von ihm und er strich mir leicht über die Wange. „Womit habe ich dich verdient, Haytham?“ fragte ich und mir stiegen wieder Tränen in die Augen. „Das Schicksal, Alex!“ mehr sagte er nicht und nahm mich in seine Arme!
Wir gingen nachdem uns Magda Bescheid gegeben hatte, nach unten ins Esszimmer. Ich arbeitete in meinen Gedanken diese ganzen Szenarien ab. Es war soweit, ich würde meinen Templer übermorgen wirklich heiraten! So richtig, naja, nicht ganz... offiziell würde es dann erst im März. Aber ich war nervös und als wir dann nach dem Frühstück Gäste angekündigt bekamen, wurde ich immer hibbeliger. Es waren die Eheleute Johnson!
Ich stand vor ihnen und ließ das obligatorische Begrüßungszeremoniell über mich ergehen und rannte dann förmlich aus dem Raum. Immer wieder hatte ich dieses Bild im Kopf, in welchem mich Haytham einfach stehenließ und mich eiskalt abservierte vor Master Johnson. Mein Verstand wollte einfach noch nicht wahrhaben, dass es einen Menschen gab, der mich ehelichen wollte, der mich, außer meinem Sohn, für den Rest seines Lebens um sich haben wollte!
Es war Mrs. Johnson, welche mir hinterher eilte und mich begleitete. „Mrs. Frederickson, habt ihr Angst vor eurem zukünftigen Mann?“ fragte sie sorgenvoll. „Mrs. Johnson, das ist es nicht. Es ist... ich war noch nie verheiratet. Ich binde mich an einen Menschen für immer. Und das nicht, weil es mein Kind ist oder ich eines erwarte und heiraten MUSS, sondern... ich habe Angst, dass ich etwas in dieser Ehe falsch machen könnte und er mich einfach links liegen lässt oder... ich ihm nicht gefalle!“ ich brach erneut in Tränen aus. Faith hatte die letzten beiden Tage auch schon damit zu tun und hatte mich immer wieder versucht aufzubauen. Alles Zureden hatte nichts gebracht. Warum ich so nahe am Wasser gebaut hatte, konnte ich aber auch nicht sagen.
Sogar Haytham war am Verzweifeln, weil ER plötzlich Angst hatte, dass ich Reißaus nehmen könnte! „Ihr seid die Frau für Master Kenway, wenn ich so die Erzählungen meines Mannes Revue passieren lasse, dann taucht ihr immer sehr wohlwollend in seinen Berichten auf. Haytham liebt euch und das schon sehr lange, wenn ich das sagen darf. Es war schon, als ihr noch als Zimmermädchen bei ihm ward zu spüren, dass es eine ganz eigene Verbindung zwischen euch gibt.“ sagte sie jetzt und wurde etwas rot.
„Mrs. Johnson, woher wisst ihr das? Selbst mir war damals nicht bewusst, dass es mehr als nur ein Dienstverhältnis war.“ fragte ich staunend. „Mein Ehemann kann sehr gut die Körpersprache analysieren, er muss es können. Wenn er mit den Eingeborenen spricht, ist es wichtig, dass er ALLES richtig deutet. Nicht jedes Wort wird gesprochen, Mrs. Frederickson.“ ein wissender Blick von ihr reichte und ich lächelte sie an. Diese Frau hatte wirklich ein Händchen dafür, jemanden zu beruhigen.
„Dann sollten wir hineingehen und unsere Männer nicht länger alleine lassen, sonst machen sie sich noch Sorgen.“ sie legte vorsichtig ihre Hand in meinen Rücken und schob mich behände wieder zum Salon. Dort saßen sie alle und warteten... und sahen mich erwartungsvoll an.
„Mi sol, ist alles in Ordnung?“ fragte mich mein Templer besorgt! „Es … ist alles in Ordnung. Es ist die Nervosität!“ gab ich kurz als Antwort und setzte mich zu den anderen und er nahm neben mir Platz! Bei Odin... ich saß hier und hätte einfach heulen können. Warum? Ich würde den Mann heiraten, den ich liebe! Ich würde nicht hingerichtet werden... es war ein Gefühl von … es fehlte etwas! Doch ich kam nicht drauf, was es war und das seit etlichen Tagen!
Wir wurden durch Mrs. Marge unterbrochen, welche mich lächelnd ansah und meinte, es sei Besuch eingetroffen! Für MICH! Dabei erschien ein breites und freudiges Lächeln auf ihrem Gesicht! Ich wollte gerade aufstehen, als ein kleiner Junge in den Salon rannte oder besser watschelte und plötzlich stehen blieb. „Oma?“ kam es von ihm auf deutsch und ich sah diesen kleinen Menschen einfach an, stand auf, ging auf ihn zu und kniete mich vor ihn. In diesem Moment erschienen die Eltern hinter dem Drei-Käse-Hoch! Yannick und Melissa! Ich kniete immer noch vor dem Jungen und schaute ungläubig von ihm zu meinem Sohn. Als ich realisierte, dass wirklich mein eigener Sohn dort in der Tür stand, sprang ich auf und rannte auf ihn zu! Er schloss mich in seine Arme, sein Zittern übertrug sich auf mich, als wir uns heulend in den Armen lagen.
„Du bist hier... Yannick... ich... Bei Odin!“ stammelte ich und klammerte mich an ihn, dann nahm ich Melissa in den Arm. „Du bist auch hier... ich kann es nicht glauben!“ ich heulte einfach und konnte es nicht mehr stoppen. Dann zupfte der kleine Mann an meinen Röcken und wieder kam „Oma?“ dieses mal aber lauter und weinerlicher. Ich hob ihn hoch und sah ihn an. „Ja, Schätzchen, ich bin deine Oma. Wie heißt du?“ lächelte ich ihn an und es kam ein „Alex“ aus seinem Mund, lachend sah ich zu Yannick und Melissa. „Er heißt Alexander Fabian. Wie seine Großmutter väterlicherseits und sein Großvater mütterlicherseits.“ meinte meine Schwiegertochter. „Ein schöner Name! Du magst bestimmt ein paar Plätzchen oder? Wollen wir mal schauen, ob noch welche auf dem Tisch stehen?“ fragte ich meinen Enkel und ein Leuchten ging über sein Gesicht.
„Genau wie sein Vater, das Wort Kekse und er ist im siebten Himmel!“ lachte Melissa. Ich überließ es jetzt meinem Sohn, sich vorzustellen, er kannte die Benimmregeln hier. Wir waren schnell durch, doch plötzlich sah er mich an und bat Melissa, Alexander zu nehmen.
„Mom, ich bin aber nicht alleine hier. Ich habe noch ein paar andere Gäste mitgebracht!“ und mit einer ausladenden Bewegung deutete er auf die Tür. Dort erschienen mit einem Male William, Tobias, Marie, Frau Alberts und zu meiner großen Freude auch Rafael, welcher sich einfach an allen vorbeischob und mich stürmisch umarmte und mir einen Kuss gab.
Ich starrte sie alle an. Das war ein richtiger Staatsempfang, der hier aufschlug. Es kamen noch aus den höheren Rängen der Bruderschaft zwei Herren dazu und auch aus dem ältesten Rat der Templer. „Was wird das hier?“ fragte ich etwas skeptisch!
„Kannst du es dir nicht denken?“ meinte William ohne Umschweife und drückte auf meinen linken Ringfinger! Die Entscheidung stand an! Ich war plötzlich zu nichts mehr in der Lage und ließ alles einfach geschehen. Die Vorstellungen, die Begrüßungen und so weiter. Es fühlte sich alles an, als wäre ich in Watte gepackt!
Ich spürte zwei Hände auf meiner Schulter, welche mich umdrehten und dann sah ich graue Augen, welche mich einfach nur fragten, ob ich bereit bin. Seit wann redete ich mit Augen... aber ich antwortete mit einem ehrlichen, ich weiß es nicht! ... ich wusste es wirklich nicht! Ja, ich wollte dem Orden beitreten... doch jetzt? Es wurde ernst und ich bekam Panik! Ich stehe hinter deiner Entscheidung, aber triff sie jetzt. Auch wenn ich es anders geplant hatte, doch ist es so noch besser und dir wird deine moralische Verpflichtung abgenommen. Mi sol, vertrau jetzt MIR ohne Widerworte. Es ist das Richtige!
Ich nickte und als wäre es das Stichwort für alle Anwesenden zog mich Faith mit sich nach oben in unser Gästezimmer. Dort lag bereits eine Meistertempler-Montur auf dem Bett. Es war eine in komplett schwarz gehaltene Robe und ich sah, dass es einen Zettel dazu gab. Faith las ihn mir vor und lächelte dabei. „Es ist die Montur, welche dir zusteht, welche du in Ehren halten wirst und welche dich zu ganz neuen Ufern bringen wird. Sie wird dich vor ungewollten Kugeln bewahren, dank des Schatzes von Kidd und du wirst deinen Adlerblick auf eine ganz neue Ebene bringen! Möge der Vater des Verstehens dich in Zukunft leiten und erleuchten!“
Ich ließ mich auf das Bett sinken und starrte auf diese Kleidung. „Alex, du hast seit einer halben Stunde nichts mehr gesagt. Sprich mit mir!“ und Faith rüttelte leicht an meinen Schultern. „Was soll ich sagen? Man zwingt mich diese Entscheidung zu treffen, welche ich eigentlich schon längst getroffen habe und das macht mich irgendwie wütend und ich bin... GROSSMUTTER!“ und brach erneut in Tränen aus. Hörten diese ganzen Neuigkeiten und Ereignisse eigentlich auch mal auf? Ich konnte einfach nicht mehr und wäre am liebsten irgendwo auf einer einsamen Insel!
Ihre Arme schlossen sich um mich und ich spürte ihre Lippen auf meinen. „Du bist Preußin, oder nicht? Dann bist du Disziplin und Gehorsam doch gewöhnt. Also... du stehst das nicht alleine durch, wir alle sind bei dir und... sei ehrlich. Du wirst nicht zum Tode verurteilt, sondern wirst meinem großen Bruder noch näher sein und ihm beistehen können, genauso wie mir und Shay!“
Diese Nähe zu Faith brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen! „Ich schwöre den Assassinen ab, mit welchen ich hier in dieser Zeit eigentlich auch überhaupt keinen Einklang habe. Und nehme die Lehren an, welche ich mit mir und meinem Gewissen vereinbaren kann. Ist das falsch, Faith? Bin ich auch eine Verräterin, so wie man Shay immer darstellt?“ jetzt war es raus, das war etwas, was mich unter anderem auch beschäftigte.
„Nein, bist du nicht. Mein Mann ist das nicht und ich ebenso wenig! Du hast es ihm ja erklärt. Alex, sieh mich an. Du wirst heute dem Orden beitreten und übermorgen heiratest du meinen großen Bruder. Das ist alles! Und dann können wir unsere Mission fortsetzen, ohne wenn und aber!“ kam es jetzt bestimmend von ihr und ich sah sie heulend an.
Sie wischte mir die Tränen von den Wangen und zog mich hoch. „Dann wollen wir dich mal einkleiden, meine schniefende Preußin!“ meinte sie breit grinsend und küsste mich und... was soll ich sagen... wir brauchten etwas länger beim Einkleiden. Es war eine willkommene Ablenkung und zugleich Erleichterung für mich. Völlig entspannt half sie mir dann beim Anziehen und als ich in dieser Templermontur vor dem Spiegel stand überkam mich plötzlich Stolz.
Ich hatte es geschafft, ich hatte meine Einigung, den Waffenstillstand, ich würde Haytham heiraten und ich würde dem Orden beitreten. Es waren alles Punkte, welche ich jetzt abhaken konnte, doch sie machten mir Angst, nach wie vor.
Wir gingen hinunter und am Fuße der Treppe stand mein Sohn und sah mich an. „Mom... es ist noch ungewohnt, aber ich stehe an deiner Seite!“ kam es leise und er reichte mir still seine Hand.
Ich betrat mit meinem Sohn das Templerzimmer im Fort Arsenal, und alle waren anwesend, sie warteten nur auf mich. Ich stellte vor dem Tisch, welcher vor den Kamin gerückt worden war. Mit dem Rücken dazu standen William und Tobias. Mein Mentor ergriff das Wort.
„Alexandra, wir honorieren dich und deine Leistung, welche du in den letzten Jahren gezeigt hast. Die Bruderschaft hat dir zu verdanken, dass es Frieden und eine Einigung gibt! Wir wünschen uns, dass es so bleibt, du hast den Grundstein gelegt, welcher nun ausgebaut werden muss!“ Mein Mentor sah mich für einen Moment schweigend an und fuhr dann fort. „Aber um dein Vorankommen zu sichern, werde ich dich aus der Bruderschaft entlassen! Du wirst jetzt einen anderen Weg einschlagen und beide Seiten weiter festigen. Du bist nicht länger dem Credo der Assassinen verpflichtet! Wir werden dein Andenken aber weiterhin ehren und weitertragen!“
Dann nahm er ein Siegel aus dem Feuer des Kamins und bat Yannick, mir den Ring vom linken Ringfinger zu nehmen. Für einen kurzen Moment sträubte ich mich, es war seit über 30 Jahren mein Zeichen, meine Lehren und … „Mom, vertrau mir!“ meinte Yannick leise neben mir und nahm den Ring ab, welchen er mir damals zu Weihnachten geschenkt hatte. William nahm meine Hand und drückte den glühenden Stempel auf meine Tätowierung! „Ab diesem Moment, gehörst du zum inneren Kreis der Bruderschaft. Dein Titel bleibt weiterhin bestehen! Niemand wird deine Arbeit hinterfragen und du wirst dein Wissen an uns weitergeben.“ William sah mich traurig an. „Das werde ich, Mentor!“ in dem Moment verband mein Sohn meine Brandwunde bereits und ich sah, das Faith eigentlich etwas anderes angedacht hätte dafür, aber ich würde sie später noch über die Narbe schauen lassen.
Nun trat Herr Schäfer vor und sein Gesichtsausdruck ähnelte dem, welchen Haytham in seiner Templerart an den Tag legte. Wurde so was irgendwie vererbt?, fragte ich mich... „Alex, wir sind dir gefolgt und du bist aus freien Stücken vor uns getreten.“ sprach er und ich sah ihn nur sprachlos an. „Master Kenway, nehmt bitte den Ring vom Finger eurer Verlobten!“ meinte Tobias scharf. Er tat wie ihm geheißen. Frau Alberts legte ein offenes Schmuckkästchen vor mich mit einem goldenen Ring mit Tatzensymbol und Herr Schäfer hielt seine Glock im Anschlag an seiner Seite. „Triff deine Entscheidung, Alexandra! Nimm es an oder... verweigere!“ kam es in diesem kalten Templerton!
Ich starrte auf diesen Ring, ich wollte es ja, aber es war immer noch so unwirklich! Und dann griff ich zu dem goldenen Ring mit dem Templersymbol! Tobias drehte die Glock und sicherte sie mit den Worten „Gute Entscheidung!“ dann steckte er sie hinter seinen Rücken, in einer fließenden Bewegung nahm er mir das Kästchen ab und den Ring an sich.
Tobias begann mit dem Treueschwur und zwar auf deutsch!
„Schwörst du, die Prinzipien unserer Ordnung und all das, wofür wir stehen, einzuhalten?“
Ich konnte nur automatisch „Das tue ich.“ antworten.
„Und niemals unsere Geheimnisse zu teilen oder die wahre Natur unserer Arbeit zu enthüllen?“
Ich brauchte nicht über die Antwort nachdenken. „Das tue ich“
Der deutsche Großmeister kam zum Ende „Und das von jetzt an bis zum Tod zu tun, egal was es kostet?“
Auch diese Frage beantwortete ich mit reinem Gewissen! „Das tue ich.“
„Dann begrüßen wir dich in unserer Gemeinschaft, Schwester. Gemeinsam werden wir den Beginn einer neuen Welt einläuten. Eine, die durch Vertrauen und Ordnung definiert ist. Eine neue Ära, welche wir in einer Gemeinschaft weiterführen werden! Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch etwas dazwischen. Du hast es bewiesen und wir werden diese Grundzüge weiter ausbauen! Gib mir deine Hand.“ Ich reichte Tobias meine rechte zitternde Hand und er steckte mir den goldenen Ring mit dem Templersymbol auf.
„Du bist jetzt eine Templerin. Möge uns der Vater des Verstehens leiten.“
„Möge uns der Vater des Verstehens leiten.“ kam es aus den entsprechenden Mündern um mich herum.
Und dann trat auch noch Frau Alberts vor mit einer ledernen Mappe in Händen und legte sie vor mich hin. Als sie diese aufschlug, erschien ein Schriftstück, auf welchem oben ein großes Templerkreuz prangte. „Frau Frederickson, auf Beschluss des Ältestenrates der Orden in Europa, erheben wir euch in den Stand einer Großmeisterin. Ihr seid für die Erkundung und Erforschung der alten Kolonien verantwortlich. Ihr gehört von nun an dem deutsch-niedersächsischen Ritus an!“ Dann reichte sie mir die Papiere und schüttelte meine Hand. Ich verbeugte mich leicht, konnte aber nicht sprechen!
Ich stand für einen Moment reglos da und merkte erst dann, dass ich weder richtig geatmet hatte noch sonst irgendwas getan hatte. Ich drehte mich um und eilte einfach aus dem Zimmer und nach draußen.... auf die Kaimauern zu.
Hier verweilte ich kurz stocksteif und sah auf die sich kräuselnde Wasseroberfläche des Meeres. „Nimm dieses Vertrauen einfach an, du hast es verdient. Du hast so vieles bewirkt in den letzten drei Jahren, du wirst dieses Tun auch weiterhin fortsetzen. Nur eben hier, an der Seite meines Sohnes! Ein weiterer Schritt in deiner Arbeit und übermorgen wirst du meine Schwiegertochter sein.“ hörte ich meinen Piraten freudig reden.
„Ich brauche wohl noch ein wenig Zeit, oder? Bis ich die letzten Wochen alle wieder aufgearbeitet habe?“ fragte ich ins Blaue!
„Haytham wird dir helfen, alles zu verstehen! Und du hast deinen Sohn, der dir hilft. Du bist nicht alleine, Alex.“ und er verschwand wieder.
Ich schlang meine Arme um mich, weil es verdammt kalt hier draußen war und spürte plötzlich fremde Arme, die mich umschlangen, es war Haytham, welcher mir gefolgt war. „Mi amor, es tut mir leid, ich wollte nicht fliehen, aber ich brauchte einen Moment!“ nuschelte ich an ihn gelehnt.
„Das habe ich mir schon gedacht, Alex. Mach dir keine Gedanken, es war wirklich sehr viel in den letzten Wochen für dich. Lass mich dir einfach beistehen und wir gehen gemeinsam da durch!“ meinte mein Verlobter liebevoll. „Ich möchte heute niemanden mehr sehen, ich will nur noch mit dir alleine sein, Haytham....“ ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Das wird nicht möglich sein, mi sol. Du hast für heute noch mindestens zwei Verpflichtungen!“ meinte er lächelnd.
„Und die da wären?“ seufzte ich etwas frustriert. „Dein Enkel fragt die ganze Zeit nach dir, du solltest Alexander wenigstens in sein Bett bringen!“ meinte Haytham und strich mir liebevoll über die Wange. „Das sollte ich wirklich tun, kommst du mit?“ und ohne ein weiteres Wort nahm er meine Hand und wir gingen hinein.
Im Salon saß man friedlich zusammen und genoss den guten Wein. Als der kleine Alexander mich sah, kam er stolpernd auf mich zu und ich sah Yannick wieder vor mir, bei seinen ersten Gehversuchen! Melissa sah mich lächelnd an und nickte, auch Yannick machte nichts anderes, doch bei ihm sprach deutlich der Wein aus seinem Gesicht! Ich ging mit meinem Enkel und meinem Verlobten hinauf in das Gästezimmer der beiden. Der kleine Mann war so müde, dass er sich wickeln ließ und einfach so in die kleine Wiege legen ließ. Für einen kurzen Moment standen Haytham und ich da und sahen auf ihn hinab. „Mein Sohn hat ein eigenes Kind! Ich kann es immer noch nicht glauben!“ meinte ich plötzlich.
Haythams Arme schlossen sich um mich. „Und er sieht seiner Großmutter sehr ähnlich, gerade jetzt, wo er so friedlich schläft.“ und ein Kuss in meinem Nacken ließ mich erschauern. Ich drehte mich zu ihm um und schlang meine Arme um seinen Nacken. „Das hat er und ich fühle mich alt, weil ich jetzt eine Großmutter bin. Willst du mich wirklich immer noch heiraten?“ fragte ich zweifelnd.
„Wenn man es genau nimmt, bin ich gerade Großvater geworden. Auch wenn es nur der Stiefgroßvater ist, der seine Verlobte immer noch heiraten möchte!“ meinte er breit grinsend und sein Kuss war alles, was ich als Bestätigung brauchte. „Mi sol, da gibt es aber noch etwas, das geklärt werden sollte. Lass uns nach unten gehen, dann kann ich es dir erklären!“ meinte er flüsternd und leise gingen wir hinaus.
Im Salon war man mittlerweile in feucht-fröhlicher Stimmung und ich hätte mich gerne dazu gesellt, doch mein Templer hatte noch andere Pläne. Er bat die Anwesenden noch einmal in das Templerzimmer und ich sah ihn etwas erstaunt an, was sollte jetzt noch kommen? „Du wirst es gleich erfahren, Alex. Komm einfach mit.“ er nahm meine Hand und führte mich hinüber. Zum zweiten Mal stand ich vor einem Großmeister, welcher mich jetzt kühl ansah, aber noch abwartete, bis sich alle im Raum platziert hatten. Neben mir stand wieder mein Sohn, rechts neben mir stand jetzt Faith.
Shay hatte neben seinem Großmeister den Platz eingenommen und Master Williams auf der anderen Seite von Haytham und schaute mich ebenfalls kühl an. Ich fing an zu zittern, ich konnte mir jetzt denken, was passieren würde... dann fing mein Templer an zu reden.
„Wir sind noch einmal hier zusammen gekommen um Mrs. Alexandra Frederickson in unsere Reihe aufzunehmen. Ich habe mich mit Master Cormac und Master Williams bereits darüber beraten und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass meine zukünftige Frau an meiner Seite stehen sollte. Ohne Wenn und Aber. Und da heute ihre Indoktrination bereits einmal stattgefunden hat, ist es jetzt an der Zeit, sie in den kolonialen Ritus aufzunehmen, damit wir unsere Ziele gemeinsam erreichen können.“, er machte eine Pause und wartete die Reaktionen ab und fragte dann, ob jemand dagegen Einwände hätte. Doch alle Anwesenden schüttelten den Kopf, sogar Faiths Vater, mit ihm hätte ich aber sowieso am wenigsten zu tun.
Seine Hand glitt in seinen Gehrock und holte eine Kette mit einem Templerkreuz als Anhänger heraus. Dann fing auch er an, mich zu fragen, ob ich wirklich bereit sei, dem Orden zu dienen bis zu meinem Tode und ob ich es aus freien Stücke täte. Ich bejahte all die Fragen ein weiteres Mal, dieses mal jedoch ruhiger.
Dann schritt Shay um den Tisch herum und legte mir die Kette an. „Ihr seid nun eine Templerin des kolonialen Ritus, außerdem werdet ihr auch hier in den Stand einer Großmeisterin erhoben, um eure Arbeit ohne Hindernisse fortsetzen zu können.“ Seine grauen Augen ruhten immer noch auf mir, doch sie waren jetzt wieder in diesem warmen Glanz. Als erster beglückwünschte mich der Ire und schloss mich in die Arme, mit den Worten. „Willkommen in unserer Mitte!“
Alle anderen Anwesenden fingen an mich ebenfalls ein weiteres Mal zu beglückwünschen. Jetzt war ich aber in der Lage, mich auch zu bedanken, mein Verstand arbeitete wieder und ein innerer Frieden breitete sich aus! Trotzdem war es noch so unfassbar! Ich gehörte dem Orden an, welchem ich jahrelang ausgewichen bin. Haytham kam nun ebenfalls auf mich zu und nahm mich in den Arm.
Sein Geist drang in meinen Kopf und ich hörte ihn sagen Jetzt steht uns nichts mehr im Wege und wir können unsere gemeinsame Zukunft planen, mi sol. Ich liebe dich und ich hoffe, du weißt das! ich spürte wie mir die Tränen liefen und antwortete still Das weiß ich, Haytham, und ich liebe dich ebenso und ich freue mich auf unsere Zukunft! Es folgte ein langer Kuss, welcher durch ein gemeinschaftliches Geräusper der Umstehenden unterbrochen wurde.
„Darauf sollten wir anstoßen!“ meinte Faith und wir gingen alle wieder hinüber in den Salon, wo dann auch schon der Weinnachschub bereit stand. Als alle saßen, erhob ich mein Glas und dankte ihnen, für das Vertrauen und das ich hoffte, allem gerecht werden zu können. Dann war es Zeit für die angereisten Neuzeitgäste, sich zu verabschieden. Zumindest für einen Teil von ihnen, nur mein Sohn mit Familie und Tobias, Marie sowie mein Mentor, also William würden noch hier bleiben bis zu unserer Hochzeit.
In Shays Arbeitszimmer verabschiedete ich mich nun von allen und man wünschte mir noch alles Gute für die Zukunft und Erfolg auf meinem Weg! Dann verschwanden sie durch das Portal. Als ich mit Haytham wieder hinüber ging, fragte er plötzlich „Bereust du, dass du nicht wieder zurück kannst?“ Und ich sah ihn mit großen Augen an. „Haytham, nein. Ich bereue es nicht, ich habe dir vor ein paar Wochen schon gesagt, dass ich weiß, was mich hier erwartet und ich mich auf dich und unsere Zukunft freue!“ ein warmes Lächeln war die einzige Antwort von ihm.
Als ich dann so in die Runde blickte, fiel mir wieder ein, was ich dringend fragen musste. „Yannick, wie lange bin ich bei euch schon weg? Ich meine, ich bin stolz auf dich, dass du Vater bist, aber ich verstehe das nicht. Es war eigentlich angedacht, dass ihr die Truhe Ende 2021 bekommen solltet...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Das hätten wir auch, aber sie war in einem ziemlich desolaten Zustand, Mom. Man hatte vermutlich in den Jahren mit vielen Mitteln versucht sie zu öffnen, doch niemand hat es geschafft. Und wir haben sie auch erst im Januar 2023 bekommen.“ erklärte mir mein Sohn leicht lallend.
„Es war schwierig sie aufzubekommen. Die Fingerabdruck-Schlösser waren nicht mehr richtig in Takt. Du kannst dir vorstellen, wie lange unsere Techniker daran gesessen haben.“ meinte jetzt William. „Und als sie dann offen war, brauchten wir eine Weile, alles zu sortieren und aufzuarbeiten. Als wir dann deine Anweisungen fanden, haben wir sie befolgt und sind dir gefolgt. Auch wenn du explizit einige Male geschrieben hattest, dass wir das nicht sollten! Aber im Grunde hast du zwischen den Zeilen verlauten lassen, dass du uns die Entscheidung überlässt!“ lachte er mich jetzt an.
„Ich bin froh, dass ihr es dennoch getan habt!“ meinte ich erleichtert und lehnte mich glücklich an meinen Templer. Irgendwann stand mein Verlobter auf und wünschte allen eine gute Nacht, während er mich mit hochzog. „Ich wünsche auch noch eine gute Nacht!“ mehr konnte ich nicht sagen, Haytham zog mich schon aus dem Zimmer die Treppe hinauf. In unserem Reich angekommen, schloss er leise die Tür und kam dann auf mich zu!
„Alex, es fühlt sich noch so unwirklich alles an. Ich kann es noch nicht ganz begreifen, aber ich freue mich, dass du jetzt im wahrsten Sinne des Wortes an meiner Seite sein wirst!“ seine Lippen legten sich auf meine und er begann mich langsam aus meiner neuen Montur zu befreien. Darauf hatte ich jetzt schon einige Stunden sehnsüchtig gewartet und war dankbar, dass er ebenso dachte.
„Ich werde sicherlich auch noch so meine Zeit brauchen, ehe ich alles realisiert habe, mi amor. Fangen wir einfach klein an und ich zeige dir meine Dankbarkeit!“ flüsterte ich lasziv an seinem Hals und mein Mund wanderte über seinen Hals hinunter zu seiner Brust und ich ließ mich langsam auf meine Knie sinken. Mein Verlobter honorierte meine mündliche Zuwendung mit einem lauten Aufstöhnen und seine Hände griffen wie automatisch in meine Haare. „Jesus, ich habe deinen Mund vermisst!“ kam es stockend und er fing an mich zu führen.
Ich ließ ihn nicht aus den Augen und er mich auch nicht! Doch seine Pläne sahen vor, dass er lieber das Bett noch mit einbeziehen wollte und hob mich kurzerhand hoch. Dann lag ich wieder unter ihm und seine Lippen fanden ebenfalls ihren Weg. „Mrs. Frederickson, wir sollten uns dringend über eure Vorfreude unterhalten!“ hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. „Das sollten wir dringend tun, Master Kenway!“ Als er dann in mich eindrang, war es wieder dieser Wunsch ihm ganz zu gehören, der mich immer weiter auf meinen Höhepunkt zutrieb. Dieses mal fühlte ich mich ihm noch mehr verbunden und auch Haytham ließ mich spüren, dass wir wieder einen weiteren Schritt gegangen waren! Ich hörte noch, wie er meinen Namen an meinem Ohr hauchte und das war wie mein Stichwort und ich ließ mich fallen!
Ich strich ihm über seinen Rücken und hielt Haytham einfach fest, bis wir uns beide etwas beruhigte hatten. Dann drehte er sich von mir und zog mich an sich. Nach einer Weile des Schweigens meinte er plötzlich „Ich freue mich auf übermorgen!“ und ich sah ihn überrascht an. „Du hast interessante Themenwechsel, mi amor.“ grinste ich ihn an. „Aber ich freue mich auch schon, auch wenn ich ziemlich nervös bin, immer noch!“
„Bin ich so schrecklich, mi sol?“ meinte er gespielt maulig. „Nein, Master Kenway, seid ihr nicht. Nicht immer, nur ab und zu im Bett, aber... das ist etwas anderes.“ gab ich süffisant als Antwort und biss ihm in die Brust. Prompt griff seine Hand eisern nach meinem Kinn. „Mrs. Frederickson, wenn ihr noch Appetit habt, dann sagt das einfach!“ kam es breit grinsend von meinem Templer.
Irgendwann lag ich völlig erschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes, an der Seite meines Großmeisters und hörte seinem beruhigenden Herzschlag zu. „Du verstehst es, mir etwas beizubringen, Haytham. Dafür liebe ich dich übrigens auch!“ und ich vernahm ein schläfriges „Ich tue mein Bestes, doch meine Schülerin ist stellenweise unbelehrbar!“ ich musste kichern. „Ich liebe aber deine Wiederholungen, mi amor. Also verzeih mir, dass ich nicht alles sofort verinnerliche!“ kam es etwas müde von mir und langsam fielen mir die Augen zu.
Ich wurde aus meinem Schlaf gerissen, weil jemand an meiner Bettdecke zerrte und laut „OMA BETT!“ brüllte. Yannick hatte nicht ernsthaft seinen Sohn geschickt um uns zu wecken. Na warte, dachte ich mir nur. Ich hob den kleinen Schreihals hoch und legte ihn zwischen uns. Auf Haythams Gesicht erschien ein breites Grinsen und er gab Alexander einen Kuss auf die Stirn und mir einen langen Guten-Morgen-Kuss! „Ihhhhhhhh“ hörte ich es nur aus unserer Mitte und musste lachen!
„Schätzchen, warum bist du eigentlich schon so früh wach?“ und er krabbelte auf mich drauf und legte sich quer über meine Brust. Eine Antwort erhielt ich nicht, ich wurde Teil seiner Kletterpartie. „Du solltest deine Großmutter vielleicht erst einmal wach werden lassen, was meinst du? Und wir beide schauen mal, ob wir deine Eltern irgendwo finden können.“ meinte mein Verlobter lachend und gab mir noch einen kurzen Kuss, bevor er aus dem Bett stieg und sich anzog.
Alexander beobachtete Haytham ganz genau dabei und ich sah, dass er etwas skeptisch war. Dann nahm ihn der Großmeister auf den Arm und verließ unser Zimmer. Vor der Tür vernahm ich dann ein lautes Gebrüll und hörte ein „OMA! WILL OMA!“ ich musste jetzt darauf vertrauen, dass mein zukünftiger Mann mit Kindern umgehen und ihn ein wenig beruhigen konnte. So war es dann auch, ich hörte mit einem Male nichts mehr.
Langsam stand ich auf und besah mich im Spiegel. Haythams Lektionen letzte Nacht, waren nicht ganz ohne Folgen geblieben und ich musste über einen überdeutlichen Handabdruck auf meiner rechten Pobacke schmunzeln. Als ich kurz darüber strich, bereute ich es aber gleich wieder und sog zischend die Luft ein. Nur noch ein Tag, Alex, und du wirst Mistress Kenway sein! sagte ich zu meinem Spiegelbild. Ich hatte ziemliche Augenringe und ich sah einige neue Fältchen um die Augen!
Ich seufzte und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Es tat gut, auch wenn es eiskalt war. Dann stand ich vor dem Schrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Ich entschied mich für ein warmes einfaches Wollkleid in dunkelblau, mit weißem Schultertuch! Ich fror wirklich und dieser Stoff wärmte so schön und die Unterröcke halfen ebenso dabei. Eigentlich hätte ich auch Magda rufen müssen, doch ich kam schon alleine zurecht, zumal ich mich noch nicht daran gewöhnt hatte.
Dann ging ich ebenfalls hinunter und entdeckte sie alle schon im Esszimmer. July und Alexander diskutierten gerade darüber, wem das Brötchen mit Honig gehörte, und zwar sehr lautstark und mit Handgreiflichkeiten. Als ich eintrat sah mich mein Enkel an und ich versuchte meinen obligatorischen „ich-finde-dein-Verhalten-nicht-gut“ Blick einer Mutter anzuwenden und was soll ich sagen. Der kleine Mann schob July schmollend sein Brötchen rüber und schaute dann mit zitternden Lippen zu seiner Mutter.
„Alex, wie hast du das gemacht?“ fragte mich Melissa staunend. Doch ich musste gar nicht antworten, Yannick übernahm das für mich. „Meine Mutter brauchte manchmal nur eine Augenbraue heben und ich war ruhig. Es ist einfach so, mein Schatz!“ grinste er seine Frau an und erntete von den anwesenden Gästen Gelächter. „Mi sol, eine Eigenschaft, die du anscheinend mittlerweile sogar noch ausgebaut hast.“ kam es von meinem Verlobten, er erhob sich und schob mir den Stuhl zurecht. Mrs. Marge reichte mir den Kaffee und... ein Räuspern neben mir, deutete mir an, ich solle ihn nur genießen, OHNE Geräusche. Enttäuscht sah ich ihn an mit meinem schönsten Schmollmund und spürte seine Hand auf meinem Oberschenkel, wie sie fest zudrückte.
Nachdem ich dann endlich wieder ein Mensch war und mein geregelter Koffeinhaushalt mich erträglicher machte, standen wir auf. Heute war die Anprobe für mein Kleid und wir mussten uns noch etwas für meine Haare überlegen. Danach wollten wir mit Master Johnson noch die Zeremonie besprechen, ich hatte die Hälfte schon wieder vergessen.
Magda folgte mir in unser Zimmer, genauso wie Faith und Melissa. Sie hatte mein Kleid noch nicht gesehen und meinte, sie wäre so gespannt darauf. Hierbei brauchte ich dann wirklich Hilfe, um es anziehen zu können. Meine Schwiegertochter saß staunend auf dem Bett und meinte hin und wieder „Das ist ja Wahnsinn, was du alles tragen musst!“ ich grinste sie im Spiegel an. „Ja, ist es. Aber man gewöhnt sich dran, nur nicht an ein Korsett! Diese Folterinstrumente gehören verboten!“
„Aber Mrs. Frederickson! Ihr müsst doch präsentabel aussehen, ohne dieses würde das Kleid nicht richtig sitzen.“ meinte Magda plötzlich, für sie war es eine Selbstverständlichkeit. „Ich weiß, Magda. Trotzdem ist es unbequem und man kann nicht richtig essen!“ und dabei grinste ich Faith an.
Als alles angezogen und festgeschnürt war, besah ich das Ergebnis im Spiegel und war der Ansicht, ich könne morgen so meinen Großmeister heiraten! Plötzlich stiegen mir die Tränen in die Augen und ich fing an zu heulen. Alle drei Frauen waren in Windeseile bei mir und hielten mich. „Alex, du siehst wunderschön aus und es wird alles klappen. Vertrau mir einfach!“ kam es von Faith und sie gab mir einen vorsichtigen Kuss, ein Blick in ihre Augen beruhigte mich tatsächlich in diesem Moment. Melissa sah uns fragend an und Magda meinte „Ihr habt euch ein schönes Kleid ausgesucht und Master Kenway, kann sich glücklich schätzen, so ein Frau wie euch zu bekommen!“
Immer noch mit einer hochgezogenen Augenbraue sagte Melissa „Ich freue mich auch für dich und ich finde es so klasse, dass wir dabei sein können!“ sie nahm mich jetzt auch in den Arm und drückte mich. Langsam beruhigte ich mich und atmete tief durch.
„Ihr habt Recht, ich heirate nur und komme nicht auf den Scheiterhaufen!“ in diesem Moment hätte ich mir gerne auf die Zunge gebissen! „Verzeih mir, Faith... das war nur so daher gesagt!“ ich drückte ihre Hand, doch sie schüttelte lächelnd den Kopf.
Jetzt waren meine Haare dran und ich sah, wie Magda überlegte, wie sie diese bändigen und die beigen und schwarzen Seidenbänder am besten anordnen sollte. „Wollt ihr eure Haare geflochten, offen oder soll ich sie hochstecken?“ Hier und da hielt sie einzelne Strähnen hoch und überlegte, wohin damit am besten!
„Das ist eine gute Frage. Ich würde vorschlagen, flechten und dann... irgendwie... ja, ich weiß es doch auch nicht.“ ich ließ meine Schultern resigniert sinken und sah die anwesenden Damen fragend an.
„Sie bleiben offen, nur links und rechts wird eine Partie nach hinten in die Mitte gelegt und geflochten. Von da aus, kann man die anderen Haare mit einflechten und so die Bänder noch ordentlich dazwischen platzieren.“ meinte Melissa und sah mich im Spiegel an. Das war tatsächlich eine gute Idee.
Magda machte sich daran, die Idee in die Tat umzusetzen und es sah wirklich sehr gut aus und wir waren uns einig, so würden sie mir morgen auch gemacht werden! Plötzlich klopfte es und Mrs. Marge kündigte an, dass das Mittagessen soweit sei. Du meine Güte, wie schnell war der Vormittag verflogen!
Meine Zofe half mir wieder in meine normale Kleidung und richtete meine Haare wieder. Dann ging auch ich hinunter und genoss das Mittagessen. Haytham sah mich fragend an. „Ich hätte dich gerne schon in deinem Kleid gesehen, mi sol.“ meinte er etwas traurig. „Aber das würde Unglück bringen, wenn du mich vorher im Hochzeitskleid siehst, mi amor. Du wirst es ja morgen endlich sehen.“ und ich gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.
Nach dem Essen, wurden die Kinder fürs Bett fertig gemacht und Haytham und ich gingen mit Master Johnson in Shays Arbeitszimmer, um die Zeremonie noch einmal durchzugehen. In diesem Moment klammerte ich mich wieder an meinen Verlobten, weil ich Angst bekam. Es würde einfach so ablaufen, dass wir im Templerzimmer getraut werden und Haytham vor mir dort mit seinem Trauzeugen, in diesem Falle Shay, auf mich warten würde. „Mrs. Frederickson, wer wird euch an Master Kenway eigentlich übergeben?“ fragte er unwissend und in diesem Moment fiel mir ein, dass ich nicht mehr alleine diesen Schritt gehen musste und jetzt wusste ich auch, was mich so unruhig gemacht hatte!
„Ich möchte, dass mein Sohn das übernimmt, wenn es überhaupt eine Option ist.“ meinte ich zögerlich und sah fragend zu den beiden Herren. „Das ist durchaus eine Möglichkeit und ich finde diese Idee hervorragend. So werden wir es machen. Und eure Trauzeugin ist Lady Cormac, wenn ich das richtig verstanden habe?“ fragte Master Johnson jetzt noch einmal. „Das ist richtig.“ erwiderte ich nur knapp.
„Habt ihr die Ehegelübde bereits geschrieben, Master Kenway, Mrs. Frederickson?“ und sah uns erwartungsvoll an. „Ja, ich habe meines fertig!“ meinte ich stolz, ich hatte es in einer Nacht geschrieben, in der ich einmal keine Lektionen erteilt bekam und musste schon wieder in mich hineingrinsen. Auch Haytham hatte seines bereits geschrieben. Ich war gespannt, was er für Worte gefunden hatte.
„Wenn ihr dann vor mir steht, werde ich die Anwesenden bitten sich zu setzen, nur ihr werdet selbstverständlich stehen bleiben. Im Anschluss werde ich ein paar Worte an euch richten, nichts schlimmes, Mrs. Frederickson. Ihr seht mich schon wieder so ängstlich an.“ grinste er mich an und Haythams Hand legte sich beruhigend auf meine.
Die Prozedur würde ungefähr eine halbe Stunde dauern, schätzte William. Danach würden Haytham und ich den Raum als erste verlassen und dann folgen die Gäste und Trauzeugen. Seltsamerweise wurde ich jetzt ruhiger, durch die Erkenntnis, dass ich nicht alleine war, arbeitete mein Verstand wieder normal. Zumindest einigermaßen.
Nach der Besprechung ging ich zu den anderen in den Salon und holte mir meinen Tee und setzte mich neben meine Freundin. Mittlerweile waren auch die Kinder wieder wach und tobten hier durch die Gegend, doch nicht ohne immer mal wieder etwas umzustoßen oder herunter zu reißen. Alexander hatte gerade erst mit dem Laufen angefangen und hatte noch leichte Probleme dabei. Er hielt sich liebend gerne an Tischdecken fest und ich musste breit grinsen, ich wusste, warum in meinem alten Haushalt keine Tischwäsche zu finden war.
Irgendwann wurde es mir zu bunt mit den vieren und ich ordnete an, dass wir uns anzogen und mit ihnen nach draußen gingen. Dort könnten sie sich austoben, es hatte wieder geschneit und ich war mir sicher, dass sie es lieben würden. So war es dann auch, sie schmissen sich gegenseitig in den Schnee, oder bewarfen sich mit eben diesem. Die Herren hatten sich allerdings wieder nicht breitschlagen lassen mit hinauszugehen, aber das würde ich Haytham nachher spüren lassen, darauf konnte er sich verlassen.
Als es anfing zu dämmern, rief Mrs. Marge, dass das Abendessen fertig sei und bat uns hineinzukommen. Ich schnappte mir meinen durchgefrorenen Enkel und ging mit ihm nach oben, wechselte die Windel und steckte ihn in warme trockene Kleidung. Dann kämmte ich ihm noch die Haare und stellte fest, er hatte sie von seinem Vater geerbt. Strubbelig, widerspenstig und dicht. „Oma lieb!“ und er streckte mir seine Ärmchen entgegen. „Oma hat dich auch lieb, Schätzchen.“ und ich gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange und er kicherte dabei! Dann nahm ich ihn auf den Arm und wir gingen hinunter.
Damit nicht wieder der Streit ums Essen zwischen July und Alexander ausbrach, setzte ich ihn zwischen mich und Haytham. Dieser sah mich erstaunt an und ich erklärte es ihm kurz. „Reine Vorsichtsmaßnahme, mi amor. Die Tischwäsche sollte noch länger weiß bleiben!“ Doch ich hatte die Rechnung ohne meinen Enkel und July gemacht. Während Cadan bei seiner Mutter auf dem Schoss saß und brav aß genau wie Cillian, zappelten die beiden herum und schon landete der erste kalte Braten samt Soße mitten auf dem Tisch. Ich seufzte und nahm Alexander ebenfalls auf meinen Schoss und hielt ihn fest, damit er überhaupt etwas in den Magen bekam.
„Mom, ich finde es übrigens erstaunlich, wie leicht du ihn um deinen Finger wickeln konntest. Ich hatte befürchtet, dass Alexander viel vorsichtiger sein wird. Vor allem bin ich erstaunt, dass er, obwohl er kein Englisch spricht, sich großartig mit July, Cadan und Cillian versteht. Wie ist das möglich!“ kam es von meinem Sohn plötzlich.
„Kinder haben eine ganz eigene Sprache, da ist es egal, welcher Herkunft, Hautfarbe oder sonst irgend etwas jemand ist. Du weißt doch, entweder Freund oder Schippe über den Kopf!“ grinste ich Yannick an. „Da hast du wohl recht!“ lachte er in sich hinein.
Nach dem Essen ging es noch in den Salon und die Kinder durften für einen Moment mit aufbleiben und spielen. Doch ich merkte schnell, dass alle vier ziemlich müde waren und Melissa ging als erste hinauf mit ihrem Sohn. Doch vorher bekam ich noch einen dicken nassen Kuss von meinem Enkel, sogar Haytham wurde mit einer Umarmung und „Opa Nacht!“ bedacht. Verstohlen sah ich meinen Verlobten von der Seite an und ich sah, dass seine Augen leicht feucht geworden waren. Als sein Blick dann auf mir ruhte, lächelte er mich einfach liebevoll an.
Wir Erwachsenen unterhielten uns noch über alles mögliche. Mir wurde nun endlich auch mal der neueste Tratsch aus dem Jahr 2023 berichtet und ich war im ersten Moment geschockt. Wirklich viel hatte sich nicht geändert, aber genau das war das Schlimmste, meiner Meinung nach.
Gegen 22 Uhr fielen mir die Augen zu, ich war dieses extreme frühe Aufstehen immer noch nicht so richtig gewohnt. Und ich wollte morgen nicht unbedingt vor Schlafmangel bei der Hochzeit einschlafen! Also verabschiedete ich mich von allen und wünschte eine gute Nacht. Auch Haytham entschuldigte sich und kam mir hinterher. „Mi sol, du willst wirklich schon schlafen?“ kam es raunend an meinem Ohr, als wir in unserem Zimmer waren und ich vor dem Spiegel stand.
„Ja, das hatte ich mir so gedacht. DU bist ja faul sitzen geblieben vorhin, als wir mit den Kindern draußen waren. Also ICH bin müde, was du jetzt noch machen möchtest, wirst du alleine tun müssen!“ grinste ich ihn frech an. „Und eigentlich ist es auch üblich, dass der Bräutigam die letzte Nacht vor der Hochzeit NICHT mit seiner Zukünftigen verbringt, mi amor.“ und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe ich anfing mich auszuziehen.
Ich tat es in aller Seelenruhe und ließ ihn zusehen! Als ich dann langsam meine Strümpfe auszog, vernahm ich ein sehr schweres Atmen aus Richtung des Bettes. Haytham starrte mich an und fing ebenfalls an, sich zu entkleiden, jedoch hatte er es eiliger als ich. Als letztes ließ ich mein Unterkleid einfach fallen und ging wie in Zeitlupe auf ihn zu, aber stieg aufs Bett und zog die Decke über mich.
„Jetzt reicht es mir, Mrs. Frederickson.“ kam es stockend aus seinem Mund mit einem Befehlston, den ich so schon lange nicht mehr vernommen hatte. Mit einer schwungvollen Bewegung zog er die Decke von mir, griff meine Handgelenke wie Schraubzwingen und hielt sie fest. Geduld ist nicht unbedingt seine Stärke, das bekam ich jetzt zu spüren! Er nahm mich, hart und schnell ohne groß Rücksicht zu nehmen. Doch das brauchte Haytham auch nicht, ich gehörte schon ihm, als er mich beim Ausziehen beobachtet hatte. „In Zukunft gibt es keine Widerworte, Mrs. Frederickson!“ stöhnte er und nahm mich mit zu einem wahnsinns Höhepunkt!
Mit einem seligen Lächeln schaute ich in seine immer noch dunkelgrauen Augen. „Doch, du wirst ab und zu noch so einige Widerworte von mir zu hören bekommen, mi amor!“ und ich nahm sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einen langen Kuss. An ihn gekuschelt fielen mir bald einfach die Augen zu und meine Nervosität bezüglich der morgigen Hochzeit war vorerst wie weggewischt.
Wenn ich gestern Nacht noch dachte, dass ich die Ruhe selbst bin, so war heute morgen alles wieder da. „Guten Morgen, mi sol.“ kam es verschlafen von meinem Großmeister. „Hmmmmmmm...“ mehr bekam ich nicht raus, ich hatte Angst, ich könnte einfach in Tränen ausbrechen. Meine Arme hielten sich an ihm fest und ich hoffte, dass ich mich so wenigstens etwas beruhigen würde. Seine Hand fuhr langsam über meinen Rücken.
„Alex, was ist los? Immer noch die Aufregung?“ fragte Haytham unnötigerweise und ich sah ihn tadelnd an. „Was dachtest du denn sonst? Ich mache bestimmt irgendwas falsch oder verplappere mich, falle über meine eigenen Füße oder... ich weiß es nicht. Wahrscheinlich vergesse ich sogar meinen eigenen Namen!“ und ich fing an zu heulen, wie so oft in den vergangenen Tagen. „Shhhhh, nein, das wirst du nicht. Wir sind alle bei dir. Sogar dein Sohn ist anwesend und er wird gut auf dich aufpassen! Auch wenn ich gestehen muss, dass ich ebenfalls ziemlich nervös bin.“ jetzt war es an mir ihn erstaunt zu fragen „Warum?“
„Auch ich heirate das erste mal, schon vergessen?“ grinste er mich an. Da hatte er ja recht, also waren wir beide hibbelig. Ich seufzte und gab meinem Templer einen langen Kuss. „Dann sollten wir aufstehen und frühstücken. Bis ich in diesem Kleid stecke und meine Haare fertig sind, vergeht ein halbes Jahrhundert, mi amor! Und ich will dich dieses Jahr noch heiraten!“ ich war etwas beruhigter jetzt und stieg aus dem Bett und fluchte mal wieder wie ein Pirat, weil der Boden eiskalt war. Da hatte mir jemand die Pantoffeln versteckt, wie es aussah!
„Alex, du solltest dich langsam daran gewöhnt haben, dass es im Winter nun mal kalt ist.“ kam es lachend von Haytham. „Ja, draußen schon. Aber dass es in einem Haus so kalt ist, ist für mich immer noch ungewohnt und jetzt hör auf zu lachen, dass ist nicht witzig.“ und ich warf einfach meine Bürste nach ihm, welche er gekonnt fing und weiter grinste. „Du brauchst eindeutig Kaffee, mi sol. Bis dahin werde ich lieber meinen Mund halten!“ damit stieg auch er aus dem Bett.
Ich zog mir bewusst kein gutes Kleid zum Frühstück an, mittlerweile wusste ich, dass Essen gerne mal auf mir landete, egal von welchem Kind es kam. Auch Haytham wählte einfaches und zog sich schnell an. Dann saß er vor mir auf dem Stuhl und ich band seine Haare und rasierte ihn, leider hatten wir noch keinen Nachfolger für seinen Kammerdiener gefunden. Doch das würden wir ändern, wenn wir wieder in Virginia sind.
Unten im Esszimmer tobte ein halber Krieg hatte ich den Eindruck. Als ich eintrat und mein Enkel mich sah, verstummte er augenblicklich und sah seine Mutter fragend an. „Ja, du kannst zu Oma gehen, aber pass....“ und zack landete der Teller mit seinem Frühstück klirrend auf dem Boden. „Alexander!“ schimpfte Melissa, doch ich nahm den Kleinen auf den Arm, damit er nicht noch in die Scherben trat und Marge sammelte das Malheur auf.
„Schätzchen, bei Tisch solltest du aber stillsitzen. Wenn alle fertig sind, dann kannst du wieder losrennen.“ meinte ich leise zu ihm und er sah mich aufmerksam an. „Oma nicht böse...“ und seine Lippen zitterten. „Nein, ich bin dir nicht böse, Alexander!“ das könnte ich gar nicht... dachte ich im Stillen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Seine Ärmchen schlangen sich um meinen Hals und ich hörte plötzlich nur ein „Opa ARM!“ brüllend an meinem Ohr.
Also reichte ich meinen Enkel weiter und setzte mich endlich selber. Faith hatte mir schon einen Becher mit Kaffee hingestellt, da waren wir uns nämlich einig. Ohne dieses Heißgetränk ist man nicht man selber! Mein Verlobter war etwas perplex, fing aber an, Alexander und sich mit süßen Brötchen zu versorgen. Der Anblick war hinreißend, gerade als ich dann mal wieder diesen Gedanken hatte, man müsste ein Foto davon machen, teilte mein Sohn diesen Gedanken laut mit. „Ja, da hast du recht. Das habe ich mir schon sehr oft gedacht!“ meinte ich etwas gedankenverloren in Richtung meines Verlobten!
Die restliche Zeit beim Frühstück verlief etwas friedlicher und dann erschienen auch schon die Eheleute Johnson. Mrs. Johnson trug ein wunderschönes gelbes Kleid mit roten Rosenranken bestickt und Master Johnson hatte sich ebenfalls in seinen besten Zwirn geworfen. In dieser Garderobe hätte ich ihn fast nicht wieder erkannt. Die beiden begrüßten mich freudig und setzten sich dann mit den anderen in den Salon.
Kurz darauf erschienen auch Tobias, Marie und William und ich sah, dass die Herren ihre Probleme mit den Anzügen dieser Zeit und der entsprechenden Unterwäsche hatten. Marie hingegen bewegte sich völlig natürlich, sie kannte es ja nicht anders. Erst jetzt kam mir der Gedanke, ob es für sie nicht doch etwas befremdlich ist, Haytham hier wieder zusehen, auch wenn es nicht DER Großmeister aus ihrer Welt war. Doch sie hatte bisher nichts verlauten lassen und hatte sich ganz normal mit ihm unterhalten.
Plötzlich meinte Faith, ich sollte mich doch so langsam umziehen und ich fing unweigerlich an zu zittern. Mit einem lauten „Oh verdammt!“ Ausruf von Herrn Schäfer, sprang dieser auf und verschwand mit William aus dem Raum. Was war jetzt in ihn gefahren? Erschrocken sah ich den beiden hinterher. Kurz darauf erschienen sie wieder mit zwei Angestellten im Schlepptau, welche jeweils einen Karton vor sich hertrugen. „Alex, das Wichtigste hätten wir fast vergessen. Wir haben ein kleines Hochzeitsgeschenk für dich!“ dann traten mein ehemaliger Mentor und Tobias zur Seite und ich sah, dass sie mir meinen Lieblingssekt mitgebracht hatten.
„Ihr seid doch echt nicht ganz frisch, oder?“ lachte ich und schloss die beiden in meine Arme! Ich griff sofort nach einer der Flaschen, sie war eiskalt, aber schrie förmlich danach, geöffnet zu werden. „Du solltest ein Glas trinken, vielleicht beruhigt es dich ein wenig.“ grinste mich William an. Dadurch alarmiert, dass man mir vormittags schon Alkohol geben wollte, stand Haytham sofort neben mir und sah mich scharf an. „Keine Sorge, mi amor. Nur ein Glas und du solltest ihn probieren, er ist unglaublich lecker!“ ohne auf eine Erlaubnis oder Antwort zu warten, fing ich an sie zu öffnen und erntete erstaunte Blicke von den Umstehenden dieses Jahrhunderts.
„Könnte bitte jemand Gläser besorgen?“ fragte ich über meine Schulter hinweg und Marge holte aus einer der Vitrinen die Gläser und stellte sie auf dem Tisch ab. Mit einem lauten Plopp kam der Korken hoch, aber nichts sprudelte über und ich roch daran. Es war neben Kaffee ein nächster kleiner Himmel auf Erden für mich und ich hatte es schon ein bisschen vermisst. Dann goss ich die Gläser ein und hieß allen, sie mögen sich eines nehmen. Immer noch skeptisch kam man meiner Bitte nach. Es war William, der dann einen Trinkspruch zum Besten gab. Er trank auf das zukünftige Brautpaar und alle anderen stimmten dem zu.
Ich sah wie mein Noch-Verlobter ein wenig das Gesicht verzog beim ersten Schluck, da es eben die trockene Variante dieses Sekts war. Doch ich liebte diese Sorte einfach und freute mich über mein erstes Hochzeitsgeschenk. Nachdem ich mein Glas geleert hatte, ließ ich nach Magda schicken und wir gingen hinauf, damit ich mich umziehen konnte. Aber nicht, ohne mir noch ein weiteres Glas einzugießen und das brachte mir einen tadelnden Blick von Haytham ein. Das würde sicher noch eine Ansprache später geben.
Oben angekommen, zog ich mich aus und nun wurde das Korsett angelegt und dieser mit Fischbein gestärkte Unterbau für die Röcke. Darüber kamen die vier Unterröcke, dann der schwarze Überrock und erst dann bekam ich das Oberteil angezogen. Magda zupfte am Stoff, damit nichts auftrug und glatt fiel, heute morgen hatte man nämlich noch einmal den Überrock gebügelt.
Nun waren meine Haare dran und gerade, als Magda beginnen wollte, klopfte es zögerlich und Faith, Melissa und Mrs. Johnson traten ein. „Alex, du siehst fantastisch darin aus.“ kam es laut seufzend von meiner Schwiegertochter. „Danke, aber du hast auch ein wunderschönes Kleid ausgesucht. Hat es lange gedauert, bis ihr es gefunden hattet?“ fragte ich jetzt um mich ein wenig von meiner Nervosität abzulenken. „Nein, deine Schneider-Freundin hat es mir nach Vorgabe genäht. Sie ist wirklich großartig, du hattest Recht.“ ja, ich konnte mich immer auf sie verlassen... nein, denk nicht an die … Vergangenheit? Was war es eigentlich? MEINE Vergangenheit, aber die Zukunft für alle anderen hier... Ach verdammt! Ich schüttelte mich um diese wirren und völlig absurden Gedankengänge wieder loszuwerden.
„Mrs. Frederickson, ist alles in Ordnung?“ kam es besorgt von Mrs. Johnson. „Ja, ich hatte nur gerade ein paar trübe Gedanken. Es geht schon wieder!“ lächelte ich sie an und dann meinte Magda ich möge doch bitte stillhalten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und tausenden Flüchen, weil wieder einige Strähnen abhauen wollten, war sie mit ihrem Ergebnis zufrieden und sah mich fragend im Spiegel an. „Danke, das hast du wirklich gut hinbekommen!“ und ich strahlte sie an und bekam ein schüchternes Lächeln.
„Es ist soweit, oder?“ fragte ich unnötigerweise in die illustre Damenrunde! „Ja, ist es Alex.“ meinte meine beste Freundin und kam auf mich zu, umarmte mich und gab mir einen liebevollen langen Kuss. Mrs. Johnson überging diese Geste und erklärte dann, dass sie schon einmal nach unten gingen und mein Sohn unten an der Treppe auf mich warten würde. Und dann war ich für einen kurzen Augenblick alleine in diesem Zimmer, drehte mich noch einmal vor dem Spiegel und besah mein Gesicht. Es war nicht so blass wie die letzten Tage und die Augenringe hielten sich auch in Grenzen.
„Du bist bereit, Alex. Ich freue mich für euch beide, dass es endlich soweit ist!“ meinte Edward und sah mich strahlend an.
„Ich hoffe, dass ich das bin, Edward. Ich bin immer noch nervös!“ lächelte ich meinen Piraten an. „Wer ist das nicht an seinem Hochzeitstag? Mir ging es damals auch nicht anders!“ meinte er und schloss mich in seine Arme. „Und jetzt geh und heirate meinen Sohn endlich, ich musste schon so lange warten!“ entschieden drehte er mich zur Tür und ich spürte wie er in diesem Nebel verschwand.
Jetzt war ich wirklich bereit!
Ich trat auf die Galerie, atmete tief durch und ging dann zur Treppe. Wie versprochen, stand Yannick dort unten und blickte zu mir hoch. Seine Augen wurden groß und ich sah, wie ihm Tränen über die Wangen liefen. Oh bitte, nicht jetzt, ich hatte doch selber mit einem Meer aus Tränen zu kämpfen!
„Mom... du... bist wunderschön!“ seine Arme schlangen sich um mich und er drehte mich hin und her. „Danke mein Schatz! Du hast aber auch endlich einmal was ordentliches an!“ meinte ich Augenzwinkernd. „Frag nicht, das ist so wahnsinnig unbequem, das glaubst du gar nicht!“ mit einer hochgezogenen Augenbraue ließ ich ihn wissen, dass ich es durchaus verstand und deutete auf meine geschnürte Taille!
Dann reichte er mir seinen Arm und langsam schritten wir auf das Templerzimmer zu. Die Tür war noch geschlossen, doch zwei Bedienstete öffnete sie, als wir davor standen. Mein Herz setzte für einen Moment aus und ich klammerte mich an Yannicks Arm, doch seine Hand legte sich beruhigend auf meine.
Am anderen Ende des Zimmers sah ich Haytham stehen, wie er mich mit leuchtenden grauen Augen ansah und ein so liebevolles Lächeln im Gesicht hatte, dass ich am liebsten auf ihn zu gestürmt wäre. Er trug einen grau-blauen Gehrock, welcher mit gold abgesetzt war, mit passenden Hosen und weißen Strümpfen, weiße Weste und Hemd! Hochzeitsanzug Haytham
Ich riss mich zusammen und ging langsam mit meinem Sohn weiter auf ihn zu. Um mich herum nahm ich nichts mehr wahr, außer diesem Moment, als mein Sohn meine Hand in Haythams legte, mit den Worten „Passt gut auf meine Mutter auf, Master Kenway!“ dieser gab ein Nicken von sich.
Von den Worten die Master Johnson sagte, vernahm ich auch nur die Hälfte. Ich sah die ganze Zeit in die Augen meines geliebten Templers. „Master Kenway, sprecht euer Ehegelübde.“ bat ihn William. Seine Worte waren ähnlich wie meine und ich grinste leicht, wir waren uns mit unseren Gedanken sehr nahe.
*** Haythams Ehegelübde ***
Seitdem du in mein Leben getreten bist,
sehe ich die Welt in einem ganz anderen Licht.
In einem Licht, welches dunkle Gedanken vertreibt,
schlechte Laune überstrahlt und
das mich sogar schlechtes Wetter genießen lässt,
weil ich weiß, dass ich die Zeit dann mit dir verbringen kann.
Nie habe ich mich wohler gefühlt, als in deiner Nähe.
Du beruhigst mich und machst mich glücklich.
Du bewirkst, dass ich nichts in meinem Leben bereue,
weil mich alles letztendlich zu dir geführt hat und
mich zu dem Menschen gemacht hat, in den du dich verliebt hast.
Allein das gibt mir genügend Selbstvertrauen und Zuversicht,
mich jeder Herausforderung im Leben zu stellen.
Du bereicherst mein Leben und
ich bin unendlich dankbar dafür.
Ich liebe dich.
Danach kam der Ring und erst jetzt schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass ich gar keinen für Haytham hatte. Panik stieg in mir auf, doch Zeit hatte ich dafür nicht. Dann war ich mit meinem Gelübde an der Reihe und brauchte ein paar Wörter, bis ich ruhiger sprechen konnte.
*** ICH VERSPRECHE DIR ***
Ich kann dir nicht versprechen,
dass niemals dunkle Wolken
über unserem Leben
schweben werden,
oder dass die Zukunft
nur Regenbogen bringt.
Ich kann dir nicht versprechen,
dass morgen perfekt wird,
oder dass das Leben einfach wird.
Was ich dir versprechen kann, ist
meine ewige Zuneigung,
meine Loyalität, meinen Respekt,
und meine bedingungslose Liebe ein Leben lang.
Ich kann dir versprechen, dass
ich immer für dich da sein werde,
um dir zuzuhören, deine Hand zu halten,
und dass ich immer mein Bestes geben werde,
um dich glücklich zu machen,
damit du dich geliebt fühlst.
Ich kann dir versprechen, dass
ich dich durch jede Krise begleite,
mit dir träume,
mit dir aufbaue,
dich immer ansporne
und dich unterstütze.
Ich kann dir versprechen, dass
ich deine Beschützerin sein werde,
dein Beistand, deine Beraterin,
deine Freundin, deine Familie,
dein Alles.
Als mich dann Master Johnson bat, Haytham den Ring anzustecken, sprang mein Sohn geistesgegenwärtig auf und nahm seinen Geburtsring vom Finger und reichte ihn mir. Das konnte ich nicht von ihm verlangen! Das ging nicht... doch er schloss entschieden meine Hand und nickte. Mir liefen die Tränen über die Wange und langsam steckte ich ihn meinem Großmeister an, erstaunlicherweise passte er perfekt!
„Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau! Master Kenway, ihr dürft eure Frau jetzt küssen!“ kam es breit grinsend von Johnson. Haythams Gesicht war nur Millimeter von meinem Entfernt, aber er machte keine Anstalten der Anweisung Folge zu leisten. Seine Augen sahen in mich hinein. Ich liebe dich, Mistress Kenway! Hörte ich ihn in meinem Kopf und antwortete ebenso still Ich liebe dich, Master Kenway! Und dann bekam ich meinen Kuss!
Langsam lösten wir uns voneinander und die anwesenden Gäste applaudierten. Als erster ergriff dann Master Johnson das Wort und gratulierte uns überschwänglich. Dann stand Faith vor mir, nahm mich in den Arm und sagte einfach nur „Willkommen in der Familie, Schwester!“ ich konnte nicht anders, ich brach jetzt wirklich in Tränen aus. Shay begrüßte mich ebenfalls in der Familie.
Master Williams kam etwas zögerlich auf uns zu und stand für einen Moment still vor uns. „Mistress Kenway, ich beglückwünsche euch ebenfalls zu eurer Hochzeit und möge eure Zukunft so sein, wie ihr sie wünscht.“ und ich bekam einen vorsichtigen Handkuss. „Master Kenway, seid gut zu eurer Ehefrau und ich wünsche auch euch alles erdenklich Gute für die Zukunft!“ und es folgte ein langes Händeschütteln. Vielleicht sollten die beiden doch noch einmal das Gespräch unter vier Augen suchen.
Rafael stand vor mir, ihm liefen die Tränen über die Wangen. „ Alex, pass auf dich auf! Und ich wünsche euch alles Gute für eure Zukunft!“ seine Arme drückten mich einfach und ich fühlte diese Verbundenheit wieder. „Das werde ich, dass weißt du!“ er bekam einen Kuss auf die Wange von mir und ich umgekehrt.
Und so wurden wir von allen umarmt, die besten Wünsche wurden uns ausgesprochen und man hoffte auf einen großen Kindersegen. Bei diesen Worten musste ich dann wieder grinsen, wer weiß was irgendwann einmal ist. Die anwesenden Kinder hatten sich während der Zeremonie erstaunlich gut benommen, doch jetzt wo sie wieder losgelassen wurden, ging es für einen Moment drunter und drüber. Alexander zupfte die ganze Zeit am Hosenbein von Haytham und forderte, dass er endlich auf den Arm genommen wurde. Mein Mann tat ihm den Gefallen und wurde mit einer langen Umarmung belohnt. Melissa hatte ihn in einen niedlichen dunkelgrünen Anzug gesteckt, bei welchem ich hoffte, dass er nicht allzu teuer war. Er würde spätestens bei Tisch sehr leiden.
Im Anschluss sollte es das Essen geben, doch vorher stand das etwas dezimierte Personal des Fort Arsenal vor uns und beglückwünschte uns ebenfalls. Als Mrs. Marge vor uns trat, sah sie mich lange an, lächelte breit und schüttelte dann meine Hand. „Ich wünsche euch alles erdenklich Gute für die Zukunft, Mistress Kenway. Master Kenway, auch euch wünsche ich nur das Beste. Wer hätte das vor ein paar Jahren noch gedacht.“ meinte sie etwas tränenerstickt und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich musste ebenfalls an den Moment damals denken, als ich hier als Zimmermädchen die Tür geöffnet hatte und mit offenem Mund meinen jetzigen Ehemann angestarrt hatte. „Damit hat wohl niemand gerechnet, Mrs. Marge!“ meinte Haytham und lächelte sie einfach an.
Langsam kam ich nun zur Ruhe und betrachtete zum ersten Mal meinen Ehering. Es war ein goldener Ring, welcher wie aus Ranken geformt aussah und überall wo Blüten hätten sein sollen, waren feine Diamanten eingesetzt. Er musste ein Vermögen gekostet haben. Haythams Hand legte sich auf meine. „Er gehörte ebenfalls meiner Mutter und ich bin der Ansicht, dass DU ihn haben solltest. Als meine Ehefrau, steht er dir zu. Meine Mutter war der gleichen Meinung, genau wie mein Vater, mi sol.“ und er gab mir einen vorsichtigen Kuss darauf.
„Es ist noch so unwirklich, Haytham.“ doch zu mehr kamen wir nicht, Shay und Faith baten uns alle nun Platz zu nehmen, da das Essen serviert war. Obwohl eigentlich dem Hausherrn der Platz an der Stirnseite zustand, galt diese Ehre für heute meinem Mann und mir.
Und wieder wurde mir bewusst, dass ich so manche Gepflogenheit noch nicht richtig kannte. Also nahmen wir Platz. Das Küchenpersonal hatte sich selbst übertroffen und ich war froh, dass meine Freundin dann doch ein paar mehr Personen mit eingeplant hatte. So war wirklich genug da und es war einfach köstlich. Leider war mal wieder das blöde Folterinstrument im Weg, so dass ich eigentlich nur kosten konnte. Mein Gatte ließ es sich nicht nehmen, für mich mitzuessen, wie überaus nobel von ihm!
Dann erhob sich Haytham und fing an, ein paar Worte an die Gäste zu richten. Er bedankte sich für das Kommen und das er glücklich darüber sei, dass auch mein Sohn erschienen sei. Haytham dankte Faith und Shay für ihre großzügige Gastfreundschaft und dass sie so spontan das Ganze mit ermöglicht haben. Auch die Eheleute Johnson wurden in den Dank mit einbezogen, auch sie hatten an dem heutigen Tag sicher andere Pläne. Mein Mann erzählte dann von der ersten Begegnung hier im Fort Arsenal, welche ich vorhin auch schon mit Marge kurz in Erinnerung hatte. „Ich dachte schon, ich würde draußen Wurzeln schlagen müssen, weil diese Frau mich nicht hineinlassen wollte.“ damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Dann wurde er aber ernst und sinnierte darüber, dass unsere Eltern leider nicht anwesend sein könnten. Mit einem Blick auf mich, wusste ich, was er meinte. Meine Mutter und mein Vater könnten nicht wie Edward oder Tessa hier erscheinen. Seine Hand drückte meine, dann sah er zu Yannick und versicherte ihm, dass er für mich sorgen wird und mich nie im Stich lassen würde. Mein Sohn bräuchte sich keine Sorgen zu machen!
Es folgten noch von Shay und auch von meinem Mentor Ansprachen, welche beide einige Anekdoten enthielten und nicht so emotional waren. Als mein Sohn sich dann aber erhob, sah ich, dass er lange, sehr lange überlegt hatte, WAS er sagen sollte. „Master Kenway, Mutter, ich bin froh, dass ich mit meiner Familie heute hier sein kann und eure Hochzeit erleben kann. Und ich weiß, vor ein paar Jahren war ich da noch ganz anderer Meinung, Master Kenway.“ grinste er.
„Jetzt sehe ich meine Mutter hier wie sie strahlt und weiß, dass sie glücklich ist. Glücklich mit euch und mit ihrem Leben. Sie hat das gefunden, was auch ich gefunden habe. Einen Menschen, mit dem man alt werden möchte. Eine Person, die einen ohne Worte versteht und einem Halt gibt. Ich werde nicht immer hier sein, ich werde meine Mutter nicht vor euch schützen können, doch ich weiß jetzt, dass ich das auch nicht tun muss. Ich musste es noch nie. Das, Master Kenway, habt ihr mir an einem meiner letzten Tage hier damals klar gemacht und ich danke euch dafür. Ich trinke auf meine Mutter, welche einen großen Schritt getan hat, um ihre Ziele zu erreichen und auf euch Master Kenway, dass ihr meine Mutter so lange schon ausgehalten habt.“ Und damit hatte auch er die Lacher auf seiner Seite.
Haytham erhob sich und ging auf Yannick zu, nahm ihn in den Arm. „Yannick, ich hatte es dir versprochen, deiner Mutter wird hier nichts passieren. Nicht solange ich es verhindern kann. Und da wir jetzt eine Familie sind, nenne mich einfach Haytham. Im Grunde bin ich ja jetzt dein Stiefvater.“ meinte er lächelnd und sah ihn auffordernd an, dann klopfte er ihm auf die Schulter und ich heulte schon wieder.
Die Reden waren vorbei und die Kinder wurden unruhig. Kein Wunder, man hatte sie die ganze Zeit auf den Stühlen fest tackern müssen. Doch jetzt entließen wir sie und sie konnten spielen gehen. Wir gingen ebenfalls in den Salon und ich stand für einen Moment einfach da und starrte aus dem Fenster auf den Hof. „Mom, ist alles in Ordnung?“ Yannick stand hinter mir und hatte die Arme um mich geschlossen.
„Ja, es ist alles in ok. Ich bin einfach froh, dass die Hochzeit jetzt erledigt ist. Die ganze Anspannung fällt gerade von mir ab und es fühlt sich... seltsam an. Noch so unwirklich, auch weil du hier bist und mich einfach zur Oma gemacht hast.“ Ich drehte mich um und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Alex war einfach... es war wie eine Eingebung. Ich wollte plötzlich ein Kind haben und es hat auch geklappt. Melissa war so glücklich, als sie herausfand, dass sie schwanger ist. Vergiss eins nicht, ich hab dich wahnsinnig lieb und ich habe auch viele Bilder von dir aufgehängt, damit klein Alex weiß, wer seine Oma ist.“
Wir lagen uns für einen Moment in den Armen, als mein Mann im Salon erschien. Er trug eine Schatulle in den Händen! „Ich habe ein Geschenk für dich, mi sol.“ sagte er in meine Richtung und bat mich mit seiner Hand, zu ihm zu kommen. „Meine Mutter und mein Vater waren sich einig, dass du, als meine Ehefrau, diesen Schmuck haben sollst. Er gehörte meiner Mutter, sie hat ihn gehütet, wie ihren Augapfel. Nun sollst du ihn haben!“ er überreichte mir den Kasten und ich fühlte eine Wärme, welche sich auf mich übertrug.
„Haytham, ich …“ und in diesem Moment schoss mir dieser Traum vor einigen Tagen wieder in den Kopf. „Wir warten auf euren nächsten Schritt!“ waren Tessas Worte. Ich hatte aber meinem Mann nichts davon erzählt! Es war diese verzierte Schatulle, welche ich im Traum gesehen hatte. Das Schmuckkästchen der Göttermutter! Mir wurde schwindelig und ich fühlte noch Arme um mich, die mich zum Sofa führten. Dann hielt ich ein Glas Whiskey in der Hand, oder besser man hielt es mir unter die Nase. „Du bist so weiß im Gesicht, als hättest du ein Gespenst gesehen, mein preußisches Weib!“ kam es besorgt von meiner Freundin. „Mo rionnag, es war so ähnlich. Aber... ich kann euch noch nicht davon erzählen.“ kam es fast lautlos von mir, ich wüsste gar nicht wo ich anfangen sollte.
Wir hatten gerade ein wenig Zeit ohne Kinder, alle vier hielten Mittagsschlaf. Also beschloss ich, jetzt von den Ringen und dem dazugehörigen Schmuck zu berichten. Als Unterstützung hatte ich William und Tobias, auch Marie und Yannick erzählten von ihren Erlebnissen. Die Reise nach Finnland um den Ring von Loki zu bekommen und den goldenen Edenapfel, welchen wir schon besaßen. Als ich aber auf das Brisingamen kam, sah mich Faith fassungslos an und ich versuchte, in ihren Geist zu kommen. Ich wollte sie lautlos wissen lassen, dass sie sich um ihre Kette keine Sorgen machen musste. Mo rionnag, keine Angst. Wir haben Freyas Schmuck bereits. Er liegt in meiner gesicherten Truhe im Templerzimmer. Deine Kette bleibt unangetastet. Vertrau mir! Meinte ich und sie nickte mit einem erstaunten Lächeln.
Die Geschichte um das Schmuckkästchen war etwas komplizierter. Eigentlich wusste ich es nicht vorher, dass es von Tessa bewacht wurde, doch im Nachhinein hätte mir auch das bewusst sein sollen. Edward hatte sehr viel mit den Vorläufern und einigen Artefakten zu tun gehabt. Auch hatte er sich mit Göttern und deren Geschichten auseinander gesetzt.
Da beschloss ich auch zu erzählen, dass ich das letzte Reiseartefakt nur hier finden und bekommen könnte. Ich erntete leicht entrüstete Blicke, Master Williams war nicht begeistert von meiner Suche nach diesen Artefakten, das wusste ich schon vorher. „Wir brauchten also noch EINEN Ring und eben die Schmuckschatulle. Laura, unsere Expertin für solch verworrene Analysen, hatte herausgefunden, dass wir in England fündig werden würden. Der Orden des britischen Ritus hätte ihn, doch leider bin ich nicht einmal dort bis zum Bürgersteig gekommen.“ Ich sah zu Faith und eigentlich wollte ich nicht böse über ihre Großmutter reden, doch ich musste es jetzt loswerden. „Ich war zwar schon einmal mit ihnen an einander geraten, aber mehr durch ein Missverständnis bei einem Auftrag. Mit der Zeit, hatte es sich wieder gelegt, so dachte ich zumindest. Doch als ich jetzt um ein Gespräch bat, war Hopfen und Malz verloren. Vor ungefähr 250 Jahren von meiner Zeit aus gerechnet, gab es EINE Person, welche meinen Namen verunglimpft hatte. Und das zieht sich bis in meine Zeit hinein, wie ein Fluch in den Chroniken!“
Immer noch sah ich Faith an, doch dann sah ich Lucius in die Augen. Beiden dämmerte es plötzlich und wie aus einem Mund kam. „Lady Melanie!“ „Genau DIE Dame ist es, weswegen ich nicht mehr weiterkam. Man hörte mich nicht an, geschweige denn man ließ mich auf das Gelände. Also forschten wir notgedrungen weiter und Laura wurde dann doch noch fündig und konnte den Wächter dafür ausmachen!“
Jetzt glitt mein Blick zu meinem Mann. „Es ist Jenny, Haytham. Sie besitzt den letzten einfachen Armreif! Als sie im Topkapi Palast war, bekam sie ihn als Geschenk und hat ihn seitdem nie wieder abgelegt. Eine ihrer Kammerzofen hat sich darüber in ihrem Tagebuch immer wieder ausgelassen. Auch fanden wir Zeitungsartikel, welche über den seltsamen Schmuck deiner Schwester berichteten.“ ich atmete tief durch, ich hatte mir jetzt fast alles, was noch zu erzählen war, von der Seele geredet.
„Das heißt mit anderen Worten, wir müssen nach London zu meiner Schwester reisen und ihr dieses Artefakt abnehmen? Und dann?“ kam es fragend von Haytham. „Das weiß ich noch nicht, ich gehe davon aus, dass es wie in den Träumen sein wird, die ich mit Faith hatte...“ als ich zu ihr hin sah, bekam ich einen Blick zurück der mir sagte, dass sie mit niemandem darüber gesprochen hatte! Ich hatte es noch nicht Haytham erzählt.
Also fing Faith an, von diesen Träumen zu berichten, die sie in diesem Fieberwahn hatte. Zwischendurch musste ich immer erklären, dass diese Sequenzen für mich immer sehr sporadisch waren und nie zusammenhängend. „Ich hatte manchmal Monatelang keinen Traum, das war eigenartig.“ meinte ich nur erklärend.
„Deswegen bin ich zurück, ich hatte für mich alles erledigt, was ging. Mehr konnte ich in meiner Zeit nicht mehr ausrichten und ich muss sagen, ich war froh, dass ich endlich wieder zu dir konnte!“ Als ich zu Haytham sah, erntete ich nur einen stutzigen Ausdruck. „Was ist, wenn du falsch liegst, Alex? Wenn es nicht der Armreif ist. Du gehst ein hohes Risiko ein!“ meinte mein Mann logisch denkend. „Es ist das richtige Artefakt, Haytham, glaub mir. Wir lagen bei allen anderen auch richtig. Warum sollte es gerade JETZT nicht so sein?“ doch mir sank das Herz in diesem Moment, er könnte ja Recht haben, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
„Weil ich mich an keinen Armschmuck bei meiner Schwester erinnern kann, als ich sie befreit habe und mit ihr nach Frankreich gereist bin. Das wäre mir sicherlich aufgefallen, oder nicht?“ Das stimmte natürlich, doch ich wollte es nicht so stehenlassen. „Dann lass ich es jetzt drauf ankommen! Vielleicht trug Jenny ihn auch erst später, oder doch nicht IMMER, wie gesagt wurde. Ich weiß es doch auch nicht, aber... die Beschreibung war exakt so, wie sie übermittelt wurde.“ meinte ich jetzt schon fast quengelnd, ich war mir sicher!
„Also schön, dann werden wir meine Schwester besuchen. Aber erst nach unserer offiziellen Hochzeit, mi sol. Vorher schaffen wir es auf keine Fall.“ meinte er jetzt wie ein Vater, der seine Tochter besänftigen wollte. „Danke, mi amor!“ und ich gab ihm einen schnellen Kuss.
Gerade als ich noch ein paar Fragen bezüglich dieser ganzen Forschungen beantworten wollte, erschienen die Kinder wieder und es war uns unmöglich, ein ruhiges Wort zu wechseln. Irgendwann ging ich hinaus mit den Worten, ich bräuchte kurz frische Luft. Als ich auf der Kaimauer stand, erschien Faith neben mir und legte mir ihren Arm um die Taille. „Hey mein preußisches Weib. Ist alles in Ordnung mit dir? Ich weiß, ich hätte die Träume erwähnen sollen, doch wir hatten noch keine Zeit dazu.“ meinte sie entschuldigend. „Du kannst doch nichts dafür. Es war einfach zu viel los hier und die Gelegenheit hatte sich noch nicht ergeben! Mach dir keine Gedanken!“ versuchte ich sie zu beruhigen.
„Ich denke, ich werde es Haytham auch noch einmal erklären müssen. Ich habe den Eindruck, dass er glaubt, dass ich nur zurückgekehrt bin, um an dieses Artefakt zu kommen.“ meinte ich mit dem Blick auf das Meer. „Was? Nein, das glaube ich nicht. So paranoid ist er nicht, nein! Alex, er ist, wie du auch, noch nicht ganz in eurer neuen Situation angekommen. Ihr braucht beide noch Zeit und ich wünsche euch, dass ihr sie bald haben werdet.“ sagte sie fürsorglich und ich zog sie zu mir und gab ihr einen dankbaren Kuss. „Das hoffe ich auch, auch wenn ich dich vermissen werde, wenn wir wieder in Virginia sind, mo rionnag!“
„Aber wenn ihr in London seid, dann müsst ihr uns besuchen kommen! Unbedingt!“ meinte meine Schwester völlig euphorisch. „DAS werden wir auf jeden Fall! Ich will mir doch die Bibliothek nicht entgehen lassen. Aber bitte nur, wenn deine Großmutter nicht anwesend ist!“ grinste ich sie breit an.
Ein wenig erleichterter gingen wir wieder hinein und ließen den Nachmittag ausklingen. Die Kinder bekamen als es dunkel wurde, nach dem Abendessen, ein kleines Feuerwerk, welches Bailong beigesteuert hatte, zu sehen. Sie standen alle mit offenen Mündern da und bestaunten diese Fontänen aus Licht mit vielen Ahhhhs und Ohhhhhhs. Alexander war auf meinem Arm und sah einfach hinauf zum Himmel. „Oma gold!“ kam es plötzlich mit erstauntem Gesicht von ihm und ich schaute ihn überrascht an. „Ich leuchte so?“ ein Nicken meines Enkels ließ mich in Schweiß ausbrechen. Er hatte den Adlerblick und hatte gerade vermutlich zufällig herausgefunden, dass ich eine entsprechende Aura habe.
Ich ging mit ihm zu Yannick, dieser stand mit seiner Angetrauten etwas abseits. Ich störte ihre Zweisamkeit nur ungern, doch ich musst es loswerden. „Schatz, hast du gewusst, dass euer Sohn den Blick hat?“ fragte ich einfach drauf los. Große Augen sahen mich an. „Nein, das wusste ich nicht. Woher...“ „Papa auch gold!“ meinte der kleine Alex. „Bei Odin, Mom... das wusste ich nicht. Ich habe mir da nie Gedanken drüber gemacht!“ freudestrahlend nahm er seinen Sohn auf den Arm. „Alex, was ist dieser Adlerblick eigentlich?“ fragte mich Melissa und ich versuchte eine Erklärung. Als ich fertig war, sah sie mich an und dachte vermutlich, ich hätte sie nicht mehr alle. Ich überließ es Yannick, ihr alles zu erklären. Ich hatte es damals angefangen und er führte es weiter.
Als ich zurück bei meinem Mann war, sah ich, dass Haytham völlig gedankenverloren mal wieder vor sich hinstarrte. „Mi amor, ist alles in Ordnung?“ fragte ich vorsichtig. „Es ist nichts, ich musste gerade an die letzten Wochen denken. Eigentlich an die letzten Jahre... mein Leben, UNSER Leben verändert sich so schnell. Es ist kaum aufzuhalten! Das macht mir Angst, mi sol!“ In seinen Augen sah ich tatsächlich so etwas wie Angst. „Ich weiß, was du meinst. Aber nur wir beide können es steuern und sollten ab und zu für eine Ruhepause sorgen, mi amor.“ meinte ich leise. „Du hast recht, wenn wir wieder zurück sind in Virginia, dann sollten wir endlich ein bisschen zur Ruhe kommen!“ damit nahm er mich in den Arm und warf seinen dicken Umhang um mich. Es war ziemlich kalt geworden.
Dann war es Zeit für die Kinder, dass sie ins Bett kamen. „Oma... Bett!“ bettelte mein Enkel und zupfte an meinem Rock. Ich schnappte ihn mir und ging mit ihm hinauf. Nach einer frischen Windel erzählte ich ihm noch eine Geschichte, eine wahre Begebenheit. MEINE Geschichte... es dauerte nicht lange, da lag klein Alex friedlich schlummernd in seiner Wiege und ich ging leise hinaus, mit einigen Tränen auf den Wangen. Auf der Galerie stand mein Mann und nahm mich in den Arm. „Hast du etwa die ganze Zeit hier gewartet, mi amor?“ fragte ich schniefend und ungläubig. „Was dachtest du denn? Ich lasse dich doch nicht mit einem anderen Mann alleine in einem Zimmer!“ grinste er mich breit an und ich sah, da sprach der Whiskey aus ihm. „Ich will auch nur mit MEINEM Mann in einem Zimmer alleine sein.“ flüsterte ich an sein Ohr und ließ meine Zunge über seinen Hals wandern.
„Mistress Kenway, euer Benehmen ist immer noch nicht tragbar. Wir sollten daran arbeiten!“ meinte Haytham leise raunend und drückte mich an das Geländer. Von unten hörte ich nur ein Räuspern und wir lösten uns schlagartig voneinander! Es war Shay der grinsend an der Treppe stand und uns nach unten winkte. Ich würde lieber jetzt mit meinem Mann in unser Zimmer verschwinden und... aber die Verpflichtungen.
Odin sei Dank, hatte ich mein Hochzeitsgeschenk von Tobias und William, so kam ich auch noch auf andere Gedanken. Ich hatte mittlerweile die Schatulle in meine gesicherte Truhe gelegt, sicher ist sicher, somit war ich beruhigt. Wir gingen hinunter und gesellten uns zu den anderen. Es wurde noch eine interessante Gesprächsrunde, befreit von den Zwängen, nichts aus meiner Zeit preisgeben zu können, war es angenehmer zu reden.
Um Mitternacht gingen wir versammelt nach draußen, um das nächste Feuerwerk zu bestaunen. Auch in der Stadt hatte man überall für kleinere Spektakel gesorgt und ich stand wie immer an Silvester heulend da und bestaunte das Licht am Himmel. Ich hoffte, dass meine Eltern, Großeltern und Vorfahren alle an der großen Tafel auf uns anstießen, genau wie ich es auch gerade tat und an sie dachte. „Mi sol, wie kann ich dir diesen Schmerz nehmen?“ kam es fragend von meinem Mann. „Gar nicht, er wird mich den Rest meines Lebens begleiten. Aber ich weiß, dass sie alle in Odins Halle sind und auf mich hinabblicken. Irgendwann werde ich auch dort sitzen und auf die Götter anstoßen!“ mit diesen meinen eigenen Worten, war mir mit einem Male wohler ums Herz und ich konnte es für mich selber besser verpacken.
Als wir endlich wieder vor den Kamin kamen und uns aufwärmen konnten, waren es Tobias, Marie und William die sich als erste verabschiedeten. Sie mussten noch zu ihrer Unterkunft. Übermorgen wollten sie wieder abreisen, noch hatten wir also ein bisschen Zeit.
Dann waren Melissa und Yannick im Bett und auch Master Williams ging zu Bett. So saßen wir zu viert noch kurz beieinander, aber auch mir fielen so langsam die Augen zu, es war ein langer Tag und ich wollte endlich meinen Ehemann für mich alleine haben! So gingen wir zu viert hinauf und Faith meinte süffisant „Ich wünsche euch eine entspannte Nacht!“ ich hob eine Augenbraue und wünschte den beiden eine ebensolche Nacht.
Im Zimmer fiel ich einfach auf das Bett! Es mag der Sekt aus mir gesprochen haben, doch ich wollte meine versprochene Hochzeitsnacht haben. Ein breites Grinsen zog sich über Haythams Gesicht und er blätterte mich aus diesem Kleid. Staunend stellte er fest, dass es wesentlich mehr Lagen hatte, als die anderen Kleider und ich musste lachen. „Und jetzt sag noch ein einziges Mal, dass DEINE Kleidung unbequem ist, mi amor!“ und er bekam einen Klaps auf den Hintern.
Plötzlich drehte er mich zu sich um und wir standen uns einfach nur gegenüber. Ich trug mittlerweile nur noch mein Unterkleid, doch Haytham hatte noch Hosen und Hemd an. DAS musste ich ändern und schälte ihn aus diesen Kleidungsstücken, dann ließ ich mein Unterkleid noch über die Schultern fallen.
Schwer atmend standen wir uns gegenüber und sahen uns an. Langsam nahm er mich in den Arm, hob mich hob und trug mich zum Bett. Die nächste Ebene, mi sol. Wir haben sie fast erreicht. Kam es leise in meinem Kopf an. Dann lass sie zu, mi amor. Bitte, lass mich nicht so zappeln. Meinte ich maulend, ich wollte ihn haben, JETZT! Und es war eine neue Stufe, es ist schwer zu erklären, was anders war. Seine Befehle in meinem Kopf, das Gefühl seines Körpers, seine Bewegungen, seine Hände... es waren alles Signale, welche sich durch meine Nervenbahnen wanden. Sie kamen in einem Kontrollzentrum an und ich folgte einfach. Mein Betragen wurden bestraft, keine Frage. Ich wollte es so, ich wollte meinen Mann und er wollte mich so nehmen. Es war unsere Zeit, unser Raum!
Als er laut stöhnend meinen Namen über die Lippen brachte, war es ein fließender Übergang für mich, ich konnte mich ihm anschließen und genoss meinen Mann einfach. „Alex, wann hört dieses Verlangen eigentlich auf? Ich kann... einfach nicht die Finger von dir lassen!“ meinte er schwer atmend an meiner Schulter. „Ich hoffe nie, Haytham.“ Ich hoffte es wirklich, doch uns beiden war klar, sobald wir unterwegs waren oder Aufträgen nachgingen, würden wir aufeinander verzichten müssen. „Wir sollten diese Momente noch ausnutzen, mi amor.“ sagte ich nur raunend an seinem Ohr. „DAS sollten wir...“ er ließ sich neben mir nieder und zog mich wie immer an sich. Ich kuschelte mich unter die Decke an seine Brust und war in Null Komma nix eingeschlafen.
Sie riefen nach mir und ich folgte ihnen. Dieses goldene Leuchten zeigte mir, wohin ich sollte, meine Füße fanden ihren Weg ohne mich. Ich machte keinen Laut, so sollte es sein. Ich hielt diese vier Kästen fest umklammert und ging zum Feuer, dort saß ich mit den anderen darum und öffnete die Schatullen.
Ich lauschte den Gesängen... die Anrufung der Götter und ich wiegte mich hin und her und folgte mit meinen Gesängen. Als er erschien, reichte ich ihm meine Hand. Es war an der Zeit, dass er seine Gaben bekam, er sollte lernen die Menschen zu lenken und sie zu führen. Es war seine Aufgabe. Seine grünen Augen sahen mich an und ich legte meine Hand auf seine Brust... Zuerst war es Loki, der zu ihm sprach und ihm den Geist bereinigte, damit er frei reden konnte, damit auch er umgekehrt ebenso alles erfahren konnte.
Fulla trat vor und ich ließ meine Hand auf seiner Brust, sie verlieh ihm die Gabe des Beschützers, aber niemand würde ihm jemals Leid zufügen können...
Nun war es Freya die ihm mit dem Brisingamen beistand und ihm den Verstand zum heilen lehrte! Er würde nie krank werden... er würde anderen helfen können! Aber immer ohne sich zu profilieren!
Meine Hand ruhte weiterhin auf seiner Brust und ich spürte, wie Idun ihre Kräfte auf ihn übertrug, doch plötzlich innehielt. Ich fühlte selber mit einem Male eine Welle von Wärme und Frische zugleich, welche ich nicht verstand. Um mich herum nahm ich nur Strahlen wahr, sie wurden verteilt...
Wir sind jetzt soweit, wir werden uns nun zurückziehen. Die Fähigkeiten sind verteilt und das Gleichgewicht wieder hergestellt! Hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Und mein Kind, wir haben dich nicht vergessen. Wir werden uns wiedersehen... bis es soweit ist, habe ich dir einige Jahre geschenkt. Nutze sie weise, ich spüre deine Sehnsucht! Hörte ich Iduns Stimme in meinem Geist.
Langsam verschwand dieser goldene Schimmer um mich herum und ich sah auf meinen Enkel, welcher vor mir kniete und mich mit leuchtenden goldenen Augen ansah. „Du brauchst keine Angst haben, Großmutter. Ich werde über euch wachen und ich weiß, was ich zu tun habe! Ich hab dich lieb!“ Damit lag er mir im Arm und ich drückte Alex an mich. „Ich habe dich auch unendlich lieb. Pass gut auf deinen Vater und deine Mutter auf, versprich es mir!“ Es mag seltsam klingen, doch ich sprach nicht mit einem fast 2jährigen, sondern mit den Göttern!
Mein Blick klärte sich langsam und ich sah auf meinen Enkel, welcher in meinen Armen lag mit dem Daumen im Mund und schlief. Durch sein offenes Hemd konnte ich auf seiner Brust vier Tätowierungen sehen... Alle angereiht in einem Kreis. Midgardschlange, Brisingamen, Edenapfel und Symbol der Schatulle. Ich fing an zu schnaufen, als ob ich einen Marathon gelaufen wäre und nahm jetzt erst wahr, das ich nicht alleine mit meinem Enkel war. Um uns waren ALLE! Und sie sahen uns mit offenen Mündern an! Ich schüttelte mich, damit ich selber wieder einen klaren Geist bekam.
Dann blickte ich auf die kleinen Kistchen vor mir. Wer bitte hatte sie hierher geholt? Wer konnte an meine gesicherte Truhe... „Alex... Bist du wieder wach?“ kam es von meinem Mann, welcher neben mir kniete und mich festhielt. „Ja... ich glaube schon. Was... ist passiert? Ich habe doch nur... Bei Odin! WAS habe ich getan?“ erst jetzt wurde mir klar, dass ich im Nachthemd hier saß. Vor mir waren die Schmuckstücke aufgereiht, doch sie leuchteten nicht mehr!
„Oma, ich will Bett. Kuscheln!“ kam es plötzlich von meinem Enkelkind. „Wir sollten morgen darüber reden, aber Yannick, würdest du bitte die Sachen wieder in die Kiste deiner Mutter legen?“ hörte ich Haythams Stimme, während er mich vorsichtig hochzog. Ich weiß noch, wie ich dann im Bett lag und wieder am Feuer saß... doch dieses mal war es eine Meditation am Feuer. Ich entspannte mich und schlief ein.
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Kleine zupfende Hände spielten an meinen Haaren und ich wurde langsam wach. Ich sah in kleine grüne Augen, welche mich grinsend ansahen. „Oma WACH! Opa jetzt spielen!“ Ich hörte nur noch ein Aufstöhnen von meinem Mann und dann hüpfende Geräusche. Da hatte sich jemand in kürzester Zeit etwas von July und Cadan abgeguckt! „Schätzchen, lass deinen Opa doch erst mal wach werden. Komm, es ist noch dunkel und es gibt noch kein Frühstück.“ Ich zog ihn zwischen uns und Alex kuschelte sich etwas widerstrebend in unsere Mitte. „Ich liebe dich, mi sol!“ kam es schläfrig von meinem Mann. „Ich dich auch... aber ich würde wirklich gerne noch schlafen... es war eine eigenartige Nacht!“ Und so waren uns tatsächlich noch zwei Stunden Schlaf gegönnt, bis uns dann die anderen Kinder aus dem Schlaf rissen.
Wir ergaben uns unserem Schicksal und standen auf, Alex schickte ich einfach hinüber zu seinen Eltern. Ich bin nicht für alles zuständig. Als ich vor dem Spiegel stand und versuchte mich einigermaßen präsentabel aussehen zulassen, stand mein Mann plötzlich hinter mir und sah mich lange an. Nervös fing ich an, an meiner Kleidung und meinen Haaren zu zupfen. „WAS? Sehe ich so schrecklich aus!“ kam es etwas unwirsch, sein Blick war immer noch völlig ungläubig. „Nein, aber... mi sol, deine grauen Strähnen sind nicht mehr da und... verzeih mir, aber deine Fältchen um die Augen sind weg.“
Ungläubig besah ich mich näher im Spiegel. Bei Odin! Er hatte Recht! Mein Haar sah aus wie vor 20 Jahren, voll und dunkelblond. Mein Führerscheinfoto kam mir in den Sinn. Ich stand mit offenem Mund dort und wusste nicht was ich sagen sollte. Ich drehte mich zu meinem Mann um und selbst seine grauen Strähnen waren weg! WAS WAR HIER LOS?
„Idun!“ meinte ich immer noch mit offenem Mund! „Haytham, sie hat gesagt, sie hat mir ein paar Jahre geschenkt, weil sie meine Sehnsucht spüren konnte. Dann bist du ebenfalls nicht leer ausgegangen!“ ich ging auf ihn zu und umfasste sein Gesicht. Ich war mal wieder den Tränen nahe, auch mein Mann war noch völlig überwältigt. „Heißt das, wir … also du kannst doch Kinder bekommen?“ Seine Augen fingen an zu leuchten und ich nickte nur heftig. Meine Arme schlangen sich völlig automatisch um ihn und sein Kuss fühlte sich so wahnsinnig hoffnungsvoll an.
„Aber wir sollten uns vielleicht noch ein wenig Zeit damit lassen, mi amor. Ich würde dich gerne noch eine Weile für mich alleine haben!“ flüsterte ich an sein Ohr. „Das sollte das kleinste Problem sein, mi sol.“ kam es rau an meinem Hals und ich spürte seine fordernden Lippen über meine Haut fahren. Leider wurden wir vom Klopfen meiner Kammerzofe unterbrochen, die das Frühstück ankündigte.
Im Esszimmer herrschte der übliche Trubel, aber ich bekam meinen Kaffee und als ich mich setzen wollte, starrten mich die Anwesenden an. „Alex, dann habe ich mich wirklich gestern nicht getäuscht. Das ist ja unglaublich!“ meinte meine Schwester mit Staunen. „Ich weiß, ich bin selber noch völlig überwältigt. Es fühlt sich sehr sehr eigenartig an, ich hoffe aber, dass ich mich bald wieder daran gewöhnt habe.“ mir kam auch der Gedanke, dass mit dem jungen Alter nun auch wieder meine Tage regelmäßig ins Haus standen. Darauf hätte ich ehrlich gesagt auch verzichten können, doch ich nahm es für ein zweites Kind gerne in Kauf. Und mit Schrecken fragte ich mich, wie die Damen in diesem Jahrhundert damit umgingen. Ich musste umgehend mit Faith darüber sprechen, auch was die Verhütung anging. Bei Odin! Jetzt musste ich mir um all diese Dinge wieder Gedanken machen, verdammt. Meine Laune sank gerade rapide, trotz des Kaffees in meiner Hand. „Mi sol, du siehst aus, als würdest du gleich einen Mord begehen wollen!“ kam es zögerlich von meinem Mann.
„Ich kann es dir jetzt nicht hier erklären, nicht bei Tisch. Aber... es gibt ein paar Überlegungen, welche ich dringend mit meiner Schwester besprechen muss, hinsichtlich meines wieder jungen Alters.“ meinte ich etwas kryptisch, ich wusste mit einem Mal nicht, wie ich ihm das erklären sollte. „Du meinst... ohhhhhh... ich verstehe!“ kam es von ihm und eine leichte Röte schoss in seine Wangen und ließ mich schmunzeln.
Als ich dann endlich im Laufe des Vormittags Faith zu packen bekam, zog ich sie einfach mit nach oben in unser Zimmer. „Alex, was ist los?“ fragte sie ängstlich. „Nichts schlimmes, aber... ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll. Also schön, einfach raus mit der Sprache, oder?“ grinste ich sie an. „Also, ich... Wie macht ihr Frauen das hier, wenn ihr eure Blutung habt? Und … wie kann ich … also... ich will noch nicht schwanger werden!“
Ein sehr ungehaltenes Gekicher kam aus ihrem Mund und sie sah mich völlig erstaunt an. „Und sowas fragst ausgerechnet DU?“ doch als ich ihr einen bösen Blick zuwarf, wusste sie, dass ich es ernst meinte. „Bei dir war es anders, nehme ich an? Eure Möglichkeiten waren andere... ich verstehe!“ sie setzte sich auf die Bettkante und zog mich zu sich. Sie fing an mir zu erklären, dass man Tücher nutzte, wenn man seine Blutung hatte. Als sie meinte, ich solle mir um das Bett hier keine Gedanken machen, sah ich sie erschrocken an. „Alex, was glaubst du, wie es manchmal bei uns aussieht? Man könnte glauben, es wurde jemand abgestochen im Bett!“ meinte sie lachend, aber auch ich konnte mir bei dem Gedanken das Lachen nicht verkneifen.
„Aber, wie sieht es mit... also... du weißt schon. Ich will nicht so schnell schwanger werden... ich würde Haytham gerne noch ein bisschen für mich alleine haben!“ ihr Blick wurde etwas traurig. „Du willst genau das Gegenteil, von dem, was ich gerne hätte, Alex! Das finde ich gerade ein bisschen erschreckend. So unterschiedlich können also die Wünsche sein!“ in diesem Moment tat es mir leid. Meine Freundin hatte Schwierigkeiten damit, schwanger zu werden. Ich war mal wieder ein völliger Trampel, dass ich gerade sie darauf ansprach. Als ich ihr das auch so sagte und mich entschuldigte, kam nur ein „Du bist kein Trampel, du bist einfach überfordert von der Zeit hier!“
Sie gab mir Ratschläge für die Verhütung, doch wirklich sicher war keine Methode und ich meinte, dass ich es wohl dann einfach auf mich zukommen lassen sollte. Auch wenn ich plötzlich ein wenig Angst bekam, ein zweites Kind zu bekommen!
Die drei Tage waren einfach nur wieder etwas Ruhe für die Seele, vermutlich nur für meine, doch ich wurde jetzt ruhiger und arrangierte mich mit meinem neuen Alter. Dann stand die Abreise für die restlichen Neuzeitgäste an.
Wir standen wieder im Arbeitszimmer von Shay und Yannick aktivierte die Ringe. „Mom, bist du dir immer noch sicher, dass wir sie mitnehmen sollen?“ ich sah ihn lächelnd an. „Ja, bin ich und nun geht. Ich weiß, wir sehen uns wieder. Und vergiss nicht, ich liebe dich Yannick!“ ich schloss ihn in meine Arme. „Ich dich auch, Mom. Pass auf dich auf!“ dann verabschiedete er sich noch von Haytham und den anderen. Mein Enkel sah fragend in die Runde und wusste nicht, was gerade geschah. Ich nahm ihn auf den Arm und drückte ihn an mich. Du weißt, wie du mich findest. Ich habe dich lieb, Alex. Vergiss das nicht! Meinte ich im Geiste und sah, wie er anfing zu lächeln und nickte.
Dann nahm ihn Melissa auf den Arm und alle verabschiedeten sich von mir und wünschten uns noch alles Gute für die Zukunft. Nach und nach verschwanden sie in dem Portal und dann löste es sich auf und wir standen einfach nur da. Haythams Hand drehte mich zu sich und er legte seine Arme um mich und flüsterte nur „Ihr seht euch wieder, das weißt du, mi sol!“ wir wussten es alle, doch diese Abschiede sind einfach schwer zu ertragen. Es könnte auch ganz anders kommen, auch die absurdesten Dinge sollte man im Kopf haben.
Langsam beruhigte ich mich wieder und wir gingen zurück in den Salon, wo ich mir ein großes Glas von dem Whiskey eingoss, was mit einem tadelnden Blick von Haytham verfolgt wurde. Mit diesem bewaffnet ließ ich mich auf eines der Sofas nieder und starrte in das Feuer des Kamins. Es war einfach zu viel geschehen in den letzten Wochen und ich bat jetzt Faith mir wieder die Schlüssel für ihr Arbeitszimmer zu geben. Ich musste diese Gedanken jetzt aufschreiben, sie drohten mich einfach aufzufressen!
Ich verbrachte Stunden damit, alles niederzuschreiben. Ich nahm kein Blatt vor den Mund, ich brachte alles zu Papier, auch die Stunden mit Haytham oder mit meiner Schwester im Bad. Als ich dann erleichterter war, klappte ich das Buch zu und ging auf die Suche nach Faith. Sie war mit den Kindern bei den Fohlen und erklärte ihnen, wie man mit ihnen umging. Als sie mich sah, erhellte sich ihr Blick. „Alex, das war eine ganz schön lange Schreibstunde, ich hoffe, du konntest dir alles von der Seele schreiben?“ meinte sie lächelnd. „Ja, konnte ich und es tat gut!“
Ich trat hinter sie und legte meine Hände um ihre Taille. „Ich vermisse dich!“ flüsterte ich an ihr Ohr und spürte, wie sie eine leichte Gänsehaut bekam. Faith räusperte sich und meinte plötzlich. „Wir sollten wirklich einmal nachsehen, ob im Gästezimmer von Yannick nichts unordentlich ist, nicht dass sie doch etwas vergessen haben!“ und drehte sich entschieden um und zog mich mit sich. Der Stallmeister übernahm die Kinder und die entsprechende Lehrstunde über Fohlen.
Ich eilte einfach lachend hinter Faith her und wir kamen atemlos oben im Gästezimmer an. Unsere Männer waren derzeit unterwegs wegen der Jackdaw, somit hatten wir einige Zeit für uns. Ich fing ohne lange zu warten an, sie aus ihrem Kleid zu holen und umgekehrt fühlte ich ihre geschickten Finger an den Schnüren meiner Kleidung. Irgendwann standen wir uns nur noch schwer atmend gegenüber und ich schob sie auf das Bett zu. Ich wollte diese Frau! JETZT! Es war mir völlig egal, welche Strafen mich erwarten würden!
Als sie unter mir lag, fuhr ich mit meiner Hand über ihren Hals zu ihren Brüsten und den Bauch. Dann fanden meine Finger ihr Piercing wieder und ein tiefes Aufstöhnen zeugte von dem richtigen Weg. Ich ließ meinen Fingern meine Zunge folgen und verlor mich zwischen ihren Schenkeln. Erst als ich seufzend meinen Namen hörte, tauchte ich wieder auf und sah in diese wunderschönen blauen Augen und lächelte sie an. „Ich liebe dich, mo rionnag!“ Wohlig lächelnd sah sie mich an und drehte mich unter sich. Ihre Hände waren wieder Balsam und ich öffnete mich völlig selbstverständlich für sie.
Auch ihr Mund folgte ihren Fingern, welche eine Spur von Gänsehaut auf meinem Körper hinterließen! Ihre Zunge fand ihren Weg und brachte mir einen Schauer nach dem anderen. Meine Hände vergruben sich in ihren Haaren und ich brachte laut seufzend ihren Namen hinaus... Ich war erleichtert... ich war wieder ein Stückchen befreiter!
Als wir wieder vorzeigbar waren, gingen wir hinunter, genau rechtzeitig, da Haytham und Shay gerade zurück kamen. Wir ließen uns aber nichts anmerken, sondern folgten ihnen ins Esszimmer. Marge hatte schon das Abendessen angekündigt. So saßen wir in der bekannten Runde und unterhielten uns über den Tag. Der Abend setzte sich im Salon fort und wir besprachen noch, dass wir morgen dann zum Anwesen von Elias Lestrange fuhren. Plötzlich legte sich ein grimmiger Ausdruck auf Faiths Gesicht und ich konnte erahnen, wie sie sich fühlte.
Im Stillen entschied ich, dass ich meine Glock mitnehmen würde und sie meiner Schwester im entscheidenden Moment einfach in die Hand drücken würde. Sie sollte ihre Rache bekommen, ich wusste wie befreiend so etwas sein konnte.
Dann gingen wir alle zu Bett, es würde ein frühes Aufstehen geben. Als ich anfing, mich auszuziehen, sah mich mein Mann seltsam an. „Alex, was hast du heute Nachmittag getrieben?“ kam es fordernd in einem Befehlston von ihm. „Was meinst du?“ und ich lächelte schüchtern. „Mach mir nichts vor, ich sehe, dass du wieder mit meiner kleinen Schwester alleine warst!“ jetzt stand Haytham hinter mir, eine Hand umklammerte meinen Hals, die andere wanderte fordernd unter meine Röcke! „Ich... wir haben nur...“ stammelte ich.
„Sag mir, was ihr gemacht habt!“ kam es jetzt lauter von ihm und ich fing an ihm die Einzelheiten zu beschreiben. Bei jedem Satz ging sein Atem schwerer und ich konnte seine Erregung spüren. „Du hast dich wieder einmal widersetzt, Mistress Kenway! Ohne Erlaubnis hast du dich mit ihr vergnügt!“
Plötzlich legte er meine Hände auf die Kommode und schob mein Unterkleid hoch. Im Spiegel sah ich seine Wut über mein Fehlverhalten und dann nahm er mich einfach. Seine Hände umfingen meine und hielten mich fest, diese Form von Aggressivität kannte ich noch nicht, doch ich nahm sie in mich auf und ließ ihn gewähren. Dann griffen seine Hände mit einem Male meine Hüften und drückten zu und er kam. Ich sah im Spiegel, wie sich sein Blick veränderte und dann sah er mich darüber an. „Du gehörst mir, schon vergessen, mi sol!“ meinte Haytham nur atemlos hinter mir. „Nein, ich habe es nicht vergessen, mi amor!“ flüsterte ich leise über meine Schulter hinweg.
Als wir dann endlich im Bett lagen und ich mich an schmiegte, kam ein „Verzeih mir, ich wollte nicht so hart zu dir sein. Aber... dieser Gedanke, dich mit Faith zu sehen, treibt mich in den Wahnsinn und meine Fantasie landet … nunja... du weißt schon.“ ich musste grinsen, ich konnte ihn verstehen. „Solange ich auch auf meine Kosten komme, Haytham, ist es doch in Ordnung!“ meine Augen fielen mir mal wieder zu und ich atmete diesen Seife und Lavendel Duft ein. Zuhause... schoss es mir nur in den Kopf!
„Aufwachen, mi sol!“ kam es von der anderen Seite des Zimmers. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah die Silhouette meines Mannes vor dem Fenster, welcher sich gerade ankleidete. „Oh bitte, jetzt schon?“ meinte ich maulend und zog mir die Decke über den Kopf. Mit Schwung wurde mir meine warme Umhüllung genommen, mit den Worten „ Wir haben noch etwas vor, mi sol!“ in einem Befehlston, den ich ohne Kaffee morgens noch nicht dulden konnte. „Du kannst mich mal...“ meinte ich meckernd und holte mir einfach die andere Decke vom Fußende...
„Na na... so eine Ausdrucksweise schon am frühen Morgen, Mistress Kenway.“ und seine flache Hand landete auf meinem Allerwertesten. „Hmmmmmmmmm...“ kam es seufzend über meine Lippen und ich kuschelte mich weiter unter diese Decke. Aber ich wusste, dass wir aufstehen mussten. Also ergab ich mich meinem Schicksal und pellte mich aus dem Bett! „Schon gut... ich steh ja schon auf! Du bist echt fies morgens!“ meinte ich immer noch maulend.
Nach dem Frühstück machten wir uns dann auf zum Anwesen des Dukes. Faith war sichtlich angespannt, was ich durchaus verstehen konnte. Ich hatte, ohne dass Haytham es wusste, meine Glock dabei. Würde Faith den Wunsch von Rache haben, sollte sie diese auch ausüben können, so war mein Gedanke. Am Tor wurden wir von einer Wache direkt durchgewunken und in den hinteren Bereich des Grundstücks gebracht. Shay hatte uns davon erzählt und auch Faith kannte sich ein bisschen hier aus.
Dann trafen wir auf den Duke und er drehte sich zu uns um und kam auf uns zu. „Ich muss euch noch zu eurer Heirat gratulieren, Mistress Kenway!“ kam es völlig freundlich von Elias und sein Blick glitt über Faith, dann zu Haytham. „Lady Cormac, es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen.“ Der obligatorische Handkuss folgte und dann war mein Mann dran. „Master Kenway, ich wünsche auch euch nur das Beste für eure Ehe!“ kam es völlig neutral von Lestrange.
Er führte uns in den hinteren, etwas abgeschotteten Bereich, welcher nicht gleich einzusehen war. Dort an einer Wand standen mit verbunden Augen und den Armen auf dem Rücken, Zoe und Jones! Bei diesem Anblick wurde mir dann doch anders. Ich hatte noch nie einer Hinrichtung beigewohnt, ich hatte selber Menschen ermordet, ja... aber das hier, war etwas ganz anderes. Ich schluckte schwer und versuchte mich zu beruhigen.
„Lady Cormac, da ich weiß, dass ihr ein sehr persönliches Interesse an dieser Hinrichtung hegt, lasse ich euch den Vortritt.“ sprach er meine Schwester an. Er verstand ebenfalls Faiths Beweggründe. Sie sah mich an und ich spürte, dass sie sich nicht ganz sicher war, ob sie wirklich selber Hand anlegen sollte oder eben nicht. Doch ich konnte ihr da nicht beistehen, es war IHRE Freundin und ich wusste nicht, ob ich auch so agieren würde. Vermutlich schon, doch jetzt... ich war nicht in dieser Situation. Ich holte die Glock hinter meinem Rücken hervor und reichte sie Faith. „Du musst sie noch entsichern, dort, und dann einfach den Abzug drücken!“ gab ich ihr die Anweisungen.
Plötzlich hörten wir Zoes Stimme, welche lauthals wetterte! „Ich habe euch allen nur einen Gefallen getan! Ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt!“ Was zum Teufel meinte sie jetzt damit? Caroline war eine ganz normale Frau, sie war kein Feind, sie gehörte auch keiner Seite an! Mir wurde mit einem Male klar, dass das ehemalige Zimmermädchen nicht mehr alle Tasse im Schrank hatte. Diese Frau war einfach geistig mehr als verwirrt, sie war nicht zurechnungsfähig. Also wäre diese Hinrichtung vermutlich die beste Lösung, welche der Duke sicherlich auch nicht ohne Grund befohlen hat.
Zeitgleich erschienen zwei Gefolgsleute des Dukes und stellten sich links und rechts neben Faith. Alle drei zielten, als Lestrange den Befehl gab. Und sie drückten die Abzüge gleichzeitig, als der nächste Befehl kam. Ich sah, wie Zoe mit einem feinen Loch in der Mitte der Stirn nach hinten kippte. Jones wurde von zwei anderen Kugeln getroffen und sackte aber ebenso nach hinten weg.
Ohne ein Wort gab mir meine Schwester meine Glock wieder und ging. Der Duke sah ihr einen Moment nach und dann zu mir. „Ich kann eure Freundin verstehen, niemand sollte ungestraft davon kommen, wenn er so rachsüchtig Unschuldige ermordet!“ kam es in diesem kalten Ton, der mich erschauern ließ und er hatte Recht. Das wurde mir gerade bewusst.
Haytham war es, der hinter Faith her eilte. Ich stand immer noch bei Elias und er zog mich in seinen Geist. Mistress Kenway, wir sind uns ähnlicher als ihr denkt. Auch habt ihr euer Vermächtnis erfahren durch die Götter. Bald werdet ihr den Rest erfahren. Weiht euren Mann ein, in alles, was euch bewegt und was eure Geschäfte angeht. Er muss es wissen, sonst könnt ihr nicht frei handeln. Beizeiten werde ich euch gegenübertreten, als der, der ich wirklich bin. Doch bis dahin... werden wir sehr profitable Geschäfte erledigt haben! Hörte ich seine Stimme in meinem Kopf.
Dann stand ich vor dem eigentlichen Duke und sah ihm in seine dunklen Augen. „Ich wünsche euch noch einen schönen Tag, eure Lordschaft! Wenn ich das fragen darf, wie lange werdet ihr hier noch verweilen, oder plant ihr aus Philadelphia hierher zuziehen?“ fragte ich rein Interessehalber und wunderte mich selber über meinen eigenen Themenwechsel.
„Ich werde meine Anwesen hier und in Philadelphia behalten und reise dann entsprechend, wenn es nötig ist, Mistress Kenway! Ihr solltet uns einmal dort besuchen kommen, meine Frau wäre sicherlich erfreut, euch ebenfalls persönlich kennenzulernen.“ meinte er freundschaftlich. „Ich werde auf eure Einladung zurückkommen. Spätestens, wenn ich mich weiter eingewöhnt habe, werde ich einige Besuche noch zu absolvieren haben! Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, Eure Lordschaft. Mein Mann erwartete mich bestimmt schon.“ er nahm meine Hand und ich bekam den Handkuss, seine Augen ließen meine aber die ganze Zeit nicht los. „Richtet eurem Mann noch einmal meine besten Grüße aus, Mistress Kenway.“
Als ich wieder vor dem Tor stand, sah ich Haytham gegenüber an einer Hauswand lehnen. Ich ging auf ihn zu und sah mich fragend nach meiner Freundin um. „Faith ist bereits zurück zum Fort, Alex. Ich glaube, das war für sie die Genugtuung, die sie brauchte. Du hast gut daran getan, ihr deine Waffe zu geben!“ meinte er leise. „Sie sollte ihre Rache bekommen, Haytham. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man jemanden lieber tot sehen will, als lebendig!“ gab ich ebenfalls leise zurück. Dann hakte ich mich bei ihm unter und wir gingen langsam zurück.
Der Rest des Tages verging ruhig und ich hatte noch ein Gespräch mit Faith, in dem sie mir versicherte, dass alles in Ordnung sei und sie erleichtert ist, dass sie Rache nehmen konnte. Ein sehr langer warmer Kuss besiegelte das Ganze.
Ich konnte mich danach weiter mit den Geschäften auseinander setzen. Am Abend bat ich dann meinen Mann, mir in Faiths Arbeitszimmer zu folgen. Ich musste ihn jetzt einweihen! „Alex, was ist passiert?“ fragte er vorsichtig. „Es ist nichts schlimmes, aber ich hatte dir ja gesagt, dass du nicht alles weißt und dass ich vorher noch einiges klären muss. Aber jetzt kann ich dir alles erzählen, setz dich bitte und lass mich einfach sprechen!“ ich setzte mich auf das vor dem Kamin stehende kleine Sofa und sah ihn an.
Dann sprudelten die Worte aus mir heraus und seine Augen weiteten sich immer mehr. „Es gibt einige Geschäfte, welche an der Obrigkeit vorbeigehen, welche eben unter der Hand laufen. Auch diese habe ich mit übernommen, aber ich verspreche dir, ich werde vorsichtig sein, Haytham.“ in seinen Augen lag immer noch leichter Unglaube, doch es gesellte sich ein gewisser Widerwille hinzu. „Alex, mir schmeckt das nicht. Wenn das auffliegt, dann haben wir ein Problem.“ meinte er sachlich und ruhig.
„Das ist mir bewusst, doch ich kann die Plantage ebenfalls als Lager nutzen, hier oder in Boston sind die stillen Lager nicht mehr ganz sicher. Es wimmelt hier mittlerweile von so vielen Soldaten, so dass wir keine andere Wahl haben, als vieles auszulagern. Zumal wir auch die Flussanbindung haben, dass ist ideal, Haytham!“ redete ich völlig begeistert, mir machte diese Arbeit Spaß, ich fand Gefallen daran. „Das ist natürlich ein Argument, Alex. Trotzdem fühle ich mich nicht ganz wohl dabei, aber ich vermute, ich kann dir da vertrauen?“ fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue? „Ja, kannst du. Ich kenne schon so einige Tricks und Kniffe, wie ich Waren ungesehen von A nach B bekomme. Vieles können wir eh mit den normalen Aufträgen verbinden, da bekommt kaum einer Wind davon.“ ich sah ihn auffordernd an. „Also schön, ich bin auch dabei. Wenn es aber zu brenzlig wird, dann lass dir rechtzeitig etwas einfallen, mi sol! Ist das klar?“ kam es jetzt wieder lächelnd von meinem Ehemann.
Ich umschlang seinen Nacken und gab ihm einen dankbaren Kuss. „Ja, das werde ich dann tun, Haytham!“ in seinen Augen sah ich, dass er gerade mal wieder eine wunderbare Idee für eine Lehrstunde hatte und er grinste mich breit an. „Mi amor, ich kann sehen, was du gerade denkst und ich freue mich darauf!“ nach einem letzten verlangenden Kuss, gingen wir zurück zu den anderen. Also sprach ich jetzt kurz noch mit Lucius das wesentliche ab und erklärte ihm, dass wir in Zukunft auch die Plantage als Lagerkapazität mit einbeziehen würden. „Eine gute Idee, wie ich finde. Und übermorgen werden wir übrigens dann ein Treffen mit Maria und Long haben, Mistress Kenway. Richtet euch auf einen langen und mit viel Essen gespickten Tag vor. Ach ja, und ihr werdet sehr sehr viele Kinder um euch herum haben!“ grinste er mich breit an und Faith fing an zu lachen. „Das wird sie schon verkraften!“ wenn meine Schwester das sagte, musste ich ihr wohl glauben.
Als wir uns für die Nacht verabschiedeten fühlte ich mich wohler, ich musste nichts mehr geheim halten, mein schlechtes Gewissen war eine reine Plage manchmal. Und wie schon erwähnt, folgte noch eine Lektion bezüglich meiner Schmuggelgeschäfte. Vielleicht sollte ich auch anfangen, dicke Sitzpolster zu schmuggeln, für den Eigenbedarf! Bei dem Gedanken musste ich dann einfach lachen. „Worüber lachst du, mi sol?“ kam es schläfrig von Haytham. „Ich habe gerade beschlossen, ich sollte auch noch bequeme weiche Sitzgelegenheiten in mein Sortiment mit aufnehmen! Mein Hintern dankt es mir bestimmt und der von Faith...“ ich wurde knallrot, auch wenn ich mir denken konnte, dass mein Mann wusste, was in etwa gerade in dem anderen Schlafzimmer von statten ging.
„Eine Überlegung wäre es sicher wert, es gibt bestimmt viele Ehefrauen, welche sie in Anspruch nehmen würden!“ und ein anzügliches Raunen traf auf mein Ohr. „Anscheinend habe ich eine Marktlücke gefunden, mi amor!“ und gab ihm einen dicken Kuss auf die Brust und langsam schlief ich ein.
Nach dem Frühstück ritt ich mit Master Williams zu unserem Treffen mit Maria. Sie war diejenige, die mit Waffen und leichten Mädchen auf dem Schwarzmarkt handelte. Laut Lucius war sie eine typische Italienerin und sehr umgänglich. Es sei denn, man hinterging sie oder belog sie, doch das hatte ich nicht vor und ich kannte sie bis jetzt gar nicht!
Als wir vor dem Haus eintrafen, sah es im ersten Moment völlig unscheinbar aus. Faith hatte mir erzählt, wie sie die Dame kennen gelernt hatte. Sie war die einzige, die diese Frau behandeln wollte, alle anderen Ärzte weigerten sich damals. Das ist grausam und mir wurde wieder klar, es war eine harte Zeit in diesem Jahrhundert. Uns öffnete eine wirklich typische italienische Frau die Tür und begrüßte Lucius überschwänglich. Wie sollte es anders sein, mich beäugte sie vorsichtig und kritisch, reichte mir aber ihre Hand und Master Williams stellte mich vor.
Im Inneren war es wohlig warm und sie bat uns, am Tisch Platz zu nehmen. In Sekunden hatten wir Teller und Gläser vor uns stehen und wir wurden mit leckerer Pasta bedacht. Es war wie im Himmel und selbst meine heimische in Käsesauce schwimmende Pasta konnte hier nicht mithalten. Es war einfach der Wahnsinn! „Das ist unglaublich köstlich, Maria. Ich habe schon lange nicht mehr so gut gegessen.“ meinte ich euphorisch und lächelte sie an. „Mistress Kenway, danke für das Lob.“ und nach einigem Smalltalk kamen wir zur Sache.
Nun erklärte ich, dass ich die Geschäfte übernommen hätte und ich die einzelnen Geschäftspartner jetzt erst einmal kennen lernen würde. In diesem Gespräch erwähnte sie ein paar Schwierigkeiten bezüglich einer Waffenlieferung vor ein paar Wochen. Und wieder waren auch Rotröcke beteiligt, da wurde mir klar, dass wir schnellstens auslagern mussten. So konnte es nicht weitergehen. Auch war es immer schwieriger, die Prostituierten sicher von einem zum anderen zu bekommen. Hier lag es aber einfach daran, dass die Lieferanten nie die Finger stillhalten konnten und einige Mädchen schwanger hier ankamen. DAS wäre eine Sache der Aufklärung vielleicht noch, ich werde Faith bezüglich einiger Mittel nochmal fragen und diese dann einfach zur Verfügung stellen.
Die Tage vergingen mit Frachtlisten überprüfen, Schiffe koordinieren und so weiter. Ich fand mich immer besser zurecht und mir gefiel immer mehr meine Stellung als Geschäftsführerin.
An diesem Morgen kam Shay nach dem Frühstück auf mich zu und bat mich kurz unter vier Augen zu sprechen. Seufzend gab ich nach und folgte ihm in sein Arbeitszimmer. Als die Tür geschlossen war, verfiel er in unsere übliche freundschaftliche Ebene. „Alex, ich habe da noch ein Anliegen.“ kam es etwas zögerlich von dem Iren und ich zog eine Augenbraue hoch. „Es... ich werde nicht immer hier sein und da du die Geschäfte so gut im Griff hast, da dachte ich mir... du könntest eventuell noch einen weiteren Zweig mit übernehmen?“ fragte er immer noch sehr vorsichtig.
„Der da wäre, Shay?“ kam es von mir zögerlich. „Wir haben da noch ein Bordell in der Stadt, welches uns immer wieder hilfreiche Informationen liefert. Doch... ich kann mich darum nicht auch noch kümmern. Und du und Haytham, ihr wärt eher in der Lage, das mit im Auge zu behalten!“ Shay sah mich fragend an. „Also, grundsätzlich habe ich da keine Probleme mit, das weißt du. Doch ich befürchte, dass Haytham mir da einen Strich durch die Rechnung machen wird, wenn ich ihm verkünde, dass ich auch noch ein Bordell unter meinen Fittichen habe!“ Ich dachte an die Schmuggelgeschäfte, welche ich ihm schmackhaft machen musste, wie sollte ich das bitte mit einem Freudenhaus machen...
„Ich würde es ihm ja auch noch erklären, du müsstest es nicht alleine machen! Bitte, du wärst mir da eine große Hilfe, Alex! Und die Beteiligung...“ doch da ließ ich ihn nicht ausreden. „Die ist mir egal, Shay, das weißt du. Also schön, ich... sehe mir das mal an. Begleitest du mich, oder will Faith eher mitkommen?“ fragte ich jetzt einfach und er meinte, dass Faith mich dahin begleiten würde.
Wir machten uns am Nachmittag auf den Weg dorthin, was mir beim Aufbruch einen fragenden Blick meines Mannes einbrachte. „Ah, Lady Cormac, ihr bringt Frischfleisch mit, das trifft sich gut...“ sprach die Dame im Eingang und sah mich lüstern von oben bis unten an, doch Faith fuhr ihr über den Mund. „Das ist Mistress Kenway, sie wird in Zukunft für euch zuständig sein!“ meinte sie und die Frau sah mich mit großen Augen an. „Oh verzeiht, Mistress Kenway, ich hatte ja keine Ahnung.“ meinte sie kleinlaut.
Dann zeigte mir Faith das Etablissement, damit ich einen Überblick bekam und stellte mich den Mädchen vor. Nicht alle waren begeistert von dem Führungswechsel, doch das konnte mir auch einerlei sein. Wem es hier nicht passte, konnte ja auch auf der Straße wohnen! Es mag böse klingen, aber ich kann nicht immer die gute Samariterin sein.
In Einzelgesprächen verschaffte ich mir jetzt einen Überblick über das Personal und ich muss sagen, das eine oder andere Mädchen würde bald hier weg sein. Es gab ein paar, die einfach nicht hier reinpassten. Doch sie würden es vermutlich bald selber merken, und die eigentliche Geschäftsführerin wusste um ihre schwarzen Schäfchen!
Gegen Abend verließ ich mit Faith das Bordell wieder und war ein wenig geschockt von den Zuständen, ich kannte es anders aus meiner Zeit. Schaut nicht so, wir wissen alle, wie es in einem Bordell zugehen kann.
Neue
Im Fort wieder angekommen, stand ich im Salon am Fenster und starrte hinaus, ich wusste immer noch nicht, wie ich meinem Mann erklären sollte, dass ich auch noch ein Bordell mein Eigen nennen sollte. Er war nicht prüde oder ähnliches, aber Haytham hatte einige etwas verbohrte Ansichten, die er nicht einfach so über Bord werfen konnte. Also legte ich mir einen Plan zurecht, wie ich es am besten erklärte um ihn zu überzeugen.
„Mi sol, was ist los?“ kam es von meinem Mann und er schlang von hinten die Arme um mich. Er roch nach Pferd und Ale! Innerlich grinste ich, er war guter Dinge, da konnte ich diesen neuen Geschäftszweig leichter anbringen. „Nichts, mi amor. Aber ich habe heute noch ein weiteres Geschäft mit übernommen!“ meinte ich leichthin und drehte mich zu ihm um. „So? Aber übernimm dich nicht. Ich würde auch noch gerne etwas von dir haben!“ meinte er mit schwerer Zunge.
„Keine Sorge, es ist nur das Bordell hier in der Stadt. Ich kann darüber wichtige Informationen sammeln und es kommt wie gerufen, wenn du mich fragst.“ erzählte ich meinem Mann und er sah mich mit großen Augen an. „Ein Bordell? Aber... du wirst dort nicht... also...“ ich musste grinsen. „Nein, mi amor. Ich agiere im Hintergrund. Es gibt nur einen einzigen Mann, mit dem ich das Bett teile und der bist DU!“ und damit schlang ich meine Arme um ihn und küsste ihn einfach. Auch wenn die Alefahne meilenweit zur riechen war.
In diesem Moment ahnte ich, warum er so gelassen auf diese Neuigkeit reagierte. Shay war mit ihm unterwegs gewesen und hatte ihm vermutlich schon im Vorfeld davon berichtet. Innerlich dankte ich dem Iren und konnte so noch eine sehr entspannte Nacht mit meinem Ehemann erleben.
Die letzte Woche verbrachte ich mit Akquisition, Inventur und Disposition der Geschäfte. Haytham leistete mir ab und an Gesellschaft, auch er musste sich noch ein Bild davon machen. Doch er hatte mit Shay noch einige Dinge, welche im Bezug auf den Orden erledigt werden mussten. Unter anderem war die verfluchte Schatulle weiterhin verschollen.
An diesem kalten Januar Nachmittag erhielt ich von einem Boten die Nachricht, dass mich Lestrange dringend zu sprechen wünschte. ALLEINE! Das war eher seltsam, doch ich ließ ihm mitteilen, dass ich um 16 Uhr erscheinen würde. „Mi sol, bist du sicher, dass du alleine dorthin willst?“ fragte mich Haytham besorgt. „Ich denke, mir droht keine Gefahr, mi amor. Es geht bestimmt nur um ein paar Dinge hinsichtlich seiner Lieferungen. Wenn ich aber länger als üblich weg bin, dann weißt du ja, was zu tun ist.“ ich gab ihm einen beruhigenden Kuss und ging hinauf um mich umzuziehen. Magda half mir beim Einkleiden und auch meine Haare waren schnell fertig und so konnte ich dann vor den Duke treten. Er hatte mir eine Kutsche geschickt, was ich bei den Temperaturen sehr begrüßte.
Beim Anwesen angekommen, machten die Wachen ohne Fragen Platz und ließen mich ein. Im Salon stand ich eine Weile alleine und besah mir die Regale mit den Büchern, hier lagerte altes Wissen, ob dem Duke das eigentlich wirklich klar war? „Mistress Kenway, es freut mich euch wieder begrüßen zu dürfen.“ kam es hinter mir in dieser dunklen Stimme.
„Eure Lordschaft, ich freue mich ebenfalls euch wieder zusehen. Doch womit habe ich die Ehre verdient?“ fragte ich lächelnd und ich bemerkte, dass er meine Hand länger als üblich in seiner hielt. „Bitte setzt euch erst einmal.“ er bat mir einen Platz auf dem Sofa an und setzte sich neben mich.
„Ich komme gleich zu meinem Anliegen, Mistress Kenway. Doch vorher müsste ich wissen, wann ihr plant nach England zu reisen. Ich vermute, dass ihr sehr bald dorthin aufbrechen werdet um den Armreif an euch nehmen zu können?“ kam es völlig freundlich von ihm. „Ihr wisst, dass er sich in London befindet?“ aber natürlich wusste er es. „Ich denke, mein Mann und ich werden nach unserer Hochzeit im März dorthin segeln. Vorher würden wir es nicht schaffen, ich würde gerne die offizielle Hochzeit in Virginia feiern können.“
„Das trifft sich sehr gut und ich muss euch dann um einen Gefallen bitten. Ein weiteres Schiff wird die Jackdaw begleiten, es ist ein kleines Handelsschiff und es wäre hilfreich, wenn eure Brig als Schutz fungieren könnte.“ erzählte er jetzt einfach frei raus und schilderte mir, dass es sich um eine besondere Fracht handelte, welche unbeschadet in Bristol ankommen müsse. Sie sei wertvoll und er wüsste kein besseres Schiff, welches diesen Schutz bieten würde. Nunja, ein Kriegsschiff würde sicherlich mehr Schutz bieten können!, dachte ich mir noch.
„Ihr ehrt mich und mein Schiff, ich hoffe, ich kann dem gerecht werden. Über was für eine Art Fracht sprechen wir hier, Eure Lordschaft?“ fragte ich frei raus. „An Bord werden sich mehrere Truhen befinden, in welchen wertvolle Edelsteine und diverse alte Schriften liegen. Es ist wichtig, dass sie unbeschadet ankommen.“ ich sah ihn immer noch fragend an. „Aber für so eine Lieferung solltet ihr größeren Geleitschutz haben, Master Lestrange.“ gab ich zu bedenken. „Das wäre aber zu auffällig, es soll den Anschein einer ganz normalen Überfahrt haben, Mistress Kenway.“ Das konnte ich natürlich nachvollziehen, doch ich hatte den Eindruck, dass er es eher als Test ansah, wie gut ich mit Schmuggelwaren und deren Lieferungen umging.
„Dann werde ich euch in den nächsten Tagen entsprechend eine Nachricht zukommen lassen. Und wenn ihr wieder in Virginia seid, werden wir uns spätestens bei eurer Hochzeitsfeier sehen, Mistress Kenway.“ meinte er und ab da unterhielten wir uns über die Ehe und wie man mit allem zurecht kam. „Meine Frau hatte damals ihre Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen, dass sie nicht mehr alleine war.“ kam es in einem Plauderton vom Duke. „Das kenne ich selber, ich brauche auch noch ein wenig Zeit, ich war einfach zu lange fort.“
Gegen 19 Uhr verabschiedete ich mich dann und die Kutsche brachte mich wieder zum Fort Arsenal. Haytham erwartete mich schon ungeduldig und nahm mich in den Arm. „Da bist du ja endlich wieder, mi sol.“ und er drehte mich hin und her um zu sehen, ob noch alles an mir dran wäre. „Ich bin wieder heile zurück, Haytham.“ grinste ich ihn an. „Mach dir keine Sorgen!“ und ich gab ihm einen langen Kuss. „Worum ging es eigentlich?“ fragte mein Mann mich neugierig.
Wir gingen zu den anderen in den Salon und ich erklärte ihm in kurzen Sätzen, dass die Jackdaw den Begleitschutz liefern sollte für die kommende Fracht nach England. WAS genau die Waren werden würden, ließ ich erst einmal außen vor. Marge brachte mir einen Teller des Abendessens, welchen ich dankbar annahm, ich hatte einen riesigen Hunger. „Dieser Duke ist mir trotzdem unheimlich, Alex. Er sieht so... furchteinflößend aus.“ meinte Faith plötzlich. „Ja, seine Statur ist wirklich beeindruckend.“, sagte ich. „Nein, das nicht, du weißt, was ich meine!“ kam es jetzt etwas zickig von ihr. „Er ist anders, das stimmt. Aber ich denke, ich werde früher oder später herausfinden, was es damit auf sich hat!“ gab ich als Erklärung. Und dann fielen mir die Bücher wieder ein über die nordischen Götter! Ich musste mich dringend damit auseinander setzen.
Meine Jackdaw war wieder repariert, ich hatte die Geschäfte unter Dach und Fach, im Grunde hatte ich alles geregelt und hatte meine Informanten und Geschäftspartner zur Hand. So stand unserer Abreise nichts mehr im Wege, doch ich wäre gerne noch ein wenig geblieben.
Für einen Nachmittag hatte ich mich noch einmal mit Faith zurück ziehen können und wir hatten zwei wundervolle Stunden wieder für uns. Die Strafen unserer Männer fielen hart aus, doch das war es wert! Ich liebte meine störrische Schottin einfach und ich würde sie für nichts mehr hergeben wollen.
Auch hatte ich noch Frau Fischer besucht und sie darum gebeten mein Hochzeitskleid anfertigen zu lassen. Sie hatte mich sogar wiedererkannt und war völlig aus dem Häuschen, dass ich noch an sie und ihr Geschäft gedacht hatte. Wir unterhielten uns über den Schnitt, die Farben und den Stoff. Sie fertigte nebenher eine Skizze an und ich muss sagen, sie verstand wirklich ihr Handwerk. Alex´ Hochzeitskleid Wir vereinbarten, dass es am 15. März geliefert werden sollte. Bis dahin hatte sie genügend Zeit und ich freute mich darauf.
Und zum ersten Mal seit ungefähr drei Jahren, hatte ich mit meinen Tagen zu kämpfen. Ich wusste ja, ich würde mich jetzt wieder darauf einstellen müssen, doch dass es so schlimm sein würde, konnte ich doch nicht ahnen. In diesen 4 Tagen konnte ich Haytham erklären, wie es in Zukunft aussehen würde. „Wenn du willst, dass ich … also... ich kann dann auch im Gästezimmer schlafen!“ perplex schaute ich ihn an. „Nein, das war es nicht, was ich meinte. Aber... du solltest wissen, dass ich launisch und ziemlich ungenießbar bin.“ meinte ich grinsend. „Damit kann ich leben, mi sol!“ auch er grinste mich an. Wir mussten es abwarten, doch ich war erstaunt, dass er mich trotzdem nahm, ohne darüber nachzudenken. „Es gibt zwar mehr Wäsche, aber ich will dich und lasse mich kaum von etwas aufhalten!“ diese Worte waren Balsam für mich und ich verlor mich mal wieder in diesen tiefen Gefühlen für meinen Mann.
Dann stand ich mit Haytham an diesem kalten grauen Januarmorgen vor meiner Jackdaw, welche man wieder zum Fort Arsenal geschleppt hatte. Ich verließ sie alle schweren Herzens, doch es musste sein, wir mussten nun unsere Zukunft wirklich einläuten und das ging nur in unserem Zuhause.
„Faith, du wirst mir fehlen. Aber versprich mir, wenn etwas ist, dann schreib mir einfach.“ meinte ich heulend und bekam ein geschnieftes „Ich vermisse dich schon jetzt und ich schreibe dir so oft, bis du genervt bist!“ Warum glaubte ich ihr das aufs Wort?
Shay verabschiedete ich mit den Worten „Wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du einfach die Morrigan nimmst und wortlos verschwindest, dann finde ich dich, ist das klar, Käptn Cormac?“ meine hochgezogene Augenbraue sollte wohl reichen, doch er nahm mich in den Arm und meinte leise „Warum sollte ich das noch einmal machen? Ich weiß jetzt, wohin ich gehöre und dass wir alle über den Tellerrand schauen müssen. Danke, Alex!“ und ich hatte einen leichten Kuss auf der Wange. Faith hatte einen wunderbaren Ehemann, tolle Kinder und ich wünschte ihnen, dass es so bliebe.
Als ich an Bord war und Segel setzen ließ, klammerte ich mich an meinen Mann und sah wehmütig auf den Kai, wo sie alle standen. „Du wirst sie wiedersehen, WIR werden sie wiedersehen. Jetzt aber lass uns UNSER Leben richtig anfangen, unsere Zukunft einläuten, mi sol!“ kam es leise von Haytham. „Ich freue mich darauf!“ und lehnte mich an ihn. Dann verließen wir New York und segelten wieder zurück nach Virginia.
Dieses mal war mir während der Überfahrt nicht übel, ich war also wieder seefest. Es freute mich, leider war es aber weiterhin eisig kalt hier. Wie auch schon auf dem Hinweg hatten wir uns arrangiert und verbrachten die Abende in der Messe. Dort konnte man sich aufwärmen und es war nett, sich mit den Männer zu unterhalten. So erfuhr ich etwas über sie und konnte sie besser einschätzen.
Endlich legten wir am 1. Februar an der Plantage an und wurden von einigen Angestellten in Empfang genommen. Unter anderem auch Mrs. Wallace, welche sich nicht beherrschen wollte und mir heulend entgegen kam. „Mistress Kenway, ich freue mich, dass ihr nun ganz zu Master Kenway gehört.“ Haytham meinte trocken, dass er das vor ein paar Jahren auch noch nicht hat kommen sehen.
Als wir etwas später im Anwesen ankamen, orderte ich gleich ein Bad. Ich fror und freute mich auf ein bisschen Komfort, zumal meine Haare dringend eine Wäsche brauchten. Die Kleidertruhen wurden hinauf gebracht und ausgepackt, auch alles andere wurde ordnungsgemäß verstaut. Dann saß ich für einen Moment im Salon vor dem Kamin um mich zu wärmen, als Haytham sich zu mir setzte und mir ein Glas Rum reichte. „Hier, damit du dich etwas von innen wärmen kannst!“ Seine Nähe tat gerade gut und ich lehnte mich an ihn.
„Ich habe immer noch dieses Gefühl, als wäre es nicht wahr. So als wäre es ein Traum, aus dem ich gleich aufwache, Haytham!“ meinte ich etwas gedankenverloren. „Da geht es dir wie mir, ich bin auch noch lange nicht im Hier und Jetzt angekommen, mi sol! Aber wir haben alle Zeit der Welt! Wir sollten sie genießen, findest du nicht?“ meinte er mit dieser tiefen Stimme und ich fühlte seine Lippen auf meinem Hals.
In den letzten 11 Tagen hatten wir überhaupt keine Privatsphäre und durch die extreme Kälte auf See war ich immer nur froh, wenn ich seine Körperwärme bekam. Zu viel mehr, war ich nicht in der Lage. Doch das änderte sich jetzt schlagartig, hier war es warm und ein duftendes Bad wartete auf uns.
Als wir im Keller in die Wanne stiegen, konnte ich ein wohliges Stöhnen nicht vermeiden und erntete mal wieder einen mauligen Kommentar. „Wenn ich das nicht gleich auch zu hören bekomme, dann Gnade dir Gott, Mistress Kenway!“ Und seine Hände legten sich um mich und hielten mich fest. Meine Finger fuhren über seine Oberschenkel, welche rechts und links neben mir waren und ich vernahm, dass er immer schwerer atmete. Ich wollte nicht mehr warten, also drehte ich mich um und ließ mich auf seinem Schoß nieder, meine Hände vergruben sich in seinen Haaren. „Nimm mich, Haytham!“ kam es laut seufzend von mir. Dann lagen seine Hände auf meinem Hintern, ich spürte, wie er langsam in mich eindrang und Haytham konnte ein tiefes Aufstöhnen nicht verhindern. Unsere Bewegungen waren vorsichtig und langsam, wir wollten diesen Moment genießen, nach den Tagen der Abstinenz!
Ich versank in diesen dunklen grauen Augen und hörte seine Worte in meinem Geist, wie er mich anwies, mich zu bewegen und leise zu sein! Es war völlig still, man hörte lediglich das schwappende Geräusch des Wassers. Jesus, ich habe diese Nähe vermisst. Hörte ich seine Stimme. Doch ich konnte mich nicht mehr länger beherrschen. Lass mich kommen, mi amor, bitte! Flehte ich ihn regelrecht an und mein Mann tat mir den Gefallen, auch er war kurz vor seinem Höhepunkt. Sein Name wurde Odin sei Dank von den dicken Wänden hier unten verschluckt, ich konnte mich nicht zusammenreißen. Haytham klammerte sich regelrecht an mich als er kam und gab mir einen Kuss auf die Brust!
Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und sah ihn lange an. „Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich dich liebe, Haytham?“ und lächelte selig vor mich hin. „Ja, aber ich kann es gar nicht oft genug aus deinem Mund hören!“
Leider musste ich jetzt noch meine Haare waschen, aber mein Templer half mir und es war schnell erledigt. Als wir dann sauber und zufrieden im Esszimmer saßen, genoss ich diese Stille für einen Moment. Die letzten Wochen waren ziemlich turbulent und ereignisreich. Vor allem auch kinderreich gewesen, bei diesem Gedanken jedoch grinste ich leicht.
Leider holte uns der Alltag schneller wieder ein, als mir lieb war. Es war ein Haufen an Post für Haytham eingetroffen und der Aufseher, Mr. Robinson, hatte ebenfalls um ein Gespräch gebeten. Doch das hätte auch bis morgen Zeit, erleichtert, dass es keine Hiobsbotschaften gab, ging ich mit meinem Mann die Post durch. Es waren unter anderem Angebote für das kommende Erntejahr oder auch Anfragen, ob noch Pächter und Arbeiter gesucht würden.
Zwei Briefe enthielten Bewerbungen von Herren, welche sich als Kammerdiener für Haytham vorstellen wollten. Diese beantwortete er sofort, wir brauchten dringend einen Ersatz für Jones. Bei der restlichen Korrespondenz bekam ich eine weitere Einführung in die Gepflogenheiten der Plantage und ihrer Führung. Als es dann 23 Uhr war, ging ich schon mal zu Bett, mein Mann sah noch einige Verträge durch.
Magda half mir wieder mich zu entkleiden und flocht meine Haare für die Nacht. Ich gewöhnte mich langsam daran, dass ich eine Hilfe an meiner Seite hatte. Danach kuschelte ich mich ins Bett und schnappte mir noch eines meiner neuen Bücher, die mir Faith mitgegeben hatte. Doch lange behielt ich meine Augen nicht auf und schlief mit dem aufgeschlagenen Buch auf der Brust ein.
Der nächste Morgen war alles andere schön. Ich wurde von fiesen Unterleibskrämpfen geweckt und ich stöhnte einfach vor mich hin. Eigentlich war es noch gar nicht wieder die Zeit dafür, wunderte ich mich. Aber es musste sich sicherlich alles erst wieder einpendeln, so meine Vermutung! „Alex, ist alles in Ordnung?“ fragte mich mein Mann alarmiert und trat zu mir ans Bett. Natürlich war er schon wach und sogar angezogen! „Nein! Ich habe Krämpfe und ziemlich schlechte Laune!“ meinte ich bockig und drehte mich wieder in die Decke. „Soll ich Magda Bescheid geben, mi sol?“ fragte er mich vorsichtig, er wusste nicht, glaube ich, wie er gerade am besten reagieren sollte. „Ja bitte, tu das und sie soll mir diesen Tee machen, den mir Faith mitgegeben hat! ... bei Odin, darauf könnte ich wirklich verzichten!“ meinte ich stöhnend und hielt mir den Bauch.
Unschlüssig stand er kurz vor mir, gab mir einen vorsichtigen Kuss und ging dann hinunter. Kurz darauf erschien meine Kammerzofe mit dem Tee und sah mich ebenfalls besorgt an. „Mistress Kenway, ich hoffe, der Tee wird euch helfen. Was wollt ihr heute tragen?“ meinte sie und wandte sich zum Ankleidezimmer. „Ich weiß es nicht, am liebsten gar nichts, das Bett ist zu bequem.“ meinte ich lächelnd, doch meine Zofe wies mich dezent auf meine Aufgaben hin.
Diese Kräutermischung war wirklich großartig, als die Tasse leer war, konnte ich diese Entspannung richtig fühlen und mir war wohler. Nur meine Laune wollte nicht so recht steigen. Also ließ ich mich in ein Korsett schnüren und in ein eigentlich wunderschönes Kleid stecken, auch meine Haare waren schnell in Form gebracht. Doch ich saß da und heulte. „Mistress Kenway, diese Tage gehen wieder vorbei, dass wisst ihr doch.“ meinte sie leise und lächelte mich im Spiegel an. „Ich weiß Magda, doch... es ist schon so lange her und so ungewohnt.“ schniefte ich nur. „Ich werde euch heute Abend wieder diesen Tee zubereiten, dann solltet ihr auf jeden Fall schlafen können!“
Unten im Esszimmer erwartete mich ein lesender Ehemann und mein geliebter Kaffee. Vorsichtig ließ ich mich auf meinen Platz nieder, ... diese sogenannte Unterwäsche war extrem gewöhnungsbedürftig. „Mi sol, du siehst ziemlich blass aus. Kann ich irgend etwas für dich tun?“ fragte er wieder und nahm meine Hand. „Nein, leider nicht, mi amor. Da muss ich ab jetzt wohl wieder regelmäßig durch.“ meinte ich und lächelte etwas gequält.
Nach dem Frühstück erschien Mr. Robinson für Haytham und für mich wurde Mr. Hargreaves angekündigt. In meinem Arbeitszimmer saßen wir eine Weile zusammen und klärten die Bezahlung für die Besatzung. „Mistress Kenway, es war eine doch recht abenteuerliche erste Fahrt mit der Jackdaw und wenn ich das so sagen darf, ich bin gerne euer erster Maat.“ sagte er frei raus und lächelte mich an. „Danke, Mr. Hargreaves, ich bin auch froh, euch zu haben. Auch wenn ich mich noch an eine ganz andere Mannschaft gewöhnen muss. Ich freue mich auf weitere interessante Fahrten mit euch!“ meinte ich freundlich.
Als mein erster Maat gegangen war, kündigte Mrs. Wallace eine der Pächterfrauen an. Es war eine noch recht junge Mutter mit 2 kleinen Kindern, 4 und 6 Jahre alt, sie hieß Mildred. Sie und ihr Mann waren erst im Oktober hier angekommen und hatten noch ihre Probleme mit dem Eingewöhnen, sie kamen aus einer völlig anderen Branche. Ihr Mann, Steven, war eigentlich von Beruf Fischer. Er versuchte so gut es ging, sich mit dem Anpflanzen und der Feldarbeit anzufreunden, er bemühte sich und lernte fleißig.
Im Laufe der nächsten Tage kam ich mit dieser neuen Situation immer besser zurecht und lernte mich damit zu arrangieren. Haytham ließ mich in Ruhe, ich befürchte, er hatte Angst, eine Furie zu wecken, sollte er mir zu Nahe kommen. Und wenn ich ehrlich bin, ich war etwas erleichtert. Solange ich noch nicht wieder im Einklang mit mir und meinem Körper war, konnte ich mich ihm nicht richtig öffnen. Im Januar war es noch nicht so schlimm gewesen, jetzt war es eine kleine Hölle gewesen!
Doch dieser Moment, in dem ich wieder bereit war, kam für ihn sicherlich völlig überraschend. Mein Mann saß brütend über Papieren in seinem Arbeitszimmer, als ich eintrat, die Tür schloss und den Schlüssel drehte. Ich wollte ungestört sein. Haytham sah fragend in meine Richtung, doch ich ging lächelnd auf ihn zu und trat hinter ihn. Meine Hände begannen, seinen Nacken zu massieren und fuhren dann langsam nach vorne unter sein Hemd, während mein Mund seinen Hals mit Küssen bedeckte. „Mistress Kenway, was wird das am helllichten Tage hier?“ kam es schwer atmend von ihm. „Ich dachte mir, ihr könntet meine Zuwendung gebrauchen, Master Kenway!“
Er nahm meine Hände, stand auf und schob mich auf seinen Schreibtisch. „Da liegt ihr richtig, ich musste schon viel zu lange darauf verzichten.“ und so schnell konnte ich nicht mehr reagieren, wie er mich einfach nahm. Es war mir aber völlig egal, ich war ausgehungert und brauchte ihn einfach! Meine Beine schlangen sich um ihn und ich hielt ihn so fest bei mir. Ich habe dich vermisst, mi sol. Küss mich und sei leise! Kam es befehlend.
Als wir beide wieder zur Ruhe kamen, sah er mich grinsend an. „Du bist wirklich unmöglich, Alex. Aber ich liebe dich!“ sein Kuss war ein liebevolles Danke. „Ich dich auch! Ich hoffe, du kannst mir meine Launen vergeben!“ meinte ich leise, er tat mir plötzlich leid. „Naja, du wirst sehen, was du davon hast, Mistress Kenway! Spätestens heute Nacht zeige ich euch, wie ich so ein Verhalten bestrafe!“ sagte Haytham in diesem so tiefen Ton, dass ich mich zusammenreißen musste, nicht gleich auf die Knie zu gehen.
Leider hatten wir heute noch ein Essen mit den Bassiters und Donovans und es war an der Zeit, dass wir uns dafür fertig machten. Mein Mann packte seine Unterlagen zusammen und wir gingen hinauf. Mittlerweile hatte er auch einen Kammerdiener, welcher sich jetzt um seine Garderobe und Haare kümmerte. Enttäuscht seufzte ich, ich fand diese Aufgabe immer sehr entspannend. Doch ich hatte keine Zeit dafür, Magda steckte mich rigoros in mein neues dunkelrotes Seidenkleid mit schwarzer Spitze darüber.
Meine Haare wurden in ein Tuch aus ebenfalls schwarzer Spitze gewickelt und mein Gesicht erhielt Puder, Rouge und Lippenstift. Eigentlich nicht wirklich mein Ding, doch Haytham bestand darauf! Als ich dann nach Magdas Meinung vorzeigbar war, stand ich vor dem Spiegel und mein Mann erschien hinter mir in seinem ebenfalls dunkelroten Gehrock und passenden Kniehosen. Verdammt, er sah einfach gut aus und ich hätte ihn am liebsten auf der Stelle besprungen!
„Ich kann dich lesen, mi sol!“ grinste er und küsste meinen Nacken. „Aber ich muss mich auch arg zusammenreißen, dich nicht aufs Bett zu zerren!“ ich musste lachen und wurde bei dem Gedanken leicht rot im Gesicht. „Wollen wir dann, Mistress Kenway?“ meinte er liebevoll und hielt mir seinen Arm hin damit ich mich unterhaken konnte. In der Eingangshalle erwartete uns Mrs. Wallace und sah zu uns hinauf, ihr Gesicht war ein einziges wohlwollendes Lächeln. Wir gingen in den Salon um auf die beiden Ehepaare zu warten, es dauerte nicht lange, da wurden sie angekündigt.
Man beglückwünschte uns noch zur Hochzeit und freute sich dann auf die offizielle Feier im März. Ansonsten war es ein Essen wie viele andere, außer dass ich mich jetzt etwas wohler dabei fühlte.
Die letzten Wochen vergingen wie im Fluge, ich war mit den Geschäften abgelenkt, ich trainierte alle 2 oder 3 Tage die Frauen der Pächter und hatte mich mittlerweile auch an die Angestellten gewöhnt. Morgens nach dem Frühstück stand immer die übliche Besprechung für den Tag mit Mrs. Wallace an, bei der Haytham mir freie Hand ließ. Er selber hatte mit der Beschaffung des neuen Saatgutes zu tun und fing an, das Anpflanzen in Angriff zu nehmen. Wir waren in unserem Alltag angekommen, doch es störte mich nicht, im Gegenteil. Mir gefiel meine Rolle hier und ich lernte immer weiter dazu.
Mit Faith hatte ich regen Briefkontakt, in welchem wir uns durchaus auch über unsere Sehnsüchte austauschten und ich freute mich jedes mal, wenn ich Post bekam. Doch heute sollten sie hier ankommen und ich war schon ganz hibbelig beim Frühstück. „Alex, du machst mich ganz nervös mit dieser Zappelei. Es ist doch nur Faith...“ meinte Haytham etwas genervt neben mir. „NUR Faith? Also ich finde, das ist Grund genug, dass ich mich freue, mi amor!“ antwortete ich schmollend. „So war das doch nicht gemeint, das weißt du auch!“
Nach dem Frühstück zog ich mir schnell meinen Mantel über und ließ Fenrir satteln. „Wo willst du hin, Alex?“ fragte mein Mann erstaunt. „Ich will an der Anlegestelle auf sie warten, sie hatte geschrieben, dass sie mit der Morrigan anreisen!“ ich gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, dann stieg ich auf und ritt einfach los. In meinem Rücken konnte ich sein Augenrollen und Kopfschütteln spüren, aber es war mir völlig egal!
Ich musste auch nicht lange warten, dann sah ich schon die Segel von Shays Schiff und trat von einem Bein aufs andere. Neben mir erschien dann auch Haytham und nahm mich in den Arm. „Wir sollten sie gemeinsam empfangen, denkst du nicht?“ meinte er leicht tadelnd. Er hatte halt seine Traditionen und anerzogenen guten Manieren, auch achtete er penibel auf Etikette, was manchmal etwas nervtötend sein konnte. „Du hast Recht, verzeih mir, mi amor!“ und ich lehnte mich an ihn.
Als dann endlich die Morrigan festgemacht war, eilte ich einfach drauf los und auch Faith kam mir entgegen gerannt. Endlich hatte ich sie wieder und ohne ein Wort gab ich ihr einen langen verlangenden Kuss, welcher von unseren Männer unterbrochen wurde. Wir würden sicher ein wenig Zeit für uns finden, dachte ich still und begrüßte nun auch Shay, July, Caden und Cillian. July freute sich, ihren Patenonkel wieder zusehen und plapperte gleich drauf los, was sie alles erlebt hatte. Somit war mein Mann in Beschlag genommen und ich musste grinsen. Mit von der Partie waren auch Maggie und Master Williams, auch sie wurden herzlich in Empfang genommen.
Einer der Arbeiter brachte mir mein Pferd und ich stellte meiner Schwester erst einmal Fenrir vor. „Er ist wirklich ein schönes Tier.“ meinte sie und strich vorsichtig über sein Fell. Auch bei ihr war er ruhig. Als aber die Kinder in seine Nähe kamen, spürte ich, wie er leicht zurückwich und unruhig hin und her ging. Shay nahm seine Kinder und stieg in die Kutsche für sie. Die Truhen waren schon auf einem Karren in Richtung Herrenhaus unterwegs. Haytham stieg mit ein und ich überließ es Faith, ob sie mit mir... doch sie sah mich nur lächelnd an.
Gemeinsam ritten wir dann zurück, ich ließ meinen Hengst absichtlich langsam machen. Meine Schwester saß vor mir und ich hatte meine Arme um sie geschlungen und konnte so hin und wieder einen Kuss auf ihrem Hals hinterlassen. „Wenn du so weitermachst, werden wir noch eine Ewigkeit brauchen, bis wir am Haus ankommen, mein preußisches Weib.“ kam es leise von Faith und eine Hand wanderte unter meine Röcke. „Dann sollte ich Fenrir wohl etwas antreiben, damit wir es bequemer haben können, mo rionnag!“ meinte ich flüsternd an ihrem Ohr, bei diesen Worten lehnte sie sich an mich.
„Da seid ihr ja, wir dachten schon, ihr habt euch verirrt.“ kam es säuerlich von Shay. „Nein, mein Pferd findet immer den Weg hierher, keine Sorge.“ Mr. Mackenzie brachte meinen Hengst in den Stall und ich ging mit den anderen hinein. Master Williams würde mit Maggie eines der Kinderzimmer nehmen und Shay und Faith das Gästezimmer mit dem angrenzenden Zimmer für ihre Kinder.
Alle anderen Gäste, welche dann morgen anreisen würden, werden im Gästehaus untergebracht. Es würden insgesamt 60 Personen werden, aber der Platz war vorhanden und ich hatte mit dem Küchenpersonal das Essen bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Ich hoffte nur, dass alles reibungslos klappte. Ich selber durfte ja keinen Fuß in die Küche setzen.
Mein Kleid war bereits vor einer Wochen angekommen und Frau Fischer hatte mit mir eine Anprobe gemacht. Es war ein rotes langärmeliges Kleid aus Seide mit schwarzem Spitzeneinsatz am Dekolletee, am Ärmel und Ausschnitt gab es eine goldene Bordüre. Haythams Anzug sah ähnlich aus, leider konnte ich ihn noch nicht angezogen sehen.
Dieses mal war ich wesentlich ruhiger, ich hatte ein wenig Zeit für die Planung gehabt und auch der Ablauf der Zeremonie an sich, war nicht anders als damals im Dezember. Nur dass uns jetzt ein Friedensrichter offiziell traute, erst ab morgen wäre ich eigentlich Mistress Kenway. Was mir aber ziemlich egal war, ich liebte meinen Mann und damit Basta, ob offiziell verheiratet oder nicht.
Als wir gerade im Salon saßen und sich unsere Gäste ein wenig akklimatisieren konnten, kündigte mir Mrs. Wallace weitere Gäste an. Als ich ein lautes „OMAAAAAAAA!“ hörte, wusste ich, dass mein Sohn wieder da war! Dieses Mal war aber Yannick alleine mit Melissa und Alex hierher gekommen und ich schloss sie alle drei in meine Arme. „Mom, es ist so schön, dich wieder zusehen!“ meinte mein Sohn und drückte mich an sich.
Also noch einmal eine Begrüßungsrunde und dann wurde es etwas ruhiger. Doch nicht lange, das Mittagessen stand an und ich hatte mich vorsorglich schon einmal umgezogen. Ich muss aber sagen, das Essen verlief sehr gesittet und die Kinder benahmen sich alle fast tadellos. Nur Alex hatte diese Phase, in welcher er nur das isst, was er auch erkennen kann. Aber es gab leider Püree zum Braten und er rührte es nicht an, auch als Melissa versuchte zu erklären. „Lass ihn, wenn er Hunger hat, dann isst er schon.“ meinte ich beschwichtigend, aber ich sah, dass sie genervt von diesem Gemecker war.
Danach verschwanden sie alle vier für den Mittagsschlaf! Mein Enkel weigerte sich jedoch, von seiner Mutter hingelegt zu werden. „Oma soll!“ kam es immer wieder, also schön, dachte ich mir. Ich nahm den Kleinen auf den Arm und ging mit ihm in eines der noch freien Kinderzimmer, wo jetzt auch seine Eltern untergebracht worden waren. Ich wechselte die Windeln und dann erzählte ich ihm meine Geschichte weiter. Als er dann eingeschlafen war, ging ich leise hinaus und traf auf der Galerie auf Yannick. „Mom, es ist seltsam mit Alex, seit er diese Fähigkeiten hat. Er sieht manchmal einfach nur jemanden an und es ist, als würden sie miteinander reden. Oder aber neulich bei der Tochter einer Freundin die sich das Knie angehauen hatte, hat er seine Hand auf die Wunde gelegt, und es war wieder gut.“
Staunend sah ich ihn an. „Das ist fantastisch, Yannick. Aber denke daran, dass du ihm beibringen musst, dass er das nicht öffentlich machen darf. Ich werde auch noch einmal Melissa instruieren. Du weißt, wie schnell die Medien auf so ein Phänomen aufmerksam werden können.“ meinte ich etwas ängstlich. „Danke Mom.“ ein Kuss auf meine Stirn und wir gingen wieder hinunter zu den anderen. Mir wurden jetzt die neuesten Berichte übermittelt und die Fortschritte, welche unser Enkel schon gemacht hatte. In der Politik gab es einfach keine Wende, alles blieb irgendwie beim alten. Veränderungen im Schneckentempo oder wie?
Es folgte auch noch ein kleiner Rundgang durchs Haus und ein kurzer Blick über den Garten und das angrenzende Gelände. „Alex, dass ist aber eine Menge Fläche, die man bewirtschaften muss. Habt ihr einen Gärtner?“ fragte mich meine Schwiegertochter mit offenem Mund. „Natürlich, ich hätte gar nicht die Zeit dafür und Haytham würde mir den Hals umdrehen, wenn ich mich mit so etwas beschäftigen würde. Ich darf ja nicht einmal in der Küche den kleinsten Handschlag machen.“ meinte ich lachend, doch sie nahm mich etwas zur Seite und flüsterte besorgt. „Ist er wirklich so streng?“ und ich sah, wie sie meinen Mann böse musterte. „Melissa, nein, er ist nur sehr traditionsbewusst. Und es gehört sich für mich als Frau eines Plantagenbesitzers und Geschäftsführerin eigener Geschäfte nicht, dass ich die Tätigkeiten der Bediensteten übernehme. Keine Sorge!“ meinte ich beruhigend und drückte ihren Arm. „Ach so, ich dachte schon... Dann würde ich ihn mir aber mal vorknöpfen...“ doch auch sie musste jetzt lachen.
Mittlerweile hielt der Frühling Einzug und wir konnten in der Nachmittagssonne auf der hinteren Terrasse sitzen. Als später die Kinder wieder wach waren, konnten sie sich hier im Garten noch austoben. Ich stand für einen Moment dabei und sah ihnen zu, wie sie völlig friedlich miteinander umgingen. Caden zeigte Alex gerade, wie man über das Geländer des Pavillons am besten klettern kann. Ich musste mich zurückhalten, ich hatte Angst die beiden würden Kopfüber hinunter fallen und in den angrenzenden Teich plumpsen. Du brauchst keine Angst haben, Oma. Ich kann das schon! Hörte ich ihn dann und war seltsamerweise beruhigt.
Plötzlich jaulte Cillian auf, er war ebenfalls mit von der Kletterpartie, hatte sich aber dabei den Unterarm aufgeratscht. Gerade als er zu Faith rennen wollte, sah ihn Alex an und nahm seinen Arm. Liams Sohn schaute mit großen Augen auf die verschwindende Wunde, dann auf Alex. „Wie hast du das gemacht?“ fragte er immer noch staunend. Mein Enkel sah ihn an und Cillian nickte lächelnd. In diesem Moment nahm ich mir Alex und ging mit ihm hinein, was mir fragende Blicke der Gäste einbrachte. Ich ging mit ihm ins Lesezimmer und schloss leise die Tür.
„Alex, du darfst das nicht immer machen, wenn jemand verletzt ist. Es gibt Menschen die das nicht gut finden oder dich dann ausnutzen. Wenn du jemandem helfen möchtest, dann tue es, ohne dass andere es bemerken. Deine Fähigkeiten sind nicht für die Öffentlichkeit! Hast du mich verstanden?“ Mahnte ich ihn jetzt. „Aber ich mag es nicht, wenn jemand sich wehgetan hat, Oma!“ „Das glaube ich dir ja, du darfst es aber nicht so zeigen! Das ist gefährlich! Versprich es mir, Alexander!“ ich sah ihm lange in die Augen. Ich spürte, dass er mich verstand und er nickte eifrig. „Oma lieb!“ meinte er dann und nahm mich in den Arm. „Ich hab dich auch lieb, Schätzchen!“ Ich hoffte, dass ich meinem Enkel diese Situation einigermaßen verständlich gemacht hatte. Doch ich musste trotzdem noch Melissa erzählen, dass sie ihm zuhause ruhig auf die Finger klopfen sollte.
Auf der Terrasse war es ruhig geblieben und mein Mann sah mich fragend an. „Ich erkläre es dir später, mi amor! Melissa, wenn du nachher kurz Zeit hast, müssen wir uns darüber auch noch einmal unterhalten.“ meinte ich lächelnd. „Yannick sagte so was schon.“ gab sie etwas zögernd von sich.
Nachdem die Kinderschar dann endlich im Bett war, ging ich mit meiner Schwiegertochter in mein Arbeitszimmer. Als sie die gesicherte Truhe sah, grinste sie breit und meinte nur „Du müsstest sie jetzt mal sehen, ziemlich ramponiert. Kaum zu glauben, dass sie mal SO aussah!“ ich konnte es mir bildlich vorstellen, es gab sicherlich genügend Personen, welche sich den Inhalt gerne unter den Nagel gerissen hätten.
„Ich habe dich eigentlich nur kurz unter vier Augen sprechen wollen, weil es um diese Fähigkeiten eures Sohnes geht. Melissa, du musst ihm Einhalt gebieten, du musst ihm zur Not auf die Finger klopfen. Dieses Wunderheilen ruft sonst schneller Quacksalber und ungewollte Presse auf den Plan, als ihr gucken könnt! Ihr wisst, dass das gefährlich ist und dann wird euch auch der Orden oder die Bruderschaft nicht mehr helfen können!“ meinte ich eindringlich, ich musste sicherstellen, dass sie es auch richtig verstand.
„Aber ich bin nicht immer bei ihm, was ist später im Kindergarten?“ fragte meine Schwiegertochter leicht verzweifelt. „Bis dahin MUSS er es verstanden haben, du kannst schlecht die Erzieherinnen mit einweihen. Wobei man bei kleinen Kindern immer noch von Einbildung reden kann, dass sie etwas gesehen haben, was gar nicht da war. Doch auf Dauer wird das leider nicht funktionieren!“ ich drückte wieder ihren Arm und sah sie beruhigend an.
„Dann habe ich noch eine Menge Arbeit vor mir, oder?“ kam es seufzend von ihr. „Ja, die hast du vor dir! Aber ich weiß, du schaffst das!“ meinte ich aufmunternd und nahm sie in den Arm.
Wir gingen jetzt wieder hinunter und mich trafen besorgte Blicke von meinem Mann und meinem Sohn. „Alles in Ordnung, nichts Wildes ihr beiden!“ meinte Melissa lachend und setzte sich zu ihrem Mann. Nachdem Shay mal wieder eine Diskussion mit Haytham begonnen hatte über die politische Lage der Kolonisten, musste ich immer wieder Yannick daran erinnern, ihnen nicht ins Wort zu fallen. „Aber Mom... sollten sie nicht wenigstens wissen, wer der erste...“ ich fuhr ihm sofort über den Mund und meinte leise. „NEIN! Sollten sie nicht! Und jetzt... Ruhe!“ und hob nur eine Augenbraue. „Es klappt immer noch Mom.“ meinte er lachend und Melissa prustete ebenfalls.
Faith warf mir einen fragenden Blick zu und ich versuchte wieder in ihren Geist zu einzudringen. Mein Sohn würde gerne erklären, WAS hier alles noch passieren wird. Doch das kann ich nicht zulassen! Und ich habe ihn zurecht gewiesen. Yannick wäre den beiden schon einige Male ins Wort gefallen! In ihren Augen las ich, sie hatte mich verstanden, doch ich hatte auch einige sehr, nunja, unanständige Gedanken gesehen und wir grinsten uns beide nur an.
„Ah, Frauengespräche ohne Worte. Mi sol, du weißt, dass ich das nicht mag!“ meinte Haytham jetzt etwas maulig, doch ich hörte, dass auch der gute Whiskey aus ihm sprach. „Mi amor, ich gehöre dir alleine, das weißt du doch!“ und ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss.
Nach und nach verabschiedeten sich alle für die Nacht und für einen Moment waren wir ganz alleine. „Alex, ich hoffe, du hattest keine unangenehmen Nachrichten bekommen vorhin, oder?“ fragte Haytham etwas besorgt. „Nein, es ging um die Fähigkeiten von klein Alex. Yannick und Melissa müssen aufpassen, dass er das alles nicht in der Öffentlichkeit einsetzt. Das könnte gefährlich werden. Mehr war es eigentlich nicht.“ und ich lehnte mich an ihn und nahm noch einen kräftigen Schluck von meinem Portwein. Plötzlich hauchte er mir nur noch ins Ohr. „Wir sollten auch nach oben gehen und … zu Bett gehen, was meinst du, mi sol?“ Seine Hände glitten über meinen Ausschnitt und ich konnte seinen warmen Whiskey geschwängerten Atem an meinem Hals spüren und drehte mich zu ihm und küsste ihn einfach als Antwort.
Nachdem mir mein Mann dann noch einmal kurz demonstriert hatte, dass er es nicht duldet, wenn ich schweigend mit seiner kleinen Schwester kommuniziere, schlief ich erschöpft aber zufrieden an seiner Seite ein.
Als ich die Augen aufschlug, sah ich in zwei kleine grüne leuchtende Augen und spürte ein ziemliches Gewicht auf meiner Brust. „OMAAAAA! WACH!!!“ und mein Enkel warf sich auf mich und presste mir die Luft aus den Lungen. „Ja, mein Schätzchen, ich bin wach. Danke.“
Neben mir hörte ich ein sehr unmännliches Gekicher, welches ich mit einem Stoß meines Ellbogens unterband. „Mi sol, du hast überhaupt nichts bemerkt. Wir sind schon eine ganze Weile wach und haben uns über deine seltsamen Geräusche beim Schlafen unterhalten!“ meinte er weiterhin lachend. „Das freut mich ja für euch beide. Aber... warum seid ihr BEIDE schon wieder wach. Es ist doch noch so früh.“ maulte ich und schob Alex zwischen mich und meinen Mann.
„Opa und Oma Hofzeit“ jetzt war ich es, die lachen musste. „Hochzeit, Alex. Du hast uns also geweckt, damit wir das nicht vergessen?“ grinste ich ihn an. „Papa sagt wach machen!“ doch plötzlich kuschelte er sich an Haytham und nahm seinen Daumen in den Mund. „Mit deinem Opa kuschelst du und mich bespringst du einfach... so so.“ ich gab meinem Mann einen guten Morgen Kuss. „Ihhhhhhhhhhh“ kam es von Alex und dafür hatte er sich auch einen dicken Schmatzer von mir verdient. „Oma bahhhhh...“ und er wischte sich über die Wange.
„Alexander, aber du musst mal dringend deine Mama wach machen! Sonst verpasst sie ja alles!“ meinte Haytham grinsend und erschrocken sah unser Enkel ihn an. „Mama nicht da?“ und er flüchtete förmlich aus unserem Bett und rannte schreiend über die Galerie zum Zimmer seiner Eltern. Ich schlich mich an die Tür und hörte, wie Melissa laut fluchte „Verdammt, nicht jetzt...“ und da wusste ich, dass ihr Sohn sie gerade ziemlich gestört hatte.
„Mi amor, auch mein Sohn hat mal ein paar Minuten mit seiner Frau verdient, findest du nicht?“ doch Haytham konnte nicht an sich halten. „Nein, finde ich nicht. Ich habe dich ja auch nicht immer für mich alleine, wenn ich es gerne möchte.“ ich schloss wieder die Tür, ging langsam auf das Bett zu und ließ mein Nachthemd dabei fallen. „Master Kenway, wir haben jetzt noch ein paar freie Minuten und ich dachte mir...“ seine Arme zogen mich schwungvoll unter sich und ich hörte seine raue Stimme sagen „Mistress Kenway, die haben wir und ich weiß auch schon, wie ich sie sinnvoll nutzen werden!“
Diese doch sehr sinnlich genutzte Zeit genoss ich in vollen Zügen und lag dann selig an seiner Schulter. Doch lange hatten wir nicht, es klopfte zaghaft und ich hörte wie Magda mitteilte, dass das Frühstück fertig sei. Ich stieg aus dem Bett und zog Haytham mit hoch. „Dann mal los, mi amor. Wir haben heute noch etwas vor.“ meinte ich und erntete seine flache Hand auf meinem Po. „Haben wir das? Ach ja... da war ja was!“ grinste er mich schelmisch an.
Das Frühstück war turbulent und laut, auch wenn man die Kinder immer mal wieder für ein paar Sekunden ruhig bekam. Im Laufe des Vormittags erschienen dann die Gäste und wurden auf die Zimmer im Gästehaus verteilt. Dann stand auch schon das Mittagessen an, es bestand lediglich aus einer Kleinigkeit. Heute Abend nach der Zeremonie würde es das große Dinner geben. So langsam wurde ich doch nervös, obwohl bisher alles reibungslos verlief.
Und dann fuhr der Duke of Ironside, Master Elias Lestrange, vor. Ich will nicht sagen, dass ich ihn vergessen habe, doch so in etwa ist es gewesen. Dieses mal hatte er auch seine Ehefrau mitgebracht und ich muss sagen, sie war eine wirkliche Schönheit und strahlte, wie ihr Mann auch, eine gewisse Autorität aus. Wir nahmen die beiden in Empfang und gerade als ich orderte, dass das Gepäck ins Gästehaus gebracht werden sollte, meinte Elias, sie würden heute noch wieder abreisen müssen, da wichtige Aufgaben anstanden. Nun gut, dann ist das eben so und man stellte sich allen anderen vor und ich überließ die Gäste für einen Moment sich selber.
Der Wintergarten war jetzt so freigeräumt, dass es einige Stuhlreihen gab und an der Stirnseite vor dem Kamin würde der Friedensrichter auf uns warten. Wir hatten bereits vor ein paar Tagen besprochen, wie es ablaufen sollte, doch ich musste jetzt darauf hinweisen, dass mein Sohn mich wieder begleitet. Da war ich mir ja nicht ganz sicher, ob er wieder dabei sein wird. Das Lesezimmer wurde kurzerhand zum Brautzimmer umfunktioniert und mein Kleid und alles war schon dort. Von dort aus könnte ich durch den Mittelgang auf Haytham zugehen.
Dieses mal hatte ich einen Brautstrauß, welchen mir mein Mann überreichte, als ich zum Umziehen gebracht wurde. Dann ging er ebenfalls mit seinem Kammerdiener und ließ sich einkleiden. Magda folgte mir und ich sah, dass sie leicht feuchte Augen hatte. „Ist alles in Ordnung mit dir, Magda?“ fragte ich etwas besorgt. „Mistress Kenway, ich freue mich einfach für euch. Ich wünschte, ich hätte auch so einen liebenden und gutaussehenden Mann an meiner Seite!“ meinte sie plötzlich und ihr liefen die Tränen.
Ich nahm sie in den Arm. „Das wird noch, glaubt mir. Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass ich hier mit Master Kenway einmal stehen werde. Ihr müsst einfach fest daran glauben, Magda!“ und ich wiegte sie leicht hin und her. Mittlerweile waren alle Anwesenden liiert, verheiratet oder einfach nur vergeben. „Danke, Mistress Kenway! Ihr habt immer irgendwie die passenden Worte, wie macht ihr das?“ fragte sie leicht schniefend. „Hmmmm, das weiß ich ehrlich gesagt nicht!“ lächelte ich sie an.
Sie wischte sich entschieden die Tränen ab und meinte mit fester Stimme. „Dann wollen wir euch mal einkleiden! Also, runter mit den billigen Fetzen!“ und ich musste lachen. Irgendwann stand ich vor dem hergebrachten Spiegel und besah mich in diesem Traum aus dunkelroter Seide, dazu der Rubinschmuck von Tessa und der Brautstrauß in dem passenden Rotton gehalten. „Ihr seht fantastisch aus, Mistress Kenway! Ich werde euren Sohn jetzt holen!“ meinte sie und ging mit einer Hand vor dem Mund hinaus in den Salon. Kurz darauf ging die Tür erneut auf und Yannick trat ein. „Mom... wow!“ mehr sagte er nicht, lächelte mich an und hielt mir seinen Arm hin. Er öffnete die Tür und wir traten in den Wintergarten.
Die Anwesenden erhoben sich und sahen in unsere Richtung, jetzt bekam ich doch leicht weiche Knie und hielt mich an meinem Sohn fest. Langsam gingen wir durch den Mittelgang auf meinen Mann zu. Beide hatten wir den anderen fest im Blick. Neben ihm stand Shay und Faith auf der anderen Seite als meine Trauzeugin. Dann stand ich vor ihm und Yannick schluckte schwer, als er mich ein zweites Mal an meinen Mann übergab. „Haytham, seid ein guter Ehemann für meine Mutter, wie ihr es bis jetzt ward.“ plötzlich nahm der Templer ihn in den Arm mit den Worten „Das werde ich, Yannick. Ich gab dir das Versprechen und ich werde es auch weiterhin halten!“ Jetzt standen wir uns gegenüber und ich sah ihn zum ersten Mal in seinem Anzug. Ich zog anerkennend eine Augenbraue hoch und erntete ein warmes Lächeln.
Der Friedensrichter fing an mit seiner Rede und die Gäste nahmen Platz. Ich hatte den Brautstrauß an Faith übergeben, somit hatte ich die Hände frei und hielt Haythams fest. Wir nutzten die Ehegelübde, welche wir schon im Dezember geschrieben hatten. An meinen Worten hatte sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Als ich dieses mal aufgefordert wurde, den Ring anzustecken, hatte ich einen. Haytham und ich hatten in New York zwei wunderbare einfache Ringe anfertigen lassen. Seiner war breit und hatte ein ziseliertes Templerkreuz in der Mitte mit einem Diamanten. Meiner war etwas schmaler aber ihn zierten das Assassinensymbol im Einklang mit dem Templerkreuz und es befanden sich einige kleine feine Diamanten an den Ecken der Symbole!
Als wir die Ringe getauscht hatten und der Friedensrichter gerade wieder sprechen wollte, bat Haytham ihn mit einer Handbewegung kurz innezuhalten. „Yannick, würdest du bitte kurz hierher kommen?“ ich sah fragend von ihm zu meinem Sohn. „Du hast deiner Mutter im Dezember mit deinem Geburtsring ausgeholfen, doch das kann ich nicht annehmen, er verbindet dich und sie für immer. Du sollst ihn jetzt wieder bekommen, Sohn!“ und damit übergab er den silbernen Ring mit dem Datum der Geburt wieder an Yannick. „Danke, Mas... Haytham!“ und die beiden nahmen sich wieder in den Arm und klopften sich auf die Schulter.
Ein Räuspern und der Friedensrichter fuhr fort. „Master Kenway, ihr dürft eure Frau jetzt küssen. Und jetzt dürft ihr es auch offiziell!“ meinte er mit einem leisen Lachen und die Anwesenden fielen mit ein. Sein Kuss war innig und ich spürte seine Liebe. Als wir uns voneinander lösten, erhoben sich unsere Gäste und applaudierten. Faith reichte mir meinen Strauß und jetzt wurden wir von allen beglückwünscht und umarmt. Alex rannte auf mich zu und klammerte sich an meine Röcke. „Oma nicht alleine! Alex auch?“ Haytham nahm unseren Enkel auf den Arm und meinte nur „Du wirst auch irgendwann jemanden an deiner Seite haben, Alex! Du musst nur fest daran glauben!“ und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Alex´ Ärmchen schlossen sich um seinen Hals und ich hörte wie er still mit meinem Templer redete. Ich gehe nicht näher darauf ein, es war ein reines Enkel zu Opa Gespräch!
Da das Wetter auch heute mitspielte und die Temperaturen relativ angenehm waren, wurden die Flügeltüren geöffnet, nicht alle aber ungefähr die Hälfte und man verteilte sich auf der Terrasse und dem Haus. Das Personal stand in einer Reihe und gratulierte uns ebenfalls nacheinander. Mrs. Wallace war im Dezember ja nicht anwesend, also kam auch von ihr jetzt eine Erinnerung, als ich noch im Fort George festsaß. „Ihr habt gut für unseren Master Kenway gesorgt, auch wenn er das nicht immer gleich bemerkt hat, Mistress Kenway. Ich freue mich, dass ich heute hier sein kann und eure Hochzeit erleben darf.“ kurzerhand nahm sie mich in den Arm und ich ahnte, dass Haytham das nicht gerne sah. „Danke Sybill!“ mit Mühe konnte ich die Tränen zurückhalten.
Nach dem Abendessen ging es feucht fröhlich her, doch dieses mal gab es ein paar Musiker. Es war unser offizieller Hochzeitstanz und ich konnte nicht anders, als die ganze Zeit in diese leuchtenden grauen Augen zu sehen. Somit war die Feier eröffnet und hier und da wurde ich dann noch einigen Damen und Herren vorgestellt, welche ich noch nicht kannte. Aber es war mir nicht mehr unangenehm, sondern ich wusste, wie ich mich zu verhalten hatte.
Meine Schwiegertochter hingegen tat sich aber sichtlich schwer, weswegen ich sie kurzerhand unter meine Fittiche nahm. Ich führte sie durch die Anwesenden und stellte auch sie pro Forma vor. Erleichtert, dass sich ihrer jemand annahm, folgte sie mir und meinte irgendwann. „Das ist alles wahnsinnig viel was du dir merken musst, wie kann man die ganzen Namen behalten und wer zu wem gehört?“ ich musste grinsen, mir ging es damals bei Faiths Hochzeit ähnlich. „Das muss ich gar nicht, Melissa. Von allen hier, sehe ich nur die Hälfte, wenn überhaupt, mal wieder und dann stellt man sich eh wieder mit Namen vor.“
Irgendwann standen wir dann vor dem Duke und der Duchess. Ich spürte wie Melissa anfing zu zittern, doch ich hielt sie entschieden am Arm und machte sie mit den Eheleuten bekannt. „Mrs. Frederickson, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen!“ kam es mit einem seichten Handkuss an meine Schwiegertochter. Zum ersten mal wurde mir bewusst, dass sie meinen Nachnamen trug, Yannick hatte nie Engelhardt angenommen. Ich und meine seltsamen Gedankengänge.
Wir unterhielten uns kurz mit ihnen und gingen dann weiter, doch ich spürte die Blicke von Elias hinter mir und auch seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Euer Enkel hat wichtige Fähigkeiten bekommen, welche er hoffentlich auch weise nutzen wird. Ihr seid eurem Ziel wieder etwas näher gekommen, Mistress Kenway! Mir wurde etwas schwindelig und ich hielt mich bei meiner Schwiegertochter fest. „Alex, ist alles in Ordnung?“ fragte Melissa mich plötzlich. „Ja, alles ok. Es ist nur oft noch dieses unwirkliche Gefühl, weißt du?“ meinte ich leichthin. „Kann ich nachfühlen.“
Gegen 1 Uhr verabschiedeten wir noch Eheleute Lestrange. „Endlich hab ich dich für ein paar Sekunden für mich!“ seufzte Haytham, nahm mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf. WAS bitte hatte er alles getrunken, war ich so schrecklich und er musste mich erst schön trinken? „Haytham, bei Odin. Was hast du bitte alles in dich hineingeschüttet!“ fragte ich lachend. Ein leicht benebeltes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Mein Stiefsohn ist schuld! Er hatte eine Flasche von... ich weiß nicht mehr, wie das Zeug heißt... mitgebracht. Aber es war richtig lecker.“ Als wir so beieinander standen, gab es die ersten anzüglichen Ansagen, dass es Zeit für die Hochzeitsnacht wäre.
Ich wurde leicht rot, weil ich wusste, dass sie jetzt alle große Ohren hatten für den Rest der Nacht, doch wenn ich mir meinen Ehemann so ansah... aber er verkündete lautstark, er wünsche allen Anwesenden eine wohlverdiente Nachtruhe und dankte noch einmal für die Glückwünsche und Geschenke. Ich vergaß immer seine extreme Diszipliniertheit die er an den Tag legen konnte. Er nahm meinen Arm und führte mich durch die Eingangshalle die Treppe hinauf und öffnete die Tür zum Schlafzimmer, hielt aber kurz inne.
Etwas irritiert sah ich ihn an. „Haytham, ist alles in Ordnung mit dir?“ er nahm mich nur in den Arm und sah mich lange an. Dann erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. „Du bist jetzt offiziell meine Frau!“ ich schüttelte den Kopf, weil ich ihm nicht ganz folgen konnte. „Theoretisch und von Gesetzes wegen dürfte ich jetzt mit dir machen, was mir gerade in den Sinn kommt.“ und seine Hände legten sich auf meinen Hintern und griffen zu. „Das könntest du, aber wirst du es auch in die Tat umsetzen?“ fragte ich süffisant und hauchte einen Kuss auf seinen Hals.
Das war sein Stichwort und Haytham hob mich hoch und brachte mich in unser Schlafzimmer, mit dem Fuß stieß er die Tür zu. Dann ließ er mich wieder auf meine Füße hinunter, aber hielt mich weiterhin in seinen Armen. Seine Finger strichen über den Schmuck an meinem Hals, fuhren langsam über meinen Ausschnitt. „Dreh dich um, mi sol.“ meinte er befehlend und ich tat, wie mir geheißen.
Danach verlief alles wie in einem Nebel. Diese Hochzeitsnacht war anders, sie war ruhig und ich genoss sie und vor allem meinen Mann. Ich hatte mich wohl getäuscht, so viel Alkohol schien er doch nicht getrunken zu haben. Geschickt löste er die vielen Schnüre und das Kleid samt Unterröcke fiel nach und nach auf den Boden. Als ich Haytham ebenfalls von dem vielen Stoff befreit hatte, standen wir uns für einen Moment schweigend gegenüber. Dann ließ er sich auf der Bettkante nieder und winkte mich zu sich. Ich will dich, Alex. Kam es von ihm, während seine Hände in meine Haare griffen und mich auf die Knie drückten. Du weißt, was du zu tun hast und mach es richtig! Hörte ich seinen Befehl in meinem Kopf und befolgte ihn.
Es dauerte aber nicht lange, da zog er mich wieder hoch und hob mich auf seinen Schoß! Jetzt wo wir so offiziell verheiratet sind, fühlt es sich tatsächlich noch um einiges intensiver an, Mistress Kenway. Bewegt euch, oder muss ich euch an eure ehelichen Pflichten erinnern? kam es sogar in meinem Kopf völlig atemlos an. Nein, ihr müsst mich nicht daran erinnern, Master Kenway! Ich konnte nicht anders, ich wollte ihn spüren und zwar JETZT! Meine Bewegungen wurden unkontrollierter, genauso wie seine und wir umklammerten uns, um uns nicht zu verlieren. Aber es kam kein Ton über unsere Lippen.
Plötzlich lag ich unter ihm und sah erschrocken in seine dunklen grauen Augen. Um uns schien sich eine Präsenz zu bewegen, doch ich konnte mich nicht richtig darauf konzentrieren, sondern flehte Haytham nach Erlösung an. Seine Bewegungen in mir wurden intensiver und als er laut meinen Namen über die Lippen brachte und auf meiner Brust zusammensackte, konnte auch ich loslassen. Ich tat es laut stöhnend und griff in seine Haare um irgendeinen Halt zu haben. Haytham beugte sich zu mir hinunter um mir eine vorsichtigen Kuss zu geben.
Als ich zugedeckt neben ihm lag und er seinen Arm um mich legte, fragte er leise „Hast du das auch gespürt, mi sol? Diese Anwesenheit von irgendetwas hier, oder habe ich mir das nur eingebildet?“ er schüttelte dabei leicht den Kopf, so als wolle er eine dunkle Erinnerung abschütteln. „Ich hatte auch so ein Gefühl, aber was oder wer sollte es gewesen sein und vor allem, WARUM?“ meinte ich jetzt etwas schläfrig an seiner Brust. „Alex, du strahlst plötzlich eine enorme Wärme ab, wirst du etwa krank?“ kam es erschrocken von meinem Mann und er sah mich besorgt an. Plötzlich weiteten sich seine Augen und sahen zu meiner Tätowierung am Bauch.
Sie leuchtete intensiv und jetzt fühlte auch ich diese Wärme und diese Vibrationen in meinem Bauch. Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich seine Hand und legte sie auf meinen Bauch. „Alex, was ist das?“ kam es ängstlich aus seinem Mund. Ich musste einfach breit lächeln. „Haytham, ich glaube uns wurde gerade dabei geholfen, ein Kind zu bekommen!“ meinte ich etwas zitternd. Aber woher sollte ich das wirklich wissen, es war noch keine viertel Stunde her.
Dann huschte dieser Schleier über Haythams Augen. Faith hatte mir erzählt, dass Shay seinen Blick genutzt hatte, um den Herzschlag von July zu sehen. War das wirklich so möglich? Wenn dem so ist, dann hätte sich meine Sorge, keinen Ultraschall machen zu können, ja erledigt. „Mi sol, in deinem Bauch tobt gerade ein regelrechter Orkan! Du leuchtest violett und es pulsiert von innen heraus!“ immer noch fasziniert, starrte er von meinem Gesicht auf meinen Bauch! „Wir werden Eltern, Haytham!“ und ich konnte mich nicht mehr beherrschen, ich heulte drauf los und umschlang ihn einfach.
Als ich mich einige Zeit später wieder beruhigt hatte und Haytham auch, sah er mich lüstern an. Ich spürte, dass er noch nicht genug hatte und zog ihn über mich. „Wir sollten auf Nummer sicher gehen, mi sol!“ kam es seufzend von ihm, als er mich ein weiteres Mal nahm und wir verloren uns wieder ineinander. Seine warmen Hände hielten mich fest, bis ich langsam mit ihm gemeinsam in den Schlaf glitt.
Ich stand am Strand und hörte plötzlich Edwards Stimme. „Da bist du ja und wie ich sehe, bekommt dir die Ehe sehr gut.“ Grinste mich der Pirat an. „Ja, ich denke schon.“ lächelte ich.
„Kann ich dich etwas fragen, Edward?“
„Ja, wenn ich dir auch eine Antwort geben kann!“ meinte er immer noch grinsend und er stand nur wenige Zentimeter vor mir.
„Sind auch alle anderen hier auf Great Inagua?“ diese Frage ging mir eine ganze Weile schon durch den Kopf.
„Sie sitzen oben auf der Terrasse, du weißt ja, sie sind alle trinkfest und lassen es sich gut gehen!“ meinte er lachend. „Aber um es vorweg zu nehmen, Alex. Nein, du kannst nicht dorthin!“ er sah mich entschuldigend an.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und seine blauen Augen ruhten auf mir, dann bekam ich einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn mit den Worten „Und in ein paar Monaten werde ich dann wieder Großvater, Tessa freut sich schon darauf!“
Ich blinzelte ihn an. Woher wusste er das? „Wie...!“ doch in dem Moment fiel es mir ein, er konnte es vermutlich genauso wie ich auch spüren. Ich lächelte zu ihm auf und nahm ihn in den Arm. „Das wirst du, Edward!“
Dann drehte er sich um und ging den Pfad hinauf zum Herrenhaus. Ich ging hinunter zum Steg und starrte auf die vor mir liegende Bucht!
„Mi sol, wach auch.“ hörte ich es leise an meinem Ohr und ich fühlte warme Hände über meinen Körper streichen. Ich kuschelte mich enger an meinen Mann und nahm seine Hände in meine und legte sie über mich. „Ich will nicht aufwachen, ich will weiterschlafen!“ meinte ich etwas maulig. Dann spürte ich seine Zähne auf meiner Schulter. „Mistress Kenway, ihr legt eine sehr faule Art an den Tag, dass kann ich nicht dulden!“ ER war sicherlich nicht faul, sondern wach und zeigte mir, wie er über mein Verhalten dachte.
Als er wieder zu Atem kam, flüsterte er „Du fühlst dich plötzlich anders an, Alex. Deine Haut ist weicher.“ und seine Stimme hatte einen ungläubigen Unterton angenommen. „Das liegt daran, dass sich das Gewebe darauf vorbereitet ein Kind wachsen zu lassen, mi amor! Reine Chemie und Biologie.“ nuschelte ich über meine Schulter. „Woher weißt du so etwas?“ kam es erstaunt. „Allgemeinwissen, Haytham. Und vergiss nicht, ich war schon einmal schwanger. Ich habe halt auch viel gelesen!“ und ich legte meine Hand in seinen Nacken. „Ich liebe dich, mi amor! Und ich freue mich auf unser Kind!“ ich spürte ein leichtes Zittern hinter mir und drehte mich um. Mich sahen tränennasse graue Augen an. „Ich kann es immer noch nicht glauben, Alex. Wirklich nicht, es ist einfach unbegreiflich“, er strich mir über die Wange.
„Mistress Kenway, Master Kenway, das Frühstück ist fertig.“ hörte ich Magda an der Tür. „Wir sollten aufstehen, Haytham“ ,seine Hand legte sich noch einmal kurz auf meinen Bauch und er schüttelte den Kopf. „Woher weiß man jetzt, wann dieser kleine Mensch auf die Welt kommt?“ fragte er mich völlig pragmatisch. „Hmmm... 40 Wochen ungefähr. Ich schaue nachher einmal nach, dann kann ich es dir sagen, mi amor!“ und gab ihm noch einen sanften Kuss.
In mir vollzogen sich gerade riesige Hormonschübe, als wenn das Einsetzen meiner Tage nicht schon für diverse Launen gesorgt hatte. Mit denen hätten 100 Teenager 100 Jahre ihre Pubertät ausleben können. Als ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich ein rosiges Gesicht und weiche Gesichtszüge. Du meine Güte, diese Veränderungen gingen viel zu schnell, meiner Meinung nach. Langsam zog ich mich an und gemeinsam gingen wir dann hinunter ins Esszimmer.
Wir wurden mit viel Gemurmel und grinsenden Gesichtern empfangen. Die einzigen, die mich mit großen Augen ansahen waren Faith, Caden und mein Enkel. Doch bevor Alex etwas sagen konnte, ergriff meine Schwester das Wort und sie verbat mit einem Blick den Kindern etwas zu sagen. „Die Nacht scheint euch beiden gut bekommen zu sein, Alex!“ grinste sie mich zwinkernd an, während Haytham und ich am Kopfende des Tisches Platz nahmen. „Ja, das ist sie!“ antwortet ich selig und drückte ihre Hand.
Als ich in Alexanders Richtung blickte, reichte ihm das und er strahlte mich mit großen grünen Augen an, mampfte aber sein gebuttertes süßes Brötchen weiter. Als alle aufgegessen hatten, verabschiedeten sich die Hochzeitsgäste nach und nach. Und wie bereits beim letzten Mal, Master Johnson schien zu tief ins Glas geschaut zu haben, ihm ging es nicht gut und war ziemlich blass.
Ich stand wenig später auf der Terrasse und fühlte Faiths Gegenwart hinter mir. „Alex, du bist wirklich schwanger?“ fragte sie leise, aber aufgeregt. „Faith, ich kann es noch gar nicht fassen. Aber ja, ich bin guter Hoffnung und ich freue mich so wahnsinnig darauf!“ dann fiel ich ihr heulend an die Schulter. „Scheiß Hormone!“ meinte ich maulend. „ALEX!“ kam es gespielt entrüstet von meiner Schottin, doch auch sie musste lachen. „Ist doch wahr, erst musste ich mich an meine Blutungen wieder gewöhnen und jetzt das. Ich glaube in spätestens einem Monat bin ich geschieden, weil dein großer Bruder die Schnauze voll von meinen Launen hat!“ sagte ich immer noch schluchzend.
„Nein, das wird er nicht. Und sollte er auch nur daran denken, dann werde ich ihm schon meine Meinung dazu sagen!“ ihre Arme schlangen sich um mich und sie sah mir fest in die Augen! „Weißt du, was wir heute Abend dringend brauchen?“ meinte sie mit einer hoch gezogenen Augenbraue. „Nein, du wirst es mir aber sicher gleich sagen!“ und ich zog meine Nase hoch. „Wir werden uns ein warmes Bad gönnen und dann bringe ich dich auf andere Gedanken!“ in meinen Gedanken hörte ich schon wieder Haytham maulen, dass er das nicht gut findet. „Eine wunderbare Idee, mo rionnag!“ und küsste sie dankbar.
Als ich dann abends mit Haytham in unserem Bett war, fühlte ich mich wohler, weil ich mich entspannen konnte. „Mi sol, komm zur Ruhe. Niemand verlangt, dass du von jetzt auf gleich, alles verinnerlicht hast. Wir haben noch viel Zeit um uns vorzubereiten und ich werde dir dabei helfen!“ hörte ich ihn an meinen Rücken geschmiegt sagen und mit den Armen um mich. Mein Herzschlag beruhigte sich langsam, ebenso entschleunigten sich meine Gedanken. Ein liebevoller Kuss von ihm auf meinem Hals ließ mich in den Schlaf gleiten.
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„Jetzt macht schon, sie ist nicht für immer so leicht zu haben!“ … hörte ich fremde Stimmen um mich herum und schlug die Augen auf. Für einen Moment konnte ich nichts sehen, aber ich konnte riechen und der Geruch war widerlich und ließ mich würgen. Exkremente, Unrat, Erbrochenes und wer weiß was sonst noch... Wo war ich gelandet?
Als ich mich aufrichten wollte, hielten mich Eisenfesseln an meinen Handgelenken davon ab und ich bekam Panik. „Na los, dieses Weib hat uns jetzt lange genug zum Narren gehalten. Zeigen wir ihr, wo es lang geht!“ kam eine krächzende Stimme aus der Dunkelheit. Dann zerrten Hände an mir und zogen mich hoch auf meine Knie.
Mein Blick klärte sich und ich konnte so etwas wie eine Gefängniszelle wahrnehmen. Ich lehnte an einer kalten feuchten Wand, nur mit meinem Unterkleid bekleidet auf dem nassen Zellenboden. Vor mir bauten sich vier Männer auf, allesamt Rotröcke.
„Rührt meine Frau einmal an und ich werde euch eigenhändig töten!“ hörte ich mit einem Mal Haythams Stimme aus einer dunklen Ecke des Raumes. Ich blinzelte, dann nahm ich eine Bewegung wahr. Doch ich konnte nichts richtig erkennen und ich fühlte, dass mein linkes Auge geschwollen war.
„Naaaaaa... Kenway, eure Frau treibt ein falsches Spiel und ihr lasst es zu? Eine Tracht Prügel hat dieses Weib verdient, nicht mehr und nicht weniger!“ meinte einer dieser Männer lachend vor mir.
Kalte Hände griffen nach meinem Kiefer und drückten schmerzhaft zu. Sie hoben meinen Kopf an, damit ich in dieses Gesicht sehen konnte! „Also, geht doch... dann wollen wir doch mal sehen, wie gut eure Hure ist, Kenway!“ … ich fing an zu schreien und wehrte mich gegen diese kalten dreckigen Hände, welche mich anfassten!
Diese Hände drückten mich nach unten und ließen mich nicht los! „Alex! Wach auf! Hey!“ es war Haytham der zu mir sprach, ich lag in unserem Bett und sah in die besorgten grauen Augen meines Mannes. Völlig Atemlos lag ich da und spürte plötzlich eine Woge von Übelkeit in mir aufsteigen. Geistesgegenwärtig ließ mich Haytham los und ich schaffte es gerade noch über die Waschschüssel. Völlig erschöpft sackte ich vor der Kommode zusammen und starrte vor mich hin.
Erst jetzt sah ich, dass auch alle anderen hier waren und mich ebenso besorgt ansahen. Faith kniete sich neben mich und hielt mich fest. „Was hast du geträumt, Alex?“ fragte sie leise und ebenso leise antwortete ich. „Sie wollten mich vergewaltigen, ich war in einer Gefängniszelle, es war kalt und es stank erbärmlich...“ ich fing an zu zittern und sie brachte mich wieder ins Bett. Plötzlich dröhnte eine dunkle Stimme in meinem Kopf. Du hast in deine Zukunft gesehen! Alles was du versuchst zu verhindern oder zu ändern, wird andere Konsequenzen nach sich ziehen! Bedenke das! Es hörte sich bedrohlich an und ich sah zu Haytham, auch er hatte es gehört.
„Ich glaube, es ist eine Warnung für mich, dass ich nichts ändern darf!“ Bei diesen Worten liefen mir die Tränen über die Wangen! Ich hatte das Gefühl, ich verliere den Verstand. Plötzlich kam mein Enkel ins Zimmer, kletterte aufs Bett und kuschelte sich einfach an mich. Du brauchst vor diesen Träumen keine Angst haben, du kannst sie verhindern. Sie sind kein Schicksal, einzig das was du jetzt tust ist Schicksal. Rette meinen Großvater, versöhne ihn mit meinem Onkel und diese Bilder werden nicht zur Realität. Ich fing an, ruhiger zu atmen und sah in Alexanders klare grünen Augen. „Oma kuscheln!“ und schon lag er mit Daumen im Mund quer über mir und schloss die Augen.
„Was bitte war das?“ kam es ungläubig von Yannick. „Ich habe nicht den blassesten Schimmer und ehrlich gesagt, bin ich viel zu erschlagen, als dass ich mir darüber Gedanken machen könnte.“ meinte ich jetzt etwas gefasster und sah in die Runde. „Es tut mir leid, wenn ich euch so erschreckt habe, doch ich weiß auch nicht, was gerade mit mir passiert.“ sagte ich einfach entschuldigend und strich Alex sanft über den Kopf. „Ich denke, wir sollten alle noch ein wenig Schlaf nachholen, es ist gerade einmal vier Uhr!“ kam es in einem bestimmenden Ton von Master Williams und ich nickte ihm dankbar zu.
Als alle wieder aus dem Zimmer waren, bis auf Alex, welcher selig eingeschlafen war, ließ ich mich in die Kopfkissen sinken. Haytham zog die Decke über uns und ich schmiegte mich an ihn. „Es tut mir wirklich leid, mi amor. Ich wollte euch nicht so erschrecken. Ich hoffe nur, dass ich solche Träume nicht noch öfter haben werde.“ meinte ich entschuldigend und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Ich hoffe für dich, dass du solche Albträume nicht mehr haben wirst, mi sol. Ich hatte für einen kurzen Moment wieder diese Angst, dass du für immer weg bist. Du fühltest dich eiskalt an!“ entschlossen mich nicht mehr loszulassen, legte er seine Arme um mich und unseren Enkel.
Langsam wurde mir wieder wärmer und ich entspannte mich.
Haytham bat mich etwas zögerlich in sein Arbeitszimmer und sein Blick glitt zu Faith mit einem Kopfschütteln. WAS war das jetzt bitte? Aber gut, ich folgte ihm und sah, dass bereits Lucius dort wartete. Der ganze Morgen war für mich schon anstrengend gewesen und meine Laune war auch nicht die Beste gerade. Doch was ich nun zu hören bekam, verschlug mir fast die Sprache! Faiths Vater hatte vor ein paar Tagen eine nahegelegene Plantage, auf welcher Terpentin hergestellt wurde, erworben!
Ich musste mich setzen, da ich wusste von welcher er sprach. Zum einen konnte man die Herstellung, wenn der Wind ungünstig stand auch hier riechen und zum anderen wusste ich, dass dort Sklaven gehalten wurden! Ja, gehalten und sie wurden schlecht behandelt. Etwas das ich überhaupt nicht dulden konnte, weswegen ich mich mit den Eigentümern dort auch nie wirklich verstanden hatte, geschweige denn, dass wir ihnen einen Besuch abstatteten. Auch Haytham widerstrebte diese Art Führung einer Plantage, egal ob Kaffee, Terpentin, Tabak oder sonst etwas! Es war ein Unding! „Master Williams, das kann nicht euer Ernst sein!“ blaffte ich ihn einfach an, weil ich gerade mit meinen Gefühlen kämpfte und versuchte nicht allzu unverschämt zu werden!
„Lasst mich das erklären, Mistress Kenway. Ich weiß, wie ihr über Sklavenhandel und die Arbeit mit ihnen denkt. Euer Gatte hat mich diesbezüglich schon vorgewarnt! Also wartet ab, was ich zu sagen habe!“ kam es in einem scharfen Ton, welcher keine Widerworte duldete und ich verschloss meinen Geist und versuchte zur Ruhe zu kommen. Es fiel mir allerdings schwer, sehr schwer muss ich gestehen. „Bitte, fahrt fort!“ meinte ich dann, als ich sicher sein konnte, nicht schnippisch zu klingen.
„Es wird so laufen, dass Dimitri mit seiner Familie fürs erste hierher ziehen und die Bauarbeiten überwachen wird. Wie ihr wisst, müssen wir mit ALLEM umziehen und ihr könnt euch denken, dass dafür einige Umbaumaßnahmen nötig sein werden. Außerdem wird sich meine Tochter noch auf den Weg machen um Aminata zu holen, damit diese sich entsprechend für die Sklaven einsetzen kann!“ für einen kurzen Moment hielt er inne, so als wolle er testen, ob ich ihm folgen konnte. In mir keimte jedoch Wut hoch, gepaart mit einer gehörigen Portion Hass!
Dann fuhr er aber ungerührt fort! „Ihr wisst, sie ist eine freie Frau und so werden wir es mit den derzeit arbeitenden Menschen dort auch handhaben. Offiziell bleiben sie Sklaven, aber unter der Hand werden sie entsprechend bezahlt und arbeiten wie jeder andere einfache Pächter oder Bauer bei euch auch, Mistress Kenway. Und meine Tochter wird, sobald sie hier herzieht ebenfalls dafür sorgen, dass es dann auch so bleibt! Seht mich gefälligst nicht so abfällig an!“ Diese letzten Worte holten mich wieder hierher zurück, da ich Bilder von ausgepeitschten, ausgemergelten und kranken Menschen vor Augen hatte und dabei meinen Hass auf Master Williams projizierte!
„Master Williams, verzeiht mir. Aber erzählen könnt ihr mir viel, erst wenn ich sicher sein kann, dass ihr Wort haltet, werde ich meine Meinung ändern...“ presste ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor und hörte einen empörten Ausruf meines Mannes. „Alex, reiß dich zusammen! Du weißt, dass du dem Wort von Master Williams Glauben schenken kannst und du weißt ebenso, dass auch Faith sicher nicht gewillt sein wird, diese jetzigen Zustände beizubehalten!“ ich sah ihn einfach an! Er fiel mir das erste Mal in den Rücken! Und bei diesem Gedanken spürte ich, wie mir die Tränen wieder in die Augen traten. Ich entschuldigte mich lediglich und ging aus dem Zimmer, auf die Terrasse und hinunter in den Garten!
Ich musste alleine sein, ich wollte niemanden von diesen Sklaventreibern mehr sehen für heute! Alex... komm schon! Du weißt sehr wohl, dass die jetzigen Sklaven dort dann keine mehr sein werden! Bleib stehen und hör mir zu! Sprach Edward in meinem Geiste und ich sah, wie er plötzlich neben mir auftauchte! „Was willst du? Willst du mir auch noch in den Rücken fallen, wie dein Sohn? Ist das jetzt eine neue Freizeitbeschäftigung geworden, oder was?“ meine Stimme überschlug sich und ich konnte meine ganzen Gefühle nicht kontrollieren. Mein Körper zitterte und in meinem Kopf herrschte ein wildes Durcheinander! Die ganze Wut und der Hass … und dann war da noch der kleine Funken der Freude, dass meine Schwester in unsere Nähe ziehen würde... Aber das schien gerade völlig unwichtig geworden zu sein.
Ja, ich wusste, dass ich mich auf das Wort von Lucius verlassen konnte, ebenso würde meine Schwester solch eine Art der Plantagenführung nicht dulden! Trotzdem hatte ich... ja, ich hatte Angst um die dort lebenden Menschen, dass eben nicht alles so wird, wie es gedacht war. „Haytham ist dir nicht in den Rücken gefallen und ich tue es ebenso wenig. Aber du musst lernen, dass diese Zeiten ein anderes Denken von dir verlangen. Auch wenn du einiges sicherlich ändern kannst, doch leider nicht ALLES! Und jetzt versuche dich zu beruhigen und konzentriere dich wieder auf dein Mantra! Du musst dringend zur Ruhe kommen, diese Anspannung und dieses Gefühlschaos bekommen meinem Enkel nicht!“ sprach mein Schwiegervater jetzt leise und hatte mich in den Arm genommen. Und als wenn das mein Stichwort gewesen wäre, versiegten meine Tränen langsam und ich konnte im wahrsten Sinne des Wortes wieder klarer sehen!
„Du hast Recht, Edward! Im Moment ist aber alles einfach Scheiße! Ich habe das Gefühl mich nicht mehr unter Kontrolle zu haben und dann hatte ich gerade den Eindruck, als stünde auch dein Sohn mir nicht mehr bei. Es ist doch zum Verrückt werden!“ schluchzte ich erneut an seiner Brust. Edward sagte für einen Moment nichts, sondern strich mir vorsichtig über den Rücken und brachte mich so zur Ruhe. „Dein Leben verläuft derzeit in sehr seltsamen Bahnen, doch es wird sich legen und auch dein Geist wird bald wieder so funktionieren, wie du es gewohnt bist. Bis dahin, beruhige dich, beruhige das Kind in deinem Bauch und suche dir immer wieder einen Rückzugspunkt.“ er hielt mich ein Stück von sich weg und musterte mich. Dann lächelte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn! Langsam verschwand er wieder in diesem Nebel. Ich war alleine im hinteren Garten und starrte auf den James River.
In diesem Teil unseres privaten Grundstückes stand eine Weideneiche, welche schon über 100 Jahre alt war. Daneben hatten die Vorbesitzer der Plantage eine große Bank gebaut, auf der ich mich seufzend niederließ. Ich legte meine Hände auf meinen noch flachen Bauch und begann zu reden. Ich erzählte, dass ich es nicht zulassen werde, dass anderen Menschen solch ein Leid zugefügt wird. Ich sprach von den Veränderungen, welche in den nächsten Jahren auf uns zukommen und wie ich beabsichtigte, mich in diese Wirren einzubringen. Wie ich Haytham vor dem Tod durch Connor bewahren werde und so weiter...
Irgendwann spürte ich hinter mir eine Person und nahm den Duft von Lavendel und Seife wahr. „Haytham, was gibt es?“ meine Stimme klang neutral, mehr nicht. Mit einem Seufzen setzte sich mein Mann neben mich. „Was war da gerade mit dir los? Erkläre es mir bitte! Weil ICH es nicht weiß!“ meine Hände lagen immer noch auf meinem Bauch und ich starrte sie weiterhin an. „Ich weiß es auch nicht! Der Gedanke ist für mich nicht auszuhalten, dass … Haytham, sie kaufen eine von Sklaven bearbeitete Plantage! Und bis die Änderungen in Kraft treten können, werden diese Menschen weiterhin geknechtet, geschlagen oder schlimmeres! Ich kann das nicht ertragen...“ mir liefen erneut die Tränen über die Wange.
Ich nahm ein tiefes Durchatmen von meinem Mann wahr, er machte aber nicht die Anstalten mich zu berühren. „Dimitri wird in den nächsten Wochen bereits dafür sorgen, dass die Aufseher verschwinden und er wird versuchen, sich mit den dortigen Sklaven zu verständigen. Vergiss nicht, auch sie müssen erst einmal Vertrauen aufbauen, bevor sie frei sein können, oder nicht? Auch diese Leute benötigen Zeit dafür.“ meinte er leise und seine Hand ergriff meine. „Und wenn du das nicht glauben willst, solltest du regelmäßig dort vorbeischauen und dir ein eigenes Bild machen. Doch ich denke, man kann dem Russen vertrauen, er besitzt Durchsetzungsvermögen und wird sich ebenfalls nicht an dem Leid der Menschen laben. Im Gegenteil!“
Vermutlich hatte er Recht. Dimitri wusste sich zu behaupten und würde diese Plantagenpolitik auch nicht dulden. Doch warum, oder besser, WAS störte mich jetzt noch? Ich hatte das Wort von Lucius, Haytham und im Grunde konnte ich mich auf meinen russischen Geschäftspartner verlassen! Waren es wirklich nur diese Hormone, welche mir ein riesiges schlechtes Gewissen bescherten? „Wenn du meinst.“ erwiderte ich lediglich und Haytham seufzte resigniert. Gerade als er sich erheben wollte, hielt ich ihn auf und zog ihn wieder herunter. „Geh nicht, bitte! Ich bin verwirrt und weiß nicht wohin mit mir, mit meinen Gefühlen und...“ ich konnte nicht mehr sprechen, ich heulte!
Mein Mann zog mich in seine Arme und strich langsam über meinen Kopf. „Schhhhhhhhhhhhh... beruhige dich erst einmal und ich verspreche dir, dass auch ich einschreiten werde, wenn mir dort etwas sauer aufstößt!“ langsam kam ich zur Ruhe und konnte wieder durchatmen. „Warum hast du aber vorhin so reagiert? Es war, als ständest du nicht auf meiner Seite, mi amor?“ ich hatte vorhin bewusst seinen Vornamen benutzt, doch jetzt fand ich es unpassend. „Du warst in eine so, nunja, unverschämte Art verfallen, die ich nicht gutheiße, mi sol. Es gibt Momente in denen du dich noch lernen musst zu beherrschen. Master Williams wird dir nicht grollen, dass glaube ich nicht. Dennoch solltest du dich bei ihm entschuldigen! Und glaube mir, ich stehe hinter dir, das werde ich immer und ich habe es dir versprochen. Oder nicht?“ in seinen Worten lag wieder diese Zuneigung und Liebe, die ich von ihm kannte und das beruhigte mich noch weiter.
„Dann werde ich wohl mal mit Lucius reden.“ sagte ich leise und sah zu meinem Mann auf. Er war aufgestanden und hatte mich mit hochgezogen, jetzt legten sich seine Hände um mein Gesicht und er gab mir einen langen Kuss. „Das solltest du, mi sol.“ lächelte er mich an.
Im Salon traf ich auf Familie Cormac und eben Master Williams, welchen ich bat, mir in mein Arbeitszimmer zu folgen. Faith warf mir einen fragenden Blick zu, doch den ignorierte ich. Ich musste konzentriert bleiben und würde sicherlich beizeiten noch mit ihr reden. Vermutlich würde Haytham jetzt eine Erklärung abgeben, was ich eigentlich auch wirklich hoffte.
Oben angekommen, schloss ich die Tür und bat Lucius Platz zu nehmen. „Mistress Kenway, ich...“ mit einem Wink hieß ich ihn, mich zuerst reden zu lassen. „Master Williams, ich muss mich für mein Verhalten gerade entschuldigen. Ich hätte nicht so aus der Haut fahren dürfen. Eine Erklärung ist unnötig, denke ich, da euch meine moralischen Beweggründe klar sein sollten. Eine Bedingung hätte ich aber...“ mit einer hochgezogenen Augenbraue saß er vor meinem Schreibtisch. „Die da wäre?“ kam es zögerlich. „Ich würde mich gerne regelmäßig selber davon überzeugen, dass ihr Wort haltet, genau wie Dimitri. Nur so kann ich mein Gewissen beruhigen!“ Für mich klang das vernünftig und ich hoffte auf die Zustimmung meines Gegenübers.
„Wenn ihr diese doch recht beschwerlichen Wege in eurem Zustand auf euch nehmen wollt, dann könnt ihr das gerne machen. Meine Zustimmung habt ihr. Oder aber ihr lasst euch von Dimitri einfach berichten, oder Danja könnte sich darum kümmern. Da wir ja gemeinsame Geschäfte mit ihm betreiben, wäre das sogar von Vorteil.“ Das klang nach einem Kompromiss, welchen ich eingehen konnte und plötzlich fühlte sich das schlechte Gewissen nicht mehr ganz so schlecht an. „Danke, Master Williams!“ mehr sagte ich nicht und wir verließen einvernehmlich mein Arbeitszimmer.
An diesem Abend besprach ich mich noch mit meiner Schwester und versicherte ihr, dass ich geduldig warten werde, bis alles geregelt und in trockenen Tüchern ist. Ich hatte Faith schon einmal über die später ausbrechenden Unruhen bezüglich von Sklavenhaltung und -handel berichtet und auch aus diesem Grund konnte ich nicht zulassen, dass die Familie in dieses Kreuzfeuer geraten würde!
Später im Bett schmiegte ich mich an meinen Mann, welcher gedankenverloren über meinen Rücken strich. „Vater hat vorhin mit dir ebenfalls gesprochen, oder? Ich sah, wie er neben dir erschien.“ Haytham zog mich fester an sich heran. „Ja, auch er hat mir alles noch einmal dargelegt und erklärt. Er hat mich ermahnt, immer mal wieder für meine eigene Ruhe zu sorgen, da er nicht möchte, dass es seinem Enkelkind in meinem Bauch schlecht ginge.“ ich spürte sein leises Lachen mehr, als das ich es hörte. „Also, Mistress Kenway! Ab jetzt ist für euch jede Aufregung untersagt!“
Aber mein Gatte bescherte mir eine andere Art der Aufregung, welche mir einen wunderbaren Höhepunkt brachte. „Du fühlst dich wunderbar an, mi sol!“ hörte ich seine leicht atemlose Stimme später an meiner Brust und seine Lippen fuhren über meinen Hals, hinauf zu meinem Mund. „Ich liebe dich, mi amor!“ sprach ich ebenso leise und schlang meinen Arm und mein Bein um ihn. Nein, ich würde ihn nie wieder gehen lassen...
Nach unserer Hochzeit, dem Albtraum und der Neuigkeit bald nette Nachbarn zu haben, reisten sie alle wieder ab. Nicht sofort, aber jeder von ihnen hatte Verpflichtungen. Meinen Sohn ließ ich ungerne gehen, doch ich wusste tief in mir, dass er bald wieder an meiner Seite sein würde. Faith ließ mir noch ein paar beruhigende Kräuter für einen Tee da und meinte, wenn ich Sehnsucht hätte, sollte ich nach New York kommen. Bis jetzt hatte ich leider noch keine Gelegenheit, ich war hier voll mit meinen Aufgaben beschäftigt. Ich hätte es mir nicht träumen lassen, aber die Organisation einer ganzen Plantage, auch wenn ich nicht ALLES koordinieren musste, nahm einen Haufen Zeit in Anspruch.
Dazu kamen gerade in den Sommermonaten diese lästigen Empfänge, weil man ja so schön seinen Reichtum präsentieren konnte, weil er in voller Blüte stand. Ich hatte grundsätzlich nichts gegen die anderen Pflanzer oder ihre Frauen, ich hatte nur ein Problem mit dieser großen Oberflächlichkeit. Dazu kam meine Schwangerschaft, welche sich jetzt deutlich abzeichnete, wenigstens war diese Appetitlosigkeit endlich verflogen. An ihre Stelle waren aber seltsame Gelüste getreten, bei denen ich oft sah, dass meinem Mann alleine bei dem Gedanken schon übel wurde.
Ich entwickelte eine Vorliebe für eingelegten Hering und wenn ich ihn noch auf diesen leckeren süßen Brötchen von Mrs. Wallace bekam, war es der Himmel auf Erden. Wie gesagt, an manchen Tagen frühstückte ich allein, weil Haytham es nicht einmal mit ansehen konnte. „Mi sol, bist du sicher, dass das normal ist? Diese Kombination... entschuldige...“ kam es immer wieder von ihm.
Die folgenden Tage und Wochen waren irgendwie unwirklich, ich wusste noch nicht, ob ich mich freuen sollte, oder ob ich Angst haben sollte. In mir tobten die tollsten Gefühle, Haytham verlässt mich, ich verliere dieses Kind und und und … Ich konnte kaum meine Launen verbergen und es fiel vor allem meinem Mann auf. „Alex, du bist ja mehr als ein offenes Buch auf einmal.“ er nahm meine Hand und drückte sie.
„Ich weiß, aber ich kann gerade nichts kontrollieren. Es ist... als würde MICH jemand kontrollieren wollen.“ und dann schoss es mir wie ein Blitz in den Kopf. Dieses Kind fing jetzt schon an, mich zu lenken, dass hieß, ich musste für zwei denken und das Buch geschlossen halten. Als ich deshalb laut aufstöhnte, sah mich Haytham ängstlich an. „Ist etwas?“ und er hielt mich fest.
„Nein, aber ich befürchte, ich muss meine Gedanken und die unseres Kindes kontrollieren! Bei Odin, wie soll das bei wichtigen Verhandlungen funktionieren...“ mir brach der kalte Schweiß aus und dann weiß ich nur noch, wie ich in unserem Bett wach wurde. „Alex, Gott sei Dank. Du bist wieder wach.“ hörte ich die besorgte Stimme meines Mannes.
Mich überkam eine erschreckende Erkenntnis, dass ich mich für ZWEI abschotten und für ZWEI denken musste.! „Es geht schon wieder. Ich muss mich einzig an diese Situation gewöhnen und ich muss lernen!“ Die Götter schienen großen Einfluss auf mich zu nehmen, hatte ich plötzlich den Eindruck. Aber ich sollte dankbar für dieses Geschenk sein.
Als ich heute in unseren Garten ging, barfuß wohlgemerkt, es war mir nicht möglich Schuhe zu tragen, fühlte ich diese Verbundenheit wieder mit der Erde und ich konnte Idun regelrecht spüren. In meinem Bauch regte sich mein kleiner Mensch und es war wie ein Erwachen. Immer, wenn ich nach draußen ging, wurde unser Kind wach und schien sich auf diese Welt zu freuen. Mittlerweile hatte ich auch ausgerechnet, wann unser Baby auf die Welt kommen würde. Grob gerechnet zwischen dem 2. und 13. Dezember! Bei dieser Botschaft fingen Haythams Augen an zu leuchten.
„Wäre es nicht fantastisch, wenn unser Kind mit mir Geburtstag hat?“ ich hörte klein Haytham aus diesen Worten, der sich auf Weihnachten freute und musste grinsen. „Du willst an deinem eigenen Geburtstag mir beistehen und auf dein Kind warten? Bist du dir sicher?“ meinte ich Augenzwinkernd. „Ja, und ich werde dabei sein, habe ich beschlossen. Vermutlich ist es nicht gerne gesehen, doch ich werde dich sicherlich nicht alleine lassen, mi sol.“
Ich hatte vor zwei Wochen das erste mal einen Arzt hier, der mich untersuchte und mir versicherte, dass alles in Ordnung sei. Auch er hatte noch einmal gerechnet und war erstaunt, dass ich so genau wusste, wann die Zeugung stattgefunden hatte. Ich konnte ihm ja schlecht alle Einzelheiten kundtun, außerdem fand er es befremdlich, dass er mir nicht wirklich etwas über die Schwangerschaft oder die Geburt erzählen konnte. Ich erklärte es damit, dass ich ja schon einmal ein Kind bekommen hätte und mich somit auskennen würde.
In den letzten Wochen hatte ich zusätzlich die Geschäfte mit Dimitri, Maria und Long vorangetrieben. Unsere neu errichteten Lagerhäuser, entlang der Anlegestelle, dienten nun unter anderem auch für ihre Waren. Elias war ein regelmäßiger Gast und überzeugte sich gerne selbst von dem Fortschritt unseres Abkommens. Aufgrund meiner Schwangerschaft konnten wir nun leider nicht nach London reisen, wie geplant. Das würde noch ein wenig dauern. Doch Haytham hatte sich mit Jenny in Verbindung gesetzt und ihr berichtet, dass er jetzt verheiratet sei und bald Vater werden würden.
Im ersten Moment hatte ich die Befürchtung, dass sie mich nicht wiedersehen wollen würde. Doch in einem der letzten Briefe kam es völlig überschwänglich, dass sie sich auf uns freute und auch auf ihren Neffen oder Nichte. In einem extra verfassten Schriftstück schrieb sie mir einige persönliche Zeilen.
Meine liebe Alexandra,
ich freue mich, von dir zu hören. In den ganzen Jahren habe ich dich nicht vergessen. Als man damals unser Haus überfiel hatte ich die Hoffnung, dass du noch irgendwo bist und meinen Vater doch irgendwie gerettet hast.
Als man mir dann mitteilte, über tausende Ecken und auch Monate, dass man meinen kleinen Bruder mit Reginald auf Reisen geschickt hatte, brach mir fast das Herz. Es gab niemanden mehr, der Haytham die Wahrheit sagen konnte. Ich hätte es viel früher tun müssen, doch Vater hatte es mir verboten. Genauso wie er mir verboten hatte, zu trainieren.
Alex, ich hoffe, wir sehen uns bald. Ich will wissen, wie es dir in den Jahren ergangen ist und ob du meinen kleinen Bruder von seinem hohen Ross geholt hast. Ich weiß, er ist schwierig, du weißt es auch. Erinnere dich an die Gespräche!
Ich kann nur sagen, ich wünsche euch alles Gute und freue mich, dich, meinen kleinen Bruder und euer Kind zu sehen.
Liebe Grüße, Jennifer
Als ich das las, brach ich mal wieder in Tränen aus. Ich hatte keine Ahnung, wie es ihr so ergangen war. Nur aus Haythams Aufzeichnungen konnte ich grob meine Schlüsse ziehen. Ich brannte darauf, diese Frau endlich wieder zusehen, damit ich mich bei ihr entschuldigen konnte. „Das brauchst du nicht, mi sol. Sie weiß, dass du alles versucht hast.“
Ende Juli hatte ich einen Brief von Madame de L´Isle erhalten, in welchem sie sich entrüstet darüber äußerte, dass ich mich nicht persönlich vorgestellt hatte. Ich hätte einfach hinter ihrem Rücken mit Mrs. Cormac Geschäfte getätigt, zu denen ich nicht das Recht hatte... und so weiter. Es waren unter anderem doch recht wüste Beschimpfungen darunter, wo ich mich fragte, ob ihr die Manieren abhanden gekommen seien. Faith hätte ihr nun reinen Wein eingeschenkt und sie erwarte mich in New Orleans, spätestens im Oktober, sie hätte ja nicht Ewigkeiten Zeit.
Ich saß in meinem Arbeitszimmer und starrte auf diese Zeilen, ich las sie immer und immer wieder! Faith hatte mich in einem Brief, welcher vor ein paar Tagen ankam, vorgewarnt. Die Frau konnte mir noch gefährlich werden, ging es mir durch den Kopf und ich begann, einen Schlachtplan zurecht zulegen. Wenn ich mich nicht täuschte, dann handelte der Gatte von Madeleine mit Kaffee, was mir sehr gelegen kam. Also könnte ich ihn noch mit ins Geschäft holen, sollte diese Templerin sich weiterhin weigern, mich als Geschäftsführerin zu akzeptieren.
Mir kam außerdem noch in den Sinn, dass Aveline de Grandpré noch mit Haythams Sohn Connor in Kontakt kam, wenn auch erst in späteren Jahren. Das Mädchen hatte ich damals nur kurz auf der Hochzeit der Cormacs gesehen und ehrlich gesagt, keine Zeit gehabt, mich mit ihr zu beschäftigen. Auch waren einige „verrückte“ Templer unterwegs, unter anderem auch ein Herr mit Namen Baptiste. Ein etwas vorsichtigeres Vorgehen war angesagt von meiner Seite.
Ich kramte die Schiffslisten heraus und sortierte die Namen nach Orden und Bruderschaft, da der Duke einige Handelsschiffe und deren Begleitschutz zur Verfügung stellte. Sie hielten sich aber mittlerweile die Waage, sodass ich mir nicht allzu große Sorgen machte, sollte diese Madeleine abspringen. Dadurch gingen einzig ihr einige Geschäfte flöten, vermutlich hatten Shay oder meine Schwester ihr das auch schon mitgeteilt!
Also fing ich an, die Reise zu planen und war kurz versucht zu sagen, ich mache es alleine. Doch seit ich schwanger war, ließ mich mein Mann kaum noch aus den Augen und schon gar nicht würde er mich so eine lange Zeit alleine lassen. Es würde sicherlich bis in den November gehen, wenn ich mich nicht täuschte.
Ich erzählte von Madame De L´Isles „Einladung“ und ihrem Brief. „Sie ist anscheinend nicht ganz glücklich mit diesem Arrangement, mi amor. Ich denke, wir sollten ihrer Bitte nachkommen und dann weitersehen.“ Haytham sah mich skeptisch an. „Mit ihr sollte man vorsichtig umgehen, sie kann mitunter sehr skrupellos sein, wenn es um ihre Geschäfte oder ähnliches geht.“ gab er mir zu verstehen und das war mir noch aus den Aufzeichnungen im Kopf geblieben. Aus Haythams Mund hörte sich das etwas seltsam an, weil auch er ab und an mehr als skrupellos mit seinen Feinden, Angreifern und ähnlichem Gesinde umging. Auf einen Versuch sollten wir es dennoch ankommen lassen, meinte ich und Haytham stimmte zu, zwar etwas widerwillig, weil diese Reise gerade in die Hauptsaison fiel.
Die Jackdaw wurde mit entsprechend Proviant beladen und ich ließ unsere Sachen packen. Inständig hoffte ich, dass wir rechtzeitig zur Geburt unseres Kindes wieder hier sein würden, im Grunde war ich nicht erpicht darauf, dass mein Sohn in New Orleans zur Welt kam. „Warum wäre das so schlimm, Alex?“ hörte ich Haytham erstaunt fragen. Im Grunde wäre nichts wirklich verwerflich daran, doch ich hegte den Wunsch, das Haythams und mein Sohn dort zur Welt kam, wo er auch „leben“ würde! „Alex, manchmal hast du seltsame Ansichten.“ doch mein Mann lächelte und machte in seiner Arbeit weiter.
Der Weg Richtung Louisiana und New Orleans war zu dieser Jahreszeit von Stürmen und einigen unvorhergesehenen Unwettern geebnet. Wir hatten aber großes Glück und gerieten nur zweimal in kleinere Turbulenzen, welche stürmisch waren und Regen brachten! Sonst aber blieb es ruhig und wir kamen schneller voran, als ausgerechnet. Innerlich tat ich Luftsprünge! Unser Sohn würde daheim zur Welt kommen, doch noch hatten wir keine Einigung erzielt und wer weiß, wie lange wir dafür brauchen würden.
Im Hafen von New Orleans angekommen wurden wir von einem Hafenmeister begrüßt welcher sichtlich stolz war, die Jackdaw bei sich zu haben. „Mistress Kenway, wer hätte gedacht, dass wir dieses Schiff je wiedersehen würden.“ kam es völlig euphorisch von Mr. Murtagh!
Schon als wir den ersten Fuß auf festen Boden setzten, sahen wir die spanischen Uniformen und mich überkam eine gewisse Angst, dass wir uns in Zukunft mit mehr als nur den Briten auseinander setzen mussten. Am Ende des Landungsstegs begrüßte uns ein weiterer Herr, welcher uns zum Anwesen der Eheleute de Granpré und De L´Isle bringen sollte. Die Temperaturen hier waren für mich kaum auszuhalten und ich dankte Magda, dass sie entsprechend geplant hatte und ich nicht in dicke Seide gepackt war.
Beim Anwesen angekommen, wurden wir von einem Diener in den Salon geführt und man bat uns zu warten. Ich sah mich hier um und war erstaunt, da es hier kaum Bücher oder ähnliches gab. Sicherlich, das ein oder andere kleinere Regal mit Schreibwerk gab es schon, doch hauptsächlich fand man hier Gemälde, Büsten und ähnliches vor. Kunst halt, die Familie zeigte gerne, was sie besaß und dass sie einen erlesenen Geschmack hatte.
Nach gefühlten Stunden, was ich schon ziemlich unverschämt fand, tauchte endlich die Hausherrin auf. Genau wie ich sie mir vorgestellt hatte, herrisch mit erhobener Nase musterte sie uns eingehend. Haytham trat auf sie zu. „Madame De L´Isle, ich danke für die freundliche Einladung. Darf ich euch meine Frau, Mistress Alexandra Kenway vorstellen?“ wieder einmal fand ich sein diszipliniertes Verhalten faszinierend. „Master Kenway, es freut mich euch persönlich kennenzulernen.“
Langsam kam sie auf mich zu, beäugte mich immer noch kritisch von oben bis unten. Sie war etwas größer als ich, was ihr durchaus bewusst war. Ich atmete tief durch und reichte ihr meine Hand. „Madame De L´Isle, auch ich freue mich euch persönlich kennenzulernen.“ mit spitzen Fingern nahm sie meine dargebotene Hand entgegen. „Mistress Kenway, da seid ihr ja endlich. Das wurde auch Zeit, wenn ich das so sagen darf. Was fällt euch ein, euch in meine Geschäfte einzumischen! Ich suche mir meine Partner lieber selber aus und ganz sicher würde ich niemals...“ zu mehr kam sie aber nicht, da jetzt ihr Gatte ebenfalls erschien.
„Ah, unsere Gäste sind eingetroffen.“ freudig sah er in die Runde und drückte seiner Gattin zur Beruhigung die Hand. „Mistress Kenway, Master Kenway. Ich freue mich, euch hier begrüßen zu dürfen. Ihr müsst meine Gattin entschuldigen, sie fühlte sich einfach völlig überrannt, als sie von den neuen Geschäftspartnern erfuhr.“ kam es entschuldigend von ihm.
„Ich denke, ihr müsst euch nicht für eure Frau entschuldigen, Monsieur de Grandpré. Ich hätte früher selber daran denken können. Doch leider verhinderten persönliche Ereignisse einfach diese Reise und ein entsprechendes Gespräch. Und auch Mrs. Cormac hat sich nichts dabei gedacht, da ich bisher auch immer zuverlässig gearbeitet habe!“ kam es jetzt leise, aber bestimmt von mir. Der Ruhemantel hatte mich wieder erfasst. Man bat uns Platz zu nehmen und reichte uns kühle Getränke. Als ich jedoch kostete, schmeckte ich den Alkohol darin. „Verzeiht, aber hättet ihr einen Tee für mich. Ich erwarte ein Kind, da sind diese Getränke leider ungeeignet für mich, weil ich es nicht mehr vertrage.“ nicht die volle Wahrheit, aber auch nicht gänzlich gelogen!
Augenrollend bat Madeleine einen Diener mir den gewünschten Tee zu bringen. „Mistress Kenway, wie ich hörte, habt ihr noch weitere Geschäftspartner mit ins Boot holen können?“ ihr Ton hatte eine gewisse geschäftliche Kühle angenommen. „Ja, einer der wichtigsten ist Master Lestrange. Ein Schmuckhändler seit Generationen und sehr zuverlässig, Madame De L´Isle. Ich hoffe in Zukunft, wenn wir unter anderem dann auch nach London reisen, noch weitere geschäftliche Beziehungen eingehen zu können. Ich würde das Geschäft gerne erweitern und ausbauen.“
Ich erzählte von meinem Wunsch nach Kaffee zum Beispiel, auch sprach ich den Tabak- und Weizenhandel an. „Mrs. Cormac hatte auch schon dahingehend etwas angedeutet. Mir ist nicht wohl dabei, euch in meine Liste von Händlern mit aufzunehmen, Mistress Kenway. Euer Geschäftssinn mag beachtenswert sein, dennoch kenne ich euch nicht.“ kam es wieder kalt von ihr und ihr Blick zeugte von einem regelrechten Widerwillen.
„Dann solltet ihr euch nach einer anderen Transportmöglichkeit in Zukunft für den Wein und die anderen Waren umsehen, Madame De L´Isle. Ich bin nicht gewillt, mit euch zu handeln, wenn ihr euch an mir als Person stört.“ in meinem Geiste hatte ich mich abgeschottet, weil ich mich ehrlich gesagt mehr als beleidigt fühlte. Sollte sie doch sehen, wie sie ihre Sachen verscherbeln kann, unsere Schiffe stehen ihr dann nicht mehr zur Verfügung.
„Das könnt ihr nicht einfach so bestimmen.“ meinte die Dame etwas unwirsch und funkelte mich an. „Doch, das kann ich. Sollte dieser Zweig der Geschäfte für mich wegbrechen, bricht für euch schlicht und ergreifend auch die Möglichkeit weg, unsere Schiffe zu nutzen. Es sei denn, ihr zahlt unabhängig den Transport und entsprechende Unkosten!“ meine Stimme war immer noch leise, hatte aber ebenso wie ihre eine Kälte angenommen.
Haytham ergriff nun das Wort. „Madame De L´Isle, niemand ist gewillt, diesen Handel abzubrechen. Auch wenn ihr sicherlich schnell eine andere Transportmöglichkeit finden werdet, davon bin ich überzeugt. Doch bedenkt die letzten Jahre der guten Zusammenarbeit und bisher ist alles zu eurer Zufriedenheit zum Abschluss gekommen. Oder seht ihr das anders? Zumal ihr in der Vergangenheit zusätzlichen Schutz hattet mit unserer Flotte!“ auch seine Stimme war kühl und in die Templerrolle gerutscht. Madeleine saß etwas unschlüssig vor uns und starrte mich weiterhin mit ihren kühlen grünen Augen an.
Plötzlich kam mir in den Sinn, dass ich sie durchaus zwingen könnte, da meine Befugnisse über die normalen im Orden hinausgingen. Doch galt das auch für diesen Zweig des Handels? Er war nicht lebensnotwendig, eher Luxusgüter wenn man es genau betrachtete. Ich zwang diesen Gedanken wieder in meinen Hinterkopf. Vielleicht würden wir uns noch anders einigen können.
Madeleine sah meinen Mann seltsam an, so als müsse sie sich eingestehen, dass sie keine andere Wahl hatte. Oder hatte man ihr bereits angedroht die Unterstützung und den Schutz der Templer zu entziehen? Auch Faith und Shay hätten diese Möglichkeit und eben entsprechende Handlungsfreiheit! Zähneknirschend hörte ich sie sprechen. „Ich denke, ich sollte es auf einen Versuch ankommen lassen, Master Kenway. Mistress Kenway, aber seid versichert, dass ich in Zukunft nicht noch einmal so vor vollendete Tatsachen gestellt werden möchte. Mein Einfluss ist weitreichend bekannt und auch ich kann euch durchaus schaden!“ drohte diese Frau mir jetzt etwa?
„Ihr wagt es mir zu drohen? Mit was habe ich diese unverschämte Art verdient?“ fuhr ich jetzt hoch, da meine Geduld so langsam am Ende war. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass eure Herkunft mehr als fragwürdig ist und dann seid ihr im Besitz dieses Schiffes.“ sie sprach die letzten Worte mehr als abfällig. Daher wehte der Wind, sie traute mir nicht, weil sie hinter meinem Erscheinen eine Verschwörung oder ähnliches vermutete. Ich wusste doch, diese Frau könnte mir noch Steine in den Weg legen.
Haytham legte beruhigend eine Hand auf meinen Oberschenkel. „Wenn ich das erklären darf?“ meinte er in einem völlig neutralen Ton und ein Nicken der Eheleute ließ ihn unsere Geschichte erzählen. Wir blieben bei der alten Version, welche wir damals auch Lady Melanie berichteten. Eines hatte ich jedoch überhaupt nicht bedacht, mein junges Alter! Ich sah ja nicht gerade wie 45 oder älter im Moment aus! Doch das schien die beiden nicht im geringsten zu stören, im Gegenteil. Die Eheleute hörten aufmerksam zu und in die Augen von Phillipe trat ein Leuchten, als ich von Piraten erzählte.
„Im Grunde habe ich dadurch einen Vorteil, ich weiß mich in diesen Kreisen zu bewegen!“ ich hoffte, dass würde noch ein Fünkchen mehr Vertrauen bringen, was es auch tat. „Ward ihr seit dem einmal wieder in Nassau?“ fragte mich Madeleine neugierig. „Nein, leider noch nicht, aber ich denke, wenn unser Kind dann alt genug ist, werden wir einige Städte aufsuchen, welche ich damals bereist habe.“ bei meinen eigenen Worten trat ein Lächeln auf mein Gesicht und meine Hand glitt über meinen Bauch.
„Wann sagtet ihr, ist die Niederkunft, Mistress Kenway?“ kam es etwas verhalten von Monsieur de Grandpré. „Wir gehen von Anfang Dezember aus, Monsieur.“ meinte Haytham mit einem warmen Lächeln für mich auf dem Gesicht. „Dann sollten wir auf den baldigen Nachwuchs und weitere erfolgreiche Geschäfte anstoßen, was meinst du, Madeleine?“ der Hausherr sah seine Gattin durchdringend an, was sie mit einem tiefen Seufzen quittierte. „Vermutlich hast du Recht, Phillipe. Und ich wäre überaus erfreut, wenn wir in Zukunft weiter persönlich den Kontakt halten könnten.“ ihr Stimme hatte jetzt einen etwas versöhnlicheren Tonfall angenommen.
„Es würde uns ebenso freuen, euch auch einmal in Virginia begrüßen zu dürfen. Ihr könnt euch dann auch gerne von unseren Lagern überzeugen und den Arbeitern, die sich um die Bestände kümmern!“ meinte ich ebenso friedlich, da mir Streit und Missgunst einfach zuwider waren. „Ich denke, die Einladung nehme ich gerne an, Mistress Kenway.“ jetzt konnte ich diesen Ruhemantel ablegen und einfach den weiteren Verlauf mit ihr besprechen.
Und wie ich es gehofft hatte, auch wenn es nur im Notfall so sein sollte, begann ich mit Monsieur de Granpré den Kaffeehandel zu besprechen. Währenddessen diskutierten Haytham und Madeleine über einige nicht ganz koschere Unterhändler, welche ihren Wein immer wieder versuchten zu stehlen oder zu strecken. Ich verblieb mit Phillipe dabei, dass die „Sutherland“ und die „Kent“ ab jetzt nicht nur den Wein und die anderen Waren mitnahmen, sondern auch den Kaffee. In einem Turnus von 2 Monaten würden wir diesen Transport durchführen.
Es wurde schon dunkel, als man uns noch einlud, zum Abendessen zu bleiben. Wir nahmen die Einladung an, auch wenn ich mich noch nicht ganz wohlfühlte mit dieser Frau. Das würde ich auch vermutlich nie, dachte ich mir. Das Essen verlief friedlich und mit dem üblichen Gerede über die Gegend hier und wie sich nun hier auch einige Veränderungen auftaten. Gerade als wir beim Nachtisch waren, erschien Avéline bei Tisch.
Man stellte uns ihr vor und ich staunte nicht schlecht, sie war groß geworden und eine wirkliche Schönheit, auch wenn sie erst 16 Jahre alt war. Madeleine erzählte ihr, dass sie in nächster Zeit auch eine Reise nach Virginia anstreben würden. Auch dass der Handel weiter über mich laufen sollte. „Darf ich euch dann auch einmal begleiten, Vater?“ fragte sie mit einem sehr hübschen französischen Akzent, welcher mich lächeln ließ. „Natürlich, mein Kind. Du weißt ja, du wirst in unsere Fußstapfen treten, was das Geschäft angeht. Aber ich weiß, Gérald wird dich weiter unterstützen und dich im Notfall tatkräftig vertreten.“ lächelte er seine Tochter an.
Gegen 23 Uhr verabschiedeten wir uns und eine Kutsche brachte uns zu unserer Unterkunft, einer kleinen Pension mitten in der Stadt. Man sah hier diese große Präsenz der Spanier und die Bevölkerung lief leicht geduckt umher. Sie hatten Angst, was verständlich war. Man versuchte sie zu unterdrücken, die Stadt sollte dem spanischen Königreich gehören. „Es ist erschreckend, dass die Mächtigen sich immer an fremden Ländern und Gebieten bereichern wollen...“ sprach ich mehr zu mir, als mit Haytham. „Das war schon immer so und es wird sich vermutlich nie ändern. Jeder will im Grunde immer das haben, was ein anderer im Besitz hat.“ seine Stimme klang ebenso gedankenverloren.
„Ich wünsche mir für unser Kind, dass es sich nie für eine Fraktion entscheiden muss. Und nein, ich meine nicht Bruderschaft oder Orden! Briten, Franzosen, Spanier... was kommt noch alles?“ meine Verzweiflung hörte man deutlich und ich sah, wie Haytham schon die Frage auf den Lippen lag, was ich ihm über diese Zukunft sagen konnte. „Leider werde ich darauf noch nicht näher eingehen, mi amor.“ seufzte ich und lehnte mich müde an seine Schulter.
Als wir endlich in unserem Zimmer waren und Magda mich aus meinen Sachen befreit hatte, fühlte ich mich etwas wohler und ließ mich auf das Bett sinken. „Alex, leg dich hin, es war ein anstrengender Tag.“ meinte Haytham fürsorglich und legte sich neben mich. „Anstrengend und aufregend. Dein Sohn ist jetzt gerade wachgeworden und... aua!“ ein Tritt in meine Nieren und ich krümmte mich. Auf die Seite gestützt lag ich Haytham zugewandt. „Er wird sicherlich einmal ein nachtaktiver Mensch sein.“ lachte er leise und strich über meinen Bauch, welcher sich immer wieder leicht ausbeulte, wo die Hand meines Mannes war. „Ich hoffe es nicht, ich hätte schon ganz gerne die Nächte zum Schlafen, mi amor.“ kicherte ich und ließ meinen Kopf auf das Kopfkissen sinken.
„Wirklich nur zum Schlafen? Bist du dir da ganz sicher, mi sol?“ hauchte er mir in die Halsbeuge und seine Hand begann auf Wanderschaft zu gehen. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber mach ruhig weiter. Vielleicht fällt es mir dann ein, mi amor!“ raunte ich leise an seinen Lippen und küsste ihn verlangend. Mein Mann überzeugte mich davon, dass man die Nächte auch mit ein paar sehr entspannenden Aktivitäten füllen konnte. Ich genoss seine kleine Lehrstunde mal wieder und schlief einige Zeit später an ihn geschmiegt friedlich ein.
Wir würden nicht sofort wieder nach Hause aufbrechen, da wir ein paar Tage hier eingeplant hatten. Also nutzten wir den heutigen Vormittag für eine kleine Erkundungsrunde durch New Orleans, weil die Temperaturen noch nicht so hoch waren zu dieser Tageszeit. Magda und Michael vertrieben sich ebenfalls die Zeit um die Stadt näher kennenzulernen.
Faith hatte mir vor einiger Zeit ein Geschäft empfohlen, welches etwas ausgefallenere Stoffe führte. „Wir sollten dort einmal vorbeischauen, ich würde gerne meine Garderobe noch aufstocken. Auch wenn ich gerade nichts anprobieren kann.“ lachte ich, da mir mein Bauchumfang wieder einfiel. „Weißt du wo es ungefähr liegt, dann könnten wir auch eine Kutsche nehmen.“ Es wäre schon eine etwas längere Wegstrecke, weswegen wir uns fahren ließen.
Der Kutscher hielt vor besagtem Gebäude und Haytham bezahlte den Herren. Von außen sah es unscheinbar aus und in dem Fenster war ein Kleid ausgestellt, was jetzt so überhaupt nicht meinem Geschmack entsprach. „Hmmmm, nicht das, was ich erwartet habe.“ meinte mein Mann mit gerümpfter Nase, führte mich aber dennoch hinein. Und es war als käme man in ein ganz anderes Haus. Innen war die Auswahl fein und die Regale waren mit erlesenen Stoffballen gefüllt.
Hier verbrachte ich nun eine Weile und ließ mir einige Stücke und auch ein paar Schnittmuster zeigen, welche der neuesten Mode entsprachen. Der Verkäufer selber fertigte mir einige Kopien von ein paar Mustern an, so dass ich sie Zuhause fertigen lassen konnte. Entsprechenden Stoff kaufte ich jedoch gleich hier vor Ort und ließ ihn direkt zur Jackdaw bringen.
Ein Stück weiter sahen wir Marktstände und reges Treiben dort. Wir schlenderten hinüber und wieder einmal war ich überrascht, wie sorglos man doch mit den Lebensmitteln hier umging. Haythams Augenmerk war jedoch auf eine Auslage gefallen, welche zwischen einigem Krimskrams auch Bücher feilbot. Die Dame dahinter sah uns etwas säuerlich an. „Könnt ihr überhaupt spanisch? Hier gibts nämlich nix andres!“ fauchte sie uns an und mein Mann antwortete in seinem schönsten und höflichsten Spanisch, dass er dieser Sprache sehr wohl mächtig sei. Sie solle sich nicht ihren Kopf darüber zerbrechen. DAS hatte gesessen, weil ich nun sah, dass dieser Frau alle Gesichtszüge entglitten waren.
Wir erstanden zwei Exemplare, Don Quijote und Amadis de Gaula. Zwei Ritterromane, von denen der eine eine Parodie für den Ritterorden darstellt. Beide waren auf spanisch und ich sah, wie ein Leuchten in Haythams Augen trat. „Du scheinst dich ja richtig darüber zu freuen, mi amor. Ich hoffe doch, du wirst mir daraus vorlesen und bitte auch gleich übersetzen?“ lächelte ich ihn jetzt an. „Wir haben auf der Rückreise ja genügend Zeit dafür, mi sol. Ich freue mich darauf, dir ein wenig die spanische Sprache näher zubringen.“ grinste er mich breit an. Ja, er würde einen guten Lehrmeister abgeben!, ging es mir durch den Kopf.
Wir kamen an einer kleinen Schmiede vorbei und für einen Moment stand ich staunend dort. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, einem Schmied bei seiner Arbeit zuzusehen. In Virginia selber auf der Plantage haben wir zwar einen Herren, der sich um das Schleifen oder das Geradebiegen von Dolchen oder Schwertern verstand, mehr aber nicht. Der Mann mit der ledernen Schürze begrüßte uns halb auf englisch, halb auf französisch und fragte uns, womit er behilflich sein könnte.
Haytham deutete auf ein Kurzschwert, welches an der Wand neben dem Abzug hing. „Was könnt ihr mir darüber erzählen?“ fragte er wieder ganz der Templer. „Oh Mister, dass hat man mir überlassen, als Pfand. Vor etlichen Jahren konnte ein Herr meine Arbeit nicht bezahlen. Wollt ihr es einmal genauer ansehen?“ er griff danach und reichte es meinem Mann. Dieser war ganz hin und weg von der Waffe. „Was verlangt ihr für dieses Stück, Mister?“ hakte mein Mann nun nach und anscheinend hatte er sich schon entschieden, WER dieses Schwert bekommen soll.
Der Schmied sah von mir zu Haytham und grinste dann breit. „10 Schilling, Mister. Soviel schuldete mir der werte Herr!“ Ob das nun wirklich ehrlich war, bezweifelte ich, doch es war auch nicht übertrieben teuer. „Abgemacht!“ hörte ich diesen sonst so bescheidenen Templer freudig antworten. Das Schwert wurde noch verpackt und wir machten uns auf den Weg, weiter die Gegend zu erkunden. „Seit wann bist so entscheidungsfreudig, mi amor? Normalerweise hättest du länger für die Verhandlungen gebraucht.“ fragte ich immer noch etwas irritiert. „Alex, es ist ein wunderschönes Kurzschwert und ich finde, es passt perfekt zu unserem Sohn.“ bekam ich die Erklärung, doch irgendwie passte das immer noch nicht zu meinem zurückhaltenden Templer.
Auf der andere Seite dachte ich mir meinen Teil, vielleicht brauchte er diese neuen Gefühle und schnellen Entscheidungen und ich beließ es dabei. Allmählich jedoch taten mir die Füße und der Rücken weh, also machten wir uns wieder auf den Weg zu unserer Unterkunft. „Lass uns später eventuell noch einmal losgehen, mi sol. Ruh dich ein wenig aus!“ meinte mein Mann leise und massierte mir die Füße, als ich in unserem Zimmer auf dem Sofa saß. Eine Wohltat und Magda hatte mir Tee gebracht, könnte es nicht noch länger so friedlich bleiben?
Nach dem Mittagessen machten wir uns noch einmal fertig und gingen ohne Ziel drauf los. Ich zählte auf Haythams guten Orientierungssinn, da mir meiner, seit ich schwanger war, irgendwie abhanden gekommen war. Wir kamen an einer Kirche vorbei mit einem großen Friedhof davor, daneben war ein großer Platz, auf welchem spanische Soldaten das Exerzieren übten. Man wollte die Bevölkerung darauf einstimmen, dass sie bald zu Spanien gehören würden. Makaber, wenn man mich fragt. Doch es war schon immer so, Haytham hatte es ja auch schon so treffend bemerkt.
Lange hielt es mich jedoch nicht auf den Beinen, die Hitze machte es mir schwer und mein Kreislauf begann verrückt zuspielen. In Windeseile rief mein Mann eine Kutsche und ließ uns zurückbringen. Während wir unterwegs gewesen waren, hatte man eine Nachricht für uns hinterlassen. Sie war von Madeleine. Ihre Zeilen musste ich ein paar mal lesen, weil ich meinen Augen nicht traute. Nichts deutete mehr auf ihren Unmut hin, im Gegenteil. Man bedankte sich nun für die Zusammenarbeit und hoffte auf weitere gute Geschäfte. Madame De L´Isle würde dann im November oder Dezember nach Virginia reisen, um sich von dem reibungslosen Ablauf selber ein Bild machen zu können.
Grundsätzlich hatte ich nichts gegen Besuch oder ähnliches, doch graute mir davor, hochschwanger Gäste bewirten zu müssen. Bis dahin hatte ich aber noch Zeit und hoffte, dass es nicht allzu beschwerlich werden würde.
„Ich glaube, wir können dann auch wieder aufbrechen, Haytham. Was meinst du? Oder hast du hier noch etwas, was du sehen möchtest oder zu erledigen hast?“ fragte ich nun und freute mich insgeheim auf die Heimreise und mein Zuhause! „Viel gibt es ja nicht zu bewundern, also sollten wir uns auf den Heimweg machen, mi sol.“ ein Kuss auf meine Stirn und unsere Truhen wurden gepackt. Wir bedankten uns beim Gastwirt und beließen das Geld einfach, er würde sicherlich jemanden finden, der sich in unseren Räumen einmieten würde.
Auch ließ ich Madeleine und Phillipe noch eine Nachricht zukommen, in welcher ich unsere Abreise mitteilte und mich auf das nächste Treffen freuen würde. Immer diese Höflichkeiten, doch es gehörte sich halt so. Auf der Jackdaw war Mr. Hargreaves gerade dabei, alles noch einmal zu inspizieren und meldete, dass alles an Ort und Stelle sei. Somit konnten wir aufbrechen und langsam verließen wir den Hafen von New Orleans, wann wir wieder einmal hier sein würden, war fraglich.
„Mistress Kenway, ich weiß, es geht gerade nicht. Ich frage mich jedoch, ob wir irgendwann einmal nach Nassau kommen werden.“ er war neugierig und hatte viele Geschichten gehört. Mein erster Maat hatte mir von seinen Reisen berichtet und ich wusste, dass er nie in die Nähe der Karibik kam und nun natürlich darauf brannte. „Ich denke, beizeiten werden wir eine solche Reise in Angriff nehmen.“ Im Grunde wollte ich ebenso gerne einmal wieder dorthin und vor allem auch einen Abstecher nach Great Inagua machen. Alles lag dicht beieinander, doch in meinem jetzigen Zustand war es leider keine Option.
Wir waren erst vor zwei Wochen wieder hier eingetroffen und man überhäufte uns sogleich mit den wichtigsten Informationen bezüglich der Ernte. Dafür war jedoch in erster Linie Haytham verantwortlich und ich beschäftigte mich mit meinen eigenen Geschäften.
Mittlerweile schleppte ich einen ordentlich Bauch vor mir her und die Pächterfrauen konnten anfangen, mir zu zeigen was sie bisher gelernt hatten. Diese Monate des Trainings hatten sich definitiv ausgezahlt und ich erkannte einige kaum wieder, so enthusiastisch agierten sie mit ihren Waffen und vor allem zielsicher.
„Ladies, ich glaube, so kann ich euch auf die Menschheit loslassen.“ grinste ich und erhob mich etwas schwerfällig von dem Holzklotz. „Versprecht mir nur, dass ihr weiter übt, damit ihr immer zuschlagen könnt. Es muss in der Nacht aus dem Tiefschlaf der Griff nach der Waffe kommen. Aber ich sehe, ihr wisst jetzt worauf es ankommt.“ sprach ich laut und anerkennend. Vor mir vernahm ich Applaus und viele Danksagungen. „Mistress Kenway, ich danke euch im Namen aller Frauen, dass wir nun nicht mehr so schutzlos sind.“ meinte Mildred und reichte mir schüchtern ihre Hand. Ich zog sie in meinen Arm und drückte sie. „Ihr könnt euch auch weiterhin auf mich verlassen, nur nicht unbedingt, wenn ich gerade in den Wehen liege...“ lachte ich in die Runde und man stimmte mir zu und musste ebenso lachen.
„Braucht ihr noch eine Hebamme, Mistress Kenway?“ fragte mich jetzt schüchtern eine kleine schwarzhaarige Frau mit veilchenblauen Augen. „Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, wann unser Kind tatsächlich auf die Welt kommt, ist ja eher ungewiss. Aber... grundsätzlich, ja, ich bräuchte eine Hebamme.“ natürlich hatte ich die Hoffnung, dass Faith dann hier ist, sie planten zu Haythams Geburtstag dieses Jahr hierher zu kommen. Doch Geburtstermine sind unberechenbar. Sie trat an mich heran und nahm meine Hand. „Dann würde ich mich freuen, wenn ich euch helfen kann, Mistress Kenway. Ich bin Abbigail Thrope!“ sagte sie etwas schüchtern.
„Dann freue ich mich, wenn ihr mich unterstützen würdet, Abbigail!“ und natürlich liefen bei mir wieder die Tränen... diese Hormone sind ein Fluch!
Beim Mittagessen erzählte ich Haytham von den Neuigkeiten und auch er hatte so einige zu berichten. Die Preise für den Tabak waren dieses Jahr besonders hoch und er konnte hohe Gewinne erzielen. Dann erzählte er mir noch von den anderen eingetroffenen Lieferungen, welche in einer Woche wieder den Besitzer wechseln sollten. Es lief alles wie am Schnürchen bis jetzt und ich hoffte es würde auch so bleiben.
Während dieser Erntezeiten sah ich meinen Mann oft den ganzen Tag nicht, da er über die Felder ritt und nach und nach alles überwachte. Obwohl er eigentlich nicht selber anwesend sein musste, aber sein Ego verbot es ihm, anderen diese Verantwortung komplett zu übergeben.
Heute Abend stand mal wieder ein Dinner an und ich sah wehleidig zu Haytham. „Es tut mir leid, mi sol. Aber wir haben Verpflichtungen!“ flüsterte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Das weiß ich doch... aber zwäng du doch mal einen Walfisch in diese Folterinstrumente, Haytham.“ sein Gesicht nahm einen sehr belustigten Ausdruck an. „Alex, du bist kein Walfisch, du bist schwanger mit unserem Kind!“
„Du findest das lustig? Ich fühle mich...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Ich kann es mir vorstellen, alleine die Tatsache, was du so an seltsamen Dingen in dich hineinstopfst, reicht mir schon. Es sind nur ein paar Stunden, dann bist du befreit und wenn wir morgen wieder hier sind, kannst du dich gerne den ganzen Tag nackt … auf dem Bett...“ ich zog meine Augenbraue hoch. „Hol deine Gedanken aus der Kloake deiner schmutzigen Gedanken, Haytham Kenway!“ ermahnte ich ihn grinsend. Also ließ ich mich anziehen und Magda packte ein paar Sachen für uns ein.Sie würde uns begleiten, genauso wie Haythams Kammerdiener.
Die Kutsche war Abfuhr bereit und brachte uns zu den Donovans. Sie wohnten 4 - 5 Stunden von uns entfernt, eigentlich ein Katzensprung, aber diese eigenartigen Temperaturen und die Schwangerschaft machten es mir nicht angenehmer! Die Fahrt über versuchte ich mich immer wieder bequem hinzusetzen, doch es gelang mir nicht. Irgendwann hatte ich meine Schuhe ausgezogen und hielt meine Beine hoch. „Mi sol, vergiss nicht, sie nachher wieder anzuziehen.“ mit einem breiten Grinsen massierte Haytham mir leicht die Füße. Ich seufzte wohlig und lehnte mich zurück.
Das Essen bei den Donovans war wie erwartet köstlich und es war die gesamte Nachbarschaft anwesend. Als ich mit den Damen dann im Salon saß, kamen wieder einmal die obligatorischen Fragen, nach dem Kindermädchen, ob ich eine gute Hebamme hätte und ob ich schon ahnte, was es wird. Als ich dann erwähnte, dass mein Mann darauf bestand unter der Geburt dabei zu sein, sahen sie mich entsetzt an. „Wollt ihr ihn wirklich dabei haben? Männer sind nicht hilfreich dabei, lediglich bei der Entstehung!“ kicherte Mrs. Doyle, welche durch den Wein recht angeheitert war. Ich beließ es dabei, da gingen die Meinungen wohl auch zu weit auseinander. Natürlich kamen auch die üblichen Tratschgeschichten, wer mit wem mal wieder liiert war und warum das so unanständig war.
Die Herren hatten dann irgendwann genügend getrunken und sich über die Geschäfte unterhalten und leisteten uns noch kurz Gesellschaft. Als mein Mann neben mir Platz nahm, sah ich ihm in die Augen und meinte still Können wir jetzt einfach zu Bett gehen? Es ist so langsam anstrengend, diesem Geschnatter weiter zuzuhören. Haytham nickte leicht und sagte dann an alle gewandt „Wir werden uns jetzt zurückziehen. Es war ein langer Tag und die Fahrt war anstrengend für meine Frau. Wir wünschen noch eine geruhsame Nacht.“ er verneigte sich leicht und ich nickte entschuldigend.
Ich konnte die Blicke der Damen in meinem Rücken förmlich spüren. Sie waren nicht gehässig, aber sie waren mitfühlend und stellenweise auch wehmütig. Ich wusste von zwei Frauen, welche sich sehnlichst Kinder wünschten und ich konnte diese Sehnsucht sehr gut nachvollziehen. Als wir dann in unserem Zimmer waren und Magda mich endlich aus dem Kleid befreit hatte und ich mich der Schuhe entledigen konnte, ließ ich mich auf das Bett fallen.
Mein Mann ließ sich hinter mir nieder, ebenfalls mit einen Seufzer. Ihn umgab dieser Dunst von Whiskey und Zigarrenrauch und ich wedelte etwas mit der Hand. „Verzeih mir, mi sol. Aber ich kann es nicht verhindern.“ meinte er leise und schmiegte sich an mich. „Schon gut, mein Geruchssinn ist wesentlich feiner, seit ich schwanger bin. Es wird sich sicher wieder legen!“ kam es gähnend aus meinem Mund. Haythams Hand lag auf meinem Bauch und ich spürte, wie unser Kind sich dahin bewegte.
„Es ist immer noch ein eigenartiges Gefühl, zu wissen, dass dort drin ein kleiner Mensch ist und uns sogar schon zuhört.“ Er beugte sich über mich und küsste meinen Bauch. „Aua...“ ich hatte den Tritt ebenfalls gespürt und Haytham hielt sich die Lippe. „Nicht böse sein, mi amor. Dein Sohn hat dir seine Liebe gezeigt.“ grinste ich und gab meinem Mann einen Kuss.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen reisten wir wieder zurück und ich war unsagbar froh, wieder zuhause zu sein. Kaum dass ich in der Eingangshalle war, schnippte ich meine Schuhe von den Füssen und bewegte laut stöhnend die Zehen. Hinter mir hörte ich ein leises Raunen „Das will ich spätestens heute Nacht auch für meine Bemühungen ernten, mi sol!“ und mir lief ein wohliger Schauer über den Körper. „Darauf kannst du dich verlassen, Haytham!“
Es war eine Last. Ich kannte diese Strapazen nicht mehr und die letzten Wochen waren einfach unerträglich. Es war zwar kein Sommer mehr, aber ich schwitzte genauso weiter. Keinen Schritt konnte ich mehr machen, ohne in Schweiß auszubrechen. Meine Füße waren bis zum Bersten geschwollen und ich hatte einfach schlechte Laune. Tat mir mein Mann leid? Nein, ER hat das verursacht, dann sollte er auch mit meinen Launen leben.
Ich hatte aber nie wieder einen dieser Albträume oder ähnliches. Auch war Edward etwas ruhiger geworden, was vermutlich auch daran lag, dass ich ihn gerade nicht brauchte. Ich hoffte, dass es so friedlich auch erst einmal blieb.
Wir saßen beim Mittagessen, als Magda Familie Cormac ankündigte. Glücklich stand ich auf und eilte in die Eingangshalle und warf mich in Faiths Arme. „Ich bin so froh, dass ihr wieder hier seid, mo rionnag!“ ich erhielt einen staunenden Ausdruck von ihr, als sie meinen Bauchumfang sah. „Ich habe dich auch vermisst, mein preußisches Weib! Du meine Güte, du siehst aus, als würdest du gleich platzen!“ lachte sie mich an. „Danke, sehr nett von dir, ich fühle mich auch so.“ meinte ich etwas schmollend, ich wusste, dass ich Gewicht zugelegt hatte. „Du weißt, was ich meine. Du willst es jetzt nur falsch verstehen, oder?“ kam es beschwichtigend und sie gab mir einen langen Kuss als Entschuldigung.
Das obligatorische Räuspern unserer Männer und die Begrüßung wurde fortgesetzt. Maggie war auch mitgekommen, doch Master Williams war verhindert. Also scheuchte ich sie jetzt alle in den Salon, damit die Kinder spielen konnten. Leider hatte es hier noch nicht geschneit, ich hoffte, dass wir wenigstens weiße Weihnachten haben würden.
Wir berichteten uns gegenseitig die letzten Neuigkeiten, welche es nicht mehr in die Briefe geschafft hatten. Die Geschäfte liefen nach wie vor gut und auch das Bordell machte keine Probleme. Der Duke hatte durch unseren gemeinsamen Handel weitere Partner mit ins Boot holen können, sodass wir mittlerweile auch über die Niederlande einige Waren beziehen konnten. Das London-Geschäft musste er dann doch anders abwickeln, was ich nicht gerne tat, aber ich konnte so nicht mehr reisen.
Dann war das Abendessen soweit und mein Magen freute sich darauf. Meine Gelüste hatten sich weiter ausgedehnt, unter anderem auf Apfelmus mit sauren Gurken. Mrs. Wallace hatte auch heute wieder extra für mich alles griffbereit gestellt und mir lief das Wasser im Mund zusammen. July saß neben mir und sah mich fragend an. „Tante Alex, das isst du?“ und sie schüttelte sich grinsend bei dem Gedanken. „Das schmeckt lecker, glaub mir. Vielleicht wirst du es ja später auch einmal mögen!“ lachte ich sie an und sie schüttelte sich weiterhin nur.
Als es Zeit war für die Kinder ins Bett zu gehen, verschwanden Maggie und Faith nach oben und ich ging kurz auf die Terrasse um frische Luft zu schnappen. Haytham und Shay hatten sich in sein Arbeitszimmer verzogen, wer weiß, was sie wieder ausbrüteten. „Mistress Kenway, ihr solltet nicht ohne einen Mantel hier draußen stehen, ihr holt euch noch den Tod.“ kam es tadelnd von meiner Kammerzofe. „Danke, aber ich gehe schon wieder hinein.“ Sie hatte ja recht, es war schon ziemlich kalt geworden.
Gerade als wir alle zusammen im Salon saßen und den Tag ausklingen lassen wollten, spürte ich diesen fiesen Tritt unter meinen Magen und ich musste mich beherrschen, dass mir das Abendessen nicht hochkam. „Alex, alles in Ordnung?“ meinte Faith vorsichtig. „Ja, aber unser Sohn findet es wohl etwas beengt in meinem Bauch und tritt mir in den Magen.“ konnte ich sie beruhigen. „Ja, so langsam herrscht Platzmangel, Alex.“ lachte sie und ich musste selber kichern.
Gegen 22 Uhr fielen mir die Augen zu und ich entschuldigte mich für die Nacht. Magda folgte mir und half mir beim Ausziehen, in den letzten Wochen bekam ich nicht einmal mehr die Schuhe alleine aus- oder angezogen. Von den Strümpfen ganz zu schweigen. Als ich sie dann für die Nacht entließ, blieb ich für einen Moment auf der Bettkante sitzen und genoss diese Freiheit für Bauch und Füße. Doch mein Sohn befand, mir jetzt auch noch auf die Blase drücken zu müssen. Also Morgenrock und Hausschuhe an und ab nach draußen. In meiner Zeit war das alles kein Ding, aber so bei beißender Kälte über den kalten Hof zum Abort rennen, hochschwanger, ist nicht witzig!
Als ich wieder die Treppe hinauf wollte, kam mein Mann um die Ecke aus dem Salon. „Mi sol, ist etwas passiert?“ fragte er alarmiert, als er bemerkte, dass ich etwas außer Atem war. Es war in den letzten zwei Wochen schlimmer mit seiner Angst um mich und das Kind geworden, es war stellenweise schon lästig. Er ließ mich nicht mehr aus den Augen und versuchte in meiner Nähe zu sein. „Es ist nichts, ich musste nur mal kurz wohin, Haytham. Du kannst unbesorgt wieder zu den anderen gehen.“ und ich gab ihm noch einen beruhigenden Kuss.
Ich war noch keine zwei Stufen hochgekommen, da spürte ich ein fieses Ziehen im Rücken und krallte mich am Geländer fest. Zum Glück war mein Mann schon wieder verschwunden, dass er es nicht mehr mitbekam. Am Treppenabsatz musste ich eine Pause einlegen, mir fehlte der Atem fürs Weitergehen. Endlich im Schlafzimmer zog ich mich wieder aus und legte mich einfach hin, doch so wirklich einschlafen konnte ich nicht. Auch das Haytham dann später zu mir ins Bett kam, bekam ich noch mit und erst als er mich in den Arm nahm, wurde ich wieder ruhiger. Also fehlte er mir doch, grinste ich in mich hinein und legte meine Hand auf seinen Oberschenkel. „Ich liebe dich, mi amor!“ nuschelte ich jetzt schläfrig. „Ich dich auch, mi sol!“ und ein vorsichtiger Kuss in meinen Nacken folgte.
Warme Hände fuhren meinen Rücken hinunter zu meinen Oberschenkeln und in ihre Mitte. Automatisch lehnte ich mich an meinen Mann und stöhnte wohlig. „Ich habe noch nicht einmal richtig angefangen, mi sol!“ kam es amüsiert von Haytham. „Dann mach einfach weiter und sieh, was dann passiert!“ meinte ich auffordernd zu ihm. „Dreh dich um!“ kam es jetzt in einem Befehlston, der mich erschauern ließ. Als ich ihm zugewandt lag, zog mich Haytham über sich und griff nach meiner Hüfte und hob mich langsam an. „Bei Odin...“ stöhnte ich leise, als ich ihn in mir spürte. „Beweg dich!“ doch das brauchte er mir gar nicht befehlen, ich tat es von ganz alleine.
Ich ließ mich ein wenig nach hinten sinken und stütze mich mit den Händen auf seinen Oberschenkeln ab, so hatte mein Mann die Hände frei und er nutzte sie sehr geschickt und ich konnte mich nicht lange beherrschen. Doch er dachte nicht daran, mir meinen Höhepunkt zu geben, grinste mich mit diesen dunklen grauen Augen fies an. „Nichts da, Mistress Kenway, ihr werdet euch zügeln müssen!“ Kurzerhand hob er mich von seinem Schoß und kniete hinter mir! Seine Hand drückte mich im Nacken aufs Bett und seine Bewegungen wurden schneller und sein Atem immer schwerer. Dann kam er hart in mir und zog mich an sich, seine Arme umschlossen mich und Haytham gab mir atemlose Küsse auf den Hals.
Langsam beruhigte er sich wieder und seine Hand fuhr wieder zwischen meine Schenkel und bescherte mir ebenfalls einen wundervollen Höhepunkt! Meine Arme hatte ich hinter mich um seinen Nacken geschlossen und konnte mich so fallen lassen! Ich wäre jetzt gerne einfach im Bett geblieben, doch wir hatten Gäste und ich hörte schon die Stimmen der Kinder auf der Galerie.
„Wir müssen dann wohl auch hoch, mi amor.“ meinte ich traurig. „Leider, aber die Nacht kommt schneller als du denkst!“ kam es breit grinsend von meinem Mann mit einem Klaps auf meinem Hintern. Diese Lektionen vermisste ich ein wenig, doch Haytham hielt sich, seit ich hochschwanger war, damit zurück.
Unten beim Frühstück, bot sich ein Bild wie immer, wenn alle Cormacs anwesend waren. Geordnetes Chaos, welches dreckige Tischwäsche und umher rennende Kinder mit beinhaltete. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen, ich hatte es schon irgendwie vermisst. Irgendwann stand July vor mir und legte einfach ihre Hände auf meinen Bauch. „Tante Alex, kann ich meinen Cousin einmal sehen?“ fragte sie neugierig. „Wenn du dich konzentrierst, July, dann kannst du zumindest das Leuchten sehen. Versuch es einmal!“ munterte ich sie auf und sie starrte plötzlich auf die Wölbung. Dass sie nicht noch rote Backen bekam, vor lauter Anstrengung war eigentlich alles. Dann erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Da klopft es in deinem Bauch!“ kicherte sie und ich vernahm auch diese Bewegungen. Damit war dann aber das Thema erst mal erledigt und sie belagerte ihren Patenonkel.
Es trieb mich natürlich wieder hinaus in die Kälte und ich hoffte, dass ich nicht auf dem Abort festfror, die Temperaturen waren weiter gefallen. Als ich zurück kam, beäugte mich meine Zofe säuerlich. „Mistress Kenway, es ist zu kalt so ohne Mantel!“ ich lächelte sie an und nickte. Im Laufe des Tages tat mir immer mehr mein Rücken weh und ich wusste bald nicht mehr, wie ich sitzen sollte. Irgendwann sah mich Faith fragend an. „Alex, was ist los? Du bist die ganze Zeit schon unruhig und zappelst so rum!“ besorgt legte sie ihre Hand auf meine.
„Es ist nichts, aber so langsam tut mir einfach jeder Knochen weh und diese Rückenschmerzen gehen schon den ganzen Tag nicht weg!“ maulte ich drauflos. Plötzlich hatte sie große alarmierte Augen. „Du gehst sofort hinauf in euer Schlafzimmer und ich werde dich untersuchen!“ Vorsichtig zog sie mich hoch. „Warum das denn? Mir tut der Rücken weh, nicht der Bauch!“ doch sie schob mich einfach zur Eingangshalle und die Treppe hoch.
Oben angekommen, schloss sie hinter uns die Tür und in einem lauten Befehlston kam nur. „Hinlegen! Sofort!“ Ich sah sie fassungslos an, was war in sie gefahren? Doch ich tat lieber was sie wollte, sie sah aus, als würde sie mich sonst umbringen! Faith hatte ihre Hände gewaschen und am Feuer gewärmt und fing an mich abzutasten. „Euer Sohn liegt auf jeden Fall richtig, Alex und... ohhhh!“ Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Du stures preußisches Weib, hast du nicht bemerkt, dass du bereits Wehen hast? Euer Kind will auf die Welt und es wird wohl auch nicht mehr allzu lange dauern!“
Ich setzte mich auf und starrte sie an. „WAS? Aber... mein Rücken!“ Doch jetzt konnte ich diese Kontraktionen spüren, wo ich mich darauf konzentrierte und hielt meinen Bauch. „Faith! Ich... bin sprachlos... ich... muss es Haytham sagen!“ ich stand auf und meine Schwester wollte mich schon abhalten, aber ich ging stur nach unten und in den Salon! Völlig außer Atem stand ich in der Tür und innerhalb einer Millisekunde stand mein Mann vor mir und hielt mich fest. „Alex, was ist passiert?“ und sein Blick ging von mir zu Faith. „Unser Sohn macht sich auf den Weg, das waren keine Rückenschmerzen den ganzen Tag! Das waren... AHHHHHHHHHH!“ brachte ich noch heraus und krallte mich an Haythams Hemd fest.
Faith hatte bereits Mrs. Wallace Bescheid gegeben, diese orderte zur Vorsicht auch noch Abbigail und den Doktor. Dann schob man mich mit meinem ebenfalls aufgeregten Ehemann hinauf ins Schlafzimmer. Die Mädchen machten alles für die Geburt fertig, deckten das Bett ab und den Boden und und und... ich bekam das alles nicht richtig mit, die Wehen hielten mich plötzlich vom Denken ab.
Als dann alles zur Zufriedenheit von meiner Freundin fertig war, schickte sie alle bis auf Abbigail hinaus. Sie würde ihr assistieren. „Haytham, bleibst du bei Alex? Bist du sicher?“ fragte sie ihren großen Bruder zweifelnd. „Ja, ich habe es versprochen.“ kam es knapp und etwas verbissen von ihm. Ich konnte seine Nervosität regelrecht mitfühlen. „Dann krempel die Ärmel hoch, Bruder! Du wirst deiner Frau nämlich im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme greifen!“ Ihr Befehlston hatte ja was, dachte ich und mich überkam ein wohliger Schauer.
Es war jetzt ungefähr 20 Uhr und ich hoffte, dass unser Sohn wirklich noch warten würde, bis sein Vater Geburtstag hatte. „Woher weißt du eigentlich, dass es ein Junge wird, Alex?“ kam es irgendwann fragend von Faith. „Keine Ahnung, es ist so ein Gefühl, es ist ähnlich wie bei Yannick. Deswegen vielleicht!“ lächelte ich sie an, doch mir verging es, als die nächste Wehe über mich wegrollte.
Ich verlor allmählich jegliches Zeitgefühl und wanderte in unserem Schlafzimmer umher. Vermutlich hinterließ ich tiefe Furchen, weil ich immer den gleichen Weg ging. Haytham tat sein Bestes um mich zu ermutigen und aufzumuntern und ich muss sagen, seine Arme waren oft die letzte Rettung. Auch seine Massagen an meinen unteren Rückenwirbeln waren eine Wohltat und ich stöhnte dabei einfach, es war mir sowas von egal, was die anderen dachten. Es war eine Erleichterung.
Irgendwann meinte Faith, sie müsse mich noch einmal untersuchen und bat mich, mich hinzulegen, aber das war die Hölle für mich. Ich war froh, als ich mich wieder bewegen durfte. „Der Weg ist frei, Alex. Euer Kind braucht nicht mehr lange.“ meinte sie freudestrahlend und nahm mich in den Arm. Doch ich brüllte ihr ein „Ohhhhhhhh fuuuuuuck“ ins Ohr, als eine ziemlich heftige Wehe kam. „Danke, jetzt bin ich taub!“ lachte sie.
„Faith, kannst du nichts gegen die Schmerzen machen? Das kann man sich ja nicht mit ansehen, das geht jetzt schon seit Stunden so.“ fragte mein Mann besorgt und ich hörte seine Verzweiflung aus diesen Worten. „Nein, ich werde nichts wirklich dagegen unternehmen können. Aber glaub mir, es dauert jetzt bestimmt nicht mehr lange!“ und plötzlich fuhr sie erschrocken rum und ging zur Tür und rief nach unten, wie spät es sei. Von unten kam ein „3 Uhr früh!“ hochgerufen von Shay.
„Herzlichen Glückwunsch, Haytham, zu deinem Geburtstag!“ Faith nahm ihn in den Arm und drückte ihn. „Dann wird mein Sohn mit mir feiern können!“ grinste er breit und sah mich glücklich an. „Wenn es nach mir geht, auf jeden Faaaaaaaaaaall...!“ stöhnte ich und riss meinem Mann fast das Hemd vom Leib.
Gerade als ich mich wieder etwas beruhigt hatte und wieder auf Wanderschaft ging, knackste etwas in meinem Bauch und ich stand in einer Lache aus Flüssigkeit. „Faith, das war die Fruchtblase!“ meinte ich und sah an mir herunter. Ab da ging es ziemlich schnell und ich hatte das dringende Bedürfnis, mich hinzuknien. Also kniete ich mit dem Rücken zum Bett, Haytham saß auf der Bettkante hinter mir, so konnte er mich festhalten. Mein Unterkleid war über meinen Bauch geschoben und somit hatte meine Schwester jetzt freie Hand.
„Alex, langsam... atme... atme...“ ich tat wie mir geheißen wurde. Ich fühlte dieses Drängen meines Kindes, Faith nahm meine Hand und legte sie zwischen meine Beine. „Fühlst du das?“ lächelte sie mich an und ich konnte den Kopf ertasten. Doch sprechen fiel mir gerade schwer und ich nickte „Haytham, wir können den Kopf schon ein bisschen sehen!“ Hinter mir hörte ich hektisches Atmen und ein Schniefen. „Bei Gott, das ist unglaublich! Ich liebe dich, mi sol!“
In diesen letzten Momenten und den letzten Wehen, knallte ich ihm noch einige Beleidigungen an den Kopf und warnte ihn, sollte er mich noch einmal anfassen, dass er sein blaues Wunder erleben würde und so weiter. „Ich werde es mir merken und dich daran erinnern, Alex!“ kam es lachend von ihm und auch meine Schwester musste sich ein Kichern verkneifen.
Dann hörte ich noch die Aufforderung „Jetzt darfst du, Alex!“ und ich ließ diese Wehen über mich wegrollen und ließ sie ihre Arbeit machen.
Ein freudiger Aufschrei von meinem Mann und Faith, brachte mich dazu, wieder die Augen zu öffnen. „Euer Sohn ist da, Alex... sieh nur.“ und ich hörte ihn schon und sah auf dieses kleine rosige Knäuel zwischen meinen Beinen. Langsam ließ ich Haytham los, welcher sich jetzt vom Bett gleiten ließ, damit er direkt hinter uns war. Wie automatisch nahm ich unseren Sohn in den Arm und Faith reichte mir ein Handtuch, welches ich um den neuen Erdenbürger wickelte. Hinter mir spürte ich, wie mir etwas auf die Schulter tropfte, als ich mich ein bisschen drehte, sah ich meinen Mann freudig lächeln mit Tränen auf der Wange. Ein langer Kuss von ihm und ein „Ich liebe dich wirklich, mi sol!“ Seine Arme schlangen sich um uns und hielten uns fest.
Als ich wieder auf unseren Sohn sah, bewegte er die Lippen, als suche er etwas und ich musste kichern. „Da hat schon jemand Durst. Das liegt eindeutig in der Familie!“ ein Prusten hinter mir zeigte mir, dass mein Mann nicht so ganz einverstanden mit dieser Aussage war. Also legte ich den Kleinen an und ließ ihn seine erste Mahlzeit einnehmen. Ein tiefes Stöhnen kam mir über die Lippen, dieses Gefühl des Stillens hatte ich völlig vergessen. Zuerst zieht es und ist unangenehm, doch dann ist es Erleichterung und ich atmete tief und erleichtert durch.
Mit dem ersten Stillen, setzten auch die Nachwehen ein und Faith bat Abbigail um die Schüssel. Dann deckte sie sie ab und meine provisorische Hebamme ging hinunter damit. Es musste halt sichergestellt werden, dass alles aus meinem Körper heraus war. Zu viele Frauen starben in dieser Zeit am „Kindbettfieber“! Währenddessen gab ich Haytham seinen Sohn und Faith half mir dabei, mich auszuziehen und zu waschen. Es war eine Wohltat und als Abbigail mit einem Lächeln wieder erschien, waren wir alle erleichtert. Als ich neu eingekleidet war und im Bett am Kopfende in den Kissen lehnte, fühlte ich mich zwar müde, aber nicht völlig platt.
Dann klopfte es und Magda kündigte dann auch endlich mal den Doktor an. Wozu der jetzt noch gut sein sollte, wusste ich nicht. Doch er kam herein und begrüßte uns freundlich. Es war ein anderer Arzt, als der, der mich damals untersuchte. Er war Schotte, laut seines Akzentes und ungefähr 40 Jahre alt. Dr. Howard Driftwood unterzog mich einer gründlichen Untersuchung, bei welcher mein Mann dann doch kurz ins Ankleidezimmer verbannt wurde. „Mistress Kenway, wie ich sehe und auch ertasten konnte, seid ihr wohlauf und dem Kind geht es auch gut. Es besteht also kein Grund zur Sorge! Ich gratuliere euch noch einmal. Und Master Kenway, euch gratuliere ich zu eurem Geburtstag und eurem Sohn.“ sagte er lächelnd und verabschiedete sich dann. Kurz und schmerzlos würde ich mal sagen.
„Er hat mit mir zusammen Geburtstag! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, mi sol!“ kam es jetzt zum tausendsten mal von meinem Mann und ich musste grinsen. „So brauche ich mir nicht so viele verschiedene Daten merken, hat auch etwas positives, mi amor!“ lächelte ich ihn an. Die Mädchen hatten mittlerweile das Chaos und die ganze dreckige Wäsche weggeräumt und es sah wieder normal hier aus. Fragend sah ich mich dann aber um, ich suchte die Wiege für unseren Sohn. „Wo soll unser Sohn jetzt schlafen, Haytham?“ Mit großen Augen sah er mich erstaunt an. „In seinem Kinderzimmer natürlich. Was dachtest du?“ ich sah zu Faith und wieder zu Haytham. „Ich soll alle vier Stunden hinüber tapsen, mitten in der Nacht, wenn ich den Kleinen stillen will? Kommt nicht in Frage, er bekommt fürs erste seine Wiege hier in unser Schlafzimmer!“ sprach ich entschieden.
*** Anmerkung der Autorin ***
Hebammen aus dem 18. Jahrhundert
Im kolonialen Amerika brachte die typische Frau ihre Kinder zu Hause zur Welt.
Während sich weibliche Verwandte und Nachbarn an ihrem Bett versammelten, um Unterstützung und Ermutigung zu bieten, wurden die meisten Frauen bei der Geburt von einer Hebamme unterstützt.
Die meisten Hebammen waren ältere Frauen, die sich auf die praktische Erfahrung verließen, die sie bei der Geburt vieler Kinder gesammelt hatten. Qualifizierte Hebammen wurden hoch geschätzt. Die Gemeinden versuchten, erfahrene Hebammen zu gewinnen, indem sie ein Gehalt oder ein mietfreies Haus anboten.
Neben der Unterstützung bei der Geburt halfen die Hebammen bei der Geburt von Tieren, nahmen an Taufen und Beerdigungen von Säuglingen teil und sagten in Fällen von Bastard aus.
Während der Wehen verabreichten die Hebammen keine Schmerzmittel, außer Alkohol. Den Frauen wurde lediglich geraten, sich „mit Geduld zu wappnen" und zu beten und während der Wehen zu versuchen, „das schreckliche Stöhnen und Schreien zu unterdrücken, das ihre Freunde und Verwandten in ihrer Nähe so sehr entmutigt".
Nach der Entbindung wurden die neuen Mütter oft zu einem Bankett eingeladen. Bei einer dieser Veranstaltungen gab es ein Festessen mit „kochendem Schweinefleisch, Rindfleisch, Geflügel, sehr gutem Roastbeef, Truthahnpye (Pastete!), [und] Torten".
Von Frauen aus wohlhabenden Familien wurde dann erwartet, dass sie drei bis vier Wochen im Bett verbringen, um sich zu erholen. Ihre Betreuer hielten den Kamin am Brennen und hüllten sie in eine schwere Decke, um ihnen zu helfen „Gifte" auszuschwitzen.
Frauen aus ärmeren Familien waren in der Regel nach ein oder zwei Tagen wieder am Arbeitsplatz.
„Bevor das eskaliert zwischen euch beiden, wir haben noch keinen Namen für den neuen Erdenbürger! Wie soll er heißen?“ fragte Faith beschwichtigend und erst jetzt fiel mir ein, dass wir kein Wort darüber verloren hatten. Mein Blick ging von Haytham zu unserem Sohn und wieder zurück. „Edward Haytham Kenway!“ und ich bekam einen langen Kuss von meinem Mann. „Dann werde ich das mal verkünden und ihr... klärt den Rest, aber bitte leise!“ und mit einem Augenzwinkern verließ sie das Schlafzimmer und ich hörte nur ein lautes. „Wir haben ein neues Familienmitglied, Edward Haytham hat das Licht der Welt erblickt!“ ich vernahm vor der Tür lautes Stimmengewirr.
„Haytham, ich bitte dich. Lass Edward hier bei uns für die erste Zeit. Es wird ja nicht für immer sein, doch wenn ich ihn stille, ist es für mich einfacher und ich will ihn in meiner Nähe haben!“ Er saß mit seinem Sohn auf dem Arm, neben mir im Bett und sah mich lange an. „Du hast ja recht, aber ich... dafür gibt es doch auch Kindermädchen, die dir unseren Sohn dann bringen.“ ich sah ihn völlig erstaunt an. „Wie? Du meinst, ich müsste nicht einmal aufstehen? Bei aller Liebe, aber nein. Ich sorge schon für unseren Sohn, gerade Nachts. Tagsüber ist es etwas anderes, da wir ja auch Verpflichtungen haben. Aber... nein, nachts bleibt er hier!“ antwortete ich entschieden und lehnte mich an meinen Mann und streichelte über die weichen Wangen von Edward.
Ich vernahm ein Seufzen und dann „Ich muss noch lernen, oder? Lass mir noch ein wenig Zeit, um mich daran zu gewöhnen, mi sol.“ Ein zögerliches Klopfen ließ uns aufschrecken. „Mistress Kenway, es ist Besuch für euch eingetroffen!“ Es war Magda, welche leise eintrat. „Wer ist es denn um diese Uhrzeit?“ ich spürte, dass ich doch ein wenig Ruhe brauchte, weswegen ich etwas mürrisch klang. „Es ist euer Sohn, also... der Große, meine ich.“ stotterte sie plötzlich und meine Augen wurden groß und ich sah zu Haytham. Dieser legte mir unseren Sohn in die Arme und stand auf. „Ich rede kurz mit ihm, kann er ruhig hereinkommen, mi sol?“ fragte er mit einem Blick auf mein Nachthemd. „Ja, er kennt mich ja auch von zuhause in meinen Schlafsachen, mi amor.“ grinste ich ihn an.
Er verschwand und kurz darauf erschien Yannick in der Tür und mit ihm Melissa und Alex. Ich konnte nicht anders, ich heulte los und winkte ihn zu mir, schloss meinen freien Arm um ihn und drückte ihn. „Du hast einen kleinen Bruder, Schatz!“ vorsichtig nahm er ihn auf seinen Arm und ich sah, dass Alex auch etwas sehen wollte. Melissa hob ihn hoch und sie setzten sich auf das Bett. Yannick liefen Tränen über die Wange genau wie Melissa, nur Alex sah völlig fasziniert zu seinem Onkel. „Onkel schrumpig klein!“ kicherte er los.
Dann sah er mich mit seinen grünen Augen an. Dieser kleine Mensch ist unser Geschenk an dich, wir hatten es dir versprochen damals. Du wirst noch ein weiteres Mal Mutter werden, lass dich einfach darauf ein! Dein kleiner Sohn hat den Schutz von uns allen, auch von mir! Wir werden über euch wachen! Dann verschwand dieses Leuchten wieder aus seinen Augen und Alex plapperte ganz normal weiter.
Mein Enkel schien ein wenig müde zu sein, er gähnte ausgiebig und Yannick ging mit ihm hinüber in ihr Zimmer um ihn hinzulegen. Melissa sah mich staunend an. „Wenn man mir das vor 6 Jahren alles erzählt hätte, was ihr alles erlebt habt und werdet, hätte ich euch für verrückt erklärt! Doch wenn ich jetzt sehe, wie glücklich du bist und ...“ ich hielt ihre Hand fest und drückte sie. „Du gehörst zu einer sehr... seltsamen Familie jetzt, Melissa. Sei einfach nur gut zu meinem Großen, ja? Er liebt dich und euren Sohn über alles.“ doch auch ich schniefte wieder.
Als Melissa gerade gehen wollte, bat ich sie noch dafür zu sorgen, dass die Wiege aus dem Kinderzimmer bitte hierher kommt. Sie nickte und verschwand auf der Galerie. Für einen Moment genoss ich diese Stille und betrachtete meinen kleinen Sohn. Ich zählte seine Finger, seine Zehen und war zufrieden, dass alles dran war, was sein sollte! Er hatte dunkle Haare, genau wie sein Vater. Er sah ihm wirklich verdammt ähnlich mit diesen blaugrauen Augen! Ich drehte mich auf die Seite und legte Edward neben mich und schloss den Arm leicht um ihn...
Plötzlich wurde ich von einem lauten Gepolter wach, doch nicht nur ich, sondern auch klein Edward, welcher auch gleich anfing zu brüllen vor Schreck! „DAS ist mein Sohn, habt ihr jemals etwas hübscheres gesehen?“ hörte ich die lallende Stimme von Haytham und drehte mich in die Richtung. Ich traute meinen Augen nicht, in der Tür standen Shay, Yannick und Haytham. Alle drei hatten irgendwelche Flaschen in der Hand und schwankten gefährlich. Ich versuchte jetzt erst mal Edward wieder zu beruhigen, was nicht einfach war, die Herren waren ziemlich laut am diskutieren, dass es ja wohl nichts besseres gäbe als die eigenen Kinder!
Dann erschienen hinter ihnen die entsprechenden Ehefrauen mit giftigen Blicken, doch bevor Faith ihren Mann aus unserem Schlafzimmer zerren konnte, landete seine flache Hand auf ihrem Po. „Du gehörst mir, merk dir das!“ kam es breit grinsend, aber einen Kuss bekam er nicht, lediglich einen todbringenden Blick.
Auch Yannick erhielt eine ähnliche Zuwendung und wurde von Melissa aus dem Zimmer gezogen. Kopfschüttelnd stand sie einen Moment grinsend in der Tür. „Wenn etwas ist, du weißt ja, wo ich bin!“ meinte sie und schloss leise die Tür.
Die Sonne war bereits aufgegangen und das Personal war mit den Vorbereitungen fürs Frühstück beschäftigt, vermutete ich einfach mal. Haytham stand immer noch leicht schwankend vor dem Bett und sah zu uns herab, dann ließ er sich plötzlich auf die Knie fallen und fing an zu weinen. Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich tun sollte. Also legte ich Edward, welcher jetzt wieder ruhig war, neben mich und fuhr meinem Mann langsam über den Kopf. „Haytham, was ist los?“ fragte ich besorgt. „Dieser Gedanke, dass ich bereits einen Sohn habe, welchen ich aber nie gesehen habe, für den ich nicht da sein konnte. Bin ich jetzt ein schlechter Vater, Alex?“ er sah mich traurig an und mir blieb die Sprache weg. Ich sah ihm in seine Augen und schüttelte nur den Kopf.
„Nein, bist du nicht. Du hast es ja nicht gewusst, nur geahnt. Dafür kann man dich nicht bestrafen, Haytham. Und wir werden einen Weg finden, dass es keinen Konflikt zwischen dir und deinem anderen Sohn geben wird. Ich habe es dir versprochen!“ sagte ich ruhig, mich umgab plötzlich dieser Ruhemantel und ich schloss Haytham damit ebenfalls ein. Sein Atem beruhigte sich und er stand langsam auf, dann ließ er sich wieder neben uns auf dem Bett nieder. „Danke!“ kam es leise von ihm und er gab mir einen Kuss. Ich hatte aber vorsichtshalber die Luft angehalten, er hatte eine Fahne wie tausend Russen!
„Vielleicht solltest du jetzt etwas schlafen, mi amor? Wir können ja nachher noch auf deinen, oder euren Geburtstag anstoßen.“ meinte ich lächelnd. „Ich glaube, mir ist heute nicht mehr nach Alkohol zumute...“ nuschelte er noch und sank in die Kissen, dann war er eingeschlafen! Ich sah auf Edward und meinte trocken „Das passiert, wenn man zu viel trinkt, lass dir das gesagt sein!“ unser Sohn wurde unruhig und ich vermutete, dass ich doch etwas länger geschlafen hatte.
Ich beschloss, mich anzuziehen und nach unten zu gehen. So konnte mein Mann seinen Rausch ausschlafen und ich konnte etwas frische Luft schnappen. Ich betätigte den Seilzug am Bett, weil Magda, mir beim Einkleiden helfen musste, da mein Kreislauf noch nicht wieder ganz der Alte war. Sie erschien auch prompt und bestaunte dann erst mal Edward. „Du meine Güte, ist das ein hübscher Junge. Herzlichen Glückwunsch, Mistress Kenway!“ als sie dann Haytham schlafend auf dem Bett sah, grinste sie nur. „Ja, die Herren haben sich unten den halben Vorrat an Whiskey geschnappt und haben auch alle Angestellten nebenan damit versorgt und geweckt. Wir werden heute etwas dezimiert sein. Verzeiht diese Unannehmlichkeit, Mistress Kenway.“ meinte sie entschuldigend und knickste.
„Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen, Magda. Dann gibt es eben die kleine Ausführung eines Essens und wenn Master Kenway etwas wünscht, dann wird er es wohl selber holen oder kochen müssen. Strafe muss sein.“ lachte ich jetzt einfach, meine Schadenfreude konnte ich in diesem Moment nicht leugnen! Es dauerte nicht lange, da war ich in ein leichtes Kleid aus Wolle gepackt, welches lediglich mit einem Mieder zusammengehörte. Endlich konnte ich sogar wieder die Strümpfe alleine hochziehen, es war eine Befreiung. Neben mir aus der Wiege hörte ich das leise Quengeln von Edward und mir schoss tatsächlich die Milch ein und erst jetzt fiel mir ein, dass ich dort mit Tüchern nachhelfen musste. Schnell legte ich ihn an und vernahm die vertrauten befriedigenden Schmatzgeräusche. Die Windel wechselte ich danach noch schnell und steckte meinen Sohn in ein warmes Hemd und wickelte ihn wieder in sein Tuch.
Als ich dann unten in die Küche kam, standen Mrs. Wallace und die beiden anderen Küchenmägde auf und umringten uns. Mit vielen Ahhhhs und oohhhhs wurde Edward begrüßt. „Mrs. Wallace, hättet ihr bitte meinen Tee für mich? Ich verdurste sonst noch!“ meinte ich grinsend. „Natürlich, Mistress Kenway.“
Ich blieb hier auf der Bank sitzen und wiegte meinen Sohn hin und her, doch er wurde zunehmend unruhiger. Warum, konnte ich mir nicht erklären, entweder waren zu viele Menschen um ihn herum, oder er hatte Bauchweh? Dann stand mein Tee vor mir und ich genoss die ersten Schlucke, sie taten meinem Hals gut und ich spürte, wie meine Lebensgeister zurückkehrten. Sybill ließ sich mir gegenüber nieder und sah mich und unseren Nachwuchs lange an. Dann liefen ihr Tränen über die Wange, welche sie sich schnell wegwischte. „Sybill, was ist los? Geht es euch nicht gut?“ ich nahm ihre Hand und drückte sie.
„Es... Mistress Kenway, darf ich euch etwas anvertrauen?“ ich nickte und sie sprach weiter. „Meinem Mann und mir sind drei Kinder geschenkt worden, doch keines hat das erste Jahr überlebt. Und dann verstarb auch noch mein Harold plötzlich. Also, was ich meine ist, wenn ihr noch kein Kindermädchen habt, würde ich mich gerne auf die Stelle bewerben!“ ich sah sie traurig an. „Mrs. Wallace, ich hatte ja keine Ahnung. Das tut mir schrecklich leid für euch! Aber ich suche tatsächlich noch ein Kindermädchen, da ist gerade eine Stelle frei geworden. Ich denke, ihr passt dort hervorragend hinein.“ sagte ich lächelnd und hielt ihre Hand weiter fest. „Und macht euch keine Gedanken, Tabea ist eine gute Köchin, sie wird mich hier und als Haushälterin sicher gut vertreten und ersetzen, Mistress Kenway.“ meinte sie jetzt lächelnd.
„Dann ist es abgemacht, Edward hat sein Kindermädchen und ich eine neue Haushälterin.“ erleichtert sah ich mich hier um und besagte Tabea eilte an den Tisch und wir fingen an, ein paar Kleinigkeiten zu besprechen. Als mein Tee alle war, stand ich etwas schwerfällig auf, ich hatte leichten Muskelkater im ganzen Körper. Kenway Junior hatte sich wieder etwas beruhigt und ich ging mit ihm in den Salon und dann in das Lesezimmer, eigentlich zeigte ich ihm ein bisschen sein Zuhause.
Irgendwann stand ich im Wintergarten an einem der großen Flügelfenster und sah hinaus. Es hatte endlich geschneit und July, Caden, Cillian und Alex tobten draußen rum. Meinem Sohn missfiel jetzt aber dieses lange Stillstehen und mit lautem Gebrüll forderte er mich auf, mich zu bewegen. Ich fing wieder an ihn auf meinem Arm zu wiegen und begann leise zu singen. Seine klaren blaugrauen Augen schienen mich genau zu beobachten und er hörte zu, so sah es zumindest aus. Mir fielen seltsamerweise Lieder in der alten Sprache meiner Vorfahren ein, eines davon welches sich mit Yggdrasil beschäftigte kam mir als erstes in den Sinn.
„Alex, das war wunderschön.“ hörte ich Faith plötzlich hinter mir sagen und sie schlang ihre Arme um mich von hinten. „Danke, mo rionnag! Aber solltest du nicht eigentlich im Bett liegen und schlafen?“ fragte ich sie leise und lehnte mich etwas nach hinten. „Ja, sollte ich vermutlich, aber sag das mal meinem Mann. Bei der Menge an Alkohol schnarcht er jetzt wie ein Bär.“ und Faith kuschelte sich müde an mich. „Weißt du was? Du gehst jetzt in Edwards Kinderzimmer und legst dich dort hin. Die Kinder sind draußen und beschäftigt und zur Not sind Maggie und Melissa noch da und mein neues Kindermädchen!“ lächelte ich sie an und zog meine Schwester hinter mir her nach oben.
Dort befahl ich ihr kurzerhand sich hinzulegen und erst wieder unten zu erscheinen, wenn sie ausgeschlafen hat. Sie hatte die ganze Nacht mit uns durchgemacht, da hatte sie sich diese Ruhe verdient. „Aber...“ „Nichts mit ABER! Hinlegen und schlafen!“ dann deckte ich sie zu, gab ihr noch einen vorsichtigen Kuss. „Danke, mo rionnag!“ doch Faith war schon eingeschlafen und ich ging leise hinaus. Da ich jetzt schon mal hier war, konnte ich auch nach dem frischgebackenen Vater schauen. Vermutlich bot er genau das gleiche Bild wie Shay oder Yannick, seliges Schnarchen, dass sich die Balken bogen und ich musste lachen.
Leise schloss ich die Tür zu unserem Schlafzimmer und ging hinunter. Dort im Esszimmer saß Melissa, ebenfalls etwas müde, aber sie war vertieft in ein Buch. Ich gesellte mich dazu und bat Tabea um einen Tee, Kaffee war ja immer noch gestrichen für mich. „Alex, du bist ja richtig fit. Wie machst du das?“ fragte sie leicht gähnend. „Keine Ahnung, hängt wohl mit der nagelneuen Mutterschaft zusammen.“ grinste ich sie an. Der Vormittag verlief in ruhigen Bahnen, das Mittagessen nahmen wir mit den Kindern alleine ein und es war friedlich so.
Zwischendurch hatte ich für Edward ein Tragetuch aus einem alten Bettlaken gefaltet, damit er bei mir sein konnte und ich die Hände frei hatte. So war er auch ruhiger und schlief entspannter, als die Kinder dann für den Mittagsschlaf verschwunden waren, ging ich in den Salon und legte einfach meine Füße hoch...
„Alex, aufwachen!“ hörte ich Faiths Stimme an meinem Ohr und nuschelte. „Nein, es ist gerade so ruhig...“ doch dann hörte ich die Kinder und auch die Stimmen der dazugehörigen Väter! Na schön, dann war es eben vorbei mit meiner Ruhe! Erschrocken richtete ich mich auf, mein Sohn war weg! „Wo ist Edward!“ schrie ich los und sprang auf!
„Ganz ruhig, mi sol.“ hörte ich Haytham leise sagen und sah, dass er ihn auf dem Arm hatte. „Entschuldige, aber … mach so etwas nie wieder sonst...“ er lächelte mich wissend an. „Ja, ich weiß, du bringst mich um und noch viele andere Dinge. Deine Flüche habe ich vorhin sehr gut verstanden.“ er erntete einstimmiges Gelächter der anderen Männer. Wir feierten noch ein wenig Haythams Geburtstag, doch so wirklich darauf anstoßen, mochte keiner der Väter. Sie hielten sich alle irgendwie am Tee fest!
Als es dann Zeit wurde, dass die Rasselbande ins Bett kam, ging ich ebenfalls mit hinauf. Edwards Abendessen stand an und ich musste sowieso Windeln wechseln. Ich hatte mich mit ihm auf unser Bett gelegt und stillte ihn im Liegen, das war einfach bequemer...
Ein leises Weinen weckte mich und mir schoss die Milch ein. Erschrocken machte ich die Augen auf und sah, dass es schon dunkel draußen war und neben mir mein Mann lag und uns betrachtete. „Mi sol, du bist wieder wach.“ sagte er leise und gab mir einen Kuss. Zwischen uns bewegte sich Edward jetzt etwas mehr und versuchte auf sich aufmerksam zu machen.
„Ich muss eingeschlafen sein, das tut mir leid!“ meinte ich leise nuschelnd, während ich unseren Nachwuchs anlegte. „Das muss dir nicht leid tun, du hattest schwere Stunden hinter dir. Da ist dir etwas Schlaf auch gegönnt. Wir hatten uns eh schon alle gewundert, warum du noch nicht im Stehen eingeschlafen bist.“ nachdem Edward mit dem Trinken fertig war, bekam er noch eine frische Windel an und ich packte ihn wieder in das warme Hemd und legte ihn Haytham in die Arme.
Ich fing an mich auszuziehen und mich für die Nacht fertig zu machen. Nach einer ausgiebigen Wäsche und einem sauberen Nachthemd drehte ich mich zum Bett und sah in dunkle graue Augen. „Haytham... nein. Es tut mir wirklich leid, aber... die nächste Wochen, wirst du auf mich verzichten müssen.“ versuchte ich ihm leise zu erklären und wurde knallrot dabei. „Oh, nun... das weiß ich.“ stammelte auch er und ich sah, dass er etwas verlegen war. „Wie lange... also...“ ich überlegte, wie lange man im sogenannten Kindbett lag. Es müssten so 6 Wochen sein, eine überbrückbare Zeit, wie ich dachte. „Tu mir bitte einen Gefallen, mi sol, und zieh dich nicht so langsam vor mir aus, du weißt... ich bin auch nur ein Mann!“ grinste er mich an und gab mir einen langen Kuss.
Ich legte unseren Sohn in seine Wiege und gab ihm einen gute Nacht Kuss, dann legte ich mich wieder zu meinem Mann. Als die Petroleum-Lampe runter gedreht war, kuschelte ich mich an Haytham und spürte wieder diese Ruhe.
„Ihr habt einen hübschen Jungen zustande gebracht!“ hörte ich die raue Stimme von Edward Senior und er trat langsam auf mich zu. Neben ihn trat Tessa und sah mich mit Tränen in den Augen an. „Er sieht seinem Vater sehr ähnlich, als er gerade auf der Welt war.“ Da hatte sie Recht!
„Ich denke gerade darüber nach, wie sich das für andere anhört, wenn ich sage, dass er meinem Mann ähnlich sieht in dem Alter, weil ich ihn schon damals kannte.“ und grinste in mich hinein. „Das kommt sicherlich nicht richtig an, denke ich.“ meinte Edward Senior lachend. „Aber ich bin stolz, dass er meinen Namen weiterträgt. Hoffentlich steckt nicht allzu viel von mir in diesem Rabauken!“
„Das will ich auch hoffen, sonst habe ich alle Hände voll zu tun, Edward!“ mit einer hochgezogenen Augenbraue lächelte ich ihn an. „Haytham wird dich dabei sicherlich unterstützen, Alex. Pass gut auf unseren Enkel auf und bring ihm bei, wie man ein guter Mensch wird!“ sagte er leise und nahm mich in den Arm. „Das werde ich und ich werde ihm von seinen Großeltern Geschichten erzählen, natürlich nur wahre Begebenheiten, versteht sich, Edward! Sieh mich nicht so an, es gibt keine Märchen oder Legenden.“ lachte ich.
Damit war wieder einmal alles gesagt und sie gingen Hand in Hand den Hügel hinauf, Richtung Herrenhaus auf Great Inagua!
Ich machte mir eine Notiz im Kopf, dass ich unbedingt einmal dorthin muss, ich will sehen, wie es jetzt aussieht!
Wir hatten nach Weihnachten Yannick, Melissa und klein Alex schweren Herzens verabschiedet, ab jetzt wüsste ich nicht, wann wir uns wiedersehen. Beim Abschied wollte mein großer Sohn schon etwas sagen, doch ich fuhr ihm direkt über den Mund. „Nein, sag es nicht, Schatz. Du weißt doch, ich muss nicht alles wissen.“ und nahm ihn ein letztes Mal in die Arme.
Edward entwickelte sich prächtig und er hielt tatsächlich die 4 Stunden zwischen seinen Mahlzeiten immer ein, sodass ich entsprechend meinen Tag planen konnte. Mrs. Wallace war mir eine große Hilfe und ging in ihrer neuen Anstellung als Kindermädchen auf. Es war einfach schön zu sehen, wie sie sich freute und regelrecht aufblühte. Und langsam bekam ich den Alltag mit Baby in den Griff.
Silvester dieses Jahr beinhaltete den Besuch des Dukes mit seiner Frau. Sie würden aber nur für zwei oder drei Tage bleiben und dann weiterreisen nach Philadelphia. Etwas nervös war ich schon, es war ein offizieller Anlass, an dem ebenfalls zwei der Nachbarn erscheinen würden. Außerdem hatte sich Master Johnson mit seiner Ehefrau angekündigt. Sie alle wollten natürlich den Nachwuchs sehen, ich hoffte, es würde für Edward nicht so anstrengend werden. Ich reichte ihn nicht gerne weiter, wenn nur an meine vertrauten Personen. Aber ich machte mir vermutlich schon wieder viel zu viele Gedanken.
Am späten Nachmittag trafen dann auch die Donovans und mit ihnen die Bassiters ein. Sie würden ebenfalls hier übernachten, also hatte ich das Gästehaus entsprechend herrichten lassen. Als die Vorstellungsrunde beendet war, sie versorgt mit warmen Tee und Gebäck im Salon saßen, erschienen auch schon die nächsten Gäste. Wie immer legte der Duke of Ironside einen imposanten Auftritt hin, seine Kleidung und seine Größe waren wie dafür gemacht.
Man begrüßte sich und auch das Ehepaar Lestrange wurde mit warmen Getränken versorgt. Nun fehlten eigentlich nur noch Eheleute Johnson, doch wir erhielten die Nachricht, dass Mrs. Johnson erkrankt sei und sie es bedauerten uns nicht besuchen zu können. Eigentlich sehr schade, ich freute mich immer, wenn ich die beiden sah. Der restliche Nachmittag verlief entspannter als ich dachte, auch die Kinder benahmen sich recht gut.
Als ich mit Edward auf dem Arm dann im Salon erschien hörte ich von allen Damen begeistertes Geschnatter. Und schon wollte die erste meinen kleinen Schatz auf den Arm nehmen, doch ich hielt sie zurück. „Mrs. Donovan, versteht mich nicht falsch, aber wenn Edward jetzt herumgereicht wird, schläft er nachher nicht richtig, aufgrund der Aufregung.“ etwas pikiert sah sie mich an. „Dafür habt ihr ja das Kindermädchen, welches sich dann darum kümmert.“ Und da waren sie, diese widerlichen Weiber, die ihre Kinder einfach abgaben, wenn es zu lästig wurde. Ohne mich! Ich drehte mich einfach um und setzte mich neben Faith, welche mich bestätigend ansah. Auch sie kümmerte sich lieber selber um ihre Kinder, als sie Fremden einfach so zu überlassen.
Der gesamte Abend war aber dann doch noch recht nett und ich entspannte mich langsam. Dann stand das Feuerwerk an und ich hoffte, dass unser Sohn einfach weiterschlafen würde, er wäre erst wieder um 2 Uhr dran. Wir standen noch nicht ganz draußen und bestaunten die ersten Lichter, als Mrs. Wallace mit einem schreienden Edward auf dem Arm erschien. Ich blieb aber im Wintergarten, zu mir gesellte sich Faith und wünschte mir liebevoll ein frohes neues Jahr. Wie gerne wäre ich mal wieder mit ihr alleine, nur eine Stunde! Doch leider ging das noch nicht, langsam konnte auch ich mich nicht mehr zurückhalten, weder bei ihr noch bei meinem Mann!
Als alle Gäste wieder im Salon waren, wurde es ruhiger und nach und nach verabschiedete man sich für die Nacht. Als letzte gingen Elias und seine Frau und dann endlich konnte auch ich ins Bett. Mein Sohn bekam noch ein Mitternachtsmahl und dann kuschelte ich mich an meinen Mann, welcher mich umschlang und mich zur Ruhe kommen ließ.
Haytham strich mir vorsichtig über die Wangen und gab mir einen langen Kuss. „Guten Morgen, mi sol.“ Ich hatte Edward vor einer Stunde wieder hingelegt und war noch einmal tief eingeschlafen. „Guten Morgen, mi amor.“ Und schmiegte mich enger an ihn. Magda hatte bereits das Feuer wieder richtig angeheizt und das Wasser in dem Krug ausgetauscht, sodass ich ohne zu frieren aufstehen und mich waschen konnte. Doch mein Mann hielt mich davon ab, mit den Worten. „Ich vermisse dich, Alex.“ und ich spürte seine Sehnsucht. Ich drehte mich zu ihm, nahm ihn in den Arm und küsste ihn einfach. „Ich dich auch, doch du musst noch ein klein wenig Geduld haben. Bis dahin...“ mehr sagte ich nicht, sondern ließ meine Hände ihre Arbeit machen, welche mit einem leisen Stöhnen belohnt wurde.
„Ich liebe dich, mi sol!“ kam es etwas krächzend aus seinem Mund. „Ich dich auch, mi amor! Aber wir sollten jetzt wirklich aufstehen, wir haben schließlich Gäste hier.“ grinste ich ihn an und er seufzte resigniert.
Unser Sohn schlief tief und fest und als wir hinunter gingen, bat ich Mrs. Wallace nach Edward zu schauen. Das Frühstück war eine Wohltat und ich spürte, wie ich langsam wieder wach wurde, obwohl ich keinen Kaffee bekam. Als wir fertig waren, bat mich der Duke überraschend um ein Gespräch unter vier Augen. Etwas skeptisch führte ich ihn hinauf zu meinem Arbeitszimmer.
Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, sah er sich für einen Moment staunend um. Die Regale waren mittlerweile gefüllt bis auf den letzten Platz und es stapelten sich auch ein paar Bücher auf dem Boden. „Ihr erstaunt mich immer wieder, Mistress Kenway. Eure Liebe zu allen gebundenen Papieren ist erfrischend!“ dann setzte er sich und räusperte sich leicht. Dass dieser Mann einmal niDecht wusste, wie er anfangen sollte, erstaunte MICH jetzt! „Eure Lordschaft, ist etwas passiert, oder warum fehlen euch die Worte?“ fragte ich frei raus und sah ihn auffordernd an.
„Es ist nichts passiert, NOCH nicht, Mistress Kenway. Aber ich brauche eure Jackdaw, euch und euren Mann persönlich in London! Es ist eine weitere sehr kostspielige Lieferung an wertvollen Edelsteinen und Artefakten, welche dorthin gebracht und eine abgeholt werden müsste. Außerdem über Frankreich dann hierher gebracht werden muss.“ nun sah er mich etwas entschuldigend an, er wusste, dass Reisen bei dieser Witterung mit einem Baby keine Option waren.
„Eure Lordschaft, dass kommt jetzt doch etwas kurzfristig und ihr wisst ja, dass...“ er unterbrach mich. „Ich weiß, dass das riskant ist mit einem so kleinen Kind. Aber ich kann niemandem sonst vertrauen. Zumal ihr auch nicht morgen gleich aufbrechen müsst, sondern erst Mitte März.“ Ich sah ihn immer noch etwas entsetzt an. „Das ist immer noch recht früh für meinen Sohn, ich meine, er sollte schon beizeiten seefest werden. Doch so früh hatte ich nicht damit gerechnet.“ seufzte ich leicht und legte meine Hände gefaltet auf den Schreibtisch.
„Wer wird uns in London erwarten, oder besser wenn wir in England ankommen am Hafen?“ fragte ich jetzt einfach, um auf das eigentliche Thema zu kommen. „Ihr werdet in keinem offiziellen Hafen anlegen. Etwas Abseits von Bristol ist eine abgeschiedene kleine Hafenbucht, dort wird euch dann der Hafenmeister, Mortimer Gerald, alles weitere erzählen und euch zu eurem Kunden bringen.“ meinte er etwas kryptisch. „Und WER ist unser Kunde, wenn ich fragen darf, eure Lordschaft?“ kam es neugierig von mir. „Sein Name ist Finley Bradshaw! Seine Familie ist seit Generationen im Juwelen-Geschäft tätig und besitzt einige Niederlassungen unter anderem in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. Natürlich könnt ihr euch denken, dass er nicht nur damit handelt. Er besitzt ein wertvolles Artefakt, ein Schmuckstück, welches ich noch in meinem Besitz brauche.“ und wieder eine leicht kryptische Antwort.
„Master Lestrange, ich denke, ich werde mich mit meinem Mann beraten. Ich gehe aber davon aus, dass wir pünktlich aufbrechen können. Sollte ich aber nicht persönlich reisen können, werdet ihr mit einem Stellvertreter...“ doch in seinen Augen las ich sofort, dass das dieses Mal keine Option war. „Nein, unter keinen Umständen. Ihr werdet diese Lieferung wohlbehalten hierher bringen und den anderen Teil in Frankreich belassen!“ kam es jetzt in einem scharfen Ton. „Wie ihr wünscht, eure Lordschaft!“ brachte ich nur heraus. Für einen Moment hatte ich seine Stimme in meinem Kopf gehört, welche mich daran erinnerte, dass ich ein Vermächtnis hätte und unter keinen Umständen dürfte ich mich dagegen stellen!
Ich stand etwas zittrig auf. Damit beendet diese Unterredung fürs erste und wir gingen hinunter. Gerade als ich in der Eingangshalle ankam, verkündeten die Donovans und Bassiters, dass sie sich verabschieden müssten. Ich sah, dass es Mrs. Donovan nicht gut ging, sie war leicht grün im Gesicht und ich wusste auch warum, sie hatte dem Champagner gestern Nacht ordentlich zugesprochen. Haytham und ich verabschiedeten sie und wünschten schnelle Genesung.
Der Rest des Tages war etwas entspannter, die Duchess hatte sich eine ganze Weile mit Faith unterhalten und Shay und mein Mann, wie sollte es anders sein, über die Beschaffung der Schatulle und ähnlichem. Nach dem Abendessen verabschiedeten sich die Eheleute Lestrange nun auch und wünschten uns noch alles Gute und viel Gesundheit für unseren Sohn.
Gedankenverloren saß ich dann mit einem Tee im Salon und starrte vor mich hin, da ich überlegte, wie ich diese Reise Haytham am besten und am plausibelsten erklärte. „Alex, worüber grübelst du?“ fragte mich meine Freundin besorgt. „Ich habe einen Auftrag vom Duke bekommen. Wir müssen nach England, besser gesagt nach London, nicht sofort aber Mitte März sollten wir spätestens aufbrechen. Und ich überlege, wie ich das deinem großen Bruder am besten klar mache! Edward ist noch so klein und das Wetter ist ja auch nicht gerade das beste zu dieser Jahreszeit!“ seufzte ich und sah sie fragend an.
„Das ist wirklich etwas schwierig und riskant, aber du solltest ihn einfach darauf ansprechen und abwarten, wie er reagiert. Wollte er nicht sowieso zu seiner Schwester Jenny? Vielleicht kannst du ihm damit die Entscheidung erleichtern!“ sagte sie zuversichtlich. „Vielleicht hast du recht, aber ich warte noch ein paar Tage. Im Moment muss ich erst einmal etwas runterkommen, von dem ganzen Besuch. Nein, ihr stört nicht...“ meinte ich gleich beschwichtigend, sie wollte nämlich schon etwas erwidern!
Nachdem ich Edward um 22 Uhr gestillt hatte, fiel ich einfach ins Bett und als ich meinen Mann an meiner Seite spürte, glitt ich in einen wohligen Schlaf.
Ich konnte die nächsten Wochen ein wenig genießen und kam immer besser mit meinem Mutterdasein zurecht. Auch Haytham hatte gelernt, dass ein Kindermädchen nicht ALLES machen konnte und ich als Mutter immer noch die Hauptperson für unseren Sohn bin, solange ich ihn stillte. „Mi sol, aber wenn wir auf Empfänge oder ähnlichem eingeladen sind, dann wird Edward zwangsläufig von seinem Kindermädchen betreut.“ meinte er mal wieder, als wir eine Einladung von den Whittners erhielten.
„Ich weiß, Haytham. Aber Sybill wird uns dann eh begleiten und für die Mahlzeiten deines Sohnes kann ich mich ja kurz zurückziehen.“ gab ich versöhnlich als Antwort. „Das wird sie, sie ist wirklich großartig, mi sol.“ meinte er leise und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Wir verabschiedeten heute meine Freundin und wie immer, wollte ich sie eigentlich nicht gehen lassen, doch ich musste. Shay und Faith hatten ebenfalls ihre Aufgaben und Verpflichtungen, da konnte ich schlecht erwarten, dass sie alles stehen und liegen lassen für mich. Wir standen an der Anlegestelle und alles war auf der Morrigan verstaut worden. Die Kinder freuten sich auf eine Reise und tobten bereits auf dem Schiff herum. „Ich vermisse dich schon jetzt, mo rionnag! Ich liebe dich!“ und nahm sie in den Arm und drückte sie fest an mich. „Ich werde dich auch vermissen, mal wieder, mein preußisches Weib. Tha gaol agam ort!“ mir liefen einfach so die Tränen, ich hasste diese Abschiede.
Auch von Shay verabschiedete ich mich noch herzlich und bat ihn, dass er gut auf meine Schwester aufpassen soll. Gerade als er sagen wollte, dass sie das gut alleine könne, reichte meine hochgezogene Augenbraue und es kam nur ein. „Das werde ich, Alex. Versprochen. Umgekehrt, pass auf meinen Großmeister auf! Verstanden?“ und dann nahm er mich auch noch in den Arm. Wir standen eine Weile dort und sahen zu, wie die Morrigan mit halben Segeln langsam wendete und sich Richtung Cheasapeak-Bay in Gang setzte.
Haytham hatte seinen Arm um mich gelegt, auf dem anderen hatte er unseren Sohn. Langsam gingen wir zurück zur Kutsche und ließen uns wieder zum Herrenhaus bringen. Jetzt hieß es, alleine zurecht kommen. Es war früher Vormittag und ich wusste, dass heute nichts mehr anstand. Also besprach ich mit Tabea, was es zum Mittag geben sollte und wie in den nächsten Tagen, die Aufräum- und Saubermacharbeiten auszusehen hätten.
Währenddessen hatte sich mein Mann in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Auch er hatte einige liegen gebliebene Dinge abzuarbeiten, ebenso wie ich auch. Doch ich ließ es mir nicht nehmen, Haytham noch einen Kuss aufzudrücken, ehe ich mich auf die Arbeit stürzte. Sein erstaunter Ausdruck brachte mich zum Lachen. „Was denn, mi amor? Ich wollte einfach, dass du weißt, dass ich dich liebe!“ grinste ich ihn an. „Ich kann es nicht oft genug hören, mi sol. Sag es einfach noch einmal!“ meinte er breit grinsend. „Ich liebe dich, Master Kenway, über alles!“ und dann bekam er noch einen Kuss und in seiner Erwiderung lag so viel Verlangen, dass ich kaum an mich halten konnte. Schweren Herzens löste ich mich von ihm und meinte, ich sei dann in meinem Arbeitszimmer, wenn er mich suchen würde.
Langsam ging ich die Stufen hinauf, als ich auf dem Treppenabsatz stand, ging ich ins Schlafzimmer, anstatt in mein Arbeitszimmer. Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen, mehr nicht. Diese 6 Wochen waren längst um, doch ich war noch etwas zögerlich gewesen. Faith hatte mir aber versichert, dass jetzt alles in Ordnung sei. Haytham hatte ich noch nicht eingeweiht, ... es war plötzlich, als müsse ich ihn neu kennenlernen. In mir breitete sich so etwas wie Angst aus, wovor war mir aber nicht wirklich klar.
Entschlossen ging ich hinunter in die Küche und orderte ein Bad für heute Abend, wenn unser Sohn schlief. Sybill weihte ich in meine Pläne mit ein und erntete ein wissendes Grinsen von ihr. Ich hoffte, dass ich nach dem Abendessen, alles so drehen konnte und mein Mann mir auch folgen würde. Doch bis dahin war noch Zeit und ich ging hinauf, dieses Mal aber wirklich um meine Arbeit zu erledigen.
Gegen Mittag hörte ich schon Edward nach seinem Essen brüllen und war in Sekunden an seiner Wiege. Genüsslich schmatzend lag er in meinen Armen und schloss immer wieder die Augen, doch er hielt durch. Auch die zweite Seite musste noch dran kommen. Als ich dann noch mit ihm hinunter ging, damit sein Vater ein wenig Ablenkung bekam, leuchteten Haythams Augen. Für diese Unterbrechung war er immer mehr als dankbar. „Ich habe das Gefühl, er wächst stündlich, Alex.“ meinte er leise und sah seinen Sohn staunend an. „Ganz unrecht hast du nicht, mi amor. Die Babys wachsen wirklich sehr schnell, dagegen kann man keine Anziehsachen nachkaufen.“ lachte ich, ich kannte es auch noch von Yannick, der auch in die Höhe geschossen war damals. „Weißt du eigentlich, dass Edward dir wirklich sehr ähnlich sieht? Ich habe immer dich vor Augen, wenn ich ihn jetzt ansehe.“ und mir kullerten schon wieder die Tränen über die Wangen, es war doch zum Verrückt werden.
„Immer noch ein seltsamer Gedanke, mi sol.“ und er sah mich lange an. „Wenn man das jemanden erzählt, dass du mich schon so früh kanntest, dann erklären sie uns alle für verrückt!“ grinste er plötzlich und ich musste lachen. „Ja, vermutlich. Aber... Edward können wir es doch ruhig erzählen, oder nicht?“ fragte ich vorsichtig. „Das sollten wir...“ als er hinunter zu seinem Sohn blickte, weiteten sich seine Augen und er sprang auf. So schnell dass Edward anfing zu weinen, weil er sich erschrocken hatte. „Mi sol... seine Augen! Dieser Schleier!“ Haytham war völlig außer sich!
„Bist du dir sicher, Haytham? Ich... habe davon bisher nichts bemerkt. Aber... das ist ja fantastisch!“ lächelte ich ihn breit an. „Dann weiß ich schon, was noch auf seinem Lehrplan stehen wird, mi sol!“ etwas geschockt sah ich jetzt zu meinem Mann. „Nein, er hat ein Pensum, welches er schafft und wo er auch noch Zeit haben wird, zum Spielen.“ sprach ich jetzt entschieden, weil ich befürchtete, dass mein Templer bereits einen Stundenplan für seinen Sohn im Kopf hatte und vermutlich auch schon die Hauslehrer ausgesucht hatte. „Sag mir nicht, du hast das wirklich alles bereits geplant!“ kopfschüttelnd sah ich meinen Mann an.
„Nein, aber ich habe darüber nachgedacht. Es ist schon wichtig, dass er eine gute Ausbildung und Erziehung erhält. Ich möchte nur das Beste für meinen Sohn!“ kam es entschieden von Haytham. „Das will ich ja auch, aber bitte nicht mit einem vollen Terminplan. Doch wir haben noch ein wenig Zeit bis dahin und wer weiß, vielleicht ist Edward dann nicht mehr alleine.“ lächelte ich meinen Mann jetzt an und erntete mal wieder eine hochgezogene Augenbraue. „Mistress Kenway, ihr plant aber ebenso schon sehr weit im Voraus, wenn ich das so sagen darf. Das gefällt mir!“ und ich bekam einen langen liebevollen Kuss.
Es war Zeit fürs Mittagessen und Mrs. Wallace brachte Edward in seine Wiege, er schlief so tief, dass er überhaupt nichts mehr mitbekam. Wie sein Vater, wenn er einen über den Durst getrunken hat!, dachte ich grinsend. Doch irgendwie hatte ich nicht so richtig Hunger und stocherte in meinem Essen herum, während ich vor mich hin sah. „Mi sol, ist alles in Ordnung?“ fragte Haytham etwas besorgt und nahm meine Hand. „Es ist so still auf einmal am Tisch und mir fehlen die Cormacs einfach. Warum muss man immer so weit auseinander wohnen, dass man nicht einfach so auf einen Kaffee dorthin kann!“ und schon wieder heulte ich. Hörte dieser Hormonumschwung eigentlich auch irgendwann einmal auf? „Aber du weißt doch, dass sie bald in unserer Nähe wohnen, du musst etwas Geduld haben!“ und da fiel mir siedend heiß ein, dass ich meinen Mann noch in die England-Reise-Pläne einweihen musste, doch das wollte ich jetzt und schon gar nicht heute ansprechen. Heute... war ein Tag für uns! „Mi amor, Geduld und ich! Das gehört nicht zusammen, das solltest du mittlerweile wissen.“ meinte ich dann doch grinsend.
Am Nachmittag brütete ich über einigen Briefen von Lieferanten und Händlern. Über einige Angebote konnte ich echt nur lachen, die machten wohl Witze! Aber ich beantwortete sie alle brav, naja nicht alle. Es waren dann doch zu viele. Wie gerne hätte ich jetzt einen PC oder Laptop, dann wäre das alles in Nullkommanichts erledigt!
Edwards abendliche Mahlzeit stand dann an und ich ging ins Schlafzimmer und kuschelte mit ihm auf dem Bett. Fast wäre ich eingeschlafen, doch Haytham kam ins Zimmer und sah uns beiden zu. „Dieser Anblick ist einfach immer wieder wunderschön, mi sol. So friedlich!“ kam es leise von ihm und er strich seinem Sohn über die dunklen Haare. „Das ist es auch, mi amor. Wenn ich bedenke, das es jetzt schon über 20 Jahre her ist, dass ich einen kleinen Jungen gestillt habe, kommt es mir immer noch völlig unwirklich vor!“ sagte ich ruhig und sah meinen Sohn an, wie er leise schmatzende Geräusche von sich gab.
„Und man sieht es dir nicht einmal an, mi sol!“ ein Kuss von meinem Mann sprach seine Anerkennung darüber aus. Und mal wieder wurden wir durch ein Klopfen gestört, es war einer der Diener, der einen Besucher ankündigte. Oh bitte, nicht heute, dachte ich noch und sah meine Pläne für das Bad dahinschwinden! Mein Mann gab mir einen Kuss und ging dann hinunter und ich hörte ein ziemlich frustriertes Seufzen von ihm, also ging es ihm nicht anders.
Unser Sohn hatte einen gesegneten Appetit, dass musste ich ihm lassen, unter einer halben Stunden stillen ging gar nichts. Als er dann friedlich in seiner Wiege lag, sang ich ihm etwas vor und spürte, wie er ruhig wurde. Dann ging ich zum Abendessen hinunter und als ich am Tisch saß, sah mich Haytham so seltsam an. „Mi sol, du siehst aus, als hättest du heute noch etwas vor. Musst du noch länger an den Briefen arbeiten? Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir etwas Zeit für uns hätten.“ kam es jetzt enttäuscht von meinem Mann. „Nein, ich habe nichts geplant, außer ein wenig diese Ruhe hier zu genießen.“ ich hoffte, mein Lächeln würde ihn überzeugen. „Dann ist ja gut.“ doch irgendwie schien er nicht ganz zufrieden mit dieser Antwort zu sein.
Der Besucher hatte sich lediglich als der Aufseher entpuppt, welcher den wöchentlichen Bericht über die Wachen abgab. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dann konnte ich mein Vorhaben tatsächlich umsetzen und ich freute mich darauf! Als wir dann fertig waren, bat ich ihn kurz mit in den Keller zu kommen, es gäbe mit einigen der Waffen Probleme. „Muss das wirklich jetzt noch sein, Alex?“ maulte er mich an und wollte schon wieder umdrehen. „Ja, muss es, Haytham!“ ich hatte nämlich alles gut durchdacht. Das Bad war bereits fertig, die Feuerstelle ordentlich angeheizt und alles lag bereit. Für mindestens zwei Stunden hätten wir unsere Zweisamkeit wieder!
Unten angekommen, roch es schon nach der neuen Seife, welche ich aus Frankreich importierte und ich konnte einen feinen Dunstschleier sehen. Ohne ein Wort, zog ich meinen Templer hinter mir her zum Bad und schloss dann leise die Tür. Ich legte eine Hand in seinen Nacken, mit der anderen strich ich über seine Brust und sah in seine ungläubigen und erstaunten Augen. „Mi amor, ich dachte, nach den ganzen Tagen mit Besuch und Verpflichtungen, würdest du gerne ein wenig im warmen Wasser entspannen.“ sprach ich leise an seinem Hals und küsste ihn vorsichtig.
„Das wäre eine fantastische Idee, mi sol. Solange ich dabei nicht alleine sein muss!“ kam es mit rauer Stimme von ihm und er zog mich dichter an sich. Langsam fing ich an, ihn aus seinen Sachen zu holen und er tat es mir gleich. „Bist du sicher, mi sol? Ich will dich nicht drängen...“ doch ich ließ ihn nicht weiter reden. „Es ist alles in Ordnung und ich will es, ich will dich. Ich musste schon viel zu lange auf dich verzichten, Haytham!“ hauchte ich mit erstickter Stimme und küsste ihn leidenschaftlich, mit seiner Erwiderung auf den Lippen hob er mich hoch und zur Wanne.
Langsam ließen wir uns in dem warmen Wasser nieder und mein Mann hielt mich auf seinem Schoß fest. Mit einem wohligen Aufstöhnen glitt er in mich und ich ließ mich seufzend leicht nach hinten fallen. Es tat so gut, ihn wieder zu spüren, seine Bewegungen waren vorsichtig und langsam, so als müsse auch er erst wieder testen, was ich brauchte. Doch es dauerte nicht lange, da hatten wir wieder unseren Einklang und wir beide kamen in kurzer Zeit, aber es störte mich nicht. Jetzt wusste ich, wir hätten wieder Gelegenheiten, wir würden uns die kleinen Momente nehmen, um alleine zu sein. Ich genoss Haytham und wir verbrachten eine ganze Weile in der Wanne, bis das Wasser zu kalt wurde.
Gerade als ich an der Wäschekommode stand und dabei war mich abzutrocknen, stand er plötzlich hinter mir, nahm meine Hände und legte sie auf die Kommode. „Nicht so schnell, Mistress Kenway, ich bin noch nicht fertig mit euch!“ Wie hatte ich diesen Befehlston vermisst und ich bekam nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder eine seiner Lektionen. Ich konnte spüren, dass sich viele Lehrstunden angesammelt hatten und freute mich schon darauf. Seine Hände packten meine Hüften und er nahm mich ohne groß Rücksicht zu nehmen. „Wie habe ich dich vermisst, mi sol! Lass mich nie wieder so lange warten!“ raunte er im Rhythmus seiner Bewegungen und ich fühlte, wie er auf seinen Höhepunkt zusteuerte.
Ein lautes Aufkeuchen und er sackte zitternd auf meinem Rücken zusammen, hielt mich aber fest und seine Hände wanderten zwischen meine Schenkel und bescherten mir einen weiteren lang ersehnten Höhepunkt. Es war einfach befreiend und ich fragte mich, wovor ich eigentlich Angst hatte vorhin. Haytham drehte mich zu sich und sah auf mich hinunter. „Das war einfach unglaublich, mi sol!“ und er übersäte mich mit Küssen, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ein Grinsen von ihm und er griff den Morgenrock und wickelte mich darin ein.
Wir gingen nach oben, es würde bald Zeit für Edwards nächste Mahlzeit sein. Auf der Treppe kam uns Mrs. Wallace entgegen und berichtete, dass unser Sohn weiterhin friedlich schlief. Wir entließen sie jetzt für die Nacht und schlossen leise die Tür zu unserem Schlafzimmer. Ich zog mir mein Nachthemd über, es war doch recht kalt, auch wenn der Kamin immer befeuert wurde. Für einen Moment sah ich Haytham dabei zu, wie er sich noch die Haare flocht und sein Blick im Spiegel traf meinen. „Mi sol, du schaust mich schon wieder so merkwürdig an.“ grinste er und drehte sich um. „Lass mich deine Haare machen, wenn ich morgens schon nicht mehr daran darf.“ meinte ich etwas maulig und strich sie ihm nach hinten und fing an sie zu flechten.
„Ich würde gerne jetzt die Zeit anhalten, mi sol. Können wir nicht einfach hier bleiben, so wie jetzt?“ kam es völlig in Gedanken von meinem Mann und er legte eine Hand hinter sich auf meinen Oberschenkel und zog mich zu sich. „Das würde ich gerne, Haytham. Ich habe es mir schon oft gewünscht. Genauso wie ich mir oft dachte, dass einige Momente einfach bildlich festgehalten werden müssten!“ sprach ich mit leiser erstickter Stimme.
Mit einem Male hörte ich ein leises Weinen aus der Wiege und meine Gedanken kamen wieder im Hier und Jetzt an. Schnell band ich noch die Haare von Haytham fest und nahm unseren Sohn hoch. Edward blinzelte zu mir auf und gähnte herzhaft, aber ich sah, dass sein Mund schon auf der Suche nach seiner Nahrungsquelle war und musste lachen. „Er ist sehr zielstrebig, mi amor. Das muss ich ihm lassen! Er wird mal einen guten Templer abgeben!“ meinte ich leicht raus und in dem Moment fiel mir ein, dass ich überhaupt nicht wusste, ob er in unsere Fußstapfen treten würde. Fragend sah ich zu Haytham, welcher schon im Bett lag und sich ein Buch zu Gemüte führte. „Und mir sagen, ich würde zu viel für unseren Sohn im Voraus planen, mi sol.“ hörte ich Haythams belustigte Stimme hinter mir. „Aber du hast recht, dass ist eine gute Eigenschaft für unseren Orden.“
Seufzend ließ ich mich aufs Bett sinken und drehte mich in Position fürs Stillen, kaum das ich so lag vernahm ich die vertrauten Schmatzgeräusche. „Erst jetzt wird mir bewusst, worüber wir uns Gedanken machen müssen, Haytham. Ein wenig macht mir das Angst, es ist alles noch weit weg, aber eigentlich auch nicht mehr. Ach ich weiß auch nicht, ich mache mir wieder viel zu viele Gedanken!“ und schüttelte mich leicht, um diese Wirren aus meinem Kopf zu vertreiben. „Nein, du denkst wie eine Mutter, oder nicht? Du hast auch bei Yannick so gedacht und tust es noch. Ich sehe es oft in deinen Augen, dass du über ihn und sein Leben nachdenkst, wenn du wieder diesen leeren Blick hast, mi sol.“ er schloss mich in seine Arme.
„Ich weiß nicht was ich gerade erschreckender finde, dass du mich so beobachtest oder dass deine Auffassungsgabe so hoch ist.“ lächelte ich ihn etwas schüchtern an, mir war nicht bewusst gewesen, dass er mich so sah! „Eine Angewohnheit, die ich bei dir eigentlich ablegen wollte, doch... es fällt mir schwer. Verzeih mir, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen!“ erstaunt sah ich ihn an. „Das ist es nicht, es ist diese Art von dir. Ich fand sie damals schon ein wenig, naja, unheimlich.“ und ein leichtes Glucksen kam mir über die Lippen.
„Ich bin unheimlich? So so... Vielleicht sollte ich dir zeigen, dass ich ein völlig normaler Mann bin, der seine Frau einfach haben will!“ kam es raunend an meinem Ohr. „Haytham, nicht jetzt! Gedulde dich!“ meinte ich gespielt streng! „Aber sag nachher nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte, mi sol!“ und ich erntete seine flache Hand auf meinem Hintern. Dieses ganze Gespräch hatte Edward wohlig nuckelnd verschlafen und erst jetzt verlangte er noch Nachschub, so konnte ich mich zu meinem Mann drehen und hatte somit Augenkontakt. Doch... ich sah dunkle graue Augen, welche mich förmlich schon wieder nahmen! „Das ist nicht fair, mi amor!“ hauchte ich leicht keuchend.
Als Edward dann wieder sauber, satt und friedlich in seiner Wiege schlummerte, löschte Haytham das Licht und anstatt mich an sich zu ziehen, zog er mich aus dem Bett und ins Ankleidezimmer. Leise schloss er die Tür und lehnte dann an einer der Kommoden. Seine Hände umfassten meinen Nacken und griffen in meine Haare... ich wusste was er wollte und ließ mich langsam auf die Knie sinken und ich öffnete meinen Mund. „Mach weiter, mi sol.“ und ein weiteres Mal verloren wir uns ineinander....
Die letzten beiden Wochen waren geprägt von nächtlichen Lektionen, oder auch mittäglichen, je nachdem wie gerade die Lage war und ich holte die ganzen Wochen der Abstinenz nach.
Wir hatten auch den Empfang bei den Whittners erfolgreich hinter uns gebracht. Obwohl mich einige der Damen schief ansahen, weil ich unseren Sohn, samt Kindermädchen, dabei hatte. Die Erklärung, ich würde ihn ja noch stillen, brachte mir nur große Augen entgegen. „Aber Mistress Kenway, ihr habt gesellschaftliche Verpflichtungen und ihr müsst an eure Figur wieder denken! Da solltet ihr vielleicht eher eine Amme haben, die sich darum kümmert.“ mir kam das kalte Kotzen bei diesen Worten und ich musste mich arg zusammenreißen, um sie nicht alle zu erwürgen. Gerade durch das Stillen verlor ich wieder Gewicht und... es war die perfekte Verhütung, wenn wir mal ehrlich sind.
WAS waren das bitte für Mütter? Schrecklich. Als ich meinem Mann davon erzählte, kam ein „Es ist halt nicht üblich, dass du dich so intensiv um dein Kind kümmerst, mi sol. Vergiss aber nicht, ich unterstütze dich in dieser Hinsicht, ich sehe, es bekommt Edward sehr gut und er wächst von Tag zu Tag und ist gesund. Das ist das wichtigste!“ kam es von ihm und er gab mir einen bestätigenden Kuss. Ich wusste, dass er hinter meiner Entscheidung stand und ich hoffte, dass er es auch bei anderen später tun würde.
Doch es wurde Zeit, dass ich Haytham erzählte, dass wir bald nach London aufbrechen mussten. Also wartete ich einen passenden Moment ab, in welchem er entspannt war. Am besten... nein, nicht was ihr wieder denkt! Wenn er morgens beim Frühstück die Zeitung las, das wollte ich sagen! „Haytham, ich hätte da noch ein wichtiges Anliegen!“ druckste ich trotzdem etwas herum. Alarmiert zuckte seine Augenbraue hoch und er musterte mich. „Wenn du schon so anfängst, dann ist etwas passiert. WAS ist los, mi sol?“
Ich atmete tief durch, setzte mich aufrecht hin und fing an zu erzählen. „Es... ist so. Master Lestrange hatte mir bei seinem Besuch zu Silvester einen Auftrag für eine Lieferung gegeben, welcher aber noch ein bisschen Zeit hätte. Es müsste etwas nach London gebracht werden und ebenfalls etwas von dort geholt werden. Über Frankreich müssten wir eine weitere Lieferung abgeben und den Rest wieder hierher bringen.“ ich sah ihn an und wartete, doch er sah mich auffordernd an. „Es ist ein … Auftrag, welchen nur ich erledigen kann und soll. Er wünscht keine Zwischenhändler, da die Ware zu wertvoll sei. Meine Jackdaw wird mit einem anderen Schiff, einem bewaffneten Handelsschiff, nach London segeln müssen. Und das spätestens Mitte März!“ warum ich mich bei den Worten leicht duckte, wusste ich nicht, aber ich tat es und sah ihn erwartungsvoll an.
Ohne ein Wort stand er auf und ging ans Fenster und starrte hinaus. „Mitte März sagst du? Das ist zu früh für Edward, das Wetter schlägt zu schnell um und...“ Haytham holte tief Luft und dann platzte es aus ihm heraus. „WARUM IN DREI TEUFELS NAMEN NIMMST DU SO ETWAS AN?“ es war nicht gebrüllt, einfach nur laut und ich zuckte zusammen. „Ich habe Verpflichtungen, Haytham. Das hast sogar du zu mir gesagt und bisher habe ich sie immer eingehalten oder nicht?“ erwiderte ich jetzt kleinlaut, weil ich genau DAMIT gerechnet hatte.
Schwer atmend kam er wieder um den Tisch und setzte sich neben mich. „Weißt du eigentlich, wie gefährlich es für unseren Sohn wird auf hoher See?“ ich sah ihn lange an und versuchte meine Tränen zu unterdrücken. „Ja, das weiß ich, Haytham. Aber ich weiß auch, dass Edward beschützt wird und DU weißt es auch! Und... ich würde gerne endlich zu Jennifer kommen. Es liegt mir schon seit Monaten auf der Seele und wir könnten es wunderbar verbinden, oder nicht?“ fragte ich etwas tonlos, weil mir die Tränen liefen.
„Lass mich raten, es ist nicht Jennifer um die es dir geht, du bist schon wieder in Gedanken bei Faith, oder? Ich weiß nämlich, dass die Cormacs bereits dahin unterwegs sind! Vielleicht solltest du einfach ehrlich zu mir sein?“ seine Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton angenommen und ich sah ihn erschrocken an. Ich hatte an die Option, dass meine Schwester in London ist, wirklich nicht gedacht. Ich hatte es völlig vergessen! „Auch wenn du es mir nicht glaubst, aber ich hatte daran gar nicht mehr gedacht, Haytham!“ sprach ich leise und versank auf meinem Stuhl, wenn er nicht einwilligte, konnte ich nicht aufbrechen.
In diesem Moment platzte ein Bote ins Esszimmer, welcher uns einen Brief übergab. „Master Kenway, es ist dringlich. Ich muss heute noch eine Antwort bekommen und sie unverzüglich an Master Franklin weiterleiten. Das Schiff mit der Post legt heute Nachmittag ab, Sir. Ich werde also so lange warten.“ meinte der Herr höflich mit einer Verbeugung. Haytham ließ ihn in die Küche bringen, wo er sich aufwärmen konnte und eine Kleinigkeit zu Essen und Trinken erhielt. Für diese Unterbrechung war ich ehrlich gesagt sehr, sehr dankbar und hoffte, dass mein Mann etwas abgelenkt wurde.
„Du stehst mit Benjamin Franklin in Kontakt? Das hattest du gar nicht erwähnt, Haytham.“ Mal wieder kam meine Neugierde durch. „Ich hatte ihn damals als ich in Boston eintraf, kennen gelernt und mich dort hin und wieder mit ihm getroffen. Er ist ein interessanter Mann, seine Wissenschaft ist spannend musst du wissen. Und er vertritt einige wirklich ausgezeichnete Ansichten was unter anderem die Politik angeht!“ als mich mein Templer nun ansah, schüttelte er den Kopf. „Ich hatte vergessen, dass du vermutlich weißt, wer das ist.“ seufzte er resigniert.
„Ich kenne diesen Herren tatsächlich von einigen Aufzeichnungen und den Geschichtsbüchern. Er geht mit großartigen Entdeckungen und Erfindungen in die Geschichte ein. Bei Odin, ich würde ihn wirklich gerne persönlich kennenlernen.“ ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl herum und freute mich mal wieder wie eine dreijährige. „Dann wirst du in London ja die Gelegenheit dazu bekommen, mi sol.“ sprach mein Mann etwas säuerlich. „So? Was hat er geschrieben?“ Haytham erzählte mir jetzt, dass Benjamin ihn nach London einlud, da er dort seine neuesten Erkenntnisse vorstellen würde. Leider hätte mein Mann damals die ersten Vorträge in Philadelphia ja verpasst und er würde sich jetzt freuen, wenn er an einer solchen Lesung teilnehmen würde. Er wäre noch bis Ende Juli in England und erwarte seine Antwort.
„Haytham, sieh mich nicht so böse an. Somit haben wir einige Gründe mehr dorthin aufzubrechen. Bitte, vertrau mir. Ich sorge auch wirklich dafür, dass unserem Sohn nichts passiert. Wir können jetzt mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen und …“ seine grauen Augen nahmen einen warmen Glanz an und ein liebevolles Lächeln trat auf seine Lippen. „Mi sol, wenn ich dich so euphorisch reden hören, dann könnte ich dich einfach nur in den Arm nehmen. Deine Art ist einfach ansteckend! Also schön, wir werden nach London reisen! ABER... du sorgst für die Mannschaft, den Proviant und alles andere. Auch bedenke, dass du Stellvertreter für die Geschäfte hier brauchst. Wenn das alles geregelt ist, erst dann werde ich ganz zustimmen, dass wir abreisen!“ meinte er in einer leicht abgewandelten Form der Templerart.
„Kein Ding, Haytham. Bin schon unterwegs...“ da ging schon wieder mein 21igstes Jahrhundert-Ich mit mir durch! „Verzeih mir, ich meinte nur, dass ich mich sofort darum kümmere!“ lachend schlang meine Arme um seinen Hals. „Danke, mi amor und ich liebe dich!“ er bekam noch einen langen Dankeskuss und dann war ich schon in meinem Arbeitszimmer verschwunden.
Manchmal muss man einfach Glück haben, oder? Doch ich wusste, dass Ganze würde für mich noch ein nächtliches Nachspiel haben, mein Mann befand nämlich, dass ich noch zu lernen hatte. Vermutlich den Rest meines Lebens, das war mir aber ganz recht, auch dafür liebte ich ihn.
Jetzt hieß es, meine bereits vorab informierten Stellvertreter hierher zu zitieren und alles abzuklären. Auch musste ich Mr. Hargreaves her bestellen, damit ich die Ladung und den Proviant besprechen konnte. Das zu begleitende Handelsschiff würde uns dann am 10. März in der Cheasapeak-Bay in einem kleinen Hafen erwarten. Innerhalb von ein paar Stunden, in welchen ich auch noch meinen Sohn stillte und wickelte, hatte ich die Briefe fertig. Der Bote hatte ebenfalls das Antwortschreiben für Franklin in der Tasche und konnte gehen.
Ebenso musste ich das Packen planen und das wäre etwas, dass ich so noch nie gemacht habe. Es war eine Reise, welche nicht nur 6 Wochen ginge, sondern vermutlich ein Jahr, wenn nicht sogar noch länger andauerte. Der Plan sah vor, dass wir nach England segeln, dort eine Weile bei Jenny blieben und die Geschäfte vorantrieben. Dann sollte es weiter nach Frankreich gehen, wo ich einen weiteren Teil der Lieferung an die Geschäftspartner abgeben würde und wir das Chateau beziehen würden. UND ich hatte beschlossen, dass ich auch nach Deutschland reisen wollte. In meine Heimat, es ließ mir keine Ruhe, ich wollte wissen wie Bad Pyrmont zu dieser Zeit aussah.
Also machte ich mir einen Plan und schrieb alles penibel auf, somit hatte ich eine Art Zeitplan, welcher sicherlich immer wieder durch das Wetter auf See oder auch über Land beeinflusst werden würde. Aber ich brauchte grob eine Auflistung. Ich besprach mit Magda die Liste, was zu packen sei, im Grunde war es eigentlich ALLES. Für Edward war es vor allem wichtig, dass ich seine Garderobe noch erweiterte, damit er bei dem Wachstum immer etwas passendes zum Anziehen hatte. Spielzeug durfte nicht fehlen. Für Haytham hatte ich ebenfalls eine Liste aufgestellt und unsere persönlichen Dinge würden in meiner gesicherten Truhe mitreisen.
Gegen späten Nachmittag, es war schon dämmrig, saß ich völlig erschöpft vor dem Kamin in meinem Arbeitszimmer und genoss diesen warmen Tee, welchen mir Tabea gerade gemacht hatte. Es klopfte und auf mein Bitten erschien mein Mann und sah mich fragend an. „Mi sol, ich habe dich jetzt stundenlang nicht gesehen. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung?“ ich lächelte ihn etwas müde an. „Es ist alles in Ordnung, keine Sorge, mi amor. Ich habe alles erledigt und geplant und bin jetzt sehr zufrieden mit mir selber!“ grinste ich breit und deutete auf meinen Schreibtisch, wo sich die Papiere und Listen befanden.
Mit meinem ersten Maat hatte ich auch schon alles soweit besprochen und er kümmerte sich nun um eine gute und kampffähige Mannschaft zusätzlich zu der Herkömmlichen. Wir würden mit mindestens 50 Mann in See stechen, wenn die Jackdaw als Begleitschutz reisen sollte, musste ich sicherstellen, dass wir uns und das Handelsschiff auch verteidigen konnten. Anerkennend hob mein Mann eine Augenbraue und schaute mich über das Papier hinweg an. „Alex, das ist unglaublich, was du auf die Beine stellen kannst, wenn du in kurzer Zeit etwas organisieren sollst. Ich glaube, dann werde ich wohl einfach zustimmen müssen, oder?“ grinste er mich einfach an und kam auf mich zu. „Es ist eine Wohltat zu wissen, dass ich dich mit diesen Dingen betrauen kann und jetzt auch weiß, dass es reibungslos laufen wird!“ ich bekam einen langen anerkennenden Kuss von ihm und dann hörte ich unseren Sohn schon nach seiner nächsten Mahlzeit schreien.
„Ich glaube, da möchte noch jemand eine gute Organisation sehen, mi amor.“ lachte ich und spürte, wie mir die Milch einschoss und eilte schnell hinüber in unser Schlafzimmer. „Hey kleiner Schatz, Mommy ist ja da.“ als Edward auf meinem Arm war, beruhigte er sich langsam und Mrs. Wallace ging leise hinaus. Sie hatte ihm schon die Windeln gewechselt, so konnte ich ihn einfach anlegen. Während ich in meinem neuerworbenen Schaukelstuhl saß und er selig vor sich hin schmatzte, erzählte ich ihm leise von seiner ersten großen Reise!
Seine blaugrauen Augen sahen mich aufmerksam an, doch als sein Vater eintrat, glitt sein Blick dorthin und sein Händchen streckte sich in Richtung von Haytham. Dieser nahm einfach die kleinen Finger und hielt sie, während er sich hinkniete und vorsichtig über den Kopf streichelte. „Ich würde zu gerne wissen, was einmal aus ihm wird, mi sol!“ kam es gedankenverloren von meinem Mann. „Ein guter Mensch!“ kam es völlig logisch von mir. „Das wird er, auf jeden Fall!“ seine Hand strich weiter über den dunklen Haarschopf und wieder sah ich Haytham als Baby vor mir. „Er wird Templer, wie sein Vater und wird gleichzeitig alle Werte gelehrt bekommen, welche wichtig sind, um ein Gleichgewicht beizubehalten, Haytham!“ sprach ich wie ferngesteuert. Plötzlich wusste ich, dass auch Edward Junior eine Aufgabe hatte. „Wir sind eine seltsame Familie, oder?“ fragte mich mein Templer grinsend. „Sind wir, aber wenigstens keine langweilige Durchschnitts Familie.“ lächelte ich ihn an.
Stillschweigend waren wir uns einig, dass wir in Zukunft so einiges noch zu erwarten hatten. Aber wir würden zusammenhalten und uns weiter aneinander gewöhnen. Innerlich freute ich mich schon auf ein Wiedersehen mit Jennifer und war gespannt, wie das Anwesen nun aussehen würde! Als unser Sohn dann satt war und ich ihm noch eine beruhigende Massage verpasst hatte, lag er selig schlummernd in seiner Wiege. Für einen kurzen Moment stand ich da und sah diesen kleinen Menschen an. Er hatte noch alles vor sich, wir mussten ihn auf den richtigen Weg bringen, ihm die richtigen Werte lehren, ihn gut erziehen und und und... Für einen Moment war ich in meinen Gedanken völlig überfordert und spürte, dass ich leicht panisch wurde.
„Haytham, was ist, wenn ich etwas falsch mache?“ fragte ich leise. „Was solltest du falsch machen, mi sol?“ sein Blick war verständnislos und wartete auf eine Erklärung. „Ich weiß nicht, ich habe Angst, dass Edward falsche Entscheidungen trifft, er an die falschen Menschen gerät und...“ ich spürte Haythams Arme um mich und seine warme Stimme beruhigte mich mit den Worten „Wir werden ihm alles beibringen, was wir wissen, unsere Werte und unsere Sicht auf die Welt. Was Edward dann daraus macht, liegt einzig und allein an ihm und er wird wissen, was er zu tun hat! Glaub mir!“ das beruhigte mich seltsamerweise und ich lehnte mich an meinen Mann. „Du hast recht, mi amor!“ so standen wir noch eine Weile dort und sahen dem kleinen Kenway beim Schlafen zu.
Alles war an Bord, wir hatten Mrs Wallace, Magda und Michael, Haythams neuen Kammerdiener, dabei und konnten aufbrechen. Doch ich war wahnsinnig nervös, als wir an Bord der Jackdaw gingen. Mir gingen die schlimmsten Szenen durch den Kopf ... Stürme, marodierende Piraten oder einfach fiese Krankheiten an Bord. Ich hatte meinen Medikamenten Stand ausgebaut, Faith hatte mir aus ihrem Bestand noch ein paar Dinge überlassen, welche ich jetzt mit an Bord hatte.
Ich hatte gestern die neuen Mitglieder meiner Mannschaft in Augenschein genommen und war zufrieden mit der Auswahl. Den Proviant besah ich mir auch noch einmal und hoffte, dass alles die lange Überfahrt heile überstehen würde. Als ich mit allem zufrieden war, ließ ich Segel setzen und die Jackdaw wendete langsam und fuhr Richtung Cheasapeak-Bay. In ungefähr 3 Stunden träfen wir auf das dort wartende Handelsschiff, welches ich bereits gestern schon informiert hatte.
Dann bezogen wir erst einmal Quartier und richteten uns ein. Mrs Wallace und Magda teilten sich eine Unterkunft, welche direkt unter meiner Kajüte war und Michael das Abteil daneben. Dann beging ich mit den dreien mein Schiff, um ihnen alles zu zeigen, damit sie sich nicht verlaufen. Haytham hatte Edward mit an Deck genommen und zeigte ihm dort alles, doch ich wusste, dass unser Sohn gerade gegessen hatte und die Besichtigung verschlafen würde.
Als die Jackdaw die Flussmündung erreichte und in die Cheasapeak Bay einfuhr, frischte auch der Wind auf und der Wellengang nahm zu. Froh, dass ich jetzt wieder Seefest war, stand ich mit meinem Mann und unserem Sohn oben auf der Brücke bei meinem ersten Maat und besah das geschäftige Treiben der Mannschaft. Wir näherten uns dem Handelsschiff, der White Moon, sie war ungefähr so groß wie die Jackdaw und hatte einen weiß-blauen Anstrich. Wir machten neben ihr fest und ich besprach mich mit dem Kapitän, Mr Higgins, einem älteren Herrn mit kurzen braunen Haaren und etwas untersetzt.
„Mistress Kenway, es freut mich euch jetzt persönlich kennen zu lernen.“ es folgte der Begrüßungshandkuss und eine tiefe Verbeugung. „Mr Higgins, auch ich freue mich, euch nun persönlich zu treffen. Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät?“ es war mehr eine rhetorische Frage und er schüttelte lächelnd den Kopf. Ich besprach mit ihm den weiteren Verlauf und auch, wie wir uns bei eventuellen Angriffen verhalten würden, es musste schon im Vorfeld eine gewisse Taktik im Kopf sein, weil vermutlich in solchen Momenten keine Zeit zum kommunizieren wäre.
Dann besah ich mir die Ladung, welche aus insgesamt 15 Truhen, alle schwer gesichert mit Schlössern und Metall verstärkt, bestand. Zwei von ihnen stachen mir besonders ins Auge, auf ihnen prangte das Assassinensymbol umrahmt von Runen. Ich erkannte sie wieder, unter anderem waren es Tyr, der Kriegsgott, Besitz und Geschenk. Eine eigenartige Kombination, wenn man mich fragte, doch ich war gespannt, was mich damit noch erwarten würde. Elias hatte unter anderem von uralten Schriftrollen gesprochen, welche wir überbringen sollten!
Es war an der Zeit, aufzubrechen, mittlerweile war es später Mittag und wir ließen Segel setzen und machten uns auf den Weg nach Europa. Als ich wieder an Bord meines Schiffes war, ermahnte mich mein Sohn mit einem lauten Weinen, dass er Hunger hatte und ich zog mich in meine Kajüte zurück. Mrs Wallace folgte mir und wir unterhielten uns über ihre zweite große Reise. Sie war ziemlich aufgeregt und stellte mir Fragen über England und wie es wohl in Frankreich aussieht. „Sybill, ich kann euch da leider gar nichts zu sagen. Ihr wisst doch, in meiner Zeit sieht es dort überall ganz anders aus. Aber ich hoffe, dass ich ein paar Sachen wiedererkennen werde!“ grinste ich sie an.
„Ich vergesse immer, dass ihr ein ganz anderes Leben vorher hattet, Mistress Kenway.“ flüsterte sie leise und nahm meine Hand, dann wechselte sie das Thema. „Edward ist übrigens schon wieder gewachsen, sein Hemd wird allmählich zu kurz. Aber ich habe schon die neuen Strümpfe und ein anderes Hemd aus seiner Truhe geholt. Nicht dass Master Edward noch krank wird.“ und damit tätschelte sie sein Händchen.
Kenway junior schlief in seinem Tragebuch und ich ging wieder an Deck. Mittlerweile waren wir auf der offenen See und der Wellengang und kalte Wind nahm weiter zu. Plötzlich sah ich, wie Magda auf die Reling zuhielt und sich darüber lehnte. Ich ging zu ihr und legte beruhigend meine Hand auf ihren Rücken. „Magda, ihr seid doch nicht etwa seekrank, oder?“ Bei den letzten Reisen ist mir davon nichts aufgefallen und da hatten wir auch schon mit heftigerem Wellengang zu kämpfen. Aus ihrer Erzählung wusste ich, dass sie von Irland nach New York im Alter von wenigen Monate reiste. „Mistress Kenway, es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm sein kann. Wir sind ja noch nicht mal richtig unterwegs.“
„Macht euch keine Sorgen, ihr gewöhnt euch sicher schnell daran. Bis dahin, versucht an Deck zu bleiben und lenkt euch ab, redet mit der Besatzung, geht herum. Ich sehe nach, ob ich euch etwas zusammenstellen kann, damit ihr nicht so leiden müsst.“ sprach ich beruhigend auf sie ein, als sie sich wieder übergeben musste. Na, das würde ja noch spaßig werden. Zwei Monate seekrank sind kein Zuckerschlecken und ich hoffte, dass Magda das gut überstehen würde.
Unter Deck ging ich zu der umgebauten Krankenstation und sah mir die Kräuter und Mittelchen an, welche ich dabei hatte. Für den Notfall gab es einen heilkundigen Herren an Bord, welcher mir zwar wie ein Metzger erschien, aber er wusste, wie man Wunden verarztete. Das musste reichen! Irgendwann hatte ich auch mal von Akupunktur gehört, die in Fällen von Seekrankheit helfen soll, doch ich hatte weder die Nadeln noch das Wissen dazu, schade. In einem Buch schlug ich dann nach, was es so für Vorschläge gab. Bilsenkraut, Stechapfel und Ingwer. Aha... Stechapfel war mir bekannt gegen Asthma, dass es auch bei der Seekrankheit hilft wusste ich auch nicht. Aber ich würde erst einmal unseren Smutje, Mr Hans Sundström, fragen, ob er Ingwer parat hätte.
Als ich in der Kombüse stand, bekam Hans große Augen. „Mistress Kenway, was verschafft mir die Ehre, dass ihr hier seid.“ lächelte er mich an und warf einen vorsichtigen Blick in das Tragetuch. „Geht es eurem Sohn nicht gut, oder braucht ihr einen Tee?“ kam es etwas besorgt. „Nein, uns geht es gut. Magda, meine Zofe, leidet an der Seekrankheit und ich wollte fragen, ob wir auch Ingwer mit an Bord genommen haben.“ Mit einem Fingerzeig deutete er mir, dass er tatsächlich welchen hatte. „Das ist ja hervorragend, dann werde ich ihr gleich ein paar Stückchen bringen. Und ich werde dann wohl regelmäßig hier vorbeischauen um Nachschub zu holen!“ grinste ich ihn an und ging wieder nach oben.
Magda stand immer noch an der Reling, aber jetzt am Bug und sah auf das offene Meer. Eine gute Idee, so vermied man auch, dass einem schlecht wurde. „Magda, ich habe euch Ingwer mitgebracht. Wenn ihr auf diesen Stückchen kaut, dann vergeht die Übelkeit langsam.“ sie nahm die Knollenstückchen dankbar entgegen und fing an, meine Anweisung zu befolgen. Michael hatte sich zu ihr gesellt und ich ließ die beiden alleine.
Das Wetter war noch recht gut für diese Jahreszeit und ich hatte die Hoffnung, dass auch der April nicht so turbulent wird. Langsam schlenderte ich Richtung Ruder, wo mein Mann sich angeregt mit unserem ersten Maat unterhielt. „Mi sol, wie geht es Magda? Ich hoffe doch, diese Übelkeit vergeht.“ fragte Haytham mich etwas besorgt. „Ich hoffe, dass der Ingwer hilft, ansonsten muss ich den Tee aus Bilsenkraut und Stechapfel probieren. Der würde aber widerlich schmecken und ich würde das gerne vermeiden.“ erklärte ich ihm die Sachlage kurz.
Gegen Abend wurde es wieder kühler und ich ging mit Edward schon mal hinunter in die Messe, damit der Kleine nicht fror. Leise erzählte ich ihm, wo wir waren, wohin wir unterwegs sein und dass er auch meine Heimat sehen wird. „Mistress Kenway, ihr plant auch nach Preußen zu reisen? Eine wunderbare Idee, da wird sich eure Familie sicher freuen, euch wieder zusehen.“ meinte einer der Besatzung aufgeregt, doch in mir zogen die dunklen Wolken wieder auf. Nein, dort würde mich niemand erwarten. „Wir werden sehen, aber ich freue mich, einfach mal wieder dort sein zu können.“ lächelte ich etwas gequält.
Nach dem Essen war es Zeit für die Mahlzeit von unserem Sohn und ich zog mich in meine Kajüte zurück. Mrs Wallace hatte ihn vorher hier unten im Warmen gewickelt und gewaschen, sodass ich meinen Schatz einfach mit nach oben nehmen konnte. Die Seeluft hatte ihm rosige Wangen verliehen und einen gesegneten Appetit! Er trank deswegen stellenweise einfach zu schnell und verschluckte sich ab und zu. „Mach langsam, mein Schatz, niemand nimmt dir dein Essen weg!“ und ich strich ihm vorsichtig über seinen Kopf. „Nein, niemand wird sich an deine Mutter trauen, mein Sohn! Dafür sorgt sie schon!“ hörte ich Haytham amüsiert reden.
„Ich verteidige eben gerne meine Familie, mi amor. Aber Edward ist so hektisch am Trinken, dass er sich immer verschluckt.“ ich fing an, leise zu singen, damit er etwas ruhiger wurde. Irgend etwas schien ihn zusätzlich nervös zu machen und ich fing an, mich mit meinem Sinn umzusehen. „Mi sol, was ist? Warum der Adlerblick?“ kam es jetzt alarmiert von Haytham. „Ich weiß nicht, ich dachte, ich könnte die Quelle für diese Nervosität von Edward ausmachen. Doch ich sehe nichts. Du vielleicht?“
Nach kurzer Zeit sah mich mein Mann beruhigt an. „Nein, auch ich sehe nichts. Nicht einmal vergangene Auren kann ich wahrnehmen. Vermutlich ist die Seeluft alleine schuld, mi sol!“ Er setzte sich mit aufs Bett und legte seinen Arm um uns. Haytham fing an, seinem Sohn von seinem Zuhause zu erzählen und ich lehnte mich an ihn. Ich hörte gerne zu, wenn er von früher erzählte. Unser Sohn sah uns aufmerksam an, doch als er seine Mahlzeit beendet hatte, fielen ihm immer wieder die Augen zu. Ich beschloss daher, einfach hier zu bleiben und mich mit ihm hinzulegen. Es war eh schon gegen 22 Uhr und Haytham würde noch an einigen Papieren feilen müssen. Ich war ziemlich schnell eingeschlafen, auch mir tat diese Seeluft gut und bescherte mir einen tiefen Schlaf.
Diese ersten Wochen waren anstrengender als gedacht, es gab keine Privatsphäre, keinen Moment Ruhe, keinen Rückzugspunkt. Edward wurde zunehmend quengeliger und wollte gar nicht mehr von meinem Arm und fing schon an zu weinen, wenn er nur Mrs Wallace sah. Wir waren alle etwas angespannt mit der Zeit, auch mein Mann war unzufrieden mit der Gesamtsituation. Mittlerweile schlief er immer mal wieder unten bei seinem Kammerdiener in der Abteilung, da unser Bett für drei einfach zu klein war.
Doch etwas Positives gibt es zu berichten, Magda hatte es tatsächlich geschafft, seefest zu werden. Ihr war nicht mehr schlecht und sie hatte wieder rosige Wangen. Auch fiel mir auf, dass sie sehr viel Zeit mit Michael verbrachte, was nicht schlimm ist, doch etwas skeptisch war ich schon.
Ich stand heute an der Reling mit meinem Sohn auf dem Arm und er sah mit großen Augen auf das Meer. In den letzten Wochen hatte er angefangen vor sich hin zu plappern, leider verstand ich noch kein Wort, aber ich wusste, bald würden wir wissen, was er wollte. Bei dem Gedanken lächelte ich ihn stolz an. „Mi sol, ein seltener Moment, dass du so einen zufriedenen Gesichtsausdruck hast.“ mein Mann stellte sich hinter uns und umarmte Edward und mich mitsamt seines Umhangs. „Ich weiß und es tut mir leid, dass es so schwierig ist im Moment. Aber ich hoffe, es wird sich bald wieder etwas legen und sich entspannen.“ in dem Moment erschien Mrs Wallace neben uns und brachte mir meinen Tee. Als ich ihn entgegen nahm, reichte ich Sybill im Tausch Edward, doch als er merkte, dass er zu seinem Kindermädchen sollte, fing er an zu weinen. „Schatz, ich stehe direkt neben dir. Mommy lässt dich schon nicht alleine.“ ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und widmete mich meinem heißen Tee.
So standen wir eine Weile an der Reling und Sybill entfernte sich Stück für Stück von uns, wir hatten nämlich abgemacht, dass unser Sohn gar nicht erst anfing, so wählerisch zu werden. Das wäre für alle Beteiligten nicht gut und auch er sollte lernen, dass seine Eltern ihn nicht alleine ließen, sondern ab und zu einfach nicht anwesend waren. Irgendwann stand Mrs Wallace am Bug bei Magda und Michael und ich sah, dass Edward abgelenkt war. „Alex, war das etwa so abgesprochen?“ fragte mich Haytham jetzt skeptisch. „Ja, unser Sohn muss lernen, dass wir für ihn da sind, er aber auch andere Bezugspersonen in seinem Leben haben wird. Es fällt mir schwer, aber es muss sein.“ sagte ich leise und sah auf die kleine Gruppe dort. Haytham drehte mich zu sich und gab mir einen vorsichtigen Kuss. „Aber wir werden die wichtigsten Personen bleiben und ihm immer beistehen, dass werden wir ihm auf jeden Fall beibringen, mi sol! Ich liebe dich!“ ich legte meinen Kopf auf seine Brust „Ich dich auch!“ und schlang meine Arme unter seinem Umhang um ihn.
Diese Idylle hielt aber nicht lange, in dieser Nacht zog ein heftiges Unwetter auf und ich hatte Mühe, meinen Sohn zu beruhigen. Ich hatte mich mit ihm unter Deck in der Messe bei den anderen eingefunden. Ich konnte ihn jetzt nicht Mrs Wallace überlassen, an Deck selber würde ich auch nicht viel ausrichten können.
Immer wieder hörte ich krachenden Donner und das Meer, welches an die Jackdaw schlug. Wenn ich gehofft hatte, dass wir nur diese Nacht in diesem Sturm verbringen, so hatte ich mich getäuscht. Wir hatten zwei Tage und Nächte damit zu kämpfen.
In der zweiten Nacht jedoch, hielt es mich nicht mehr unter Deck und ich zog meine Montur an und versuchte zu helfen, wo ich nur konnte. Es lenkte mich ab. Ich warf einen Blick auf die White Moon, auch sie hatte mit diesen Widrigkeiten stark zu kämpfen. Einmal war sie uns so nahe gekommen durch eine hohe Welle, dass wir schon befürchteten, sie würde in Tausend Teile an unserer Seite zerbersten. Doch Odin sei Dank, bekam sie gerade noch so die Kurve.
Am späten Nachmittag des zweiten Tages endlich klarte der Himmel wieder etwas auf und es wurde ruhiger. Nur der Regen blieb noch eine Weile, doch das war nicht weiter schlimm. Jetzt hieß es, die Schäden an den beiden Schiffen zu reparieren. Wir sicherten beide und die Mannschaften begannen mit den Zimmermännern die Reparaturen. Das kostete uns nochmal zwei volle Tage, doch ich war froh, dass nichts schlimmeres passiert war.
Edward hatte jedoch so seine Probleme gehabt, dieser Wellengang war für ihn leider zu heftig gewesen und er hatte kaum eine Mahlzeit bei sich behalten. Also ging ich jetzt mit meinem Sohn in meine Kajüte, legte ihn aufs Bett und zog meinen Übermantel und den Gehrock aus. So konnte ich ihn stillen und dieses mal war es entspannt und ich sah, dass er wieder Farbe in sein kleines Gesicht bekam.
„Schätzchen, das tut mir so wahnsinnig leid, dass du da durch musstest. Aber ich verspreche dir, wir sind bald da und dann lernst du endlich Tante Jenny kennen. Sie freut sich schon auf dich.“ doch mein Sohn war so konzentriert auf sein Essen, dass er mich mit großen Augen ansah. Ich wechselte noch die Windel und ging dann mit ihm wieder an Deck. Der Regen hatte aufgehört und die Sonne schien ein wenig, sodass ich ohne Gehrock für einen Moment hier an der Reling stehen konnte. Edward lag in dem Tragetuch und war eingeschlafen, etwas Frieden legte sich auf mich und ich hoffte, dass nicht noch mehr solcher Unwetter auf uns warteten.
Die Wochen vergingen ziemlich zäh und ich hatte meine Mühe, meine Laune nicht an jedem auszulassen. Hans hatte schon meine morgendliche Wut abgekommen, weil er kein heißes Wasser für meinen Tee fertig hatte. Es waren immer nur Kleinigkeiten, die mich auf die Palme brachten, aber sie reichten. „Alex, wir sind jetzt alle gestresst und genervt, lass ...“ doch ich unterbrach meinen Mann unwirsch. „Sag mir nicht, ich soll mich beruhigen...“ und gerade als ich den Vergleich mit einer Flasche Cola und den Mentos anbringen wollte, fiel mir ein, dass er nichts damit anfangen könnte. Also schluckte ich den Rest runter und drehte mich einfach um.
Dann endlich fuhren wir in den Hafen von Bristol ein und ich dankte allen Göttern, dass ich bald wieder festen Boden unter den Füßen haben würde. Eigentlich sollten wir etwas abseits eine kleine Bucht angelaufen haben, doch kurzfristig vor der Abfahrt hatte mich dann der Duke wissen lassen, dass wir einfach den Haupthafen nutzen sollten. Also machte man die Schiffe zum Anlegen klar und als wir von Bord konnten war es für einen Moment völlig widerlich, so ruhig stehen zu können. Vermutlich bräuchte ich einen Moment, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Ich hatte mich in eines meiner etwas besseren Kleider gezwängt, ich wollte einen guten ersten Eindruck machen. Manchmal hat man seltsamen Gedanken.
Am Steg angekommen kam mir der Kapitän der White Moon entgegen und wir machten uns auf den Weg, den Hafenmeister ausfindig zu machen. Haytham hatte ich derweil gebeten für eine Unterkunft zu sorgen und sich solange um Edward zu kümmern. Der Kapitän der White Moon hatte meinem Mann eine Herberge empfohlen. Recht war ihm das nicht, doch als ich ihm ein paar ruhige Minuten versprach, welche wir während der gesamten Überfahrt nicht hatten, willigte er mit dunklen grauen Augen ein. „Ich nehme dich beim Wort, mi sol!“
Während Mr. Higgins und ich das Büro des Hafenmeisters ansteuerten, unterhielten wir uns noch über diese Überfahrt und waren uns einig, dass wir das nicht noch einmal brauchen könnten. „Mistress Kenway, aber ich muss sagen, ihr habt das gut gemeistert. Ich war im ersten Moment skeptisch, als ich erfuhr, dass eine Frau... also... ihr wisst schon!“ druckste er herum. „Ich verstehe, damit hatten schon so einige Herren ihre Probleme, doch ich versuche immer mein Bestes um sie eines Besseren zu belehren.“ lächelte ich ihn an. „Ich hoffe, die Fracht ist unbeschadet geblieben, Mr. Higgins?“ fragte ich jetzt, dazu waren wir gar nicht gekommen nach dem Sturm. „Zwei Truhen haben einige Schrammen abgekommen. Aber sie waren gut festgemacht, sodass sie sich nicht weiter bewegen konnten. Ich gehe davon aus, das der Duke of Ironside zufrieden sein wird.“ bei diesen Worten duckte er sich leicht und sah sich um. Glaubte er, Elias würde hinter ihm wie ein Schachtelteufelchen auftauchen?
Im Büro angekommen, begrüßte uns ein großer, junger Mann von vielleicht 25 Jahren mit schwarzen Haaren und stechenden grünen Augen. Das erinnerte mich im ersten Moment an Charles. Doch das war unmöglich, oder gab es noch irgendwelche anderen Lees hier? Hoffentlich nicht!, ging es mir durch den Kopf. Er kam um seinen Schreibtisch herum und ich reichte ihm meine Hand, ein gehauchter Handkuss mit den Worten „Gehe ich recht in der Annahme, ihr seid Mistress Kenway und ihr Sir, müsst dann Mr. Higgins sein?“ und er schüttelte die Hand des Kapitäns. „Da geht ihr recht in der Annahme und mit wem haben wir das Vergnügen?“ fragte ich mit hochgezogener Augenbraue, ich konnte diese Ähnlichkeit zu Lee nicht ausblenden.
„Verzeiht wo sind nur meine Manieren, Mistress Kenway, mein Name ist Nathan Hayes, zu euren Diensten!“ Dann wäre das ja jetzt geklärt. Wir besprachen jetzt unser Anliegen, wie lange wir hier im Hafen bleiben würden und ob wir Fracht hätten oder ob wir welche aufnehmen würden. In meinem Falle würde ich sehen, ob ich meine Geschäfte hierhin gehend auch noch erweitern konnte. Doch in London hätte ich sicher ein breiter gefächertes Sortiment zur Verfügung. Nach gut einer Stunde verließen Mr. Higgins und ich den Hafenmeister, welcher seines Zeichen Assassine war, wie ich an seinem Emblem am Revers sehen konnte.
„Mistress Kenway, dann solltet ihr jetzt mit eurer Familie und den Bediensteten die Unterkunft beziehen.“ Der Kapitän war guter Dinge, wie mir schien. „Das werde ich auf jeden Fall erst einmal machen. Und soweit mich der Duke unterrichtet hatte, wird sich dieser Master Bradshaw von alleine melden. Dann wünsche ich euch fürs Erste einen ruhigen Aufenthalt, Mr. Higgins.“ und reichte ihm meine Hand. „Das wünsche ich ebenso, Mistress Kenway!“
Langsam ging ich wieder zur Jackdaw um mich zu vergewissern, dass ich nichts vergessen hatte. Doch als ich näher trat, sah ich ein paar Personen, welche sich absichtlich und gespielt desinteressiert gaben und meine Brig begutachteten. Ich setzte meinen Blick ein und siehe da, es waren alles rote Auren. Doch ich ließ mich nicht beirren und ging einfach wieder an Bord. Die Wachmannschaft war bereits eingeteilt und ich bat den Wachhabenden mir zu folgen. In meiner Kajüte klärte ich ihn darüber auf, dass hier ein paar Leute herum schlichen und sie Vorsicht walten lassen sollten und auf der Hut sein müssen! „Mistress Kenway, aber WIR haben doch die Waren gar nicht gelagert, sondern die White Moon. Warum sollten diese Typen also die Jackdaw im Auge behalten?“ kam es als berechtigte Frage von ihm.
„Weil dieses Schiff nicht existieren dürfte und es immer noch Menschen gibt, die sie nicht in meinen Händen sehen wollen. Und sollte es einen weiteren Grund geben, dann werde ich ihn herausfinden. Aber denkt daran, wachsam zu bleiben und teilt es auch den anderen mit!“ Mein Ton war recht unterkühlt und bestimmend. Dann verschwand der Mann und ich sah mich hier noch um und auch unter Deck. Aber es war alles bereits abgeholt worden. Somit konnte ich mich ebenfalls auf den Weg zu unserer Unterkunft machen!
Gerade als ich von Bord ging, kam mir mein Mann mit unserem Sohn auf dem Arm entgegen. Edward war knatschig und jammerte mit rotgeweinten Augen. „Mi amor, was ist passiert?“ fragte ich besorgt und nahm meinen Sohn auf den Arm. „Unser Sohn mag unsere Unterkunft anscheinend nicht, in welcher wir die nächsten Tage bleiben werden.“ grinste er mich an und gab mir einen langen Kuss. „Oh, Edward, bist du etwa auch noch wählerisch was das Schlafen angeht?“ lächelte ich ihn an und erntete eine kleine Hand patschend auf meiner Wange und ein Schniefen.
„Konntest du alles mit dem Hafenmeister klären, Alex?“ fragte mich mein Mann jetzt, um einen Themenwechsel bemüht. „Soweit ja, wir haben jetzt aber ein paar Tage Zeit, ehe mich der Händler, Mr. Bradshaw, kontaktieren wird. Was hältst du davon, wenn wir uns hier ein wenig umsehen und die Stadt kennenlernen?“ Ein wenig Ruhe würde uns allen gut tun. „Eine hervorragende Idee, aber lass uns vorher noch Mrs. Wallace Bescheid geben, damit sie uns begleitet. Magda und Michael haben sich schon abgemeldet und werden gegen Abend wieder kommen.“ und in seiner Stimme klang ebenfalls dieser erleichterte Unterton mit, dass ein paar Tage Erholung anstehen könnten.
Unsere Pension war wirklich wunderschön, sie hatte große geräumige Zimmer und dazu ein Ankleidezimmer. Ein Luxus welcher kein Standard ist. Wir würden auch Frühstück, Mittag und Abendessen bekommen, sollten wir es wünschen. Für Edward hatte man eine Wiege in unser Schlafzimmer gebracht und Mrs. Wallace hatte das Zimmer direkt nebenan bezogen, welches mit einer Verbindungstür an unseres grenzte. Etwas erschöpft ließ ich mich dann aufs Bett sinken und streckte meine Füße aus. „Ich werde mich etwas frisch machen und dann wäre ich dankbar, wenn ich etwas zu trinken bekäme. Kaffee wäre mir ja am liebsten...“ nuschelte ich leise. „Nein, den bekommst du erst wieder, wenn du nicht mehr stillst, das weißt du doch, mi sol.“ dabei sah Haytham mit einem liebevollen Blick auf seinen Sohn, welcher sich auf dem Bett ausbreitete und versuchte sich zu drehen.
„Na, das kann ja noch ewig dauern. Aber da muss ich wohl durch, mi amor. Und DU auch!“ meinen Worten schickte ich eine herausgestreckte Zunge hinterher. Mit einem Satz stand Haytham vor mir, hatte seine Hand auf meinem Hintern und drückte zu. „Mi sol, deine Lektionen nehmen so langsam Dimensionen an, welche ich nicht in einer Nacht abarbeiten kann. Also... zügel dich gefälligst oder ich schleife dich postwendend in die nächste dunkle Seitengasse...“ kam es schwer atmend von meinem Mann. „Das hört sich verdammt gut an, Master Kenway!“ flüsterte ich ebenfalls stockend und gab ihm einen langen Kuss.
Plötzlich hörten wir ein Quieken vom Bett. Als wir in die Richtung sahen, lag Edward auf dem Bauch und robbte zielstrebig ans Kopfende. DAS war sehr früh, doch ich konnte mich auch täuschen. „Schätzchen, du bist aber von der flinken Truppe, kann das sein?“ ich eilte ans Bett und legte ihn wieder auf den Rücken und es dauerte nicht lange, da lag er wieder auf dem Bauch. „Alex, ist das ungewöhnlich für sein Alter?“ fragte Haytham jetzt etwas verunsichert. „Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht erinnern. Aber es ist doch schön, wenn unser Sohn schnell mobil werden will, dann sollten wir ihn lassen!“ lächelte ich stolz auf unseren Nachwuchs hinunter.
Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, fing Edward an zu weinen und seine Hände streckten sich zu mir. Da hatte jetzt jemand Appetit bekommen, doch vorher bekam er noch eine saubere Windel. Hier hatte ich keinen Schaukelstuhl, also legte ich mich mit unserem Sohn einfach aufs Bett und er genoss diese Ruhe. Jetzt hatten wir auch etwas Zeit und konnten uns die Stadt ansehen, also schnappte ich mir mein Tragetuch und legte den kleinen Mann hinein. Dieses Kind hatte einen unglaublich tiefen Schlaf, da könnte vermutlich eine Bombe neben explodieren und er würde friedlich weiter träumen.
„Mi sol, ich kann dich lesen.“ lächelte mich Haytham an und ich sah zu ihm auf. „Immer wenn du unseren Sohn ansiehst ist es, als würden deine Gedanken direkt zu mir wandern. Ein seltsames Gefühl.“ Haytham schien wirklich erstaunt zu sein. „Aber das ist doch praktisch, dann brauche ich nicht alles erklären. Schlecht nur, wenn ich gerade mal wieder über dich lästern möchte, das wäre dann eher suboptimal für mich, oder?“ kam es glucksend von mir und ich hatte wieder seine Hand auf meinem Po. „Ja, das wäre es, Mistress Kenway und jetzt los. Sonst komme ich noch auf dumme Gedanken.“ damit schob er mich aus dem Zimmer.
Sybill wartete schon und gemeinsam gingen wir nach unten und ich bekam von der Frau des Herbergswirtes einen Tee. Das tat gut und sie hatte noch etwas vom Mittagessen übrig. Somit hatten auch wir unsere Mahlzeiten bekommen und konnten so gestärkt losziehen.
Es gab unzählige kleine Gassen und interessante Geschäfte, weil es hier viele verschiedensprachige Händler gab, waren die Angebote entsprechend vielfältig. Ich fand es völlig faszinierend und bestaunte im Grunde ALLES was ich sah, soviel Zeit hatte ich noch nie gehabt, mich in Ruhe umzusehen. „Alex, ich wiederhole mich ich weiß, aber deine Euphorie ist einfach ansteckend, ich habe selten einen Menschen getroffen, der sich so freuen kann.“ seine grauen Augen sahen mich mit einem unglaublich warmen Glanz an und ich verlor mich kurz darin.
„Diese Art von Handel kenne ich halt nicht und finde es spannend. Ich merke auch, dass ich noch viel lernen muss, auch wenn ich ein gewisses Grundwissen mitbringe.“ lachte ich und Haytham nickte grinsend. „Das wirst du definitiv.“ nuschelte er plötzlich und räusperte sich. Irgendwann wachte Edward auf und fing an zu weinen. Also setzte ich ihn auf meinen Arm, sodass er nach vorne schauen konnte und so gingen wir eine Weile noch weiter durch die Straßen. Auch Sybill fand einige interessante Dinge. „Ich werde die Tage dann mal eine kleine Einkaufsrunde machen müssen. Es gibt so viele schöne Stoffe und Dinge hier, da geht einem das Herz auf.“ Sie war ebenso erfreut über diese große Auswahl.
Als wir vor einem kleinen Geschäft ankamen, welches Spielzeuge anbot, stand mein Templer verträumt davor, sagte aber nichts. Ich konnte aber lesen, was er dachte. Ihm fehlte ein Stück seiner Kindheit und er wollte es jetzt bei seinem Sohn anders machen. Entschlossen zog er mich mit in den Laden, auch Mrs. Wallace folgte erstaunt schauend. In seinen Augen sah ich regelrecht, was er alles ordern wollte für seinen Sohn. Und nach einer halben Stunde hatte ich das Gefühl, wir hätten den Laden leer gekauft, der Händler war sichtlich zufrieden mit dieser Kundschaft. Haytham ließ alles zu unserer Pension bringen und bezahlte anschließend den Herren.
Draußen atmete er tief durch und nahm mir unseren Sohn lächelnd ab. „So, jetzt hast du vermutlich soviel Spielzeug, dass dein Zimmer überquillt, aber du sollst dich nicht langweilen und ich verspreche dir, dass ich mir immer Zeit nehmen werde, mit dir zusammen zuspielen.“ Mir kamen wieder einmal die Tränen, er sagte es in einem so liebevollen Ton, den man an diesem Templer nie vermuten würde. Neben mir hörte ich ein Schniefen und auch Sybill wischte sich verstohlen eine Träne aus den Augen. „Was habe ich gesagt, dass die Damen in Tränen ausbrechen?“ kam es erstaunt von Haytham. Wir sahen ihn beide kopfschüttelnd an. „Du bist ein wundervoller Vater, weißt du das, mi amor?“ gab ich als Antwort und er bekam einen Kuss. Sybill stimmte mir lächelnd zu.
Es war Edwards Kindermädchen, welches uns den Vorschlag machte, bis zur nächsten Mahlzeit doch einfach alleine weiter zugehen. Sie würde jetzt den kleinen Schatz übernehmen und mit ihm in der Pension spielen. Sie zwinkerte mir zu und ich wusste, sie wollte uns ein wenig Zweisamkeit gönnen. „Danke Sybill, dann sehen wir uns nachher!“ und ich gab meinem Sohn noch einen Kuss, ehe mein Mann mich fortzog. Eine Weile lief Haytham mit mir kreuz und quer durch die Gassen, bis er vor einer alten Scheune hielt und sich verstohlen umsah. Dann öffnete er das Tor und schob mich hinein.
„Master Kenway, ich...“ doch zu mehr kam ich nicht, Haytham blendete gerade wieder alles aus. „Ich kann nicht mehr warten, mi sol. Ich will dich jetzt haben! Es ist mir auch herzlich egal, wo wir gerade sind.“ er griff meine Hüften, hob mich hoch und setzte mich auf einen der umstehenden Kistenstapel. Meine Röcke schob er unachtsam hoch, drang ohne Vorwarnung in mich ein und ich keuchte erschrocken auf. „Bei Odin, ich habe dich vermisst, Haytham!“ Es vergingen vermutlich wenige Minuten, doch ich genoss meinen Mann für diesen kurzen Moment, auch ich konnte nicht länger warten, was mir gerade klar wurde. Ich klammerte mich an Haytham und ließ mich von ihm führen und zu einem wundervollen Höhepunkt bringen. Er selber sah mich dabei an und kam dann kurz nach mir und griff mit fester Hand meine Oberschenkel. So hielt er mich eine Weile, bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte und langsam wurde sein Blick wieder klarer.
„Mi sol, ich liebe dich und ich habe diese Momente mit dir vermisst. Lass mich nicht wieder so lange warten!“ kam es leise aus seinem Mund und er schloss mich in seine Arme. „Es war zu lange, ich weiß. Ich verspreche dir, dass ich mir etwas einfallen lassen werde, damit wir ab und zu ganz alleine sein können, mi amor! Leider werden wir aber einige Durststrecken noch vor uns haben.“ musste ich zu meinem eigenen Bedauern anmerken. Schweren Herzens lösten wir uns voneinander und versuchten wieder einen vorzeigbaren Eindruck hinzubekommen. Haytham lugte vorsichtig aus der Scheunentür und als die Luft rein war, zog er mich mit hinaus. Ich musste kichern, weil ich so etwas zuletzt in meiner Teenie-Zeit getan hatte. „Du... Alex! Ich kann nicht glauben, was ich da gerade gehört habe.“ seine Stimme klang gespielt entrüstet. „Als wenn du immer wie ein Mönch gelebt hättest, Master Kenway.“ erwiderte ich mit einer hoch gezogenen Augenbraue. „Nein, das wirklich nicht aber...“ doch er wurde rot und sprach nicht weiter. Ich konnte es förmlich sehen, dass er durchaus seine Sturm- und Drangzeit hatte.
Wir gingen langsam Richtung unserer Unterkunft, dieses mal aber sichtlich entspannter und ich hakte mich bei meinem Mann unter. „Mir wird gerade bewusst, dass wir in der Nähe von dem Wohnort deines Vaters sind, wo er mit seinen Eltern gelebt hat.“ kam es mir in den Sinn. „Du hast recht.“ meinte Haytham erstaunt und kaum dass wir es gedacht hatten, hörten wir Edward Senior schon. Es freut mich, euch hier begrüßen zu dürfen. Es hat sich vieles verändert seit damals, Haytham. Alles erkenne ich nicht wieder, aber wenn ihr wollt, könnte ich euch ein wenig herumführen. Diese freudige Art von ihm war immer wieder schön und sprang auf mich über. Ich glaube, dass sollten wir um ein paar Stunden verschieben, Edward. Dein Enkel wird gleich wieder hungrig sein und ich verärgere sehr ungerne einen Kenway, das weißt du doch. Meinte ich breit grinsend in meinen Gedanken. Das wäre mir aber neu, Alex! Hörte ich jetzt Haytham UND Edward gleichzeitig! Immer diese Männersolidarität. Großartig, danke. Du hast aber recht, mein Enkel sollte unbedingt dabei sein. Also dann mal los. Kam es auffordernd von meinem Piraten und wir gingen weiter.
Vor der Pension angekommen, trafen wir auch auf Magda und Michael, Hand in Hand. Als die beiden uns sahen, ließen sie sich schnell los und erröteten bis unter die Haarspitzen. „Mistress Kenway, Master Kenway! Wo ist euer Sohn?“ fragte mich meine Kammerzofe suchend. „Edward ist mit Sybill bereits wieder hier, mein Mann und ich haben noch ein wenig... die Stadt erkundet.“ erklärte ich kurz. „Ja, das haben wir auch und ich bin überwältigt von dieser Vielfalt hier, Mistress Kenway.“ sagte sie freudestrahlend.
„Dann solltet ihr London noch abwarten, da werden euch vermutlich die Augen übergehen!“ erwiderte Haytham breit grinsend. „Darauf freue ich mich auch schon, Master Kenway.“ Michael hatte leuchtende Augen bei diesen Worten und freute sich sichtlich, nach London zu kommen.
Als wir unser Zimmer betraten, hörten wir ein vergnügtes Lachen von unserem Sohn. Er saß neben Sybill und war begeistert von den vielen neuen Spielsachen, vermutlich leicht überfordert ob der Vielfalt, aber es gefiel ihm. Stofftiere, kleine Zinnsoldaten, Holzpferde und und und! Er hatte fürs erste genug zum Entdecken. „Mrs. Wallace, wie ich sehe, kommt ihr gut zurecht?“ fragte mein Mann wie immer etwas kühl, aber lächelnd. „Master Kenway, euer Sohn liebt die Pferde anscheinend, alles andere ist bisher liegen geblieben.“ lachte sie und betrachtete Edward. „Eine Vorliebe, die er von seiner Mutter hat, wie ich vermute.“ lächelte sie mich jetzt an. „Vermutlich, Sybill. Aber seien wir ehrlich, wer mag diese majestätischen Tiere NICHT?“
Wir saßen eine Weile mit Edward und Mrs. Wallace im Zimmer und unterhielten uns, während mein kleiner Schatz völlig versonnen die Pferde, ob als Stofftier oder aus Holz ansah und sie nacheinander hochnahm. Zum ersten Mal war es, dass er seine Zeiten nicht einhielt, aber ich sagte nichts und wartete ab. Erst gegen Abend, als es dämmrig wurde, fing er an zu quengeln, aber als Sybill ihm beim gemeinsamen Abendessen etwas von ihren zerstampften Kartoffeln anbot, aß er sie. Völlig erstaunt saß ich da und sah den beiden zu. „Mrs. Wallace, kann es sein, dass mein Schatz lieber mit uns gemeinsam isst und nicht mehr gestillt werden möchte?“ fragte ich immer noch erstaunt. „Sicherlich, bedenkt wie alt er schon ist. Und Master Edward ist wissbegierig und will alles ausprobieren. Das habe ich schon festgestellt, Mistress Kenway.“ meinte Sybill und lächelte ihren Schützling an, welcher sich jetzt mit seiner Hand an dem Teller zu schaffen machte.
Was soll ich sagen, es gab eine riesige Sauerei, doch unser Sohn war satt und zufrieden mit seinem neuen Können. Also brachte ich ihn, nachdem ich ihn gründlich gewaschen hatte, ins Bett und erzählte ihm noch eine Geschichte und er bekam sein geliebtes Gute-Nacht-Lied. Auch wenn es eigentlich keines war, aber Edward liebte es einfach und ich tat mein Bestes, auch ich mochte es!
Jetzt hieß es, dass ich mich an andere Zeiten gewöhnen musste. Schon in dieser Nacht war um 2 mein Schlaf vorbei, Edward war der Meinung, er hätte großen Durst und brüllte das gesamte Haus zusammen. Etwas verschlafen holte ich den kleinen Mann mit in unser Bett und völlig selbstverständlich stillte ich ihn. „Mi sol, ich dachte, unser Sohn hat beschlossen nicht mehr gestillt zu werden.“ meinte Haytham leicht amüsiert. „Etwas unentschlossen, der junge Mann, wie es scheint.“ gab ich ebenfalls leicht kichernd von mir. Doch es würde noch eine Weile dauern, bis der Kleine ganz abgestillt war. Als mein Mann seinen Arm über uns legte, fiel ich alsbald wieder in einen ruhigen Schlaf.
Heute stand das Treffen mit Mr. Bradshaw an. Gestern hatten wir eine Nachricht bekommen, dass wir um 16 Uhr in seinem Geschäftshaus etwas außerhalb von Bristol erwartet wurden. Jetzt wurde ich doch ein wenig nervös, es ging um eine große Summe Geld und vor allem eine Menge an wertvollen Edelsteinen und Diamanten. Ganz zu schweigen von den verschlossenen Kisten mit den Runen darauf. Mrs. Wallace würde mit Edward, Magda und Michael noch ein wenig die Stadt erkunden.
Ich entschied mich für ein dunkelgrünes Kleid mit Blumendruck darauf und einem weißen Schultertuch!
Nicht zu teuer und auch nicht zu billig, ich wollte ja seriös rüber kommen. Mein Mann hatte seine gewohnte Garderobe an, er hatte sich mir sogar farblich angepasst mit dem dunkelgrün. Vor der Pension trafen wir auf den Kapitän der White Moon und warteten auf die Kutsche, welche uns zum Anwesen von Mr. Bradshaw bringen sollte. Es dauerte nicht lange, da fuhr sie vor. „Mr. Higgins, sind die Truhen bereits unterwegs?“ fragte ich suchend. „Die wurden heute früh schon abgeholt, Mistress Kenway!“ erklärte er mir.
Die Fahrt zum Händler dauerte ungefähr eine halbe Stunde und an unserem Ziel angekommen staunte ich nicht schlecht. Ich hatte damit gerechnet ein großes Haus vorzufinden, doch wir hielten vor einem ziemlich noblen Prachtbau! Mr. Bradshaw investierte also auch in Immobilien, eine gute Anlage, wie ich finde. Ein Diener ließ uns eintreten und brachte uns in den unteren Salon. Diese Gemäuer mussten schon ziemlich alt sein, mutmaßte ich und musste dann grinsen, gerade JETZT war es sicherlich noch nicht so alt. Man merkt, du musst dir eine andere Zeitrechnung aneignen., hörte ich Haytham in meinem Kopf. Ich weiß, es ist immer noch ungewohnt. Ich arbeite daran!, und lächelte meinen Mann an.
Dann erschien unser Gastgeber, Mr. Finley Bradshaw mit seiner Gattin. Davon wusste ich nichts, doch ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken, sondern ließ das Begrüßungszeremoniell über mich ergehen. Unser Händler war um die 60, war so groß wie Haytham und hatte lange braune Haare, welche in einem ordentlichen Zopf im Nacken lagen. Seine Kleidung war seinem Beruf und seinem Vermögen entsprechend fein. Seine Frau war etwas größer als ich und ich schätzte sie auf etwa 50. Sie hatte schwarzes Haar, welches unter einer gesitteten Haube verschwand und sie war von eher korpulenter Statur. Wir wurden gebeten, Platz zu nehmen und man reichte uns Tee und Gebäck.
„Es freut mich euch endlich persönlich kennenzulernen, Mistress Kenway, Master Kenway. Master Lestrange sprach gut über euch und hat euch mir wärmstens empfohlen.“ sprach mich unser Gastgeber an und um mich herum breitete sich diese Ruhe wieder aus. „Danke, Master Bradshaw. Auch wir freuen uns, endlich hier sein zu können. Ich hoffe, dass alle Truhen unbeschädigt den Transport hierher überstanden haben?“ fragte ich drauf los, es lag mir am Herzen, dass nicht doch noch etwas schief gegangen ist.
„Alles zu meiner Zufriedenheit und ich muss sagen, ich mag es, dass ihr gleich auf den Punkt kommt. Ich nehme an, der Duke hat mit euch bereits über die Summe gesprochen, welche ich gedenke zu zahlen?“ kam es etwas lauernd von Finley über seine Teetasse hinweg. „Durchaus, Master Bradshaw. Jedoch ging es noch darum, welche der Truhen in euren Besitz übergehen sollten. Darüber hat sich Master Lestrange leider ausgeschwiegen.“ meinte ich, ich wusste , dass er diese Edelsteine haben wollte, die anderen Runentruhen sollten nach Frankreich gehen soweit ich unterrichtet war. „Ich habe kurzfristig mit dem Duke korrespondiert und wir haben ausgehandelt, dass eine der schweren verschlossenen Truhen ebenfalls schon hier bleiben wird.“ meinte er ruhig und erhob sich und reichte mir ein Schreiben, welches vom Duke stammte. Dort erklärte dieser, dass der Preis entsprechend angeglichen wurde.
„Master Bradshaw, dann sollten wir jetzt einmal die Waren beide persönlich in Augenschein nehmen, ich möchte nicht, dass ihr später doch unzufrieden seid.“ unser Gastgeber nickte und bat uns ihm zu folgen, auch seine Frau, welche bisher noch nichts gesagt hatte, folgte uns. Wir gingen durch die Eingangshalle und wie ich vermutete in sein Studierzimmer. Die Wände waren dunkel vertäfelt und ringsum waren die Regale zum Bersten gefüllt mit Büchern, ich nahm diesen Geruch von Papier, Leder und Tinte wahr und seufzte leicht. „Master Lestrange erwähnte eure Leidenschaft für Bücher, Mistress Kenway. Ihr könnt euch gerne, wenn wir das geschäftliche erledigt haben, hier umsehen.“ sagte er mit einer ausladenden Handbewegung.
Finley öffnete die Truhen eine nach der anderen und dieses Funkeln von Diamanten und Edelsteinen blendete einen schon fast. Es waren hauptsächlich in Schmuck gefasste Stücke, in Gold oder Silber und eines schöner als das andere. Er nahm einzelne Teile heraus und hielt sie gegen das Licht und erklärte mir, woran man einen guten Schliff erkannte. Sogar, dass man erkennen konnte, WER an einen Diamanten Hand angelegt hatte, wenn man länger im Geschäft sei. Diese Erklärungen fand ich sehr faszinierend und hörte ihm aufmerksam zu, genau wie Haytham neben mir. „Master Bradshaw, das sind wahrlich wundervolle Schmuckstücke. Ich vermute, mit einigen davon habt ihr schon die ein oder andere Gattin eines Kunden glücklich gemacht.“ meinte mein Großmeister anerkennend. „Das glaube ich auch, Master Kenway!“ und beide waren sich einig, dass eine Frau nie genug Schmuck haben könnte.
Mr. Higgins hingegen kam aus dem Staunen nicht wieder hinaus. „Das ist wirklich ein Vermögen, was hier mal so auf den Tischen steht! Ich glaube, wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich noch vorsichtiger gesegelt.“ kam es lachend von ihm. Vorsichtig schloss mein Geschäftspartner die Kisten und wandte sich an meine beiden Begleiter. „Wenn ihr Mistress Kenway und mich jetzt entschuldigen würdet. Wir werden jetzt die Übergabe besprechen.“ und mit einer Geste bat er Haytham und Mr. Higgins den Raum zu verlassen. Was jetzt so schlimm an diesem Gespräch sein sollte, dass die Herren nicht dabei sein sollten, erschloss sich mir nicht. Mi sol, wenn etwas ist, dann sag etwas und ich werde da sein. Mir ist gerade nicht sehr wohl, dich hier mit ihm alleine zu lassen. Sprach mein Mann in meinem Kopf und sein Misstrauen konnte ich förmlich sehen. Mir passiert schon nichts, du kannst unbesorgt sein, mi amor. Aber ich bin froh, dass du in meiner Nähe bist. Lächelte ich ihn jetzt an.
Dann schloss Master Bradshaw die Tür hinter ihnen und kam wieder auf mich zu. „Mistress Kenway, ich wollte euch für einen Moment unter vier Augen sprechen, da es um die verschlossenen Truhen geht. Und ich weiß, dass ihr gesehen habt, dass sie mit Runen beschriftet sind.“ Seine dunklen Augen ruhten auf mir und sahen wie durch mich hindurch und genau wie bei Elias stand ich plötzlich in einem hellen Raum. „Der Inhalt wird sich euch bald erschließen, es sind wichtige Artefakte, welche in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder den Besitzer wechseln, damit eine bestimmte Familie NICHT in ihren Besitz gelangen kann. Und ihr kennt diese Familie bereits, Mistress Kenway.“ sprach er in meinem Kopf mit mir. Ich stand da und sah in diese schwarzen Augen.
„Master Bradshaw, ihr sprecht von Familie Williams nehme ich an?“ fragte ich unnötiger Weise, es konnte nur DIESE sein und das passte mir irgendwie überhaupt nicht. Der Duke hatte nichts dergleichen erwähnt und mich einfach im Unklaren gelassen. Vermutlich weil er wusste, dass ich diesen Handel nicht abschließen würde, wenn ich herausbekam, dass ich hinter dem Rücken von meiner besten Freundin, Gegenstände hin und her brachte. „Genau die meine ich, ihr werdet in Zukunft des öfteren von London oder auch Frankreich, den Niederlanden und Russland solche Truhen an einen neuen Besitzer übergeben!“ kam es mit einem bestimmenden Ton von ihm und sein Blick bohrte sich weiter in mich hinein.
„Aber warum gerade ICH? Ich verstehe es nicht...“ ich war immer noch nicht gewillt, das Ganze so hinzunehmen. „Weil ihr ein Vermächtnis habt und ihr solltet bei Gelegenheit einmal eure Meistertemplermontur genauer in Augenschein nehmen, Mistress Kenway.“ sprach er plötzlich verschwörerisch und lächelte mich an. „Ja, auch ich bin älter, als ihr glaubt und ich handle schon sehr, sehr lange mit diesen Dingen und bin so lange wie ich denken kann mit dem Schmuckgeschäft betraut! Ihr werdet wissen, was ich meine, sobald ihr alle Reiseartefakte beisammen habt und dann sehen wir uns sicherlich wieder. Lady Cormac wird dann auch anwesend sein, was ich nicht unbedingt gut heiße, aber auch sie gehört dazu!“ Das kam etwas gequält aus seinem Mund und es war ihm anzusehen, dass es ihm nicht in den Kram passte. „Und wie oft werde ich diese Gegenstände verschicken müssen? Ich habe ja auch noch andere Verpflichtungen und einen anderen Handel, welchen ich am Laufen halten muss. Gerade haben wir mit dem Tabakhandel unter anderem auch für Master Washington begonnen.“
„Darüber werden wir uns sicherlich einig werden, ihr werdet alsbald einen Stellvertreter, welcher euch würdig ist, ernennen müssen. Ich weiß natürlich, dass ihr nicht das ganze Jahr über reisen könnt, Mistress Kenway! Ich bin mit dem Duke diesbezüglich überein gekommen, dass wir euch jemanden empfehlen werden, der euch zur Seite stehen wird. Wenn ihr in Frankreich seid, dann wird dieser Herr mit euch Kontakt aufnehmen.“ jetzt war er ruhiger und seine Tonlage war freundschaftlich. „Aber ich muss meinen Mann einweihen... ich kann das nicht ohne sein Wissen machen, Master Bradshaw.“ versuchte ich eine Erklärung. „Außerdem bin ich mit Lady Cormac eng befreundet, ich werde keinen Vertrauensbruch begehen. Das könnt ihr nicht von mir verlangen!“ Finley lächelte mich immer noch an und schüttelte leicht den Kopf. „Das müsst ihr auch nicht, auch Lady Cormac, wird es bald erfahren. Aber erst, wenn alles geregelt ist und ich erinnere euch noch einmal daran, eure neue Montur zu überprüfen!“
So langsam dämmerte es mir aber, warum ich mit dieser Aufgabe betraut wurde. In meiner Zeit suchten wir nach einzelnen Artefakten, welche einfach gar nicht oder sehr schwer zu finden waren. Und wir sind des öfteren mit dem britischen Ritus deswegen aneinander geraten! Aber ich sprach das Thema um Lady Melanies Verunglimpfung meines Namens nicht an, vielleicht würde sich ja auch alles klären, wenn ich die Montur begutachtete hatte.
Und als hätte jemand das Licht ausgeknipst standen wir wieder in seinem Studierzimmer. „Und jetzt solltet ihr einen Blick auf die Artefakte werfen, das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann, Mistress Kenway.“ Er holte einen groben Schlüssel aus seiner Rocktasche und fing an, diesen an einigen Stellen zu bearbeiten. Er formte ihn sprichwörtlich mit den Fingern und brachte ihn in eine andere Form. Dann öffnete er damit vorsichtig die Truhe und ich wäre fast hintenüber gefallen.
Dort drin befanden sich 4 grobe Schwerter, aber alle am Schaft mit Diamanten und Edelsteinen besetzt. Sie hatten auch alle eigene Initialen, welche ich aber so nicht zuordnen konnte und ehrlich gesagt auch gerade nicht den Blick dafür hatte. Dann lagen dort uralte Bücher und Papyrus Schriftrollen, ein goldenes Zepter und eine Krone waren ebenfalls dort gelagert. „Ich... weiß gar nicht was ich sagen soll!“ mir blieb der Mund offen stehen. „Mistress Kenway, all dies sind wichtige Gegenstände, sie enthalten uraltes Wissen. Und viele dieser Dinge beherbergen einige Geheimnisse, welche wir noch nicht ganz entschlüsseln konnten. Doch alles ist im Besitz von einer Gruppierung der Assassinen, welche sich aus mehreren Bereichen zusammen setzt. Ihr seid jetzt eine Templerin, doch ihr habt einen Plan im Kopf, welchen ich hiermit unterstützen möchte. Genauso wie Master Lestrange und mittlerweile auch einige andere Personen aus den höheren Rängen der Bruderschaften. Es scheint eine andere Zeit anzubrechen, eine Zeit des Umdenkens.“ er verneigte sich leicht vor mir und gab mir einen Handkuss.
„Ich danke euch für dieses Vertrauen in mich, Master Bradshaw, aber das geht alles so wahnsinnig schnell, dass ich...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Ihr seid misstrauisch, das ist verständlich, doch glaubt mir, wenn ich euch sage, dass wir keine bösen Absichten hegen. Schon bald wird sich alles aufklären, das verspreche ich euch, Mistress Kenway. Und jetzt sollten wir den Handel mit einem Glas Champagner begießen!“ Finley bot mir seinen Arm und ich hakte mich unter. So gingen wir zu den anderen in den Salon und ein Diener erschien unaufgefordert mit dem besagten Champagner. „Dann waren die Verhandlungen ein voller Erfolg, wie ich annehme?“ lächelte mich Haytham an. „Ja, das waren sie, Master Kenway. Ihr habt eine tüchtige Ehefrau an eurer Seite und sie weiß, was sie will und wie sie es durchsetzen kann. Ihr Verhandlungsgeschick ist bemerkenswert.“ wenn er noch mehr Lob aussprach, würde ich vermutlich kichernd wie eine 10jährige in der Ecke hocken, so unangenehm war mir das gerade. Doch ich lächelte und nickte eifrig.
Wir stießen auf die Übergabe an und ich konnte mich jetzt etwas entspannen. Doch mir gingen seine Worte nicht aus dem Kopf mit meiner Montur! Man lud uns dann noch zum Abendessen ein und gegen 20 Uhr brachte uns die Kutsche wieder zu unserer Unterkunft. Dort wurden wir schon sehnlichst von unserem Sohn erwartet. Ich verabschiedete Mr. Higgins noch und er ging zur White Moon um die Beladung seines Schiffes mit den verbliebenen Kisten zu überwachen.
„Na, mein Schatz. Warst du auch artig bei Mrs. Wallace?“ fragte ich Edward und nahm ihn auf den Arm. Seine kleinen Ärmchen streckten sich gleich nach mir aus und er gähnte herzhaft. „Wir haben noch auf euch gewartet, Mistress Kenway, Master Kenway, der Kleine war sehr unruhig heute Nachmittag.“ meinte Sybill grübelnd. „Vielleicht sind die Zähne unterwegs. Er ist auch etwas warm finde ich, oder täusche ich mich.“ jetzt war ich doch etwas besorgt und besah meinen Sohn genauer. Doch ich konnte schon an seiner Wange sehen, dass es lediglich die Zähne waren. Sie war leicht geschwollen und rot. Das würde eine hinreißende Nacht werden, dachte ich noch und entließ nun das Kindermädchen in die Nacht.
Haytham saß auf dem Bett und ich gab ihm seinen Sohn. „Woran hast du das mit den Zähnen gesehen, mi sol?“ fragte er mich erstaunt. „Siehst du dort? Seine linke Wange ist leicht rot und etwas angeschwollen. Ich werde hinunter gehen und nach einem alten Kanten Brot fragen. Darauf kann Edward dann kauen, damit die Schmerzen etwas weggehen. Ich bin gleich wieder da, mi amor.“ gerade als ich aus dem Zimmer gehen wollte, fing unser Sohn lauthals an zu schreien und seine Hände wollten nach mir greifen. „Schätzchen, Mommy ist kurz unten, dann bin ich gleich wieder da. Dein Vater passt schon auf dich auf.“ sprach ich ruhig und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich glaube, wir sollten uns deine Pferdesammlung ansehen, Edward. Was meinst du?“ kam es ruhig von meinem Mann und unser Sohn sah ihn bei dem Wort Pferde mit großen Augen an! Ich ging leise hinaus und überließ die beiden dem Spielzeug.
Unten traf ich den Herbergswirt und fragte nach eben diesem Brot und erklärte auch, wofür ich es bräuchte. „Mistress Kenway, meine Frau hat eine Tinktur für diese Zeit bei den Kindern. Unser Enkel bekommt auch gerade seine Zähne. Wartet, ich hole sie!“ meinte er und verschwand nach hinten in der Küche. Kurz darauf kam seine Frau zum Vorschein und reichte mir ein kleines Fläschchen. „Hier, das ist es. Unter anderem sind da zerstoßene Nelken mit beigemischt und Veilchenwurzeln gegen die Schmerzen, Mistress Kenway.“
„Ich danke euch, was bekommt ihr dafür?“ fragte ich sie und sie schüttelte nur den Kopf. „Nichts, ich habe noch ein paar Fläschchen davon als Vorrat und für unseren Enkel reicht es sicherlich auch eine ganze Weile. Ihr braucht ja auch nur etwas auf den Finger träufeln und die Stelle einreiben. Ich hoffe, euer kleiner Schatz kann die Nacht schlafen, Mistress Kenway.“ sagte sie mitfühlend und ich verabschiedete mich für die Nacht und dankte ihr noch einmal.
In unserem Zimmer herrschte Stille und als ich vorsichtig die Tür öffnete, fand ich meine Männer auf dem Bett wieder. Einer war wach, der andere schlief und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Edward saß neben seinem schlafenden Vater und spielte mit einem Schimmel. Als er mich sah, gluckste mein kleiner Schatz und versuchte jetzt über die Bettdecke zu krabbeln. Er ist wirklich sehr schnell in der Entwicklung, doch ich war einfach stolz. „Na mein Schatz, hast du deinem Vater eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt?“ fragte ich ihn und seine blaugrauen Augen sahen mich aufmerksam an, dann huschte dieser Schleier über sie. „Ich würde zu gerne wissen, wie du mich siehst Edward.“ lächelte ich meinen Sohn an und streichelte über seine dunklen Haare. „Dann wollen wir dich mal fürs Bett fertig machen und ich glaube, ich werde dann auch zu Bett gehen.“
Als der kleine Mann in seiner Wiege lag und ich die zahnende Stelle mit der Tinktur eingerieben hatte, schlief er ziemlich schnell ein. Doch ich lag noch nicht ganz, nachdem Magda mich aus dem Kleid geholt hatte und er schrie wieder vor Schmerzen, also wieder aus dem Bett und ich holte ihn zu uns.
An Schlaf war so für mich nicht zu denken, doch auch Haytham war immer wieder wach und entsprechend schlecht gelaunt am nächsten Morgen. „Alex, ich bin völlig fertig. Das müssen ja Schmerzen sein, die unser Sohn hat. Er tut mir wahnsinnig leid.“ meinte er schläfrig und gab seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn. Dieser war aber mittlerweile eingeschlafen, die Tinktur schien jetzt erst richtig zu wirken, vermutlich musste ich nur sehr oft die Stelle einreiben.
„Dann bleib du ruhig noch liegen und versuche noch eine Stunde zu schlafen, mi amor. Ich werde schon mal hinunter gehen und mir meinen Tee holen. Und ich gehe davon aus, dass wir morgen dann nach London aufbrechen können!“ ein langer Kuss für meinen Mann und ich verschwand nach unten, nachdem mich Magda angekleidet hatte. Im Erdgeschoss erwartete mich aber ein aufgeregter Mr. Higgins. „Da seid ihr ja, Mistress Kenway, die Herrschaften wollten mich nicht zu euch lassen. Ihr müsst sofort mitkommen, jemand hat sich an der Ladung zu schaffen gemacht und ich weiß nicht, ob nun noch alles da ist. Die Wachen haben nichts bemerkt, ich kann mir das einfach nicht erklären!“
„Beruhigt euch erst einmal, Mr. Higgins. Ich werde unserem Kindermädchen Bescheid geben und dann kommen mein Mann und ich zum Hafen. Geht schon vor, wir sind dann auch bald da.“ bat ich ihn, ich musste mich umziehen, so wollte und konnte ich die Ladung nicht überprüfen, zumal ich auch nicht wusste, was uns dort für Halunken noch auflauern konnten.
„Haytham, wach auf. Wir müssen zum Hafen, jemand hat sich an der Ladung vergriffen. Mr. Higgins ist völlig außer sich.“ meinte ich drängelnd und war schon wieder dabei, mich aus meinem Kleid zu befreien. „Wer sollte ein solches Interesse an diesen Edelsteinen haben, mi sol?“ kam es schläfrig aber pragmatisch wie immer von ihm. „Sie sind wertvoll, du hast es gestern selber gesehen. Und... es sind auch noch andere Dinge dabei, aber dazu kann ich dir noch nichts erzählen. Ich hoffe nur, dass noch alles unbeschädigt ist!“
In diesem Moment fielen mir die Worte von Finley ein Nehmt eure Montur genauer in Augenschein. Also tat ich, was er gesagt hatte und besah mir den Stoff, die Taschen, die Schnallen und alles andere. Doch ich sah nichts Auffälliges, also zog ich die feste Jacke einfach an, dann würde ich eben später noch einmal nachsehen. Gerade als ich den Kragen richten wollte, spürte ich einen stechenden Schmerz unter meinem Daumennagel. „Autsch! Was zum Henker...“ als ich den Stoff des Kragens jetzt vorsichtig anhob, sah ich einen Anstecker in Form eines filigranen schwarzen Templerkreuzes mit Runen beschriftet. Ich stand mit offenem Mund vor dem Spiegel, als Haytham hinter mich trat und auf das Kreuz starrte. „Du gehörst auch dazu?“ fragte er mich ungläubig und etwas sauer.
„Ich gehöre wozu, Haytham? Was hat das zu bedeuten?“ Ich sah ihn fragend an und seine Augenbraue hob sich. „Alex, du gehörst anscheinend zu einem... Geheimbund klingt etwas seltsam, aber diese Vereinigung bei uns Templern hat ganz andere Befugnisse. Du wusstest wirklich nichts davon?“ er drehte mich zu sich um und ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, woher auch. Mir hatte niemand etwas darüber gesagt.“ Jetzt fiel mir aber meine Mappe wieder ein, doch das musste vorerst warten, wir sollten uns beeilen und zur White Moon und der Jackdaw kommen. „Lass uns das nachher noch besprechen. Ich sage jetzt Sybill Bescheid und dann können wir aufbrechen!“ ich gab meinem Mann einen schnellen Kuss und er zog sich ebenfalls seine Montur an.
Nachdem ich Edward noch einen dicken Kuss gegeben hatte, verließen wir unsere Pension. Mrs. Wallace würde dann mit ihrem Schützling frühstücken, sobald dieser später wieder wach war.
Im Hafen herrschte Hochbetrieb und eine gewisse Unruhe lag in der Luft, doch woher sie rührte, konnte ich nicht sagen. Wir eilten zu den beiden Schiffen und ein nervöser Kapitän kam uns schon entgegen. „Da seid ihr ja, Mistress Kenway, Master Kenway!“ er verbeugte sich schnell und führte uns unter Deck seines Schiffes in den Laderaum. Dort standen die verbliebenen Truhen neben der letzten Runenkiste. Ich besah mir die Schlösser und konnte schon mit bloßem Auge sehen, dass jemand daran herumhantiert hat. Aber es sah nicht danach aus, als sei sie auch geöffnet worden.
„Alex, die Truhen weisen lediglich darauf hin, dass man versucht hat, sie zu öffnen. Aber ich kann sehen, dass diese Person oder Personen es nicht geschafft haben. Es waren drei Leute, welche sich über die Backbordseite Zutritt verschafft hatten über die Kanonenluken.“ meinte Haytham jetzt etwas tadelnd und sah zu Mr. Higgins. „Wie viele Wachen habt ihr hier unten abgestellt, Mr. Higgins?“ fragte er nun in seiner Templerart. „Ich... also direkt hier im Frachtraum... also... keine. Sie stehen dort vorne an der Tür, Sir.“ kam es jetzt kleinlaut von ihm. „Das ist nicht euer Ernst, oder? Hat euch Master Lestrange nicht ausdrücklich erklärt, wie wichtig diese Fracht ist? Und gerade wenn ihr in einem Hafen vor Anker liegt, solltet ihr auch die Innenräume im Auge behalten! Zumal ich bei unserer Ankunft alle Wachen instruiert habe, die Augen offen zu halten, weil ich hier einige zwielichtige Personen habe herumschleichen sehen!“ meinte ich jetzt ebenfalls in diesem kalten Ton und musste mich zügeln, nicht laut zu werden.
„Ich kann mich nur entschuldigen, ich werde gleich die Wachen neu einteilen, Mistress Kenway.“ seine Worte kamen sehr kleinlaut und verängstigt bei mir an. „Kannst du auch sehen, wohin sie sich wieder aufgemacht haben, Haytham?“ fragte ich meinen Templer in der Hoffnung, dass er wusste, wohin wir uns wenden können. „Wir sollten oben an Deck nachschauen und auch auf der Jackdaw, ich habe den Verdacht, dass diese Leute auch dort gesucht haben.“ und damit gingen wir von Bord des einen Schiffes und dann auf meine Jackdaw.
Doch hier war nichts zu sehen, man hatte sich hier nicht lange aufgehalten. Doch mit seinem Blick konnte Haytham eine Spur ausmachen und ich folgte ihm mal wieder kreuz und quer durch die kleinen Gassen. „Du meine Güte, sind die wirklich nur auf der Straße geblieben?“ fragte ich mich eigentlich mehr selber, doch ich bekam eine Antwort von meinem Mann. „Nein, aber ihre Auren sind breit gefächert, sodass ich sie sogar hier unten wahrnehmen kann.“ Es war für mich immer noch erstaunlich, dass diese Gabe jetzt so weit entwickelt war bei ihm. Irgendwann standen wir vor einem herunter gekommenen kleinen Holzhaus und jetzt konnte sogar ich etwas wahrnehmen. Es befanden sich im Inneren mindestens 10 Menschen, allesamt mit roter Aura, sie saßen um einen Tisch herum und unterhielten sich lautstark. Ich lehnte mich vorsichtig an die kaputte Holztür und lauschte.
„Und was machen wir jetzt? Der Boss wird uns was husten, wenn wir ohne den Krempel bei ihm ankommen! Warum muss auch immer alles in diesen ollen Kisten verpackt werden, VERDAMMT! Dieser Duke ist einfach eine Last geworden. Und jetzt hat er sich auch noch dieses verräterische Templerflittchen mit ins Boot geholt. Ich wusste, dieses Weib wird uns noch Ärger machen. Vielleicht sollten wir diesen Wichtigtuern und ihrem Blag mal einen Besuch abstatten?“ meinte einer der am Tisch sitzenden in einem deutschen Akzent. Nein, nicht schon wieder diese seltsamen Assassinen. Ich dachte, das war geklärt?
Haytham, dass sind Deutsche. Ich dachte Faith hätte kurzen Prozess mit ihnen gemacht. Oder gibt es noch mehr von denen? Fragte ich jetzt wortlos. Alex, ich habe davon keine Ahnung. Es ist der britische Ritus, damit habe ich nicht viel zu tun, das weißt du. Aber soweit ich informiert bin, gibt es immer noch Splittergruppen, welche auch uns im kolonialen Ritus das Leben von Zeit zu Zeit schwer machen. Gab er als Antwort, doch das stellte mich jetzt nicht wirklich zu Frieden. Also? Auf drei und wir marschieren rein, oder hast du eine andere Idee? Fragte ich meinen Mann kampfeslustig, ich brauchte mal wieder etwas Bewegung. Du gehst hier vorne rein und ich suche mir hinten eine Einstiegsmöglichkeit. Am besten du nutzt das offen stehende Fenster dort oben. Er deutete auf den ersten Stock und ich nickte. Haytham gab mir noch einen Kuss und verschwand dann hinters Haus und ich machte mich daran leise an der Seite hinaufzuklettern.
Als ich die Räumlichkeiten betrat schlug mir ein widerlicher Geruch entgegen. Schimmel, altes Essen, Schweiß und Unrat. Diese Jahrhunderte waren nichts für empfindliche Nasen, dachte ich mal wieder. Ich schlich mich leise in Richtung der Treppe und späte hinunter, doch ich sah nur diese Personen am Tisch. Es war sonst niemand mit anwesend, ein goldener Umriss zeigte mir, dass mein Mann bereits einen Weg gefunden hatte. Er stand am anderen Eingang des Zimmers. Lautlos ging ich Schritt für Schritt die Treppe hinunter und hatte Glück, sie knartschte nicht. Unten angekommen sah ich mich noch einmal um, die Herren unterhielten sich weiter und planten, wie und wo sie uns am besten auflauern konnten. Mit Schrecken hörte ich, wie man Mrs. Wallace beobachtet hatte, wie sie mit Edward das Haus verlassen hatte. Auch waren Magda und Michael beschattet worden! Das könnte ihnen so passen, das weiß ich zu verhindern.
Ich lehnte am Türrahmen und sah, dass Haytham dasselbe auf der anderen Seite machte. Ich nahm eine der Rauchbomben aus meiner Tasche. Ich zähle bis drei, Haytham. Dann leg die Maske an! Forderte ich ihn auf. Bist du sicher, dass das auf engem Raum eine gute Idee ist? Kam es etwas zweifelnd von ihm. Nicht sein Ernst, oder? Sie vernebelt nicht so stark und hier herrscht reger Durchzug. Also werden wir schnell wieder klare Sicht haben, leider genau wie diese Gesellschaft dort am Tisch. Also... auf drei! 1... 2... 3! und dann warf ich das Geschoss genau in die Mitte des Tisches.
Ich sah, wie sie alle gleichzeitig erschrocken aufsprangen und nicht mehr die Chance hatten, sich zu schützen. Die Ersten beiden vor mir fielen meinen versteckten Klingen zum Opfer, schneller als sie überhaupt reagieren konnten. Der dritte Herr orientierte sich schnell und stürmte dann auf mich zu, doch ich hatte bereits mein Schwert gezogen und wehrte seinen Angriff ab. Haytham hatte mittlerweile ebenfalls drei der Anwesenden zu Hel geschickt und kämpfte gegen zwei Herren gleichzeitig.
Mich griffen aber jetzt die übrigen zusammen an und ich hatte Mühe, mich zu verteidigen. Doch wieder spürte ich diese Kampfansagen von meinem Piraten und ich fühlte, wie ich handeln musste. Leider verpasste mir einer dieser Assassinen einen Kinnhaken, sodass ich kurz aus dem Gleichgewicht geriet und mich der andere Angreifer von hinten packen konnte. Doch meine Beine waren noch frei und ich nutzte sie, ich trat mit aller Kraft nach hinten und hörte ein lautes Aufheulen. „Du blöde Schlampe hast mir das Knie gebrochen!“ Gut, der Herr war fürs erste außer Gefecht. Aber seine Kumpane waren eifrig dabei, mich zu attackieren. Mit einer schnellen Drehung und mit Schwung ließ ich mein Schwert über den Bauch von einem der Angreifer fahren. Der Schnitt saß, er war tief und auch dieser Herr war Geschichte. Jetzt noch der Letzte, welcher sich irgendwie zurückgehalten hatte, aber ich sah noch, wie er die Treppe hinaufeilte. Wenn er fliehen wollte, warum rannte er dann nach oben?
Ich eilte ihm hinterher und überließ meinem Mann den Typen mit dem gebrochenen Knie. Lass ihn am Leben. Wir brauchen Informationen! Ich bin gleich wieder da! Meinte ich. Pass auf dich auf da oben. Wer weiß, was dort noch lauert. Hörte ich Haythams Worte in meinem Kopf und nickte. Dann konzentrierte ich mich und ging hinauf in den ersten Stock. Ich sah die rote Aura des letzten Assassinen, wie er über einer Kiste gebeugt stand und hektisch nach etwas suchte. Als er es gefunden hatte, drehte er sich mit einem triumphierenden Schrei in meine Richtung. In seinen Händen hielt er einen Edenapfel, welcher aber weder leuchtete noch sonst irgend etwas tat. Dieser Mann stand jetzt perplex vor mir und schrie los. „WAS soll das jetzt? Warum funktioniert das blöde Ding nicht mehr?“ Langsam breitete sich Panik in seinem Gesicht aus und wie in Zeitlupe schritt ich mit erhobenen Schwert auf ihn zu.
Der Mann hielt ihn vor sich und als wolle er das Artefakt durch schütteln aktivieren, fuchtelte er damit vor mir herum. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich gerade diesen Edenapfel kontrollierte und meinen Geist entsprechend verschloss. Dieser Gegenstand schien ausschließlich mit MIR zu kommunizieren und ließ sich durch den Assassinen nicht mehr beeinflussen.
Was bitte hatten die Vorläufer mit mir und meinem Geist gemacht? Die Tatsache, dass ich schon lange mit meinem Mann so wortlos sprechen konnte, war für mich schon seltsam, hatte es aber als gegeben hingenommen. Diese Mächte wurden immer unheimlicher, diese Gedanken musste ich jetzt aber fürs erste abschütteln!
„Vielleicht weil ihr einfach unfähig seid? Man sollte sich schon vorher kundig machen, wie etwas funktioniert, bevor man es einfach in die Hand nimmt. Hat euch das keiner beigebracht in eurer Ausbildung?“ fragte ich so zynisch, dass ich selber grinsen musste.
Und jetzt legt dieses Artefakt zurück in die Kiste!, sprach ich ihn in seinem Kopf an, nutzte einfach meine Fähigkeit und seine Augen weiteten sich erschrocken.
„Ihr seid mit dem Teufel im Bunde, die Leute haben recht. Ihr...“
Ich sagte, legt es zurück, bevor noch ein Unglück passiert! Na los!, kam es jetzt kalt von mir und ich funkelte ihn an.
Langsam drehte er sich um und tat, wie ich ihm gesagt hatte. Es war eine kleine Bewegung seines Armes, als er den Apfel weggelegt hatte, doch es reichte, dass ich ihm mit einem heftigen Streich seine Klingenhand fast abtrennte. Er hatte sich doch allen Ernstes seinen Dolch geschnappt und dachte vermutlich, dass ich das nicht bemerkt hätte. Scheppernd fiel diese Waffe auf den Boden, doch er hob sie mit der anderen Hand schnell auf und fing an mich anzugreifen.
Ich hatte jetzt leichtes Spiel, er war plötzlich unkonzentriert und führte seine Bewegungen etwas fahrig aus. Dann war es vorbei, als er einen Schlag mit meiner Schwerthand ins Gesicht bekam und ich mich hinter ihn drehte. Mein Schwert fuhr über seine Kehle und er ging röchelnd zu Boden.
Für einen Moment stand ich da, sah auf die Blutlache die sich unter dem Toten ausbreitete und versuchte zu Atem zu kommen. Dann besah ich mir den Inhalt dieser Truhe und staunte nicht schlecht. Dieser Edenapfel nebst eines vergoldeten Schwertes und einigem Kleinkram lagen darin, doch so unverschlossen? Wie leichtsinnig konnte man sein? Ich schloss den Deckel und zog sie ein Stück aus dem Zimmer zur Treppe. Wir würden sie später mitnehmen.
Jetzt hieß es, Antworten aus dem verbliebenen Assassinen zu bekommen. Mein Mann hatte ihn schon auf einem Stuhl platziert und ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt. Sein Unterschenkel sah ziemlich ungesund aus, er stand abgewinkelt an einem Stuhlbein und auf seiner Kleidung sah ich Erbrochenes. Die Schmerzen müssen vermutlich ziemlich heftig sein.
„Dann wollen wir doch mal, oder was meint ihr?“ meinte ich kalt und grinste diesen Herren vor mir an. „Ihr könnt mich mal, ich habe gerade gehört, was ihr gemacht habt. Man hat uns schon vor euch gewarnt, miese Verräterin!“ und er spukte mir vor die Füße. Da hatte aber jemand immer noch eine große Klappe, die sollte ich ihm wohl mal stopfen und in mir keimte eine Wut auf, welche ich dringend an diesem Kerl auslassen wollte.
Doch ich kam nicht dazu, Haytham hielt mich zurück und drang in meinen Geist.
Alex, stopp! Beruhige dich erst einmal und atme tief durch. Vergiss nicht, wir wollen Antworten! Tot nützt uns dieser Mann nichts! Deine Worte! Versuchte er mich zur Ruhe zu bringen und es klappte, als ich diese Stimme hörte. Ich schüttelte meinen Kopf, so dass ich wieder klarer denken konnte.
„Dann mal los, bevor es dunkel wird. Wer hat euch geschickt und warum sollt ihr unsere Lieferungen an euch bringen?“ ich sah ihm fest in die Augen und war versucht einfach seine Gedanken zu lesen. Doch fürs erste gab ich ihm die Chance, uns von alleine zu erzählen, was er wusste. Sie waren im Besitz eines der Isu-Artefakte, also wusste er auch über diese Wesen Bescheid, so dachte ich zumindest.
„EURE Lieferung? Euch gehört davon gar nichts. Das sind Besitztümer, welche der Bruderschaft gehören und ihr werdet sie nicht an irgendwelche Halunken weiter verscherbeln! Ihr Templer glaubt wirklich, ihr könnt euch alles unter den Nagel reißen, oder?“ meinte er weiterhin sehr mutig für meinen Geschmack und erntete eine schallende Ohrfeige von mir.
„Ihr habt Recht, diese Dinge gehören weder mir, noch den Templern. Aber sie gehören auch nicht den Assassinen. Aber ich gehe davon aus, dass ihr wisst, WER mich beauftragt hat! Und wenn ihr nicht wollt, dass ich euren Geist manipuliere, dann solltet ihr mir jetzt Namen nennen!“ stieß ich hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, ich wurde ungeduldig.
„Ihr wisst doch gar nicht, worauf ihr euch da einlasst, Weib! Es gibt Mächte, welche euren Horizont übersteigen!“ grinste er mich plötzlich breit an! Und mir dämmerte, worauf er anspielte. Die Isu und die damit einhergehenden Götter.
Ich spielte aber weiterhin mit und tat unschuldig. „Vermutlich nicht, nein. Aber ich würde zu gerne diese Geschichte von euch hören, ihr scheint ja zu wissen, was oder wer dort am Werke ist! Oder habt ihr Angst, weil ich angeblich mit dem Teufel im Bunde stehe?“ ich stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm und in seinen Augen flackerte eine gewisse Überlegenheit auf.
Jetzt mischte sich aber Haytham mit ein und seine Stimme war so kalt, dass selbst mir eine Gänsehaut über den Rücken fuhr. „Sprecht, oder euer Knie ist nicht das einzige Körperteil, welches in Mitleidenschaft gezogen wird!“ und seine Hand packte eisern das Kinn unseres Befragten.
„Ich werde sowieso sterben, ob nun durch euch oder die Bestrafung meines Auftraggebers und Mentors. Ihr wollt Namen? Ich gebe euch einen Namen, aber glaubt ja nicht, dass er euch einfach so mit offenen Armen empfangen wird.“ grinste er wieder breit und war sich immer noch seiner Sache sicher. Doch er war der typische Assassine, der Tod machte ihm keine Angst, also doch noch eine Art Verbindung, welche ich dann zu den Bruderschaften im 18. Jahrhundert hatte... doch ich schüttelte diesen Gedanken ab, darüber wollte ich nicht nachdenken.
„DER NAME!“ kam es jetzt laut und eisig von mir! Er zuckte auf dem Stuhl zurück, als hätte ich ein glühendes Eisen auf seine Brust gesetzt.
„Artem Alexeeva“ kam es keuchend.
„Geht doch... wie und wo kann ich mit diesem Herren in Kontakt treten? Und ich rate euch, mir die Wahrheit zu sagen!“ meine Stimme hatte einen völlig anderen Klang angenommen, sie klang nicht mehr nach mir, es war erschreckend.
„Es gibt Mittelsmänner, ihr könnt über John Williams mit ihnen in Kontakt treten...“ für einen Bruchteil einer Sekunde sah ich ihn sprachlos an. Die Williams´ konspirierten mit den russischen Assassinen? Ich hoffte, ich hatte jetzt nicht in ein Wespennest gestochen. Ich atmete tief durch.
„Ich bevorzuge den direkten Kontakt! Ich verabscheue Laufburschen! Also... weiter!“ meinte ich jetzt wieder eisig, bemüht mir nichts anmerken zu lassen.
„Er... Ihr müsst euch nach Eugene Avdeyev umhören. Er hat ein Anwesen in Wjasma, etwas westlich von Moskau!“ kam es leise, schon fast flüsternd von ihm.
„Na also... es geht doch. War das jetzt so schwer?“ fragte Haytham in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass dieser Mann gleich das Zeitliche segnen würde. Er aktivierte die versteckte Klinge und ließ sie über die Kehle dieses Herren fahren! Seine Gesichtszüge hatten ein gewisses Gefühlschaos dabei angenommen. Freude, Schadenfreude, Trauer, Ekel, Hass und … etwas, das ich nicht deuten konnte.
„Ich kann es nicht glauben, Lucius´ Bruder hängt damit drin?“ fragte ich jetzt frei raus. „Anscheinend schon, dass heißt, du musst dich bedeckt halten, bis du mit Faith gesprochen hast und alles geklärt ist.“ ich keuchte auf, das wurde mir wirklich zu viel allmählich.
„Diese Familie ist schon fast wie ein Albtraum, Haytham. Und ich... was soll ich jetzt machen? Ich kann und will Faith nicht hintergehen, doch kann ich auf ihre Hilfe und ihr Verständnis hoffen und bauen?“ hilfesuchend sah ich meinen Templer an. Ich ging pauschal davon aus, dass ich mit Lady Melanie nicht rechnen konnte und ich hoffte inständig, dass ich diese Frau vorerst auch nicht zu sehen bekam!
„Alex, ich kann dir da keine Garantie geben, doch ich glaube, dass meine kleine Schwester dich nicht hängen lassen wird. Genauso, wie DU sie nicht im Stich lassen würdest, oder?“ Doch in mir krochen die ersten Zweifel hoch. Was wenn ich diese Vereinigung JETZT verhinderte durch diesen Handel? Es würde nicht einfach zu bereinigen sein... Ich atmete tief durch und sah meinen Mann an.
„Wir werden jetzt hier aufräumen und die Kiste mitnehmen. Dann sehen wir weiter. Übermorgen werden wir nach London aufbrechen und ich werde, hoffentlich, Zeit haben, mich mit meiner Schwester darüber zu beraten!“ sagte ich jetzt völlig neutral.
In mir wuchs immer mehr der Wunsch, Faith wiederzusehen. Unsere Briefe waren ja immer ganz nett, doch ich brauchte ihre Nähe. Ich brauchte sie, ich vermisste sie, doch jetzt war es um so wichtiger mit ihr zu sprechen! Elias hatte mir prophezeit, dass wir zusammengehören. Nicht wie Mann und Frau, Faith und ich waren wie Schwestern! Wenn ich genau darüber nachdenke, könnten wir zweieiige Zwillinge sein! Wir gehörten zusammen und wieder kam der Gedanke an Schicksal in mir hoch. All das, was ich bisher erlebt, getan und gemacht hatte, es war vorherbestimmt, oder?
Gegen späten Nachmittag kamen wir endlich wieder an unserer Pension an und wurden schon sehnsüchtig von unserem Sohn erwartet. Und mein schlechtes Gewissen schlug mir ins Gesicht. Edward sah mich völlig enttäuscht und traurig an, aber Sybill erklärte schnell, dass er gerade nicht sein Lieblingspferd bekam, weil es verschwunden war. Sie hatten alles abgesucht, doch ohne Erfolg.
Ein Blick von meinem Mann und er fand, wonach sein Sohn suchte und reichte es ihm. Ein Leuchten erschien in Edwards Gesicht und ich hörte ein „Paaaa“ von ihm. Mein Schatz fing an zu sprechen und ich freute mich riesig. In diesem Moment drehte sich Haytham um und ging ohne ein Wort aus dem Zimmer. Ich sah zu Sybill, gab Edward einen Kuss und folgte meinem Mann.
Er stand auf dem Korridor am Geländer und blickte ins Untergeschoss. „Haytham, was ist los?“ fragte ich ängstlich, ich konnte seine Reaktion nicht deuten.
„Mein Vater hat mir beigebracht ihn VATER zu nennen, Edward jedoch...“ Da verstand ich was er meinte, er hatte Angst, dass er etwas in der Erziehung falsch machte.
„Haytham, unser Sohn ist erst wenige Monate alt. Dieser kleine Mensch muss erst lernen, wie er spricht, wie er Buchstaben artikuliert und so weiter. Und ich glaube, auch DEIN Vater hatte nichts gegen die ersten Versuche von dir, ihn Papa zu nennen. Das ist einfacher für ihn, ein Anfang zum Üben!“
Nein, dass hatte ich nicht, ich war stolz auf dich, Sohn, als du mich überhaupt das aller erste mal richtig wahrgenommen hast. Und als wir dir die entsprechenden Manieren beibrachten, war es für mich seltsam, wenn du mich VATER genannt hast. Es mag sich eigenartig anhören, aber es bietet eine gewisse Distanz zwischen uns und auch zwischen dir und DEINEM Sohn. Lasst sie nicht zu groß werden! Meinte Edward Senior plötzlich und ich sah, wie mein Mann in ein Chaos aus Gefühlen stürzte.
„Mi amor! Bitte!“ ich lehnte an seiner Schulter und strich über seinen Arm.
„Das ist zu viel, Alex. Ich habe Angst, dass ich dem Ganzen nicht mehr gerecht werden kann. Der Orden, unser Sohn, meine und unsere Verpflichtungen, die Angst, dass euch etwas zustößt ... ich... kann das nicht!“ mit diesen Worten stürmte er regelrecht die Treppe hinunter und war verschwunden. Ich starrte ihm kurz hinterher, dann aber folgte ich ihm schnell, ich wollte ihn nicht alleine mit diesen Gedanken lassen. So kannte ich meinen Mann überhaupt nicht, er war immer gefasst und schien alles im Griff zu haben! Was bitte war auf einmal los mit ihm?
Draußen angekommen konnte ich seine pulsierende goldene Aura im Getümmel wahrnehmen und folgte ihr einfach.
Irgendwann blieb er am Hafenbecken stehen und starrte einfach auf das Wasser, neben Haytham stand plötzlich mein Pirat und sie unterhielten sich. So in der Öffentlichkeit? Ich sah mich unwillkürlich nach Beobachtern um, mein paranoides Ich mal wieder. Doch mir brach das Herz, diese Zwiegespräche hatten Vater und Sohn damals nicht. Meinem Mann fehlten einige Grundzüge seines Vaters, was die Erziehung und auch die Tipps anging. „Du hast meine Lehren nie vergessen, Haytham, dass macht mich stolz. Aber auch, dass du eigene Prinzipien hast, für die du einstehst. Ich konnte nicht lange genug für dich da sein, aber die kurze Zeit scheint dir bei deinen Entscheidungen geholfen zu haben. Und wenn wir ehrlich sind, was will ich mehr? Ich habe dich nie belogen und werde es auch nie tun! Deine Kinder sollten ebenso keine Lügen von dir erfahren, Haytham. Du bist Templer, du hast deinen Weg gewählt. Jetzt gehe ihn und lass deine Kinder entscheiden, welchen Pfad sie einschlagen wollen. Aus diesem Grund ist Alexandra an deiner Seite, sie ist ein gewisses Gleichgewicht und bringt die Inspiration für die Entscheidung eurer Kinder!
Ich sah diesen Blondschopf neben meinem Mann stehen und betrachtete sie beide. Sie waren beinahe gleich groß, die gleiche Statur... doch sie waren eigentlich völlig unterschiedlich. Der unzivilisierte Pirat, welcher das gesamte Alphabet rülpsen konnte, neben einem Mann, welcher sich nur schwer gehen lassen konnte und die Disziplin in Persona war.
Die Kenways waren eine eigene Spezies für sich und wenn ich mir jetzt noch Jennifer vorstellte... sie kannte ich eigentlich nicht so wirklich und in mir keimte wieder dieses schlechte Gewissen! Doch der Gedanke an sie, ließ mich auf meine Kenways zusteuern. „Gentlemen, ich unterbreche ungerne eure Konversation.“ meinte ich leise hinter ihnen, doch beide legten ihre Arme um mich und wir standen dort und sahen ohne ein Wort dem Sonnenuntergang zu. Es war unbeabsichtigt, aber es war traumhaft schön so und ich fühlte mich wie angekommen, wie zuhause mit den beiden.
„Wisst ihr eigentlich, dass ihr mich gerade zu Tränen rührt?“ schniefte ich jetzt die Männer an. Beide rückten noch ein Stück näher an mich heran.
„Nein, dass wussten wir nicht, aber wir lieben dich beide, jeder auf seine Weise.“ kam es wie aus einem Mund von ihnen und wir standen dort und sagten einfach nichts mehr. In diesem Moment wurde mir das erste Mal klar, dass meine allererste Zeitreise wirklich Schicksal war, glaubt mir, es ist einfach so!
Etwas beruhigter konnte Haytham jetzt wieder mit mir zurück zu unserem kleinen Schatz. „Ich hatte ja keine Ahnung, über was man alles anfängt nachzudenken, wenn man Kinder hat, mi sol. Und ich dachte oft, dass DU dir einfach zu viele Gedanken machst!“ in seiner Stimme lag wieder Ruhe und ich war erleichtert.
„Haytham, das ist aber einfach völlig normal. Die Angst um sein Kind ist grausig, ich bin zuversichtlich, dass wir BEIDE das hinbekommen werden.“ sagte ich und nahm ihn in den Arm.
„Das werden wir. Ich weiß es.“
Als wir wieder in unserer Unterkunft waren, konnten wir beruhigt sein. Unser Sohn war mit sich und den Pferden beschäftigt.
„Wenn wir wieder in Virginia sind, mi amor, sollten wir ihm vielleicht ein echtes Pferd schenken, damit er sich daran gewöhnt.“ sagte ich völlig verträumt dreinblickend.
„Alex, Edward ist noch zu klein...“ ich seufzte und Haytham sah mich fragend an. „Oh, das war nicht so ernst gemeint, ich verstehe.“ grinste er mich an.
Wir aßen noch zu Abend und der Kleine haute richtig rein, wobei ich mich bei der Menge fragte, wo er das lässt. Doch Sybill ließ sich auch nicht beirren und ließ ihn alles probieren, wonach er griff. Und Edward griff nach ALLEM! Irgendwann war mehr vom Essen AUF dem Kind als in seinem Magen vermutlich, lachend schnappte ich mir den Dreckspatz.
„Na komm mein Schatz, du brauchst saubere Sachen und definitiv eine gründliche Wäsche. Wie bitte hast du auch noch Soße in deine Ohren bekommen?“ ich schüttelte lachend den Kopf und ging hinauf, nachdem ich meinem Mann einen Kuss gegeben hatte.
Die Tinktur wirkte mittlerweile doch Wunder, während des Waschens und Umziehens, rieb ich immer mal wieder ein paar Tropfen auf die zahnende Stelle und als mein kleiner Schatz in seiner Wiege lag, schloss er beim Klang seines Schlafliedes langsam die Augen.
„Alex, wenn du singst, leuchtest du leicht golden. Wusstest du das?“ fragte mich ein erstaunter Haytham hinter mir, welchen ich nicht bemerkt hatte.
„Nein, das habe ich nicht gewusst. Vielleicht wird unser Sohn deshalb ruhiger?“ ich stand auf und ging zur Kommode, um mir etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen und fing an, mich auszuziehen. Doch ich kam nicht wirklich weit, mein Mann stand plötzlich hinter mir und umschlang mich.
„Edward wird ruhiger, sobald du überhaupt in seiner Nähe bist, mi sol. Genau wie ich auch, das ist mir damals schon aufgefallen, als ich dich das erste Mal in meinen Armen hatte!“ flüsterte er an meinem Hals und ich spürte seinen warmen Atem und bekam eine Gänsehaut. „Ich liebe deine Reaktion, mi sol.“ und seine Lippen wanderten über meinen Hals, seine Hände halfen bei meinem Hemd und... dann brüllte klein Kenway los. Ich nuschelte eine Entschuldigung, warf mir mein Hemd wieder über und nahm unseren Sohn hoch.
„Schätzchen, was ist los? Immer noch Zahnweh, hmmmm?“ Seine Wange war immer noch warm und leicht geschwollen, also holte ich wieder das Fläschchen und massierte die Stelle ein. „Haytham wir brauchen etwas, worauf er herumkauen kann, ohne dass er es verschlucken kann nachts. Das lindert auch die Schmerzen...“ ich sah mich suchend um und auch Haytham suchte nach etwas kaubarem. Doch mein Sohn war schneller und griff sich einfach die Kette mit dem leicht ovalen Anhänger, welche ich aus dem Schmuckbestand von Tessa gerne trug. Also schön, ich überließ sie ihm, machte sie aber so fest, dass er nichts verschlucken konnte und legte den kleinen Mann wieder hin. Eine Weile hörten wir schmatzende und vor sich hin gurgelnde Laute, bis es dann auf einmal leise wurde. Mit offenem Mund und dem Anhänger neben sich, schlief unser Sohn friedlich. „Dein Ebenbild, Haytham.“ kam es flüsternd von mir und mir liefen, wie sollte es anders sein, die Tränen über die Wangen.
Als ich dann endlich neben Haytham im Bett lag, entspannte ich mich und seine Umarmung war eine Wohltat. „Ich liebe dich!“ nuschelte ich vor mich hin und bekam einen langen Kuss in meinen Nacken zur Bestätigung.
Meine Meistertemplermontur ließ mir aber keine Ruhe und auch nicht dieses schwarze Kreuz. Haytham hatte schon fast Panik in den Augen, als er es sah. WAS war so schlimm daran? Ein Geheimbund... und dann? Also nahm ich mir meine Mappe von Frau Alberts noch einmal vor und begann die Seiten zu lesen. Ich hatte es nicht getan, seit ich in den Orden aufgenommen worden bin, woher sollte ich auch wissen, das noch mehr, als die normale Aufnahme, dahinter steckte?
Mich erschlug diese Menge an Informationen schlichtweg und ich sah nur wenig später auf die Buchstaben, welche mir versuchten mitzuteilen, dass ich einem Ziel zu folgen hatte. Ich sollte einige „Dinge“ in meinen Besitz bringen oder besser gesagt BEHALTEN! Natürlich, Elias und Finley … sie sollten dafür sorgen, dass es gelingt. Da wir in der Neuzeit die Probleme mit den britischen Templern hatten, wurde mir diese ehrenvolle Aufgabe zu Teil, unter anderem ein Schwert und ein Schild zu sichern und für die in der Neuzeit vereinigten Bünde zu lagern und weiterzugeben. Es gab noch einiges, was ich beschützen sollte und suchen musste, doch das las sich wie ein Märchen. Die Rede war von Schmuck bis hin zu irgendwelchen Pokalen.
Vor allem wurde mir die Ermächtigung erteilt, JEDES Mittel einzusetzen um an Informationen oder die Gegenstände zu kommen. Mit anderen Worten oder denen aus den James-Bond-Filmen... „Licence to kill“ … Im Grunde hatte ich freie Hand, doch wollte ich das? Ich verschloss diese Mappe fürs erste und versuchte nicht weiter darauf einzugehen. Ich würde jetzt London abwarten und sehen, was dann passierte, aber ich konnte ja nicht ahnen, was diese Sätze für ein Nachspiel haben würden!
„Mi sol, willst du mit mir darüber reden?“ kam es von meinem Mann und er sah mich fragend an. „Ich glaube, ich kann noch nicht mit dir darüber reden. Es ist so unwirklich und niemand hat mich vorher in Kenntnis gesetzt. Ich fühle mich völlig überrannt!“ gab ich ehrlich als Antwort. Für einen Moment gab mir seine Umarmung eine gewisse Ruhe, aber so ganz wollte dieses panische Gefühl nicht weichen.
Die letzten Tage in Bristol verstrichen lediglich mit der Beladung unserer Schiffe und dem Planen und Ordern der Kutschen. Wir mussten ja die Truhen nach London bekommen, aber ich wollte nicht unbedingt den Seeweg nehmen. Meine Jackdaw würde sich nebst der White Moon jetzt nach Dover aufmachen und dort ankern, bis wir nach Frankreich, Le Havre, aufbrechen würden. Sybill hatte mittlerweile gefühlt halb Bristol leer gekauft, sie fand einige interessante Stoffe, welche sie für Edwards Spielzeug-Stofftiere nutzen wollte. Und Magda und Michael... nunja, was soll ich schon sagen? Sie verbrachten jede freie Minute miteinander und ich überlegte, ob ich mir Gedanken über die Verhütung der beiden machen sollte. Ich hätte Magda gerne noch weiter als meine Zofe, sie war einfach ideenreich und ich hatte sie gerne um mich. Doch vorerst verdrängte ich diesen Gedanken und wir bestiegen unsere Kutsche nach London.
Wir hatten von Master Bradshaw noch 10 Wachen als Begleitschutz erhalten, damit die Lieferung auch heile in London ankam. Diese Herren waren die Verschwiegenheit in Person, diszipliniert und taten, was man ihnen sagte. Damit war ich etwas beruhigter und so fuhren wir los in das Überlandabenteuer im 18. Jahrhundert. „Wir werden ungefähr drei höchstens vier Tage unterwegs sein, Alex. Keine Sorge. So schlimm wird es nicht.“ meinte mein Mann, als ich ihn auf die Distanz ansprach. Diese romantische Vorstellung einer Kutschfahrt wurde mir schon nach weniger als einem Tag geraubt! Es war unbequem, das Wetter war alles andere gut, es schüttete wie aus Eimern. Unser Sohn hatte das Problem mit seinen Zähnen und Magda... nunja... sie hatte mit den Launen der monatlichen Frauenprobleme zu kämpfen.
Immer wenn wir Rast machen konnten, war ich dankbar und genoss es, mir die Beine zu vertreten und auch Edward war sichtlich erleichtert, wenn er einfach so vor sich hin krabbeln konnte. Und dann endlich sah ich heute von weitem die Zivilastion nahen und gepflasterte Straßen! „Wir sind bald da!“ jubelte ich und sah zu meinen Mitreisenden. Haytham machte einen sehr belustigten Eindruck, er war es, genau wie alle anderen hier, ja auch gewöhnt so zu reisen. Doch ich... mir tat der Hintern weh, mein Rücken schmerzte und ich hatte die Nase voll von unbefestigten Straßen und Wegen. Die Tavernen, in denen wir in den Nächten unterkamen, waren auch alles andere als komfortabel, doch wir mussten da durch und ich musste mich daran gewöhnen! So einfach war das, doch leichter gesagt als getan!
Der Kutscher kannte sich gut aus und wir fuhren an ein paar Gebäuden vorbei, welche mir bekannt vorkamen. Windsor... oder doch nicht? Verdammt, ich hätte im Englisch-Unterricht besser aufpassen sollen. In meiner mir so eigenen Euphorie kommentierte ich alles was ich sah, ohne Rücksicht auf die Zeit oder ähnliches. „Alex... wovon sprichst du gerade?“ kam es immer mal wieder ungläubig von Haytham. „Oh, entschuldige... aber... bei Odin, ich bin gerade völlig überwältigt!“ kam es nur staunend von mir mit offenem Mund, auch Michael war sprachlos. Edward hingegen sah nur mich an und kaute genüsslich auf seiner Kette herum.
Als wir aber um eine Ecke bogen und in Richtung eines kleinen Parks einbogen, erkannte ich den Pavillon wieder und ich wurde still. „Wir sind da, mi sol.“ kam es leise von meinem Mann. „Ich weiß, ich sehe es gerade...“ der Kutscher hielt an und Haytham und Michael stiegen als erste aus und halfen uns Frauen dann beim Aussteigen. Als ich vor dem schmiedeeisernen Tor stand und auf den kleinen Brunnen vor dem Eingang sah, kamen alle Erinnerungen wieder hoch und ich erschauderte. In mir machte sich Panik breit und ich wäre am liebsten ganz schnell weggerannt, doch Haytham hielt mich auf und nahm meine Hand. „So sieht es nach dem Neuaufbau aus, Alex.“ Das Anwesen hatte sich doch verändert, es war... anders... aber ich konnte es nicht wirklich erklären oder deuten. Ich sah hinauf auf die linke Seite, dort war mein altes Gästezimmer und in mir keimte diese Trauer auf. „Haytham... ich habe Angst! Es fühlt sich so an, als würde ich alte Geister wecken!“ und ich zitterte bei den Worten.
„So geht es mir jedes mal, wenn ich hier bin. Aber es ist mein Zuhause, wenn auch jetzt neu erbaut!“ meinte Haytham leise und zog mich an sich. Edward riss mich aus meinen Gedanken und fing an zu wimmern. Er schien es wirklich nicht zu mögen, wenn man einfach stillstand, also gingen wir auf den Eingang zu. Kurz bevor wir vor der großen Eichentür standen, wurde diese aufgerissen und es stand eine hochgewachsene dunkelblonde Frau vor uns. Für einen Moment stand ich mit offenem Mund einfach da und sah sie an. „Jenny?“ fragte ich unnötigerweise. „Alexandra?“ kam es ebenso unnötig von ihr und ich ging auf sie zu und... hatte ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid!“ sprach ich einfach nur leise und senkte meinen Blick, ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. „Du bist nicht schuld! Lass uns einfach einen kleinen Neuanfang beginnen und vor allem, kommt herein!“ meinte sie freudestrahlend. „Ich will meinen Neffen endlich kennenlernen!“
Haythams Begrüßung fiel kühl aus, wie sollte es anders sein. Die beiden Geschwister hatten lediglich den Vater gemeinsam und mehr … ja, mehr gab es leider nicht. Es war schade, doch ich würde dahingehend nichts ausrichten können.
Unsere Angestellten wurden unter die Fittiche der anderen hier arbeitenden Bediensteten genommen, ich nahm Sybill schon mal Edward ab. Jenny sollte ihren Neffen ja kennenlernen. Als wir dann den Salon betraten, traf mich fast der Schlag. Es war fast zu 100 Prozent wie damals, man hatte wirklich jedes Detail versucht wieder herzustellen. Ich schüttelte mich leicht, ich hatte diese Geistergänsehaut auf mir. Seltsamerweise fing auch unser Sohn an zu zittern und sah sich mit großen Augen um und dieser Schleier legte sich über sie. „Haytham, unser Sohn ist genauso überwältigt und...“ doch mehr musste ich nicht sagen. „Ich sehe es, Alex.“ kam es leise von meinem Mann.
„Darf ich ihn auf den Arm nehmen?“ fragte mich meine Schwägerin leise und sah mich freudig an. „Natürlich!“ und ich setzte Edward auf ihren Schoß. „Du bist ja hübscher junger Mann, Edward. Ich bin deine Tante Jenny!“ meinte sie freudestrahlend. Unser Sohn sah sie fasziniert an und fand prompt ihre Ketten, griff danach und fing an, darauf herumzukauen. Gerade als ich ihn daran hindern wollte, meinte Jenny nur „Nein, das ist schon in Ordnung. Ich habe Erfahrung damit, die Kinder der anderen Frauen hatten auch diese Probleme mit den Zähnen.“ kam es in einem Plauderton von ihr.
Nachdem wir mit Getränken gestärkt worden waren, führte uns oder besser MICH Jenny herum. Ich wusste ja nicht, ob es wirklich noch so aussah im Inneren. Doch ich fand mich schnell zurecht, die Architekten hatten ganze Arbeit geleistet. Als ich dann im ursprünglichen Studierzimmer von meinem Piraten stand, kam alles wieder hoch, ich brach in Tränen aus und es war vorbei für mich, mal wieder. Ich bedauerte alles... meine Unfähigkeit, diese Tragödie zu verhindern, meinen Egoismus... einfach alles... ich kniete in diesem Raum und heulte. Die letzten 20 Jahre kamen heraus und ich fühlte mich mehr als schuldig. „Alex, nein... hör mir zu... ALEX... nein...“ immer wieder vernahm ich die Worte von Jenny und von Haytham... doch ich konnte nicht aufhören zu weinen. Es tat so unendlich weh...
„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nichts ausrichten konntest? Ich bin immer noch da und werde immer da sein. Jetzt sei einfach für meinen Sohn, meine Tochter und für meine Enkelkinder da! Niemand macht dir einen Vorwurf! Das Schicksal, du hast es in Bristol selber erkannt, oder Alex?“ meinte Edward Senior jetzt und sah völlig ruhig auf mich herab. „Ja, aber... es tut weh... so verdammt WEH.“ kam es jetzt flehend von mir. „Ich weiß, ich weiß.“ und seine Arme legten sich tröstend um mich.
„Wie ist das möglich?“ hörte ich die völlig ungläubige Stimme von Jennifer. Und erst jetzt realisierte ich, dass ich mit meinem Piraten hier stand und Jennifer mit uns. „Vater, wie...“ doch sie fiel ihm um den Hals und ihre Hände tasteten nach seinem Gesicht... „Jenny, ich bin es wirklich, oder auch nicht. Jesus, ich habe dich vermisst, Tochter!“ kam es jetzt und er nahm sie in seine Arme.
Für eine Weile lagen sie sich in den Armen und kommunizierten still miteinander. Diese Idylle unterbrach ich nicht, es war wie für uns alle ein gewisser Balsam für die Seele. Auch der kleine Edward nahm die Gegenwart seines Großvaters wahr und sah mit großen Augen in die Richtung. Zum ersten Mal war die gesamte Familie versammelt, bis auf Connor... „Mi sol, ich kann dich schon wieder lesen!“ etwas verwirrt sah ich Haytham an und merkte erst dann, dass er meinen Gedanken an seinen anderen Sohn sah. „Verzeih mir, aber meine Gefühle wissen gerade nicht wohin und... entschuldige!“ meinte ich einfach schniefend.
Dieser erste Abend war für die Seele sehr anstrengend, aber ich konnte endlich mit meinen Schuldgefühlen in gewisser Weise abschließen, ich konnte sie mitteilen und hatte einfach ein sehr ruhiges Gespräch über einige Stunden mit Jenny. Sie hatte sich verändert, was kein Wunder war, sie war so alt, wie ich jetzt hätte sein sollen. Doch sie sah nicht danach aus, auch wenn sie leichte graue Strähnen hatte. Ihre Haltung war nach wie vor elegant und stolz und sie war immer noch hübsch. Ihre Persönlichkeit hatte sich verändert, Jennifer war zu einer starken aber kühlen Person geworden. Sie hatte sich nicht unbedingt abgeschottet, aber sie ließ niemanden wirklich an ihrem Leben teilhaben. Ich hatte ja schon aus den Tagebüchern ihrer Zofe entsprechendes gelesen.
Mir ging aber einfach dieser absurde Gedanke nicht aus dem Kopf, welchen ich seit fast 15 Jahren hatte. „Ich hätte dich einfach mitnehmen sollen damals.“ sagte ich im Laufe des Abends zum gefühlten tausendsten Male. „Schicksal, Alex. Du weißt es selber und wir leben alle danach!“ meinte Jenny völlig gelöst und friedlich. Ja, sie hatte sich arrangiert.
Edward junior verlangte dann meine Aufmerksamkeit für die Nachtruhe und ich ging in unser Zimmer, welches mir Haytham als sein ursprüngliches Kinderzimmer zeigte. Auch einer der Momente der etwas eigenartig war. Ich war damals NIE in seinem Zimmer gewesen. Das alles war verwirrend und wieder einmal musste ich mir eingestehen, dass diese Zeitreise-Geschichten durchaus anstrengend sein konnten. Hätte ich das vor über 20 Jahren gewusst, dann... hätte ich es trotzdem gemacht vermutlich!
Mrs. Wallace hatte ich instruiert, auf unseren Sohn zu achten und ging wieder hinunter in den Salon. Irgendwann kam ich auf das Thema, WER eigentlich verantwortlich für den Wiederaufbau war und wer die Blaupausen inne hatte. Ich konnte mich nämlich dunkel an einen Keller erinnern, welchen mir Edward Senior gezeigt hatte, doch dieser war nur über den Freizeitraum zu erreichen und war gesichert! „Ich weiß nicht, es war eine große Firma, welche den Wiederaufbau übernommen hat. Reginald hatte das mit Mr Simpkin übernommen. Warum fragst du, Alex?“ in Jennys Augen sah ich aber, dass sie wusste, worauf ich anspielte, vermutlich hatte ihr Vater ihr den Keller ebenso gezeigt. Etwas verwirrt fragte mich jetzt mein Mann, ob das so wichtig sei.
„Nein, vermutlich nicht. Doch es gibt ein Kellergeschoss und ich frage mich, ob es noch zugänglich ist, oder ob es verschüttet wurde während der Wiederinstandsetzung.“ wie sollte ich das nur erklären, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen? Jennifer war es, die mir jetzt aber beisprang und ihren kleinen Bruder einweihte. „Vater hat einen geheimen Zugang damals errichten lassen zu einem Raum unter dem Haus. Und wenn ich es recht überlege, hätte er dort alles verstecken sollen...“ sie unterbrach sich und uns allen wurde klar, dass Edward damals wirklich einen Fehler begangen hatte.
„Jesus, ihr habt Recht. Warum bin ich nicht damals schon darauf gekommen? Ich hatte doch das perfekte Versteck!“ Kenway Senior stand plötzlich wieder im Raum und sah uns alle fragend an. Jetzt war es an mir, ihm beruhigende Worte zukommen zu lassen. „Es war einfach noch nicht an der Zeit, du bist davon ausgegangen, dass … du noch Haytham einweihen kannst.“ kam es etwas zögerlich von mir. „Dann sollten wir das jetzt nachholen, was denkt ihr?“ kam es völlig ruhig vom ursprünglichen Hausherren und er eilte schon voraus und wir hinterher.
Der Flügel stand wieder an der selben Stelle... und ich hörte die Melodie tief in mir von „Lowlands“. Jenny und ich standen vor den Tasten und sahen uns an... dann fingen wir an und wie von Zauberhand öffnete sich die Luke zum Untergeschoss. Mein Mann stand mit offenem Mund da und starrte auf die Öffnung. „Dann habe ich das doch nicht geträumt!“ kam es völlig entgeistert von ihm und er starrte in das Dunkel vor ihm! Haytham wusste es! Ich war aber unsicher, ob ich wirklich heute schon darunter wollte, ich war ein wenig übermüdet und vermutlich einfach zu nahe am Wasser gebaut dadurch.
„Wer auch immer für diesen Wiederaufbau zuständig war, musste davon wissen.“ In mir tobten plötzlich die wildesten Verschwörungstheorien. Zum Beispiel, dass sich alle gegen Edward verschworen hatten und davon wussten, nur er hatte es NOCH nicht gesehen. „Es gibt nur einen Menschen, der es hätte wiederherstellen lassen können.“ kam es leise von meinem Piraten und ich sah ihn fragend an, ich hoffte inständig, dass es nicht Birch war! „Meine Frau!“ mir klappte der Mund auf! Hatte sie das Ganze wieder in Auftrag gegeben und dafür gesorgt, dass das Kellergeschoss weiterhin begehbar blieb? Aber warum? „Tessa ahnte, dass es in der Zukunft wichtig werden könnte und ich bin heute froh, dass ich ihr damals die Pläne anvertraut habe!“
Wir standen zu viert an der Treppe ins Kellergeschoss, doch plötzlich war noch eine weitere Person anwesend. Tessa! „Ich dachte mir schon, dass du etwas damit bezweckt hast, Edward. Aber sei unbesorgt, ich habe damals alles überwacht und alle Arbeiter sind verschwiegen wie ein Grab.“ dieser Satz ließ eine Gänsehaut auf meinem Körper zurück. „Alex, nein, sie leben noch!“ kam es lachend von Tessa. „Da bin ich aber beruhigt, es klang ein wenig unheimlich.“ und ich schüttelte diese unangenehme Gänsepelle weg. Als ich mich umsah, war Haytham verschwunden und wir hörten einen lauten Fluch aus der Dunkelheit unter uns. „Verdammt, kann mal jemand Licht machen?“ seit wann ist mein Templer so unvorsichtig und rennt einfach los?
„Junge, wir kommen schon, warte...“ Edward Senior eilte seinem Sohn hinterher. Am Fuße angekommen nahm der ehemalige Hausherr eine Kerze und das Zunderholz und machte Licht. So entzündete er rundum die Kerzen und brachte im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel. Es hatte sich nichts verändert wie es schien, die Regale mit den Büchern waren noch vorhanden, genauso wie der große Tisch in der Mitte, auf dem immer noch Karten und Papiere lagen. Truhen standen ringsum und man hatte den Eindruck, man sei mitten in einen Umzug geraten. Es sah etwas unaufgeräumt aus, aber es war... Edwards Ordnung, welche ich auch schon von der Jackdaw kannte. Geordnetes Chaos, wo nur ER sich auskannte.
Ich ließ aus Gewohnheit meinen Blick über den Raum gleiten und mich sprangen zig Dinge gleichzeitig an und das wurde mir freundlich bestätigt von Kenway Senior. „Hör auf damit, du kannst dich in Ruhe umsehen und deine Lust nach allem Geschriebenen sicherlich stillen!“ ein zynisches Lachen hörte ich noch, als ich mich auf diese Sachen stürzte. Haytham jedoch stand mit offenem Mund da und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Doch mit einem Mal änderte sich sein Verhalten und er funkelte Jenny an. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass es dieses Untergeschoss wirklich gibt?“ sein Ton war in seine übliche Templerart gefallen und ich griff schnell seinen Arm. Haytham, sie hat das sicherlich nicht mit Absicht gemacht, Jenny hatte es verdrängt! Versuchte ich ihn zu beruhigen. Es gibt hier keine Verschwörungstheorien! Gab ich noch eine weitere Erklärung und sein Blick und Geist wurden wieder ruhiger. Vermutlich hast du Recht, es fällt mir nur sehr schwer, wenn es um meinen Vater geht und um unser Erbe geht!
Doch was jetzt kam, verschlug mir die Sprache und in meinem Geiste sah ich wieder Faith vor mir, welche sich wütend auf mich stürzte, weil ich Familie Williams hinterging. „Es ist wie eine Schleuse hier. Von hier gelangt man in die Katakomben von London, welche schon lange als verschollen oder verschüttet galten. Nahezu jedes Gebäude lässt sich so aus dem Untergrund betreten, man muss nur wissen WIE oder auch WO man hin muss!“ kam es völlig begeistert von Edward. Und nun folgte eine geschichtliche Reise von den Römern bis hin zu seiner Zeit und wie man diese Kanäle genutzt hatte. „Ihr müsst euch das wie ein unterirdisches Netzwerk vorstellen! Ungesehen gelangt man von einem Ort zum anderen. Und das kann durchaus essentiell sein!“ und ich sah in seinen Augen, dass er es durchaus einige Male genutzt hatte. Edward hatte dieses Anwesen nicht ausschließlich wegen des Aussehens gekauft, sondern wusste, wie es darunter aussah und welche Vorteile es bot.
Mir kamen die Erzählungen über Faiths Mutter wieder in den Kopf! Wusste auch sie von diesem Geheimzugang? Wenn ja, hatte sie es, wir sind wieder bei den Verschwörungstheorien angekommen, ihrem Mann, Lucius Williams, erzählt? Sie war ja mit Edward bekannt... Wenn ja, hatte Lucius für seine Familie eine entsprechende Sicherung geschaffen, dass man das dortige Anwesen nicht so infiltrieren konnte?
„Alex, deine Gedanken explodieren förmlich vor uns allen! Beruhige dich und versuche einen Schritt nach dem anderen!“ hörte ich Haytham plötzlich! In diesem Moment musste ich Luft holen und mich beruhigen, mein Wissen überschlug sich gerade und versuchte alles miteinander zu verknüpfen... es war zu viel... mal wieder! „Es ist alles in Ordnung.“ stammelte ich atemlos vor mich hin, wandte mich wieder den Stufen zu und ging schwankend nach oben. In meinem Kopf breiteten sich böse Szenarien aus und ich fing an zu hyperventilieren!
Oben angekommen stand ich eine Weile an einem der Fenster, welches ich geöffnet hatte, damit ich etwas frische Luft bekam. Gedankenverloren starrte ich hinaus und versuchte mir alles zusammen zu reimen, alles zu verpacken und zu ordnen. Doch so recht wollte es mir nicht gelingen. „Alex, Liz´ Tochter macht es dir gerade schwer, für deine Ideale einzustehen, oder?“ kam es jetzt von Edward senior und seine blauen Augen sahen mich durchdringend an. „Nicht wirklich schwer, es ist etwas hinderlich. Ich weiß, was ich zu tun habe und ich weiß auch, dass ich niemanden wirklich hintergehe. Doch... wie kann ich das plausibel erklären?“
Niemand konnte mir darauf eine Antwort geben, ich musste da selber durch. „Sie wird dich aber sicherlich nicht gleich einen Kopf kürzer machen, wenn du es ihr erläuterst.“ hörte ich Haytham jetzt hinter mir. „Ich denke, wir sollten es jetzt erst einmal abwarten. Deine nächsten Geschäfte stehen noch an, das Treffen mit Franklin ebenso. Und vergiss nicht, du wolltest dich noch mit zwei weiteren Händlern hier treffen, um den Tabak mit aufzunehmen!“ führte er seine kleine Ansprache weiter. „Du hast recht, mi amor.“ Ich gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange zur Bestätigung. „Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mich aber doch gerne zurück ziehen. Die Fahrt heute war wirklich anstrengend und ich wäre dankbar für ein weiches Bett und reichlich Schlaf!“ lächelte ich in die Runde und erntete zustimmendes Nicken. Auch Edward verabschiedete sich mit Tessa und verschwand im Nebel, während Jenny immer noch da stand und ihnen hinterher sah.
„Ich vermisse Vater wirklich, Haytham. Ihn hier wieder zusehen ist seltsam, aber es beruhigt mich irgendwie.“ in ihren Augen konnte man diese Liebe zu Edward sehen, auch wenn sie ihn damals oft mit bösen Blicken und Worten bedacht hatte. „Mir geht es genauso Jenny.“ sprach Haytham leise und nahm sie in den Arm. Ich unterbrach sie nicht, sondern ging hinauf in das ehemalige Kinderzimmer meines Mannes. Dort wartete bereits Sybill auf mich und berichtete flüsternd, dass mein kleiner Schatz diese Nacht ruhiger war und bis jetzt friedlich geschlummert hätte. „Danke, Sybill. Dann werde ich mich auch hinlegen, damit ich morgen wieder frisch und ausgeruht bin. Ich wünsche euch eine gute Nacht.“ und entließ sie damit für heute, ein Knicks und sie war verschwunden.
Gerade als ich anfangen wollte mich zu entkleiden, klopfte es leise und Magda trat ein. „Mistress Kenway, ihr braucht das doch nicht immer alleine machen. Wartet, ich helfe euch.“ kam es lächelnd von ihr und ruckzuck hatte ich mein Nachthemd an und meine Haare waren geflochten. Ein Blick auf meinen Sohn verriet, dass er einen schönen Traum haben musste, er lächelte die ganze Zeit vor sich hin und mir kam ein Seufzen über die Lippen. So konnte ich mich dann entspannt hinlegen und fing an, noch ein wenig zu lesen.
Es dauerte nicht lange, da erschien mein Mann auch schon mit seinem Kammerdiener im Schlepptau. Michael half ihm bei seinen Stiefeln, weil es ein neues Paar war und damit hatte man ja zu Beginn immer einige Probleme. Mir stieg eine leichte Röte ins Gesicht, als ich an einen Abend mit meinem Mann dachte, an welchem ich ihm ebenfalls dabei geholfen hatte. Der Verlauf war jedoch ein gänzlich anderer. Der Kammerdiener wurde ebenfalls für die Nacht entlassen, mit der Bitte morgen früh pünktlich zu erscheinen, wegen einer gründlichen Rasur.
Dann endlich ließ Haytham sich langsam auf unser Bett sinken und nach hinten gleiten. So lag er auf meinen Beinen und seufzte tief. „Mi sol, es ist ein ganz neues Gefühl hier zu sein, jetzt wo du mit mir zusammen hier bist.“ er drehte den Kopf in meine Richtung und lächelte mich an. „Ich hoffe, es ist ein angenehmes Gefühl, Haytham.“ meinte ich verträumt und strich ihm durch die Haare. „Das ist es auf jeden Fall.“ flüsterte er, drehte sich auf den Bauch und rutschte hoch zum Kopfende, nahm mir das Buch ab und gab mir einen langen vorsichtigen Kuss. So ein Gefühl ist es, mi sol. Und ich liebe dich! Hörte ich ihn leise in meinem Kopf und ich konnte ihn nur anlächeln. Ich dich auch, mi amor.
Diese Idylle wurde von unserem Sohn unterbrochen, welcher vor Schmerzen wieder schrie. Er tat mir immer noch so leid, doch ich konnte ihm nicht wirklich helfen, auch wenn ich es gerne getan hätte. Mir blieb nur die Tinktur und seine Kette. Also holte ich den kleinen Mann mit in unser Bett und erntete einen leicht frustrierten Blick von Haytham, doch er umschloss uns beide mit dem Arm und langsam konnten wir einschlafen.
Kapitel 3 - London
Die letzten Tage konnte ich mich ein wenig akklimatisieren und war oft mit Jenny im Garten. Diesen hatte sie ein wenig umgestalten lassen, als sie damals hier wieder einzog und ich muss sagen, dass sie einen wundervollen Geschmack hat. Ein Teich und Wege aus Kies waren angelegt worden, auch gab es einen kleinen Pavillon in der Mitte. Die alten Obstbäume im hinteren Teil waren alle noch da, doch auch dort hatte sie neues dazu pflanzen lassen. Unter anderem hatte sie ein kleines Gewächshaus errichten lassen, in dem sie nun exotische Pflanzen und Kräuter anbaute in Eigenregie. Durch ihre Reisen im Orient hatte sie sich ein großes Wissen bezüglich der Heilkunde angelesen und nutzte es auch.
Für Edward junior hatte sie mir eine neue Mixtur hergestellt, welche wirklich Wunder wirkte. Ich hatte ein leicht betäubtes Gefühl in der Fingerspitze, wenn ich über die Stelle im Mund gerieben hatte. Darauf angesprochen, bekam ich aber keine Antwort, sondern ein „Es hat bei den Kindern der anderen Frauen auch immer geholfen. Vertrau mir einfach.“ und sie warf ein Lächeln in Richtung ihres kleinen Neffens.
Heute stand ein Dinner mit Master Bradshaw an, dieser hatte uns eine Nachricht zukommen lassen, dass er mir gerne noch zwei seiner Geschäftspartner vorstellen wolle. Also war Magda ganz in ihrem Element und wuselte jetzt schon eine geschlagene halbe Stunde um mich herum und versuchte meine Haare in den Griff zu bekommen. „Mistress Kenway, wie wäre es, wenn wir die Haare einfach offen lassen und nur vereinzelte Strähnen flechten? Heute ist es ein Graus damit.“ sie sah mich entschuldigend im Spiegel an. „Macht das, ich sehe es selber schon. Schrecklich, diese feucht-warme Luft draußen bekommt meinen Haaren einfach nicht!“ lachte ich und meine Zofe gab ihr bestes.
Ich hatte mich in eines meiner besseren Kleider gezwängt und stand vor dem Spiegel im Ankleidezimmer und besah das Resultat aus Magdas Arbeit. Kleid Es saß alles an seinem rechten Fleck, auch der silberne Schmuck mit den hellen Steinen passte perfekt zu diesem hellblau. Haytham trat hinter mich und begutachtete mich, er hatte es sich angewöhnt immer einen letzten Blick auf meine Garderobe zu werfen, bevor er mich gehen ließ. Seine Hände legten sich auf meine Schultern und fuhren an meinem Hals entlang zu meinem Dekolleté, welches wieder gut zur Geltung kam. „Du siehst hinreißend aus, mi sol.“ hörte ich seine raue Stimme und spürte seine Lippen auf meiner Haut. Selig lehnte ich mich nach hinten an seine Brust und schloss die Augen, genoss für einen kurzen Moment seine Berührungen. Seit Tagen hatten wir keine Zweisamkeit mehr gehabt und ich seufzte tief. „Danke, mi amor. Du aber auch, aber du weißt ja, du könntest auch nur ein Handtuch...“ ein Prusten sagte mir, dass er damit nicht einverstanden ist.
Odin sei Dank, ging es Edward jetzt auch besser und ich konnte etwas beruhigter zu diesem Essen gehen. Auch wenn ich es immer noch nicht gerne mochte, meinen Schatz alleine zu lassen. Ich weiß, Sybill ist wundervoll als Kindermädchen und liebt ihn über alles, aber mein schlechtes Gewissen! Immer wieder musste ich mir einreden, dass wir nun mal Verpflichtungen hatten. Unten im Salon trafen wir auf Jenny und Sybill, welche mit Edward junior Bücher ansahen. „Mistress Kenway, ihr könnt unbesorgt sein.“ kam es von Mrs. Wallace und sie lächelte mich beruhigend an. „Das weiß ich, aber wenn etwas ist, dann lasst uns sofort eine Nachricht zukommen!“ meinte ich in meiner Überfürsorge zum gefühlten hundertsten Male. Dann nahm ich meinen Sohn kurz auf den Arm und drückte ihm einen dicken Kuss auf. „Edward, sei artig und verärgere deine Tante und Mrs. Wallace nicht. Ich hab dich lieb, mein Schatz!“ auch Haytham verabschiedete sich von seinem Sohn und ermahnte ihn ebenfalls, auch wenn er ein Lächeln auf dem Gesicht hatte dabei. „Nicht, dass mir nachher Klagen kommen, junger Mann.“ Als wir uns umdrehen wollten, sah ich noch, wie er anfing sein Gesicht zu verziehen und ich wäre am liebsten umgekehrt und hier geblieben. Ich wusste aber, es würde 5 Minuten dauern, ein Blick in das Buch mit den Pferdezeichnungen und eine Geschichte von Jenny, dann wäre die Welt in Ordnung.
Mit diesem Gedanken stiegen wir in die Kutsche und ließen uns zum Anwesen von Master Bradshaw bringen. Fünf weitere Truhen mit den Edelsteinen und dem Schmuck waren heute Nachmittag bereits dorthin gebracht worden. Bisher waren wir unbehelligt geblieben und ich fragte mich, ob diese Wachen wirklich noch von Nöten wären. „Alex, geh lieber auf Nummer sicher. Man weiß nie, welche Assassinen sich mal wieder auf diese Waren stürzen wollen, weil sie ein weiteres Mal falschen Informationen folgen!“ mein Mann hatte im Grunde Recht. Besser einmal zu viel aufpassen, als dieses Vermögen zu verlieren. Wir hatten im Moment alle Wachen hier auf dem Grundstück und im Haus Posten beziehen lassen!
Die Fahrt zu meinem Geschäftspartner dauerte eine ganze Weile, doch es war interessant und ich sah etwas von London. „Haytham, du musst mir dringend die Stadt zeigen. Wenn ich vermutlich auch nicht alles zu sehen bekommen werde, doch ich würde zu gerne ein oder zwei Tage mit Sightseeing verbringen. Wir haben ja noch etwas Zeit zwischen den Terminen, oder?“ ich schaute meinen Mann mit meinem besten Augenaufschlag an und lächelte. „Das ist nicht fair, so kann ich nicht nein sagen, mi sol! Aber ja, ich werde dir ein wenig von London in den nächsten Tagen zeigen, versprochen!“ und ich bekam einen Blick, der mir klarmachte, dass ich mich dafür beizeiten revanchieren werden muss. Meine Wangen wurden bei dem Gedanken warm und ich musste mich räuspern. „Wie schön, du hast es gleich verstanden.“ kam es in diesem belehrenden Ton von meinem Großmeister und ich erschauerte wieder leicht.
Als die Kutsche hielt, standen wir vor einer großen Treppe, welche zu einem riesigen Anwesen aus Klinkersteinen führte. Sehr beeindruckend mal wieder, doch Master Bradshaw nutzte sein Vermögen geschickt für die Immobilien. Haytham half mir aus unserem Gefährt und führte mich die Stufen hinauf. Klopfen war nicht einmal nötig, uns wurde sobald wir oben ankamen, die Tür geöffnet und ein Diener in weiß-blauer Livree ließ uns ein und brachte uns in den Salon. Auch hier fanden sich wieder diverse Bücher und Kunstwerke. Mit den Worten „Mistress Kenway, Master Kenway. Es freut mich, euch wiederzusehen.“ wurde ich kurz darauf aus meinen Gedanken gerissen und Finley begrüßte uns herzlich.
„Master Bradshaw, auch ich freue mich, hier zu sein. Ihr habt ein Händchen für die Kunst, wie ich feststelle.“ begrüßte ich ihn, während er mir den obligatorischen Handkuss gab. „Danke für das Kompliment, ich bin immer auf der Suche nach neuen Dingen, die noch in meiner Sammlung fehlen.“ antwortete er in einem leicht verschwörerischen Ton und lächelte mich an. „Das sollte dann wohl das kleinste Problem darstellen.“ gab ich leicht irritiert kichernd von mir, sein Blick war etwas, nunja, seltsam auf mich gerichtet.
Da die anderen beiden Herren noch nicht eingetroffen waren, saßen wir zu dritt hier und unterhielten uns über die politischen Ereignisse und über den schwieriger werdenden Handel nach oder von Übersee. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in Zukunft immer wieder neue Wege und Lösungen finden werden.“ So würde es zwangsläufig von Statten gehen, man musste immer die Pläne ändern, weil mal wieder eine Route nicht sicher war oder ähnliches. Bisher waren die Lagerhäuser in Virginia noch nicht Ziel von Kontrollen geworden, was mich beruhigte.
Dann erschienen besagte Händler und die Begrüßungs- und Vorstellungsrunde begann erneut. Mr. Ethan Owen stellte sich als erster vor. Er war ungefähr 60 Jahre alt, ein paar Zentimeter größer als ich und stämmig. Mr. Owens war für exotischere Lieferungen bekannt, so beschäftigte er sich mit Gewürzen und Tabak, weswegen ich unseren Handel dorthin vorantreiben würde. Der zweite im Bunde war Mr. Samuel Pritchard, 65 Jahre alt und Kunst- und Schmuckhändler seit Generationen, wie auch Master Bradshaw. Er war ein drahtiger großer Mann, dessen Gesicht einem alleine schon sagte, dass man sein Angebot annehmen muss, ob man nun will oder nicht. Doch er sprach ruhig und leise und hatte eine angenehme Stimme.
Während des Abendessens unterhielten wir uns über die Gegend hier, das Haus von Master Bradshaw und eben der übliche Smalltalk. Ich konnte aber spüren, dass die Herren sich allesamt etwas zusammenrissen, was die doch recht zweideutigen Aussagen anging. Mir war des öfteren aufgefallen, dass die eine oder andere Bemerkung schon mal sehr anzüglich sein konnte. „Master Bradshaw, ich vermisse eure Frau. Ich hoffe, es geht ihr gut?“ meinte ich irgendwann, weil sie leider gar nicht hier war. „Oh, meiner Gattin geht es hervorragend, doch sie ist in Bristol geblieben und überwacht den Fortschritt eines Anbaus bei unserem Anwesen dort.“ gab er als Erklärung und so kamen wir auf entsprechende architektonische Gegebenheiten bei alten Häusern zu sprechen.
Und dann hörte ich die größte Neuigkeit. Man hatte den König beraubt, aber niemand wusste von wem, geschweige denn, dass man den Einbrecher hatte fassen können. In einer völligen Nacht- und Nebelaktion soll angeblich der Diebstahl passiert sein. Laut Aussage des Hausherren handelte es sich um ein sehr altes Buch, was genau, konnte er aber auch nicht wirklich sagen. Spekulierte aber seinerseits, dass es sich um ein uraltes Relikt handeln muss, sonst wäre nicht der ganze Palast in Aufruhr.
In meinem Hinterkopf spekulierte ich meinerseits, doch ich tat meine Gedanken nicht kund. Zu gegebener Zeit sollte ich vielleicht mal eine bestimmte Person bezüglich dieser Gerüchte ansprechen. Vermutlich würde ich sie sowieso bald sehen, wir hatten uns ja angekündigt! Leider war aber bis jetzt noch keine Gelegenheit für ein Wiedersehen.
Als der Nachtisch beendet war, führte uns der Hausherr in sein Arbeitszimmer, in welchem bereits die Truhen standen. Es war Mr. Pritchard, welcher sich gleich intensiv einen Überblick über die enthaltenen Stücke verschaffte und immer mal wieder einen leisen Pfiff ausstieß. „Das sind wahrlich wunderschöne Teile, Master Bradshaw. Ihr habt nicht zu viel versprochen und dazu noch überbracht von einer weit aus schöneren Lieferantin.“ lächelte er mich Augenzwinkernd an und neben mir sog mein Mann scharf die Luft ein und griff besitzergreifend nach meiner Taille.
Es war doch nur ein Kompliment, mi amor. Er schleift mich nicht gleich ins Bett und wenn, dann hätte ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Versuchte ich ihn zu beruhigen. Sein Blick hat dich förmlich ausgezogen, so etwas dulde ich nicht, dass weißt du, Alex! Kam es säuerlich zurück. Ich drückte seine Hand und versuchte ein versöhnliches Lächeln. Ich hatte jedoch vergessen, dass auch Finley in meinen Geist dringen konnte und prompt hörte ich ihn. Mistress Kenway, euer Gatte braucht sich bei dem Herren keine Sorgen machen. Dieser, nunja, hat andere Vorlieben. Vermutlich solltet IHR eifersüchtig sein, wenn ihr versteht was ich meine. Ich konnte das breite Grinsen schon fast sehen, welches er mir gedanklich zuwarf. Mehr als wissend nicken konnte ich nicht, plötzlich musterte ich Mr. Pritchard etwas, um herauszufinden, ob man ihm seine Vorliebe für Männer eventuell ansah. Aber nichts ließ darauf schließen, ich teilte es meinem Mann dennoch still mit und erntete eine hochgezogene Augenbraue.
Mr. Owen hingegen war nicht so bewandert was Schmuck und Edelsteine anging, weswegen er sich gerade vorerst zurückhielt. Dann ging es an die Verhandlungen, was die Preise anging und ich muss sagen, Samuel war wie ein Händler auf einem Basar. Aber es machte Spaß mit den Zahlen zu jonglieren, im Grunde wussten wir beide, dass ich eine gewisse Spanne hatte und nicht einfach auf blauen Dunst zusagen konnte. Wir wurden uns nach einigem Hin und Her dann einig und ich konnte außerdem noch die fortlaufenden Lieferungen mit ihm besprechen und besiegeln. Mindestens 3 mal im Jahr erhielt ich eine Liste von ihm, wonach ich dann die anderen Händler entsprechend kontaktiere und ihm seine Stücke zusammenstellte.
Jetzt war aber Mr. Owen an der Reihe und ich sah, dass er schon ganz hibbelig war. Auch er wollte ein gutes Geschäft machen und war immer auf der Suche nach neuen Handelspartnern. Nun war es aber Haytham, welcher die ersten Verhandlungen übernahm, da er sich eben mit dem Tabak auskannte. Die beiden Herren wurden sich nach kurzen aber zähen Verhandlungen einig und vereinbarten mindestens 4 Lieferungen pro Jahr nach London und Paris, eventuell auch in die Niederlande oder Deutschland. Doch diesbezüglich würde sich Mr. Owens noch mit uns in Verbindung setzen. Wir kamen dann noch überein, da er auch Schokolade beziehungsweise Kakao verschiffte, dass ich dahingehend mein Sortiment auch noch ausbauen werde. Wir würden dann in Zukunft auch unter anderem White´s beliefern und selbstverständlich die Kolonien.
Ich würde sagen, der Abend war ein voller Erfolg und so stießen wir alle noch auf unsere neuen Verbindungen an. So langsam konnte ich mich wieder etwas entspannen und wir hatten noch einen netten Abend. Ich erzählte den Herren, wie ich an mein Schiff gekommen bin und wie ich überhaupt auf die Idee kam, in die Kolonien auszuwandern und so weiter. Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns und wurden von unseren neuen Handelspartnern auch gleich auf die nächsten Abendessen eingeladen. Mr. Pritchard war es, der einen großen Empfang zu Ehren seiner Enkelin und deren Vermählung geben wollte, zu welchem er uns herzlich einlud. Sie heiratete in die höheren Kreise und wurde nun in die Gesellschaft eingeführt zu diesem Zweck. Das hieß, ich musste mich in dieses fiese Folterinstrument stopfen lassen und durfte keinen Fingerbreit Platz lassen, innerlich seufzte ich schon.
Als wir später endlich wieder beim Kenway Anwesen ankamen, war es bereits 2 Uhr nachts und mir fielen schon fast die Augen zu im Laufen. Ein Diener öffnete uns und nahm unsere Mäntel entgegen. Auf der Treppe nach oben, sah ich schon Mrs. Wallace auf uns zukommen und dachte im ersten Moment, es sei etwas Schlimmes passiert. „Mistress Kenway, Master Kenway, ihr seid zurück. Ich hoffe, ihr hattet einen angenehmen Abend?“ fragte sie höflich und knickste. „Danke, Sybill, den hatten wir und auch noch erfolgreich möchte ich meinen.“ kam es zufrieden von meinem Mann, welcher eine schwere Zunge von dem Whiskey hatte, welchen man ihm gereicht hatte.
„Master Edward schläft tief und fest. Er hat nicht lange geweint, nachdem ihr aufgebrochen seid. Er ist ein braver Junge gewesen, Master Kenway.“ ich konnte sehen, dass Sybill aber jetzt auch hundemüde war und ich entließ sie für die Nacht. Magda und Michael kamen jetzt zielstrebig über die Galerie und gingen mit uns in unser Zimmer. Beide konnten dann auch zügig zu Bett, als wir in bequemen Sachen endlich entspannt noch vor dem Kamin saßen. Ich betrachtete meinen Mann mal wieder, wie er leicht gedankenverloren in sein Glas Brandy schaute und der Feuerschein über ihn hinwegglitt. „Woran denkst du, mi amor?“ fragte ich leise und lehnte mich an seine Schulter. „Daran, dass ich froh bin, dich an meiner Seite zu haben, dass wir einen Sohn haben und wir beide uns heute mal wieder wunderbar ergänzt haben. Und das ohne viele Worte, mi sol. Ich liebe dich!“ kam es ebenso leise von ihm und seine Lippen legten sich auf meine. „Ich liebe dich auch, Haytham!“
Langsam stand mein Mann auf, zog mich vorsichtig hoch und führte mich ins Ankleidezimmer. Leise schloss er die Tür und lehnte sich für einen Moment dagegen und sah mich einfach nur an. „Ich will dich haben, Alex. Komm her!“ seine Stimme hatte diesen Befehlston angenommen und ich ging völlig automatisch auf ihn zu. Seine Hände griffen meine Hüfte, hoben mich an und er trug mich zu dem kleinen Sofa, welches hier vor dem Kamin stand. Ich hätte dich schon vorhin auf dem Rückweg einfach nehmen können, mi sol. Und jetzt halt still und sei leise! Hörte ich ihn in meinem Kopf. Wie ihr wünscht, Master Kenway. Doch ein leises Stöhnen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen, seine Lippen versiegelten aber meinen Mund postwendend, was ich durchaus begrüßte.
Auf seinem Schoß sitzend kam ich später langsam wieder zu Atem und auch mein Mann beruhigte sich wieder. „Diese Zeit mit dir alleine fehlt mir, mi sol.“ kam es etwas bedauernd. „Ich weiß, doch noch müssen wir uns gedulden. Aber ich glaube, dass wir hin und wieder für diese Zweisamkeit Raum schaffen können. Auch ich vermisse dich!“ meinte ich flüsternd und küsste ihn zur Bestätigung. Haythams Arme schlangen sich um mich und er legte seinen Kopf an meine Brust. „Ich denke, wir sollten jetzt Schlaf finden, ich vermute, dass unser Sohn recht früh wieder nach Aufmerksamkeit verlangt.“ lächelte er mich an und erhob sich mit mir zusammen. Im Bett angekommen, kuschelte ich mich wie immer an ihn und umklammerte Haytham mit Arm und Bein. „Manchmal glaube ich, du hast Angst, ich könnte dir in der Nacht davonlaufen, mi sol.“ hörte ich ihn leise lachen. „Wer weiß, vielleicht bin ich ja doch eine Furie, aber du traust dich nicht, etwas zu sagen.“ ein „Hmmmmmmm“ und ich hatte einen leichten Klaps auf dem Hintern. „Reicht das als Erklärung dafür, was ich mit meiner hauseigenen Furie machen würde?“ vorsichtig strich ich über seine Brust und hauchte etwas atemlos ein „Ja, das reicht, Master Kenway.“
Edward junior war ein perfekter Wecker, man konnte einfach nicht verschlafen. Aber man sollte auch nicht allzu spät zu Bett gehen, er war gnadenlos und vor allem laut. Da ich den Kleinen aber nicht mehr stillte, konnte ich ihn wickeln und einfach mit zu uns ins Bett holen. Manchmal bekamen wir noch eine Stunde Schlaf, aber das war eher die Ausnahme. Heute stand nun endlich die Rundführung durch London für mich an und Haytham hatte sich einen regelrechten Plan ausgedacht, wohin er uns bringen wollte. „Und Edward muss ja auch wissen, wo seine Großeltern einmal gelebt haben. Das lässt sich wunderbar verbinden!“ es war schon fast wie ein Rausch von ihm, doch diese Freude war ansteckend.
Sogar Sybill freute sich darauf und hatte sich in ihr bestes Kleid gezwängt. Jetzt stand sie erwartungsvoll mit uns vor dem Eingang und hatte Edward auf dem Arm, welchen ich ebenfalls in seine besten Sachen gesteckt hatte. Auch wenn sie nicht lange sauber blieben, aber zum Wechseln hatten wir genug dabei. Magda und Michael hatten dann bis heute Abend frei und waren bereits aufgebrochen um sich ebenfalls die Stadt anzusehen. Haytham nahm seinen Sohn und half mir und Mrs. Wallace in die Kutsche und der erste Stopp galt dem Anwesen, in welchem die Familie damals nach dem Brand untergekommen war. Ich hatte es mir kleiner vorgestellt aus den Erzählungen von meinem Mann und sagte das auch. „Wie hatte ich es denn beschrieben? Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern?“ Also erzählte ich von meiner Vorstellung und das meine Fantasie manchmal seltsame Blüten trug.
Von dort aus ging es einmal zur Oper, vor welcher ich mit offenem Mund stand und keinen Ton rausbekam. „Diese Bauten sind einfach der Wahnsinn, Haytham. Sie sehen genauso aus wie jetzt, das ganze hat sich nicht wirklich verändert.“ er stand lachend neben mir. „Du müsstest dich jetzt selber sehen und hören, Alex. Deine Begeisterung ist einfach großartig.“ Es ging weiter Richtung White´s Chocolate House. Ein doch recht unspektakuläres Gebäude auf den ersten Blick. Aber es war gepflegt und lag, wenn man es geschäftlich betrachtete, sehr günstig. Es war gut zu erreichen, ob zu Fuß oder mit der Kutsche. Hierhin würde ich also in Zukunft auch noch liefern. Innerlich wuchs ich mal wieder einen Zentimeter, ein bisschen stolz war ich schon, dass es mit dem Handel so gut klappte.
Es kamen die üblichen königlichen Gebäude, welche man mir nun zeigte und ich muss gestehen, wenn man das noch nie in Echt gesehen hat, dann ist es einfach beeindruckend. Wie gerne würde ich Fotos machen, doch leider ging das ja nicht so einfach. Haytham ließ es sich nicht nehmen, seinem Sohn jedes kleinste Detail zu erzählen. Das wurde von Edward mit großen Augen quittiert und irgendwann war er wieder eingeschlafen, nachdem er von Sybill sein zweites Frühstück bekommen hatte. Es war nur ein süßes Brötchen, aber der Kleine bestand darauf!
Wir gingen dann eine Weile zu Fuß weiter und durchquerten einen gerade neu angelegten kleinen Park. Sybill war dankbar, als sie eine Bank fand, wo sie sich kurz setzen konnte. Ich vergaß immer, dass sie ja mittlerweile auch über 50 war und den ganzen Tag mit unserem Sohn beschäftigt war. Doch wir setzten uns alle für einen Moment und genossen die Sonne. Endlich mal keine feuchte Luft hier, meine Haare dankten es.
Zum Mittag gingen wir in ein kleines Wirtshaus, da White´s erst gegen späten Nachmittag öffnete. Und nun bekam ich typisches englisches Essen vorgesetzt und was soll ich sagen? Das wird definitiv nicht mein Lieblingsessen, da bevorzuge ich die schottische oder irische Küche. Aber was die Briten aßen war, naja, eigenartig. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und aß brav meinen Teller leer, bestellte mir aber etwas zum Magen aufräumen anschließend. „Du scheinst dich nicht mit der englischen Küche auszukennen, oder?“ kam es amüsiert von Haytham. „Nein, nicht wirklich. Wie könnt ihr sowas essen?“ grinste ich über meinen Becher hinweg. „Gewöhne dich einfach daran, dass ist das einfachste.“ Das würde ich definitiv nie tun, grinste ich in mich hinein.
Doch unser Sohn schien es zu mögen, was ihm einen anerkennenden Blick von seinem Vater einbrachte und mir einen Sieh-mal-geht-doch-Blick. Männer, diese Solidarität ist oft erschreckend. Danach wurde es aber erst einmal Zeit für Edward, dass er seinen Mittagsschlaf bekam, sonst würde ich ihn die halbe Nacht nicht ins Bett bekommen! Als wir an der Villa ankamen ging ich ohne Umschweife gleich mit ihm nach oben und machte ihn frisch und legte ihn in seine Wiege. Sein Einschlaflied durfte natürlich nicht fehlen und schon bald lag er friedlich schlummernd dort. Auf Zehenspitzen ging ich aus dem Zimmer und bat dann Sybill wieder ein Auge auf ihn zu haben.
Mir ging mal wieder im Kopf herum, dass ich immer noch nicht mit Jenny über den Armreif gesprochen hatte. Auch hatte ich ihn nicht an ihrem Handgelenk gesehen. Hatte sie ihn wirklich, oder war das doch eine Fehlinformation? Wenn ja, dann hatte ich jetzt ein Problem, eines was ich von hier nicht so einfach lösen konnte. Ich nahm mir mein Herz und ging hinunter.
Meine Schwägerin saß mit ihrem Bruder im Salon und unterhielt sich über den bevorstehenden Empfang, auch sie war einfach mit eingeladen worden, da sie zur Familie gehörte. Ich hoffte, sie würde uns begleiten, vielleicht täte ihr ein wenig andere Gesellschaft doch mal gut. Als ich eintrat sahen mich beide lächelnd an. „Alex, da bist du ja. Ich hoffe, Edward hat nicht allzu große Schwierigkeiten gemacht?“ kam es fragend von Jenny. „Nein, er war ziemlich müde. Viel frische Luft heute Vormittag und er hat so viel gesehen und erzählt bekommen, da musste er jetzt müde sein.“ meinte ich mit einem ironischen Seitenblick auf meinen Mann.
„Haytham, du unterziehst deinen Sohn doch nicht jetzt schon einigen Unterrichtsstunden, oder?“ fragte Jenny lachend und schüttelte den Kopf. „Warum nicht, man kann nicht früh genug damit anfangen.“ bekamen wir beide nun etwas beleidigt von Haytham zurück. „Mi amor, so war es ja nicht gemeint. Edward wird sicher bleibende Eindrücke behalten, lernen wird er aber erst später. Doch es schult ihn für die verschiedenen Sprachen, er sollte auf jeden Fall Deutsch neben seinem Englisch lernen. Der Rest wird sich dann ergeben.“ und gab meinem Mann einen beschwichtigenden Kuss. „Darüber sind wir uns ja schon einig, dass er mehrere Sprachen lernen wird.“ meinte Haytham lächelnd.
Ich setzte mich jetzt zu den beiden und genoss den Tee, welcher schon bereit stand. Ein wenig taten mir meine Füße weh, doch für heute wären wir noch nicht fertig. Mein Templer hatte noch beschlossen, dass wir alle gemeinsam zu White´s gehen würden und anschließend, wenn unser Sohn im Bett war, hatte er einen Opernbesuch geplant. Haytham liebte es, den Tag zu planen und ich bekam es jetzt zu spüren. Doch es tat ihm gut, so konnte er ein wenig abschalten und nicht immer an die Belange des Ordens denken. Also beschloss ich, dass ich das Thema mit den Reiseartefakten heute noch nicht ansprechen werde. Wir brauchten noch ein bisschen Familienidyll.
Als klein Edward dann wieder wach war und nach seinen geliebten Plätzchen verlangte, machten wir uns frisch und bereit für die nächste Etappe der London-Besichtigung. „Alex, hast du wirklich damals nichts außer dem Anwesen gesehen? Hat Vater dir nichts gezeigt?“ kam es auf einmal etwas ungläubig von Jenny. „Nein, dafür war aber auch nicht die Zeit und wirklich darüber nachgedacht, habe ich nicht. Anderes war wichtiger. Dein Training zum Beispiel!“ antwortete ich lächelnd und sie sah mich ebenso an. „Du glaubst gar nicht, wie ich das genossen habe.“ seufzte sie tief und auch ich erinnerte mich an diese leider wenigen und viel zu kurzen Momente.
Ich wusste es, ihr habt doch zusammengehalten! Hörte ich meinen Piraten in meinem Kopf. Was dachtest du denn? Wenn DU nicht auf mich hörst, dann wollte ich Jennifer wenigstens ein bisschen unter die Arme greifen, auch wenn ich nicht so viel Zeit hatte. Erwiderte ich trocken. Es kam aber kein Widerspruch oder ähnliches, was mich nicht unbedingt beruhigte, doch ich beließ es dabei.
Wir machten uns danach auf den Weg zu White´s, dieses mal war auch meine Schwägerin mit dabei. Sie wirkte nicht wirklich unsicher in der Öffentlichkeit, aber ein wenig verloren. „Ich war schon lange nicht mehr hier, eigentlich nicht, seit... Haythams 8. Geburtstag.“ meinte sie ein wenig überrascht über sich selber. „Das ist wirklich lange her, Jenny.“ Und zum ersten Mal erfuhr ich, wie Kakao oder besser heiße Schokolade in diesem Jahrhundert schmeckte. Im ersten Moment bitter, aber mit genügend Zucker ging es und dafür stand auch genügend Süßungsmittel auf dem Tisch. In meiner übervorsichtigen Rolle als Mutter, war ich darauf bedacht, dass Edward nicht zu viel Zucker bekam, sonst wäre er zu aufgedreht später. Doch Jenny flößte ihm fröhlich die Schokolade ein und er lächelte selig. Dieser kleine Mensch hatte sich erstaunlich schnell an das normale Essen gewöhnt, in meiner Zeit war ich viel vorsichtiger daran gegangen. Notiz an mich, nicht immer alles überbewerten, sondern auf den Bauch hören. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Mrs. Wallace war von dieser Vielfalt mal wieder völlig überfordert, aber auch sie genoss ein wenig diese Zeit und ich gönnte sie ihr von Herzen. Sie tat mir immer noch leid und ich hoffte, sie fühlte sich nicht nur als Kindermädchen, in Edwards Augen lag immer ein Leuchten, wenn sie ihn auf dem Arm hatte. Plötzlich schossen mir Tränen in die Augen und zu spät konnte ich mich wegdrehen. Mi sol, was ist los? Haythams Hand legte sich auf meine und er sah mich besorgt an, doch ich schüttelte nur meinen Kopf. Nichts, ich bin gerade mal wieder etwas überwältigt.
Kurz darauf trat ein Herr an unseren Tisch, welchen ich noch nicht kannte, doch Jenny und Haytham kannten ihn anscheinend. Es war der ehemalige Verwalter der Familie Kenway, Mr. Simpkin! Bis Haytham volljährig war, verwaltete er das Vermögen und die Immobilien neben Reginald von Edward Senior. „Miss Scott, Mistress Kenway, Master Kenway. Es freut mich, euch hier wieder zusehen.“ kam es so wahnsinnig schleimig von ihm, dass er mich an Jones erinnerte und mich schüttelte es bei dem Gedanken. Doch ich musste ihm die Hand reichen und sah aus dem Augenwinkel, wie auch Jenny etwas angewidert den Mund verzog bei der Begrüßung. Nur mein Mann war mal wieder die Professionalität in Person. „Mr. Simpkin, es freut mich ebenso. Wie ist es euch bis heute ergangen. Leider ist ja der Kontakt völlig abgebrochen, nachdem wir alles regeln konnten.“ in seiner Stimme lag seine Templerart und mir kräuselten sich die Nackenhaare.
Das ganze Gespräch, wenn man es so nennen will, verlief mit zwei, drei Sätzen und man verabschiedete sich wieder. Doch dieser Mann ließ mir keine Ruhe, es war, als würde er uns analysieren wollen. Ich verbot meinem Paranoiden-Ich aber weiter darüber nachzudenken und versuchte auf meinen Mann zu vertrauen.
Zum Abendessen waren wir wieder in der Villa und es gab normales Essen, welches ich dankbar verzehrte. Haytham schüttelte grinsend neben mir den Kopf, als er sah, dass ich mit Appetit aß. Danach brachte ich unseren Schatz noch zu Bett, er war während des Essens schon einige Male auf meinem Schoß eingenickt. Als der kleine Vielfraß in seiner Wiege lag, ließ ich Magda rufen und sie machte mich fertig für den Opernbesuch. Ich bekam ein Kleid an, welches im Grundstoff lilafarbene Seide hatte, aber darüber noch ein Goldbesticktes Oberkleid mit Schleifen am Oberteil.
Als ich dann meinen Mann in seinem farblich fast passenden Gehrock und den Hosen sah, fingen meine Augen vermutlich an zu leuchten. Ihr wisst schon, der Kartoffelsack, oder das Handtuch... Muss ich mehr dazu sagen? (etwas mehr ins lilafarbene!)
Doch auch sein Blick ließ keinen Zweifel daran, wie er gerade über mein Aussehen dachte und ich sah, wie seine Augen dunkelgrau wurden. Hol deine Gedanken aus der Gosse, Haytham Kenway. Dazu hast du später bestimmt noch Zeit. Sprach ich still und sah ihn an. Ein tiefes Seufzen, gefolgt von Schulterzucken und er gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Das Kleid steht dir, mi sol.“
Wir brachen auf zu meinem allerersten Opernbesuch und Jenny begleitete uns, was mich wirklich freute. In diesem Moment musste ich mir eingestehen, dass ich ein regelrechter Kunstbanause war. Ich kannte Opern, ich hatte Ahnung von klassischer Musik und den Komponisten, doch hatte ich nie etwas ähnliches live gesehen. Als wir ankamen herrschte großer Trubel um uns und fast alle Plätze waren besetzt. Von hier oben aus den oberen Rängen in den Logen hatte man einen fantastischen Überblick. Mit der eigentlichen Darbietung beschäftigte ich mich gar nicht, ich hatte damit zu tun, alles in mich aufzusaugen. Es gab keine Lautsprecher, kein elektrisches Licht... nichts. Es war einfach PUR und das war überwältigend für mich.
Während der Pause trat ein kleiner bebrillter Mann auf uns zu und begrüßte Haytham überschwänglich. „Ah, Master Franklin, es freut mich euch hier zu sehen. Ich hoffe, ihr genießt die Vorstellung?“ meinte mein Mann fröhlich und stellte uns, Jenny und mich, dann Benjamin Franklin vor. Doch ich stand da und starrte diesen Mann einfach nur an! Wann hatte man schon mal die Gelegenheit solche Persönlichkeiten zu treffen? Ein Druck des Daumens von meinem Großmeister in meinem Rücken brachte mich wieder ins hier und jetzt und ich begrüßte Benjamin endlich angemessen. „Die Damen müssen unbedingt zu meiner Lesung erscheinen, es wäre mir eine Freude, wenn ihr anwesend wäret.“ redete er so begeistert, dass man ihn am liebsten in den Arm genommen hätte und gedrückt hätte. „Ich freue mich, wenn wir daran teilnehmen können, Master Franklin.“ meinte ich etwas zurückhaltend und sah zu Jenny, welche die Einladung aber auch direkt annahm. Also wären wir dann am 28. Mai in dem eigens für diese Präsentation eingerichteten Teil des königlichen Palastes, man nannte es vorsichtig, den Forschungstrakt, eingeladen.
Nach weiteren eineinhalb Stunden waren wir oder besser ich erlöst, auch wenn es sich böse anhören mag. Aber ich musste feststellen, dass mir solche Veranstaltungen nicht lagen, da ich mich nicht für diese Art der Musik interessierte. Vielleicht sollte ich doch ab und an mal mein Handy nutzen und mir ein wenig normale Musik gönnen. In meinem Arbeitszimmer wäre ich auch alleine... ich schweife schon wieder ab.
Gegen Mitternacht waren wir wieder beim Anwesen angelangt und ich spürte jetzt diese Müdigkeit in mir aufsteigen, welche ich unbewusst schon den ganzen Abend in mir hatte. Ich gähnte herzhaft, als ich die Treppe hinauf in unser Zimmer ging. „Solche Abende sind nichts für dich, mi sol, oder täusche ich mich?“ hörte ich da ein belustigtes Glucksen heraus? Ich funkelte meinen Mann an. „Nein, nicht wirklich, aber da du uns den halben Tag durch die Gegend gescheucht hast, ist es doch auch kein Wunder, dass ich jetzt tot ins Bett fallen möchte.“ meine Worte waren etwas maulig aufgrund meiner Müdigkeit. „Das will ich nicht hoffen, lebendig bist du mir in unserem Bett am liebsten, mi sol.“ und ich hatte seine Hand auf meinem Hintern. DAS war natürlich ein Angebot, welches ich sicherlich in Anspruch nehmen würde.
Magda befreite mich aus dem ganzen Stoff und auch Haytham durfte wieder durchatmen. Wer hätte gedacht, dass diese Westen im Rücken geschnürt wurden, das ist mir bisher noch nie wirklich aufgefallen. Als ich dann an die Wiege von unserem Schatz trat, sah ich einen friedlich vor sich nuckelnden kleinen Mann und wieder sah ich Haytham in diesen Gesichtszügen. Wie aufs Stichwort, schlossen sich dessen Arme um mich und hielten mich fest. „Ob Edward auch in einigen Jahren noch nach mir kommt, oder ändert sich so etwas?“ fragte er neugierig. „Das kann sich durchaus ändern. Bei einer Freundin sah die Tochter auch in den ersten Jahren aus wie der Vater, dann auf einmal wie ihre Mutter und bei Jungs kann es ebenso laufen. Wer weiß das schon, mi amor. Lass dich überraschen.“ ich drehte mich zu ihm um und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Edward sollte noch eine Schwester oder einen Bruder haben, mi sol.“ kam es nachdenklich von meinem Templer. Der Gedanke war mir durchaus schon gekommen, doch noch war es zu früh, daran zu denken und das sagte ich ihm auch so. „Ich hatte auch nicht gleich an heute Nacht gedacht.“ meinte er raunend mit hochgezogener Augenbraue. „Dann ist es ja gut, mi amor. Nicht dass du gleich noch über mich herfällst und...“ doch er tat es, ohne dass ich noch groß etwas unternehmen konnte. Das Ankleidezimmer musste wieder herhalten und das dortige Sofa, doch ich ließ es als Alternative zum Bett gelten, NOCH!
Ich will dich fühlen, spüren und vor allem schmecken. Bei diesen Worten ließ er seinen Fingern seinen Mund folgen und ich spürte seine Zunge zwischen meinen Schenkeln. Wie ferngesteuert griff ich in seine Haare und biss mir auf meine freie Hand, damit ich keinen Laut von mir gab. Mistress Kenway, ich will mehr. Bei diesen Worten drangen seine Finger in mich und ich hob ihm mein Becken als Bestätigung entgegen. Er machte kurzen Prozess und ich lag wie durch Zauberhand unter ihm vor dem Kamin und konnte ihn nur noch in mich aufnehmen, er ließ nichts anderes mehr zu. Nach einigen wohligen Momenten hielt er plötzlich inne und sah mich fragend an. Ich … will mich nicht zurückhalten müssen, mi sol. Und ich wusste was er meinte und zog ihn zu mir, umschlang ihn mit meinen Beinen. Brauchst du auch nicht, mi amor. Sollte es Idun wünschen, werde ich schwanger, dachte ich in meinem Rausch und erinnerte mich an die Präsenz damals bei Edwards Zeugung. Jetzt war nichts davon zu spüren, also konnte auch nichts passieren, oder? Bei Odin, ich benahm mich gerade wie eine völlig unaufgeklärte 10jährige! Doch es war mir egal, was passieren sollte, sollte so sein und ich ließ es auf mich zukommen.
Am nächsten Morgen war alles beim Alten, keine magischen Momente oder ähnliches. Etwas erleichtert stieß ich den Atem aus und drehte mich zu Haytham, welcher mal wieder vor mir wach war und mich ansah. „Wie konntest du in deiner Zeit kontrollieren, ob du ein Kind bekommst oder eben nicht?“ kam es völlig unerwartet von ihm und ich blinzelte ihn verwirrt an. „Ähm... also... da gibt es verschiedene Methoden... das... Haytham, bitte! Ich bin noch nicht mal richtig wach.“ gab ich etwas schläfrig von mir. „Verzeih mir, aber es beschäftigt mich halt.“ Ein Kuss auf meine Stirn und er stand auf. Edward war bereits munter, aber hatte Gefallen an seinem neuen Mobile gefunden, welches ihm Jenny geschenkt hatte. Wie sollte es anders sein, es waren Pferde in verschiedensten Bewegungen!
Langsam setzte ich mich auf und rutschte ans Kopfende. Haytham stand vor der Kommode und war dabei, sein Gesicht zu waschen. Doch die Rückansicht von ihm war einfach, wie soll ich es sagen, sehr ansprechend und ich konnte mir ein lautes Seufzen nicht verkneifen. „Dir gefällt immer noch, was du siehst, mi sol?“ kam es lachend von meinem Templer. „Ja, und es bringt mich auf sehr unanständige Gedanken, Master Kenway.“ bei den Worten musste ich mich tatsächlich räuspern.
Ein quietschendes „Maaaaaaamaaaaaaaaaa“ aus Edwards Richtung ließ mich schlagartig ernüchtern und ich starrte meinen Sohn an. „Schätzchen... du hast Mama gesagt!“ schnell zog ich mir meinen Morgenrock über und stand an seiner Wiege, nahm diesen kleinen Menschen hoch und sah ihn voller Stolz an. „Edward, das ist fantastisch.“ und als sein Blick auf seinen Vater fiel, nahm er den Finger aus dem Mund und brüllte „Papppppppaaaaaaaaaaa!“ wir sahen uns an und ich brach in Tränen aus. Es war nicht viel, aber... es war der Anfang! „Bei Odin, ich hab dich so lieb, Edward.“ und drückte ihm einen dicken Kuss auf. Haytham stand jetzt in seinen Hosen neben uns und sah seinen Sohn stolz an. Natürlich korrigierte er seinen Sohn und erklärte ihm die englischen Wörter „Vater und Mutter“. Wirklich recht war mir das nicht, aber Haytham hatte diese Traditionen inne und ich musste sie respektieren, auch ich hatte Grundsätze, welche ich durchsetzen wollte. Also waren wir uns stillschweigend einig, dass es ein Kompromiss war, mit dem wir wirklich leben konnten, auch wenn ich mir eingestehen musste, dass ich vieles über Bord werfen musste.
Und dann wuselten Magda und Michael um uns herum und auch Mrs. Wallace war erschienen und betüdelte ihren kleinen Schützling. Heute stand vorerst nichts an, doch in meinem Kopf hatte ich den Plan, Jenny auf den Armreif endlich anzusprechen. Als ich meinem Mann von meinem Gedanken erzählte, stimmte er mir zu und fragte, ob er dabei sein sollte oder ob ich lieber alleine mit ihr sprechen wollte. Im Grunde war es egal, also konnte er auch dabei sein.
Im Laufe des Vormittags erschien ein Bote und brachte eine, für mich, sehnlichst erwünschte Nachricht. Sie war von Faith und sie lud uns ein, nichts offizielles, sondern einfach so, da wir gerade in London verweilten. Sie hatte den 23. Mai vorgeschlagen und ich beantwortete die Nachricht mit einem breiten Grinsen im Gesicht und ließ sie überbringen. Endlich würde ich meine Freundin wieder sehen und ich war sehr gespannt, wie das Anwesen hier in London aussieht, Haytham hatte es mir zwar beschrieben, doch so wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht.
Als mein Sohn dann seinen Mittagsschlaf hielt, setzte ich mich mit meiner Schwägerin und meinem Mann nach draußen in den Garten, es war mittlerweile angenehm warm geworden. Unser Gespräch führte Jenny mal wieder zu ihrer Pflanzenkunde und wie sie in den Jahren die Liebe dazu gefunden hatte. Diesen Faden griff ich auf und sprach sie einfach auf ein Geschenk an. Ihr Blick wurde sofort misstrauisch und sie sah von mir zu Haytham und wieder zurück. „Warum fragst du danach, Alex?“ ich seufzte leise und antwortete einfach ehrlich, warum sollte ich um den heißen Brei reden. Wir hatten sie ja schon ein wenig eingeweiht, sodass sie uns besser verstand und unsere Beweggründe kannte.
„Ich hatte dir ja berichtet, dass wir noch auf der Suche nach einem Artefakt sind, welches ich nur hier bekommen kann. Als ich noch in meiner Zeit war, kam mir der britische Ritus in die Quere und verhinderte, dass ich diesen Armreif bekomme. Und ich weiß, dass du ein solches Schmuckstück bekommen hast. Jenny, es ist wirklich wichtig und denk daran, ich will dich nicht hintergehen oder sonst etwas. Anders kam ich nicht weiter und ich wäre dir unendlich dankbar, wenn ich wenigstens einen Blick darauf werfen könnte. Es kann auch sein, dass es doch nicht der richtige Gegenstand ist, was natürlich sehr ärgerlich wäre.“ ich sah sie erwartungsvoll an und ihre Miene erhellte sich mit einem Mal.
„Verzeih mir, ich dachte schon, es geht um diesen ganzen Krieg zwischen Templern und Assassinen, wenn ich ehrlich bin, ich bin es leid, immer dazwischen zu stehen. Haytham, du weißt, wie ich das meine. Es ist nicht wegen dir, du bist mein Bruder!“ ihr Blick richtete sich fragend auf meinen Mann. „Ich verstehe das schon, Jennifer.“ kam es kurz angebunden von ihm. Ich würde die beiden nie wirklich vereinen können. Nein, dass wirst du nicht schaffen und ich bereue, dass ich selber nicht mehr für ihren Zusammenhalt getan habe. Hörte ich Edward plötzlich traurig in meinem Kopf. Nun war es dafür definitiv zu spät.
„Wartet kurz, ich hole ihn eben.“ und Jenny ging ins Haus. „Haytham, kannst du nicht etwas netter mit deiner Schwester umgehen. Du bist immer so wahnsinnig kühl ihr gegenüber.“ bat ich ihn jetzt einfach. „Sie ist doch nicht anders zu mir, das war sie schon immer. Uns verbindet halt nur der Name, oder besser, dass wir den gleichen Vater haben, mehr aber nicht.“ kam es etwas resigniert von meinem Templer.
„Da hast du wahrscheinlich Recht, aber ich würde es gerne anders sehen.“ sagte ich traurig und spürte seine Hand auf meiner. „Alex, es ist nicht deine Schuld und du brauchst dir auch keine Gedanken darüber machen. Mir und Jenny geht es gut mit dieser Form unserer Beziehung. Glaub mir!“ versuchte mich Haytham jetzt zu beruhigen. „Manchmal denke ich doch, es ist ein bisschen meine Schuld...“ er ließ mich aber nicht ausreden. „Nein, dich trifft keine Schuld und du musst dringend aufhören, immer alle Menschen vereinen zu wollen. Das wird leider nicht funktionieren. Das einzige, wo ich zuversichtlich bin, ist, dass wir es schaffen die Bruderschaft und den Orden in einer einvernehmlichen Weise zu verbinden.“ sein Lächeln brachte mich wieder runter und eigentlich hatte er ja Recht. „Also schön, ich lass es. Aber nicht, dass du dich später dann mal bei mir beschwerst, Haytham!“ gab ich trotzig von mir und musste selber grinsen.
Jenny erschien wieder bei uns und hatte eine kleine Holzkiste in der Hand, welche sie mir reichte. „Wenn dieser Armreif wirklich so wichtig ist, warum habe ich ihn dann einfach bekommen? Ich verstehe das nicht.“ in ihrem Gesicht deutete sich Skepsis an. „Die anderen Artefakte waren ebenso einfach aufzuspüren, ich verstehe es ja selber nicht. Wer ein wenig gegraben hätte, hätte sie alle in kürzester Zeit gefunden. Aber ich befürchte, es wird erst schwer, wenn alle zusammen vereint werden sollen. Oder zusammengebracht wurden, wenn ich alles richtig gedeutet habe, öffnet man damit einen Tempel oder zumindest ein Tor. Wohin das führt, vermag ich noch nicht zu sagen. Darüber schweigen sich die Götter und die Isu aus.“ redete ich wie hypnotisiert vor mich hin und starrte auf das Holzkästchen in Jennifers Händen.
In diesem Moment mochte ich es gar nicht öffnen, es könnte das falsche Artefakt sein und dann hätte ich ein Problem, oder es war das Richtige, doch dann wüsste ich nicht, was passieren würde. Meine Hände fingen an zu zittern als ich die Kiste an mich nahm und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Haytham mich besorgt musterte. Ich atmete tief durch und stellte sie auf den Tisch vor mir, rieb mir noch mal die schweißnassen Finger am Kleid ab und öffnete vorsichtig die Verschlüsse. Als ich den Deckel anhob, stieß ich einen Begeisterungsruf aus, es war genau DER Armreif der fehlte und er leuchtete in meiner Nähe. „Alex, warum... bei mir passierte nie etwas ähnliches.“ kam es staunend von Jennifer.
„Ich kann das auch nur damit erklären, dass mir die Götter und Isu eine entsprechende Fähigkeit gegeben haben, diese Artefakte zu finden oder auch verwenden zu können. Bei Odin, ich bin gerade völlig überwältigt und vor allem erleichtert!“ ich war völlig aus dem Häuschen und zitterte am ganzen Körper. Doch es tat sich nichts, auch als ich den Armreif in die Hand nahm, passierte nichts. In mir stieg der Verdacht auf, dass es sich wie mit den Träumen mit Faith auf Anticosti verhielt. Nur hoffte ich, dass ich nicht gleich heute Nacht diese neuen Erkenntnisse übermittelt bekam, ich wollte vorher noch meiner Schwester davon berichten.
Ich teilte den beiden meine Gedanken mit, weil sie mich besorgt ansahen. „Alex, dann schreib ihr ein paar Zeilen.“ ermunterte mich Jenny. „Nein, das wäre zu gefährlich. Ich weiß nicht, wer diese Nachrichten abfangen könnte.“ Im selben Moment stöhnte ich laut auf, ich hörte mich wie eine wahre Templerin an, die hinter jeder Ecke eine Verschwörung witterte. „Verzeiht, ich bin vermutlich zu vorsichtig...“ es war mein Mann der plötzlich kichernd dasaß und mich belustigt ansah. „Alex, du hast dich in kürzester Zeit zu einer wahren Templerin gemausert, du machst sogar Lady Melanie Konkurrenz!“ Ob das nun ein Kompliment für mich war, bezweifelte ich, doch ich musste selber grinsen. „Bei Odin, ich bin unmöglich. Dann will ich deiner kleinen Schwester mal schreiben, mi amor!“ sagte ich und ließ mir Papier und Feder bringen. Ich muss in diesem Zusammenhang gestehen, dass ich mich mehr und mehr mit der Tatsache angefreundet hatte, dass ich Angestellte und Bedienstete zur Verfügung hatte und dieses auch entsprechend nutzte. Es war ein angenehmes Leben, auch wenn ich mein altes Leben durchaus manchmal vermisste.
Nachdem ein Bote die Nachricht überbringen würde, lehnte ich mich etwas entspannter zurück und betrachtete diesen Armreif. Auch auf ihm prangten die Zeichen, aber nicht nur die üblichen Runen, sondern auch noch verschnörkelte Ranken und ähnliches. Er war wie die anderen aus Silber gefertigt und sehr filigran gehalten. Jenny fragte nach den Runen und wie es sich mit diesen nordischen Göttern verhielt und ich versuchte meinerseits ihr einen kleinen Einblick zu geben in diese Mythologie. Alles könnte ich ihr an einem Abend nicht erklären, dafür war das Thema zu komplex.
Als Edward junior wieder wach war, beschloss mein Mann, dass wir den hiesigen „Tierpark“ besuchen sollten. Er hatte gehört, dass dort auch sehr exotische Tiere seit kurzem untergebracht seien. „Ich bin gespannt, wie ein solcher Park in eurer Zeit aussieht.“ gab ich etwas zögerlich von mir, ich kannte die Zoos noch aus Aufzeichnungen des viktorianischen Londons und ahnte schlimmes. Viele Tiere eingepfercht auf engstem Raum hinter Gittern, für mich ein Graus und nur schwer zu ertragen. Doch meinem Mann zuliebe und meinem Sohn, würde ich mitgehen. Meine Schwägerin würde lieber daheim bleiben und an ein paar Rationen der Tinktur für klein Edward arbeiten, damit wir genug auf Vorrat hatten. Also zog ich mich um, damit ich nicht ganz so schäbig herumlief und wir fuhren zum Tower. Staunend stand ich dann vor den Toren und konnte mir nicht vorstellen, dass HIER die Tiere untergebracht waren.
Mein Mann war aber in seinem Element, er hatte Edward auf dem Arm und ging begeistert von einem Käfig zum anderen. Für mich sahen sie wie Gefängniszellen aus und mir drängte sich dieser Gedanke auf, dass ich Charles Lee gerne in so einer Zelle sehen wollte und ihm so gerne wehtun wollte... „Alex, was ist los? Du siehst aus, als würdest du gerade einen Plan schmieden, jemanden bis auf den Tod zu foltern.“ kam es stirnrunzelnd von Haytham. Wie recht er doch gerade hatte. „Das hast du richtig gedeutet, das würde ich auch gerne.“ gab ich als kurze Erklärung und versuchte meinen Widerwillen zu verdeutlichen. „Haytham, diese Tiere hier werden auf engstem Raum gehalten. Das ist völlig unnatürlich... Verzeih mir, aber mir tut so etwas im Herzen weh, ich bin vermutlich zu tierlieb...“ Doch ich ging mit meinen beiden Männern weiter, Edward hatte immer größere Augen und staunte über die Elefanten oder auch über den Löwen, welcher majestätisch auf einem Fels in seinem Käfig lag.
Haytham erklärte alles, erzählte woher diese Tiere kamen, wie sie hießen, auf englisch oder auch auf lateinisch und und und. Mir kam der Gedanke, dass mein Mann einen guten Lehrer abgeben würde. Nach etwas mehr als zwei Stunden brachen wir wieder auf und mein Mann redete immer weiter, ihm fielen Geschichten zu den Lebewesen ein, da er selber ja viel herum gekommen war und dafür beneidete ich ihn ein wenig. Ein schläfriges „Papaaaaa“ riss mich aus meinen Gedanken und ich sah, wie Edward auf dem Arm von Haytham an dessen Schulter lehnte, mit dem Daumen im Mund und mit geschlossenen Augen sich an ihn kuschelte. Ein hinreißendes Bild und meine Liebe für diese beiden Menschen drohte gerade zu explodieren.
„Mi sol, du solltest dich sehen. In deinen Augen kann man förmlich die Liebe sehen, sie leuchten wieder, genau wie in den Momenten wenn du Edwards Schlaflied singst.“ kam es leise von Haytham und seine Hand fuhr leicht über meine Wange. „Dieser Anblick ist einfach wunderschön, mi amor.“ brachte ich stockend über die Lippen, ich musste gerade Tränen unterdrücken.
Pünktlich zum Abendessen waren wir wieder daheim und der kleine Vielfraß verspeiste alles, was ihm Mrs. Wallace reichte. Ich war immer noch völlig fasziniert davon, dass er alles so gut vertrug und vor allem auch mochte. Man konnte zwar jetzt meckern, dass er keinerlei Tischmanieren besaß, doch... er war noch nicht mal ein Jahr alt, da ist das zu verzeihen! Sybill machte den Dreckspatz dann noch bettfertig und ich sang ihm sein Lieblingslied vor, während Edward mich mit diesen blaugrauen Augen gebannt ansah. „Mamaaaaaaaaa“ und seine Ärmchen reckten sich mir entgegen. Also schön... „Schätzchen, aber nur kurz kuscheln, du musst doch völlig müde sein.“ meinte ich leise und wiegte ihn leicht hin und her, bei diesen Bewegungen sah ich, dass seine Augen immer schwerer wurden und sein Daumen gen Mund wanderte. Dann war mein Schatz eingeschlafen und ich legte ihn vorsichtig wieder hin. Sein Schlaf war erstaunlich tief, so dass ich leise hinaus gehen und Sybill mich ablösen konnte.
Unten im Salon unterhielten sich Jenny und Haytham mal wieder über die alten Zeiten und als ich eintrat, sahen mich die beiden voller Erwartung an. „Habe ich etwas verpasst, oder erwartet ihr jetzt einen Zaubertrick von mir? Ihr seht so gespannt in meine Richtung.“ fragte ich etwas skeptisch. „Nein, keine Sorge. Wir haben nur gerade davon gesprochen, ob klein Edward nach dir oder nach Haytham kommt. Und ich versuche gerade herauszufinden, ob er nicht doch auch ein wenig von dir hat, Alex.“ grinste sie mich an. Und so verlief dieser Abend mit seichtem Geplänkel, welches für mich beruhigend war, es würden auch wieder andere Zeiten auf uns zu kommen.
Als Magda mich dann später endlich aus meinem Kleid befreit hatte, setzte ich mich leicht seufzend aufs Bett und sah mich um. Zum ersten mal, wie es schien, nahm mein Geist hier alles völlig klar wahr und in sich auf. „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass das dein Kinderzimmer damals war, mi amor.“ gedankenverloren sah ich mich um und sprach mehr zu mir selber... „Doch, es ist mein altes Zimmer. Wenn du dort aus dem Fenster schaust, dann siehst du das Tor in der Mauer zu den... Nachbarn.“ kam es mit einer plötzlichen Kälte, die mich erschauern ließ. „Haytham, verzeih mir. Ich wollte dich nicht daran erinnern... ich bin manchmal einfach zu tolpatschig.“ meine Hand griff nach seiner und sein Blick deutete mir, dass er es mir nicht übel nahm. Haytham stand vor mir und sah auf mich hinunter. Vorsichtig strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht und hielt seine Hand an meine Wange. In seinem Blick konnte ich plötzlich wieder diese Fragen sehen und ich hörte sie in meinem Kopf. Warum mein Vater? War es wirklich so vorgesehen, dass du an meiner Seite sein sollst? Aber warum war ich nicht vorbereitet? Oder gehört das auch zu diesen Göttern und diesen Wesen? Doch ich konnte ihm keine Antwort darauf geben.
Ich weiß es nicht und ich würde alles geben, endlich eine konkrete Antwort zu bekommen. Doch ich befürchte, darauf werden wir noch warten müssen, Haytham. Das einzige, was wirklich klar ist und was wichtig ist, ist dass ich dich über alles liebe, auch wenn es etwas gedauert hat. Ich bin jetzt hier und ich bleibe, wie ich es damals versprochen habe. Welchen Einfluss die Götter oder diese Isu haben können, weiß ich nicht wirklich, doch ich weiß, dass es ein richtiger Weg sein wird. Sprach ich völlig in Gedanken und sein Blick klärte sich und sah mich wieder mit diesem warmen Glanz an.
„Ich liebe dich auch, mi sol!“ er beugte sich zu mir hinunter und schloss die Hände um mein Gesicht und küsste mich. Vorsichtig zog er mich hoch und hielt mich einfach nur fest. Es war kein Verlangen in unserer Umarmung oder in diesem Kuss, es war einfach nur ein Zeichen, dass wir uns blind vertrauten und aufeinander verlassen konnten. Irgendwann lagen wir eng umschlungen, wie immer, im Bett und mir ging mal wieder durch den Kopf, dass dieser Mann meine Welt bedeutete! Mit diesem Gedanken und seinen Armen um mich, fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Der Traum des Artefakts
Ich streifte wieder durch einen Wald, es war kalt und dunkel. Ich konnte fast die Hand nicht vor Augen sehen, doch als ich an mir hinunter tastete, hatte ich keine Taschenlampe bei mir, sondern nur ein Schwert, den Dolch und die Pistole. Ich trug allem Anschein nach die Meistertemplermontur mit dem Schutz von Käptn Kidd, mehr auch nicht.
In mir breitete sich Angst aus, ich nahm den Geruch des Waldes wahr, ich spürte diese Kälte um mich und auch, dass ich nicht alleine war. Doch auch als ich meinen Sinn einsetzte konnte ich nichts sehen. Wo war ich bitte jetzt gelandet?
Wieder auf Anticosti?
War ich wirklich jetzt hier? War es wie damals mit Faith, als wir diesen Tempel betraten und dieses Tor fanden? Aber wo war sie jetzt? Musste ich doch alleine dort hinein? Aber warum war sie vorher mit mir hier?
Langsam ging ich weiter ohne zu wissen, in welche Richtung ich unterwegs war. Immer gerade aus, oder nicht? Mich behinderten Wurzeln am Boden und ich wäre ein paar mal fast gestürzt, konnte mich aber noch abfangen und an herabhängenden Ästen festhalten. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich leises Plätschern und folgte instinktiv diesem Geräusch. Als es lauter wurde, konnte ich durch die Baumstämme im kargen Mondlicht das Wasser glitzern sehen.
Es war tatsächlich diese Lichtung, dieser Bach, welchen ich mit meiner Schwester damals gesehen hatte. Also musste ich nur noch etwas weiter nördlich gehen und wäre dann bei dem Eingang zu der Höhle. Auch wenn ich im Geiste gerne umgedreht wäre, mein Herz aber sagte mir, ich solle weiter gehen. Ich tat es und kurz darauf sah ich diese Vertiefung im Felsen, welche vom Mond leicht beschienen wurde.
Ich ging hinein und folgte dem Verlauf der Felswände, auch wenn meine Platzangst mich an den Rand des Wahnsinns trieb, ich atmete tief durch, ich wusste ja, es würde eine große Halle auf mich warten! Und so war es auch! Ich sah schon das seichte Licht und ging darauf zu.
Als ich nun in diesen Raum trat, konnte ich durchatmen und erschrocken stellte ich fest, dass ich nicht alleine war. Haytham, Shay, Faith und sogar Lucius waren anwesend. WARUM Lucius? Was hatte ER hiermit zu tun? Doch zum Nachdenken blieb mir keine Zeit, meine Schwester stürmte auf mich zu und umarmte mich. „Alex, was ist hier los, warum sind wir hier und warum jetzt? Ich verstehe das nicht!“ hörte ich ihre Worte an meinem Ohr.
„Faith, wir haben das letzte Artefakt von Jenny bekommen! Aber ich konnte doch nicht ahnen, wie sich das auswirkt. Ich bin gerade selber völlig sprachlos!“ meinte ich atemlos, ich wusste wirklich nicht, was jetzt passierte.
Lange mussten wir nicht warten und ich hörte laute Schritte von Kampfstiefeln in der Nähe. Mit einer Handbewegung gebot ich den Anwesenden Einhalt, weil sie alle vier ihre Waffen zogen. „Nicht, es sind vermutlich meine Leute, aus meiner Zeit... ich hoffe es... ich weiß es nicht... bei Odin...“ ich atmete immer schwerer, fast schon hyperventilierte ich.
Und dann traten sie um die Ecke und ich sah sie in diesem Leuchten auftauchen, welches von der Wand hinter mir ausging. Die 20-Mann starke Truppe war bewaffnet bis an die Zähne, trug zudem Mundschutz und eine schwere Montur. Doch als der Blick auf mich fiel, nahmen sie alle, wie abgesprochen, ihre Masken ab und ich erkannte wirklich meinen Trupp.
Rafael, William, Tobias, Yannick, Laura... sogar Frau Alberts war dabei. Sie alle standen jetzt erwartungsvoll dort und warteten. „Bei Odin, ich bin dankbar, dass ihr hier seid.“ mehr konnte ich nicht sagen und stürzte auf meinen Sohn zu. Dieser nahm mich ebenso schluchzend in den Arm. „Mom, ich habe dich so vermisst, aber jetzt werden wir hoffentlich EIN Rätsel lösen können. Es macht mich wahnsinnig mittlerweile.“ meinte er und sah mich lächelnd an. „Mich auch mein Schatz, mich auch.“
Ich ließ der Begrüßung keinen Raum, es war einfach unangemessen. Stattdessen gab ich die Befehle die Kameras zu positionieren und das Equipment zu platzieren. So, wie ich es in den Aufzeichnungen hinterlassen hatte, welche ich schon im 21. Jahrhundert verfasst hatte. Und es schien, als wäre alles so übermittelt worden, wie ich es wünschte und ich hatte mich wirklich nicht geirrt! Trotzdem wurde ich immer nervöser und das Zittern nahm zu in meinem Körper. „Alex, ich bin bei dir und ich spüre es auch.“ meinte Faith plötzlich zu mir, während sie skeptisch das Treiben meiner Crew beobachtete.
„Und dafür bin ich dir dankbar, mo rionnag! Ich vermute, wir werden gleich erfahren, was für ein Schicksal uns noch so erwartet.“ sprach ich fast tonlos, ich war einfach zu nervös.
Die Kameras waren angebracht, alle technischen Geräte standen und waren bereit. Jetzt trat mein erster Maat vor und stellte eine große gesicherte Truhe neben mich und dem Sockel vor dem Tor. Yannick kniete sich neben mich und gemeinsam öffneten wir diese mit unseren Fingerabdrücken. Und schon hörte ich dieses Surren, keine Stimmen, aber dieses unwirkliche Geräusch, als würde ein unsichtbarer Schwarm Fliegen irgendwo in der Nähe sein.
Ich nahm den Kasten mit der Halterung heraus, diese würde ich als erste zusammenbauen müssen, danach kämen dann die Schmuckstücke und dann die Armreife. Als ich den Fuß in den Sockel legte, war es, als würde er damit verschmelzen. Danach kam die obere Stange, welche ich festschraubte, auch sie schien eins zu werden mit dem Stein. Dann legte ich die sternförmige Halterung oben auf, doch sie blieb in ihrem Zustand.
„Die Schmuckstücke... platziere nun den Ring, den Apfel, die Kette und die Schatulle!“ hörte ich eine freundliche Stimme und ich tat wie mir geheißen. Doch diese Stimmen nahmen zu und als ich das letzte Stück auf den Sockel legte, war es, als würden tausende Menschen um mich herum versuchen mich zu beschwören. Diese Lautstärke war kaum auszuhalten und in diesem Moment trat ein Mann vor, welchen ich vorher nicht gesehen hatte. Es war Elias! Was machte er hier? „Mistress Kenway, ich werde euch jetzt weiter führen. Hinter diesem Tor, hinter dieser Barriere werdet ihr mich in meiner wahren Gestalt sehen und erkennen. Nehmt zuerst die Armreife mit den Runen und richtet sie nach einem Kompass aus, ihr wisst wie das geht, ich habe es euch bereits angedeutet!“
Ich nahm eine Blei verkleidete Kiste nach der anderen und platzierte diese Ringe, als wäre es das natürlichste auf der Welt. „Alex, rede mit mir, was passiert hier?“ hörte ich die Stimme von meinem Mann. „Ich weiß es nicht, ich sage es dir später, aber lass mich einfach weitermachen.“ sagte ich still.
Die Runenringe waren platziert und ich spürte eine Vibration vom Boden her. Ähnlich derer, welche ich mit dem Amulett und dem Sonnensymbol gespürt hatte. Doch es passierte nichts. Also fing ich an die anderen Ringe in Position zu bringen. 2 / 2 / 1 / 3 … so war der Verlauf der Runen auf dem Zeichen von Thors-Hammer und dem Vegvisir (Wegweiser). Der letzte Ring war angebracht und dann brach im wahrsten Sinne die Hölle los!
Die Erde bebte zu meinen Füßen und ich sah diese rotglühenden Spalten... mein Albtraum wurde wahr! Das konnte nicht sein und ich versuchte mich in Sicherheit zu bringen, doch stattdessen hörte ich die Stimme von Elias und auch Finley war mit einem Male in meinem Kopf! „Mein Kind, jetzt folge mir und du wirst dein Vermächtnis erfahren!“ Um mich herum sah ich nichts mehr, außer dieser Wand, welche sich verschob und den Blick auf einen rotglühenden Hügel preisgab. Ich hörte Haythams Stimme, welche mir sagte, ich soll nicht gehen, gleichzeitig vernahm ich plötzlich die Worte meiner Mutter, die mir sagte, dass ich Vertrauen haben sollte. Erst jetzt spürte ich, dass ich auf diese leuchtende Wand zuging mit Tränen auf den Wangen. Neben mir schritten Haytham, Shay und Faith ebenfalls darauf zu und ich sah erstaunt in ihre Richtung.
„Alex, frag mich nicht, aber ich spüre, dass ich weitergehen soll.“ kam es von Shay und auch Haytham äußerte sich entsprechend, vor allem genauso staunend. Zu viert schritten wir in diese zerklüftete Welt, in welcher ich die ganze Zeit Angst hatte, zu verglühen. Es waren diese rotglühenden Spalten, welche ich das erste Mal auf Great Inagua sah. Plötzlich tauchten vor uns Gebäude auf, welche aber auch wie Lava vor uns waberten. Aus ihnen traten nun vier … ja … Erscheinungen? Wesen? Lichtgestalten? Es war eine Mischung aus allem. „Da bist du nun endlich, mein Kind und kannst deine Bestimmung empfangen.“ hörte ich eine freudige Stimme und erkannte sie als die von Finley. Verwirrt sah ich in die Richtung und das Wesen war durchschimmernd, erkennen konnte ich leider keine Details.
Freya war es , die mit mir UND Faith sprach, die Männer ließ sie außen vor. „Ihr beide erfüllt jetzt, endlich eure Bestimmung und könnt gemeinsam euer Werk fortsetzen. Wir haben lange warten müssen. Doch es fehlt noch ein entscheidender Einfluss.“ und ich sah Bilder vor meinem geistigen Auge ablaufen.... es war Connor, Haythams Sohn mit Ziio. „Du, mein Kind wirst sie vereinen und dem ganzen Wahnsinn Einhalt gebieten. Koste es was es wolle, wie ihr doch so gerne sagt!“ sprach diese friedliche Stimme weiter.
„Das werde ich“ mehr konnte ich nicht sagen. „Du wirst von nun die Wächterin über Zeit und Raum und verwahrst das Wissen, welches sich dahinter verbirgt. Aber bedenke, dass du es niemals zu deinem Vorteil nutzen darfst. Auch wirst du nichts, was nicht änderbar ist beeinflussen können. Doch eine einzige Möglichkeit, EIN Leben zu retten, werden wir dir geben. Nutze sie im entsprechenden Moment weise, danach gibt es kein Zurück mehr!“ Ich stand zitternd dort und sah auf all diese nebligen Gestalten, oder auch leuchtenden Gestalten. Es war eine ganze Stadt, welche sich uns nach und nach präsentierte. „Deine Schwester und du werdet dafür sorgen, dass alles im Gleichgewicht bleibt. Ihr beide werdet uns und unsere Artefakte beschützen, es ist eure Bestimmung.“
Plötzlich verstummte sie. Eine anderes Wesen trat vor und ich fühlte einen brennenden Schmerz auf meiner linken Schulter. Als ich meine Montur zur Seite schob und darauf sah, war dort ein Rabe tätowiert. Odin? „Alex, warum habe ich eine Rabentätowierung auf meiner rechten Schulter?“ Hörte ich Haythams ungläubige Stimme und sah ihn an und grinste dämlich. „Odin wünscht es so!“ und so war es auch! „Ihr seid meine Gefährten, meine Vertrauten. In der Zukunft werden nicht immer Worte von Nöten sein, um zu kommunizieren. Fühlt einfach den anderen und ihr werdet wissen, was der andere gerade durchlebt. Ihr könnt euch zur Hilfe eilen!“ die Worte richtete er an meinen Mann und mich, diese Stimme war mir vertraut und ich erkannte sie als die von Elias!
Plötzlich wurde mir klar, dass ich ab jetzt wie ein Medium agierte. Ich konnte vermitteln über weite Strecken und Distanzen. Aber ich hatte auch die Zeit, welche ich nutzen konnte. Doch das musste ich noch lernen! Es war verlockend, alles manipulieren zu können, doch tief in mir wusste ich, dass es falsch war. Also verwarf ich schnell diesen Gedanken wieder. „Aber wie kann ich die Zeit beeinflussen? Und wenn ich doch eigentlich nichts verändern darf, warum habe ich jetzt dieses Vermächtnis?“ fragte ich die vier Erscheinungen vor uns.
Es war Fulla, welche jetzt vortrat und mir antwortete. „Verändern brauchst du nicht unbedingt etwas, aber dir wird unter anderem Zeit geschenkt, welche du brauchst, um deine Angelegenheiten zu klären. Und in Kämpfen wirst du sicher auch von dieser Fähigkeit profitieren. Nur eines darfst du nicht! Manipulieren! Doch das hast du ja selber schon aus deinen Gedanken verbannt!“ Jetzt reichte sie mir einen leuchtenden Gegenstand. Als ich ihn näher betrachtete, sah ich, dass es ein filigraner Armreif aus Gold war, auf welchem die mir bekannten Runen prangten. Vorsichtig legte ich ihn an und... er passte sich meinem Handgelenk an, so dass ich ihn vermutlich auch nicht mehr ablegen könnte. „Nun wirst du neben uns über die Zeit und den Raum wachen. Vergiss aber nie meine Worte! Du darfst nicht manipulieren und deinen Vorteil daraus ziehen!“
Idun erschien neben ihr und reichte mir ihre Hand. „Jetzt weißt du um deine Bestimmung! Von nun an, wirst du mehr Zeit haben, als andere. Du wirst noch einmal empfangen und Mutter werden. Wir legen schützend die Hände auf deine Kinder und Enkelkinder. Eines hat bereits für ein Gleichgewicht in der Zukunft gesorgt, hier wird das Gleiche geschehen. Geht nun und erfüllt eure Pflichten!“
Hinter ihr erschienen Elias und Finley. Jetzt wusste ich, welchem Gott ich eigentlich gegenüberstand und konnte es nicht glauben. Es war wirklich Odin! Jetzt bereute ich es, dass ich seinen Namen so oft genutzt hatte... „Du hast meinen Namen geehrt, Kind. Nicht ohne Grund habe ich dich und deinen Mann zu meinen Vertrauten gemacht. Eure Augen und Ohren sind auch die meinen, wacht über die Menschen, welche sich nicht immer selber schützen können. Helft den Menschen, welche dringend der Hilfe bedürfen. Und jetzt ist es an der Zeit, dass ihr geht. Ich werde in deiner Nähe bleiben, Kind!“
Und Finley? Ich ahnte es schon, EIN Gott fehlte noch und es war tatsächlich Loki. „Auch ich werde ein Auge auf euch und die Gefährten haben! Zusammen werdet ihr in eure Zukunft gehen und den Menschen zur Seite stehen!“
Es stellte sich mir aber die Frage, warum Faith, Shay und Lucius mit anwesend waren! Und ich sah, sie fragten sich bereits dasselbe. „Sie sind wie Zeugen und es ist wichtig, dass du Verbündete hast, welchen du nichts erklären musst. Das wäre in Gefahrensituationen nur hinderlich. Aber deine Schwester hat, genau wie du auch, ein Symbol erhalten!“ sprach Loki nun und deutete auf meinen Bauch! Die Triskele*. Eine weitere Verbundenheit die wir beide erhalten haben!
Um uns wurde es plötzlich neblig, so als stiegen Dampfwolken aus dem Boden empor. Die glühenden Spalten schlossen sich und wir standen wieder VOR dem Tor! Irritiert schüttelte ich mich und sah mich um. Lucius und meine Truppe starrten uns vier an, als wären wir Geister! „Mom, da seid ihr ja wieder! DAS war das abgefahrenste was ich je gesehen habe! Da können die ganzen Blockbuster einpacken!“ meinte Yannick völlig aus dem Häuschen! „Wir konnten sogar ein paar Bilder einfangen! Oh man, ich kann es gar nicht abwarten, die klein Alex zu zeigen!“
„Faith, geht es dir gut? Was ist da hinter dieser Wand passiert? Ich habe es nur auf diesen... wie sagt ihr dazu?... Monitoren?... gesehen. Das war... ich kann es immer noch nicht glauben. Mistress Kenway, ich denke, wir werden eine Menge ab jetzt zu besprechen haben! Verzeiht, aber ich bin immer noch sprachlos!“ Lucius schien ebenfalls völlig verwirrt und in seinem Blick lag dieser Unglaube, den vermutlich alle gerade hatten.
Langsam klärte sich mein Geist und ich sah zu meinem Mann. „Haytham, geht es dir gut?“ fragte ich besorgt, er war ziemlich blass und starrte mich an. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, ich fühle mich anders. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand viel Wissen wie durch einen Trichter eingeflößt. Mein Kopf fühlt sich seltsam an.“ Shay stimmte ihm zu, auch ihm schwirrte der Kopf, von dem ganzen Gesehenen!
Tobias kam auf mich zu und sah mich fragend an. „ Alex, das war völlig irre. Ich kann es noch gar nicht fassen! Das heißt, dass du tatsächlich von Anfang an dazu auserwählt warst! Das ist einfach faszinierend!“ meinte er euphorisch und nahm mich in den Arm. „Ich bin auch noch völlig überwältigt und ich vermute, ich werde eine Weile brauchen, um das zu verarbeiten.“ sagte ich etwas atemlos, ich fühlte mich völlig erschöpft und auch mein Kopf rauchte förmlich!
„Ich denke, wir sollten uns dann wieder auf den Weg machen, oder?“ meinte Rafael jetzt pragmatisch. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns!“ ich sah ihn erstaunt an. „Wie, ihr habt einen langen Weg vor euch? Ihr seid richtig hierher gereist?“ mein bester Freund grinste mich nur an. „Natürlich, wie sollten wir sonst hierher kommen? … oh, ich verstehe! Ihr seid... mit diesen Träumen wieder hier? Aber... du stehst doch vor mir und... das verstehe ich immer noch nicht. Wie soll das funktionieren?“ Darauf hatten wir alle keine Antwort und ehrlich gesagt, wollte ich im Moment auch keine weiteren neuen Einzelheiten erfahren.
„Kann ich mir mal die Aufnahmen ansehen, Yannick? Mich würde interessieren, ob ihr wirklich das Gleiche gesehen habt, wie wir!“ fragte ich und mein Sohn drehte eines der Laptops um und... ich sah nichts! „Ähm, dieses Video ist... sehr schwarz! Sagtest du nicht, ihr habt Aufzeichnungen machen können?“ ich spulte vor und zurück, doch es kam kein Bild. „Eigentlich schon, doch ich glaube, wir sollen keine Bilder behalten. Vermutlich haben die Götter recht, wenn alles gelöscht ist und nur DU es weißt. Schade eigentlich...“ kam es jetzt enttäuscht von Yannick. Aber so war es wohl wirklich besser. Die Truppe hatte in der Zwischenzeit angefangen, alles abzubauen und wieder ordentlich zu verstauen.
Mal wieder musste ich mich von meinem Sohn verabschieden, doch dieses mal war ich nicht so niedergedrückt dabei. Es war, als wüsste ich, dass ich ihn bald wieder sehen würde. Ein eigenartiges Gefühl oder besser eigenartiger Gedanke. „Mommy, wir sehen uns wieder und vergiss nicht, wir vermissen dich und ich hab dich immer noch lieb!“ er drückte mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich dich auch, Schatz! Und drück Alex ganz doll von mir und gib ihm einen dicken Kuss von mir. Vor allem grüße Melissa und pass gut auf deine Familie auf, mein Großer!“
Gerade als ich noch etwas sagen wollte und mich von den anderen verabschieden wollte, gerade auch von Frau Alberts, mit welcher ich noch kein einziges Wort gewechselt hatte, wurde ich durch lautes Weinen aus dieser Halle gerissen!
*
In der „keltischen“ Triskele als Symbol findet man ebenfalls eine Ähnlichkeit zu dem „Hrungnirs Herz“ oder dem Valknut bzw. eine Ähnlichkeit zu den Indogermanischen Symbolen.
Die dreifachen Wirbel können als Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft gedeutet werden (Beispiel, die drei Nornen, Yggdrasil). Aber auch im keltischen Sinn als Erde, Himmel und Wasser. Oder Niederkunft, Leben sowie Tod.
In den keltischen Mythen spielt die Zahl neun eine „wichtige Rolle“ (die Zahl des Universums, die dreifachen Göttinnen) was wiederum eine „starke Ähnlichkeit“ zu den neun Welten bei dem Valknut hat.
Kapitel 7
22. Mai 1764
Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah, dass ich im Bett neben meinem Mann lag, welcher ebenfalls etwas erstaunt aussah. Doch zuerst musste ich unseren kleinen Wecker versorgen und stand langsam auf. Meine Muskeln taten mir weh und jeder Schritt war irgendwie eigenartig, es fühlte sich immer noch wie im Traum an. „Edward, Schätzchen, du bist ja mal wieder früh wach. Hast du wenigstens gut geschlafen?“ fragte ich leise, als ich ihn auf den Arm und mit hinüber zum Bett nahm. „Daaaaaaaaaaa“ quietschte er und zupfte an meinen Haaren. Eine saubere Windel später, lag er zwischen Haytham und mir, welcher noch kein Wort gesagt hat. „Mi sol, was war das letzte Nacht? War das real?“ kam es jetzt leise von ihm. „Real nicht ganz aber, doch, es war real! Ich trage diesen Armreif und die Tätowierung ja. Haytham, ich bin völlig verwirrt. Wir sollten ganz dringend mit Faith und Shay reden. Ich verstehe nicht, warum Lucius mit dabei war! Er hat am wenigsten mit dieser Isu Geschichte zu tun.“
„Ich denke, er hat mehr damit zu tun, als du denkst.“ sagte mein Mann jetzt schon fast entschuldigend! „Wie meinst du das? Haytham, was weißt du darüber?“ ich durchbohrte ihn förmlich mit meinem Blick. „Das sollte er dir selber erklären, er sprach ja davon, dass ihr noch eine Menge zu bereden haben werdet!“ und er strich mir vorsichtig über die Wange. „Weißt du, dass ich stolz auf dich bin, Alex? Du hast damals nicht gewusst, was du tust und bist völlig unwissend in diese Zeit gereist. Und jetzt sieh, wie weit du gekommen bist! Ich glaube, wir werden unseren Plan wirklich umsetzen können, Bruderschaft und Orden gütlich zusammen zubringen. Mittlerweile bin ich da sehr zuversichtlich!“ in seinen Augen lag dieser warme Glanz und ich bekam einen langen Kuss, in welchen er diese Anerkennung legte.
Doch Edward fand es ungemütlich, so zwischen uns eingequetscht zu sein und versuchte sich zu befreien. Wieder schaffte er es sich zu drehen und zog sich am Hemd seines Vaters auf die Knie hoch, legte seinen Kopf auf dessen Brust und grinste uns an. Haythams Hände strichen ihm ein paar wilde Strähnen aus dem Gesicht. „Edward, du wirst auch von Tag zu Tag schwerer.“ „Papaaaaa...“ und die kleine Hand landete auf Haythams Wange. Mein Templer zog sich mit einem tiefen Seufzen zum Kopfende hoch, lehnte sich daran und hob seinen Sohn auf den Schoß. „Weißt du eigentlich, dass dies hier mein Kinderzimmer war? Ich habe sogar noch ein bisschen Spielzeug von damals, mein Sohn. Ich werde es dir nach dem Frühstück zeigen.“ jetzt versuchte klein Edward mal wieder auf ihm herum zu klettern, in den letzten Tagen hatten wir ja nicht ganz so viel Zeit gehabt. Also genoss ich diesen Moment gerade einfach und dann kam mir ein etwas absonderlicher und auch ziemlich dekadenter Gedanke.
„Mi amor, weißt du was ich mir gerade überlegt habe?“ fragte ich etwas kryptisch und lächelte ihn wissend an. „Nein, aber ich gehe davon aus, du wirst mich gleich in deine Pläne einweihen, mi sol.“ kam es ebenso lächelnd von ihm und sein Blick glitt zu Edward. „Wer weiß, was deine Mutter wieder plant, sie schaut schon so seltsam.“ und unser Sohn drehte sich zu mir mit großen Augen. „Nichts schlimmes ihr beiden. Ich schwöre es. Aber ich hätte gerne eine bleibende Erinnerung an diese Zeit. Ich … hätte gerne ein Bild, Gemälde oder so etwas. Wenn ich dich mit Edward auf dem Arme sehe, denke ich immer, dass ich das irgendwie festhalten muss. Aber ich kann es ja nicht, leider. Könnte ich schon, ich weiß, aber das wäre nicht das gleiche!“ ich sah meinen Mann an und lächelte breit. „Dann werden wir das in Auftrag geben, wenn du es gerne möchtest. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich daran auch schon gedacht. Doch wir hatten nie diese Gelegenheit, darüber zu sprechen und ich hatte es auch immer wieder nach hinten geschoben!“ Dafür bekam er einfach einen Danke-Kuss von mir, welchen Edward mit seiner kleinen Hand versuchte zu unterbrechen. „Edward, ich darf das, es ist meine Frau.“ Haytham drückte seinen Sohn grinsend an sich, welcher diese Geste als Spieleinladung sah.
Doch dann klopfte es und Mrs. Wallace kündigte das Frühstück an. Bei ihrer Stimme fuhr Edwards Kopf herum mit einem Lächeln und seine blaugrauen Augen leuchteten. Mal wieder war ich froh, dass er sein Kindermädchen so gerne hatte. „Mrs. Wallace, ihr könnt ruhig schon hereinkommen. Der kleine Mann wartet sehnsüchtig auf euch!“ rief ich lachend. Vorsichtig trat sie ein und ging auf das Bett zu. Edward hibbelte mit ausgestreckten Ärmchen auf seinem Vater herum. „Daaaaaaa...daaaaaaa“ brüllte er, und er brüllte wirklich. Der Junge hatte eine sehr laute Stimme ab und an, dass muss man ihm lassen! „Na, dann kommt mal mit, Master Edward. Es gibt selbstgebackenes Brot und leckere Marmelade.“ Ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, ließ er sich nach draußen bringen.
„Dann werde ich mich auch mal fertig machen und...“ doch zu mehr kam ich nicht. „Du wirst nirgendwo hingehen, Mistress Kenway.“ vernahm ich die raue Stimme meines Mannes und er begrub mich unter sich! Wir haben jetzt ein paar Minuten für uns alleine und ich will dich! JETZT! Sprach er fordernd in meinem Geist und ich konnte ihm nur zustimmen! Mein Nachthemd wurde einfach hochgeschoben und er machte nicht viel Aufhebens, sondern nahm mich einfach. Sieh mich an, Alex! Ich will in deine Augen sehen können! Hörte ich ihn in meinem Kopf wieder und tat, wie mir gesagt wurde. Haytham brachte mich in kürzester Zeit über die Schwelle und ich ließ mich fallen. Auch er fand Erlösung und kam laut stöhnend, ließ sich auf meine Brust sinken und küsste sie. „Es tut mir leid, das ging einfach zu schnell, ich hätte gerne mehr...“ doch ich ließ meinen Mann nicht ausreden indem ich ihm einen Finger auf die Lippen legte. „Wenn wir mehr Zeit haben, dann werden wir das nachholen, doch ich fand es sehr... befriedigend, Haytham!“ grinste ich und küsste ihn einfach.
Mein Kaffee wartete unten schon auf mich, endlich konnte ich wieder essen und trinken, was ich wollte. Edward saß auf dem Schoß von Mrs. Wallace als wir eintraten und sein Gesicht war über und über mit Marmelade beschmiert. Ich musste lachen, es sah aus, als hätte er in dem Brotaufstrich gebadet. Gerade als wir saßen, kam ein Bote und überreichte uns eine Nachricht. Sie war von Faith! Da war jemand schneller als ich gewesen, sie lud uns ein, heute noch vorbeizukommen. Es ginge um diesen Traum und ich war froh, sie jetzt schon wiedersehen zu können. Dem Boten wurde ein Geldstück in die Hand gegeben und er sollte den Eheleuten Cormac mitteilen, dass wir uns darauf freuten und erscheinen werden.
Zuerst überlegte ich, ob ich Mrs. Wallace dann bräuchte, doch ich vermutete, dass das Gespräch durchaus länger gehen könnte und OHNE Kinder stattfinden würde. Also teilte ich ihr mit, dass wir dann heute Nachmittag bei Familie Cormac eingeladen seien, was sie mit einem freudigen Lächeln quittierte. Nach dem Frühstück wurde Edward erst einmal wieder gewaschen und ich überließ ihn seinem Kindermädchen. Ich wollte noch einmal meine gesicherte Truhe durchforsten, um ein paar Schriftstücke einzupacken, welche sich mit den Göttern und ähnlichem auseinander setzten. Gerade als ich sie geöffnet hatte, fiel mir ein, dass ich jetzt überhaupt nicht wusste, was aus diesen ganzen Armreifen geworden ist. Waren sie jetzt noch dort in der Halle? Oder hatten Yannick und Tobias sie an sich genommen?
Sieh an dein Handgelenk, Kind! Hörte ich Elias Stimme plötzlich und erschrak. Konnte er nun auch über die Distanz entsprechend mit mir kommunizieren? Das würde natürlich die Zusammenarbeit wesentlich vereinfachen und um verloren gegangene Briefe musste ich mir dann auch keine Gedanken mehr machen! Aber warum hatte ich dann noch nicht mit Faith reden können? Auch wusste ich nicht, WIE ich das machen sollte! Ich sah mir den Armreif genauer an, wie mir Elias gesagt hatte und erst jetzt bemerkte ich die Runen, welche sich darauf befanden, nämlich genau die, welche ebenfalls auf den 4 großen Ringen prangten. Ich strich mit meiner Hand darüber und er begann zu leuchten. Ein leichtes Kribbeln ging durch meinen Körper und vor meinem inneren Augen tat sich ein Portal auf! Ich wich zurück, woher sollte ich wissen, wohin es mich führte! In mir stieg Angst auf, Angst davor, etwas falsch zu machen oder unwissentlich wieder eine Zeitreise auszulösen.
Jetzt weißt du, WIE du ein Portal öffnen kannst. Wenn du in deinem Kopf noch den Ort und das Datum vor Augen hast, du Bilder vor dir siehst, dann wirst du wie gehabt reisen können. Doch bedenke, dass es nur im Notfall genutzt werden darf! Dein Platz ist jetzt hier, bei Haytham und deinem Sohn! Sprach Elias in einem doch sehr harschen Befehlston und ich verstand, was er meinte. Und wenn du mit deiner Schwester reden möchtest, dann denke an sie und habe ebenfalls ihre Gestalt vor Augen! Danach verstummte er und ich fühlte mich irgendwie verlassen, doch ich war zu neugierig und ich stellte mir Faith in meinen Gedanken vor. „Ob es funktioniert weiß ich nicht, aber ich wünsche es mir, mo rionnag!“ mehr sagte ich nicht. „Alex! WAS... es war kein Traum, es war real? Wir waren alle dort?“ in ihren Worten hörte ich dieses Erstaunen, diesen Unglauben und ich hätte heulen können vor Freude, dass ich es geschafft hatte. „Ja, und wenn ich ehrlich bin, übe ich gerade meine neugewonnene Fähigkeit, verzeih mir Faith.“ meinte ich jetzt etwas entschuldigend. „Nein, das ist schon in Ordnung, ich bin nur gerade... überrumpelt! Wir sehen uns nachher...“ hörte ich sie leise sprechen in meinem Kopf und dann brach diese Verbindung ab.
Jemand klopfte mir auf die Schulter und ich schrak herum. Es war Haytham, welcher einen ziemlich säuerlichen Ausdruck im Gesicht hatte, wie immer, wenn ich mal wieder geistesabwesend bin und nicht sofort auf ihn reagierte. „Verzeih mir, mi amor. Ich... habe gerade heraus gefunden, wie ich auf Entfernung mit den Menschen reden kann und... wie ich nun ein exaktes Zeitreiseportal öffnen kann. Haytham... es ist... ich bin völlig überwältigt.“ plapperte ich einfach, ohne auf seine Laune zu achten. „Das ist schön, mi sol. Doch hörst du MIR überhaupt noch zu, oder steigt dir das Ganze jetzt völlig zu Kopf?“ Du meine Güte, was ist meinem Mann denn über die Leber gelaufen? „Ich... entschuldige, aber auch für mich ist das alles noch...“ doch er ließ mich nicht ausreden. „Dein Sohn verlangt seit einer halben Stunde nach dir, Sybill konnte dich aus diesem Zustand nicht holen und ich hatte auch meine Probleme! Du siehst Faith ja nachher, also brauchst du jetzt auch keine Zeit mit ihr vertrödeln!“ damit drehte er sich um und verschwand nach unten ohne ein weiteres Wort.
Als ich auf die Galerie trat, hörte ich Edward schon weinen und sofort war mein schlechtes Gewissen da. Es tat mir wahnsinnig leid, doch diese ganzen neuen Eindrücke... ich musste es doch auch erst einmal verarbeiten. Warum verstand Haytham das nicht? Ich eilte hinunter in den Salon und nahm meinen kleinen Schatz auf den Arm, welcher sich schniefend an meine Schulter lehnte. „Edward, Schätzchen, was ist los?“ ich wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht und besah ihn mir genauer. „Alex, er hat eigentlich nichts, aber plötzlich fing er an zu weinen als du oben warst und... seine Augen hatten so ein Leuchten mit einem Male.“ meinte Jenny und sah mich ängstlich an. Doch es war Haytham, der antwortete. „Dann ist er ebenfalls mit allen Isu und Göttern verbunden. Genau wie ich auch, Alex. Ich konnte dich hören, so als würde ich an einer Tür stehen und lauschen!“ jetzt sah er endlich wieder etwas friedlicher drein und strich seinem Sohn eine Strähne aus dem nassen Gesicht.
„Du hast mich gehört? Aber das ist doch... fantastisch, oder nicht?“ Und ich sah von ihm zu Jenny, doch sie verstand nicht, was ich gerade meinte. „Wie ist das alles möglich und warum habe ich überhaupt nicht solche Fähigkeiten mitbekommen, Haytham?“ fragte sie etwas verwirrt. Ich konnte sie verstehen, es war seltsam, dass SIE noch nicht einmal den Adlerblick hatte. Wobei... „Jenny, wenn du dich konzentrierst auf einen Punkt im Raum, was siehst du dann?“ wollte ich von ihr wissen. „Hmmm, ich habe ein Flimmern vor den Augen, so als würde man in ein Feuer sehen! Warum fragst du?“ Sie besaß eine Grundform des Blickes, doch niemand hatte sie gelehrt diesen auszubauen. „Du besitzt diesen sogenannten Adlerblick, wir müssen dich nur daran führen und...“ leider ließ sie mich nicht aussprechen. „Nein, Alex, aber ich denke, ich möchte das nicht mehr erlernen. Lasst mich für euch da sein, so wie es jetzt ist. Ich will... einfach nicht weiter in diese Materie gezogen werden, wenn es recht ist.“ kam es jetzt entschuldigend und auch ein wenig erleichtert.
Damit war das Thema für meinen Mann ebenfalls abgehakt und er hatte seine schlechte Laune abgelegt. „Verzeih mir, Alex, dass ich dich gerade so angegangen habe, doch es ist immer so wahnsinnig anstrengend, wenn du nicht reagierst. Verfeinere diese Fähigkeiten, damit du darüber hinaus auch noch deine Umwelt wahrnehmen kannst! Ich denke, du wirst mehrere Sachen gleichzeitig bewältigen können müssen in Zukunft!“ sprach er leise und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Aber ich bin da zuversichtlich, wer mit einer Hand Schuhe anziehen kann, während das Kind gestillt wird, sollte das mit Leichtigkeit hinbekommen!“ lachte er jetzt und nahm mir Edward wieder ab.
Als Edward nach seinem Mittagsschlaf wieder frisch und wach war, ließen wir eine Kutsche rufen und fuhren zum Anwesen von Familie Williams. Mrs. Wallace saß mir gegenüber und ich sah in ihrem Gesicht einige Fragen. „Fragt einfach, Sybill.“ meinte ich freundlich. „Mistress Kenway, muss ich bei Master Edward jetzt etwas beachten, oder … Wenn er doch diese Möglichkeiten auch besitzt wie ihr... nicht, dass dem jungen Master Edward etwas zustößt, weil ich unwissend bin.“ ihre Angst war berechtigt, wir wussten noch nicht, inwieweit der Kleine schon involviert war. Vermutlich ähnlich wie klein Alex, welcher genau wie ich... und da dämmerte es mir. JETZT war ich in der Lage auch mit ihm über die Zeit hinweg zu sprechen, das wäre zumindest logisch... Mir taten sich immer mehr Möglichkeiten auf und … ich wurde immer euphorischer. „Alex, beruhige dich! Du machst mich ganz nervös!“ kam es grinsend von meinem Templer. „Aber das Ganze ist so wahnsinnig spannend und ich würde am liebsten jetzt alles sofort wissen und erlernen und beherrschen... du weißt, ich bin nicht die geduldigste Person.“ lächelte ich ihn an und erntete auch von Sybill ein leises Kichern. „Mistress Kenway, das seid ihr wirklich nicht, verzeiht!“
Dann hielt unser Gefährt plötzlich vor einem ziemlich großen Anwesen, ähnlich wie dem der Bradshaws und ich war beeindruckt. Man öffnete uns die Tür und ein Diener führte uns in die privaten Räume von Faith und Shay, welche uns schon erwarteten. Ich wäre meiner Schwester gerne einfach um den Hals gefallen, doch ich spürte, dass das HIER nicht angemessen war, also hielt ich mich zurück und begnügte mich mit einer kleinen Umarmung. July, Caden und Cillian waren ebenfalls mit anwesend und belagerten auch sogleich Edward, welcher zunächst etwas skeptisch von mir zu den Kindern sah. Doch dann bemerkte er in seiner Nähe Spielzeug, fing an zu zappeln sodass ich ihn auf den Boden setzte und er robbte zielstrebig darauf zu. Immer noch war ich erstaunt, wie schnell er sich entwickelte, aber ich muss gestehen, ich konnte mich an Yannicks Fortschritte nicht mehr so genau erinnern, es war einfach zu lange her. Sybill blieb aber sicherheitshalber in seiner Nähe.
Als die Kleinen alle beschäftigt waren, kam ich auch gleich auf den Punkt. Ich suchte gerade nach Lucius, welcher anscheinend nicht hier war! „Es mag sich jetzt wirklich seltsam anhören, aber ich entschuldige mich bei euch, für dieses Überfallkommando letzte Nacht. Ich konnte doch nicht ahnen, dass sofort alles in Gang gesetzt wird, sobald ich diesen Ring erhalte!“ sprach ich leise und sah von einem zum anderen. „Du hast das letzte Reiseartefakt also jetzt bekommen? Das ist doch großartig, oder nicht?“ antwortete Faith und ich musste ihr zustimmen. „Ja, das ist es. Aber damit einher gehen auch viele Verpflichtungen und Möglichkeiten und … es ist einfach überwältigend gerade. Dieses Kommunizieren vorhin war schon so unglaublich, ich hätte heulen können!“ und ich sah, wie Faith ebenso feuchte Augen bekam. „Ja, das ist es. Also brauchen wir wirklich keine Briefe mehr, Alex? Geht es … einfach so? Auch über den Atlantik zum Beispiel?“ fragte sie mich jetzt etwas skeptisch, aber neugierig.
„Der Duke hat mir, kurz bevor ich mit dir sprach, eine kleine Einführungsrunde gegeben und wie wir wissen, ist er in New York oder Philadelphia. Also, JA, es funktioniert. Ich muss mir die Person einfach nur im Geiste vorstellen!“ erklärte ich den beiden das Ganze jetzt. Doch wir kamen zu einem mir sehr, sehr unangenehmen Punkt und ich sah dabei zuerst zu meinem Mann und nahm seine Hand, weil ich seelischen Beistand brauchte. Ich musste diese Truhen, den damit einhergehenden Handel und das schwarze Kreuz ansprechen! Alles Punkte, welche ich möglichst zügig vom Tisch haben wollte, doch ohne Lucius würde es schwer werden. Er hatte extra gesagt, dass wir noch eine Menge zu besprechen hätten.
„Faith, wo ist eigentlich Master Williams? Er war ja gestern auch dort und es wäre mir schon lieber, wenn er an diesem Gespräch teilnimmt.“ fragte ich Faith und bekam eine befriedigende Antwort. „Oh, mein Vater ist nur kurz unten. Er...“ genau in diesem Moment erschien er. Wenn man vom Teufel spricht!, grinste ich in mich hinein. Wir begrüßten einander, aber wirklich etwas erklären musste ich nicht. „Mistress Kenway, dieser Traum, oder die letzte Nacht waren sehr eindrucksvoll. Auch wenn es nicht das erste Mal ist, so etwas in dieser Art zu erleben.“ Faith hatte ebenfalls ein ähnliches Erlebnis erwähnt, was aber wohl schon einige Zeit zurück lag. „Nur dass es dieses Mal kein Traum an sich war. Eure Tochter und ich hatten ja bereits von diesem Tempel, dieser Halle gemeinsam geträumt oder besser gesagt, wir haben sie besucht.“
„Das war in diesem Fieberwahn von Faith, richtig?“ fragte Shay jetzt. „Bei Faith war es so, bei mir waren diese Momente immer nur in Etappen und sehr sporadisch. Deshalb konnte ich auch nicht vorhersehen, dass das letzte Reiseartefakt gleich solche Auswirkungen haben wird.“ Lucius sah zu mir und sein Blick sagte mir, dass er skeptisch wurde. „Also hattet ihr damals schon eine gewisse Verbindung, ihr und meine Tochter?“ Sollte ich ihm von dem Buch erzählen, welches mir meine Schwester geschrieben hatte? Im Grunde fing damit alles an, nicht ganz ich weiß, aber es war ein Anfang damals! Doch ich behielt es für mich. „Ja, es gibt eine Art Verbindung, Master Williams. Diese Träume, bei mir waren es ja mehrere, waren genauso real wie das, was letzte Nacht passierte. Man konnte alles riechen und fühlen. Und wie ihr wisst, tragen mein Mann und ich nun eine Tätowierung.“ ich deutete auf meine linke Schulter und lächelte Haytham an.
Ich fing an zu erklären, dass es mir nun möglich sei, alleine durch das Berühren des Armreifs ein Zeitportal zu öffnen und Zeit und Ort per Gedanken zu bestimmen. Ich erwähnte ebenfalls diese Kommunikation über weite Strecken, wenn ich mir diese Person im Geiste vorstellte. „Wie genau das alles funktioniert, werde ich dann in den nächsten Wochen herausfinden, denke ich. Noch bin ich selber ein wenig überfordert mit der ganzen Situation. Aber... ich habe ein viel größeres Anliegen, welches mir seit ein paar Wochen auf der Seele liegt. Es... ist mir mehr als unangenehm und... ich weiß eigentlich gar nicht, WIE und WO ich anfangen soll.“ hilfesuchend sah ich zu meinem Mann und er nickte leicht, während er meine Hand drückte.
„Am besten immer am Anfang, Alex! Das hast du mir auch schon einmal gesagt, oder?“ grinste Faith mich jetzt an. „Der Anfang... gut.“ ich atmete tief durch und erzählte von den Geschehnissen in Bristol. Wie ich auf Bradshaw traf und das erste Mal diese Truhen zu Gesicht bekam. Dann kam ich auf die Assassinen zu sprechen und ich hörte Lucius scharf die Luft einsaugen, doch er sagte nichts, er hörte weiterhin aufmerksam zu. Die Beschreibung, wie ich den Edenapfel manipulierte und wir dann mit dem letzten Überlebenden sprachen, entlockte Faith ein „Wie ist das möglich?“ doch ich ging noch nicht darauf ein. „Dieser Herr erwähnte dann Namen, zuerst einen Russen, welcher für den geplanten Diebstahl angeblich verantwortlich sei. Doch als ich nachhakte, gab er mir den Namen eures Bruders, Master Williams! Und jetzt komme ich auf mein eigentliches Anliegen, seht, ich bin beauftragt, diese Runentruhen in unregelmäßigen Abständen an verschiedene Eigentümer zu übergeben! Der Inhalt ist von großer Wichtigkeit und sollte NOCH nicht unter Verschluss gehalten werden, da er noch erforscht werden soll. Deshalb... nunja, soll eure Familie, auch wenn es eure Aufgabe ist, diese Artefakte NICHT bekommen!“
„Ihr hintergeht uns, sehe ich das richtig?“ kam es eiskalt von Master Williams. „Wenn ihr das so seht, ja. Würde ich euch aber dann davon berichten? Im Grunde ist es jedoch nur zum Wohle der Menschen. Ich komme jetzt nämlich an den Punkt, der in meiner Zeit von Bedeutung ist. Ein großer Teil dieser Gegenstände in den Truhen ist für die Zukunft wichtig um den Erhalt des Bündnisses zwischen Templern und Assassinen zu sichern. Meine Aufgabe besteht darin, genau dass zu erreichen!“ erklärte ich weiter. Seine Augen ruhten immer noch wütend und lauernd auf mir. Dieses Misstrauen, welches eigentlich schon fast erloschen war, tauchte ebenfalls wieder auf. „Master Williams, da ist noch etwas, was ich euch sagen muss. Master Bradshaw bat mich, meine Montur näher in Augenschein zu nehmen, was ich auch tat. Dabei fand ich unter dem Kragen versteckt ein kleines filigranes schwarzes Templerkreuz angeheftet, welches mit Runen beschriftet ist.“ ich hatte diesen Anstecker jetzt ebenfalls bei mir an meinem Oberteil auf Schulterhöhe und drehte es für alle sichtbar nach Außen.
Drei Augenpaare sahen mich völlig verwirrt an und nur Faith sagte etwas. „DU gehörst auch dazu?“ Ihr Blick wanderte zu ihrem Vater und dann zu Haytham. „Faith, ich gehöre nicht … dem hiesigen schwarzen Kreuz an, sondern dem in meiner alten Zeit. Trotzdem habe ich auch hier alle Rechte, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, koste es was es wolle!“ sprach ich jetzt etwas bestimmter und rutschte in meine kalte Art, ich hatte nämlich das Gefühl, ich müsste mich jetzt selber schützen! Ein weiterer Versuch meinerseits, diese Zugehörigkeit zu erklären, stieß dann aber auf fruchtbaren Boden und sie mussten sich eingestehen, dass ich weder stehlen werde noch hier einbreche oder sonst irgend etwas tun würde. Ich würde ihnen nur diese Artefakte, welche für uns von Bedeutung sind, nicht überlassen. „Aber ich verstehe immer noch nicht, warum ihr dass in dieser Zeit machen müsst. Eure Leute im 21. Jahrhundert könnten das doch sicher viel einfacher erledigen, oder irre ich mich?“ fragte mich Lucius jetzt berechtigterweise, aber ich hatte noch gar nicht darauf hingewiesen, dass wir ja diese Probleme mit dem britischen Ritus hatten.
„Da habt ihr nicht ganz unrecht, Master Williams. Doch erinnert ihr euch noch daran, als ich sagte, dass man meinen Namen in dieser Zeit hier verunglimpft hat und WER dafür verantwortlich war?“ ich sah ihn jetzt fragend an, eigentlich sollte er es noch wissen. „Meine Großmutter, oder Alex?“ sprach jetzt aber meine Schwester leise. „Dann könnt ihr nur mit diesem Ordensteil nicht in Verhandlungen treten, verstehe ich das richtig? Sie wollen keine Einigung oder diesen Waffenstillstand, wie die anderen, nehme ich an?“ das klang enttäuscht, doch Faith konnte am aller wenigsten dafür. „So ist es und deshalb muss ich von hier aus über die nächsten Jahre und Jahrhunderte diese ganzen Dinge sichern! Versteht doch bitte, es ist wichtig! Doch sobald nur eines dieser Relikte oder Artefakte hier landet, sind sie für die bereits vereinigten Bünde nicht mehr zu bekommen. Es ist schon sehr erschreckend, dass diese Reichweite von Lady Melanie bis ins 21. Jahrhundert andauert und keiner der britischen Templer einen Schritt nach vorne wagt!“ seufzte ich traurig.
„Alex, kann ich dir da wirklich vertrauen, dass du mich und meine Familie nicht hintergehst?“ fragte Faith vorsichtig, im Grunde kannte sie die Antwort ja. „Darauf kannst du dich verlassen, Faith. Glaub mir, ich würde es euch doch nicht erzählen, wenn ich so etwas vorhätte, oder?“ mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich zu den dreien vor mir. „Mi sol, du musst aber zugeben, dass es sich einfach nach einer Fantasterei anhört und man das Ganze erst einmal sacken lassen muss!“ sprach mein Mann jetzt neben mir leise. „Das ist mir doch bewusst, aber was soll ich machen? Man hat mir hier eine Aufgabe verpasst und ich soll sie jetzt erfüllen.“ Meine nächsten Worte richtete ich an alle hier. „Als mir Master Bradshaw davon berichtete, war ich im ersten Moment selbstverständlich dagegen, weil es sich wirklich im Ersten Moment nach Verrat anhört. Jedoch ist es das nicht, ich beklaue euch nicht, sondern halte diese Artefakte und Dinge vorerst unter Verschluss. Ich bin wie ein Wächter für diese Sachen!“ und genau in diesem Moment hörte ich Elias´ Stimme in meinem Kopf. „Du hast es erkannt, mein Kind! Genau das wirst du in den kommenden Jahren sein. Genau wie du diejenige sein wirst, die die Suche nach den anderen Stücken vorantreiben wird. Nicht alles wirst du ausfindig machen können, das ist auch nicht möglich, doch deine Nachfahren werden es weiterführen und du wirst sie diesbezüglich lehren!“ plötzlich sah ich in Faith Gesicht Erkenntnis, sie hatte die Worte, wie Haytham auch, verstanden.
Tief in mir war ein weiterer Gedanke aufgetaucht. Ich würde Edward Seniors Schaffen jetzt fortsetzen, genau das, was er auch immer prophezeit hatte. Jetzt fügte sich das Ganze auch langsam zusammen wie ein Puzzle und die Erleuchtung kam mir schlagartig. Master Williams riss mich aus dieser Starre. „Mistress Kenway, das alles ist wirklich sehr abstrus und hört sich unglaublich an. Ich hoffe, ich kann meinen Bruder entsprechend anweisen, euch nicht zu behelligen. Oder habt ihr schon eigene Schritte in diese Richtung unternommen?“ fragte er mich etwas freundlicher gestimmt. Ich hatte einen Boten nach Russland entsandt, welcher diesem Eugene Avdeyev in Wjasma eine Nachricht überbringen sollte und wie ich hoffte, auch gleich eine Rückmeldung erhielt. WANN dieser Bote mich wieder erreichen würde, wusste ich leider nicht und musste mich gedulden! „Dann seid ihr ja im Bilde, wie ich sehe, Mistress Kenway.“ meinte Faiths Vater. „So könnte man es sagen, ja. Aber ich wäre euch wirklich dankbar, könntet ihr mit eurem Bruder sprechen. Ich nehme an, er ist nicht hier? Sonst würde ich auch persönlich ein Wort mit ihm wechseln?“ fragte ich jetzt naiv wie ich manchmal bin einfach. „Das wird nicht nötig sein, ich erledige das schon.“
Doch dieses Gespräch war noch nicht beendet, aber Edward befand, dass er jetzt mal wieder meine Aufmerksamkeit bräuchte und tat dies lautstark kund. Mrs. Wallace kam mit ihm auf dem Arm zu mir und mein Sohn kuschelte sich mit Daumen im Mund an mich. Kurz darauf war er eingeschlafen, so dass ich ihn vorsichtig an sein Kindermädchen wieder zurückgab. Maggie ging mit ihr hinaus und zeigte vermutlich, wo sie den kleinen Mann hinlegen konnte.
Dann ging es weiter und jetzt war es wieder Master Williams, welcher mich auf meinen Kenntnisstand bezüglich seiner Familie ansprach. „Mistress Kenway, ich vermute, ihr habt weiter recherchiert und seid fündig geworden. Mich interessiert, WAS ihr herausgefunden habt...“ ich ließ ihn aber nicht ausreden, sondern holte die mitgebrachten Papiere aus der Tasche und reichte sie hinüber. Auch Faith warf einen Blick darauf, sie hatte diese Unterlagen noch nicht zu Gesicht bekommen. In ihren Gesichtern erschien immer mehr Unglaube und Erstaunen! Unter anderem hatte ich zwei Seiten, welche sich mit einem Diadem beschäftigten, auch wenn sie nicht in Englisch verfasst waren sondern in griechisch. „Alex, du weißt also davon?“ und erst jetzt fiel mir auf, dass Faith die ganze Zeit über sehr wortkarg gewesen war und mich überkam das schlechte Gewissen, hatte ich jetzt doch etwas falsch gemacht? „Ja, ich weiß davon. Tobias brachte mich darauf, als er meinte, dass ihr alle eine doch, für diese Zeit, unnormal hohe Lebenserwartung an den Tag legen würdet. Das ließ mir halt keine Ruhe und ich stieß auf diese Zeilen bezüglich des Schmuckstückes.“
Ich fühlte mich immer unwohler und Haytham war keine wirkliche Hilfe, auch er rutschte nervös hin und her. Habe ich jetzt alles zerstört? Mi amor, ich habe Angst, dass ich... doch er antwortete ohne mich ausreden zu lassen. Nein, du hast nichts zerstört. Aber sei ehrlich, auch du bräuchtest eine Weile, bis du DAS alles verdaut hast und verinnerlicht hast! Er hatte ja Recht und mein Gewissen war mir wieder im Weg. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du trotz dieser Widerstände Einsicht in diese Chroniken hattest.“ kam es staunend von Shay. „Nicht ICH hatte das, ihr haltet Kopien in den Händen, welche mir von einem Informanten zugespielt wurden. Ich kam ja nicht an die Briten ran!“ meinte ich etwas kleinlaut und versuchte mich so auch zu rechtfertigen.
Lucius erhob sich und übergab mir die Blätter wortlos. Langsam schritt er vor uns auf und ab, als überlegte er, wie er am besten beginnen sollte. „Mistress Kenway, ich bin auf der einen Seite enttäuscht, ob dieses Vertrauensbruches! Auf der anderen Seite, kann ich eure Beweggründe nachvollziehen, ihr hegt einen Wunsch, welchen ich auch lange in mir hatte und ich weiß, Haytham denkt mittlerweile auch wieder so. Frieden zwischen Templern und Assassinen. Meine Familie war immer so etwas wie das Gleichgewicht. Mein Bruder ist, wie ihr ja wisst, Assassine. Somit hatten wir immer in beiden Lagern jemanden und man konnte uns nicht so schnell etwas anhaben. Ihr habt in eurer Zeit etwas geschafft, was wir uns wünschen. Und wenn ich euch nun richtig verstanden habe, dann sind Masters Bradshaw und Lestrange ebenfalls der Ansicht, dass es diese Übereinkunft geben soll?“ jetzt stand er vor mir und sah auf mich hinunter. Etwas an der Art wie er Lestrange aussprach ließ mich stutzig werden, kannten die beiden sich vielleicht schon? Langsam erhob ich mich „Genauso ist es, Master Williams. Master Bradshaw erwähnte auch schon einige hochrangige Assassinen, welche sich unserer Sache bereits angeschlossen haben. Natürlich ist auch der einhergehende Handel mit den entsprechenden Geschäften ein Grund, warum man mir dieses Vertrauen entgegen bringt. Doch im Grunde ist es ein Anfang und wir sollten, wenn ich so frei reden darf, dafür sorgen, dass es so bleibt und diese Annäherungen weiter vertiefen!“ ich atmete etwas hektisch, weil ich gestehen muss, Lucius hatte ebenfalls eine doch recht imposante Erscheinung und ich fühlte mich etwas eingeschüchtert. Doch ich durfte es mir nicht anmerken lassen.
Dann sah ich ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Wer hätte das vor ein paar Jahren noch gedacht, als ihr hier in diese Zeit sprichwörtlich hinein gesegelt seid und alles durcheinander gebracht habt.“ er reichte mir seine Hand „Mistress Kenway, ihr erstaunt mich immer wieder und ich muss sagen, meine Tochter hat in euch eine wirklich treue Freundin gefunden. Sie vertraut euch, also werde ich mein Bestes geben und mich dem anschließen. Leider kann ich von meiner Mutter nicht das gleiche behaupten, ihr wisst ja, sie ist sehr nachtragend. Was meinen Vater angeht, da denke ich, kann man aber sicherlich eine Einigung erreichen!“ als ich seine Hand hielt, stiegen mir schon fast die Tränen in die Augen, so erleichtert war ich. „Ich danke euch, Master Williams, für das mir entgegengebrachte Vertrauen und glaubt mir, ich werde euch nicht enttäuschen. Mir liegt einfach zu viel an eurer Tochter, meinem Mann und diesem ganzen Unterfangen! Ich wünsche mir nur, dass diese ganzen Scharmützel endlich ein Ende finden können und wir alle zusammen arbeiten können.“ ich sah immer noch zu ihm auf und seine nächsten Worte waren mehr als wohlwollend.
„Mistress Kenway, ihr habt bewiesen, dass man euch trauen kann. Ihr seid zurückgekehrt, wie ihr es versprochen habt. Ihr habt ein Händchen für das Geschäftliche und habt einen eigenen Willen und diese Durchsetzungskraft, welche ich auch bei meiner Tochter schon immer gesehen habe! Das sind alles Eigenschaften, welche euch nun den Weg ebnen werden, eure Pläne in die Tat umzusetzen. Wir sollten in den nächsten Wochen dann entsprechende Gespräche führen und beide Gruppen an einen Tisch bringen. Was meint ihr, Mistress Kenway?“ fragte er mich jetzt immer noch lächelnd und ich nickte nur eifrig, mir fehlten die Worte!
„Aber woher wissen wir, welche Gegenstände für dich oder besser euch wichtig sind, von denen wir die Finger lassen sollten?“ fragte mich jetzt Faith, welche sich bisher zurückgehalten hatte. „Ich kann euch gerne die Liste kopieren und geben. Es sind tatsächlich einige Seiten.“ ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, es war wirklich nicht wenig, was ich suchen sollte. „Das wäre wahrscheinlich am besten, so werden wir uns auch nicht in die Quere kommen!“ meinte meine Schwester jetzt etwas friedlicher und ich war wirklich erleichtert. Ich nahm sie in den Arm und brachte ein leises „Danke, mo rionnag!“ heraus. „DAS müsst ihr mir immer noch erklären, Mistress Kenway, warum ihr plötzlich Wörter oder eben fremde Sprachen beherrscht.“ meinte Lucius jetzt in einem einladenden Ton. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das immer noch nicht, Master Williams. Ich vermute aber, die Isu und die Götter stecken dahinter. Gerade was das Dänische angeht, weil meine Vorfahren ja aus dem skandinavischen Raum kommen.“ lächelte ich in die Runde.
Jetzt, wo diese Anspannung von mir abfiel, spürte ich, dass ich am ganzen Körper zitterte. Haytham ließ mich langsam auf dem Sofa wieder nieder und reichte mir ein Glas Hochprozentigen, welches ich dankbar annahm. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich gerade bin!“ brachte ich schwer atmend raus und trank mein Glas in einem Zug leer. Der Whiskey brannte leicht in meiner Kehle, aber er wärmte so schön und ich fühlte mich wohler.
„Das sind wirklich turbulente Jahre gewesen, wenn ich das so sagen darf.“ meinte mein Mann jetzt und sah in die Runde, allen war bewusst, dass es auch noch nicht hiermit beendet sein würde. Wir hatten ab jetzt noch mehr Dinge, die es galt im Auge zu behalten, zu beschützen und voranzutreiben. Innerlich fing ich schon wieder an, eine Art Plan oder Terminkalender anzulegen, damit ich den Überblick nicht verlor. „Hey, meine sture Preußin, wir können dich schon wieder lesen!“ kam es lachend von Faith und ich wurde knallrot. Ja, ich hatte in solchen privaten Momenten immer noch das Problem, dass ich das offenen Buch war.
Wir blieben noch zum Abendessen und die Themen waren ab jetzt eher von neutraler Substanz. Gerade auch, weil die Kinder mit anwesend waren und ich eh darauf achten musste, dass mein Sohn nicht mit seinem Essen um sich warf. „Alex, Edward isst wirklich schon ganz normal mit euch gemeinsam? Wie hast du das in so kurzer Zeit geschafft?“ und sie sah dabei fragend zu unserem Sohn. „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Vor zwei Wochen ungefähr, hatte Edward seine Essenszeit vergessen und ich erinnerte ihn auch nicht daran. An diesem Abend griff er dann auch einfach zu normalem Essen. Und was soll ich sagen, Mrs. Wallace hat ihn regelrecht vollgestopft. Aber Edward war begeistert und seitdem wurde es weniger mit dem Stillen und seit gestern hat er auch nicht danach verlangt. Doch ich muss abwarten, es mag vielleicht daran liegen, dass Edward gerade Zähne bekommt.“ wie aufs Stichwort fing der kleine Mann an zu quengeln und zappelte auf meinem Schoß herum. Ich gab ihm die Kette und freudig kaute mein kleiner Schatz darauf herum und beruhigte sich langsam wieder.
Es war schon spät, als wir uns verabschiedeten und eigentlich wollte ich Edward nicht aus seinem Schlaf reißen, doch mir war es lieber, wenn wir bei Jenny schliefen. Zumal ich auch nichts für unseren Sohn hier hatte und, wenn ich ehrlich sein darf, mir dieses Anwesen zu groß erschien und mich erschauern ließ. Nicht, weil es unheimlich war, es war einfach zu groß für so wenige Bewohner. Wie erwartet, schlief unser Sohn in seinem Tragetuch einfach weiter und ließ sich nicht beirren, im Gegenteil, sein Grinsen während er träumte zeigte mir, er fühlte sich sichtlich wohl.
Aber als er in unserem Schlafzimmer in seiner Wiege lag, begann er wach zu werden und ich hörte ein gequältes „Mamaaaaaaaaaaa!“ Zum ersten Mal hatte er Bauchweh und erbrach sich die Nacht mehrfach. Gegen 5 Uhr schlief unser Sohn dann aber ruhig zwischen uns ein und somit hatten wir auch noch ein paar Stunden der Erholung. Mrs. Wallace, Jenny und ich waren die Nacht damit beschäftigt, saubere Tücher zu holen, die Windeln im Minuten-Takt zu wechseln und und und...
Verschlafen öffnete ich die Augen und sah in kleine hellwache blaugraue Augen und spürte kleine Finger, wie sie mit meinen Haaren spielten, während der Daumen der anderen Hand in seinem Mund lag. „Guten Morgen, mein Schatz. Geht es dir besser?“ fragte ich unseren Sohn und zog ihn ein wenig zu mir, damit Haytham noch etwas schlafen konnte, doch... er war schon wach. Wie immer und ich musste mal wieder grinsen. Schmatzend brabbelte Edward vor sich hin, ließ mich aber nicht aus den Augen. Vorsichtig fühlte ich seine Stirn, aber warm war er nicht. Also hatte er vermutlich gestern einfach zu viele Süßigkeiten bekommen, als ich nicht aufgepasst hatte!
„Guten Morgen, mi sol.“ sagte mein Mann und gab mir einen langen Kuss, doch sein Sohn schob ihn wieder beiseite. „Edward, ich darf das.“ grinste er seinen Nachwuchs an und strich ihm eine wuschelige Strähne aus dem Gesicht. So lagen wir noch eine Weile beisammen, wir waren einfach alle etwas übermüdet und ich würde Sybill heute auch eine Auszeit geben, damit sie sich ausruhen konnte. Ein zögerliches Klopfen riss uns aus unserem kleinen Familienidyll und Magda kündigte das Frühstück an. „Ich würde am liebsten den ganzen Tag hier liegen bleiben, mi amor!“ Ich gähnte mehr, als das ich sprach und Haytham war anscheinend der selben Ansicht, weil er mit geschlossenen Augen dalag. Ein erneutes Klopfen und ich hörte, wie Mrs. Wallace fragte, ob es Master Edward schon besser ginge. Kurzerhand bat ich sie hinein und erklärte ihr, dass sie für heute frei hätte, sie solle sich ausruhen.
„Mistress Kenway, das geht aber doch nicht. Ihr habt Termine und …“ aber ich ließ sie nicht ausreden. „Mrs. Wallace, heute steht nichts weiter an und auch ihr braucht ausreichend Schlaf. Es wird in Zukunft sicherlich noch mehr solcher Nächte geben und ich möchte, dass ihr gesund bleibt und nicht einfach vor Übermüdung umfallt!“ meinte ich jetzt in einem leichten Befehlston, aber mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Natürlich, da habt ihr Recht... also... ich...“ druckste sie herum. „Wir wünschen euch einen ruhigen Tag und wir sehen uns spätestens beim Abendessen, Mrs. Wallace.“ sagte ich jetzt bestimmt und sie ging mit einem Grinsen auf dem Gesicht aus dem Zimmer.
„Alex, bist du dir sicher, dass wir sie heute nicht brauchen?“ fragte mich Haytham etwas skeptisch. „Ja, ich bin mir sicher, oder hast du etwas geplant, wovon ich nichts weiß? Dann hättest du vielleicht schon etwas eher davon berichten sollen!“ Doch er verneinte mit den Worten, er würde es doch nur für mich gut meinen und dann fing Edward an, auf seinen Vater zu klettern und lag ruck zuck quer über dessen Brust. „Edward, was...“ doch mehr konnte er nicht sagen und grinste breit. „Da ist aber jemand wirklich noch müde!“ meinte ich und kuschelte mich an meine beiden Männer! Das Frühstück würde warten müssen, ich wollte diesen Moment gerade einfach genießen. „Der Junge wird von Tag zu Tag schwerer, mi sol.“ gluckste Haytham und ich stimmte mit ein. „Ja, das stimmt. Sybill meinte auch schon, sie hätte die nächst größere Montur für Edward nehmen müssen, er wäre wieder gewachsen.“ ich ließ meinen Blick anerkennend über den kleinen Kenway gleiten und strich ihm vorsichtig über den Kopf. Und langsam schlossen sich meine Augen und ich schlief noch einmal ein.
„Mi sol, wach auf, es ist schon spät.“ hörte ich meinen Templer leise an meinem Ohr flüstern und schreckte hoch. „Was? Wie lange habe ich geschlafen? Warum hat mich niemand geweckt!“ meckerte ich drauf los. „Ganz ruhig, es ist erst 9 Uhr, du hast nicht den ganzen Tag verschlafen! Unser Sohn ist schon unten bei Jenny und bekommt ein wenig Frühstück! Ja, ich habe gesagt, dass ihm schlecht war letzte Nacht. Sie wissen alle, was dann zu tun ist. Mach dir keine Sorgen.“ diese ganzen Worte beruhigten mich und ich zog sein Gesicht zu mir herunter. Seine grauen Augen ruhten auf mir und... verdunkelten sich mit einem Male. Wir haben wieder einen kleinen Augenblick für uns, mi sol! Lass mich dich fühlen, ich will dich! Und ich spürte seine Hände über meinen Körper wandern und ließ es zu, solche Momente waren es, welche wir ausnutzen mussten.
Als wir nach unten kamen, war das Frühstück natürlich schon lange vorbei, doch ich bekam noch von einem der Küchenmädchen meinen Kaffee und Haytham seinen Tee. Auch waren noch Toast und Eier da, welche ich begierlich aß, ich hatte wahnsinnigen Hunger! Edward hatte ein dezimiertes Essen bekommen, was auf einen verstimmten Magen abgestimmt war. Jenny erzählte uns, wie unser Sohn kaum etwas anrührte, weil er es nicht kannte und es eben nicht seine geliebten Speisen waren, sondern einfacher Haferschleim und etwas lauer Tee. Nunja, ich würde das auch kaum runter bringen, wenn ich ehrlich sein soll.
Wir konnten diesen Tag ruhig angehen lassen und ich freute mich schon auf den Vortrag von Benjamin Franklin in den nächsten Tagen. Es war immer noch ein sehr seltsames Gefühl, diese Persönlichkeit so real zu treffen und eine gewisse Ehrfurcht erfasste mich immer wieder bei diesem Gedanken. Haytham holte mich in die Wirklichkeit, in dem er mich fragte, was ich an meinem Geburtstag gerne machen würde. Achja, da war ja etwas. Durch diese Zeitreisen hatte ich meinen Geburtstag, meinen echten, immer vergessen oder auch nicht wirklich darüber nachgedacht. Doch mein Mann wusste Bescheid und erinnerte mich seit ich ganz hier war, gerne daran. Da wurde mir auch bewusst, dass ich nicht 48 wurde, sondern 28 und somit war Faith älter als ich! „Mi sol, du hast Recht. Das habe ich noch nicht so richtig überlegt, eigentlich bin ich älter als Shay, doch jetzt... hmmm. Es fühlt sich seltsam an.“ In diesem Moment war ich froh, dass ich nicht immer alles laut aussprechen musste und mein Templer mich einfach lesen konnte!
„Ich weiß aber ehrlich gesagt gar nicht, WAS ich gerne tun würde. Wie wäre es, wenn wir einfach Shay und Faith zum Tee und Abendessen einladen? Und ich könnte auch noch die Bradshaws einladen, natürlich ist Master Williams automatisch mit eingeladen, schau nicht so, Haytham!“ lächelte ich ihn an, weil er mich schon wieder tadelnd daran erinnern wollte! „Ganz wie du möchtest, mi sol. Es ist dein Tag und ich denke, Jenny wird nichts dagegen haben. Im Gegenteil, ich finde, sie braucht etwas Gesellschaft, auch wenn sie eigentlich lieber für sich ist.“ meinte Haytham leise und sah sich nach seiner großen Schwester um, als könne sie ihm wegen dieser Aussage eine Schelle verpassen. Er hatte doch tatsächlich noch sehr großen Respekt vor ihr, so wie er es mir damals erzählte, als er klein war und sie ihn gerne von oben herab behandelte.
Nachdem ich die Einladungen geschrieben hatte und einem Boten übergeben hatte, widmete ich mich der Kleidertruhe von Edward. So langsam wurde es doch etwas knapp und wir müssten unserem Schatz neue Anziehsachen besorgen. Mir widerstrebte es zwar immer noch, dass er in Kleider ähnlichen Sachen steckte, doch es war zum einen üblich in dieser Zeit und zum anderen auch wegen der Windeln einfacher zu handhaben. Also fügte ich mich der Mode des 18. Jahrhunderts und machte mich dann am späten Vormittag mit Haytham auf, ein paar Sachen für unseren Sohn zu kaufen. Doch ich bemerkte, dass auch mein Mann nicht unbedingt solche üblichen Dinge an seinem Sohn sehen wollte, er orderte hier und da etwas feinere Sachen, welche ihm seiner Meinung nach zustanden. Unter anderem bekam Edward einen kleinen Anzug in dunkel blau und einen in einem leuchtenden Rot. Damit würde er definitiv auffallen, dachte ich und musste grinsen.
Als das erledigt war, spazierte ich mit Haytham eine Weile weiter und wir kamen an einem großen Geschäft für Damenbekleidung vorbei. Ohne Umschweife zog er mich hinein und löste sein Versprechen von damals ein, dass wir in London meine Garderobe definitiv noch aufstocken würden. DAS tat er und wir gingen mit der Bestellung für 6 Kleider wieder hinaus und ich fragte mich, WANN ich diese ganzen Sachen überhaupt tragen sollte. „Mi sol, du wirst dich wundern. Bald werden jede Menge Empfänge und Gesellschaften stattfinden, wenn wir zurück in Virginia sind. Auch wirst du hier sicherlich noch dazu kommen, dass eine oder andere Stück zu tragen. Und wenn es allein für mich ist, weil ich dich gerne darin sehen möchte!“ sprach er jetzt leise und in seinem Blick lag dieser Wunsch nach Zweisamkeit. „DEN Wunsch werde ich euch natürlich gerne erfüllen, Master Kenway.“ flüsterte ich etwas atemlos an sein Ohr und ich nahm die Gänsehaut wahr, welche sich über seinen Nacken einen Weg bahnte.
Wir aßen noch in einer kleinen Wirtschaft zu Mittag und machten uns danach dann auf den Weg nach Hause. Unterwegs kam mir der Gedanke an diesen Mr. Simpkin und ich sprach Haytham jetzt einfach darauf an. „Er war neben Reginald der Verwalter und hatte den Wiederaufbau mit überwacht. Wie ich jetzt weiß, neben meiner Mutter und ich bin froh, dass er nicht alle Pläne kannte.“ man sah die Erleichterung in seinem Gesicht. „Ja, da könnt ihr wirklich von Glück reden. Aber als du dann volljährig warst, haben sich dann eure Wege getrennt, oder warum hattet ihr keinen Kontakt mehr?“ fragte ich jetzt weiter. „Er war noch eine Weile mit den Belangen betraut, bis meine Mutter dann starb und als dann Jenny zurück kehrte, entließ sie ihn kurzerhand. Er war nie ein enger Vertrauter oder ähnliches, auch war ich mir nie sicher, ob er ganz ehrlich zu uns war. Gerade weil er eng mit Reginald gearbeitet hatte.“ erklärte er mir weiter.
Für einen kurzen Moment war ich versucht, meinen Mann nach dem Grab seiner Eltern zu fragen, doch ich ließ es lieber. Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich vermutlich heulend dort stehen und mir Vorwürfe machen. Doch leider war ich genau JETZT ein offenes Buch und prompt reagierte Haytham darauf. „Mi sol, ich kann dich gerne dorthin bringen, wenn ICH ehrlich sein darf, ich war... seit Ewigkeiten nicht mehr dort.“ hörte ich ihn jetzt etwas kleinlaut sagen. Automatisch legte ich meine Hand auf seinen Arm und drückte ihn. „Das ist doch auch verständlich, mi amor. Du bist ja nicht jede Woche hier in London, oder?“ Sein Blick sagte mir, dass er dennoch ein schlechtes Gewissen hatte. „Wir sollten vielleicht auch Jenny mitnehmen und ich hätte gerne Edward mit dabei. Auch wenn ein Friedhof nicht unbedingt der geeignete Ort für ein Kleinkind ist.“ kam es entschuldigend, aber ich konnte es verstehen und nickte. „Dann sollten wir schauen, dass wir nach den ganzen Terminen einmal dorthin gehen können, mi amor!“ sagte ich nur und gab ihm einen leichten Kuss.
Als wir wieder beim Anwesen ankamen, war es schon Zeit für das Abendessen und mich überkam das schlechte Gewissen, Edward so lange alleine gelassen zu haben, gerade nach so einer schlimmen Nacht. Ich eilte zum Eingang und hörte hinter mir nur „Alex, wenn etwas passiert wäre, dann hättest du Nachricht erhalten! Mach langsam!“ Haytham hatte ja Recht, doch... mein Gewissen, ich konnte es nicht abstellen! Es war aber, wie er gesagt hatte. Edward saß mit einem der Mädchen im Salon und spielte mit seinen Pferden, während Jenny aus einem Buch vorlas. Es war unglaublich idyllisch und ich blieb kurz in der Tür stehen, genoss diesen Moment von Familie. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass ich so etwas nie mit Yannick hatte, ja wir hatten unsere eigenen Momente, aber nicht so. Nicht mit Tanten, Vätern oder ähnlichem, sondern... nur wir beide alleine. Zu spät spürte ich, wie mir die Tränen über die Wangen liefen, doch mein Mann drehte mich zu sich und zog mich in die Eingangshalle. „Alex, Yannick ist dadurch aber kein schlechterer Mensch geworden. Du hattest und hast eine ganz eigene Beziehung zu ihm, sehr intensiv und ich weiß, dass dein Sohn ebenso denkt. Er weiß, was er an dir hat und er liebt dich! Vergiss das nicht!“ seine Arme schlangen sich um mich und mein Mann hielt mich einfach fest, bis dieser Frieden wieder zurückkehrte und ich mich beruhigte. „Danke, mi amor.“ sprach ich leise.
Während des Abendessens erzählte ich von unseren Einkäufen und dass Edward ein paar neue Sachen bekommen hatte. Dieser saß auf meinem Schoß und stopfte sich eine Kartoffel nach der anderen mit Soße in den Mund. Ich war erstaunt, dass er schon wieder so einen Appetit hatte. „Edward hat heute Mittag und am Nachmittag immer nur etwas leichtes bekommen, nicht dass ihm doch wieder übel wurde. Aber er hat sich sehr gut erholt, wie es scheint.“ lachte Jenny und sah ihren Neffen liebevoll an. Auch Mrs. Wallace tat ihr Erstaunen kund und lobte ihren Schützling, dass er wirklich artig den Tag über war. Als es dann Zeit fürs Bett war, machte ich meinen Sohn fertig, ich hatte noch keine Zeit heute für ihn gehabt. Beim Waschen brabbelte er mir mit Daumen im Mund etwas vor, ab und an hörte ich „Mama“ oder auch „Papa“... dann aber kam ein „Nini“ und ich sah ihn erstaunt an. Er plapperte es ein paar mal vor sich hin. „Schätzchen, was meinst du damit?“ aber natürlich konnte mir mein Sohn nicht antworten, doch es interessierte mich einfach. Als wir fertig waren und er sein Nachthemd anhatte, gingen wir hinunter zum Gute-Nacht-Sagen.
Im Salon saßen Haytham und Jennifer und unterhielten sich, doch unterbrachen abrupt ihr Gespräch als ich eintrat. So etwas gefiel mir nicht, ich mag es nicht, wenn ich nicht eingeweiht werde. Ich bekam aber eine Erklärung von meiner Schwägerin. „Alex, warte doch einfach mal deinen Geburtstag ab.“ lachte sie und ich wurde knallrot, DARAN hatte ich wieder nicht gedacht. Manchmal war ich einfach... ja ungeduldig. Sie nahm Edward auf den Arm und wünschte süße Träume, auch bekam er einen Kuss auf die Stirn. „NINI!“ quietschte Edward mit einem Male und sah sie mit großen Augen an! Jenny! Er meinte seine Tante damit! „Dann haben wir ja jetzt einen Spitznamen für dich, Jenny!“ meinte ich lachend und sie sah mich ebenfalls mit breitem Grinsen an. „Du meinst, er meint wirklich mich? Aber...“ plötzlich drückte sie Edward an sich und fing an zu weinen. Es war Haytham, welcher jetzt reagierte und nicht so, wie ich vermutet hätte. Er ging auf die beiden zu und nahm sie beide in den Arm. „Natürlich meint er dich, er mag dich und anscheinend hat er dich in sein Herz geschlossen, Jenny!“ Ich musste tief durchatmen, soviel Familie an einem Tag ist auch für mich zu viel.
Doch als er seinen Vater sah, reckte er die Ärmchen und rief nur „Papa“, was mal wieder mit einer Korrektur von eben diesem einherging und ich rollte innerlich mit den Augen. „Edward, du weißt doch, wie das auf englisch heißt.“ meinte Haytham jetzt leise und wiederholte „Father“ immer wieder. Jenny und ich sahen uns kopfschüttelnd an, doch ich konnte meinen Mann ja verstehen. Es gehörte zur guten Erziehung und er wollte die bestmögliche für seinen Sohn haben! Lächelnd ging mein Templer jetzt an mir vorbei und erzählte seinem Sohn noch von einigen Erlebnissen aus seiner Kindheit. Ich stand einfach im Salon und wusste nicht, ob ich hinterher sollte oder warten sollte. „DAS hat dein Bruder noch nie gemacht, oder erwartet er jetzt, dass ich mit hochkomme?“ fragte ich etwas verunsichert. „Ich denke, du kannst die beiden Männer ruhig alleine lassen. Mrs. Wallace weiß ja schon Bescheid und wird gleich nach oben gehen. Auch wenn ich gestehen muss, seit mein kleiner Bruder Vater und Ehemann ist, hat er sich... nunja, sehr verändert.“ Jenny räusperte sich und sah verlegen auf ihre Hände.
„Wie meinst du das? Ich meine, ja, Haytham ist ein anderer, das sagte mir Faith auch bereits. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich über ihn ja nicht so wahnsinnig viel, außer diese kurzen Momente in denen ich mit ihm damals zu tun hatte.“ fragte ich etwas leise, im Grunde war es mir immer noch unangenehm, mit ihr darüber zu reden. „Haytham war verzogen, aber das weißt du ja. Später hat Reginald ihn zu diesem Menschen gemacht, welcher nichts an sich heranließ. Und...“ es kam eine kurze Pause „Alex, du weißt, dass Haytham vor dir eine andere hatte, oder? Auch sie hat ihn verändert! Als er mich damals befreite und wir dann mit Holden auf dessen Genesung warteten, konnte ich spüren, dass er ein Perfektionist geworden war, was seine Gefühle anging. Später dann in Frankreich wurde es noch schlimmer, nachdem sich sein Kammerdiener das Leben genommen hatte. Danach wurde er noch verschlossener, was eigentlich schon gar nicht mehr möglich war. Dann änderten sich aber mit einem Male seine Briefe als DU in sein Leben kamst und... ich bin dir unendlich dankbar!“ und in ihren Augen brannten Tränen. Ich nahm Jennys Hand und hielt sie fest, weil ich auch nichts sagen konnte.
„Er liebt dich, Haytham hat das gefunden, was er immer unwissentlich gesucht hat.“ sprach sie leise weiter und drückte meine Hand ebenfalls. Ja, sie hatten beide ihre Erfahrungen gemacht und ich wünschte, ich hätte... doch bevor ich diesen Gedanken auch nur weiterführen konnte, meckerte Edward Senior in meinem Kopf. Nein und hör jetzt auf. DU bist hier, du bleibst hier und... damit BASTA! doch ich konnte sein breites Grinsen wieder förmlich vor mir sehen, auch wie er mit in die Hüften gestemmten Hände vor mir stand! „Danke!“ gab ich nur als leise Antwort.
Ein Räuspern aus Richtung der Tür ließ uns beide aufschrecken! „Haytham, musst du dich immer so anschleichen?“ maulte ihn Jenny jetzt an und ich musste lachen, auch ich sagte ihm das des öfteren. „Warum glaubt ihr Damen immer, ich schleiche? Ich bin einfach leise, mehr nicht!“ meinte er grinsend und kam auf uns zu, setzte sich neben mich und nahm sich ein Glas von dem Portwein. „Wegen dir bekomme ich irgendwann noch einmal einen Herzinfarkt, mi amor!“ grinste ich ihn an. „Was gab es so spannendes zu erzählen?“ meinte er übertrieben beiläufig und wir wussten, dass er lange genug dort gestanden hatte, um das Gespräch zu verfolgen. „Ob du es glaubst oder nicht, es ging um die positive Veränderung von dir, Haytham.“ meinte Jenny jetzt ironisch grinsend. „Ich muss ja einen sehr schlechten Eindruck bei euch hinterlassen haben, die Damen.“ meinte er immer noch lächelnd. „Nunja, diesen Eindruck konntest du ja mittlerweile revidieren und ich bin dir dafür sehr dankbar, mi amor! Sonst hätte ich die Kopfkissen doch noch Zweckentfremden müssen!“ grinste ich.
„Da bin ich aber froh drum, mi sol.“ kam es glucksend von ihm und auch Jenny konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Haytham, aber hat alles geklappt mit Edward? Schläft er?“ fragte ich etwas ungeduldig, ich bin halt Mutter, lasst mich! „Alex, natürlich habe ich ihn draußen im Garten sich selber überlassen!“ er rollte mit den Augen und schüttelte einfach den Kopf. „Natürlich hat es funktioniert, zumal Edward auch sehr müde war. Und jetzt ist Sybill da und wacht über ihn. Du kannst dich entspannt zurück lehnen!“ meinte er leise und ich atmete, so blöd wie es klingen mag, erleichtert aus. An diesem Abend erzählte uns Jenny, dass sie einige Heiratsanträge erhalten hatte und sie schilderte uns die entsprechenden Herren und die Art, wie diese um ihre Hand anhielten. Es war durchweg eigentlich sehr beschämend für die Herren, Miss Scott ließ sie alle abblitzen und ich stellte mir diese hochgewachsene Frau vor, wie sie einen Mann nach dem anderem aus dem Haus jagte. Nein, es passte auch nicht zu ihr, zu heiraten. Auch wenn es sich eigenartig anhören mag, doch diese Zeit war für sie vorbei, dafür hatte sie zu viele böse Dinge erleben müssen! „Alex... hör auf... du kannst nichts dafür!“ meinte sie jetzt wieder und riss mich aus diesen Gedanken, ich seufzte, doch so langsam kam ich dahinter, dass ich einfach nur mein Schicksal erfüllte!
Meine Schwägerin verabschiedete sich dann später für die Nacht und wir blieben noch einen Moment hier unten vor dem Kamin sitzen. Ich lehnte an Haythams Schulter und sah einfach ins langsam verglimmende Feuer, diese Momente waren es, welche mich herunter fuhren, welche mich beruhigten. Ich brauchte nicht viel, ich brauchte nur meinen Mann! „Und ich brauche nur dich, mi sol!“ kam es von meinem Templer leise an meinem Ohr. Als ich mich ihm zuwandte sah ich in seine grauen Augen, welche so dunkel waren, dass man meinen könnte sie wären schwarz. Kurz darauf lag ich auf dem Sofa unter ihm und er nahm mich einfach Du hast mich tatsächlich verändert und auch ich bin dir dankbar, mi sol! Ich würde es dir gerne viel öfter zeigen, doch ich weiß nicht wie! Hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. Sei einfach bei mir, mi amor! Ich habe nie etwas anderes gewollt, ich wollte dich und ich wünsche mir, dass das so bleibt! Antwortete ich einfach und spürte, dass auch Haytham genauso dachte.
Als ich dann später in unserem Bett an ihn gekuschelt lag, wurde mir mal wieder bewusst, dass ich diesen Mann nicht wieder gehen lassen würde!
Gestern wurde Edwards und meine neue Garderobe geliefert und auch die Annahmen der Einladungen waren uns überbracht worden. Also besprach ich mit Jennifer den Ablauf und was es zu Essen geben sollte. Ich plädierte für ein „normales“ Essen, ich war kein Brite und ich konnte mich leider nicht mit der hiesigen Küche anfreunden. Ansonsten war der Tag geprägt von kleineren Lehrstunden für Edward, welche selbstverständlich mein Mann übernahm und sich auch nicht nehmen ließ. In diesem Moment wurde mir seine Strenge und Diszipliniertheit wieder bewusst, welche er auch bei seinem Sohn an den Tag legte und ich hatte zum ersten Mal Bedenken, ob das wirklich so gut ist. Doch ich schob es vorerst nach hinten. HIER hatte ich keine Zeit darüber nachzudenken.
Als ich heute morgen erwachte, erwarteten mich tief dunkle graue Augen und ziemlich gierige Finger, welche mich erforschten. „Endlich bist du wach, mi sol.“ und seine Lippen bedeckten mich mit Küssen. „Ich wünsche dir einen wunderschönen Geburtstag und dass du noch sehr viele davon erleben wirst!“ raunte er an mein Ohr und ich schmolz einfach dahin! „Von solchen Festivitäten kann ich nie genug bekommen, mi amor!“ und meine Arme schlangen sich um ihn, doch nicht lange, dann lagen sie in seinen Schraubzwingen. „Du hast nicht ernsthaft gedacht, ich lasse dich machen, was du willst, oder?“ grinste er etwas fies und ich bekam meinen Templer zu spüren! „Auch nicht wenn ich Geburtstag habe?“ gab ich gespielt schmollend mit meinem schönsten Augenaufschlag zurück. „Nein. Du gehörst mir. Und ich habe dafür gesorgt, dass wir ein wenig Zeit für uns haben!“ erklärte mir Haytham schwer atmend!
Ich ergab mich diesem wohligen, gierigen Schicksal und ließ meinen Mann meinen Geburtstag einleiten, wie er es für richtig hielt. Irgendwann saß ich auf seinem Schoß und spürte seine Bewegungen in mir und wir wurden eins, es waren keine Worte nötig und sogar mein Geist war völlig befreit! Wir waren diese Einheit, welche durch nichts zu erschüttern war. Dieser Gedanke brachte mich wieder an den Rand der Erlösung und ich las in Haytham den selbigen und wir ließen beide gleichzeitig los! „Oh bei Odin...“ brachte ich stöhnend hervor und auch mein Mann klammerte sich mit dem Wort „Jesus!“ an meine Oberschenkel. Verdammt noch mal, ich konnte ihm nicht entkommen! Es war, als würde durch seine Hände, seine Worte, sein Atem, seinen Körper eine Substanz in mich eindringen, welche mich völlig willenlos machte! „DAS höre ich doch gerne, dass ich dich immer wieder verrückt mache und du mir ganz alleine gehörst, mi sol!“ sprach er leise und ich wusste, er hatte meinen Geist wieder infiltriert. Doch ich war ihm nicht böse, ich hatte nichts zu verbergen, im Gegenteil!
„Ich liebe dich, Haytham!“ kam es immer noch atemlos von mir. „Ich kann es nicht oft genug von dir hören, ich liebe dich auch! Vergiss das nie, mi sol!“ ich lehnte mich an seine Brust und wir verbrachten noch einige Zeit einfach so im Bett und ich genoss seine Nähe! Dann mussten wir leider in die Realität zurück, Mrs. Wallace teilte mit, dass Edward lautstark nach seinen Eltern verlangte. Ich bat sie, unseren Sohn einfach hoch zubringen. Indes zog ich mir mein Unterkleid schon einmal an und Haytham stieg in seine Hosen und ein Hemd. Dieser Anblick war immer noch ein kleiner „Wow“ Effekt, dieser Mann konnte wirklich ALLES anziehen... nur bitte nicht meine Kleider... doch das ist ein anderes Thema!
Edward war wirklich knatschig und ziemlich miesepetrig. Seine Laune ließ sich kaum besänftigen, doch wir taten unser Bestes. Als Haytham mit Geschichten über die Pferde in unserem Stall in Virginia anfing, wurde er leiser und hörte wieder zu. Ich musste grinsen, Pferde sind toll, keine Frage. Aber Edward war völlig affin was das anging, kaum sagte man Pferd hörte er zu, auch hatte er keine Angst vor diesen Tieren, im Gegenteil. Legte man eine Möhre in seine kleine Hand und hielt sie dem Pferd hin, sah er einfach fasziniert zu, zuckte nicht ein einziges Mal.
Langsam wurde es aber Zeit, dass wir uns fertig machten. Ich würde gerne noch Kaffee bekommen und ein wenig Frühstück wäre auch nicht schlecht. Unten angekommen erwartete mich das gesamte Personal und beglückwünschte mich zu meinem Ehrentag. Ich ließ mich auf meinem Platz nieder und griff sehnsüchtig nach der Kaffeetasse, Toast, Speck und Eier ließ ich mir ebenfalls schmecken. Ich fühlte mich wie ausgehungert und Edward sah mir fasziniert zu, hin und wieder gab ich ihm noch etwas Toast.
Meinetwegen könnte es einfach so bleiben bis in alle Ewigkeiten! Leider mussten wir noch einiges vorbereiten und ich hatte während des Frühstücks noch geschäftliche Korrespondenz erhalten von Mr. Owens. Eigentlich war nicht ich dafür zuständig, weil es um den Tabak unter anderem ging, aber er war auf den Geschmack gekommen, was diese Schmuckstücke anging und fragte nach, ob ich auch an exklusivere Teile kommen würde. Was er darunter verstand, musste ich erst noch in Erfahrung bringen. Also bat ich ihn um ein Gespräch am 27. Mai, hier im Anwesen. Jenny hatte mir das ehemalige Studierzimmer von Edward überlassen und ich hatte mich dort eingerichtet.
Das Mittagessen war etwas einfach, wir würden ein üppiges Abendessen genießen. Für Edward Junior gab es dennoch etwas herzhaftes und in seinen Augen sah ich, dass er dieses Fleisch und die Soße liebte. Ich fragte mich trotzdem wiederholt, wie er das ohne die Zähne machte, doch als ich ihn dann zum Mittagsschlaf hinlegen wollte, sah ich mir seinen Mund an. Noch waren nicht alle Zähne durchgekommen, ich sah aber bereits eine Vielzahl an Beißwerkzeugen. War das wirklich so normal? Verdammt! Ich kann mich nicht erinnern.... ich musste wirklich einmal Faith danach fragen, ich hatte sonst niemanden, der mir Auskunft geben konnte. Vergisst man wirklich so schnell als Mutter? Und da war es wieder, das schlechte Gewissen, dieser Gedanke, dass man nichts behält, was wichtig ist! Ich bin eine schlechte und vergessliche Mutter, kam es mir in den Kopf und dann hörte ich Edward junior plötzlich... Nein, bist du nicht. Jedes Kind ist anders! Verlass dich auf dein Gefühl und erwarte nicht immer, dass du alles weißt, dass du alles kontrollieren kannst. Mom, du bist da für mich. IMMER! Das weiß ich und spüre es, dass ist das wichtigste! … Es war wie mit meinem Enkel!
Ich weiß nur noch, dass ich Edward Junior in meinen Armen hielt und vor der Kommode kauerte, heulend und schluchzend! Ich klammerte mich an meinen Sohn. Er war wie ein Rettungsanker, genau wie es Yannick immer war und sein wird. Doch Edward war noch so klein, ich konnte ihm doch diese Bürde nicht auferlegen! Das ging nicht. Natürlich geht das nicht, aber ihr seid nicht alleine, hast du das schon vergessen, mein Kind? Hörte ich Odins oder eben Elias´ Stimme. Langsam beruhigte ich mich wieder und sah auf meinen Schatz hinunter, welcher eingeschlafen war. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und erhob mich vorsichtig, damit er nicht wieder erschrak. Als er in seiner Wiege lag, welche mittlerweile etwas zu klein für ihn wurde, nuckelte er selig an seinem Daumen und bekam nichts mehr mit. „Mi sol, ist alles in Ordnung?“ hörte ich die leise Stimme meines Mannes hinter mir.
„Ja, es geht schon wieder, Haytham. Für einen Moment war ich mal wieder überfordert und diese Panik, dass ich alles falsch machen würde überkam mich.“ ich drehte mich zu ihm um und nahm ihn in den Arm. „Du brauchst keine Angst haben, dass du Fehler machst. Weil wir als Eltern sicherlich noch des öfteren welche machen werden, ungewollt. Auch wir beide lernen wieder dazu, Alex. Und du hast es selber gehört, du bist nie alleine!“ sprach er beruhigend auf mich ein und in mir breitete sich dieser Frieden wieder aus.
Leise machten wir uns beide für den Besuch fertig und Magda befand, dass ich eines der ganz neuen Kleider ruhig tragen sollte.
Es war Mai und sogar ich musste mir eingestehen, dass es in diesen Monat hervorragend passte. Mit den Blumenstickereien und diesem Beige sah es einfach hübsch aus. Als meine Haare dann auch endlich in Form gebracht waren, besah sich mein Mann das Resultat aus diesen eineinhalb Stunden Arbeit und meinte anerkennend in Richtung meiner Zofe „Ihr verbringt schon fast wahre Wunder, Magda. Wir haben gut daran getan, euch als Kammerzofe einzustellen!“ sie wurde puterrot im Gesicht, kicherte leise und knickste schüchtern. „Danke, Master Kenway!“ und dann ging sie immer noch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht aus unserem Schlafzimmer.
„Mi sol, du siehst fantastisch darin aus.“ seine Finger fuhren sacht über meinen Hals, seine Lippen folgten und als ich noch seinen warmen Atem spürte, war es eigentlich schon wieder um mich geschehen. Leider hatten wir jetzt keine Zeit und ich wollte die ganze Arbeit, welche sich Magda gemacht hatte, nicht zerstören. „Danke, mi amor.“ sagte ich stattdessen und drehte mich langsam zu meinem Mann um. Meine Arme schlangen sich um seinen Nacken und ich gab ihm einen langen Kuss. „Wir sollten hinunter gehen, die Gäste werden sicherlich gleich eintreffen.“ sprach ich leise, ich wollte unseren Sohn noch nicht wecken. Haythams Daumen fuhr über meine Lippen und hielten dann mein Kinn fest, sodass ich ihn ansehen musste. „Ich weiß, aber ich habe noch etwas für dich! Schließ die Augen!“ ich tat wie mir geheißen und stand jetzt wartend im Zimmer. Seine Schritte entfernten sich und ich wusste, dass er ins Ankleidezimmer ging, kurz darauf erschien er wieder bei mir. „Jetzt kannst du sie wieder öffnen, mi sol.“ er hielt eine kleine hölzerne Schatulle vor mich und hob den Deckel an. Darin befand sich eine wunderschöne Silberne Kette, welche mit von Diamanten umringten Amethysten verziert war, daneben lagen die passenden Ohrringe.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Alex.“ ich starrte auf diesen Schmuck, ich hatte Angst ihn anzufassen. Er musste ein Vermögen gekostet haben, es war nichts aus Tessas Bestand und vor allem WANN hatte er Gelegenheit, ein Geschenk zu besorgen! „Danke.“ hauchte ich.
„Du kannst ihn ruhig anfassen, er beißt nicht, mi sol.“ lachte Haytham jetzt, weil er mein Zögern bemerkte. „Mi amor, sie sind wunderschön, aber ich traue mich gar nicht, ihn anzulegen, aus Angst, dass ich ihn verlieren könnte. Das ist ein Vermögen, Haytham! Und... woher wusstest du, dass ich ein farblich passendes Kleid tragen würde!“ Seine grauen Augen ruhten mit einem Leuchten auf mir und ich hörte ihn in meinem Kopf. Ich wusste es nicht, es war eine Eingebung, als ich die Schmuckstücke von Master Bradshaw sah. Es war, als würden diese hier nach dir rufen und deinen Namen tragen. Sie passen einfach zu dir! Auch wir Männer haben durchaus unsere kleineren Geheimnisse, mi sol. Ein Lächeln umspielte seinen Mund und ich fühlte mich magisch davon angezogen. „Danke, Haytham! Dafür, dass auch du deine Geheimnisse hast.“ Nun legte er mir das Collier an und ich befestigte die Ohrringe. Staunend besah ich mich im Spiegel, die Steine glitzerten und die Kette war nicht so schwer, wie ich erwartet hatte. „So kann ich dich jetzt auf die Gäste loslassen, mi sol.“ grinste mein Mann hinter mir und nahm meine Hand.
Unten angekommen, bestaunte nun auch Jennifer mein Geschenk. „Einfach wunderschön und so fein verarbeitet. Das muss ein Vermögen sein, Alex.“ in ihrem Blick sah ich, sie wusste, dass ihr Bruder solche Geschenke nicht leichtfertig machte und immer darauf bedacht war, das Aussehen damit noch zu unterstreichen. Ich erwähnte es vermutlich schon, Haytham war ein guter Beobachter und jemand, der ein Auge für das Ganze hatte, nicht nur einen kleinen Ausschnitt. Wenn ich das so sagen darf, war ich doch ein wenig stolz, so einen Mann zu haben.
Es war jetzt ungefähr halb vier und als erstes trafen Eheleute Bradshaw ein. Man beglückwünschte mich und überreichte mir ebenfalls ein Geschenk, welches ich aber erst öffnen würde, wenn auch die anderen Gäste eingetroffen waren. Kurz darauf erschienen Master Williams und Shay mit den Kindern. Etwas irritiert sah ich über seine Schulter und suchte nach meiner Schwester, doch ohne Erfolg. Nach den Glückwünschen und der Begrüßung, bekam ich dann auch die Erklärung. „Mistress Kenway, es tut mir leid. Aber Faith wurde zu einem Notfall ins Hospital gerufen. Ich gehe davon aus, dass sie spätestens zum Abendessen ebenfalls hier sein wird.“ erklärte mir Lucius. Ich ließ mir meine Enttäuschung nicht anmerken, ich konnte sie ja verstehen. Die Arbeit ging in diesem Falle einfach vor, dafür musste man einfach Verständnis haben.
Jetzt war auch unser Sohn wieder wach und ich überließ ihn den beiden Kindermädchen. July übernahm wie immer das Kommando über die Jungs und es war deutlich zu sehen, dass dieses kleine Mädchen irgendwann einmal eine wichtige Rolle übernehmen würde! Shay war es, der mich aus meinen Gedanken zum aktuellen Geschehen wieder holte. „Alex, sag mir nicht, dass du schon wieder mehr weißt, als wir alle hier im Raum!“ sein Blick hing tadelnd auf mir, doch ich konnte ihn beruhigen. „Nein Shay, keine Sorge. Ich weiß genauso viel wie ihr über den Werdegang von July. Doch du musst zugeben, sie hat eine gewisse dominante Rolle inne, welche ihr später sicher einmal zugute kommen wird.“ meinte ich leicht hin. „Oder sie kommt in Teufels Küche deswegen, man weiß es nicht.“ kam es mehr als skeptisch von dem Iren. „Nun mal nicht alles so schwarz, Shay! Dazu kommt es nicht, dafür werden wir alle sorgen.“ zuversichtlich sah ich ihn an und drückte seinen Arm.
Wir verbrachten einen entspannten Nachmittag im Garten, heute war uns das Wetter hold und es war angenehm warm und sonnig. Jennifer hatte mit Haytham zusammen eine richtige Geburtstagstorte organisiert und in diesem Moment fiel mir wieder ein, dass ich eigentlich fast 50 wäre... Ich musste an die Torten in meiner Zeit denken, welche wesentlich kleiner gehalten waren, hier waren sie, ich will nicht sagen riesig, aber doch etwas üppiger. Auch war sie unglaublich köstlich und ich hätte vermutlich mehr als nur ein kleines Stück essen können, wenn nicht dieses „Spatzen-Diät-Folterinstrument“ an mir dran wären.
Irgendwann fiel mir auf, dass Mrs. Bradshaw immer wieder einen völlig verträumten Ausdruck im Gesicht hatte, wenn sie unsere Kinder betrachtete. Zum ersten Mal dachte ich daran, dass ich überhaupt nicht wusste, ob die beiden Kinder hatten, ich hatte nicht danach gefragt und wusste jetzt auch nicht, ob es sich schickte. Haytham, ist es eigentlich unschicklich, wenn ich nach Kindern frage bei den Bradshaws? Dabei konzentrierte ich mich voll auf meinen Mann, ich wollte nicht, dass jemand anderes diese Konversation mitbekam. Das fragt man nicht, es sei denn, ihr seid unter euch Frauen. Da ist es... nunja, selbstverständlich. Das hast du selber schon in Virginia erlebt, Alex. Bekam ich als Erklärung und da fiel mir auch dieser erste Abend mit den ganzen Frauen wieder ein, welche mich stundenlang gelöchert hatten! Ich nickte leicht und wandte mich den Gesprächen zu.
Plötzlich jaulte Edward und weinte drauflos. In Cadans Augen sah ich Angst und als ich mich dem Geschehen widmete, sah ich, dass er den Schimmel in den Händen hielt, welchen mein Sohn eigentlich immer bei sich hatte und nie wirklich aus der Hand legte. Also ging ich hinüber zu den Kindern, kniete mich auf den Rasen und versuchte Cadan zu erklären, dass das Edwards heiligstes Spielzeug war. Er kannte dieses Gefühl sicherlich auch, so hoffte ich, wenn ihm jemand etwas wegnahm. „Schau mal Cadan, du hast doch auch bestimmt etwas, dass du nicht abgeben magst, oder? Und du hast leider genau Edwards aller liebstes Pferd gefunden. Vielleicht findest du noch ein anderes zum Spielen?“ mir fiel es schwer, die richtigen Worte zu finden, weil … es mag sich dumm anhören, ich war aus der Übung, was das Streitschlichten bei kleinen Kindern anging. Es war einfach zu lange her. „Ich habe auch sowas, Tante Alex. Ich wusste nicht, dass Eddy das so mag.“ ich musste mir ein sehr undamenhaftes Prusten verkneifen. EDDY? Nunja... damit musste ich wohl jetzt leben und unser Sohn auch, NOCH, bis er sich selber verteidigen konnte. „Ist schon in Ordnung, du kannst alles haben, nur nicht den Schimmel.“ und ich drückte Cadan noch einmal und wurde dabei misstrauisch von July beäugt. „Kleine Miss Cormac, ihr passt weiter auf diese Horde männlicher Gäste auf, ja? Nicht dass sie noch Ärger machen!“ meinte ich lachend „Ich passe schon auf sie auf, Mama hat mir auch schon gesagt, dass ich das tun soll!“ kam es mit stolzgeschwellter Brust von dem kleinen Rotschopf. Ja, das konnte ich mir bildlich vorstellen! Wie die Mutter, so die Tochter!
Damit war das erst einmal vom Tisch und die Kinder bekamen noch jede Menge Kakao von Maggie und Sybill eingeflößt, von Kuchen und Torte ganz zu schweigen. Innerlich hoffte ich, dass Edward nicht wieder schlecht wurde in der Nacht, ich wünschte mir noch ein wenig Ruhe mit meinem Mann. Gegen 18 Uhr war im Esszimmer das Abendessen serviert und gerade rechtzeitig erschien meine Schwester, als hätte sie es gerochen. Als Faith eintrat, sah ich nur, dass sie ihre Montur trug, welche ein paar kleinere Blutflecken aufwies und ich hoffte, dass es das Blut von jemand anderem war. Natürlich bekam sie von Haytham noch den obligatorischen bösen Blick und „Hättest du dich nicht wenigstens umziehen können!“ DAS ließe sich einrichten! Nach der Begrüßungsrunde, da Faith meinen Vertragspartner noch nicht kannte, bat ich sie einfach mit hinauf und suchte ihr ein passendes Kleid heraus. Gleichzeitig hatte ich Magda den Auftrag erteilt, dafür zu sorgen, dass die Templermontur gewaschen wird!
Ich stand vor dem Schrank und überlegte, was Faith am besten zu Gesicht stand, als sie hinter mich trat, mittlerweile nur noch... wie Gott sie schuf, weil alles andere bereits zum Waschen unterwegs war. Ich drehte mich zu ihr um und unsere Blicke trafen sich, ich las in ihren Augen, dass sie denselben Gedanken wie ich hatte! Wir waren hier alleine, keine Männer würden herauf kommen und uns stören, wir hatten einen Moment völliger Ruhe! Ich zog sie zu mir und küsste sie einfach, ich hatte diese sture Schottin so wahnsinnig vermisst und in diesem Moment war mir mal wieder alles egal, ob ich nachher noch meine Strafe bekam oder nicht.
Es war dieses ausgehungert sein, dieses sich einfach haben wollen, was jeder von uns kennt, ohne an die Konsequenzen zu denken. Langsam ließ ich meine Lippen an ihrem Körper herunter gleiten und meine Finger strichen über diese warme glatte Haut. Meine Zunge fand ihr Piercing. Ihre Hände griffen bei meiner Zuwendung in meine Haare und es war diese Befreiung wieder, ich atmete ihren Duft ein, ich fühlte sie wieder und nahm alles in mich auf. Es dauerte nicht lange, da hörte ich ein leises „Ohhhhh, Alex!“ und ihr Griff wurde fester. Faith zog mich hoch und küsste mich ebenso innig, schob mich dann aber auf das Sofa und auch ihre Finger und Zunge fanden ihren Weg zielstrebig und mein Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten! „Bei Odin, Faith!“ hauchte ich und zog meine Schwester hoch und umklammerte diese Frau einfach!
Langsam kamen wir wieder zu Atem! „Jetzt hat dein Kleid überall Falten und sieht knautschig aus, Alex.“ lachte sie und ich sah an mir herunter. „Verdammt, du hast recht. Doch... das ist egal. Und wir haben dir immer noch nichts zum Anziehen rausgesucht.“ Ich strich mein Kleid so gut es ging glatt und wandte mich zum Schrank.
Aber ich fand, wonach ich suchte, leider hatte ich nicht ALLE Kleider dabei, doch durch Haythams Kaufrausch waren einige dazu gekommen. Vermutlich müsste ich ein extra Schiff mieten, wenn wir wieder zurück segeln wollten! Als Magda mit dem Einkleiden fertig war, besah ich Faith noch einmal im Spiegel und befand, dass wir so gehen konnten. Meine Haare und ihre, hatten wir auch noch wieder in Form gebracht, sodass man uns nichts ansah... nur zwei Herren würde etwas auffallen.
„Das hat ja ganz schön lange gedauert, mi sol.“ meinte Haytham prompt als wir im Salon ankamen und musterte mich eindringlich, ebenso wurde Faith von ihrem Mann in Empfang genommen. Doch es war Mrs. Bradshaw, welche für uns in die Bresche sprang. „Gentlemen, wir Frauen brauchen Zeit, damit wir präsentabel für euch aussehen und kein Gruselbild abgeben!“ sprach sie lachend und zwinkerte uns beiden zu. Alex, das wird ein Nachspiel haben, lass dir das gesagt sein! Das kam mit einem solchen Nachdruck, dass ich schon fast Angst bekam. Es war ein Geburtstagsgeschenk, mi amor! Meinte ich schmollend, erntete jedoch einen bösen Blick.
Jetzt reichte mir Faith ein in Papier gewickeltes Geschenk und wünschte mir noch alles Liebe zu meinem Geburtstag. Am liebsten hätte ich es aufreißen wollen, doch ich ging so vorsichtig vor wie in einem Porzellangeschäft. Und dann schlug ich die Umhüllung beiseite und sah auf ein paar versteckter Klingen herab, aber nicht irgendwelche, sondern diese speziellen mit dem Wurfhaken! Ungläubig sah ich zu Faith und wieder auf das Geschenk. Master Williams brachte ein zufriedenes Grunzen zustande und auch Shay stimmte ein. „Ich brauche nicht mehr klettern!“ war das einzige, was mir als erstes dazu einfiel und ich erntete dafür zustimmendes Gelächter. „Damit bist du nun auch schneller als dein Mann auf den Dächern, meine Preußin!“ Faith sah mit einem breiten Grinsen zynisch zu meinem Mann. „Trotzdem werde ich meinem Sohn das Klettern beibringen, es kann ja nicht jeder so faul sein, wie ihr beide!“ kam es jetzt etwas maulig, dennoch lächelnd, von Haytham, ich nahm sein Gesicht in meine Hände und gab ihm einen langen Kuss. „DAS gehört zum Training und so wird es auch bleiben, aber diese Haken sind ein kleiner Luxus und sind ungemein hilfreich, mi amor!“ versöhnlich lächelnd sah ich weiterhin in seine grauen Augen. „Das werden wir ja dann sehen, Alex.“ kam es in einem lauernden Ton von meinem Mann.
Wir nahmen alle im Esszimmer Platz und ich sah in einige überraschte Gesichter, ich hatte das irische Ragout von Mrs. Finnegan kochen lassen! Ich liebte es und es war mein Geburtstag, also durfte ich mir auch das Essen wünschen. „Alex, diese Vorliebe für das irische Essen, sollte ich mir da Gedanken machen, oder hat es...“ doch ich ließ Faith nicht ausreden, ich konnte mir denken, was sie im Kopf hatte. „Es ist einfach unglaublich lecker und auch wenn es sich seltsam anhört, es fühlt sich ein wenig wie zuhause an.“ lächelte ich in die Runde und man nickte mir zu. Edward saß auf dem Schoß seines Vaters und verleibte sich das Püree mit dem Wirsing ein, grapschte aber immer wieder nach dem Fleisch auf dem Teller. Soviel zum Thema die guten Sachen anbehalten bei Tisch, ich seufzte und musste mir ein Lachen verkneifen.
Nach dem Essen wurden die Kinder zu Bett gebracht, temporär für July, Caden und Cillian. Doch sie alle waren müde und ich machte mich mit Mrs. Bradshaw, Faith und Jenny auf in den Garten. Dieser Abend war wunderbar lau und angenehm, sollten die Herren doch an ihrem Zigarrenrauch ersticken, dachte ich. Es war Jenny, welche genau diesen Gedanken laut aussprach und wir mussten alle lachen. „Ich verstehe es auch nicht, aber das wird uns Frauen wohl ewig ein Rätsel bleiben.“ meinte Mrs. Bradshaw jetzt ebenfalls lachend. Die Haushälterin brachte uns noch Gläser, den Portwein und so saßen wir andächtig in diesem Garten und genossen die Stille. Ich nahm mir mein Herz, weil wir ja jetzt „unter uns“ waren und fragte einfach. „Mrs. Bradshaw, verzeiht wenn ich so forsch frage, doch ich wundere mich, dass ihr und euer Gatte keine Kinder habt. Und ich entschuldige mich, sollte ich zu weit gegangen sein!“ sprach ich sie an und hoffte, ich hätte sie nicht beleidigt oder in Trauer gestürzt.
„Mistress Kenway, nein, das ist eine berechtigte Frage und ich kann euch sagen, dass unser Sohn bereits verheiratet ist und wir drei reizende Enkelkinder haben!“ meinte sie lächelnd und mir fiel ein Stein vom Herzen. „Das freut mich für euch, gleich drei Enkel. Das muss ein Segen sein, Mrs. Bradshaw.“ meinte ich anerkennend. „Bitte, nennt mich einfach Francis, ich glaube, ich habe mich nie mit meinem Vornamen vorgestellt?“ und in ihrem Blick las ich so etwas wie Friede, sie schien nicht mit vielen Menschen Kontakt zu haben. Also boten wir uns alle an, die Vornamen zu nutzen. Somit waren die nachfolgenden Gespräche auch weniger anstrengend. Und wir kamen überein, dass man vieles gemein hatte, nicht nur die Geschäfte der Männer und deren Können an sich, sondern auch unsere Persönlichkeiten glichen einander.
Mir wurde wieder einmal bewusst, dass ich neue Freundschaften schloss, ich hatte in dieser Zeit keine Freunde. Dieser Moment und diese Erkenntnis trieben mir wieder die Tränen in die Augen und ich dachte an meine Freunde... daheim! „Alex, was habt ihr? Geht es euch nicht gut?“ fragte mich Francis besorgt. „Es ist alles in Ordnung, doch ich musste an meine Familie und Freunde in meiner Heimat denken.“ mein Lächeln war mehr als nur gespielt, ich würde sie alle lange Zeit nicht mehr sehen, auch wenn ich nach Deutschland, verzeiht, Preußen reisen würde. „Ihr werdet sie alle immer wieder besuchen können, ihr werdet sehen!“ und auch Jenny und Faith stimmten dem zu, sie alle wussten über meine Reisen Bescheid! „Ich danke euch allen, ich weiß das zu schätzen und ich hoffe, dass wir solche Abende noch des öfteren haben werden.“ damit meinte ich nicht diese Konstellation explizit, sondern einfach den ein oder anderen treffen hin und wieder! „Ich werde euch daran erinnern, Mistress Kenway!“ Francis´ Humor war Odin sei Dank mit meinem auf einem Level.
Faith lud uns dann noch zu Cillians Geburtstag ein, welcher am 15. Juni war. Natürlich sagte ich einfach zu, Haytham hätte sicherlich nichts dagegen und wir hatten bis jetzt auch noch keine Termine. Und wenn doch, dann würde ich sie halt entsprechend verschieben.
Als dann die Herren auftauchten, war es schon fast wie eine Störung. Sonst verbrachten sie STUNDEN mit Zigarren und … was weiß ich für Gesprächen. Nur heute waren sie schneller in unserer Nähe, als mir lieb war. Doch ich war nicht die einzige Frau, welche ein resigniertes Seufzen von sich gab und auch die anderen Damen ernteten dafür empörte Blicke! „Ich hoffe, wir stören die Damen nicht in wichtigen Unterredungen?“ kam es von Master Bradshaw grinsend. „Nein, wir unterhielten uns nur über die Gepflogenheiten und Eigenheiten der Männer!“ meinte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue in Richtung meines Gatten. „Es ist schon spät, Francis. Meinst du nicht?“ meinte ihr Mann jetzt leicht bettelnd und ich sah, dass er dem Alkohol sehr zugesprochen hatte und grinste in mich hinein. Für so undiszipliniert hatte ich ihn nicht gehalten! „Mein Liebling, du hast natürlich recht. Mistress Kenway, Lady Cormac, Miss Scott... wir sollten uns jetzt verabschieden.“ meinte Francis grinsend und gleichzeitig entschuldigend für ihren Mann. Sie wurden noch hinaus begleitet und somit war es nur noch die Familie an sich, welche hier saß. Master Williams war aber dann ebenfalls der Meinung, dass es Zeit zum Aufbruch war und ich warf ihm einen bösen Blick zu, ich war definitiv NICHT seiner Meinung. Im Grunde hatte er ja Recht, wir würden noch eine Weile hier sein. Außerdem würden wir die Gespräche noch entsprechend weiterführen, was die Zusammenarbeit anging.
„Oh Faith, bevor ich es vergesse, aber bist du auch bei Master Franklins Vortrag am 28. Mai dabei?“ kam es mir plötzlich in den Sinn und gleichzeitig biss ich mir auf die Zunge... Nein, natürlich nicht. Sie müsste dem König gegenüberstehen und sie war immer noch diesen Gerüchten ausgesetzt... Die Gerüchte... Der Diebstahl... ich konzentrierte mich und sprach sie jetzt einfach im Geiste auf meinen Verdacht an. Du bist nicht zufällig der geheimnisvolle Dieb, welcher das wertvolle Buch „zurück gestohlen“ hat, oder? Ich las über diese Bibel... es sind versteckte Einträge vorhanden und so einiges mehr! Faith, du bist echt unglaublich! Doch ich musste breit grinsen und sie sah mich ebenso amüsiert an. Ja, das bin ich dann wohl. Aber mir blieb keine Wahl, mein Großvater hätte mich umgebracht, wenn ich sie nicht wieder bekommen hätte. Das war mir Erklärung genug und wir waren uns stillschweigend einig, dass wir darüber kein Wort mehr verlieren würden.
Wir verabschiedeten die Cormacs noch und die Kinder wurden leider aus ihren Träumen gerissen, doch für eine Übernachtung war nicht vorgesorgt und wir hatten keine entsprechenden Garderoben vorrätig. Drei maulige Kinder wurden also mit der armen Maggie in die Kutsche verfrachtet und Shay meinte noch, dass wir uns ja bei Benjamins Vortrag dann wiedersehen würden. „Alex, ich muss dir aber noch unbedingt ein paar Geschäfte hier in London zeigen. Wenn du Zeit hast, lass es mich wissen!“ in Faiths Blick lag eine gewisse Lüsternheit und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. „Ich denke, das lässt sich einrichten!“ lächelte ich und dann waren sie alle in der Dunkelheit verschwunden.
Jenny sah uns entschuldigend an, wünschte uns ebenfalls eine gute Nacht und ging hinauf in ihr Schlafzimmer. Haytham sah mich lange an und ich fühlte mich mit einem Male etwas unwohl. Während er langsam seine Weste aufknöpfte, schritt er auf mich zu und ich ging immer weiter zurück, dann packte er meine Arme und zog mich an sich heran. „Alex, was hatte ich dir über diese heimlichen Momente mit Faith gesagt?“ sein Ton war scharf und genauso sah er mich auch an. „Nicht ohne deine Erlaubnis, aber...“ er ließ mich nicht ausreden, sondern umschlang mich und drückte sich an mich. Das Grau in seinen Augen war diesem dunklen fast schwarzen Ton gewichen, sein Atem ging stoßweise und ich konnte mir denken, was er sich im Geiste gerade vorstellte. „Kein ABER...“ meinte er, ließ mich los, um die Tür zum Salon zu schließen und er drehte den Schlüssel dabei demonstrativ langsam im Schloss.
„Ich hatte dich gewarnt, Alex!“ mit schnellen Schritten war er bei mir, drehte mich mit dem Rücken zu sich und fing an, meine Röcke hochzuschieben. Seine Hände waren grob und sein Griff an meinen Oberschenkeln hart, dann beugte er mich über die Lehne des Sofas und mir entwich ein erschrockenes Keuchen, als er mich nahm. Mach das nie wieder, mi sol! Und jetzt erzähl mir, wie du sie genossen hast! Sprach er in meinem Geist und ich tat wie mir geheißen. Ich erzählte meinem Mann, wie ich Faith mit meinen Lippen verwöhnt hatte, wie ich küssend langsam an ihr heruntergeglitten bin und wie sie mir genauso Vergnügen beschert hatte. Ich konnte die Bilder in seinem Kopf vor mir sehen! Trotzdem gehörst du mir alleine, vor allem auch dein Mund! Haytham zog mich hoch und drehte mich zu sich um, in seinem Blick lag eine Gier, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Er ließ seinen Daumen über meine Lippen in meinen Mund gleiten, seine andere Hand griff in meine Haare und ich konnte mich nur noch auf die Knie sinken lassen. Ja, ich gehörte ihm, darüber waren wir uns einig und ich gab mich ihm einfach wieder hin. Doch auch mein Mann gehörte mir und ich nahm mir, was mir zustand, den Blickkontakt ließ ich aber nicht abreißen. Mit einem laut gestöhnten „Jesus!“ ließ er kurz darauf den Kopf nach hinten sinken und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
Mein Templer beruhigte sich langsam und ich erhob mich, meine Finger strichen über seine Brust und ich spürte den leichten Schweißfilm auf seiner Haut unter dem Hemd. Haytham sah auf mich herunter und seine Augen nahmen diesen warmen Glanz wieder an, um seine Lippen erschien ein Lächeln und er küsste mich leidenschaftlich. „Du kannst dir nicht vorstellen, was das jedes Mal für ein Gefühl ist, mi sol.“ sprach er jetzt leise und fing an, meine Röcke beiseite zu schaffen, damit seine Finger leichtes Spiel haben können. Sie fanden ihren Weg und unsere Blicke waren wieder aufeinander geheftet, bis ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Ich klammerte mich an seinen Körper und drückte mich an ihn mit einem leisen „Haytham...“ auf den Lippen.
Für richtige Lektionen war hier der falsche Ort, was ich etwas schade fand, doch dann würden wir in Frankreich vielleicht wieder dazu kommen. Wir beabsichtigten in dem Chateau Quartier zu beziehen, welches Reginald damals gekauft hatte. Wir saßen noch einen Moment hier im Salon und ich lehnte erschöpft aber glücklich an meinem Mann. „Ich liebe dich, Haytham!“ flüsterte ich gedankenverloren und bekam ein „Ich dich auch, Alex!“
Als wir zu Bett gingen, halfen wir uns gegenseitig aus unseren Sachen, ich befürchtete, dass wir Edward wecken würden, wenn auch Magda und Michael hier auftauchten. Ein Blick in die Wiege verriet mir dann, er schlief tief und fest. „Mi amor, unser Sohn kann bald nicht mehr in dieser Wiege bleiben. Er braucht ein Kinderbett.“ Haytham stand neben mir und nickte zustimmend. „Wir sollten vielleicht morgen eines besorgen, mi sol. Aber bis dahin, lass uns schlafen gehen!“ Ich lag noch nicht ganz an ihn gekuschelt, schon war ich im Land der Träume.
Ich wurde von fiesen Unterleibskrämpfen geweckt und fuhr erschrocken hoch! Verdammt, das hatte ich vergessen, ich stillte nicht mehr und nun würde mein normaler Zyklus wieder einsetzen. Innerlich stöhnte ich auf und verfluchte es ein wenig, wieder jünger zu sein. „Mi sol, was ist los?“ hörte ich meinen Templer neben mir schläfrig fragen. Erst jetzt fiel mir auf, dass es noch gar nicht wirklich hell war, es musste also noch recht früh am Morgen sein. „Nichts, schlaf einfach weiter. Ich werde mir schon einmal einen Tee machen lassen.“ meinte ich leise und gab ihm noch einen Kuss. Diese Mischung, welche mir meine Schwester damals überlassen hatte, war mir in Erinnerung geblieben und so ging ich im Morgenrock leise hinunter.
In der Küche fand ich die Haushälterin bereits vor, welche mich jetzt erschrocken ansah. „Mistress Kenway, ihr habt mich erschreckt! Geht es euch nicht gut, oder ist etwas mit Master Edward?“ kam es hastig aus ihrem Mund. „Nein es geht schon. Aber ich bräuchte einen Tee für mich und wollte fragen, ob wir hier alle Kräuter dafür da hätten?“ ich zählte sie auf und sie nickte immer. „Miss Scott hat eine ansehnliche Sammlung an Kräutern und dergleichen in ihrem Gewächshaus.“ Dann ging sie an den großen Schrank hinter sich und holte einige Tongefäße heraus, nahm sich einen kleinen Messlöffel und fing an alles zusammen zumischen. „Mistress Kenway, soll ich den Tee dann, wenn er gezogen ist, hinaufbringen? Hier zu warten würde doch zu lange dauern.“ in ihrem Blick sah ich, sie konnte sich denken, wogegen dieses Heißgetränk half! „Danke...?“ sah ich sie fragend an, ich wusste gar nicht wie die Dame hieß! „Rachel Byrne, Mistress Kenway. Verzeiht, ich habe mich überhaupt nicht vorgestellt bei euch. Master Kenway kennt mich ja bereits.“ sie knickste jetzt etwas verlegen, doch ich nahm ihr das nicht übel. So etwas kann schon mal passieren.
Nachdem ich noch kurz draußen auf dem Abort war, ging ich hinauf in unser Zimmer und fand meinen Mann wach vor. Er hatte eine Petroleumlampe angemacht und las in einem Buch. „Da bist du ja wieder, Alex. Du siehst ziemlich blass aus, ist es das, was ich befürchte....?“ fragte er zögerlich und wurde etwas rot im Gesicht. „Ja, leider.“ seufzte ich und ließ meinen Kopf an seiner Schulter nieder. Kurz darauf, gerade als mir Haytham leise aus dem Buch vorlas, klopfte es und Rachel brachte mir den Tee. Dankend nahm ich ihn entgegen und sie ging leise mit einem Knicks wieder. Diese heiße Flüssigkeit war einfach eine Wohltat und ich trank begeistert. Das Vorlesen meines Mannes tat mir ebenfalls gut, auch wenn ich überhaupt nicht verstand, worum es da gerade ging, weil ich nur mit einem halben Ohr zuhörte, doch seine Stimme beruhigte mich einfach.
Ich ließ mir unser Treffen mit Mr. Owens von gestern noch einmal durch den Kopf gehen. Seine Liste mit Schmuckstücken, welche er sich wünschte, war schnell zusammengestellt und gemeinsam hatten wir ein Sendschreiben an Master Bradshaw und auch eines an den Duke, welches ihn hoffentlich nicht allzu spät erreichen würde, geschickt. Darin hatte ich genaue Beschreibungen der Ohrringe oder auch des Colliers hinterlassen. Unter anderem fragte Mr. Owens nach einem Ring, nicht irgendeinem! Er suchte nach einem passenden Geschenk für seine Gattin, mit welcher er dieses Jahr bereits 40 Jahre verheiratet wäre! Ich beglückwünschte ihn natürlich, das war schon eine Leistung, so lange zusammen zu sein. Im August würden sie ihren runden Hochzeitstag begehen und er lud uns ein, doch leider würden wir schon nicht mehr hier in London sein. Bedauernd lehnte ich die Einladung ab, beschloss aber, mich um diesen Wunsch explizit dann zu kümmern! So lange verheiratet sein...
Ich vernahm ein gespielt frustriertes Seufzen. „Ich glaube, da könnte ich auch einem Stein gerade einen Vortrag halten. Der würde aufmerksamer zuhören, mi sol!“ doch in seinen Augen sah ich dieses Glitzern, wenn er amüsiert war. „Entschuldige, aber ich versuche zuzuhören, den Tee nicht zu verschütten, die Krämpfe weg zu atmen, mir Gedanken über einen 40. Hochzeitstag zu machen UND auf unseren Sohn zu achten. Ich bin nicht Wonderwoman, mi amor!“ bei meinen Worten musste ich selber lachen und er sah mich ungläubig an. „Wer ist Wonderwoman?“ Achja, Superhelden gab es so in dieser Zeit ja gar nicht und … gut, ich erklärte es ihm und erntete große Augen. „Das stelle ich mir sehr unangenehm vor, wenn jemand Spinnennetze mit den Händen verschießen kann.“ und er schüttelte sich. „Diese Helden brauchen aber nun mal immer eine besondere Fähigkeit, sonst wäre es ja langweilig, oder?“ Nach gut einer halben Stunde, hatte ich, so hoffte ich, alle Superhelden aufgezählt. Ganz so bewandert war ich nicht darin, aber ich war stolz, dass ich ihm endlich auch einmal ein Stück meiner eigenen Kindheit näher gebracht hatte.
Mittlerweile war auch die Sonne aufgegangen und schien durch einen kleinen Spalt in den dicken Samtvorhängen. Und schon hörte ich leises Gebrabbel aus dem Kinderbett und sah die kleinen Händchen, wie sie Richtung Mobile greifen wollten. Wir hatten gestern über eine Bekannte von Jenny ein wunderschönes Bett geschenkt bekommen. Ich krabbelte über Haytham aus dem Bett, weil Edward auf seiner Seite schlief, wegen der Zimmertür. „Mi sol, bitte... dieser Anblick deines verrutschten Nachthemdes...“ Naja, auf meine Kleidung hatte ich nun wirklich nicht geachtet. „Verzeih mir, ich werde mich in Zukunft vorher herrichten ehe ich...“ doch es kam ein „Alex, musst du eigentlich immer das letzte Wort haben?“ mit einem breiten Grinsen. „Ja, muss ich!“ und ich hatte seine flache Hand auf meinem Hintern. Der Tee hatte seine übrige Wirkung getan und ich fühlte mich wieder wohler. Als ich auf Edward hinunter sah, leuchteten seine blaugrauen Augen und er brüllte mir ein „MAMAAAAA!“ entgegen. Ja, er konnte sehr laut sein, ich glaube, das erwähnte ich schon einmal? Als ich ihn auf meinem Arm hatte und mit zu uns ins Bett nahm, fing er wieder an mit meinen Haaren zu spielen. Nach einer neuen Windel, kuschelten wir noch einen Moment zu dritt, doch dann teilte uns Magda mit, dass das Frühstück fertig sei.
Heute stand die Präsentation von Benjamin Franklin an und ich war tatsächlich nervös. Im Geiste ging ich seine Erfindungen durch, doch wenn ich ehrlich sein soll, so genau wusste ich gar nicht WANN er WAS erfunden hat, oder wann er welche Almanache geschrieben hat. Ich würde mich einfach überraschen lassen, vielleicht war es ja auch etwas, was wir nie zu Gesicht bekommen haben! Mrs. Wallace wusste für heute Nachmittag schon Bescheid und ich ging davon aus, dass wir auch nicht allzu spät wieder zuhause waren.
Den Vormittag verbrachte ich mit Magda, ich wusste nicht so recht, was ich anziehen sollte. Ich fühlte mich in nichts wohl, was Haytham vermutlich am besten gefallen würde, doch welches Kleid würde zu so einem wichtigen Anlass passen? Man hatte uns noch mitgeteilt, dass auch König George anwesend sein wird, also musste ich entsprechende Garderobe haben. „Mistress Kenway, wir brauchen noch eine Steigerung für eventuelle andere Empfänge. Wenn ich darf, würde ich euch das dunkelblaue Seidenkleid mit den Kristallen vorschlagen.“ Magda sah sich ebenfalls suchend in den Kleiderschränken um. „Ihr habt Recht, das würde mit dem blau-silbernen Schmuck hervorragend passen.“ lächelte ich sie an und ich war dieser Frau mal wieder dankbar, dass sie mir bei solchen Dingen noch half. Leider wusste ich nicht immer, WAS von mir erwartet wird.
Meine Haare wurden schon einmal grob gerichtet, damit es nachher nicht allzu lange nach dem Mittag dauern würde. Vor Aufregung bekam ich aber kaum einen Bissen runter und Haytham sah mich besorgt an. „Sollen wir lieber absagen, Alex. Du siehst immer noch ziemlich blass aus und ich möchte nicht, dass du mir dort in Ohnmacht fällst!“ ich weiß, er meinte es nur gut, aber meine Hormone waren mal wieder auf Krawall gebürstet „Weil es dir unangenehm wäre, stimmt es? Aber keine Sorge, ich kann mich schon zusammenreißen.“ kam es schnippisch aus meinem Mund, manchmal konnte ich einfach nichts dafür. Jennys Blick huschte von mir zu ihrem Bruder und sie wartete eine Reaktion ab, welche auch prompt kam. „Alex, ich meine es wirklich nur gut. Aber wenn du meinst, dann werden wir nachher dorthin gehen. Denk aber nicht einmal daran zu fragen, ob wir die Veranstaltung eher verlassen können!“ seine Worte waren nicht wirklich kalt, doch sie sprachen Bände und mein schlechtes Gewissen ließ mich dann antworten, Odin sei Dank! „Verzeih mir, Haytham, es war nicht so gemeint. Aber ich fühle mich halt nicht wohl, nichts finde ich passt zu diesem Anlass und ich könnte bei jeder Gelegenheit heulen! Ich weiß, du meinst es nur gut!“ ich versuchte ein Lächeln zustande zu bringen.
Ein tiefes Durchatmen meines Mannes neben mir war zu hören und in seinem Gesicht sah ich, dass er sich versuchte wieder zu beruhigen. „Ist schon gut, doch lass diese Launen nicht an mir aus, mi sol. Ich sorge mich einfach um dich!“ mehr sagte er nicht und erhob sich dann vom Tisch. Verdammt, das würde kein entspannter Nachmittag werden befürchtete ich und verfluchte mich für diese dummen Worte! Leider blieb mir keine Zeit, hinter Haytham her zu gehen, Edward war noch nicht mit dem Essen fertig und ließ sich unendlich viel Zeit. Nur hatte ICH nicht unendlich Geduld gerade, was aber meine Schwägerin bemerkte und mir meinen Sohn abnahm. „Geh schon, mein Neffe wird auch fünf Minuten ohne dich sein können.“ lächelte sie mich an und ich eilte meinem Mann hinterher.
Ich fand ihn draußen im Garten wieder mit auf dem Rücken verschränkten Händen, wie er es immer tat, wenn er nachdachte oder sich beruhigen musste. Langsam trat ich hinter ihn und legte meine Arme um seine Taille. „Es tut mir leid, mi amor.“ sagte ich leise und lehnte meine Stirn an seinen Rücken. Wieder ein tiefes Durchatmen, dann drehte er sich zu mir, legte seine Hände auf meine Hüften und sah zu mir herunter. „Mi sol, auch für mich ist diese Zeit nicht leicht, mitunter kannst du nämlich sehr unfair werden. Glaube mir aber, dass ich es wirklich nur gut meine. Ich möchte nämlich nicht, dass du das Gefühl hast, ich zwinge dich zu irgendetwas! Ich weiß, dass du dich bei so einigen Anlässen schon arg zusammen gerissen hast in der Vergangenheit und ich bin auch stolz auf dich deswegen. Doch IMMER musst du es nicht, ja?“ lächelte er und drückte mich an sich. Und was tat ich? Ich heulte mal wieder!
Im Grunde war dieses Verständnis nicht üblich, das wusste ich, doch ich war stolz auf diese Aufgeschlossenheit von meinem Mann. „Ich weiß es doch, aber diese Dinge sind für mich einfach wieder neu und ich muss mich noch daran gewöhnen, es ist zu lange her. Und wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich wie in meine Jugend versetzt in diesem Moment. Ich erlebe eine völlig andere Welt!“ schniefte ich einfach weiter und für einen Moment standen wir uns gegenüber und sagten nichts. Seine Arme umschlangen mich einfach und sein ruhiger gleichmäßiger Atem beruhigte meinen Geist wieder ein wenig. „Ich bin ein Mann, uns wird... das ganze nicht erklärt. Sag mir einfach, wie es in dir aussieht und ich kann damit umgehen.“ meinte er leise. „Haytham, ich vergesse immer wieder, dass du anders erzogen wurdest. Ich werde versuchen, dich einzubeziehen, doch nicht in alle Details, das verstehst du doch, oder?“ mein Kopf lehnte immer noch an seiner Brust, ein Grinsen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.
Wir gingen wieder hinein und als wir im Esszimmer ankamen, saß klein Kenway immer noch auf dem Schoß seiner Tante und aß den Pudding zum Nachtisch. Dieses Bild war großartig, Edward hatte nämlich mal wieder in seinem Essen gebadet und Jennys Kleid konnte man ansehen, was es zum Mittag gab. „Das tut mir leid, dass du dich schon wieder umziehen musst, Jenny. Dein Neffe muss dringend an seinen Tischmanieren arbeiten.“ grinste ich und sie nickte lachend. „Ist nicht so schlimm, Alex. Ich erinnere mich an Haythams erste Versuche mit dem Essen.“ und ich musste es mir gerade auch vorstellen und kicherte etwas ungehalten. „Das war mal wieder klar, dass ihr euch da versteht. An diese Versuche kann ICH mich nur nicht mehr erinnern, wenn ich aber meinen Sohn sehe, kann ich es mir in Etwa vorstellen.“ jetzt huschte ebenfalls ein breites Grinsen über sein Gesicht und Haytham nahm seiner Schwester Edward ab. Mrs. Wallace übernahm den Dreckspatz und machte ihn für seinen Mittagsschlaf fertig.
„Alex, es wird Zeit, du solltest dich langsam umziehen. Weißt du jetzt, was du anziehen wirst? Dann könnte ich mich farblich eventuell anpassen.“ Haytham hatte in den letzten Monaten angefangen, meine Garderobe zu überwachen, vielleicht etwas falsch gesagt, aber er achtete darauf, WAS ich trug und wenn es ihm nicht zusagte, konnte es passieren, dass ich mich auch wieder umziehen musste. Das war bisher einmal vorgekommen, im Grunde wusste ich, was er gerne an mir sah und seine Vorliebe für Blau hatte ich schon damals bemerkt. Also zeigte ich ihm mein dunkelblaues Kleid mit den Kristallen und auch den Schmuck, er überlegte kurz, nickte aber zufrieden. Ich machte mich mit Magda ans Ankleiden, damit wir nicht zu spät kämen und uns folgten Michael und mein Mann. Dieser bekam einen dunkelblauen Gehrock, weißes Hemd, blaue Halsbinde und passende Kniehosen.
Magda war aber so gütig und schnürte mich nicht allzu sehr ein mit den Worten „Ihr sollt nicht auch noch aus Atemnot umfallen, Mistress Kenway!“ und einem vorsichtigen Lächeln. Als ich nun vor der Frisierkommode saß und meine Zofe anfing, meine Haare zu bändigen, stand Haytham hinter mir und sah mich anerkennend im Spiegel an. Diesen Blick konnte ich mit ruhigem Gewissen erwidern, diese hellblaue Weste aus Seide mit den Stickereien brachte seine breite Brust besonders gut zur Geltung. Zu spät bemerkte ich, dass ich rot wurde und er mich wieder lesen konnte. Ein gehauchtes „Danke“ an meinem Hals und ich schmolz dahin. Zu dem heutigen Anlass legte mein Templer auch seinen Ring an, doch ich konnte schlecht die Kette nehmen, sie passte nicht zu dem anderen Schmuck. Also fischte ich ebenfalls den goldenen Ordensring aus meinem Schmuckkasten und betrachtete ihn kurz an meinem Finger. „Mistress Kenway, ich denke, so könnt ihr King George gegenüber treten.“ mit diesen Worten und einem Lächeln unterbrach meine Zofe meine Gedanken. „Danke, Magda. Ihr habt wieder ganze Arbeit geleistet!“ erwiderte ich zufrieden und erhob mich, ließ mich aber gleich wieder auf den Stuhl sinken, die Krämpfe waren zurück und mir wurde schlecht. „Alex, du siehst wirklich nicht gut aus, bist du sicher, dass du das heute durchstehst?“ fragte Haytham mich noch einmal eindringlich und sah mich besorgt an. „Es geht schon, ich werde mir noch einen Tee geben lassen und wenn du an meiner Seite bist, kann nichts passieren, mi amor.“ und ein lautes „MAMAA!“ brachte mich wieder ins Hier und Jetzt.
Mrs. Wallace schnappte sich ihren Schützling, wickelte ihn und wir gingen gemeinsam hinunter. Magda hatte den Kräutertee bereits in Auftrag gegeben, sodass er schon im Salon vor sich hin dampfte. Wir hatten noch eine halbe Stunde Zeit, bis wir aufbrechen mussten, also spielte Haytham noch einen Moment mit Edward, der mal wieder nur Augen für die Pferde hatte. Jenny hatte sich ein weißes Kleid mit rosafarbenen Blütenstickereien angezogen und ich muss sagen, damit sie sah sie einige Jahre jünger aus. Sogar mein Mann ließ sich einen entsprechenden Kommentar nicht nehmen und ich sah, wie sie leicht errötete. Dann kündigte ein Diener unsere Kutsche an und mir kam der Gedanke „Jetzt wird es ernst!“. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass ich dem König gegenüberstehen würde, nicht nur Benjamin Franklin und meine Nervosität stieg plötzlich. „Ich glaube, wir sind alle etwas nervös, mi sol.“ lächelte mich Haytham wissend an. Ein dicker Kuss für meinen kleinen Schatz und wir verabschiedeten uns.
Die Fahrt bis zum Palast war nicht sehr lang, doch ich hatte wieder etwas Gelegenheit mich zu beruhigen und mein Mantra vor mich hin zu sagen. „Haytham, WAS wird Master Franklin eigentlich zeigen?“ fragte ich um mich abzulenken. „Das weiß ich auch nicht, er hat ein riesiges Geheimnis darum gemacht!“ kam es lachend von ihm und Jenny kicherte vor sich hin. „Obwohl er eigentlich so eine Vorliebe fürs Plaudern hat!“ Dann hielten wir an und Haytham half uns beim Aussteigen. Am Eingang des Anbaus, der eigens für diesen Anlass umgeräumt worden war, empfing uns ein Diener in königlicher Livree und führte uns ins Innere. Klein war weit untertrieben wenn ich es recht bedenke. Hier gab es einen Hauptraum, in welchem Franklin seinen Vortrag halten würde und noch 4 weitere angrenzende Räume, wo man Erfrischungen und ähnliches aufgetischt hatte.
Nun ließ man uns alleine, doch das blieben wir nicht lange. Von weitem sah ich Master Franklin mit einem Strahlen im Gesicht auf uns zueilen. Er hatte ein Gespräch mit Shay, Lucius Williams und einem anderen Herren unterbrochen. Die drei Herren kamen ebenfalls zu uns. „Ahhhhh, Mistress Kenway, es freut mich euch wiederzusehen! Ihr seht fantastisch aus!“ und ich hatte einen Handkuss, keinen gehauchten, bekommen! Jennifer wurde ebenso stürmisch begrüßt, genauso wie mein Mann, nur eben ohne Kuss natürlich! Nun waren noch Shay, Lucius und der dritte Herr an der Reihe und ich hätte es mir denken können, weil mir die Ähnlichkeit hätte auffallen müssen. Es war Lion Williams, Faiths Großvater! Bis auf die weißen Haare, würde man sein Alter nicht vermuten. Doch diese hohe Lebenserwartung kannte ich ja bereits. Dieser Mann bot ein beeindruckendes Bild, auch gerade in dem feinen Zwirn, dessen war er sich bewusst und ließ es andere spüren.
„Mistress Kenway, wenn ich euch meinen Vater, Master Lion Williams, vorstellen darf!“ kam es in diesem kühlen Ton von Lucius. Lions Begrüßung war wesentlich wärmer als die seines Sohnes, doch ich kannte dessen Art ja schon. „Mistress Kenway, es ist mir eine Freude euch endlich persönlich kennenzulernen.“ sprach er in einer sehr herzlichen Art, welche ich nicht vermutet hätte. Odin sei Dank, sah ich keine Lady Melanie, obwohl ich mich mal wieder fragte, warum die beiden soviel Zeit getrennt verbrachten. Aber wer war ich, dass zu hinterfragen? „Es freut mich ebenso, eure Bekanntschaft zu machen, Master Williams.“ erwiderte ich leise und lächelte ihn an. Also hatten wir die Vorstellungsrunde beendet und wurden gebeten, unsere Plätze einzunehmen. Etwas verwundert, weil der König nebst Ehefrau noch gar nicht zugegen war, setzte ich mich neben Haytham. „Anscheinend nimmt König George doch nicht an dieser Veranstaltung teil?“ fragte ich einfach nach und erntete einen erstaunten Ausdruck. „Doch, aber er wird dort vorne bei Franklin direkt sitzen. Im Anschluss, wenn die Erfrischungen gereicht werden, werden wir ihm vorgestellt, Alex.“ woher sollte ich so etwas auch wissen.
Benjamin ging an uns vorbei nach vorne und wie mein Mann es erklärt hatte, erschien nun auch König George mit seiner Gattin. Er gehörte zu den ersten Hannoveranern, welche hier geboren waren und englisch als Muttersprache inne hatten. Ich ging aber einfach davon aus, dass dieser Mann auch andere Sprachen beherrschte. Seine Frau war Königin Charlotte (Sophie Charlotte, Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz, was ein Name!) und hatte eine sehr angenehme Erscheinung mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Mit einer tiefen Verbeugung in ihre Richtung begann Franklin nun seinen Vortrag.
Es ging um seine neuesten Erkenntnisse bezüglich der Elektrizität, er hatte sich weiter mit Ladungserhaltung befasst und demonstrierte anhand von einer Leidener Flasche das Resultat. Ich muss gestehen, ich war fasziniert, wie unbekümmert die Menschen hier mit dem Strom umgingen. Ich hatte großen Respekt vor solchen Stromschlägen zum Beispiel und zuckte ab und an erschrocken zusammen, was mir einen fragenden Blick meines Mannes einbrachte. Du solltest doch wissen, was das ist. Warum erschrickst du dabei? Hörte ich seine Frage in meinem Kopf. Hier wird sehr sorglos mit den Ladungen umgegangen! So ein Stromschlag kann aber auch tödlich enden, deswegen zucke ich ab und an zusammen! Dabei beließen wir es einfach. Doch Lion neben mir, ließ es sich nicht nehmen, beschützend meine Hand zu drücken mit den Worten „Euch kann hier neben mir nichts passieren!“ Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, er flirtet mit mir. Etwas irritiert sah ich einfach gebannt nach vorne und konzentrierte mich auf die Worte von Benjamin.
Danach ging Master Franklin über zu einer noch recht neuen Erfindung, des sogenannten Bifokalglases. Im Grunde eine frühe Form der Gleitsichtbrille, würde ich es beschreiben! Ich muss gestehen, dieser Mann war seiner Zeit wirklich voraus und hatte einen sehr guten Humor, seine ruhige Stimme und sein vertrauenerweckendes Äußere taten ihr übriges, dass man ihn mochte. Damit sich der König von diesen Gläsern überzeugen konnte, reichte Franklin ihm eines und es kam ein erstaunter Ausruf! „Master Franklin, das ist erstaunlich! Man kann ja viel klarer sehen durch dieses Augenglas und sagt, ist es auch zum Lesen gut?“ Vielleicht war König George III ja kurzsichtig, ging es mir durch den Kopf, sonst würde er diesen Unterschied sicherlich nicht gleich bemerken. „Eure Majestät wird damit sogar noch besser das geschriebene Wort erkennen!“ meinte Benjamin mit einer tiefen Verbeugung. Man reichte nun dieses Wunderwerk herum und um uns herum hörte ich erstaunte Ausrufe. Anscheinend gab es mehrere Personen hier, welche nicht so gut sehen konnten!
Alles in Allem dauerte diese Präsentation dann doch fast 3 Stunden, aber ich war immer noch sehr fasziniert davon und hätte so gerne die geschriebenen Almanache von Franklin in die Finger bekommen. Es war nun an der Zeit, dass man uns dem König und seiner Frau vorstellte und mir rutschte mein Herz in die nicht vorhandene Hose, gleichzeitig klammerte ich mich an meinen Mann. Und wieder war es Master Lion Williams, welcher versuchte mich zu beruhigen und mich dabei so seltsam ansah. „Mistress Kenway, auch mir ging es damals so, als ich zum ersten Mal dem König vorgestellt wurde. Seid unbesorgt, es kann nichts schiefgehen!“ ein weiteres Mal hielt er meine Hand und ich sah nur darauf und zog sie langsam weg mit den Worten, dass ich ihm dankte für die aufmunternden Worte.
Auf Shays Gesicht zeichnete sich ein wissendes Grinsen ab und Lucius verdrehte die Augen. WAS sollte mir das bitte jetzt sagen? Nur Haytham schien sich wieder nichts anmerken zu lassen, lediglich seine Art, wie er besitzergreifend meinen Arm hielt, deutete darauf hin, dass er Lions Art nicht guthieß. Dann stand ich vor ihnen, dem König und seiner Frau! Mein Mann drückte mit dem Daumen in meinen Rücken und ich knickste tief, er verbeugte sich und dann hieß man mich wieder zu erheben. „Mistress Kenway, ich hoffe, euch hat diese kleine Vorstellung gefallen? Wissenschaft ist ein so fantastischer Bereich und man lernt so viel neues immer wieder.“ für so redselig hatte ich ihn nicht gehalten, doch ich antwortete brav. „Eure Majestät, Master Franklins Vortrag war sehr aufschlussreich und auch ich finde, man kann nie genug lernen. Weswegen ich auch privat sehr viel lese und mich versuche weiterzubilden.“ Und somit hatten wir ein kurzes aber interessantes Gespräch über unser Lieblingsthema: Bücher! Vermutlich hätte ich noch Stunden damit zubringen können, doch es wäre den anderen Besuchern gegenüber unhöflich. Also gingen Haytham und ich weiter, gefolgt von Shay, Lucius und Lion. Benjamin hingegen sah sich umringt von einer Gruppe Herren, welche ihn mit Fragen löcherten, doch er redete ohne Unterlass und war in seinem Element.
Zu sechst standen wir im Eingang zu einem der Nebenräume und gerade als ich mir ein Glas Champagner nehmen wollte, überreichte mir Lion eines mit einem Blick, bei dem man denken könne, ich müsste ihm auf Knien für diese Geste danken. WAS bitte wollte er von mir? Wenn er unbedingt flirten will, kann er es doch mit Jenny tun, sie war ledig! Trotzdem dankte ich ihm natürlich und leerte das Glas in einem Zug, was mir einen tadelnden Blick von Haytham einbrachte. „Mistress Kenway, wie fandet ihr die Präsentation? Für euch muss es sich doch seltsam angefühlt haben, oder nicht? Ich meine, es wird nichts neues gewesen sein für euch?“ fragte mich Shay und ich sah ihn etwas überrascht an, doch wir waren in der Öffentlichkeit, da musste man die Etikette wahren. „Master Cormac, es war nicht wirklich neu für mich. Aber sehr interessant zu sehen, wie Master Franklin die Elektrizität beschrieben und mal wieder demonstriert hat. Für meinen Geschmack etwas zu leichtsinnig, aber es ist ja nochmal alles gut gegangen!“ erwiderte ich zögerlich, weil ich mir nicht sicher war, ob auch Lion über meine Reisen und mein altes Leben informiert war.
„Mi sol, entschuldige mich kurz, ich habe dort drüben eines der Ratsmitglieder gesehen. Ich bin gleich wieder bei dir.“ kam es im Gehen von meinem Mann und weg war er. Ich stellte mich etwas dichter zu Jenny und etwas weiter weg von Lion. Doch er kam einfach hinterher und wieder sah ich, wie Shay und Lucius die Augen verdrehten. Leider entschuldigte sich Jenny jetzt auch, da sie eine Bekannte begrüßen wollte. Verdammt! Hinter den drei verbliebenen Herren sah ich eine Tür, welche nach draußen auf eine Terrasse führte und sah darin meine Rettung. „Wenn ihr mich entschuldigt, Gentleman, ich würde gerne ein wenig frische Luft schnappen.“ Das war noch nicht einmal gelogen, mir ging es zwar nicht schlechter, aber diese ganzen Wolken aus Parfüm, Puder und Schweiß waren doch auf Dauer nicht so gut für meinen Kopf. Man nickte mir zu und ich schnappte mir im Hinausgehen ein weiteres Glas Champagner, ich muss sagen, er war wirklich lecker und ich auf den Geschmack gekommen!
Das Außengelände war wie ein kleiner Park angelegt. Von der Terrasse aus führte eine Steintreppe hinunter und ein gepflasterter Weg schlängelte sich über den Rasen. Die Sonne in meinem Gesicht genießend, stand ich eine Weile in Gedanken versunken an die Brüstung gelehnt. „Mistress Kenway, ich hoffe, es geht euch besser?“ hörte ich diese leise freundliche Stimme von Lion hinter mir und ich verdrehte innerlich die Augen. Er war mir nicht wirklich hinterher gegangen, oder? „Master Williams, es geht mir gut. Macht euch keine Sorgen!“ gerade als ich hinunter in den Park wollte, hielt er meinen Arm und sah mich mit diesen blauen Augen musternd an. „Wenn es euch recht ist, begleite ich euch. Ich möchte euch ungerne alleine lassen, wer weiß, wer euch hier draußen alles auflauern könnte.“ NUR DU!, ging es mir durch den Kopf, sein Blick war immer noch durchdringend und ich bekam eine Gänsehaut, obwohl es angenehme warm war. „Master Williams, ich bin sicher, mir wird hier nichts passieren. Es sind ja nur geladene Gäste anwesend und MEIN GATTE ist ja auch in der Nähe.“ sprach ich jetzt etwas forscher in der Hoffnung, er würde einfach gehen. Doch weit gefehlt! „Mistress Kenway, ich würde diese Gelegenheit gerne nutzen, etwas mehr über euch und euer Leben zu erfahren. Mein Sohn berichtete mir davon und ich denke, in der Nähe dieser ganzen anderen Personen, ist es unangebracht darüber zu sprechen.“ und damit nahm er meinen Arm und führte mich die Treppe hinunter in den kleinen Park.
Ich sah immer wieder über meine Schulter, in der Hoffnung, dass Haytham meine Abwesenheit bemerken und hinterher eilen würde. Doch er kam nicht, Mist! Unterdessen stellte Lion mir Fragen, zum Beispiel ob ich mich hier wohl fühlen würde, wie ich mit dem Muttersein zurechtkam und sonstige unverfängliche Themen. Irgendwann blieb er stehen und deutete auf eine steinerne Bank neben einem kleinen Rondell, von welchem aus man die Terrasse nicht mehr einsehen konnte. Langsam wurde ich immer unruhiger, doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann wirklich irgendwelche schmutzigen Hintergedanken hatte. Er war schließlich verheiratet und hatte einen gewissen Ruf zu wahren!
Vorsichtig setzte ich mich und prompt saß er direkt neben mir und lächelte mich an. „Meine Enkelin hat einen guten Geschmack, was ihre Freundinnen angeht!“ kam es jetzt in einem solch rauen Ton, welcher keine Zweifel mehr an seinen Absichten aufkommen ließ. „Ich denke, ich gehe jetzt besser...“ meinte ich etwas panisch und wollte mich erheben, doch er zog mich an meinem Handgelenk wieder runter und auf seinen Schoß! Ich war so perplex, dass ich für einen Moment überhaupt nicht reagieren konnte, sondern einfach stocksteif dasaß und diesen Herren anstarrte. Dieser hatte eine Hand in meinen Nacken gelegt und zog mich zu sich und... in diesem Moment sprang mein Gehirn wieder an, ich stieß mich von ihm ab und als ich stand, landete meine flache Hand mit Schwung auf seiner Wange! „Master Williams, ich muss doch sehr bitten!“ meinte ich, drehte mich um und ging, nein, ich rannte schon fast Richtung Forschungsraum. Dann sah ich auf der Terrasse meinen Mann stehen, welcher, als er mich bemerkte, erleichtert aufatmete.
„Mi sol, da bist du ja! Ich habe dich schon gesucht, man sagte mir, dir ginge es nicht gut und du wärst hier draußen.“ in seinen Augen lag Besorgnis und gerade als ich ihm von dem Zwischenfall berichten wollte, erschien Lion hinter mir, blieb aber nicht stehen, sondern warf mir einen finsteren Blick zu und ging hinein. „Alex, was ist da passiert?“ fragte mich Haytham jetzt scharf und ich funkelte ihn an. „Wenn du MIR jetzt etwas unterstellst, Haytham, dann hast du schlechte Karten. Der ach so respektierte Master Williams wurde doch tatsächlich handgreiflich und ich habe mich gewehrt!“ kaum hatte ich das gesagt, drehte sich mein Templer um und wollte schon Lion hinterher gehen, doch ich hielt ihn davon ab. „Nein, lass ihn. Ein weiteres Mal wird er mich nicht anfassen, er kann sich an drei Fingern abzählen, dass du nicht der Einzige sein wirst, dem ich davon berichte!“ Meine Arme legten sich um Haythams Taille und ich sah zu ihm auf. In seinem Blick lag Wut und Eifersucht, welche er jetzt versuchte abzuschütteln. „Er hat es wieder getan, ich hätte in deiner Nähe bleiben sollen, mi sol. Es tut mir leid.“
Erstaunt sah ich ihn an. „Wie? Er macht das immer mal wieder? Er würde seiner Frau fremdgehen? Warum?“ Darauf hatte Haytham aber auch keine Antwort und wenn, dann wäre sie vermutlich nicht wohlwollend für die betrogene Ehefrau ausgefallen. „Alex, lass uns wieder hineingehen. Master Franklin bat mich, dich zu ihm zu bringen. Er würde dir gerne etwas schenken.“ MIR? Was für eine Ehre! Ich spürte wie mein Gesicht knallrot wurde und ich anfing zu kichern wie ein Schulmädchen. „Die Farbe steht dir, mi sol und ich mag es, wenn du so verlegen wirst.“ hörte ich diese tiefe raue Stimme an meinem Ohr und dieses mal überkam mich eine wohlige Gänsehaut!
Als wir eintraten, sah ich Shay, Lucius und Lion bei Master Franklin stehen und weigerte mich, jetzt dorthin zu gehen. Stattdessen griff ich mir ein weiteres Glas Champagner und hielt mich daran und an meinem Mann fest. Die Herren beendeten ihr Gespräch und Benjamin kam auf uns zu mit einer Art Aktentasche unter dem Arm. „Ah, Mistress Kenway, da seid ihr ja wieder. Ich hoffe, euer Unwohlsein ist wieder vorbei?“ Ich bejahte diese Frage und lächelte ihn an. „Ich sagte es bereits eurem Mann, ich würde euch gerne ein von mir verfasstes kleines Buch schenken. Wie ich hörte, liebt ihr es zu lesen und ich denke, damit könnte ich euch eine Freude machen.“ sprach er immer noch begeistert und man spürte, er war hier in seinem Element und ging darin auf. „Master Franklin, ich weiß gar nicht was ich sagen soll! Ich danke euch!“ meinte ich etwas verlegen und sah auf das kleine etwa DIN A5 große, in schwarzes Leder gebundene Büchlein. „Dort habe ich einige Gedanken bezüglich dieser Gläser niedergeschrieben und ihr findet auch ein paar grobe Zeichnungen darin.“ erklärte er mir, schlug es auf und deutete auf die Zeichnung einer Linse, oder eben Augenglases!
Wir drei unterhielten uns noch eine Weile über diese Hilfe für die Augen und dass es wirklich von großem Nutzen sei, wenn man gut sehen konnte. Meine Bemerkung, dass Scharfschützen solch gute Augen brauchten und diese Augengläser ihnen helfen würden, wurde von beiden Herren mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert. „Eure Weitsicht in solchen Dingen, Mistress Kenway, ist erstaunlich.“ meinte Franklin anerkennend. Dann wurde es Zeit, dass wir uns verabschiedeten, Edward wartete bestimmt schon und so langsam bekam ich Hunger, auch machten sich die Krämpfe wieder bemerkbar. Doch ich schnappte mir noch ein weiteres Glas dieses Prickelwassers und hörte nur „Alex, hattest du nicht schon genug?“ mit tiefem Seufzen. Als ich auf die Gruppe der drei Herren zuging, musterte mich Lion immer noch säuerlich, doch ich konnte für seine losen Hände nichts. Jenny hatte sich uns auch schon angeschlossen und sah völlig entspannt und gut gelaunt aus.
Die Verabschiedung fiel etwas steif aus, was Shay mit einem fragenden Blick bemerkte. Ich würde es ihm sicherlich bei Gelegenheit erklären, doch nicht jetzt. Vom König und seiner Frau verabschiedeten wir uns selbstverständlich ebenso, dankten für die Einladung und den interessanten Nachmittag. So langsam machten sich alle Besucher auf den Weg nach Hause und als wir im Eingangsbereich ankamen, sah ich aus den Augenwinkeln eine Frau mit einem Offizier der Armee reden. Es dauerte einen Moment bis ich sie erkannte, ich hatte HIER nicht mit ihr gerechnet. Faith! Was in drei Teufels Namen machte sie hier? Als ich Haytham darauf ansprach, meinte dieser, dass er auch im Dunkeln tappen würde. Vermutlich hatte es mit den üblichen Ordensangelegenheiten zu tun. Dann saßen wir endlich in der Kutsche und ließen uns nach Hause bringen. In meinem Bauch tobten wieder Schmerzen, welche mich schwer atmen ließen. „Alex, ist es wieder schlimmer geworden?“ meinte meine Schwägerin besorgt. „Ja, leider. Aber ich werde mir gleich den Tee fertig machen lassen und dann hoffe ich, dass ich nachher wenigstens schlafen kann.“ sagte ich leise und versuchte die Schmerzen wieder weg zu atmen.
Beim Anwesen wurden wir schon sehnsüchtig von unserem kleinen Schatz erwartet, welcher unser Erscheinen mit einem lauten „MAMAAAA“ begrüßte. Ich gab Mrs. Byrne gleich die Anweisung, mir den Tee wieder zu kochen und dann konnten wir auch schon ins Esszimmer. Ja, der Champagner war mir etwas zu Kopf gestiegen und mein Magen dankte mir beim Essen. Ich machte Edward im Anschluss Bettfertig und sang ihm noch vor, bis er langsam seine Augen schloss! Leise verließ ich sein Zimmer und begab mich nach unten, wo Jenny und Haytham schon im Salon saßen und sich über den Nachmittag unterhielten.
Es war Jenny, die mich bedauernd ansah. „Alex ist das wahr? Dieser Williams ist handgreiflich geworden? Master Cormac hatte Bedenken geäußert, als wir sahen, dass er dir hinterher ging. Doch dass er wirklich … nein, das hätte ich nicht gedacht!“ meinte sie entrüstet. „So dachte ich ja auch, Jenny. Ich hatte doch nicht im Leben mit so etwas gerechnet. Aber ich werde darüber kein Wort mehr verlieren, sollte er noch einmal übergriffig werden, dann setzt es wieder welche!“ erwiderte ich jetzt bissig und Jenny sah mich belustigt an. „Du hast ihm also wirklich eine Ohrfeige verpasst? Das hätte ich dir gar nicht zugetraut, Alex.“ in ihrer Stimme lag ein Kichern, auch sie hatte dem Champagner zugesprochen und ihre Zunge war etwas gelockert. „Mi sol, ich hoffe, dir geht es auf jeden Fall wieder besser und glaub mir, das nächste Mal werde ich dich vor ihm retten.“ in seinen Augen lag dieser dunkle Glanz als er das sagte. „Mein mutiger Ritter in schimmernder Rüstung! Welches Mädchen träumt nicht davon, mi amor!“ meinte ich ebenso lächelnd und gab ihm einen vorsichtigen Kuss.
Heute war es soweit. Der große Empfang zu Ehren von Master Pritchards Enkelin stand an und ich stand mal wieder ratlos vor dem Kleiderschrank. Magda trat neben mich und wir überlegten gemeinsam, was dem Anlass entsprechen könnte. Mein Blick fiel auf ein Kleid welches Haytham unbedingt haben wollte für mich, weiß als Grundfarbe und dann viele bunte Blumenstickereien darauf.
Wir nahmen es heraus und ich befand, dass es passt. Also machte sich meine Zofe daran, mich anzukleiden und als das erledigt war, kamen meine Haare. Dieses Mal hatten wir vorgesorgt und ich hatte über Nacht meine nassen Haare eingeflochten, sodass sie heute in Wellen über meinem Rücken lagen. Nur hier und da wurden vereinzelte Strähnen festgeklemmt, damit sie mir nicht ins Gesicht sprangen.
Leider war es Jennifer heute nicht möglich mit uns dorthin zufahren, sie plagte eine fürchterliche Migräne und lag schon seit gestern Nacht im Bett! Ich versprach ihr aber, sie würdig zu entschuldigen. „Danke, Alex!“ kam es leise aus den Kissen und ich verschwand auf Zehenspitzen aus dem abgedunkelten Schlafzimmer meiner Schwägerin. Ob sie sich aber mit dem Geschrei von Edward erholen konnte, bezweifelte ich.
Die ganze Zeit über hatte Mrs. Wallace mit Edward hier auf mich gewartet. Mein Sohn spürte, dass er auch heute wieder bei seinem Kindermädchen bleiben würde und fand das überhaupt nicht gut. Quengelnd und jaulend zappelte er die ganze Zeit herum. „Edward, wir sind ja nicht lange weg.“ versuchte ich es zum gefühlten 100sten Male, doch zuhören wollte er nicht und als Haytham dazu kam, wurde es auch nicht besser. Dieser war sichtlich genervt, dass ich es mit Reden bei seinem Sohn versuchte. „Alex, das bringt nichts. Edward versteht es ja noch nicht, er muss sich einfach daran gewöhnen, dass weißt du. Darüber waren wir uns einig!“ Trotzdem plagte mich mein schlechtes Gewissen und als wir unten vor der Tür standen, schrie er sich die Seele aus dem Leib. Mein Mann gab ihm noch einen Kuss mit der Ermahnung lieb zu sein und ich drückte den Kleinen auch noch einmal. „Wir sind bald wieder da, min lille skat.“ (mein kleiner Liebling) versprach ich leise, ich hoffte es wirklich.
Als wir dann in der Kutsche saßen, musste ich mich arg zusammenreißen um nicht in Tränen auszubrechen. Meine Tage klangen zwar ab, aber die Hormone machten einfach was sie wollten und das frustrierte mich zusätzlich. „Mi sol, Edward ist in guten Händen und ihm passiert nichts!“ meinte Haytham jetzt etwas ruhiger und friedlicher. „Das weiß ich ja, auch schon wegen der Wachen. Aber sag das mal meinem schlechten Gewissen!“ ich seufzte tief und lehnte mich an meinen Templer. „Ich bin gespannt, wer dort alles zugegen sein wird, mi amor. Vermutlich lerne ich mal wieder einen Haufen neuer Menschen kennen, welche ich danach nie wieder sehen werde.“ grinste ich jetzt, die Nähe von Haytham beruhigte mich langsam. „Das vermute ich auch mal, aber man könnte auch noch neue Geschäftspartner auftun. Master Pritchard wird sicherlich nicht der einzige reiche Händler sein, welcher dort sein wird.“ Da fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, ob auch Master Bradshaw anwesend sein wird, darüber hatten wir gar nicht gesprochen!
Familie Pritchard lebte im Stadtteil St. Andrews Holborn, soweit ich das verstanden hatte. Die Fahrt dorthin dauerte ungefähr eine Stunde, doch mir verschlug es mal wieder die Sprache als wir vorfuhren. Auch dieses Haus oder besser Anwesen war riesig und alt, aber wunderschön. Haytham half mir aus unserem Gefährt und führte mich zum Eingang. Man öffnete uns umgehend und brachte uns in den Garten, welcher hinter dem Haus lag und ebenfalls riesige Dimensionen hatte. Das Wetter spielte heute auch Odin sei Dank wieder mit und man konnte auch draußen verweilen.
Wir waren unter anderem die ersten Gäste die eintrafen und Master Pritchard eilte uns entgegen, um uns zu begrüßen. „Mistress Kenway, Master Kenway, ich freue mich, euch wieder zusehen.“ Neben ihm tauchte ein, ich schätzte sie auf ungefähr 17 Jahre, junges Mädchen auf, welches uns aus schräg stehenden, bernsteinfarbenen Augen ansah. Das verlieh ihr das Aussehen einer Katze, wie ich fand und sie war hübsch! „Darf ich euch meine Enkelin vorstellen? Miss Hannah Evelyne Forbes!“ Das Mädchen knickste brav und wir dankten noch einmal für die Einladung und wünschten ihr alles Gute für ihren ersten Empfang. Man sah ihr an, dass sie zum Einen sehr nervös war und zum Anderen noch nicht ganz in dieser Gesellschaft angekommen war! Ich konnte sie da sehr gut verstehen!
Ich sah mich etwas fragend um, ich konnte Mrs. Pritchard nirgends sehen. Er bevorzugte Männer, das hatte mir Finley ja bereits erklärt, aber er hatte Kinder, soviel stand ebenfalls fest. Als hätte er es gehört, erklärte mir Samuel etwas betrübt, dass seine Frau bereits vor 4 Jahren verstorben sei nach einer schweren Vergiftung. „Master Pritchard, das tut mir unendlich leid für euch. Mein Beileid natürlich für euch und eure Familie.“ meinte ich jetzt etwas kleinlaut, ich wusste davon nichts. „Macht euch bitte darüber keine Gedanken, Mistress Kenway, ihr konntet es ja nicht wissen und ich hätte vielleicht schon früher ein Wort darüber fallen lassen müssen.“ kam es ebenso leise von unserem Gastgeber. Samuel stellte uns auch noch seiner Tochter, Elizabeth und ihrem Ehemann, Frank Forbes vor.
Doch damit nicht genug, nun erschien auch der zukünftige Gatte von Miss Forbes, der Duke of Wilshire! Er war das genaue Gegenteil von Hannah, im wahrsten Sinne des Wortes und jetzt konnte ich ihre zögerliche Art auch nachvollziehen. Die beiden würden definitiv NICHT aus Liebe heiraten. Der Duke war ein etwa 50jähriger pummeliger kleiner Mann mit verkniffenen kleinen Schweinsaugen und sah kränklich aus. Seine Haut war irgendwie grau, vielleicht lag es auch am Licht hier draußen, doch er machte mir mit seiner unwirklichen Erscheinung Angst. Und als er auch noch den Mund aufmachte, wäre ich am liebsten weggerannt. Seine Zähne, nunja, waren eigentlich nicht mehr vorhanden und seine Stimme klang, als hätte man ihn gerade kastriert! Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch ich hätte gerne auf den Handkuss verzichtet! Auch Haytham stand für einen Bruchteil einer Sekunde geschockt vor diesem Mann, riss sich aber schnell wieder zusammen. „Eure Lordschaft, es freut uns außerordentlich eure Bekanntschaft zu machen! Meine Frau, Mistress Kenway.“ stellte mein Mann mich vor.
„Mistress Kenway, man hat mir schon von euch berichtet und das sehr wohlwollend, wenn ich das so sagen darf. Und verzeiht meine forsche Art, aber ich würde zu gerne einmal einen Blick auf euer Geschäft werfen. Wie ich hörte, seid ihr und euer Ehegatte gerade unter anderem auch in den Tabakhandel mit eingestiegen. Ich habe ein Händchen für allerlei solcher Rauchwaren. Wenn ihr dann eventuell, so lange ihr hier noch in London verweilt, einen kleinen Teil eurer Zeit erübrigen könntet?“ fragte er lächelnd und stand so dicht vor uns, dass ich Angst hatte, er wolle uns verschlingen. „Das lässt sich sicherlich einrichten, eure Lordschaft.“ antwortete Haytham, ich selber hatte anscheinend meine Sprache verloren. „Das würde mich außerordentlich freuen, Master Kenway.“ und wie der Duke das sagte, kamen mir die Gedanken an Jones wieder, genauso schleimig war auch dieser gewesen und mich schüttelte es gerade.
Zu meinem Glück erhaschte ich einen Blick auf mir bekannte Personen, die Bradshaws waren ebenfalls anwesend und somit entschuldigte ich Haytham und mich beim Duke und wir gingen zu meinem Geschäftspartner hinüber. „Master Bradshaw, Mistress Bradshaw! Es freut mich, dass ich euch hier wiedersehe.“ plapperte ich ziemlich erleichtert und Finley spürte es natürlich. Im Geiste sprach er mich und meinen Mann an. Der Duke of Wilshire ist wirklich eine sehr merkwürdige Erscheinung, aber ich kann euch versichern, er ist harmlos. Jedoch befürchte ich, dass Miss Forbes keinen Gefallen an ihm findet. So etwas tut man seinem Kind nicht an, wenn ihr mich fragt! Hörte ich ihn empört sagen. Da habt ihr durchaus recht. Wie kommt Mr. Pritchards Tochter auf diese Idee? Fragte ich frei raus. Nun, es war die Entscheidung von Mr. Pritchard, nicht die der Tochter für Hannah! Samuels Schwiegersohn hat derzeit finanzielle Schwierigkeiten, weil er viel Geld beim Kartenspiel verloren hat und dazu hohe Investitionen getätigt hat, welche nicht erfolgreich waren. Unter anderem der Schmuggel mit Medikamenten und diversen unerprobten Mitteln! Die Auswirkungen spürt ihr hier in London auch, ihr müsst nur einmal die Hospitäler besuchen!
Bevor Finley es aussprechen konnte, sagte ich, was mir durch den Kopf ging. „Dann sollte ich vielleicht einmal Lady Cormac darauf ansprechen, sie wird ja sicherlich von solchen Medikamenten Diebstählen wissen! Wenn ich ehrlich sein soll, klingt das nach einem eher gefährlichen Unterfangen und die ganze Familie Pritchard könnte in Schwierigkeiten geraten!“ meinte ich jetzt leise und sah meinen Mann dabei stirnrunzelnd an. „Das solltet ihr auf jeden Fall tun, Mistress Kenway.“ kam es mit einem Lächeln von Bradshaw.
Ab diesem Zeitpunkt ging die „Wir-lernen-uns-kennen-Runde“ los und ich war erstaunt, wer sich alles zu den besser situierten Herrschaften zählte. Bei einigen hätte man keinen Pfifferling vermutet, geschweige denn Kenntnisse und Beziehungen für diese Kreise. Gut, ich war jetzt auch noch nicht hinreichend bewandert diesbezüglich und man warf mir ebenfalls fragende Blicke zu. Doch uns kam der Name Kenway zugute, auch wenn es hier und da noch Leute gab, die über die Vergangenheit von Haythams Vater tratschten. An diesem frühen Abend lagen mir oft einige bissige Kommentare bezüglich der Gerüchte auf der Zunge, doch immer wieder hinderte mich mein Mann daran. „Haytham, ich meine es doch nur gut. Lass mich doch diesen Klatschbasen endlich einmal den Wind aus den Segeln nehmen!“ doch ein rigoroses „Nein, ich denke dafür ist es sowieso zu spät!“ stellte klar, dass das nicht gewünscht ist!
Nach dem sehr üppigen Dinner eröffneten Miss Forbes und der Duke of Wilshire den eigentlich Empfang mit einem Tanz. Das Mädchen hatte extra vorher noch Tanzunterricht erhalten und entsprechende Verhaltensregeln gelernt. Man spürte aber schnell, dass sie sich immer unwohler fühlte und ich hätte sie gerne erlöst, doch mir stand es einfach nicht zu. Immer wieder sah ich zu ihrer Mutter, welche aber auch nicht wirklich vor Begeisterung jubelte, sondern ihren Gatten mit finsterer Miene anstarrte. Da hing eindeutig der Haussegen schief, für einen kurzen Moment wollte ich mich einschalten, doch mir wurde mal wieder bewusst, dass man so etwas nicht tat. Es sei denn, man wurde auf Hilfe angesprochen.
Auch mir blieb ein Tanz mit dem zukünftigen Ehemann von Hannah nicht erspart und ich nutzte meine erlernten Abstandshaltungen komplett aus, welche noch nicht einmal unhöflich wirkten. Die einzigen Tänze, welche ich wirklich genoss, waren die mit meinem Mann, was soll ich sagen? Führen konnte er eben! Doch auch Finley und Samuel waren gute Tänzer und traten einem nicht permanent auf die Füße.
Für einen kurzen Moment stand ich dann etwas abseits an einer geöffneten Tür alleine, weil mein Mann sich kurz entschuldigt hatte. Dringende Bedürfnisse, ihr versteht? Ich sah hinaus in den wunderschönen mittlerweile mit Fackeln beleuchteten Garten und hielt mein Glas Champagner gedankenverloren in der Hand, als ich einen warmen Atem an meiner Schulter spürte. „Mistress Kenway, ich habe mich den ganzen Abend gefragt, wann man uns beide vorstellt.“ langsam drehte ich mich um, ich kannte diese Stimme nicht, doch ich vernahm einen deutschen Akzent. Ich sah in tiefbraune Augen und ein jugendhaftes Gesicht, welches ein verschmitztes Grinsen zierte. Großartig hoch sehen musste ich nicht, dieser Herr war nur wenige Zentimeter größer als ich. Mit meiner vorgestreckten Hand erwiderte ich nur „Nun, dann solltet ihr es nachholen, Mr. … ?“ und er nahm meine Hand, hauchte einen seichten Handkuss und seine Augen wanderten langsam über mein Dekolleté hinauf zu meinen Augen. „Verzeiht, wo sind meine Manieren! Mein Name ist Mathias Engelhardt, zu euren Diensten!“ und mit diesen Worten entglitten mir alle Gesichtszüge und mir wurde schwarz vor Augen!
Kurz darauf fand ich mich in einem nur von wenigen Kerzenleuchtern erhellten Raum auf einem Sofa wieder. Besagter Mr. Engelhardt saß an meiner Seite und wedelte mir mit einem Fächer Luft zu. „Mistress Kenway, ist alles in Ordnung? Ihr seht aus, als hättet ihr Gespenster gesehen!“ grinste er fies zu mir hinunter! Mir fehlten ehrlich gesagt die Worte. Konnte es sein, dass ich einem Vorfahren von Marius hier über den Weg gelaufen bin? Ich schüttelte mich kurz und atmete tief durch, richtete mich dann langsam auf, als ich sicher sein konnte, nicht wieder ohnmächtig zu werden!
In diesem Moment beschloss ich, meine Fähigkeiten voll auszunutzen und einfach seinen Geist zu infiltrieren! WER seid ihr wirklich und was wollt ihr von mir? Ich habe euch den ganzen Abend hier noch nicht gesehen! In seinem Gesicht zeigte sich kurz ein erschrockener Ausdruck, doch dieser verschwand unverzüglich wieder und an seine Stelle trat ein wissender Ausdruck. Wir wissen beide, was hier gespielt wird. Eure Aufgabe, Artefakte zu schmuggeln, welche nicht EUCH gehören, hat sich herum gesprochen und glaubt mir, der kleine Edward ist nicht so beschützt wie ihr denkt! Hörte ich diese fiesen zischenden Worte in meinem Kopf.
Ich sprang auf und baute mich vor diesem Mann auf. „Sagt was ihr wollt und dann geht!“ brachte ich aus zusammen gebissenen Zähnen hervor und meine Hände waren zu Fäusten geballt! „Mistress Kenway, na na na. Nicht so voreilig! Wir werden uns sicherlich einig, oder nicht? Eurem Sohn passiert nichts, wenn ihr mir einfach, sagen wir mal, ein oder zwei Artefakte überlassen würdet!“ grinste er fies. In mir wuchs die Panik und ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Hatte man meinen Sohn schon in Gewahrsam oder nicht? Warum kam Haytham nicht und schritt ebenfalls ein?
Ich ging für einen Moment tief in mich und sprach mein Mantra, der Ruhemantel legte sich langsam um mich, gab mir Sicherheit. „Wovon sprecht ihr, Mr. Engelhardt? Welche Artefakte? Ich meine, es gibt ja nicht nur eines!“ meine Stimme hatte sich gefestigt, auch mein Geist beruhigte sich, unüberlegt sollte ich jetzt nichts mehr tun. „Oh, ihr macht einen auf unwissend! Doch ihr wisst, dass es um die beiden Schwerter geht, welche ihr erst vor kurzem an diesen Bradshaw verscherbelt habt. Ihr habt doch keine Ahnung, was ihr da getan habt!“ höhnte er jetzt. „Vermutlich nicht, doch ich werde meinen Auftrag ausführen und daran werdet IHR mich nicht hindern, Mr. Engelhardt.“ es fiel mir unendlich schwer, diesen Namen auszusprechen, weil mich die Trauer für Marius überkam.
„Ihr glaubt immer noch, ihr habt die Oberhand hier, stimmt es Mistress Kenway? Doch dem ist nicht so!“ mit einer Handbewegung deutete er einer weiteren Person im Raum, mich zu packen. Verdammt, ich hatte darauf überhaupt nicht mehr geachtet und mir fiel ein, dass ich völlig unbewaffnet hier erschienen bin. Noch nicht einmal mein Stiefelmesser hatte ich mitgenommen, doppelte Scheiße! Der zweite Mann hatte mich nun von hinten umschlungen, schnappte sich meine Arme und drehte sie mir schmerzhaft auf den Rücken! Mir entwich ein zischender Laut, ich würde diesen Herren sicher nicht die Genugtuung geben, Schwäche zu zeigen. Mathias stand jetzt vor mir und beäugte mich böse und überheblich. „Seid ihr immer noch der Meinung, ihr könntet hier einfach wieder heraus spazieren? Ich werde euch gehen lassen, wenn ihr mir diese Schwerter ausgehändigt habt und sollte es mir zu lange dauern, kann ich die Sache auch beschleunigen. Denkt an euren Sohn, welcher sicher nicht glücklich in diesem Moment sein dürfte!“ lachte er mich an und ich schluckte schwer. Sie hatten wirklich Edward entführt? Mein Blick verschwamm... Nein, ich musste im Hier und Jetzt bleiben, ich durfte mir einfach nicht diese Blöße geben.
„Und wie soll ich das von hier aus regeln, Mr. Engelhardt? Glaubt ihr, ich weiß, wo sich diese Artefakte gerade befinden? Ich kann nicht hellsehen und herzaubern kann ich sie auch nicht!“ zischte ich ihn wütend an und versuchte diese Schmerzen in meiner Armmuskulatur zu verdrängen. „Dessen bin ich mir bewusst und ich habe auch schon überlegt, dass wir einen kleinen Spaziergang unternehmen werden. Frische Luft und ein wenig Bewegung hat schon immer beim Nachdenken geholfen.“ grinste er wieder fies in meine Richtung und gab einen Wink, sodass mich mein Bewacher hochzog. Er schob mich zu einer Tür, welche nach draußen zu führen schien und kurz bevor er sie öffnen konnte, brach Panik in mir aus und ich schrie nach meinem Mann! DAS hätte ich wohl besser nicht gemacht, ich spürte nur noch einen dumpfen Schlag an meiner Schläfe und das wars.
… Es drang ein modriger Geruch in meine Nase, als meine Sinne langsam wieder einsetzten. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch so richtig wollte es mir nicht gelingen, ich hatte das Gefühl, als wäre mein Gesicht angeschwollen. Vorsichtig bewegte ich meinen Kiefer und hätte vor Schmerzen am liebsten aufgeschrien, es brannte wie Feuer in meinen Knochen. Erschrocken wollte ich mich aufrichten, doch das wurde mir durch eiserne Beschläge an den Handgelenken auf dem Rücken verwehrt und meine Knöchel waren ebenfalls in diesen Fesseln! Tief durchatmen, Alex, beruhige dich!, sagte ich mir leise und startete einen erneuten Versuch, mich umzusehen, was mir jetzt auch besser gelang und ich fand mich in einer Art Verlies wieder. Um mich herum waren Steinwände, an welchen langsam Wasser herablief und es war, ja es klingt seltsam, die Bauweise des Raumes war rund, wie die einer Röhre. WO bitte war ich jetzt? Ein Gefängnis war es nicht, so viel stand fest, Soldaten oder ähnliches konnte ich nicht ausmachen.
Als ich an mir heruntersah, stellte ich mit Entsetzen fest, dass mein Kleid völlig kaputt war, zerschnitten, zerrissen und mit Blutflecken übersät. Meine Panik wurde größer, langsam spürte ich an meinem ganzen Körper Schmerzen, auch an meinen Oberschenkeln und mich überkam Ekel. Hatte man mir, als ich bewusstlos war, etwa etwas angetan? Mein Atem ging erneut schneller und ich war kurz vorm Hyperventilieren, konzentrierte mich aber auf das EIN- und AUSATMEN! Langsam beruhigte sich alles, doch mein Herz hämmerte immer noch wie verrückt.
Der nächste Gedanke war, was jetzt mit meinem Sohn ist? Geht es ihm gut? Oder hatte man ihm auch weh getan? Mir standen die Tränen in den Augen, doch ich schluckte sie herunter, nein, keine Schwäche zeigen! Ich fing an, an den Fesseln zu zerren und versuchte mich aufzurichten, weil ich hier auf dem nassen Ziegelboden hockte und neben mir wenigstens eine Pritsche stand! Gerade als ich es geschafft hatte aufzustehen, sah ich an der Gittertür Mathias auftauchen und ein breites Grinsen trat in sein Gesicht. Langsam schloss er auf und trat ein. „Ihr seid wieder wach, das freut mich, Mistress Kenway. Und verzeiht, dass ihr ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurdet, aber meine Leute meinten es nur gut mit euch!“ sprach er erneut in diesem fiesen Ton und stand jetzt wenige Zentimeter vor mir.
„Wo ist mein Sohn?“ brachte ich mühsam hervor, vor meinen Augen tanzten Sterne und ich drohte wieder umzufallen! Mein Entführer drehte sich zur Zellentür und rief nach einem Steven. Als dieser kurz darauf erschien, flüsterte er ihm etwas zu und kam dann wieder auf mich zu. Steven selber drehte sich mit einem wissenden Grinsen einfach um und verschwand wieder auf dem Gang. „Er ist hier, Mistress Kenway!“ sein Lachen dabei war unerträglich für mich! WAS hatten sie mit ihm gemacht? Dann hörte ich seine Stimme, seine schrillen Schreie wenn er Angst hatte, sie kamen näher und dann trat dieser Steven mit meinem Sohn und Mrs. Wallace ein! Ich konnte nichts anderes tun, als meinen kleinen Schatz mit Worten und meiner Stimme zu beruhigen, Mathias deutete, dass der andere Herr nicht in meine Nähe kommen sollte. Dann sah ich zu Sybill, welche ebenfalls in Fesseln dastand. „Mistress Kenway, es tut mir leid. Wir waren nur kurz draußen um frische Luft zu schnappen... ich konnte so schnell nichts machen und dann hatten sie uns schon gepackt und...“ Mr. Engelhardt gab ihr eine schallende Ohrfeige, so dass unser Kindermädchen nach hinten auf den Boden fiel. „Es reicht! Wenn du alte Schnepfe eben nicht richtig aufpassen kannst, dann bist du selber schuld!“ schrie er sie an und ich wünschte, ich könnte einfach diese Eisen lösen und ihn mit den Ketten erwürgen!
Edward schrie noch immer und ich redete weiter auf ihn ein. „Könnt ihr euer Blag nicht endlich ruhig stellen? Von dieser Schreierei bekommt man ja Kopfschmerzen!“ motzte er mich jetzt an und deutete eine weitere Ohrfeige an, aber in Richtung meines Sohnes. WAGE ES NICHT!, ging es mir durch den Kopf und in mir stieg immer mehr Wut empor und ich spürte, wie plötzlich mein Verstand anfing zu arbeiten. Ich konzentrierte mich auf Edward und sprach mit ihm im Geiste, leise und beruhigend erzählte ich ihm, dass er keine Angst zu haben brauche. In seinen Augen erschien dieses Leuchten, nur leicht und auch nur kurz, also hatte er verstanden und schniefte noch ein bisschen vor sich hin. „Wie habt ihr das gemacht?“ brüllte mich jetzt Mathias an und griff nach meinem Kiefer und ich sog schmerzerfüllt die Luft ein. „Ich bin seine Mutter und er ist mein Fleisch und Blut. Ihr seid ja zu unterbelichtet, als dass ihr das verstehen könntet. Euer Gehirn ist ja zu nichts anderem in der Lage, als anderen Leid zuzufügen! Doch das wird jetzt bald ein Ende haben!“ grinste ich und versuchte ein ebenso zuversichtliches Gesicht in Richtung von Sybill zu machen. Sie nickte leicht und ließ sich dann vorsichtig auf der Pritsche nieder.
Ich hatte nämlich eine Eingebung gerade und hätte mich selber ohrfeigen können, warum ich nicht schon während des Empfanges darauf gekommen bin. Ich starrte Mr. Engelhardt einfach an, stellte mir im Geiste aber meinen Mann vor und konzentrierte mich voll und ganz auf seine Erscheinung! „Alex, wo bist du... wie... Bei allen Göttern!“ also sah mein Mann, was hier los war und ich ließ meinen Blick über den Raum und die Menschen darin wandern. „Haytham, sie haben unseren Sohn und wollen, dass ich zwei Schwerter besorge, welche ich Mr. Bradshaw übergeben habe in einer der Runentruhen. Mach ihn ausfindig und erklär es ihm. Ich werde versuchen, ebenfalls mit ihm in Verbindung zu treten und auch mit Faith. Ich brauche hier Hilfe, mi amor. Ich habe keinerlei Bewaffnung und Edward darf einfach nichts passieren, ebenso wenig wie ...“ doch weiter kam ich nicht, eine flache Hand landete mit aller Wucht auf meiner Wange und das Dröhnen von Mathias´ Stimme durchfuhr mich. „Ihr seid wirklich mit dem Teufel im Bunde, ihr seid eine Hexe! Master Lestrange hält zwar große Stücke auf euch und lässt nichts auf euch kommen, doch anscheinend ist er ein blinder Vollidiot! Dem werde ich hier und heute ein Ende setzen! Ihr werdet uns nicht mehr in die Quere kommen!“ brüllte er mich bei den letzten Worten an und stieß mich gegen die Wand.
Edward war völlig ruhig geworden und sah konzentriert zu mir oder seinem Kindermädchen. Gut so, mein Schatz, niemand wird dir etwas tun. Dein Vater weiß auch schon Bescheid! sprach ich wieder im Geiste, seltsamerweise beruhigte mich das selber. Ein Blick auf Sybill verriet mir, dass sie mir vertraute und ein Lächeln ermutigte mich in meinem Vorhaben. Doch ich hatte nicht mit diesem Steven gerechnet, welcher meinen Sohn jetzt vor sich hielt und ihn anschrie, was ihm einfallen würde. Die Herren hatten nicht daran gedacht, dass der Kleine ab und an eine saubere Windel brauchte und nun war das Hemd des Kindesentführers klatschnass. Abgelenkt und aus seiner Konzentration gerissen fing Edward wieder an zu weinen und reckte seine Ärmchen nach mir und dann kam ein herzzerreißendes MAMAAAA, was mich wieder an den Rand der Verzweiflung brachte. Doch dieser Steven wurde nicht handgreiflich, sondern drückte Mrs. Wallace meinen Sohn auf den Schoß. „Hier Weib, mach was du willst mit ihm, aber ich will so ein Rotzblag nicht tragen!“ dann zerrte er die beiden von der Pritsche hoch und Engelhardt deutete, sie sollten hinausgehen.
An seiner Statt traten jetzt zwei weitere Herren in den Raum und sahen mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Na, da haben wir ja das kleine Miststück, was uns immer wieder in die Quere kommt, Boss. Ich hoffe, sie hat schon ein bisschen gelernt aus der Behandlung, welche wir ihr haben zukommen lassen!“ lachte einer zynisch und sah dann auf mein Kleid, was eigentlich nur noch in Fetzen an mir hing. Sie hatten es wirklich getan! „Oh ihr glaubt, ihr seid die tollen Hengste, weil ihr eine bewusstlose Frau vergewaltigt habt, ja? Ihr seid erbärmlich und lächerlich!“ und wieder hatte ich eine Schelle erhalten. „Du Hure hast ein ziemlich loses Mundwerk, aber das können wir dir auch noch stopfen!“ meinte Mathias leise und drohend an meinem Ohr, dabei ging sein Atem immer schwerer und mir wurde schlecht.
Also fing ich jetzt an, mich auf meine Schwester zu konzentrieren! Bei ihr drang ich schneller durch und, es mag sich eigenartig anhören, doch ich übermittelte ihr schnell die Bilder hier, mein Blick wanderte hastig von einem zum anderen. „Faith bitte... sie haben Edward! Hilf Haytham... ich weiß nicht, WO ich bin, es klingt vielleicht blöd, aber mir kommt der Gedanke an Kanalisation... Mrs. Wallace hat man auch entführt...“ dann riss die Verbindung ab, weil die Herren meinten, mir zeigen zu müssen, dass sie mir auch im wachen Zustand ihre Meinung über mich kundtun könnten. Die Reste meines Kleides waren schnell von mir gerissen und ich stand nur noch in meinem Unterkleid vor ihnen. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Hatte ich so eine ähnliche Situation nicht geträumt, als ich gerade ich mit meinem Sohn schwanger war? Aber da waren es Rotröcke, welche sich an mir vergingen!
In mir tobte das schlechte Gewissen gepaart mit Schamgefühl, dazu kam noch der Gedanke, dass ich mich doch wehren muss, doch ich wusste nicht wie. Weder treten, noch erwürgen mit den Ketten wäre eine Option, diese Fesseln waren gezielt gesetzt, so als kannten sie sich damit hervorragend aus. Dann spürte ich ihre Hände auf meinem Körper und fing an zu zittern. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als erhebe sich mein Geist aus mir und zöge sich in diese kleine Dachkammer mit Ausblick auf die grauen Augen meines Mannes zurück! Ich spürte nichts mehr, sah nichts mehr und ich hörte auch nichts mehr. Ich wollte nur, dass es vorbei war!
Als ich nun in meinem kleinen abgeschlossenen Raum hockte, überschlugen sich die Gedanken trotzdem weiterhin. Warum das Ganze? Nur wegen ein paar Schwertern? Das konnte doch alles nicht deren Ernst sein. Dann schoss eine Stimme durch die verriegelte Tür! Ich hätte es wissen müssen, dass diese Bagage dahinter kommen würde! Wir waren eigentlich so sicher, dass die Spuren dieses mal gut verwischt seien. Ihr werdet die Schwerter NICHT aushändigen! Dafür werde ich sorgen! Sie dürfen nicht aus unseren Händen geraten, unter keinen Umständen und denkt daran! Ihr habt weitreichende Befugnisse, koste es was es wolle und wenn es über Leichen gehen ist! Ihr habt gut daran getan, euren Mann und eure Schwester zu rufen, dann habt ihr es jetzt verstanden! Sie werden bald bei euch sein, vertraut auf die Fähigkeiten der beiden! Und denkt nicht eine Sekunde daran, dass ihr Schuld an diesem Vergehen seid, diese Männer gehören bestraft und ich hätte es schon vor viel längerer Zeit machen sollen! Mit diesen leisen Worten schlich Elias förmlich aus meinem Raum und ließ mich etwas perplex zurück, doch er hatte ja Recht. Ich hatte keine Chance mich zu wehren, ich durfte mir keine Vorwürfe machen, ich tat es trotzdem und würde es auch in der nächsten Zeit tun!
Etwas zerrte plötzlich an mir und riss mich hoch! „ALEX!“ brüllte man mich an und schüttelte mich. Graue mit Angst erfüllte Augen sahen auf mich herunter und ich konnte nur noch zitternd an diesem Körper herunter rutschen. Wie in einem Nebel hörte ich „Bringt sie hier raus und dann versiegelt den Zugang! Faith, sieh nach meinem Sohn, ich will sicher sein, dass ihm nichts fehlt. Ansonsten bringe ich diese Bastarde ein zweites Mal um!“ wie auf Wolken schwebte ich durch einen Tunnel und dann eine Treppe hinauf... durch einen großen dunkel getäfelten Raum und wieder eine Treppe hinauf... dann spürte ich eine weiche Unterlage unter mir und schloss einfach die Augen!
Wie lange ich so in diesem seltsamen Zustand war, vermag ich nicht mehr zu sagen. Als ich erwachte, hatte ich einen seltsamen Geschmack im Mund, welcher unter anderem Ähnlichkeit mit Metall hatte. Mein Gesicht tat mir weh, meine Arme schmerzten und eigentlich tat mir mein gesamter Körper weh. Jede Bewegung war die Hölle, doch ich musste mich zusammenreißen. Mein Sohn brauchte mich und ich musste zu ihm! „Alex, bleib liegen, du kannst noch nicht wieder aufstehen. Sag mir einfach, was du brauchst und ich bringe es dir!“ hörte ich die vertraute Stimme meines Mannes und schlug die Augen auf. Als ich jetzt in sein Gesicht sah und die Sorge um mich sich in seinen Augen widerspiegelte, brach ich in Tränen aus. „Es tut mir leid. Ich wollte euch nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich bin einfach zu blöd mich zu verteidigen oder zu wehren!“ ich drehte mich zur Seite, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Bei Odin, ich war so eine Versagerin!
„Wer sagt bitte sowas? Alex, sieh mich an.“ meinte Haytham leise und beugte sich über mich, doch sofort bekam ich Panik und kroch von ihm weg. „Jesus, was haben sie nur mit dir gemacht?“ in seiner Stimme schwang Angst mit, aber zum Großteil Wut, welche er noch nicht losgeworden war. „Geh weg, lass mich in Ruhe. Ich habe demonstriert, dass ich meiner Aufgabe nicht gewachsen bin, weil ich einfach unfähig bin!“ schrie ich plötzlich los und sprang aus dem Bett, doch ehe ich bei der Tür war, stand Haytham hinter mir und hielt mich fest. „Alex, wie bitte hättest du DAS verhindern sollen. Da hätte sich niemand wehren können und... diese Männer werden dich sicherlich nicht mehr belästigen. Dafür haben wir gesorgt!“ kam es mit zusammen gebissenen Zähnen von ihm. „Ja, und alles, weil ich einfach unfähig bin!“ heulte ich weiter, während die Arme meines Mannes um mich lagen. Ich hörte ihn seufzen und langsam drehte er mich zu sich um.
„Du warst bewusstlos, wie hättest du dich verteidigen sollen? Und diese Fesseln waren einfach genau darauf ausgelegt, dass du dich nicht wehren sollst. Mi sol, glaub mir, DICH trifft keine Schuld! Diese Assassinen sind einfach zu weit gegangen, ich hörte Elias in meinem Kopf und er gab mir entsprechende Anweisungen, nachdem du mir gezeigt hattest, wo du warst. ICH bin derjenige, der sich Vorwürfe machen sollte, ich war nicht an deiner Seite, um rechtzeitig einzuschreiten.“ kam es jetzt leise aus seinem Mund. Machten wir uns jetzt beide dieselben Vorwürfe? „Sie haben mich... ich fühle mich widerlich...“ ich schaffte es gerade noch so über die Waschschüssel und erbrach mich heftig. Mir dämmerte plötzlich, was dieser andere widerliche Geschmack in meinem Mund war! Keuchend hing ich dann an einem Bettpfosten gelehnt und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
„Wo ist Edward? Geht es ihm gut? Haytham, was haben diese Schweine mit ihm gemacht!“ schrie ich ihn erneut an und wollte aus dem Zimmer stürmen, doch wieder hielt er mich auf. „Mi sol, unserem Sohn geht es gut. Er ist nur völlig verwirrt gewesen und ich werde ihn gleich holen, doch ich wollte zuerst sichergehen, dass du einigermaßen wieder wach bist!“ versuchte er mich nun zu beruhigen. „Und Sybill?“ fragte ich kleinlaut. „Auch ihr geht es den Umständen entsprechend gut, sie steht unter Schock, ... man hatte sie gezwungen zuzusehen!“ seine Hände ballten sich zu Fäusten und ich kannte ihn zu gut, dass ich wusste, er würde gerne weitere Morde begehen. Ich krabbelte auf das Bett und rollte mich zusammen, die Tränen liefen wie von alleine. Ich war an allem Schuld und sie würden es mir nie verzeihen. „Alex...“ doch ich schlug seine Hand weg. Haytham verließ unser Zimmer mit einem tiefen resignierten Seufzen und schloss leise die Tür hinter sich. Ich zog die Bettdecke über mich und weinte einfach, vor Schmerzen, vor Scham, vor Schuldgefühlen!
Irgendwann legten sich wieder Arme um mich, doch es waren nicht die von Haytham! Erschrocken rollte ich mich weg und starrte in freundliche eisblaue Augen! „Alex, es tut mir so leid für dich und glaub mir, dich trifft keine Schuld. Ich weiß wovon ich spreche und du weißt es auch! Lass dir helfen, lass Nähe zu, du wirst merken, sie wird dir guttun und dich trösten!“ ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Nein, wird sie nicht.“ hörte ich meine eigene Stimme fast tonlos aus meinem Mund kommen. „Doch, ob du es nun glauben willst oder nicht! Shay hat mir damals über diese schlimmen Ereignisse mit Hermann hinweggeholfen, indem er einfach da war und mich immer wieder daran erinnert hat, dass allein diese Männer daran schuld sind, weil sie ihre Triebe und ihre widerlichen Fantasien einfach nicht unter Kontrolle haben!“ meinte meine Schwester jetzt bestimmter und sah mich mit einem gewissen befehlenden Ausdruck im Gesicht an.
„Ich will meinen Sohn sehen!“ flüsterte ich fast tonlos. „Wir werden dich jetzt waschen, dich anziehen und dann sieht die Welt schon etwas besser aus. Und dann gehen wir hinunter, Edward wartet schon auf dich!“ sprach sie lächelnd und so liebevoll, dass ich wieder spürte, wie meine Wangen nass wurden. „Womit habe ich dich verdient, mo rionnag?“ fragte ich sie, doch eine Antwort bekam ich nicht, nur eine warme Hand auf meiner Wange, welche meine Tränen wegwischte. Ich war beruhigter jetzt und als ich dann in einem leichten Baumwollkleid vor dem Spiegel auf einem Hocker saß und sie meine Haare bürstete, entspannte ich mich immer weiter. Nur diese Schmerzen, auch zwischen meinen Schenkeln, waren teilweise unerträglich. Faith bemerkte meinen Gedanken. „Ich habe dich untersucht, die Verletzungen werden verheilen und ich habe deiner Kammerzofe schon Anweisungen für regelmäßige Bäder gegeben. Die Wunden werden verheilen, meine Preußin. Die seelischen brauchen halt länger, aber du hast einen wundervollen Mann, welcher dir dabei helfen wird. Einen Sohn, der dich braucht und auch ich bin für dich da, das weißt du doch, oder?“ sie strich mir durch mein Haar und gab mir einen Kuss auf den Kopf. „Das weiß ich, mo rionnag!“
Als wir im Salon ankamen, strahlten mich meine zwei Männer an und ich nahm mir den kleineren von beiden als erstes und drückte ihn. „Es tut mir so leid für dich, Edward. Mommy passt in Zukunft besser auf, versprochen.“ ich gab ihm einen dicken Kuss und begutachtete ihn intensiv, doch es war Faith, welche meinte, man hätte ihm nicht wehgetan. Erleichtert atmete ich aus und stand jetzt etwas verloren vor meinem Ehemann. „Kannst du mir verzeihen, mi amor?“ fragte ich leise. „Was sollte ich dir verzeihen?“ sein Lächeln war so warm und seine Hand auf meiner Wange sagte mir, dass es nichts gab, was zu verzeihen wäre.
Ich sah mich fragend in der Runde um, weil ich Mrs. Wallace nicht entdecken konnte. „Alex, sie ist in ihrem Zimmer und hat von mir etwas zur Beruhigung bekommen. Sie steht unter Schock, das war alles zu viel für sie!“ erklärte mir meine Schwester nun. „Haytham sagte es bereits, diese Schweine... kann ich ihre Leichen sehen? Ich will mich vergewissern, dass sie auch wirklich tot sind!“ Shay war auch noch anwesend und das fiel mir erst jetzt auf. „Alex, glaub mir. Das ist keine gute Idee, aber du kannst sicher sein, dass wir sie alle einzeln in die Hölle geschickt haben!“ meinte der Ire leise zu mir und drückte meine Hand.
Mit Edward auf dem Arm ging ich zum Sofa und ließ mich langsam darauf nieder, richtig sitzen fiel mir schwer. Ein leises „Mama“ und dann lag mein Sohn an meiner Brust, ich spürte, dass er ruhiger wurde, genauso wie ich.
In den nächsten Tagen versuchte ich mich auf mein Leben zu besinnen und fing wieder an, mein Tagebuch fortzuführen. Ich erklärte Yannick darin aber, dass es kein Grund für eine Reise wäre und er sich um mich nicht sorgen müsste. Zumal ich es tatsächlich geschafft habe, auch wenn es nur sehr kurz war, mit meinem Enkel zu kommunizieren. Warum es mit meinem großen Sohn nicht klappen wollte, erschloss sich mir nicht.
Eigentlich hatten Faith und ich uns vorgenommen, noch einen kleinen Einkaufsbummel zu machen. Doch aus irgend einem mir unerfindlichen Grund, riet sie mir davon ab, mit der Begründung, wir würden es auf später verschieben, wenn es mir besser ginge. Vielleicht hatte sie recht, doch ich könnte mir auf der anderen Seite vorstellen, dass mich das auch ein wenig abgelenkt hätte. Nach und nach vergingen die Schmerzen und Blessuren, leider klangen die Albträume nur sehr langsam ab. In einer Nacht hatte ich Haytham eine Lippe blutig geschlagen, weil er in seiner Panik, mich nicht beruhigen zu können, immer versuchte, mich festzuhalten. Auch hatte ich zweimal geschlafwandelt, was ich persönlich schon immer sehr unheimlich fand, aber dank des leichten Schlafes meines Mannes, brachte dieser mich immer wieder zurück ins Bett.
Aber Faith hatte recht, die Nähe zu meinem Ehemann tat wirklich gut und ich konnte sie mittlerweile auch wieder zulassen und genießen. Zudem kam ich wieder zur Ruhe, wenn seine Arme mich hielten. „Mi sol, es ist schön zu sehen, dass du dich langsam erholst. Du kannst dir meine Angst um dich nicht vorstellen...“ meinte er eines Tages dann leise, als ich mit ihm im Garten unter den Obstbäumen stand. „Doch, ich kann sie mir vorstellen, es würde mir nicht anders gehen, mi amor.“ ich drehte mich zu ihm um und stellte mich auf die Zehenspitzen, schlang meine Arme um seinen Nacken und zum ersten Mal suchte ich seine Lippen wieder. „Ich liebe dich, Haytham!“ er erwiderte den Kuss vorsichtig und ich konnte seine Unsicherheit deutlich spüren. „Ich dich auch, Alex! Vergiss das nie und ich meinte es damals ernst, ich würde für dich durch die Hölle gehen, wenn ich es müsste!“ In diesem Moment wusste ich, dass auch die seelischen Wunden weiter heilten, wenn auch nie ganz, das wäre unmöglich.
Mrs. Wallace erholte sich ebenfalls und war immer öfter wieder mit uns im Garten oder auch mit Edward am Spielen. „Mistress Kenway, es war alles meine Schuld...“ schluchzte sie, sie plagten ebenfalls Schuldgefühle und auch ihr mussten diese ausgeredet werden. „Nein, ist es nicht, Sybill. Diese Männer haben euch völlig überrascht und es hätten ja auch andere Menschen dort im Park eingreifen können.“ Dieser Gedanke war mir einige Male gekommen! WARUM hatte niemand dem Kindermädchen zur Seite gestanden? Hatten sie alle zu viel Angst gehabt? „Diese... Herren, haben die Umstehenden mit Pistolen bedroht, niemand hat sich getraut, also hatten die Entführer so freie Hand. Und als wir dann in dieser Kutsche saßen, ging alles ganz schnell!“ Man hatte sie und Edward hinunter in die Katakomben gebracht, in einen Bereich, welcher anscheinend gerne als Kerker oder Gefängnis genutzt wurde, weil niemand mehr von diesen Zugängen wusste. Niemand, bis auf die Familien Kenway und Williams wie es scheint!, ging es mir plötzlich durch den Kopf und das war unser Glück!
Gestern war dann Master Bradshaw bei uns vorstellig geworden, ebenso Mr. Pritchard! Beiden war anzusehen, dass sie sich in meiner Gegenwart eher unwohl fühlten und nicht so recht wussten, was sie sagen sollten. „Mistress Kenway, es tut mir unendlich leid, dass man euch in meinem Haus überfallen hat. Ich werde es nie wieder gut machen können. Doch seid versichert, so etwas wird nicht erneut vorkommen, dafür werden wir in Zukunft Sorge tragen.“ mit einem Seitenblick auf Finley, fuhr dieser nun fort. „Die Unterhändler wurden jetzt durch neue und vertrauenswürdigere Leute ersetzt. Auch haben wir die Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit solchen Festivitäten und auch dem Transport verschärft. Zudem haben wir Nachricht an die „White Moon“ und eure „Jackdaw“ geschickt zusammen mit jeweils 5 hervorragend ausgebildeten Meisterassassinen! Sie werden in Zukunft zusätzlich für eure Sicherheit und die der Waren sorgen.“
Dann klärte mich Mr. Bradshaw noch darüber auf, dass auch die Kontaktperson in Frankreich ausgetauscht wird und ich dort nun mit einer Mme. Laurette Jomphe aufeinander treffen werde, sobald wir in Le´Havre anlegen würden. „Mistress Kenway, ich muss euch nicht daran erinnern, dass es immer noch von großer Wichtigkeit ist, dass die Truhen unbeschadet ihr Ziel erreichen?“ fragte Finley jetzt streng nach. „Nein, Master Bradshaw, das ist nicht nötig. Ich weiß sehr wohl um die Wichtigkeit. Doch mich interessiert, auf welche Schwerter es diese Assassinen eigentlich abgesehen hatten und wer sie geschickt hatte? Sie müssen doch einen Auftraggeber gehabt haben!“ Das war etwas, was mir ebenso unter den Nägeln brannte und ich hoffte inständig, dass nicht wieder dieser John Williams damit zu tun hatte!
„Wenn wir richtig liegen, war es immer noch dieser Russe, Eugene Avdeyev, welcher sie in seinem Besitz haben will. Laut seiner Aussage sind es Familienerbstücke, doch beweisen konnte er es nie. Die Initialen deuten ebenso wenig darauf hin! Ich weiß, ihr habt schon entsprechend Erkundigungen eingeholt und ich kann euch versichern, dass wir dem ebenfalls nachgehen. Diesen Teil der Bruderschaft werden wir definitiv nicht überzeugen können, einer Einigung zuzustimmen!“ in seiner Stimme klang Enttäuschung mit, welche ich durchaus verstehen konnte. Mir ging es ja mit dem britischen Ritus umgekehrt nicht anders in meiner Zeit.
Aber wenn dieser Russe für diese Entführung und den Missbrauch verantwortlich war, konnte ich schlecht die Füße still halten und in mir keimte der Wunsch auf, persönlich nach Russland, genauer nach Wjasma zu reisen. In meinem Kopf fing ich an entsprechende Pläne zu machen. Leider unterbrachen mich die anwesenden Herren eindrücklich, nicht überstürzt zu handeln! „Verzeiht, Gentlemen, doch ich werde sicherlich solch ein Vergehen nicht von anderen außer mir selber rächen lassen. Jeder einzelne von euch weiß, dass meine Herkunft so etwas nicht zulässt!“ meine Stimme fing an sich zu überschlagen bei diesen Worten! Ich wollte persönlich dafür sorgen, dass dem Drahtzieher das Handwerk gelegt wird! Und niemand würde mich daran hindern, leider hatte ich nicht mit der zusätzlichen Übermacht der Bruderschaften und des britischen und kolonialen Ritus gerechnet. In diesem Falle waren sich alle Seiten mehr als einig, dass man anders an diese Sache gehen sollte. ICH wollte Rache, SIE wollten, dass dieser Zweig endlich die Füße still hält.
Könnte man nicht beides verbinden?, fragte ich mich im Stillen. Das könntest du, doch hier geht es um mehr und es könnte ein Krieg daraus resultieren! Du solltest das im Hinterkopf haben, in deiner Zeit mag es sich anders verhalten, hier aber könnte es schwerwiegende Folgen für die unbeteiligte Bevölkerung nach sich ziehen! Hörte ich Haytham in meinem Kopf! Wie ich sie gerade hasste diese dämlichen Belehrungen! Was hatten sie mir gebracht? NICHTS! Im Gegenteil... für den Rest meines Lebens war ich gezeichnet und musste mit diesen Erinnerungen in meinem Kopf leben! Wer dachte daran? NIEMAND! Das ist egoistisch gedacht, Alex. Bitte... wir finden einen Weg und verlass dich auf unsere Erfahrungen, auch wenn es dir schwer fällt! Ich atmete tief durch und versuchte meinen Zorn unter Kontrolle zu bringen!
Es war Edward, welcher mich aus diesen Gedanken riss und meine Aufmerksamkeit wollte. Sybill setzte meinen Sohn auf meinen Schoß, welcher sich gleich an mich schmiegte. Seit der Entführung hatte er Schwierigkeiten damit, wenn ich nicht im Raum war, oder er mich aus den Augen verloren hatte. Oft schrie unser Sohn in der Nacht und ich konnte ihn kaum beruhigen, meist ging es nur, wenn ich im Geiste mit ihm sprach. So auch jetzt, er war wieder ungewöhnlich unruhig und ich überlegte, ob es eine gute Idee war, übermorgen zum Geburtstag von Cillian zu den Cormacs zu fahren. „Mama...“ schniefte mein Sohn an meiner Brust und klammerte seine kleinen Ärmchen an mich. „Edward, ich bin doch da. Hab keine Angst, niemand tut dir mehr etwas!“ sprach ich leise und wiegte ihn langsam hin und her und wie aus Gewohnheit fing ich an leise zu singen.
In diesen Momenten nahm ich selber eigentlich nichts mehr wahr, ich war für meinen Sohn da, genauso wie ich es bei Yannick immer war. Prioritäten und davon lasse ich mich auch nicht abbringen, durch nichts und niemanden! „Alex...“ zupfte es jetzt an meinem Ärmel und ich sah in Jennys erstauntes Gesicht! „Was ist das für ein seltsames Leuchten um dich herum... und sieh, es erscheinen Symbole auf der Haut!“
Ich konnte meine Schwägerin nur anlächeln, ich wusste von diesen Momenten! Genau damit brachte ich Edward zur Ruhe und nicht nur ihn, wir spürten beide, dass wir bald einen weiteren Schritt in die Zukunft tun würden. Doch noch war es nicht soweit. Die Zeichen, sprichwörtlich, waren aber schon vorhanden. Haytham hatte es vor einiger Zeit auch schon bemerkt und ich war gespannt, was mir noch offenbart werden würde, was unseren kleinen Schatz erwarten würde! Doch in diesem Moment hieß es, ihn zu beruhigen und ihm zu zeigen, dass er keine Angst zu haben brauchte! Als ich auf dieses kleine Wesen in meinen Armen sah, welches jetzt am Daumen nuckelnd tief schlief, konnte ich mir nicht vorstellen, wie seine Zukunft einmal aussehen würde! Sybill nahm mir wortlos Edward ab und lächelte mich an, dann ging sie hinaus und ich brach in Tränen aus! WAS würde auf meinen Sohn noch warten? Welche Aufgaben würde er haben?
Die Herren Pritchard und Bradshaw verabschiedeten sich etwas verlegen mit den Worten, sie wünschten mir weiterhin gute Genesung und dass bald alles wieder seinen gewohnten Gang nehmen würde. Das war ein Wink mit dem Leuchtturm, wenn ihr mich fragt, doch ich wusste um die Wichtigkeit der Geschäfte und dem ganzen Imperium drum herum mittlerweile. Für einen Moment saß ich mit Haytham und Jenny im Salon, ohne ein Wort zu sagen. Leider hatte ich dem Portwein heute zu sehr zugesprochen und ich merkte jetzt, dass ich genug hatte. Ich entschuldigte mich und ging hinauf in unser Zimmer, um mich frisch zu machen und einfach noch einen Moment zu schlafen. Wenn ich ehrlich bin, war ich in den letzten Tage des öfteren gerne für mich und genoss es, alleine mit meinen Gedanken zu sein. Nicht immer, doch gerade jetzt war es wieder von Nöten. Ich nahm mein Tagebuch zur Hand und fing an, zu schreiben.
Immer wieder versicherte ich in meinen Zeilen, es gäbe keinen Grund für Yannick eine Reise anzutreten und wir hätten hier alles im Griff. Großmutter, dir geht es nicht gut, lass mich dir helfen! Hörte ich meinen Enkel plötzlich in meinem Kopf. Nein, das ist nicht richtig und auch nicht gut, wenn ihr uns wieder besuchen kommt. Du weißt das. Wir sehen uns irgendwann wieder, da bin ich mir sicher. Und glaub mir, Alex, mir geht es schon besser! Versuchte ich ihn zu beruhigen. Für einen kurzen Augenblick hatte ich gesehen, dass er auf unserem Balkon mit seinen Eltern saß und ich wusste, ihm ginge es gut. Das reichte mir vollkommen.
„Mi sol, das Abendessen ist fertig.“ hörte ich die leise Stimme meines Mannes an meinem Ohr und schrak hoch. „Bei Odin, habe ich solange geschlafen?“ und ich realisierte, dass die Sonne schon sehr tief stand! In mir tobte ein schlechtes Gewissen ohne Gleichen, ich sollte aufhören, dem Alkohol zu frönen! Auch Haytham hatte den gleichen Gedanken „Lass einfach das Trinken sein, mi sol. Bitte, es tut dir nicht gut und auch nicht unserem Sohn.“ und er nahm mich in seine Arme. „Das weiß ich, Haytham, doch ich musste meinen Geist beruhigen und … es tut mir leid. Irgendwie mache ich gerade alles falsch!“ Ich spürte sein Kopfschütteln und sah zu ihm auf. „Du machst nichts falsch, Alex. Wir wollen dich einfach wieder haben, und zwar GANZ! So benebelt ist es mitunter sehr unheimlich mit dir!“ mehr als „Ich weiß... für heute ist es wohl genug! “ brachte ich nicht heraus und lehnte mich an seine Brust.
Beim Essen besprachen wir, dass wir dann doch zu Cillians Geburtstag übermorgen gehen würden. Es wäre für mich eine willkommene Abwechslung und auch für Edward war es wichtig, dass er wieder mit anderen Kindern zusammen spielen konnte! Das würde ihn ablenken und wenn wir ehrlich sind, es tut jedem Menschen gut, wenn er Freunde um sich hat. Als mein kleiner Schatz dann frisch gewickelt und satt in seinem Bettchen lag, gab ich ihm noch einen langen Gute Nacht Kuss. Die Arme von Haytham schlangen sich um mich und er sah ebenfalls auf seinen Sohn herunter. „Er hat noch viel vor sich, mi sol.“ Da waren wir uns immer wieder einig! Langsam drehte ich mich um und nahm meinen Mann in die Arme. „Ich hoffe, wir können dem Ganzen gerecht werden und unserem Sohn zur Seite stehen!“ meinte ich leise an seine Brust gelehnt. „Wir sind nicht alleine, wir haben Unterstützung, vergiss das nicht!“ lächelte er mich an. Die Götter... wir waren nicht auf uns alleine gestellt, das war uns beiden bewusst und ich schöpfte daraus meine Kraft und mein Durchhaltevermögen. Im Grunde tat ich es schon immer, aber völlig unwissend, wenn ich jetzt darüber nachdachte.
Meinen Namen hast du oft genutzt, aber nie missbraucht, mein Kind! Ich war immer an deiner Seite und ich werde mit allen anderen auch weiterhin über euch wachen. Alles werde ich nicht abwenden können, doch werden wir euch vor großem Übel beschützen können! Es gibt noch mehr zu lernen und zu entdecken, noch mehr Beschützer, welche nicht dir direkt zur Seite stehen. Deine Schwester wird dich beizeiten aufklären! Sprach Elias in meinem Geiste plötzlich. Immer diese kryptische Sätze, kann man mir nicht sagen, was genau mich erwarten wird? Doch ich war zu müde, um mir darüber auch noch Gedanken zu machen!
Irgendwann lag ich neben Haytham und starrte hinauf zum Baldachin des Bettes. „Haytham, willst du mich noch?“ fragte ich leise und hatte im Grunde wahnsinnige Angst vor einer Antwort. Verschlafen kam eine Gegenfrage. „Warum sollte ich dich nicht mehr wollen, mi sol?“ konnte er nicht einfach antworten? Ich seufzte und rutschte zum Kopfende hoch, nahm mir mein Herz und teilte ihm meine Gedanken mit. „Ich weiß nicht, aber du weißt ja, dass diese anderen Männer... was sie gemacht haben? Wie kannst du mich da noch haben wollen?“ mein Blick heftete sich auf die Bettdecke, welche ein spannendes Muster hatte. „Alex, du meinst... ich verstehe!“ jetzt war es an ihm tief zu seufzen und mein Mann schob sich ebenfalls hoch und wollte schon seinen Arm um meine Schultern legen. Doch ich versteifte mich sofort, diese Berührung an dieser Stelle beschwor die Bilder wieder in mir herauf - Hände die mich an den Schultern auf die Knie drücken!
Nun lehnte er sich nur etwas an mich und atmete ein paar Mal tief durch. „Es fällt mir schwer, ehrlich gesagt. Dieser Gedanke, was diese ganzen Männer dir angetan haben, ist unerträglich. DU kannst aber nichts dafür und bist nicht Schuld, vergiss das nicht, Alex! Aber ja, ich will dich immer noch, das wird sich auch nie ändern, du bist meine Frau, die Mutter meines Kindes und ich liebe dich! Du weißt doch, wir sind eine Einheit und zeigen es dem Rest der Welt! Das waren deine Worte damals, weißt du noch?“ Ja, ich konnte mich daran erinnern, kurz bevor wir in die Kirche zu Faiths und Shays Hochzeit gingen, hatte ich das gesagt. „Ich weiß es noch, doch... ich fühle mich irgendwie... schmutzig, unrein könnte man auch sagen. Und deswegen weiß ich nicht, ob du so etwas wirklich noch haben wollen würdest.“ nuschelte ich jetzt leise vor mich hin und wurde puterrot im Gesicht.
„Dieses Gefühl wird wohl auch noch eine Weile bleiben, doch ich werde alles in meiner Macht stehende tun, dir aus diesem Strudel von negativen Gedanken und Bildern zu helfen. Ich gab dir mein Wort, mi sol.“ seine Hand tastete nach meiner, welche verkrampft die Bettdecke hielt und zog sie an seinen Mund. Sanft legten sich seine Lippen auf meine Finger und ich sah in seine warmen grauen Augen. „Ich liebe dich, Alex!“ In meinem Kopf legte sich plötzlich ein Schalter um, wie damals im Fort George. Ich wollte seine Nähe, wollte in seinen Armen sein und schlang meinen Arm und mein Bein um seinen Körper. „Lass mich nicht alleine, Haytham. Versprich es mir!“ ein Kuss auf meinen Kopf und ein ersticktes „Ich verspreche es dir. Du wirst mich nie wieder los, mi sol!“ ließ mich beruhigt einschlafen.
… vorsichtig schlug ich die Augen auf und sah erstaunt zu meinem Mann. Es war die erste Nacht OHNE Albtraum, OHNE schlafwandeln. Ich hatte wirklich geschlafen und fühlte mich ausgeruht, wie schon lange nicht mehr. „Guten morgen, mi sol!“ lächelte Haytham mich an und vorsichtig, als zerbräche er sonst etwas, nahm er mich in seine Arme. Wie automatisch schmiegte ich mich an seinen warmen Körper und genoss die Berührungen zum ersten Male wieder. Ich nahm diesen Lavendel und Seife Duft wieder wahr und plötzlich fühlte ich mich sicher, mein Verstand sagte mir ganz laut „Diesem Mann kannst du vertrauen, seinen Worten Glauben schenken und seine Berührungen wollen dir nur Gutes tun!“ Ich seufzte tief. „Guten Morgen, mi amor.“ sagte ich dann leise und gab ihm einen langen Kuss. Ich spürte aber, dass ich noch nicht zu mehr bereit war, auch Haytham hielt sich zurück, erwiderte aber meine Liebkosung.
Aus diesem ruhigen Moment wurden wir geholt, als unser Sohn sich lautstark bemerkbar machte! Auch er hatte die Nacht ruhig geschlafen, was mich freute, ich konnte es nicht ertragen, dass mein kleiner Schatz solche Ängste ausstehen musste. Vorsichtig nahm ich ihn hoch und aus seinem Bett, nach einer neuen Windel, lag Edward dann zwischen uns. Seine leuchtenden blaugrauen Augen sahen erwartungsvoll von einem zum anderen und Haytham nahm ihn dann auf seinen Schoß. „Guten morgen, Master Edward. Wie ich sehe, bist du auch schon putzmunter und wartest auf dein Frühstück?“ grinste er seinen Sohn an. Dieser quittierte die Frage mit freudigem „daaaaaaaaaa“ und ließ sich nach vorne fallen auf die Brust seines Vaters. Sein kleines rundes Gesicht war mir zugewandt und er lächelte mich an. Ich fuhr ihm über seine dunklen Haare „Wir fahren heute zu Tante Faith und Onkel Shay! Da gibt es nachher dann mal wieder ganz viel Kuchen und Torte für dich, min lille skat. July, Cadan und Cillian sind auch da.“
Und dann fiel mir ein, dass wir überhaupt kein Geschenk hatten! Ich hatte es bei dem ganzen Theater völlig vergessen! „Du meine Güte, Haytham! Das Geschenk für Cillian...“ Weiter kam ich aber nicht! „Keine Sorge, ich habe einen Diener beauftragt in den letzten Tagen, eine Kleinigkeit zu besorgen. Keine Angst, wir kommen dort nicht mit leeren Händen an, mi sol.“ sprach er leise und lächelte mich beruhigend an. „Danke, dass du daran gedacht hast!“ und gab ihm einen langen Dankeskuss. „bäääääääähhhhh“ und wieder hatten wir Edwards Händchen zwischen uns, da mochte wohl jemand keine küssenden Eltern sehen. Doch Haytham und ich konnten nur leise kichern, Edwards Blick war mit zitternden Lippen auf seinen Vater gerichtet! „Deine Mutter gehört auch mir, Edward. Ich habe sie nämlich auch lieb, genau wie du!“ damit bekam nun auch klein Kenway einen Kuss von seinem Vater! Ein zögerliches Klopfen mit Magdas Worten, das Frühstück sei fertig, sagte uns, wir sollten aufstehen.
Unten im Esszimmer saß bereits Jenny und las in einer Zeitung. Neben ihr lagen einige Briefe, die sie aber nicht zu beachten schien. „Guten Morgen, Bruder. Alex du siehst viel rosiger im Gesicht heute aus. Hast du diese Nacht endlich einmal durchschlafen können?“ fragte sie mich freudig. „Ja, das war eine Wohltat und auch Edward war ruhig!“ Wie aufs Stichwort fing er an, auf meinem Arm herum zu zappeln und streckte die Ärmchen nach Jenny aus. „NINININI!“ Also überließ ich meiner Schwägerin ihren Neffen und wir setzten uns ebenfalls. Anscheinend war auch mein Appetit zurück gekehrt und ich genoss den Kaffee, die Eier mit dem warmen gebutterten Toast. „Alex, du kannst ruhig langsam essen, ich klaue dir nichts vom Teller!“ lachte mein Mann und sah mich mit großen Augen an. Mit vollem Mund meinte ich „Iff haff awer Hunger!“ und kicherte dabei undamenhaft. Ein Grinsen und schüttelnder Kopf mit tadelnden grauen Augen war alles, was ich als Antwort bekam.
Bis zum Nachmittag hätten wir noch Zeit, doch als ich die Post durchsah, waren zwei Briefe an mich adressiert und ich verdrehte die Augen. Ich konnte mich leider nicht länger vor meinen geschäftlichen Verpflichtungen drücken. Mit der Korrespondenz hatte ich mich in Edward Seniors ehemaligem Arbeitszimmer zurückgezogen. Der erste Brief war von einem holländischen Händler, welchen mir Mr. Pritchard bereits auf dem Empfang vorgestellt hatte. Dieser hatte nun durch eine Erbschaft sehr seltenen Schmuck erhalten und fragte an, ob ich einmal einen Blick darauf werfen könne, da ich mich mit derlei Dingen auskennen würde. Nunja, ich hatte noch nicht ganz so viel Ahnung davon, aber ich würde es versuchen. Als ich weiter las, erwähnte er, dass eine Art Anhänger auch darunter sei, mit seltsamen Schriftzeichen darauf. Aber es wäre kein Metall, es sei dafür zu leicht. „Mistress Kenway, ich wäre erfreut, wenn wir uns bei eurem Besuch auf dem Festland dann einmal sehen könnten. Und wie es der Zufall will, habe ich auch einige Zeit in Frankreich zu tun. Wenn es eure Zeit dort erlaubt, würde ich euch gerne einen unverbindlichen Besuch abstatten.“ das übliche Geplänkel folgte und ich setzte an, zu antworten.
Ich wusste noch nicht genau, WANN wir in Frankreich sein würden. Und wieder plagten mich Gewissensbisse! Faith gegenüber, Haytham und unserem Sohn gegenüber, aber ich hatte Bedenken noch länger hier zu bleiben. Ich wäre gerne wieder zuhause in Virginia und hätte liebend gerne meinen Alltag dort zurück! Ja, ich weiß... Verpflichtungen! Meine Antwort fiel entsprechend ungenau aus und ich bat ihn um Verständnis, außerdem würde ich mich dann melden, wenn wir in Frankreich seien. Sein Name war Jon de Gooijer und wenn ich mich recht erinnerte ungefähr 45 Jahre alt, locker einen Kopf größer als ich, mit hellen blonden schulterlangen Haaren. Und er war verheiratet!
Konnte es wirklich sein, dass dieser Niederländer ein Amulett im Besitz hatte, ähnlich wie Haythams? Wenn ja, dann musste ich mir wirklich diese Erbstücke genauer ansehen und vor allem wollte ich wissen, WER sie ihm hinterlassen hat. Dann könnten wir ein paar Leute nach den Namen forschen lassen! So langsam wurde meine Neugierde wieder geweckt und ich spürte, wie mir diese Abwechslung ebenso gut tat.
Der zweite Brief war weniger spektakulär, er war von Mrs. Forbes, der Tochter von Mr. Pritchard! Sie versuchte entschuldigende Worte zu finden, für das Verbrechen, was am Abend des Empfangs begangen wurde. Elizabeth bot mir ihre Hilfe an, meinte dass ich jederzeit auf sie zählen könne und, das war die größte Neuigkeit, der Duke of Wilshire habe die Verlobung auch gleich wieder gelöst. Laut Mrs. Forbes´ Aussage, hat er sich für eine andere Dame mittleren Alters aus der Ecke um Manchester entschieden. „Mistress Kenway, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich eigentlich bin. Ich war von diesem Duke nicht wirklich begeistert, doch mein Mann bestand auf diese Verbindung! Wie ihr sicherlich wisst, tat mein Gatte es nicht ganz uneigennützig. Wir werden jetzt andere Wege suchen, um alles wieder zu bereinigen.“ Warum ich selber so erleichtert war, kann ich gar nicht sagen. Ich freute mich für Hannah und wünschte ihr, dass sie bald einen Mann findet, den sie auch wirklich liebt! Niemandem sollte eine Ehe aufgezwungen werden!
Auch Mrs. Forbes schrieb ich eine Antwort und bedankte mich für ihr Angebot, welches ich sicherlich bei gegebener Zeit einmal in Anspruch nehmen würde. Als ich dann wieder hinunter ging, hörte ich schon von der hinteren Terrasse meinen Sohn quietschen. Dem kleinen Mann schien es auch wieder besser zu gehen, was mich beruhigte und mich weiter positiv in die Zukunft schauen ließ. Draußen erwartete mich ein völlig gelöster Haytham, welcher mit seinem Sohn spielte. Er hielt ihn hoch, wie selbstverständlich breitete Edward seine Arme aus und gluckste dabei. Ein wenig Angst hatte ich schon, dieses in die Luft werfen, sieht schon nicht ungefährlich aus, aber ich vertraute meinem Mann. „Alex, er ist wie ausgewechselt. Ich weiß ich wiederhole mich, aber es ist ein so schöner Anblick. Ich sehe meinen Vater vor mir, wie er mit Haytham ebenso gespielt hat! Wenn auch nicht sehr oft aus Zeitmangel!“ ich sah Jenny lächelnd an. „Ich kann mir das ehrlich gesagt gar nicht so vorstellen. Du hast mir übrigens nie erzählt, wie es war, als du auf der Jackdaw mit eurem Vater nach England zurück gesegelt bist.“ ich war einfach neugierig, weil sie mit ihren 8 Jahren damals dieses Abenteuer eingegangen war und es muss doch eine spannende Zeit gewesen sein.
„Es war unglaublich! Schon auf dem Hinweg ging es turbulent zu und die Stürme stellenweise waren schon nicht ohne, das kann ich dir sagen! Meine Gouvernante hatte dann immer mit der Seekrankheit zu tun und ich konnte einfach machen was ich wollte. Die Mannschaft hat mir dann oft gezeigt, wie man die Segel refft, wie die ganzen Bezeichnungen sind und so weiter. Es war wirklich spannend und die Zeit verging für mich wie im Fluge.“ ihre Gedanken gingen wieder in diese Zeit zurück und auf ihrem Gesicht erschien ein seliges Lächeln. „Und dann warst du auf einmal auf Great Inagua! Ich war nervös, ich wusste überhaupt nicht, was ich machen sollte. Anne hatte mich aber immer wieder aufgemuntert und gesagt, dass ich das schon hinbekomme als Vater! Habe ich das, Jenny?“ fragte Edward Senior jetzt etwas kleinlaut und stand plötzlich an unserem Tisch. „Du hast es hinbekommen, Vater. Auch wenn du ein wenig mehr Übung hättest gebrauchen können!“ grinste sie ihn jetzt frech an, früher hätte sie sich das nicht erlauben dürfen. „Ich glaube auch, Jenny. Aber vielleicht kann ich ja jetzt noch etwas üben.“ und er sah zu seinem Enkel hinüber, über sein Gesicht huschte ein dunkler Schatten, aber nur kurz und wich dann wieder seinem üblichen spitzbübischen Grinsen.
Haytham bemerkte seinen Vater jetzt und kam langsam mit unserem Sohn auf die Terrasse, dieser sah mit großen Augen zu seinem Großvater. Plötzlich trat ein breites Grinsen in sein kleines Gesicht und er reckte die Ärmchen in die Richtung des Piraten. Es war einfach ein unglaublich schönes Bild mal wieder und mir fiel ein, dass doch noch dieses Familienportrait in Auftrag gegeben werden sollte. „Mi amor, unser Bild wird mehr Platz benötigen habe ich gerade beschlossen!“ Sie sahen mich alle verständnislos an, doch dann dämmerte es meinem Ehemann. „Das Portrait! Ich hatte es völlig vergessen! Du hast Recht! Wir sollten ALLE darauf sein!“ sein Blick glitt zu seinem Vater, welcher ihn mit offenem Mund anstarrte. „Ihr meint... Tessa und ich sollen auch... Aber...“ ich ließ meinen Piraten nicht ausreden. „Edward, es soll ein Familienbild sein, dazu gehörst du, Tessa und Jenny natürlich! Und ich würde mich freuen.“ meine Stimme versagte, ich schluckte meine Tränen herunter. „Ich freue mich darauf es dann bewundern zu können!“ hörte ich Haythams Mutter leise neben Edward Senior sagen und sie lächelte in die Runde. Natürlich nahm sie sich ihren Enkel einfach und knuddelte ihn, was dieser mit lautem erfreuten Quietschen quittierte!
Damit war es abgemacht und nun wurde es Zeit, dass wir zu Mittag aßen. Mein Sohn sollte wenigstens noch ein wenig schlafen, bevor wir zu den Cormacs aufbrachen. Ich hielt mich beim Essen zurück, ich wollte nachher wenigstens noch Torte essen können und ich wusste, dass es auch noch Abendessen geben würde. Mein kleiner Schatz hatte sich den Bauch vollgeschlagen mit dem Gemüse, was mich freute. Nun lag er in seinem Bett und gähnte herzhaft, als ich ihm vorsang. Kurz darauf schlief er tief und fest und ich ging leise hinaus und winkte Mrs. Wallace. „Er soll nicht ganz so lange schlafen, doch wenigsten eineinhalb Stunden, damit er nicht so quengelig ist später. Wenn etwas ist, ich bin unten im Garten, Sybill.“ meinte ich leise und ging dann.
Aus dem Salon hörte ich Männerstimmen und als ich eintrat erhoben sich die Herren. Unsere Besucher kannte ich nicht, doch Haytham stellte sie mir vor. Mr. Heatherwood und Mr. Thrift waren ebenfalls Templer und sollten ab jetzt zu unserem Schutz, mit 6 weiteren kampferprobten Brüdern, hier eingestellt werden. „Alexandra, ich muss einfach sichergehen können, dass euch nichts passieren kann in Zukunft. Diese Herren werden uns dann auch in die Kolonien begleiten und weiterhin als Wachen fungieren! Außerdem werden wir das Haupthaus entsprechend erweitern, damit sie rund um die Uhr zur Verfügung stehen können in unserer Nähe!“ erklärte mir mein Mann und ich war ihm dankbar für diese Entscheidung. „Mistress Kenway, ich hoffe, so ein Vorfall wie bei den Pritchards wiederholt sich nicht noch einmal. Seid versichert, dass wir so etwas zu verhindern wissen!“ kam es mit einer tiefen Verbeugung von Mr. Heatherwood. „Ich bin ehrlich gesagt, sehr froh, wenn wir diesen Schutz bekommen, Mr. Heatherwood.“ Also war das abgemacht und die beiden Beschützer verabschiedeten sich, jedoch nur kurz, sie würden nun die anderen Brüder informieren und die Wachpläne besprechen. Wenn wir zu den Cormacs nachher aufbrechen, werden sie uns das erste Mal begleiten und immer in unserer Nähe bleiben.
Wie sollte ich das aber Faith erklären? Darüber würde ich mir dann Gedanken machen, wenn wir dort eintrafen. Eine Stunde später waren die Herren dann wieder da und sie teilten sich entsprechend auf. 4 Männer blieben hier und die anderen begleiteten uns dann heute. Im Kopf musste ich gerade an diese Bodyguards denken, welche Prominente immer beschützten, so ähnlich war es nun auch bei uns. Ein sehr eigenartiger Gedanke! Gegen halb drei weckte ich unseren Sohn, welcher ziemlich knatschig war, weil er vermutlich gerade einen schönen Traum hatte. „Schätzchen, du kannst gleich auch noch ein wenig schlummern. Aber sonst kommen wir zu spät zu Tante Faith und du musst wissen, man sollte immer pünktlich sein.“ lächelte ich ihn an und er gähnte mich dafür mal wieder an. Soviel zum Thema Aufmerksamkeit, typisch Mann, auch wenn sie noch so klein sind. Er bekam einen seiner neuen Anzüge an und auch ich ließ mich von Magda in eines meiner neuen Kleider packen.
Unten wartete dann schon Mrs. Wallace in freudiger Erwartung, mal wieder etwas anderes zu sehen und übernahm ihren Schützling. „Alex, du siehst fantastisch aus!“ kam es leise von meinem Mann mit einem anerkennenden Blick und ich drückte seine Hand. „Danke!“ Die Kutsche war bereits vorgefahren und so ging es Richtung Williams-Anwesen. Die vier Wachen ritten mit uns, zwei vor und zwei hinter der Kutsche. Angekommen, wurden wir von dem Butler, Mr. Hill, in den unteren Salon gebracht, wo Shay schon wartete.
Er begrüßte mich vorsichtig mit Handkuss und ich nahm seine Unsicherheit wahr. „Ich freue mich, dass ihr kommen konntet. Master Kenway.“ die beiden schüttelten sich die Hände und auch Edward wurde begrüßt, doch er war dem Iren gegenüber etwas skeptisch und klammerte sich an Sybill. Kurz darauf erschien auch Faith und ich sah, dass sie leicht humpelte. Was war passiert? Vermutlich würde sie es mir später noch erzählen, bis dahin musste ich meine Neugierde mal wieder zügeln. Auch sie begrüßte uns erfreut und nahm mich kurzerhand in den Arm, doch für einen Augenblick stand ich wie versteinert da. Es war unangenehm, warum auch immer, vor ihr bräuchte ich ja keine Angst haben! Langsam entspannte ich mich wieder und erwiderte die Umarmung, wenn auch nicht ganz so herzlich wie sonst.
Dann erklärte ich die Anwesenheit der vier Herren, welche sich im Hintergrund gehalten hatten. Shay meinte lediglich, dass das kein Problem sei und es ja nur um die Sicherheit ginge, auch wenn sie hier nicht unbedingt nötig sei. Für ihn nicht, aber für mich war es wichtig. Gerade als wir hinausgehen wollten, knickte Faith mit dem linken Fuß um und fluchte laut. „Machst du dir das jetzt zur Gewohnheit, Prinzessin?“ lachte der Ire und erntete eine herausgestreckte Zunge. Neben mir schüttelte Haytham leicht entrüstet den Kopf! Doch ich musste lachen, sie war halt so. „Nein lauf du mal in diesen Absätzen“ fauchte meine Schwester schnippisch und da machte ich den praktischen Vorschlag, die Schuhe einfach auszuziehen und als hätte sie nur auf diese Erlaubnis gewartet, schnippte sie sich diese von den Füßen und stieß ihr Schuhwerk in eine Ecke. Es gehörte sich nicht und dass ließ mein Mann nun auch Faith wissen, doch es war ihr egal und mir wäre es auch egal. Die Herren machten sich ja kein Bild davon, wie man sich in diesen Hacken fühlt!
Als wir dann Richtung Terrasse geführt wurden, kamen wir durch den Wintergarten, in welchem alles voll mit Palmen und vielen exotischen Pflanzen war. Staunend stand ich einen Moment da und sah mich um, auch Mrs. Wallace sah mit großen Augen in die Runde. Haytham kannte es ja schon und war eher nicht so beeindruckt, oder er zügelte mal wieder seine Emotionen. Für einen Moment fühlte ich mich wie auf Great Inagua. Wie genau das möglich war, konnte Faith auch nicht erklären, sie meinte lediglich, dass es mit warmen Metallrohren im Boden gemacht würde. Eine Fußbodenheizung? Sehr modern, wenn ihr mich fragt, aber nützlich! Dann traten wir hinaus und uns kamen die drei Kinder und Master Williams entgegen. Die Jungs hatten tatsächlich Templermonturen, ähnlich wie die von Shay, an und Julys Aufzug war dem von Faith angeglichen! Das sah einfach niedlich aus und mir fiel ein, dass wir beizeiten auch für unseren Sohn an so etwas denken müssen. Cadan jedoch ging nicht weiter, sondern setzte sich vor den Teich im Wintergarten und schloss selig die Augen, so als wolle er meditieren. Besorgt ging meine Schwester zu ihrem Sohn hinüber und wir setzten uns derweil an den Tisch draußen. Shay erklärte, dass es Cadan heute wohl nicht so gut ginge. Kurz darauf kam auch meine Schwester wieder hinaus und gesellte sich zu uns.
Der Tee tat gut und ich genoss für einen Moment diese Ruhe, welche meinen Geist ebenso wieder herunterfuhr. Wir würden bald zum Festland aufbrechen, spätestens jedoch wenn ich Nachricht aus Russland hatte! Für einen kurzen Augenblick überkam mich wieder diese Wut auf diese Männer, die sich einfach nicht beherrschen konnten! So etwas würde mir nicht noch einmal passieren, schwor ich mir und ich würde dem Ganzen einen Riegel davor schieben. Plötzlich spürte ich Faith in meinem Geist, welche sich vorsichtig herantastete. Sie fragte mich, wie es mir ginge. Im Grunde ging es mir gut, zumindest körperlich, gerade nach dieser ersten erholsamen Nacht nach Wochen! Nur mein Kopf war nicht frei und das war für mich ein großes Problem. „Es wird schon, glaub mir mein preußisches Weib. Wie wäre es, ich zeige dir ein wenig das Haus, bis die Kinder wieder hier sind. Edward sieht sich gerade mit Mrs. Wallace auf der Terrasse um und die Herren reden eh über das übliche, also komm“ ich sah zu meinem Ehemann und erhob mich dann. „Faith möchte mir ein wenig das Haus zeigen! Wir sind gleich wieder da, mi amor!“ meinte ich still und er nickte lächelnd.
Edward war mit seinem Kindermädchen in den Garten gegangen und das könnte durchaus noch dauern. Eine der Wachen war bei Edward und Sybill, eine andere folgte uns dann aber, was meine Schwester wohl nicht ganz so gut fand. Doch ich brauchte diesen Gedanken, dass ich beschützt wurde! Zuerst führte mich Faith in den Ballsaal, welcher sehr beeindruckend war und ich mal wieder an diese alten Filme denken musste, in welchen große Bälle veranstaltet wurden! Meine Schottin riss mich aus meinem Gedanken. „Nächsten Monat findet der Sommerball statt, es würde mich freuen wenn du und Haytham kommen würdet. Es ist ein Kostümball mit dem Thema La belle au bois dormant. Kennst du das Märchen?“ mein Französisch ist schon ziemlich eingerostet, aber es musste was mit schlafen zu tun haben und schön. Nun erzählte sie mir das Märchen und was soll ich sagen, es war Dornröschen, doch in einer etwas anderen Form, als ich es kannte. Hier war nicht nach der Hochzeit Schluss, sondern ging noch mit Kindern, Enkeln und und und weiter. Ich wusste ja, dass im 21. Jahrhundert gerne die Grimms-Märchen umgeschrieben wurden, weil man befürchtete, die armen Kinder würden Schaden nehmen, bei diesen von Gewalt strotzenden Geschichten. Lächerlich, wenn ihr mich fragt.
Wir waren jetzt mit dem unteren Teil fertig, dachte ich zumindest, doch einen Raum hatte sie mir noch nicht gezeigt. Es war eine, wie sie meinte, kleine Bibliothek. Gut, dann möchte ich wissen, wie dann eine große aussehen würde hier! Doch ich war mal wieder in meinem persönlichen Paradies und ich hätte mich hier gerne mit einem guten Wein einfach eingeschlossen. Seit der Vergewaltigung hatte ich noch mehr diesen Wunsch zu lesen, es brachte meinen Kopf auf andere Gedanken und es half mir bei der Verarbeitung der Szenen! „Nichts da, es gibt gleich den Kuchen und leider reicht die Zeit nicht für alle Räume, aber ich werde dir noch einen zeigen. Den Rest dann später“ meinte sie lachend und schnappte sich eines der Bücher. Sie drückte es mir in die Hand mit den Worten, dass es das Märchen enthielt und noch ein paar andere. Dann hätte ich ja etwas für Edward zum Vorlesen, mal nichts was mit Pferden zu tun hat und endlich Abwechslung in seine Vorlieben brachte. So hoffte ich grinsend, er war wie sein Vater. Nicht stur, aber wenn er etwas liebte, dann richtig und innig, doch ich schweife wieder ab.
Nun gingen wir hinunter, von Faith wusste ich, dass sich hier das römische Bad befand in welchem sie auch Cadan zur Welt gebracht hatte. Doch ich fühlte mich neuerdings nicht mehr wohl, wenn es um solche Kellergeschosse ging. Die Wache hinter uns aber beruhigte mich ein bisschen und ich folgte meiner Schwester. Dann schloss sie die Tür auf und ich sah nur einen dunklen Raum. Als sie mich nun bat, die Augen zu schließen, verlangte sie doch etwas sehr viel von mir! Mein Mantra setzte ein, dass ich keine Angst zu haben brauchte, sie würde mir nichts tun und ich hatte eine Wache dabei. Langsam schloss ich nun meine Augen und wartete. Es dauerte auch nicht lange, bis ich sie wieder öffnen durfte und ich staunte nicht schlecht. Die Beschreibung war ja schon beeindruckend gewesen, doch dieses riesige Bad mit eigenen Augen zu sehen, brachte einen Wow-Effekt mit sich. An den Wänden war es umringt mit Marmorsäulen und das riesige Becken schien irgendwie beleuchtet zu sein, auch wenn es nur von den Fackeln an den Wänden kam.
Es war angenehm warm hier, wenn auch etwas feucht durch das Wasser. Als ich jedoch dieses leise Geplätscher hörte, überkam mich eine Gänsehaut und ich hatte kurzzeitig wieder die Bilder der Zelle vor meinem inneren Auge! Faith trat auf mich zu und hauchte mir ins Ohr „Gerne würde ich mit dir das Bad jetzt nutzen, mein Preußisches Weib, aber wir müssen wieder hoch“ es tat mir schrecklich leid, doch sie hatte einen mehr als unpassenden Moment für diese Bemerkung erwischt und ich, ich mag es nicht sagen, doch für einen Bruchteil einer Sekunde wurde mir schlecht. Ich vermisste meine Schwester, genau wie ich auch Haytham vermisste, doch ich konnte einfach nicht. Und in meiner Panik durch die Bilder und ihren Worten, drehte ich mich mit den harten Worten „Noch nicht!“ einfach um und eilte hinaus!
Alex... beruhige dich... atme durch... dir tut niemand etwas an! Redete ich mir immer wieder selber ein. Dann hatte Faith mich im Wintergarten eingeholt und meinte leise „Es tut mir Leid Alex, ich wollte dich nicht bedrängen“ das wusste ich ja, Gefühle konnte man nicht immer unter Kontrolle halten. Jedoch konnte ich gerade nicht antworten und winkte nur ab und ging auf die Terrasse. Master Williams war mit den Kindern jetzt auch wieder hier und Mrs. Wallace hatte sich mit Edward zu uns gesetzt. Welcher sich nun über den Kuchen freute und sich damit mal wieder vollstopfte.
Haytham sah mich besorgt an. Alex, was ist passiert? Sein Blick glitt zu meiner Wache, welche unmerklich den Kopf schüttelte. Nichts, es war nur... für einen Moment brachen bei Faith ihre Gefühle durch. Doch ich kann sie nicht erwidern, werde ich das jemals wieder können? Kam es völlig verzweifelt von mir, ich hatte Angst, nie wieder diese Art von Nähe zulassen zu können, auch wenn ich sie mir wünschte. Es wird dauern und du hast alle Zeit der Welt. Ich werde dich nicht drängen, das weißt du und Faith muss sich halt endlich mal lernen zu beherrschen. Hörte ich ihn jetzt ziemlich wütend in meinem Kopf.
Über den Tisch hinweg warf er seiner kleinen Schwester auch gleich einen entsprechenden Blick zu. So wollte ich das doch gar nicht und ich wäre am liebsten heulend in einer Ecke verschwunden. Vermutlich dachte Faith gerade das Gleiche, sie stand mit einer genuschelten Entschuldigung auf und verschwand Richtung Obstgarten. Kurz danach ging Shay ihr nach, mit den Worten, dass er kein gutes Gefühl gerade hätte. Und wieder einmal fragte ich mich, was hier schon wieder los war. Mit einem Male hörten wir ein lautes Krachen und danach völlige Stille. Ich sah zu Lucius welcher mir aber auch keine befriedigende Antwort geben konnte. Lediglich „Manchmal hat sich meine Tochter einfach nicht unter Kontrolle! Das wird sie beizeiten lernen müssen!“ Worauf sprach er an? Ich verstand gerade überhaupt nichts. Ich ermahnte mich mal wieder selber, Geduld zu haben!
Wir unterhielten uns noch über das Training der Kinder, es interessierte mich, wie sie sich so machten. July war stolz, dass sie die größere der drei war und schon, laut ihrer Aussage, viel mehr durfte als ihre kleinen Brüder. Und wieder musste ich grinsen bei ihrer Erzählung, welche sie mit einem solchen Stolz kundtat, was eigentlich sehr niedlich wirkte. Doch sie würde sich später gut durchsetzen können. Cadan und Cillian konterten aber mit dem üblichen, dass Jungs aber viel besser im Kämpfen seien, was mich eine Augenbraue fragend anheben ließ. Zu mehr kamen wir nicht, Shay und Faith erschienen wieder auf der Terrasse und hatten etwas felliges im Arm. Es war ein Hundewelpe, das Geschenk für die Drei von Lion und Lucius. Und weil Cillian heute Geburtstag hatte, durfte er sich den Namen aussuchen.
Doch es kam wie es kommen musste, alle drei hatten irgendwelche Namen im Kopf und auch mein Mann gab einen dazu, welcher von July aber sofort tadelnd abgewiesen wurde. Es sei eine SIE und da würde Zeus wohl nicht passen. Ich musste an den irischen Bluthund denken, welchen mein Pirat damals Thatch getauft hatte und schmunzelte in mich hinein. Nach einigem hin und her und einer bockigen July auf einer Gartenbank, wurde die kleine Hündin auf Artemis getauft! Cillian meinte, Faith hätte eine Geschichte über sie erzählt und er fand den Namen schön. Damit war es abgemacht und Frieden kehrte wieder ein. Das ganze hatte mein Sohn ein wenig verschlafen, er war auf Mrs. Wallace Schoß eingenickt, ihm fehlte eine Stunde seines Mittagsschlafes was sich jetzt bemerkbar machte.
Cillian bekam nun noch die anderen Geschenke, von Faith und Shay bekam er ein Kaleidoskop und voller Staunen sah er hindurch. Ich muss zugeben, diese Dinger übten in dem Alter auf mich auch eine gewisse Faszination aus. Als er unser Geschenk bekam, war ich gespannt WAS es war, ich wusste es ja auch nicht. Es waren lauter aus Holz geschnitzte Tiere, Elefanten, Tiger und Löwen. Und wieder einmal muss ich sagen, waren diese Schnitzarbeiten sehr detailreich und sie sahen fantastisch aus! Die drei Großen eilten in den Wintergarten und bauten auch gleich eine Tierwelt zusammen, nachdem noch die anderen Tiere aus den Zimmern geholt worden waren. Dieser Trubel weckte Edward und er wollte auch sehen, was die anderen Kinder machten, also ging Sybill mit ihm hinterher und auch Maggie hatte sich mit dazu gesetzt. So konnte ich sicher sein, dass die beiden ein Auge auf die Kinder hatten und mein Sohn nicht in den Teich fallen konnte, was meine größte Sorge war. Schwimmen lernen wird er auch noch müssen!, dachte ich plötzlich.
Es war Faith, welche mich wieder aus den Gedanken holte. „Haytham, Alex, es würde mich freuen, wenn ihr am 4. Juli zum Sommerball kommt. Ich schicke euch noch die Einladung und Alexandra es würde mich freuen, wenn du die blaue Fee bist. Wenn du möchtest zeig ich dir dein Kleid.“ mir behagte es nicht, wieder mit ihr alleine zu sein, aber Haytham nickte und drückte meine Hand zu Bestätigung. Also folgte ich ihr in das, wie sie es nannte, Arbeitszimmer ihrer Großmutter. Dort staunte ich nicht schlecht, als ich die bereits fertigen Kleider auf den Puppen sah. Sie waren wunderschön und ähnelten eher Kleidern aus meiner Zeit, doch sicherlich nicht aus dieser Epoche. Meine Schwester erklärte mir, dass Lady Melanie diese Sachen entwarf in ihrer Freizeit, sie mochte es ausgefallen. Dieser Traum aus blauem Tüll und Seide und den Saphiren waren mehr als schön und ich verliebte mich darin. Faith erzählte, dass Lady Melanie ihre und Shays Sachen auch entwarf. „Aber keine Angst, Lady Melanie wird nicht auf dem Ball sein!“ DAS war beruhigend und wir gingen langsam wieder zu den anderen.
Als es Zeit fürs Abendessen war, hatte ich mit den üblichen Dingen, wie Braten oder ähnlichem gerechnet. Stattdessen landeten, ungelogen, Pommes und Hähnchenfleisch auf dem Tisch! Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen, woher meine Schwester wusste, wie man diese von Kindern heiß geliebte Kartoffelspeise machte. Ich hätte mir die Antwort aber eigentlich auch denken können. „Zu euer Hochzeit bin ich mit Melissa auf die Essgewohnheiten der Kinder gekommen und was soll ich sagen, Pommes gehen immer“ sie musste bei dem Satz lachen, so war es auch und ich stimmte mit ein, ich wusste, Edward würde wie sein großer Bruder darüber herfallen. Das taten alle Kinder, IMMER! Und so war es dann auch. Nur Haytham war mehr als skeptisch und ich muss ehrlich gestehen, ich war froh, dass hier nicht der Name „French Fries“ fiel, dann würden das einige Herren am Tisch nicht essen! Der Nachtisch bestand aus Ananas mit Vanillepudding, der Pudding gehörte mir, doch die Frucht rührte ich nicht an. Sie schmeckt toll, aber ich vertrug sie seit der Schwangerschaft mit Yannick nicht mehr, warum auch immer!
„Mi sol, jetzt weiß ich endlich, wonach deine Haare damals immer gerochen haben. Vanille, dieser süße Duft! DAS war es!“ kam es völlig begeistert von Haytham und er strahlte mich an. Ich musste lachen, ich hatte ja keine Ahnung, dass er sich das die ganze Zeit immer gefragt hatte. „Du hättest doch auch einfach fragen können, dann hättest du es schon viel früher erfahren, mi amor!“ und ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. Doch lange konnte ich meinen Mund nicht halten und erzählte, dass wir im 21. Jahrhundert solche Früchte wie Ananas oder Bananen einfach so einkaufen konnten, das ganze Jahr über. Auch erwähnte ich, dass ich so was doch ab und an hier vermisste, aber umgekehrt hatte man so auch etwas, worauf man sich freuen könnte!
Dann war meine Schwester plötzlich weit weg mit ihrem Blick und ich musste grinsen, so sah es also aus, wenn wir unseren Gedanken und Gesprächen nachhingen. Die Kinder hielt es aber jetzt nicht mehr auf den Stühlen und auch Edward wollte sich wieder bewegen, doch er bekam erstmal eine saubere Windel verpasst und dann durfte er noch mit den anderen spielen. Die Kinder bauten an ihrer Tierwelt weiter und wir Erwachsenen saßen auf der Terrasse zusammen und als es fast acht war, wollten wir aufbrechen.
Plötzlich hörten wir einen lauten Schrei von Mrs. Wallace, welche an der Tür zum Wintergarten stand und ich sah auf einen dichten Dschungel. JA, DSCHUNGEL! In mir brach Panik aus, dort drinnen war mein Sohn und kam jetzt nicht heraus, wir aber auch nicht herein und die Wachen ebenso nicht! Zumal sein Kindermädchen auch nicht in seiner Nähe war. „Was ist hier los?“ fuhr ich Faith an und ich sah, wie sie sich wieder in einem leeren Blick verlor! Verdammt, TU WAS!, dachte ich nur!
Man versuchte uns zu beruhigen, sehr witzig, ich war drauf und dran dort rein zumarschieren. Blöderweise hatte Haytham sein Schwert nicht dabei, sonst hätte ich aus dem Gestrüpp Kleinholz gemacht. Und nach einer gefühlten Ewigkeit dann endlich verschwand dieser Dschungel wieder und wir konnten zu unserem Sohn. Doch weit kamen wir nicht, überall schwebten kleine Lichtpunkte, es sah eigentlich fantastisch aus! Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass es kleine Blüten waren und mich überlief eine kalte Gänsehaut!
„Cadan ich glaube es reicht für heute, du hast deinen Freunden genug gezeigt“ sagte Shay jetzt zu seinem Sohn in einem so ruhigem Ton, der mir sehr schwer fallen würde in diesem Moment. „Ja Papa, aber July hat gemeint wir brauchen einen richtigen Dschungel für die Tiere“ kam es erklärend und etwas traurig von ihm. „Das kannst du gerne tun Cadan, nur lass den Eingang frei und frag uns vorher. Du hast uns allen einen Schrecken eingejagt“ und Shay nahm ihn in den Arm. Ich selber war gerade einfach zu aufgebracht um etwas zu sagen, vermutlich war es auch besser so. Es hätte passieren können, dass ich aus der Haut fahre! Man fragte uns, ob wir auf den Schrecken nicht noch etwas trinken wollten, doch ich sah, dass Edward auf Haythams Arm schon fast schlief und ehrlich gesagt, wollte ich auch lieber heim.
Vorher hätte ich jedoch gerne eine Erklärung gehabt, aber meine Schwester ließ mich nicht in ihren Geist, sondern blockte mich ab, danke... echt super!, ging es mir durch den Kopf. Aber schön, dann eben nicht. Der ganze Tag war eh schon etwas seltsam gewesen, vielleicht würde sich ja irgendwann mal jemand erbarmen und uns eine Antwort geben. Und ja, ich wurde wütend in diesem Moment, meine Angst um mein Kind war seit der Entführung gewachsen! Vermutlich verstand das hier aber gerade keiner! Die Wachen entschuldigten sich jetzt auch noch bei mir, ihnen war es nicht möglich gewesen, durch das ganze Grünzeug zu kommen, es war, als wollte man das auch nicht.
Man bat uns, in den nächsten Tagen dann noch einmal vorbei zu kommen, eine Erklärung würde dann folgen. Wozu brauchte man da ein paar Tage? Musste man erst wissenschaftliche Erkenntnisse einholen, oder was? Das ließe sich hier ganz wunderbar JETZT erledigen. In mir kochte weiter Wut hoch und ich konnte sie kaum unter Kontrolle halten! Mi sol, beruhige dich bitte. Du machst mich mit deiner Wut und deinen Gedanken ganz nervös! Ich weiß, du hattest Angst um Edward, ich auch. Aber es ist nichts passiert und unser Sohn hatte sogar leuchtende Augen bei Cadans Spiel. Belasse es jetzt dabei und wir werden jetzt nach Hause fahren. Versuchte mich mein Mann zu beruhigen, es wollte aber nicht so richtig funktionieren, leider. Es wollte sich kein Ruhemantel über mich legen, auch das war neu, fiel mir plötzlich ein. Also verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg nach Hause.
Dort erwartete uns Jenny bereits. „Und? Wie war es?“ fragte sie freudig, doch ich winkte ab und ließ mich auf das Sofa im Salon fallen. Mrs. Byrne fragte uns, ob wir etwas essen wollten, doch wir verneinten beide und ich bat sie, mir den Wein zu bringen. „Alex, muss das jetzt noch sein? Es ist schon spät.“ kam es leicht genervt von Haytham. „Ja, muss es. Ich bin zu aufgewühlt für Tee, Haytham. Entschuldige!“ maulte ich ihn an. Unser Sohn war wieder wach und an Schlaf war nicht zu denken, er war über seinen müden Punkt hinweg. Also nahm ich ihn auf meinen Schoß und las ihm aus dem Buch vor, welches mir Faith vorhin gegeben hatte. Währenddessen erzählte Haytham seiner Schwester, was alles vorgefallen war und dass wir dann in den nächsten Tagen noch einmal auf einen Besuch eingeladen worden waren.
„Du meine Güte, dass sind ja wirklich haarsträubende Geschichten, die ihr erlebt. Aber diese Fähigkeiten, sind wirklich alle vererbbar, oder werden sie einem geschenkt? Wie ist das möglich?“ fragte Jenny und ich konnte ihre Neugierde verstehen. „Nicht alle Gaben werden über das Blut weitergegeben, einige, wie bei mir oder auch Haytham, werden einem geschenkt. Ganz genau wissen wir es ja auch leider nicht. Ich hoffe nur, dass wir eine plausible Erklärung bekommen dann.“ Sie nickte. „Das hoffe ich für euch, Edward muss sich sicherlich tüchtig erschreckt haben.“ meinte sie. „Nein, dass ist es ja. Er war völlig fasziniert, als er diese schwebenden kleinen Blüten sah, eigentlich ja auch verständlich. Es sah toll aus, ehrlich, du hättest es sehen sollen.“ Es war ja auch schön anzusehen, keine Frage.
Ein Blick auf meinen Sohn, sagte mir dann, es ist Zeit fürs Bett und nicht nur für ihn. Auch ich war müde und erschöpft, also verabschiedete ich mich für die Nacht. Haytham folgte mir ebenfalls, in seinem Gesicht konnte ich die Müdigkeit sehen. Mrs. Wallace hatte ich bereits in die Nacht entlassen, also wickelte ich meinen kleinen Schatz noch schnell und sang ihm sein Schlaflied vor. Es dauerte nicht lange, da war er auch schon im Land der Träume und ich hoffte, dass diese Nacht ruhig für ihn verlief. Haytham half mir jetzt aus meinem Kleid und auch ich half ihm beim Entkleiden. Dann endlich konnte ich mich an ihn schmiegen und er deckte uns zu. „Wie geht es dir jetzt, Alex? Hast du dich etwas beruhigen können?“ fragte er mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ja, ich bin nicht mehr ganz so wütend. Faith hat nur zu viel auf einmal von mir erwartet, was sie ja nicht wissen konnte. Doch was mit Cadan vorhin passiert ist, das war definitiv zu viel für meine Nerven. Auch wenn alles gut ausgegangen ist, wäre er mein Sohn, ich wäre nicht so ruhig geblieben. Hoffentlich hat er es verstanden und macht so etwas nicht noch einmal.“ meinte ich etwas schläfrig und gähnte.
„Es war faszinierend anzusehen, auch Edward war ganz hingerissen von dem Spektakel. Aber ich habe gemerkt, dass du dir wegen der Blüten Sorgen gemacht hast. Oder hast du etwas anderes wahrgenommen?“ kam es ebenso müde von Haytham. „Das kann ich dir erst sagen, wenn man mich aufgeklärt hat. Aber deine kleine Schwester hat mich nicht in ihren Geist gelassen, ich wollte sie das eigentlich fragen. Sie hat mich einfach ausgesperrt. Wobei ich aber vermute, dass Lucius ihr gesagt hat, dass wir das alles später erfahren sollten.“ seufzend schlang ich Arm und Bein um meinen Mann. „Vielleicht ist es auch einfach ganz harmlos, mi sol.“ sprach er leise, nahm mich in seinen Arm und langsam schlief ich ein...
Beim Frühstück heute morgen, bemerkte ich zwischendurch, dass mein kleiner Schatz immer wieder auf seine Hände starrte. „Haytham, siehst du das auch?“ fragte ich zögerlich, nachdem ich meinen Blick genutzt hatte und sah, dass Edward ebenfalls Zeichen auf seiner Haut hatte. Doch im Gegensatz zu meinen leuchteten seine nicht nach Außen, sondern es war wie diese Art versteckte Tinte, die nur unter besonderen Umständen sichtbar wurde. „Ja, ich sehe es, er nutzt seinen Adlerblick.“ auch mein Mann sah fasziniert seinem Sohn zu, welcher immer noch seine Hände in die Höhe hielt und seine kleinen Finger bewegte! „Mistress Kenway, was sieht Master Edward da eigentlich?“ fragte mich sein Kindermädchen und holte mich damit aus meinen Gedanken. „Er kann Zeichen sehen, sie leuchten für ihn und uns. Ihr habt sie auch schon auf meiner Haut gesehen, Sybill. Immer wenn ich sein Gute-Nacht-Lied singe.“ gab ich als ehrlich Antwort. „Ich würde zu gerne wissen, was das alles zu bedeuten hat.“ meinte sie leise und sah auf ihren Schützling. Nicht nur sie hatte diesen Wunsch!
Faith hatte uns eine Nachricht geschickt und uns gebeten heute vorbei zu kommen. Wir würden eine Erklärung bekommen, versicherte sie mir in dem Schreiben. Außerdem sollte mein Kleid für den Sommerball noch angepasst werden hieß es. Mit einem mulmigen Gefühl lief ich den ganzen Tag umher und war immer wieder in Gedanken versunken. „Alex, mach dir nicht so viele Sorgen, es klärt sich heute endlich alles auf. Glaub mir!“ versuchte mein Mann mich aus dem Grübeln zu holen, wenn ich mal wieder vor mich hinstarrte. Um mich abzulenken bis zum Nachmittag, hatte ich mich ins Arbeitszimmer zurückgezogen und angefangen, weiter mein Tagebuch zu schreiben. Diese ganzen widersprüchlichen Gefühle, welche ich Haytham gegenüber hatte oder auch meiner Schwester. Nur mein kleiner Schatz war befreit von meinen Zweifeln, er war wie ein reiner klarer Gedanke für mich. Wenn Yannick diese Zeilen liest, dann lässt er sicherlich gleich einen Psychiater mit einer Zwangsjacke rufen!, ging es mir breit grinsend durch den Kopf.
Nach dem Essen brachte ich Edward noch zu Bett, wir würden gleich aufbrechen zu den Cormacs. Faith hatte darum gebeten, OHNE Kind zu erscheinen, was ich durchaus verstand. Wir hätten sonst nicht wirklich Ruhe zum Reden. Ich machte mich fertig, Magda hatte ein einfaches blaues Baumwollkleid herausgelegt und wuselte in meinen Haaren herum. „Mistress Kenway, ihr seht erholter aus. Wenn ich das sagen darf, ich bin froh, dass es euch wieder besser geht.“ meinte sie lächelnd an mein Spiegelbild gerichtet. „Danke, Magda. Es tut mir leid, wenn ich so eine Last war. Aber mir geht es tatsächlich besser.“ und ich tätschelte ihre Hand auf meiner Schulter.
Unten wartete bereits Haytham auf mich. „Da bist du ja, mi sol. Können wir dann?“ fragte er lächelnd und ich nickte. Innerlich wappnete ich mich für das Schlimmste, WAS es sein könnte, wusste ich nicht, trotzdem war ich angespannt.
Mr. Hill brachte uns in den Salon, wo wir schon von Faith erwartet wurden. Lucius und Shay waren durch einen Geschäftstermin verhindert, würden dann aber später dazukommen. „Alex, darf ich dir den Schneider vorstellen?“ fragte meine Schwester auch gleich und wir gingen ins Arbeitszimmer ihrer Großmutter, wo ich diesen blauen Traum anziehen durfte. Es saß nicht ganz richtig, aber auch so sah es schon beeindruckend aus. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass man aber meine Tätowierung auf dem Rücken sehen konnte! „Dann muss ich mir wohl etwas mit meinen Haaren einfallen lassen!“ überlegte ich leise, doch Faith gab mir Recht. „Wie gut, dass wir lange Haare haben, oder?“ ihr Lächeln wirkte unglaublich angespannt!
Als ich wieder in meinem anderen Kleid steckte und gingen wir zurück zum Salon. „Ich hoffe, das Kleid ist zu deiner Zufriedenheit, mi sol?“ fragte Haytham freudig, er hatte es noch nicht gesehen und würde es auch erst an dem Abend des Balls an mir sehen. „Ja, es ist wunderschön!“ antwortete ich und gab ihm einen Kuss, bei welchem mir selber ein mehr als wohliger Schauer über den Rücken lief. Wir setzten uns, nachdem Faith die Wachen gebeten hatte, vor der Tür zu warten! Wohl war mir nicht dabei, auf der anderen Seite wollte ich endlich eine Erklärung haben! Und dann begann meine Schwester zu reden, nachdem sie einen kräftigen Schluck Met getrunken hatte.
„Also Cadan...er war krank und unsere einzige Möglichkeit ihn zu retten, war ihn mit dem Lotus im Wintergarten zu heilen. Dieser Lotus ist ein Artefakt, welches zu dem Gott Vishnu gehört. Dieser Gott wird in Indien verehrt und er hat Cadan ein paar Fähigkeiten geschenkt. Er kann die Pflanzen wachsen lassen und er erschafft lauter kleine Blüten aus Licht.“ mein erster Gedanke war, dass dieser indische Gott meiner Idun nicht unähnlich ist und die Blüte war ebenfalls eines der identischen Symbole! Was aber noch wichtiger war, wie konnte Cadan krank werden? Hieß es nicht, er würde immer gesund bleiben? „Keine Ahnung, ich weiß nicht woher die Krankheit kam, sie war wohl schon seit seiner Geburt in ihm, ich kann mich auch endlich an seine Geburt erinnern. Ich weiß nur noch, dass ein dunkler Rauch in mich drang und dann half mir Freya Cadan auf die Welt zu bringen. Dabei zerstörte ich fast das ganze Bad.“ sprach sie leise und ich hatte immer mehr den Eindruck, als würde sie Angst vor etwas haben. Also ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, auch Haytham tat es. Da ist nichts, Alex. Keine Sorge! Hörte ich ihn und war etwas beruhigter.
Die nächste Frage kam von meinem Mann und war völlig logisch. „Warum kannst du dich gerade jetzt daran erinnern?“ sie druckste herum und sagte leise, sie wisse es nicht! Ich seufzte tief und dann spürte ich Odin, oder eben Elias! „Du kannst es ihnen ruhig erzählen, Erbe“ munterte er meine Schwester auf! WAS verdammt nochmal kann sie uns ruhig erzählen und vor allem, seit wann sprach er sie direkt an? Wieder keimte diese Wut darüber in mir auf, dass man mich immer und immer wieder im Unklaren lässt und ich oft das Gefühl bekomme, als ließe man mich in mein Verderben rennen! … - tief durchatmen - ... „Du verheimlichst uns etwas, da ist noch mehr. Das Krachen zu Cillians Geburtstag und das Lucius meinte, dass du dich nicht immer unter Kontrolle hast.“ eigentlich wollte ich nicht so zickig klingen, aber auch mir reißt irgendwann der Geduldsfaden. „Selbst wenn, es geht euch nichts an“ WIE BITTE? … und wieder - tief durchatmen - ... neben mir spürte ich, wie auch Haytham ungehalten wurde, nicht nur er... es fühlte sich beinahe so an wie damals, als er besessen war und wir alle diesen inneren widerlichen Hass abbekamen! Ich sah meine Schwester immer noch wütend an, sie funkelte umgekehrt genauso! Dann sah ich, wie die Vase auf dem Tisch zwischen uns anfing zu wackeln, so als würde sie jemand schütteln, flog dann aber wie an einer Schnur gezogen durch die Luft und krachte gegen die Tür!
Ich sah in diese Richtung und hörte noch, wie Faith etwas panisch „Geht!“ sagte, doch das würde ihr so passen! Und dann erschien er, Odin in seiner leuchtenden Gestalt! So war er uns ja schon einmal begegnet und jetzt war es, als wolle er uns vor ihr beschützen und stellte sich vor mich und Haytham. Mir fehlten gerade die Worte, das war alles mal wieder ETWAS viel auf einmal. Als er ihr Einhalt gebot und sie erneut als „Erbe“ betitelte, fing sie regelrecht an zu leuchten. Ihre Haut war über und über mit Zeichen gespickt und auch ich spürte ein Prickeln, aber sie erschienen bei mir nicht, so als wäre es genauso gewollt. „Faith, du hast Zeichen auf deiner Haut.“ meinte ich staunend. „Ja ich weiß und du...lass mich in Ruhe“ brüllte sie plötzlich Odin an und ehe wir uns versahen, hörten wir ein lautes Klirren. Um uns herum zerbarsten die Fensterscheiben, auch die Vitrine kam zu Schaden. Ich wollte mich noch ducken und Haythams Arm lag schon über mir, doch das war gar nicht nötig, die Scherben blieben einfach in der Luft stehen.
Die Tür flog mit einem Male auf und Shay und Lucius erschienen. In Master Williams Augen sah ich ein goldenes Leuchten und mir wurde schwindelig! DAS war doch alles nicht wahr, das war keine Erklärung, dass war einfach ein Albtraum! Doch gerade als ich etwas sagen wollte, fauchte Lucius Shay an, Haytham und mich SOFORT hinauszubringen! Super... In mir stieg immer mehr Wut hoch. Ich atmete schwer und funkelte Faiths Vater an, während mein Mann und Shay mich an ihm vorbeizogen. Dann standen wir im Eingangsbereich! Und jetzt?
„Shay, wenn du nicht sofort den Mund aufmachst, dann gehe ich wieder zurück und werde den beiden die Hölle heiß machen.“ Aber in seinem Gesicht sah ich, er durfte es nicht und schüttelte mitleidig den Kopf! Dann fiel mir auf, dass Odin im Raum geblieben war, doch ich drang nicht mehr zu ihm durch, nur ab und an flackerten kurze Bilder in meinem Kopf auf. Mehr aber nicht... es war so wahnsinnig frustrierend mal wieder, dass ich am liebsten jemanden geschlagen hätte. Kurzerhand nahm ich mir einfach eine Schale von einem Tischchen und donnerte sie auf den Boden, dann ging ich ein Stück von den beiden Männern weg.
Sie wird dir alles erklären, vertrau ihr jetzt und habe noch einen Moment Geduld, Kind. Hörte ich Elias in meinem Kopf. Was wird hier gespielt und warum ist sie so wütend auf dich? Ich weiß, Odin ist nicht unbedingt fair, er ist manipulativ und nutzt diese Fähigkeiten aus. Doch mir gegenüber war es irgendwie anders. Es gibt noch jemanden, der ihr zur Seite steht. Und dann war er wieder weg. „Alex, tief durchatmen. Es klärt sich alles auf.“ sprach Haytham leise hinter mir und schlang seine Arme um mich. „Ich weiß nicht, es ist unheimlich! Und am liebsten würde ich Faith nehmen und schütteln, damit sie zur Vernunft kommt und endlich den Mund aufmacht!“ fauchte ich. „Das glaube ich dir gerne. Dennoch habe noch einen Augenblick Geduld.“ seine Arme drückten mich und plötzlich fühlte ich ihn wieder, diesen Ruhemantel, diese Hand auf meiner Schulter... ich kam zur Ruhe!
„Ich denke, wir können einen Versuch wagen, hinein zugehen.“ kam es zögerlich von dem Iren. Wenn er es nicht genau wusste, woher sollten WIR wissen, ob es eine gute Idee war? Haytham und ich folgten ihm einfach und er hatte die Tür noch nicht ganz geöffnet, da stürmte eine heulende Faith auf ihren Mann zu. Im Salon sah es aus, als hätte der dritte Weltkrieg getobt und Lucius sah uns entschuldigend an. ER konnte doch nichts für ihr Verhalten... oder doch? Lange nachdenken konnte ich nicht, ich spürte plötzlich meine Schwester in meinem Kopf und was ich dann sah, war einfach... zu viel auf einmal, wie schon so vieles am heutigen Tag! Es war, als würde sie mir zig Leben zeigen, die sie hinter sich hatte. Sie hatte Fähigkeiten der Isu und der Götter, Faith war IHR Erbe! Sie war nicht wirklich menschlich, sie war eine Reinkarnation der Isu! Deswegen hatte sie auch das Sprachtalent, konnte kämpfen und ähnliches. Jedoch schienen die nordischen Götter nichts damit zu tun zu haben!
Endlich erhielt ich auch die Erklärung über ihre Familie! In Lion zum Beispiel war Thot vertreten. Faith stammte im Grunde, wenn man die Blutlinie verfolgen würde, von mehreren Göttern ab und jeder hatte Spuren hinterlassen. Jetzt wusste ich auch, warum ich hier sein sollte, warum diese Reise wirklich Schicksal war! Es ging wirklich um die gesamte Menschheit, die es galt zu beschützen. Wir alle hatten spezielle Fähigkeiten der Isu und Götter, welche wir im Kampf einsetzen konnten und wir waren alle in der Lage, Artefakte und Relikte zu sichern, da wir diesen Bündnissen angehörten! Unsere Kinder und Enkelkinder würden unsere Aufgabe weiterführen!
Trotzdem fehlte noch ein kleines Puzzleteil. Die Zeichen auf der Haut! Als ich nun an mir heruntersah, kamen sie zum Vorschein und Haytham sah mich überrascht an. „Alex, normalerweise passiert das nur, wenn du Edward etwas vorsingst!“ Mutter, ich sehe sie auch. Du hast sie mir gegeben und ich werde sie, wie du auch, zum Wohle nutzen. In diesen Zeichen liegen unsere Gaben! Hörte ich meinen kleinen Schatz in meinem Kopf, auch Haytham hatte es gehört! Er nahm mich in den Arm „Wir wussten, dass wir etwas zu erledigen haben auf dieser Welt, mi sol. Jetzt ist es an uns, es auch in die Tat umzusetzen!“ sprach Haytham leise und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Die Anspannung der letzten Tage, der letzten Stunden fiel mit einem Schlag von mir ab und es fühlte sich wie ein Neuanfang an. Bei diesem Gedanken musste ich lächeln und sah meine Schwester an, für mich war sie immer noch „mo rionnag“! „Egal was du bist, ich liebe dich.“ flüsterte ich und nahm sie in den Arm. Dann spürte ich ihre warmen Lippen auf meinen und es fühlte sich richtig an, auch wenn ich noch nicht mehr zulassen konnte. Haythams Räuspern riss uns aus unserem Moment und auch er nahm sie noch in den Arm mit den Worten „Du bleibst meine kleine, unbelehrbare Schwester, Faith!“ und ich sah, wie ihre Augen vor Tränen wieder überliefen.
Nach dieser ersten kurzen Erklärung saßen wir noch eine Weile zusammen, als wir einen nicht ganz so demolierten Raum gefunden hatten. Mittlerweile waren die Diener mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, da kaum ein Fenster in der unteren Etage heile geblieben war. „Ich bin so was von geliefert, wenn Lion das erfährt!“ flüsterte meine Schwester leise und fragte „Alex wie laufen unsere Geschäfte zur Zeit?“ Sie würde für die Reparaturen aufkommen müssen, vermutete ich mal. Aber sie bräuchte sich keine Sorgen machen. Es lief gut im Moment und da ich eigenständige Zweige mittlerweile und entsprechende Konten besaß, wusste ich, dass das Geld ausreichen würde. Sie solle mir einfach die Rechnung zukommen lassen, ich werde die Bezahlung dann vornehmen.
Faith erzählte nun, was alles so vorgefallen war und die Ausführungen waren jetzt nicht mehr von Zurückhaltung geprägt, sondern ENDLICH weihte man uns ein. Unter anderem erfuhren wir, dass Maggie schwanger war und anscheinend das Diadem ihr dabei geholfen hatte. So ähnlich wie Idun mir ein paar Jahre geschenkt hatte.
Meine Schwester hatte aber nicht die geringste Ahnung, wie sie ihre Wut oder ihre Gefühle allgemein bändigen sollte. Mir fiel dabei als erstes Meditation ein und sie solle sich ein eigenes Mantra suchen, um sich entsprechend runterzufahren. In ihrem und Shays Schlafzimmer, wollte ich ihr das näher erklären, weil wir da mehr Ruhe hatten. Als ich ihr die verschiedenen Techniken näher brachte, sah sie mich fragend an. „Wie? Das soll funktionieren?“ Nicht auf Anhieb, es bräuchte schon noch ein wenig Übung, aber dann sollte sie mithilfe der Meditation schnell zur Ruhe kommen und sich entsprechend zügeln können! Sie versuchte es jetzt einmal und wie es schien, konnte sie mit Erfolg ihre Wut im Zaum halten. Ein leises „Danke“ reichte mir, Worte waren nicht mehr nötig und ich spürte wieder ein Stückchen mehr Vertrauen in unsere Beziehung!
Wir gingen nach einer Weile wieder zurück und im Salon erwarteten uns die Kinder mit unseren Männern. Auf Julys Frage hin, warum die Fenster alle kaputt seien, antwortete Cadan trocken „Mama war wütend, aber jetzt ist es besser!“ und sie alle saßen mit einem Male brav da. Ja, solche Worte zeigten immer Wirkung, vor allem wenn es etwas zugig plötzlich war. Ich musste lachen, weil ich mir gerade meinen kleinen Sohn so brav vorstellte, nachdem ich einmal aus der Haut gefahren bin. Bis dahin würde noch eine Weile vergehen. July riss mich aus diesem Gedanken und fragte, ob Eddy auch hier wäre. Etwas traurig sah sie uns an, aber Haytham versprach ihr „Beim nächsten mal wieder und ich denke wir sollten langsam aufbrechen!“ Unser Sohn würde schon auf uns warten.
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Wenn ich sage, dass meine Nerven sich anfühlten wie ausgeleierte Gummibänder, kommt das meinem Empfinden gerade sehr nahe. Haytham und ich saßen in der Kutsche und versuchten alles irgendwie zu verpacken, damit wir nicht ganz durcheinander kamen. Das war aber alles andere als leicht. „Haytham, das ist doch alles Wahnsinn!“ entfuhr es mir frustriert, weil wir mal wieder neues gelernt hatten. „Das ist es wirklich und wenn ich ehrlich sein soll, es ist mitunter schon recht unheimlich. Diese ganzen Götter, die Isu und ihre Artefakte. Das Ganze klingt wie in einem Märchen und wir sind mittendrin!“ in seiner Stimme klang diese Faszination mit, die mich ebenso antrieb, weitere Nachforschungen anzustreben.
Zuhause wurden wir von Jenny begrüßt. „Edward schläft schon und er war ganz artig, keine Sorge!“ Wir gingen nun alle zu Bett und ich hoffte, dass ich in den Schlaf finden würde!
Ich hatte Nachricht von Francis erhalten, sie würde mich gerne zum Tee einladen. Natürlich nur, wenn mir der Sinn danach stehen würde. Also machte ich mich mit meiner Wache, dem Kindermädchen und meinem Sohn auf zu den Bradshaws an diesem Nachmittag. Dort angekommen wurden wir freundlich begrüßt und auf die hintere Terrasse geführt, wo bereits alles parat stand. Ich staunte nicht schlecht, als mir drei Mädchen im Alter von vielleicht 10, 6 und 4 Jahren vorgestellt wurden. „Darf ich euch meine Enkelkinder vorstellen? Louisa, Michelle und Tamara!“ mit einer Handbewegung wies sie die Mädchen an, mich zu begrüßen und alle drei waren gleich hin und weg von Edward. Sie belagerten ihn regelrecht, was er mit großen Augen und zitternden Lippen quittierte. Sybill aber setzte sich mit den Kindern auf eine große Decke hier auf der Terrasse, wo schon jede Menge Spielzeug verstreut war. Auch die Gouvernante der Enkelinnen hatte sich dazu gesetzt und so hatte ich einen Moment etwas Ruhe.
Der Templer platzierte sich nun in Sichtweite der Terrasse, so dass er alles im Blick behalten konnte. „Alex, ihr habt tatsächlich Begleitschutz mittlerweile? Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie... und... verzeiht mir. Ich wollte euch nicht wieder daran erinnern. Als mein Mann mir davon berichtete, traute ich meinen Ohren nicht! Die Schurken sind aber ja bei ihrem Schöpfer, meinte Finley!“ in ihren Augen sah ich Bedauern und Mitleid, als sie meine Hand drückte. „Diese Widerlinge weilen Odin sei Dank nicht mehr unter uns, dafür haben mein Mann und die anderen gesorgt. Aber ich fühle mich sicherer, wenn ich eine Wache an meiner Seite habe. Nicht, dass ich Angst hätte, dass ihr mir etwas antun würdet, Francis.“ lächelte ich sie an.
Wir genossen den Tee in der Nachmittagssonne und unterhielten uns über das Londoner Leben und dass sie sich freute, ihre Enkelinnen für ein paar Wochen beherbergen zu dürfen. Ihr Sohn musste kurzfristig mit seiner Frau aufs Festland aufgrund größerer Familienangelegenheiten seiner Schwiegereltern. Als ich mich dann nach ihrem Gatten erkundigte, erklärte sie mir, dass er nach Bristol beordert worden war, weil es dort mal wieder Ärger mit einigen Bauarbeitern gab. Der Aufseher, welcher den Anbau im Auge behalten sollte, war ein Stümper, wie sie es nannte. Es war ein sehr angenehmer Besuch und ich spürte, dass ich mich weiter erholte und auch entspannte.
Die Mädchen hatten Gefallen daran gefunden, Edward etwas beizubringen. Louisa stellte ihn immer wieder auf die Beine und versuchte ihm das Laufen beizubringen. Was definitiv noch zu früh war, doch mein Sohn gluckste dabei und freute sich über diese ganze Aufmerksamkeit. Zwischendurch wurden sie angehalten, etwas zu trinken, der Tag war ungewöhnlich warm. „Mistress Kenway, wie alt ist Eddy eigentlich?“ fragte mich Michelle während einer dieser Trinkpausen und ich musste wieder mal wegen Eddy grinsen. „Er ist fast 7 Monate alt, er hat im Dezember Geburtstag!“ die 6jährige sah auf ihre kleine Schwester und meinte völlig trocken „Ich wünschte Tamara wäre auch wieder so klein! Sie nervt! Und ein kleiner Bruder wäre viel besser!“ bei diesen Worten stand sie mit geschürzten Lippen vor uns und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Francis und ich konnte uns das Lachen nicht verkneifen und die Kleine sah uns fragend an. „Michelle, vielleicht bekommst du ja noch einen Bruder, wer weiß!“ meinte Mrs. Bradshaw jetzt beschwichtigend. „Und du kannst doch auch Tamara etwas beibringen, auch wenn sie dich ab und an nervt.“ sagte ich ebenso ruhig, jedoch mit leichtem Glucksen. „Das sagt ihr so leicht, Mistress Kenway!“ kam es in einem solch belehrenden Ton von diesem kleinen Mädchen, dass man meinen könnte, eine Erwachsene hätte gesprochen.
Irgendwann hatte aber Edward keine Lust mehr und krabbelte auf sein Kindermädchen zu, welche ihn auf ihren Schoß hob. Dort kuschelte er sich mit Daumen im Mund an sie und sah den anderen Kindern beim Spielen zu, während hin und wieder ein Gähnen von ihm kam. Es war aber eh an der Zeit fürs Abendessen und wir hatten heute noch eine Verabredung mit den Pritchards, was mir nicht wirklich passte, doch es ging um geschäftliche Dinge. Ich nahm mir meinen kleinen Schatz und wir verabschiedeten uns, wir würden uns auf dem Sommerball bei Faith dann wiedersehen.
Zuhause wurden wir schon von meinem Mann erwartet, welcher etwas säuerlich auf meine Verspätung reagierte. „Alex, wir haben kaum noch genug Zeit fürs Essen und Umziehen! Achte in Zukunft darauf, dass du dich zeitig verabschiedest.“ sein Tonfall sagte mir, dass er ganz und gar nicht mit meinem Verhalten zufrieden war. Ich seufzte, entschuldigte mich mit einem vorsichtigen Kuss auf die Wange und ging dann ins Esszimmer, wo bereits alles angerichtet war. Sybill hatte Edward noch schnell umgezogen und eine neue Windel verpasst. Mein kleiner Schatz machte sich über das Gemüse auf seinem Teller her, hielt aber immer mal wieder inne, um auf seine Haut zu schauen. Nachdem Nachtisch gingen wir alle hinauf, um uns umzuziehen und ich fand, wir hatten noch genügend Zeit. Magda stand vor dem Kleiderschrank und fischte mir ein Rot-Schwarzes Kleid mit silbernem Unterteil heraus. Es ähnelte einer Montur, da dies ein offizieller Anlass, sprich ein Geschäftsbesuch war! Ich brachte Edward noch ins Bett und dann konnten wir auch schon los.
Auf dem Weg zu den Pritchards hatte mein Mann weiterhin schlechte Laune und fing jetzt auch noch an zu meckern, dass der Überrock nicht richtig glatt sei und dass zwei Knöpfe nicht richtig festgenäht seien an meinem Oberteil. „Haytham, es reicht! Ich habe mich entschuldigt für mein Zuspätkommen. Jetzt hör bitte auf, an mir herum zu mäkeln.“ fauchte ich jetzt meinerseits gereizt. „Das würde ich, wenn ich nicht so lange auf euch hätte warten müssen! Zum anderen habe ich mir Sorgen gemacht! Mal wieder!“ kam es immer noch wütend und kalt von ihm. „Ich war ja nicht alleine und bei...“ harsch fuhr er mir über den Mund. „Das ist mir egal, es hätte unterwegs etwas passiert sein können!“ ich seufzte resigniert und kam zu dem Schluss, dass wir so auf keinen Nenner mehr kommen würden. „Gut, ich habs verstanden!“ eigentlich wollte ich noch ein „Zufrieden?“ hinten dranhängen, besann mich aber eines besseren, ich kannte meinen Mann. Er würde... nein, würde er nicht, ich würde keine Lektionen erteilt bekommen. NOCH nicht! Wollte ich es? Provozierte ich ihn unbewusst? Und da war es wieder, dieses Gefühl von Verwirrtheit in meinem Kopf, weil ich mich selber nicht mehr verstand!
„Alex? Was ist los?“ plötzlich hörte ich seine besorgte Stimme, nichts deutete mehr auf seine Wut hin. „Was? Nichts, alles in Ordnung. Ich... war nur in Gedanken!“ sprach ich leise und schüttelte meinen Kopf um diese gefühlten Spinnennetze zu vertreiben. „Es... es tut mir leid, mi sol. Aber auch ich kann nicht immer aus meiner Haut.“ Haytham nahm meine Hand und hielt sie an seine Lippen. Diese Berührung war dieses Balsam, was ich so dringend benötigte für meine Seele und ich zog einfach sein Gesicht zu mir und bedeckte ihn mit Küssen. Gierig klammerte ich mich an ihn und umgekehrt konnte ich spüren, dass auch er mehr wollte. „Alex...“ hauchte er an meinen Hals und seine Hände wanderten unter meine Röcke. „Ich befürchte, wir müssen das Ganze auf später verschieben, mi amor!“ brachte ich stockend heraus und sah in seine dunklen grauen Augen. „Wenn du es wirklich willst, dann auf jeden Fall, mi sol.“ wie aufs Stichwort, hielt die Kutsche vor dem Anwesen der Familie Pritchard. Mein Templer bekam noch einen letzten langen Kuss und dann half er mir aus unserem Gefährt. Die vier Wachen gaben ihre Pferde ab und folgten uns zum Eingang.
Ich hatte die Wachen mit angekündigt, damit es keine Überraschung gab. Der Butler brachte uns in den unteren Salon, es war doch recht kühl geworden heute Abend und es sah nach Regen aus (warum muss ich gerade an ein Zitat aus The Witcher 3 denken???). Master Pritchard erschien und mit ihm seine Tochter samt seines Schwiegersohns. Nur seine Enkelin war nicht anwesend, was ich persönlich schade fand, ich hätte sie gerne wieder gesehen. „Mistress Kenway, ich kann euch gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut!“ kam es von Mrs. Forbes, als die Begrüßung durch war. „Macht euch keine Gedanken mehr darum. IHR könnt am allerwenigsten dafür, Mrs. Forbes.“ Ihr Gatte bedachte mich mit einem mitleidigen Lächeln, anscheinend war er eher wortkarg. Auf dem Empfang hatte ich auch kaum ein Wort mit ihm gewechselt.
Wir nahmen Platz und man reichte uns Wein und die Herren bekamen Whiskey. „Selbstherstellung von einem befreundeten schottischen Ehepaar. Sie beliefern uns regelmäßig damit, wenn ihr möchtet, dann werde ich euch gerne einmal bekannt machen, Master Kenway.“ meinte Samuel an meinen Mann gewandt, welcher selig in sein Glas schaute und den guten Tropfen sichtlich genoss. „Ich würde mich freuen, Master Pritchard.“ Wir kamen aber jetzt zum geschäftlichen Teil, mein Partner hatte angekündigt, dass sein Schwiegersohn in den Handel einsteigen wolle und man den heutigen Abend nutzen wolle, ihn diesbezüglich aufzuklären. Ich hatte mir immer wieder überlegt, ob ich das wirklich wollte, schließlich hat dieser Mann augenscheinlich kein Händchen für Handel, fürs Feilschen oder sonstige Geschäfte. Sonst hätte er wohl kaum so viele Schulden anhäufen können, dass er sich gezwungen sah, seine eigene Tochter, im wahrsten Sinne des Wortes, an den meist Bietenden zu verhökern!
Ich atmete tief durch und wandte mich an Mr. Forbes. „Ihr habt bisher noch nicht viel zu dem Gespräch beigetragen, Mr. Forbes. Was genau schwebt euch vor, worin wollt ihr investieren und vor allem WOMIT?“ ich war etwas in meine kalte Art gerutscht, doch ich wollte ihm auf den Zahn fühlen, wollte wissen, ob er überhaupt, verzeiht den Ausdruck, Eier in der Hose hat. „Mistress Kenway, ich besitze ein Stück Land, welches ich als Sicherheit anbieten könnte. Ein Vermögen habe ich ja leider nicht, wie ihr sicherlich wisst. Es wäre doch bestimmt auch so möglich, dass wir damit eine Übereinkunft treffen könnten?“ fragte er völlig zögerlich und mit leiser Stimme. „Von welcher Größe sprechen wir hier und wo liegt das Stück Land, Mr. Forbes?“ fragte ich immer noch kühl und er schien immer weiter zu schrumpfen. „Ich... ich weiß nicht genau... ich... also ich habe es noch nie gesehen!“ stotterte er jetzt mit hochrotem Kopf herum und ich sah ihn mit großen Augen an. Ich konnte mir gerade noch ein undamenhaftes Prusten verkneifen und ehrlich gesagt, fehlten mir für einen Moment die Worte.
Master Pritchard selber war es, der ihn jetzt anfuhr. „Frank, was erzählt ihr da? Ihr habt Land erworben, wisst aber weder WO es ist noch WIE GROSS es ist? Bei Gott, das wird ja immer besser!“ er war sichtlich sauer und sah mich dann entschuldigend an. „Mistress Kenway, es tut mir schrecklich leid, dass ihr diese geballte Inkompetenz vorgesetzt bekommen habt. Ich denke, wir werden nicht weiter darüber sprechen müssen. Und ihr Frank, geht mir aus den Augen!“ besagter Frank ging kleinlaut aus dem Raum und zurückblieb eine heulende Elizabeth. „Es ist mir so peinlich... ich... weiß gar nicht was ich sagen soll!“ schniefte sie jetzt vor sich hin und Haytham reichte ihr ein Taschentuch. „Mrs. Forbes, es ist keineswegs eure Schuld. Doch solltet ihr über eine eventuelle Trennung beizeiten nachdenken, bevor noch mehr Schulden angehäuft werden und ihr eines Tages auch noch dafür grade stehen müsst!“ sprach ich sie direkt an und drückte ihre Hand. „Ich werde gleich morgen mit dem hiesigen Richter das ganze besprechen und... vielleicht kann man diese Ehe auch kurzfristig aufheben. Hätte ich das nur eher gewusst. Elizabeth, warum hast du nie etwas gesagt? Du weißt doch, dass ich dir zugehört hätte, auch deine Mutter, als sie noch lebte!“ kam es etwas zu vorwurfsvoll von meinem Geschäftspartner.
„Vater, das weiß ich! Ich hatte gehofft, dass... er sich wieder fängt und ich liebe ihn halt und wir haben doch auch eine Tochter!“ erklärte sie sich jetzt, leider musste ich ihr ins Wort fallen. „Mrs. Forbes, glaubt mir, eine Trennung ist im ersten Moment schwer und kaum zu ertragen, doch ihr seid besser ohne diesen Taugenichts dran. Ich spreche da aus Erfahrung.“ in ihren Augen sah ich Erstaunen und die Frage, woher ich diese Erkenntnis hatte. Also tischte ich ihr die Geschichte auf, welche wir allen nicht eingeweihten erzählten. Verstorbener unehrlicher Ehemann und so weiter und so fort. „Das wusste ich nicht, Mistress Kenway, ihr seht noch so jung aus.“ kam es immer noch schniefend von ihr. Verdammt! Nun gut, ich überging das ganze und tat es als Kompliment ab. Den restlichen Abend verbrachten wir mit der Vorbereitung auf die anstehende Scheidung der Eheleute Forbes. Ich vermutete mal, dass Hannah auch keine Probleme damit haben würde und sicherlich gerne mit ihrer Mutter hier einziehen würde. Zu diesem Schluss waren wir nun gekommen und Samuel befand, dass es eine gute Idee sei. So wäre er nicht alleine und das Anwesen wäre wieder etwas belebter.
Gegen 23 Uhr brachen wir dann auf, aber nicht ohne so zu verbleiben, dass wenn Hilfe gebraucht wurde, man uns jederzeit kontaktieren könne. Den Wachen wurden die Pferde wieder übergeben und wir machten uns auf den Weg nach Hause. „Alex, du hast diesen Mann schnell durchschaut. Wie konntest du wissen, dass er nichts über sein erworbenes Land wusste?“ fragte mein Mann mich mit einer Portion Anerkennung in der Stimme. „Eigentlich wusste ich es nicht, doch wie er sich gegeben hat, wie er sich bewegte und sprach, das zeigte mir, dass er überhaupt keine Ahnung von irgend etwas hatte. So leid es mir tut, er ist wirklich die Inkompetenz in Persona!“ kicherte ich jetzt, ich hatte doch ein oder zwei Gläser zu viel Wein getrunken und amüsierte mich über diesen Frank Forbes!
„Gib mir deine Hand!“ hörte ich Haytham bestimmend sagen und ich tat, wie er mir sagte. „Es war großartig, dich bei diesem Gespräch zu beobachten. Du könntest jeden in Grund und Boden stampfen, nur mit einem einzigen eisigen Wort!“ grinste er mich an. „Willst du, dass ich es an dir noch einmal teste?“ fragte ich etwas kampflustig und zog seinen Mund zu mir. „Nein, den Part übernehme ich, wenn es Recht ist, mi sol!“ raunte er an meinem Ohr und wieder fühlte ich seine warme Hand, wie sie an meinen Oberschenkeln entlang wanderte. „Mach weiter, mi amor!“ sprach ich fast tonlos in seinen leidenschaftlichen Kuss! „Gedulde dich, wir sind gleich daheim, mi sol!“ Seine Zunge suchte sich ihren Weg in meinem Mund und ich zerfloss wieder, es war berauschend! Meine Angst wich einer Sehnsucht nach meinem Mann! Kaum dass die Kutsche hielt, sprang Haytham hinaus und half mir beim Aussteigen. Ohne weiter auf unsere Wachen zu achten, eilte er mit mir an seiner Hand zum Eingang und sofort hinauf. Jedoch bog er nach links ab, zu meinem alten Gästezimmer!
Er entzündete ein paar Kerzen und stand dann vor mir. Sein Blick war so voller Begierde, dass mir tausende Wellen von wohligen Schauern über den Rücken liefen! Seine Hände umschlossen mein Gesicht und Haytham fuhr fort mich mit Küssen zu übersäen. Langsam knöpfte ich seinen Gehrock auf, die Weste, das Hemd... ich zelebrierte diesen Moment, ich wollte ihn genießen. „Alex, bist du sicher, dass du das willst?“ fragte er mich ein weiteres Mal leise und sah mir dabei musternd in die Augen. „Ja, ich will es, ich weiß, ich kann dir vertrauen!“ antwortete ich flüsternd und Tränen rollten über meine Wangen. Mein Kleid war schnell Geschichte! Dann hob mich mein Mann nur noch hoch und trug mich hinüber zum Bett, ich konnte mich aber weiterhin frei bewegen und ließ meine Hände über seinen Rücken gleiten. Es war, als würde ich meinen Templer das erste Mal so erleben, so als wäre es unser erstes Mal. Auch Haytham zelebrierte diesen Moment und als ich ihn in mir spürte, war es, als hätte sich zwischen uns nichts geändert. Meine Angst wich diesem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, welches ich bei ihm immer gespürt hatte und wir waren wieder EINS! Mit einem doch recht lauten „Alex!“ kam er und ließ sich auf meine Brust sinken, auch ich ließ mich fallen und klammerte mich an ihn, so als könne Haytham sich sonst in Luft auflösen.
Für einen Moment hielt ich völlig still und fühlte, wie seine Muskelanspannungen abebbten. „Ich liebe dich, Haytham!“ flüsterte ich und schlang wieder meine Arme um seinen Körper! „Ich dich auch, mi sol!“ es folgte ein langer Kuss, welcher mich darin bestätigte, dass es so richtig war! Langsam zog er sich zurück und deckte uns zu. „Wir können aber nicht hier bleiben, wir sollten...“ doch sein Finger auf meinen Lippen deutete, ich solle nichts weiter sagen. „Werden wir auch nicht, ich würde dich gerne noch einen Moment für mich ganz alleine haben wollen, mi sol!“ Mir wurde plötzlich klar, dass ich diese Zweisamkeit mit meinem Mann wirklich vermisst hatte. Er gab mir dieses angenehme Gefühl, welches ich brauchte um mich fallen lassen zu können. Ich strich über seine Brust und sah, dass meine Finger eine Gänsehaut hinterließen. „Das habe ich vermisst, Alex. DICH habe ich vermisst, wie du mir das Gefühl gibst, dich beschützen zu können. Bei Gott, ich liebe dich!“
Ich konnte nicht anders, ich schwang mich über Haytham und saß nun auf seinem Schoß, übersäte ihn jetzt meinerseits mit Küssen. Seine Hände griffen sich meinen Hintern und fingen an mich zu dirigieren, er ließ mich wieder seine Wünsche sehen im Geiste. Meine Gedanken landeten bei diesen Bildern in der Gosse, doch es war mir egal und wir nahmen uns, was wir wollten. Es gab keine Konsequenzen! Als ich dann völlig atemlos an seiner Brust lag, wusste ich, den Rest des Weges schafften wir auch noch. GEMEINSAM! Plötzlich hörte ich aus unserem Zimmer lautes Weinen, ich wusste, Sybill war noch bei Edward. Doch ich zog mir schnell Haythams Hemd über, küsste ihn noch einmal mit einem geflüsterten „Danke, mi amor!“ und eilte hinüber.
Mrs. Wallace hatte unseren Sohn aus seinem Bett geholt und war dabei ihn zu wickeln, als sie mich bemerkte. „Mistress Kenway, ihr seid zurück.“ ihr Blick wanderte über meinen Aufzug und sie konnte sich ein wissendes Grinsen nicht verkneifen. „Ja, wir sind wieder daheim. Geht es meinem Schatz gut?“ fragte ich einfach. „Er war ein braver Junge und seht, er schläft schon fast wieder.“ damit reichte sie ihn mir und ich setzte mich auf die Bettkante mit Edward. Wie automatisch griffen seine kleinen Finger in meine Haare, während die andere Hand, besser der Daumen, in seinem Mund landete. Es dauerte nicht lange, da war er im Reich der Träume versunken und ich legte ihn zurück mit einem Kuss! „Ihr könnt euch dann auch zurückziehen, Sybill! Habt noch eine geruhsame Nacht!“ flüsterte ich, damit mein Schatz nicht wieder wach wurde. Beim Hinausgehen erschien auch Haytham und wünschte ebenso eine gute Nacht.
Über seinem Arm lag ein Berg an Kleidung und ich sah ihn fragend an. „Alex, es reicht schon, dass morgen ein Zimmermädchen das Bett wieder richten muss. Da müssen unsere Sachen doch nicht auch noch dort bleiben, oder?“ grinste er mich an. Ja, Haytham und sein Ordnungswahn, das konnte manchmal nerven. „Dann leg die Sachen ins Ankleidezimmer auf das Sofa und komm ins Bett, mi amor.“ gab ich zur Antwort und begab mich schon einmal in unser Schlaflager. Für einen Moment blieb Haytham dann noch bei seinem schlafenden Sohn stehen und kroch dann ebenfalls unter die Decke. „Übrigens, mi sol. Du musst mich nicht provozieren, um einen Grund zu haben, mit mir das Bett zu teilen!“ meinte er leise lachend und gab mir einen langen Kuss. „Das würde ich nie tun, Haytham. Ich bin immer brav und...“ ein Prusten und er war über mir. „DU? Seit wann bist du brav und tust, was ich sage? Das wäre mir neu!“ ich ließ meine Finger sprechen, welche sich an seinem Rücken entlang Richtung Hintern bewegten und dann einfach zudrückten. „Vermutlich war ich das nie und werde es auch nie sein, Master Kenway. Versprochen!“ Wir hätten uns sicherlich noch weiter vergnügen können, doch der Morgen würde schneller zuschlagen, als mein Ehemann mir Lektionen erteilen konnte.
Also schlang ich mich um ihn und schloss selig die Augen. Ich hatte mich wiedergefunden, WIR hatten uns wiedergefunden... mit diesem beruhigenden Gedanken schlief ich ein.
Ich hatte nicht mit dem Alltag gerechnet, welcher uns erbarmungslos ins Hier und Jetzt holte. Nach dem Abend bei den Pritchards erhielten wir am nächsten Tag Nachricht, dass sich eine Gruppe von Assassinen, welche in Verbindung mit den Russen standen und daher auch mit meiner und Edwards Entführung, hier weiter herumtrieb. „Verdammt nochmal, müssen die immer in so großen Mengen aufkreuzen!“ hörte ich Haytham laut fluchen, während er bereits alle Kontakte anschrieb, welche nun die stillen Ordensmitglieder informieren würden. Mein Mann hatte mir von einem Master Daniel Mormon berichtet, welcher einem inoffiziellen Teil der Templer angehörte. Reginald hatte diesen Ring noch ins Leben gerufen und Haytham galt als „stiller“ Erbe und fungierte auch dort als Großmeister. Außerdem hatte mein Mann für diese Zwecke, unter anderem den kolonialen Ritus hier anzusiedeln, eine Villa erworben, welche im südlichen Teil Londons gelegen war. Wir konnten somit auch die Bruderschaften dort mit unterbringen und so die Zusammenarbeit stetig verbessern!
Das Treffen sollte heute stattfinden, in einem der unbewohnten Häuser, welche sich noch im Besitz von Familie Kenway befanden. Wir hatten fast alle soweit herrichten lassen, um sie dann entsprechend vermieten zu können. Leider mussten wir zu meinem Leidwesen auf eine Person zurückgreifen, welche hier gerade in Gefangenschaft war aufgrund diverser Vergehen in den Kolonien. Charles Lee! „Muss das wirklich sein, Haytham?“ fragte ich gequält. „Leider, aber es ist nur für kurze Zeit, danach muss ich ihn wieder der Justiz übergeben. Doch er kennt sich hier sehr gut aus und hat entsprechende Kenntnisse über diese Brut, weil in der Nachbarzelle ein paar Mitgefangene geplaudert haben! Und Alex… du kannst ihm gerne die Leviten lesen, meine Erlaubnis hast du!“ grinste mich mein Mann an und in mir erwachte das Teufelchen! Oh ja, er würde mir gehorchen, er würde das tun, was ich wollte! Ich war ihm übergeordnet!
Nachdem wir noch mit dem obersten Richter am Nachmittag des folgenden Tages ein Abkommen getroffen hatten und ihm versicherten, dass diese Made Lee wieder in seine Zelle kam, sobald alles erledigt war, konnten wir uns am Nachmittag des besagten Tages mit ihm und unseren zwei Wachen auf den Weg machen. Ich gab explizit den Brüdern im Anwesen die Warnung, wachsam zu bleiben, weil diese russisch-deutsch-preußischen Assassinen nicht weit weg sein konnten. Im Stillen betete ich mal wieder, dass sie das Haus nicht infiltrieren würden. Ich hatte am Nachmittag noch einmal Jenny instruiert, sie solle im Notfall mit allen in den Keller fliehen und die Luke dann schließen. „Alex, meinst du wirklich, es kommt soweit?“ fragte sie mich etwas unsicher. Leider musste ich ihr sagen, dass wir auf alles vorbereitet sein mussten.
„Master Kenway, seid versichert, ich werde euch beistehen. Komme was da wolle und ich möchte mich noch einmal bedanken, dass ihr mich aus dieser schrecklichen Situation befreit habt.“ schleimte Charles mal wieder, ohne mich eines Blickes zu würdigen. „Ihr werdet wieder dorthin kommen, Master Lee! Was dachtet ihr?“ meinte ich jetzt in meinem kalten Ton und sah ihm in diese hellen widerlichen Augen. „Ich denke, das wird dann euer Gatte zu bestimmen haben! Habe ich nicht recht, Master Kenway?“ fragte er an meinen Templer gewandt mit der Erwartung einer Zustimmung! „Charles, meine Frau hat Recht. Sobald wir hier durch sind, werden wir euch wieder zurück bringen!“ auch er war nicht gewillt, diesem Herren nur die geringste Kleinigkeit zuzugestehen. „Wie ihr meint!“ kam es maulig von Lee und er funkelte mich böse an.
Als wir an unserem Treffpunkt ankamen, war noch niemand zu sehen. Haytham schloss die Tür zum Anwesen auf und wir betraten die dunkle Eingangshalle, es war ein wenig unheimlich, in diesem Haus war ich noch nicht. Wir aktivierten beide unsere Blicke und kurz darauf gab mein Mann für mich Entwarnung, leider war mein Sinn nicht so weit entwickelt wie seiner. Mittlerweile sah er auch in einem sehr weiten Radius entsprechende Auren, was erschreckend war, wenn ihr mich fragt. „Alex, hier ist niemand und es war auch niemand in diesem Gebäude!“ sprach er leise und wir gingen in den hinteren Bereich Richtung Küche, von dort führte eine schmale Steintreppe in den Keller, wo ursprünglich die Vorräte gelagert wurden. Im Moment war dort ein provisorischer Besprechungsraum. Ecke Fleet Street und Bride konnten wir uns nicht treffen, da dieser kleine Templerstützpunkt bereits überrannt worden war und durchgehend überwacht wurde.
„Master Lee, entzündet die Fackeln und räumt den Tisch frei für die Karten!“ befahl ich ihm und wandte mich um, weil ich den Stadtplan aus meiner Tasche holen wollte. „Macht es selber, ich bin nicht euer Laufbursche!“ kam es kalt von ihm. „Oh doch, das seid ihr! Und wagt es nicht, mir zu widersprechen. Ich bin euch übergeordnet. Und ihr wisst, was mit einem ungehorsamen Bruder passiert?“ fragte ich lauernd und sah zu ihm auf, seinem Blick hielt ich mittlerweile locker stand. „Wir werden ja noch sehen...“ doch zu mehr kam er nicht, Haytham erschien hinter mir. Und schon schwang seine Boshaftigkeit in Unterwürfigkeit um und er machte sich daran hier unten für Licht zu sorgen!
Es dauerte nicht lange, da erschienen die informierten Brüder und Schwester, sie allesamt waren bereits schwer bewaffnet, was ich wieder einmal sehr beeindruckend fand. Die Vorstellung ging ohne groß auf die Etikette zu achten über die Bühne und wir konnten mit den Einzelheiten anfangen. Insgesamt waren etwa 25 Personen hier erschienen und es gäbe dann noch weitaus mehr Unterstützung, weil jeder noch mindestens 3 oder 4 untergeordnete kämpfende Templer unter sich hatte. Sehr zufriedenstellend wie ich fand.
„Wir haben die Nachricht erhalten, dass sich der Großteil dieser Assassinen direkt hier in der City befindet. Wir haben einige leerstehende Gebäude ausgemacht, wo sie sich aufhalten oder aufgehalten haben. Eure Aufgabe ist es jetzt, diesen Hinweisen nachzugehen und, ich betone es extra, ohne zu fragen kurzen Prozess mit ihnen zu machen. Wir brauchen keine Antworten mehr, man hat uns deutlich gemacht, was man von dem britischen und auch kolonialen Ritus hält. Ich bin nicht mehr gewillt, das einfach so hinzunehmen!“ sprach Haytham die Anwesenden an und war komplett in seiner Templerrolle, er war ihr Großmeister! Mich würde man sicherlich auch irgendwann akzeptieren, doch hier und jetzt war nicht der geeignete Ort oder die Zeit für derlei Gedanken!
Sie alle wurden eingeteilt in den einzelnen Abschnitten Stellung zu beziehen und die Assassinen-Unterschlüpfe auszuräuchern. Wir wussten unter anderem von einem ganz in der Nähe gelegenen Lagerhaus, wo sich seit ein paar Tagen zwielichtige Gestalten herumtrieben. Dort würden wir mit 5 weiteren Mitgliedern für Ordnung sorgen und zwar heute Nacht! „Master Kenway, wisst ihr, wie viele von diesen Bastarden sich dort herumtreiben?“ fragte eine Dame, ungefähr Mitte 20. „Nein, dass wird sich erst zeigen, wenn wir vor Ort sind!“ kam es kalt von Haytham und damit hatte sich das erledigt für ihn.
„Master Lee, sorgt bitte noch für Munitionsnachschub, solange wir hier sind. Dort drüben sind Materialien! Und vergesst nicht, die Rauch- und Splitterbomben entsprechend zu verteilen.“ meinte ich an diesen Widerling gewandt, welcher mich wieder giftig ansah. „Ihr könnt es nicht sein lassen, Weib, oder?“ knurrte er mich an. „Wenn ihr mich noch einmal so ansprecht, landet ihr schneller wieder in einer Zelle, als euch lieb ist! Und dann werde ICH eure Unterbringung veranlassen, mit meinem persönlichen Service, Charles!“ fauchte ich ihn an und er bekam große Augen, machte auf dem Absatz kehrt und tat wie ihm geheißen ward.
Es wurden noch die entsprechenden Abschnitte eingeteilt und Leute zugeordnet. Der Zugriff sollte jedoch nur erfolgen, wenn sie sicher waren, dass es keinerlei Überraschungen mehr geben könne. Doch diese Sicherheit konnte ihnen niemand zu hundert Prozent geben, nicht, wenn wieder die Isu oder irgendwelche Götter mit anwesend waren. Sie alle bekamen jetzt noch die entsprechenden Bomben! Diese Ablenkungsmanöver waren Goldwert. „Man merkt, wer dich ausgebildet hat, mi sol.“ hatte Haytham vor ein paar Stunden noch zu mir gesagt. Was soll ich sagen? Gelernt ist gelernt!
Wir machten uns jetzt auf den Weg in Richtung dieses ersten Unterschlupfs und ich muss gestehen, ich freute mich darauf, endlich etwas gegen die Plage hier unternehmen zu können. So konnten wir vielleicht Lucius und den anderen auch noch helfen! Und ich hoffte, auch einmal mein Geburtstagsgeschenk nutzen zu können, auch wenn es meinem Mann nicht schmeckte, dass ich so faul war. Das Gebäude stand am Rande einer noch nicht so dicht besiedelten Gegend in der Nähe der St. Paul´s Church und Carter Lane! Mittlerweile hatten sich die zusätzlichen Ordensmitglieder uns angeschlossen und Haytham gab entsprechend Zeichen zum Aufteilen.
Siehst du dort oben die offene Dachluke? Kletter hinauf und inspiziere schon einmal von oben. Wir anderen umstellen das Lager. Und Alex, sei vorsichtig und mach keinen Alleingang! Ist das klar? Hörte ich Haytham in meinem Kopf! Nein, ich gebe Bescheid, wenn die Luft von oben rein ist! Ein letzter Kuss und ich konnte mein Spielzeug einsetzen, der kleine Kletterhelfer brachte mich in Sekunden aufs Dach, wo ich mich fast lautlos abrollte und das Seil wieder an mich nahm. Leise ging ich hinüber zur Öffnung, legte mich auf den Bauch und aktivierte meinen Blick. Ich musste mir einen erschrockenen Aufschrei verkneifen, ich sah eine ganze Horde von roten Auren, grell leuchtend und sie alle waren strategisch gut verteilt im Gebäude. Verdammt! Vorsichtig spähte ich um mich, auf die Idee, dass auch hier auf dem Dach Wachen sein könnten, war ich noch gar nicht gekommen! Doch Odin sei Dank, hier war niemand. Sie befanden sich alle auf den unteren drei Ebenen.
Ich zog mich zurück und konzentrierte mich auf Haytham. Hier oben ist niemand. Sie alle befinden sich im Inneren auf den drei verschiedenen Etagen. Strategisch gut platziert an den Fenstern und den Eingängen. Im Hauptraum im Erdgeschoss befinden sich 20 Mann! Wie es aussieht, alle bis an die Zähne bewaffnet! Insgesamt müssten es um die 45 Leute sein! Sprach ich ihn an. So habe ich es auch gesehen. Danke für den Überblick und jetzt schleiche hinein, aber sei vorsichtig, mi sol. Ich liebe dich! Sagte er nur. Ich dich auch, Haytham! Im Stillen gab ich ihm noch einen Kuss. Ich schlich mich wieder zum Dacheingang und legte mich wieder auf den Bauch. Die eine patrouillierende Wache war ein Stück nach links gegangen und drehte mir gerade den Rücken zu, das nutzte ich aus, um mich durch die Luke nach unten gleiten zu lassen!
Ich konnte mich noch rechtzeitig hinter einer der vielen Kisten hier verstecken, bevor der Mann mich entdecken konnte, er hatte sich abrupt umgewandt und kam in meine Richtung. Ich lehnte hier und aktivierte meine versteckte Klinge. Als ich seinen Schatten sah, schnellte ich um die Ecke meines Verstecks, packte ihn am Kragen und durchtrennte die Kehle. Er war tot, bevor er den Boden berührte. Auf dieser Ebene waren ungefähr 10 Wachen, noch hatten mich die anderen nicht bemerkt und ich zog ihren Kameraden in eine dunkle Ecke, dann setzte ich leise meinen Weg fort, weiter zum nächsten. DER nächste war eine Frau, welche gelangweilt am Geländer der Treppe ins untere Geschoss lehnte. Vorsichtig näherte ich mich ihr von hinten, stieß meine Klinge in ihre Seite und griff gleichzeitig über ihren Mund. Dann fuhr ich noch über ihren Hals mit der Schneide und ließ die Dame langsam auf den Boden gleiten.
So ging es weiter, ich arbeitete mich einmal in die Runde und als ich noch eine rote Aura hier oben sah, vernahm ich von unten plötzlich alarmierte Rufe! Verdammt, das durfte nicht wahr sein. Schnell rannte ich auf den Herren zu, welcher schon auf dem Weg zur Treppe war und stieß ihn mit einem Tritt in den Rücken um. In Windeseile drehte ich ihn auf den Rücken und meine Klinge machte wieder kurzen Prozess mit seinem Hals. Jetzt waren aber alle noch lebenden Assassinen in Aufruhr und ich vernahm wüste deutsche Flüche. Plötzlich stutzte ich, ich vernahm Ausdrücke, welche in diesem Jahrhundert nicht unbedingt Gang und Gebe waren! „Jetzt macht dieses Templerpack endlich fertig! Die sind so unnötig, wie ein Fundbüro in Polen!“ Nein, das konnte nicht wahr sein! Nicht schon wieder solche Idioten, die sich auf eine Reise begeben haben und nicht wussten, was sie tun.
Ich aktivierte wieder einmal meinen Blick und direkt unter mir, am Fuße der Treppe stand jemand und fuchtelte mit den Armen herum. Kurzerhand sah ich mich nach einem Gegenstand um, welchen ich umwerfen konnte, damit die Aufmerksamkeit auf meiner Seite war. Ich sah, dass an der Wand eine Lampe hing, sie brannte nicht, aber der Kolben war aus Glas und ich schmiss sie etwas von mir entfernt an einen Kistenstapel. Zu spät sah ich, dass genau dort eine bereits brennende Petroleumlampe stand und sich das auslaufende Öl im Nu entzündete!
Konnte mir aber egal sein, ich hatte meine Zielperson auf mich aufmerksam gemacht. Der Herr kam herauf und auf die Feuerquelle zu gestürmt, sah sich hektisch nach einem Verursacher um und... oh nein... er hatte den Adlerblick. „Ha! Da versteckst du dich, du Schwein! Komm raus damit wir das wie richtige Männer klären können, oder bist du lieber ein Feigling?“ höhnte er und hatte seine Klinge aktiviert, genauso wie er sein Schwert in der Hand hielt. Langsam löste ich mich aus dem Schatten und ging auf ihn zu. „Ach nein, ich habe die Ehre mit der Templerhure persönlich kämpfen zu dürfen!“ hörte ich ihn lachend sagen auf deutsch. „Oh, ich bin gerne eine Templerhure, wenn ich solch nerviges Pack wie euch vom Erdboden tilgen kann!“ fauchte ich zurück und ging weiter! Er stürmte auf mich los und ich muss sagen, er war gut! SEHR gut!
Die Schläge, die ich einstecken musste, waren nicht ohne, aber ich hatte schnell in meinen Kampfrhythmus gefunden und tänzelte um ihn herum. Er traf mich, keine Frage! Doch nie wirklich ernsthaft und ich ließ ihn machen. „Komm schon, mehr hast du nicht drauf? Was bist du doch für eine Lusche! Sag schon, woher kommst du? Aus einem Überraschungsei?“ ich wollte wissen, ob er wirklich aus meiner Zeit stammte. Bei jedem Wort sah er mich verständnisloser an. „Es stimmt, du bist wirklich hier! Geil... und ich kann dich platt machen! Was haben wir uns doch darauf gefreut!“ Aha... also gab es Assassinen aus meiner Zeit, welche mich lieber tot sehen wollten! Großartig! Ich hoffte, dass ich ihn oder irgendjemand einen noch am Leben ließ, damit wir doch noch ein paar Antworten bekamen. Ich musste wissen, WER sie geschickt hatte und WIE sie an diese Zeitreiseartefakte gekommen waren! Es konnten nicht nur die Russen sein!
Langsam verstummte von unten der Kampflärm, doch wir hier oben hatten allmählich mit erheblicher Rauchentwicklung zu kämpfen. Das Husten brachte meinen Gegner aus dem Konzept und er suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Wir waren jetzt einmal über diese obere Galerie herum, die Treppe war auf der gegenüberliegenden Seite und auf das Dach käme er so nicht, es gab keine Klettermöglichkeit. Hinunterspringen wäre nicht unbedingt tödlich, aber es würde zu diversen Knochenbrüchen führen. Und dann rannte er einfach los, stieß mich im vollen Lauf zur Seite und hielt auf die andere Seite zu. Konnte man den Haken nicht auch noch anderweitig nutzen?, kam es mir in den Kopf und ohne weiter nachzudenken zielte ich auf seine Beine und schoss den Haken ab.
Schreiend sackte mein Widersacher zusammen und hielt sich die Kniekehle. Ich hatte gut getroffen und eilte auf ihn zu, während er nach seinen Kameraden brüllte. Doch die waren sehr dezimiert und wenn ich es jetzt so betrachtete, nicht mehr vorhanden. Als ich über ihm aufragte, wollte er schon mit der versteckten Klinge zu stechen, aber das sah ich voraus und drehte mich schnell zur Seite. Dann trat ich mit meinem Fuß auf seinen linken Arm und verlagerte mein Gewicht darauf, ein weiterer Schmerzensschrei sagte mir, ich tue das richtige.
„Und jetzt rede du kleines Arschloch. Wer hat euch hierher geschickt?“ maulte ich den Mann unter mir an. „Bring mich einfach um, ich habe keine Angst vorm Sterben!“ grinste er mich mit blutigen Zähnen breit an. Ah, noch so ein Kamikaze-Assassine! Gab es so etwas überhaupt? „Nein, das werde ich garantiert nicht tun. Wo bliebe da der Spaß? Aber wir können das auch gerne anders regeln.“ mit meinem anderen Fuß trat ich auf seine Körpermitte, direkt in seine Kronjuwelen und ließ ihn meine Hacke spüren. Mit Genuss hörte ich ihn aufjaulen und schwer atmen. Sein rechter Arm war immer noch frei fiel mir auf und ich stieß mein Schwert hinein und stützte mich darauf. „So, noch einmal, Schätzchen! WER hat euch geschickt und was sollt ihr euch unter den Nagel reißen!“ brachte ich in meinem abgeklärten kalten Ton raus, mittlerweile hatte sich auch wieder mein Ruhemantel über mich gebreitet.
Die Rauchentwicklung wurde immer schlimmer, doch wir konnten von Glück reden, dass die Dachluke immer noch offen war. Aber von draußen drangen mittlerweile auch schon Stimmen zu uns, welche „FEUER!“ riefen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis hier eingegriffen wurde. Wir mussten uns beeilen!
„Du blöde Schlampe! Man hätte dich bei deiner Geburt schon verrecken lassen sollen!“ brüllte er mir jetzt entgegen! „Ja, das hätte man... aber ich bin hier, du bist hier! SPRICH!“ meine Geduld währte nicht ewiglich merkte ich und drehte mein Schwert in der Wunde und trat noch einmal in seine besten Teile! Der Herr drehte sich zur Seite und erbrach sich, als er keuchend wieder zu mir aufsah, konnte ich in seinen Augen diese Erkenntnis sehen, als ihm klar wurde, dass ich nicht klein beigeben werde! „Ich warte immer noch, du kleiner Stiefellecker!“ und ich verlagerte wieder ein bisschen mehr Gewicht auf seinen linken Arm. Wieder stöhnte er auf.... „Alex, es reicht! Wir nehmen ihn mit und...“ hörte ich Haytham, doch dieser Idiot unter mir unterbrach ihn. „Na holla... Haytham Kenway persönlich!“ die Worte kamen mehr gehechelt als gesprochen, doch ich musste an mich halten, nicht zu lachen. Er klang wie so ein kleiner Fanboy!
„Ja, der bin ich! Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ kam es von meinem Mann in so einem ironischen Tonfall, dass ich befürchtete unser Gefangener würde gleich einen Edding und eine Autogrammkarte zücken. Plötzlich trat Charles neben seinen Großmeister und zu spät sah ich, dass er seine Pistole gezogen hatte! Er drückte ab und traf... mitten ins Gesicht und es war ein widerlicher Anblick! Nicht nur der des Toten, sondern auch der von Charles.
Ich riss mein Schwert aus dem Arm des Toten und stürmte auf Lee los! „Ihr Idiot! Wie blöd seid ihr eigentlich? Wir hätten ihn fast...“ doch ich musste husten und brachte meinen Satz nicht zu Ende. „Mistress Kenway, zeigt ein wenig mehr Dankbarkeit, immerhin habe ich euch gerettet! Alleine...“ jetzt war mein Mann auch neben mir und ich spürte, wie er sich zusammenreißen musste. „Master Lee, WAS in Gottes Namen sollte das? Habe ich euch eigentlich überhaupt nichts gelehrt!“ schrie er ihn an! In Lees Gesicht sah ich abwechselnd Belustigung, Unverständnis und vor allem Befriedigung! Dieser Mann war einfach... nicht zurechnungsfähig, würde ich behaupten! „Wäre ich nicht gewesen...“ wieder durfte er nicht aussprechen. „Ihr seid doch echt zu dämlich, Charles!“ maulte ich ihn an und ging jetzt schnell die Treppe hinunter, hier oben konnte man schon nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Wir konnten von Glück reden, dass hier weder Baumwolle noch sonst irgendwie großartig brennbare Stoffe gelagert wurden.
Mein Blick zeigte mir, dass alle anderen bereits draußen waren, hier im Inneren war keine Aura mehr wahrzunehmen. Ich sah im hinteren Teil des Erdgeschosses aber eine Art Büro und ging darauf zu. Die Tür war verschlossen, doch es war eine billige Holztür, mit einem Tritt war sie offen und ich betrat den Raum. Langsam kroch der Brandgeruch auch hierher und der Rauch folgte mir. Ich durchwühlte schnell die Schubladen des Schreibtisches und durchsuchte noch die Regale, aber ich fand nichts. Das hier war wirklich lediglich ein Zwischenstopp für sie, kein Hauptquartier, wobei ich bezweifelte, dass sie so etwas überhaupt hatten. Frustriert musste ich mir eingestehen, dass ich mal wieder versagt hatte und riss einfach wahllos Dinge aus den Regalen und trat mit Wucht gegen den Schreibtisch! In diesem Moment hörte ich ein Klicken und dachte für einen Moment, dass es von brennendem Holz herrührte.
Ich ging aber einem Instinkt folgend um den Schreibtisch und sah, dass sich ein Fach geöffnet hatte. Die Arbeitsfläche war angehoben und man konnte sie aufklappen. Darin befanden sich Notizbücher, Schriftrollen und, wie leichtsinnig, ein Handy. Ich schaltete es an und natürlich, es war mit Fingerabdruck geschützt. Verdammt, so gut kannte ich mich damit nicht aus und hatte auch niemanden hier der Experte darin war. Doch dafür war jetzt keine Zeit und ich schnappte mir den Inhalt dieses Geheimfaches und ging eiligen Schrittes nach draußen. Dort hatte ich schon meinen Mann gesehen, oder besser seine Aura, welche zu vibrieren schien.
Kurz bevor ich jedoch nach draußen konnte, krachte der obere Teil des Lagerhauses ein, welcher die zweite Etage jetzt in Flammen setzte. Und dort befanden sich anscheinend doch leicht brennbare Dinge und in null-Komma-nix stand alles in dem Bereich in Flammen. Ich rannte jetzt einfach los, weil ich Angst hatte, dass mich ein brennender Balken sonst noch treffen würde. Draußen an der frischen Luft atmete ich tief durch und wurde von den Schaulustigen neugierig beäugt. „Mam, geht es euch gut, braucht ihr Hilfe?“ mit diesen Worten eilte ein Herr auf mich zu, doch Haytham war schneller. „Meiner Frau geht es gut, sie ist nur etwas verwirrt, ihrer Familie gehörte dieses Lager und... ihr seht ja, Sir. Die Verluste werden nicht wieder gut zumachen sein!“ der andere Herr sah mich bedauernd an und wandte sich dann ab.
„Wir sollten hier einfach verschwinden, es gibt hier nichts weiter. Ich habe ein paar Sachen aus dem Büro retten können, doch es wird etwas dauern, bis ich das Handy entsperrt habe.“ plapperte ich etwas atemlos vor mich hin und sah in die Runde. Nur eine Person hatte es von unseren Leuten nicht überlebt, was mir persönlich sehr leid tat. „Alex, wir werden jetzt zum Treffpunkt zurückkehren und dann auf die anderen warten. Wir müssen wissen, was sie in Erfahrung bringen konnten.“
In dem verlassenen Haus angekommen, donnerte ich Charles genervt entgegen, dass er sich gefälligst nützlich machen solle und etwas zu Trinken bringen sollte. „Macht schon, ich habe Durst, oder wollt ihr, dass euer Großmeister auch noch verdurstet?“ pöbelte ich ihn an. Ich muss gestehen, es machte mir wahnsinnige Freude ihn so zu scheuchen. Ich hätte ihn gerne auf der Plantage, der dürfte mir mein Wasser bringen, Luft zu wedeln und mir die Füße küssen... entschuldigt... ich weiche ab. „Ihr werdet schon noch sehen, was ihr davon habt, Weib!“ kam es hinter zusammen gebissenen Zähnen von ihm. „Hatte ich euch nicht gesagt, ihr sollt mich nicht so betiteln?“ ich stand nur Millimeter von ihm entfernt. In diesem Moment ließ ich meine Klinge hervorschnellen und wollte schon zustechen, als mich eine Hand aufhielt!
„Charles, geht...!“ mehr sagte Haytham nicht und der Hundefreund verpieselte sich mit eingezogenem Schwanz, nur um kurz darauf wieder zu erscheinen mit den Getränken. „Ich will ihn leiden sehen, Haytham!“ rutschte es mir aus dem Mund. „Ich weiß, Alex. Doch das geht nicht so einfach. Wenn wir hier fertig sind, geht er in seine Zelle zurück. Wir müssen der Justiz alles andere überlassen.“ versuchte mich mein Mann zu überzeugen! „Wenn ich dir sage, dass er...“ bevor ich reagieren konnte, hatte ich seine Hand auf meinem Mund. „NEIN! Sprich nicht weiter. Es ist etwas was du schon weißt. Wer weiß, was wir damit herauf beschwören!“ er hatte recht, doch diese Geste warf wieder Bilder aus den Katakomben in meinen Kopf und ich fing an zu zittern. „Entschuldige. Ich hatte nicht daran gedacht!“ und Haythams Arme legten sich um mich.
„Ich werde die Notizbücher jetzt durchsehen und schauen, ob ich das Handy entsperren kann. Vermutlich ist es nicht so einfach, wie mit der Kiste bei meinem Ex damals.“ ich versuchte ein neutrales Lächeln und mich mit diesen Worten abzulenken, doch es gelang mir nicht. Die Bilder wollten nicht verschwinden! Die Assassinen, die Kanalisation, das seichte Geplätscher des Wasser und plötzlich hatte ich wieder diesen Geschmack im Mund... ich schaffte es nicht mehr über die in der Ecke stehende Waschschüssel... Mi sol, es tut mir leid. Ich wollte nicht... verdammt! Verzeih mir, bitte. Es war unbedacht von mir! Hörte ich ihn flehend in meinem Kopf. Meine Finger strichen nur über seine Wange und ich versuchte meinerseits ein Lächeln. Damit werde ich wohl leben müssen, mach dir keine Vorwürfe. Hauptsache, DU bist dann bei mir. Mehr will ich nicht, mi amor! Mehr konnte ich nicht sagen, weil plötzlich dieses Handy zu vibrieren begann in der Tasche auf dem Tisch.
Alle umstehenden Damen und Herren sahen erschrocken auf den Beutel. Haytham deutete ihnen, sich zu gedulden und zurückzutreten. Ich nahm das Mobiltelefon in die Hand und sah, dass eine Benachrichtigung darauf war. WIE war das ohne Satelliten, ohne Internet oder allem anderen möglich? Es war anscheinend eine Erinnerung an ein Treffen! Leider konnte ich nicht mehr lesen. Ich konnte es nicht öffnen! Die anderen fingen an, sich über den Übergriff zu unterhalten und jeder wartete auf die anderen Gruppen, welche vermutlich im Laufe der nächsten Tage erst Bericht erstatten konnten. So schnell konnte man nicht vorpreschen.
„Charles, seht zu, dass die Sauerei weggemacht wird. Eimer und Lappen findet ihr oben in der Küche. Und beeilt euch gefälligst.“ maulte ich Lee an, in seinem Gesicht war wieder diese Genugtuung aufgetaucht. Der Mann war einfach nicht ganz richtig! Vielleicht könnte ich ihn ja auch später noch weiter ärgern, jetzt hatte ich keine Zeit dafür.
Ich sah mir also die Aufzeichnungen an, las in dem Notizbuch und Kalender... „Wir müssen sie aufhalten … es darf nicht zu einem Bündnis kommen … sie muss gestoppt werden … diese Frederickson ist wie ein Furunkel, man wird es nicht los!“ … und so weiter... Ein eigenartiges Gefühl stieg in mir auf. Wut, Traurigkeit und ich fühlte mich beschämt. So ist es also, wenn man erfuhr, dass sich andere mit seinem Leben beschäftigten? WAS hatte ich ihnen getan? Aber ich las weiter. Immer wieder wurde Eugene genannt, die Russen waren uns nicht wohlgesonnen und hatten eine ganz eigene Fraktion der Assassinen. Diese ließ sich nicht mit Kompromissen abspeisen, sondern forderte Resultate! Jetzt hieß es nur noch das Artefakt finden, damit ich diese Reisen hierher unterbinden konnte und dann? Ich musste es unter Verschluss halten... ich durfte kein Wort darüber verlieren, weder in meinen Tagebüchern noch sonst wo...
Mir kamen Faiths Worte in den Sinn. „Soll ich mein Wissen schriftlich niederlegen? Das ist zu gefährlich!“ Bei Odin... sie hatte Recht! Jetzt hieß es abwägen, was man kundtat und was man lieber für sich behielt! Ich atmete tief durch und fing an zu überlegen. Mein Kind, du musst nur an unsere Sache glauben. Du weißt jetzt, was deine Bestimmung ist und wer dir treu zur Seite stehen wird. Diese Fraktion der deutsch-russischen Assassinen haben mit unserem Tun nichts mehr gemein. Sie dürfen nicht an die Schwerter kommen! Und was noch viel wichtiger ist, bedenke die Suche nach dem Edenapfel von Idun. Du wirst ihn brauchen! Dröhnte mir Odins Stimme plötzlich im Kopf! Für einen Moment musste ich mich an die Tischkante klammern, ich drohte umzufallen. Immer wenn ER auftauchte, war es wahnsinnig anstrengend.
Für heute beschloss ich, dass ich genug hatte und nahm die Beute an mich. 4 Leute blieben noch über Nacht hier, um die anderen Brüder und Schwestern in Empfang zu nehmen, sie waren etwas weiter weg unterwegs. Im Laufe des nächsten Tages würden wir hier wieder erscheinen und noch einmal beraten. Im Moment wären es nur Spekulationen, nichts weiter. „Ich wünsche euch allen eine geruhsame Nacht. Möge der Vater des Verstehens euch leiten!“ verabschiedete Haytham sich von unseren Verbündeten. Langsam gingen wir hinauf und ich war immer noch in Gedanken versunken. „Ich habe gehört, was Odin dir gesagt hat, Alex. Warum gerade dieser Edenapfel? Warum jetzt?“ etwas überrascht sah ich meinen Mann an. „Oh, ich vergesse immer, dass du es ja auch hörst. Ganz ehrlich? Ich habe gerade keine Ahnung, eigentlich hatte ich dieses Artefakt ja schon und es ist in meiner Truhe...“ plötzlich spürte ich wie Panik in mir hochkam! Damals im Fort Arsenal, wo uns jemand versucht hatte zu berauben! War es wegen dieses Edenapfels, suchten sie ebenfalls schon danach? Und wenn ja, warum hing Zoe mit drin und...
Erwähne diesen Namen nicht mehr! Sie wurde von anderen Menschen fehlgeleitet und hinterging mich! Sie hat mit ihren Leuten versucht an diesen Gegenstand zu kommen und sie ist im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gegangen! Dennoch ist es nicht der „richtige“ Apfel, welcher sich in deinem Besitz befindet. Diese Stimme dröhnte wieder unerträglich, er war wütend, das konnte ich spüren. Aber wo soll ich mit der Suche beginnen? Ich erhielt keine Antwort mehr darauf! „Verdammte Scheiße!“ fluchte ich vor mich hin und bekam auch gleich ein entrüstetes „ALEX!“ von Haytham hinterher. „Entschuldige, aber ist doch wahr! Warum muss man immer so kryptisch mit mir reden? Wie wärs mit einer klaren Ansage, die kommt immer gut an!“ und ich war in meine alte Sprache gerutscht...
Master Lee sah mich mit großen Augen an und schüttelte dann nur den Kopf. „Haltet einfach euren Mund und geht weiter.“ maulte ich ihn an und eilte voraus ins Freie. Für einen Moment stand ich einfach da, atmete tief ein und langsam beruhigte ich mich auch wieder. Leider meinte Charles mich wieder nerven zu müssen. „Verzeiht meine Frage, Master Kenway, aber wo werde ich nächtigen?“ in seinen Augen las ich die Hoffnung, dass er bei uns unterkommen würde. Nur hatte Lee nicht mit unser beider Abneigung gerechnet. „Ihr werdet wieder in eure Zelle gebracht. Was dachtet ihr denn, Master Lee? Eure Strafe ist noch längst nicht verbüßt! Wir werden sicherlich wieder auf euch zurückkommen. Verlasst euch darauf!“ meinte Haytham in dieser Vorgesetztenrolle und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Wie ihr wünscht!“ kam es zerknirscht von ihm und seine Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten. In mir tobte eine wilde Schadenfreude, wenn ich das so sagen darf!
Wir verfrachteten also den Delinquenten wieder ins Gefängnis und machten uns auf den Weg nach Hause. Meine Laune war etwas gestiegen, doch so langsam breitete sich Müdigkeit in mir aus und ich freute mich auf unser Bett! „Mi sol, so habe ich dich lange nicht mehr erlebt.“ grinste mich Haytham an und nahm meine Hand. „Manchmal braucht es nur Kleinigkeiten um mich zum Lächeln zu bringen. In diesem Falle war es ein hinter Gittern hockender Lee!“ lachte ich und mein Mann stimmte mir zu, dass es wirklich ein netter Anblick war. Für einen Moment fragte ich mich, ob es nicht noch irgendwo einen Kerker oder so etwas in der Art gab, wo er... Aber nein, mein kleines Teufelchen bleibt wo es ist und wird nicht raus gelassen. NOCH nicht, vielleicht ja irgendwann einmal.
Als wir beim Anwesen ankamen, brannte noch Licht im Salon, was eigentlich ungewöhnlich ist. Unsere Wachen schlichen voran und spähten durch die Fenster, gaben aber sofort Entwarnung. Es war Jenny, welche noch auf war und in einem Buch las! Mein Herz hatte trotzdem für einen Moment ausgesetzt, die Angst um Edward war wieder da! Wir traten ein und rissen meine Schwägerin förmlich von ihrer Lektüre weg. „Du meine Güte, habt ihr mich erschreckt!“ meinte sie mit einer Hand auf dem Herzen und leicht schnaufend. „Entschuldige Jenny, das war nicht unsere Absicht. Wir haben uns aber auch für einen Moment erschrocken, dass hier noch jemand wach ist.“ beruhigend tätschelte Haytham ihre Schulter. „Ich weiß nicht, aber die ganzen Ereignisse lassen mich im Moment nicht wirklich schlafen. Da dachte ich, kann ich auch einfach meinen Geist in ferne Welten reisen lassen!“ grinste sie, legte aber das Buch beiseite. „Jetzt wo ihr wieder zurück seid, werde ich aber ins Bett gehen. Und... wie seht ihr denn aus? Wo ward ihr... und warum umgibt euch der Geruch von Rauch?“ erst jetzt war es ihr aufgefallen und mir selber wurde klar, dass unsere Garderobe gruselig aussehen musste. In kurzen Worten erklärte ich ihr, was vorgefallen war und erntete ein Kopfschütteln.
Mein Mann holte noch den obligatorischen Bericht der Wachen ein, welche aber von keinen Vorkommnissen sprachen. So konnten wir diese Nacht beruhigt antreten! Oben angekommen, half mir Magda schnell aus der Montur und ich bat sie, diese auch gleich morgen zu waschen. Ich würde sie vermutlich schneller wieder brauchen als mir lieb ist, befürchtete ich. Als ich ins Schlafzimmer kam, saß Haytham bereits zugedeckt am Kopfende und starrte vor sich hin. Ich krabbelte aufs Bett und lehnte mich an ihn, sein Arm legte sich um mich und ein tiefer Seufzer ertönte. „Was ist los, mi amor? Worüber denkst du nach?“
„Diese Assassinen, nicht alle, aber ein Großteil, kam aus deiner Zeit. Ich versuche zu ergründen, wie wir an den Armreif gelangen können, um sie zu stoppen. Leider befürchte ich, dass sie ihn nicht hier haben. Für so einfältig halte ich diese Leute nicht. Sie sind gut ausgebildet und verstehen ihr Handwerk. Zusammen mit den hiesigen Assassinen könnten sie eine Bedrohung werden.“ in seinem Gesicht sah ich die Sorge, die gleiche wie ich sie auch hatte. Wenn wir nicht schnell genug handeln, könnten immer mehr dazukommen und was dann? „Ich werde mir morgen in Ruhe noch einmal die Aufzeichnungen und Notizen ansehen und dann versuchen, dass Handy zu entsperren!“ meinte ich leise und musste mir ein Gähnen verkneifen. „Darf ich dabei sein? Ich würde gerne sehen, wie es funktioniert!“ kam es neugierig wie ein kleiner Junge von Haytham. „Natürlich darfst du, meinetwegen kann auch unser Sohn dabei sein. Es ist ja kein Zaubertrick bei dem etwas explodieren könnte!“ kicherte ich und gab meinem Mann einen Kuss. Dann rutschte ich etwas runter und mein Arm und Bein umklammerten ihn, damit er mir nicht davon lief!
„Ich bleibe hier, keine Sorge, mi sol!“ sagte er leise und küsste meine Stirn. Ich bekam noch mit, wie er uns zudeckte und mich fest an sich drückte, dann war ich auch schon eingeschlafen.
Die Nacht war zu kurz, oder der Morgen kam zu früh. Eins von beiden musste es gewesen sein und meine Laune war nicht gerade die Beste. Ich spürte etwas auf mir herum krabbeln und dann patschte eine kleine Hand mitten in mein Gesicht! „Och Edward... aua... Warum bist du schon wieder wach, min lille skat?“ maulte ich immer noch mit geschlossenen Augen. „Mamaaaaaaaaa“ ich legte meine Arme um meinen Sohn und gab ihm einen Kuss auf den dunklen Haarschopf. „Na endlich! Wir dachten schon, du wolltest den ganzen Tag verschlafen. Stimmt es nicht, Edward?“ hörte ich Haytham neben mir amüsiert sagen. Ich sah die beiden Herren in meinem Bett vorwurfsvoll an, doch dieser Blick funktionierte irgendwie nicht. „Ich bin ja wach und ich stehe auch gleich auf.“ brachte ich gähnend heraus, was mein Sohn mir auch gleich nachmachte und dann mit Daumen im Mund auf meiner Brust lag.
„Na komm, mein Sohn. Lass deine Mutter wach werden und wir beiden ziehen uns schon einmal an!“ damit nahm er Edward von mir herunter und ging Richtung Ankleidezimmer. Haytham... nur Handtuch... oder eben oben ohne... und das ohne Kaffee am frühen morgen... Mehr muss ich wohl nicht sagen, oder? „Ich kann dich denken hören, Alex. Hol deine Gedanken aus der Gosse!“ lachte mein Mann und ich hörte noch, wie er unserem Sohn zuflüsterte, er solle später nicht so ungezügelt werden wie ich. „Ich kann dich hören, mi amor. Taub bin ich noch nicht!“ na schön, dann sollte ich wohl auch aufstehen. Mrs. Wallace erschien gerade um ihren Schützling anzuziehen.
Nach dem Frühstück ging ich mit meinen beiden Männern in das Arbeitszimmer und fing an, mich durch ein paar Notizen zu wühlen, in der Hoffnung auf einen Pin oder ähnliches fürs Handy zu stoßen. Leider fand ich nichts, aber dann kam mir der Gedanke, dass ich mein eigenes Handy mit diesem koppeln könnte und so in der Lage sei, dieses vermaledeite Gerät zu entsperren. Ich holte aus meiner gesicherten Truhe mein Mobilfunkgerät und einige Kabel, damit setzte ich mich wieder hinter den Schreibtisch. Beide Kenways sahen mir fasziniert zu, nur einer wollte ständig mit seinen gierigen kleinen Händchen mitmischen. „Woher weißt du, wo du diese Dinger reinstecken musst?“ fragte mein Mann während er mir genauestens dabei zusah.
In dem Moment kam mir ein anderer Gedanke, könnte er nicht mit seinem Blick sehen oder herausfinden, wie der Pin lautete? Doch ich verwarf ihn gleich wieder! „Nein, Alex du hast Recht. Das könnte ich ja einmal probieren!“ dann starrte er für einen Moment auf das Gerät. Dann wanderte sein Blick hinauf zu mir. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Haytham, was ist los?“ fragte ich etwas verunsichert. „Nichts, ich wollte nur sicher gehen, dass du es bist!“ meinte er immer noch breit grinsend. Leider hat es nicht funktioniert, verdammt. „Edward, du beobachtest deine Mutter auch, wie ich sehe! Was siehst du?“ Leider konnte er ja nicht antworten, oder doch schon, leider verstanden wir unseren Sohn noch nicht. Seine blaugrauen Augen leuchteten und auf sein Gesicht trat ein erstaunter Ausdruck. Mit offenem Mund sah er mich an „daaaa“ und Edward zeigte auf mich. Ich seufzte und betrachtete meinen Sohn, welcher jetzt hibbelig auf dem Schoß seines Vaters herum rutschte.
„Es ist immer noch faszinierend zu sehen, wie ähnlich ihr euch seid, Haytham.“ meine Stimme stockte etwas, weil ich wieder spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. „Papaaaaa“ und der Kleine zog sich am Halstuch seines Vaters hoch und stand dann auf seinen eigenen Beinen, etwas wackelig noch. Mein Templer nahm kurz seine Hände von Edward und dieser blieb so auf dem Schoß stehen. „Ich glaube, wir sollten jetzt hier im Haushalt alles an Tischwäsche wegräumen, Haytham!“ lachte ich, aber sah gleichzeitig fasziniert und stolz auf unseren Sohn. „Warum?“ kam es verständnislos von meinem Mann. „Dein Sohn wird sich versuchen überall hochzuziehen, an Tischdecken, Vorhängen, Bettdecken... einfach an allem, was er zu packen bekommt. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung und Jenny würde sicher gerne ihre Vasen und Porzellanfiguren noch länger behalten wollen!“ klärte ich den Großmeister lachend auf. Mit einem Plumps kippte Edward nach vorne auf Haythams Brust und gluckste weiter vor sich hin.
Beide kamen jetzt um den Schreibtisch um mich besser beobachten zu können. Wir hatten ja noch etwas vor! Die Geräte waren mit dem Kabel verbunden und ich dankte mal wieder dem Mainstream, dass es die gleichen Marken waren! Über mein Handy wählte ich mich ein und ließ das andere mit einer Software durchforsten. Eine interessante Möglichkeit, wenn man mal sein Passwort vergessen hatte oder in diesem Falle der Fingerabdruck nicht möglich war, nicht ganz legal, doch das war wohl ziemlich egal gerade. Endlich hatte ich den Zugriff und konnte die einzelnen Ordner sehen, von Bildern bis hin zu Emails, war alles unverschlüsselt lesbar. Diese Brüder und Schwestern gingen aber sehr leichtsinnig mit ihrer Korrespondenz um und nicht alles wollte ich lesen.
Ich durchforstete die Bildergalerie, aber das meiste davon waren Selfies von mir völlig unbekannten Personen. Haythams Augen wurden immer größer, auch Edward sah gebannt auf das Display. „Alex, da sind einige Leute zu sehen, welche jetzt in der Asche des Lagerhauses liegen.“ kam es leise von meinem Mann. „Hatte ich mir schon gedacht...“ dann stolperte ich über ein Bild, wo ein Mann vor einem leuchtenden Ball stand. Auf den anderen Ablichtungen hielt er ihn hoch und er strahlte noch mehr, der Mann UND der Gegenstand wohlgemerkt! Der Edenapfel! Ich zog das Bild größer um die Zeichen besser erkennen zu können! RUNEN! Es waren wieder diese alten Schriftzeichen darauf zu sehen! Jedoch prangte zwischen ihnen ein anderes Symbol. Eine Sonne!
Entsetzt legte ich das Handy beiseite und ging noch einmal zur Truhe, holte den Kasten mit dem Artefakt, welches ich für Iduns gehalten hatte, heraus. Darin befand sich immer noch dieser Apfel und als ich ihn herausfischte, begann er auch leicht zu leuchten. Die Zeichen waren tatsächlich völlig andere als auf dem gerade gesehenen. „Haytham, das hier ist wirklich nicht der richtige Gegenstand. Verdammt, ich habe damals nicht mehr auf die Zeichen geachtet. Was, wenn doch jemand diesen hier nachträglich ausgetauscht hat? Aber wie sollte dieser jemand die Truhe geöffnet haben, dass geht nur über meinen Fingerabdruck oder eben noch Yannicks.“ Die Panik von gestern kam wieder, als ich über Zoe nachgedacht hatte. Oder hatte dieses Zimmermädchen einen Moment abgepasst, als die Truhe offen war?
„Wer sollte sie wann geöffnet haben, Alex? Das ist unmöglich. Im Fort Arsenal war sie im Templerzimmer hinter der Wand und in Virginia in deinem Arbeitszimmer. Oh, ich verstehe. Du denkst gerade unter anderem über den Einbruch im Fort Arsenal nach, oder?“ schlussfolgerte mein Mann richtig. „Genau den. Aber dann müssten diese Leute schon länger hier in dieser Zeit sein und uns im Auge gehabt haben. Der Typ auf der oberen Etage im Lagerhaus, war nicht wirklich überrascht mich zu sehen. Er sagte lediglich, es wäre eine Ehre, dass gerade ER gegen mich kämpfen dürfte. Leider kann ich ihn nicht mehr befragen! Ich könnte gerade Charles erwürgen, weißt du das Haytham?“ Panik und Wut kochten weiter in mir hoch, ich riss mich aber zusammen, weil Edward plötzlich ängstlich in meine Richtung sah.
„Schätzchen, keine Angst. Mommy ist nicht böse auf DICH, sondern auf jemand ganz anderen.“ zur Bestätigung gab ich ihm einen dicken Kuss. Dann griff er nach dem gold leuchtenden Ball in meiner Hand. Als er ihn berührte, wurde das Strahlen intensiver und erhellte den ganzen Raum! Wir starrten alle drei auf dieses Gebilde, als ich bemerkte, dass wir nicht mehr im Arbeitszimmer waren. Uns umgab eine Art schwarzer Nebel, welcher nur durch dieses Licht in Edwards Hand durchbrochen wurde. „Alex, wo sind wir und was machen wir hier?“ wollte mein Mann skeptisch wissen, doch ich konnte ihm auch noch keine Antwort geben. „Das wüsste ich auch zu gerne!“ Ich spürte ein Kribbeln und dann strahlten die Zeichen auf meiner Haut, dieses mal sahen wir sie auch bei unserem Sohn.
Das Ganze war Edward aber nicht geheuer und er fing an schrill zuschreien. Aus einem Reflex heraus, nahm ich das Artefakt wieder an mich. Langsam verblasste das Leuchten, auch die Zeichen auf unserer Haut waren verschwunden. Um uns sahen wir wieder das Arbeitszimmer. Mein kleiner Schatz hörte augenblicklich auf zu weinen und klammerte sich an seinen Vater. „Haytham, hast du etwas erkennen können? Ich meine, auf dem Apfel oder unserer Haut?“ Wenn ich ehrlich sein soll, vor Schreck hatte ich mich darauf nicht konzentriert. „Ein paar Dinge habe ich erkannt, ja. Eigentlich war es, als stünde man in einem ägyptischen Grab und sähe auf Hieroglyphen. Dass allsehende Auge war da, einige Zeilen in hebräisch und kyrillisch und die Runen, welche du mir bereits gezeigt hast, konnte ich auch erkennen. Eine Sonne war aber nicht dabei, kann es nicht auch sein, dass wir dazu nicht den Apfel brauchen, sondern deine Tätowierung?“ ein interessanter Ansatz! Leider ging das ganze jetzt aber in eine Richtung, wo ich nicht hinwollte. Wir mussten das Reiseartefakt eigentlich zuerst finden!
„Oder wir nehmen die Kette, welche ich dem Kapitän der Iron Duke abgenommen habe!“ wie ein Blitz schoss dieser Gedanke in meinen Kopf, dass ich diese achtlos in meinen Ornat gesteckt und danach nie wieder in die Hand genommen hatte. Ich konnte sehen, dass Edward jetzt langweilig wurde, weil er immer wieder nach seinem neuen Spielzeug greifen wollte. „Was hälst du davon, wenn du zu Sybill gehst?“ lächelte ich ihn an und er verzog sein Gesicht und drehte sich von mir weg. „Na komm, Edward. Ich bring dich runter und dann suchen wir dir noch dein Lieblingspferd. Einverstanden?“ meinte Haytham versöhnlich und ging mit ihm hinunter, nach dem mein Sohn noch einen dicken Kuss von mir bekommen hatte.
Ich hingegen ging ins Ankleidezimmer um meinen alten Ornat aus meiner Reisetruhe zu holen. Warum ich ihn mitgenommen habe, kann ich nicht sagen, vielleicht ist eine Art nostalgischer Gedanke gewesen. Jetzt war ich froh, es getan zu haben! Damals hatte ich diese Kette nur an mich genommen, weil man mir sagte, ich solle sie nicht mit untergehen lassen. In der linken Innentasche des Mantels wurde ich fündig und als ich sie in meine Hand nahm, hörte ich wieder ein Wispern. Endlich schenkst du mir Beachtung! Warum hat das so lange gedauert, Kind? Ich starrte auf den Gegenstand in meiner Hand. Ich wusste doch nicht, was ich mit dem Symbol anfangen sollte! Doch das Leuchten erlosch und ich stand reglos im Zimmer, traute mich nicht, mich zu bewegen! Diese Stimme kam mir nicht bekannt vor, Idun klang melodischer, eher wie ein Singsang. Diese hier war männlich und ein wenig herrisch! Gerade als ich mich umdrehte, sah ich Haytham in der Tür stehen, welcher mich anstarrte. „Du machst mir Angst, wenn du mich so ansiehst! Was ist los?“
„Dich umgab für einen Bruchteil einer Sekunde eine leuchtend rote Aura, Alex!“ langsam schritt er auf mich zu, musterte mich aber weiterhin. Mir kamen die Worte meines Traumes damals in den Sinn „Sie treibt ein falsches Spiel mit euch, Kenway“ … ich schüttelte diesen Gedanken ab, er trieb mich wieder in die Katakomben. „Ich verstehe das nicht! Ich habe wieder eine Stimme gehört, als ich die Kette an mich genommen habe. Sie war männlich, erkennen konnte ich sie nicht. Ich weiß nicht, zu wem sie gehört.“ flüsterte ich während ich zu meinem Mann aufsah. „Ich habe sie auch gehört, aber auch ich wüsste nicht, wer es ist. Schon wieder ein anderer Gott? Ich ging davon aus, wir hätten schon genügend.“ kam es zynisch mit dem Blick auf die Kette in meiner Hand gerichtet. „Eigentlich reichen sie mir auch schon, doch was soll ich machen? Aber jetzt ist meine Aura wieder normal, ja?“ fragte ich ängstlich, es könnte ja auch sein, dass ich wieder feindlich leuchtete. „Wie immer, mi sol. Keine Sorge, ich sage dann schon Bescheid.“ ich bekam einen Kuss, bevor wir wieder ins Arbeitszimmer gingen.
Edward war mittlerweile mit Jenny und Mrs. Wallace draußen im Garten. Somit hatten wir etwas Zeit uns mit den Fakten weiter zu beschäftigen. „Wir müssen zum einen nach diesem anderen Apfel suchen und dann auch herausfinden, ob der Armreif zum Reisen hier ist!“ fasste ich meinen Plan in kurzen Worten zusammen. „Vielleicht haben ja die anderen schon etwas mehr erfahren. Wir sollten nach dem Mittagessen zum Treffpunkt fahren und nachschauen.“ still nickend las ich weiter. Diese Stimme ließ mich aber nicht los. „Welcher Gott könnte mit der Sonne zu tun haben, außer Idun und Vishnu, welche ja für die Erneuerung zuständig sind?“ überlegte ich jetzt laut. „Apollon zum Beispiel und es gibt Re, den ägyptischen Gott der Sonne.“ auch Haytham grübelte darüber nach, es gäbe sicherlich noch mehr. Und einen habt ihr völlig übersehen. Meinen Sohn, welchen Loki auf dem Gewissen hat! Donnerte Odins Stimme in meinem Kopf und es fiel mir wie Schuppen aus den Haaren! Natürlich, Balder! Und wieder musste ich mich für einen Moment festhalten, ich hatte dieses Schwindelgefühl, als ich ihn hörte.
„Das ist es, aber warum hat er mich dann nicht schon früher darauf aufmerksam gemacht? Warum jetzt erst?“ sprach ich mehr mit mir selber, doch Haytham antwortete. „Weil du vermutlich auch selber nicht mehr an diese Kette gedacht hast und weil wir bisher keinen Bezug dazu hatten. Vielleicht solltest du dir die Geschichte um ihn noch einmal durchlesen, mi sol.“ Gemeinsam gingen wir hier die Regale durch, auf der Suche nach einem entsprechenden Buch und wir hatten Glück! „Da haben wir es ja schon, die Göttersagen der Nord!“ ich schlug es auf und fing an zu lesen...
Loki findet heraus, dass Frigg die Mistel vergessen hat. Während eines Kampfspiels, in dem die Götter – etwas übermütig wohl schon – auf Balder schießen, um wieder und wieder zu beweisen, dass nichts und niemand auf der Welt ihm ein Leid antut.
Sobald Loki der Mutter des Balder, Frigg, das Geheimnis der vergessenen Mistel entlockt hat, macht er sich in Windeseile auf zu der Eiche, auf der die Mistel wächst. Er bricht einen Zweig der Mistel und kehrt damit zum Kampfspiel zurück.
Der Rest lässt sich wohl denken: Loki schießt nicht selbst auf Balder, sondern überredet dessen blinden Zwillingsbruder, Hödur, auf ihn zu schießen. Er, Loki, werde für Hödur zielen.
Balder bricht tot zusammen, einen Riesentumult und noch größeres Entsetzen erfasst die versammelten Götter. Loki macht sich aus dem Staub.
Traditionstreu wird Balder bestattet – indem auf seinem Schiff ein Scheiterhaufen errichtet wird. Als die Götter Balder auf den Scheiterhaufen legen, bricht die Gemahlin von Balder tot zusammen. So geht das brennende Schiff in See mit den Leichnamen von Balder und Nanna, beide nebeneinander liegend.
Kleine Anmerkung der Autorin!
Und da war er wieder, der Manipulant Loki. Aber wie sollten bitte BEIDE vereint über uns wachen, ohne sich an den Hals zu gehen? Und was am wichtigsten schien, warum Balder? Du bist nicht die einzige Person, welche von ihm gekennzeichnet wurde. Es gibt noch viele von euch, jedoch bedenke, nicht jeder ist dir wohlgesonnen. Aber ihr alle besitzt die Fähigkeit, andere zu reinigen, ihre Gedanken oder auch wenn es etwa eine Krankheit ist. Ihr könnt ihnen ihr Leid nehmen und erhellt im wahrsten Sinne des Wortes, das Leben und den Geist dieser Person. Du wirst die anderen erkennen können, euch allen eilt eine gewisse Wärme voraus! Damit war Odin wieder verschwunden und ich klammerte mich an den Schreibtisch, mittlerweile war mir nicht nur schwindelig, sondern auch noch übel. Das in dem Turm damals war … Balder? Mir schwirrte der Kopf!
„Setz dich, du kippst sonst um.“ Haytham reichte mir ein Glas Whiskey. „Hier, trink das.“ lächelte er mich an. „Schon vor dem Mittag trinken?“ grinste ich, nahm das Glas aber dankend an und leerte es in einem Zug. „Was meinte er damit, dass du die Menschen „reinigen“ kannst? Gehirnwäsche? Du kannst dir die Menschen zurechtrücken, wie es dir beliebt? Den Gedanken finde ich befremdlich, wenn ich ehrlich sein soll.“ kam es nachdenklich von meinem Mann. „So ähnlich wird es wohl sein. Ich habe ja selber noch keine Ahnung, WIE das alles funktionieren soll oder kann. Ich fühle mich gerade wie in meine Schulzeit versetzt, weißt du das? Seit Monaten lerne ich immer dazu und es scheint kein Ende zu nehmen!“ etwas genervt lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und rieb mir übers Gesicht. „Belassen wir es für heute dabei und gehen jetzt zum Essen hinunter, Alex. Danach werden wir zum Treffpunkt aufbrechen und dann kommst du wieder auf andere Gedanken!“ Haytham reichte mir seine Hand und zog mich hoch. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und gab ihm einen langen Kuss. „Danke für dein Verständnis, mi amor!“ lächelte ich ihn an. „Ich weiß schon, wie du dich erkenntlich zeigen kannst, mi sol. Keine Sorge!“ kam es leise von ihm mit einer hoch gezogenen Augenbraue.
Unten im Esszimmer erwarteten uns bereits Jenny, Sybill und natürlich Edward. Dieser saß bei seiner Tante auf dem Schoß und ließ sich das Gemüse schmecken. Wohlgemerkt mit den Fingern, oder besser der ganzen Hand und so sah mein Schatz auch aus. Er reichte mir breit grinsend seine angeknabberte Möhre, ich biss ein Stück ab, was ihm reichte. Der Rest wanderte in seinen Mund. „Edward, wir sollten beizeiten deine Tischmanieren überarbeiten.“ lachte Haytham Kopfschüttelnd. Das interessierte unseren Sohn aber überhaupt nicht, er ignorierte die Worte und schob sich eine Kartoffel in den Mund.
Nachdem ich den Dreckspatz gewaschen und für seinen Mittagsschlaf umgezogen hatte, bekam er einen dicken Schmatzer und ein Lied. Als er endlich eingeschlafen war, ging ich hinüber ins Ankleidezimmer, wo Magda bereits auf mich wartete. Sie half mir beim Entkleiden und ich konnte in meine Templermontur steigen. Meine Kammerzofe hatte sie tatsächlich so schnell gewaschen und wieder getrocknet. „Manchmal glaube ich, ihr könnt zaubern, Magda.“ lachte ich. „Mistress Kenway, bei dem schönen Wetter geht das Trocknen schon fast wie von Zauberhand.“ erwiderte sie etwas verlegen und knickste.
Unten in der Eingangshalle wartete Haytham schon und unterhielt sich leise mit Michael. „Passt nur gut auf sie auf, Michael. Es wäre nämlich schön, wenn ihr uns noch länger erhalten bleibt!“ hörte ich meinen Mann noch sagen. „Das werde ich, Master Kenway.“ strahlte sein Kammerdiener ihn an und ging dann nach einer Verbeugung in meine Richtung zur Küche. „Was ist mit Michael los, Haytham?“ fragte ich nach, obwohl ich mir schon denken konnte, dass es bestimmt mit meiner Kammerzofe zusammenhing. „Er hat mich gefragt, ob ich ihm erlaube, Magda zu heiraten.“ erklärte er mir ihr Gespräch. „Das ist aber doch fantastisch, oder? Weiß Magda schon von ihrem Glück? Auch wenn es noch recht früh ist, die beiden kennen sich ja noch gar nicht so lange.“ Haytham sah mich grinsend an. „Alex, die Zeit die man sich kennt, sagt nichts über Gefühle aus. Und wenn ich ehrlich bin, ich hätte dich auch schon früher geheiratet. Theoretisch kannten wir uns auch nicht viel länger, als ich dich bat meine Frau zu werden, oder?“ seine Hände legten sich auf meine Hüfte und zogen mich zu sich. „Nein, das stimmt wohl, mi amor. Und ich muss gestehen, ich hätte wahrscheinlich auch früher schon JA gesagt!“ ich zog sein Gesicht zu mir herunter und küsste ihn einfach. „Ich weiß, mi sol!“
Leider hatten wir keine Zeit für Zweisamkeit, wir mussten los, draußen wartete schon die Kutsche. Zwei Wachen würden uns wieder begleiten. Als wir so durch die Straßen fuhren, hatte ich immer wieder dieses Gefühl, dass wir beobachtet wurden, dieses Kribbeln im Nacken war wieder da. „Siehst du etwas, Haytham?“ fragte ich meinen Mann und er nickte. „Hinter uns sind zwei Reiter, sie folgen uns schon seit wir das Anwesen verlassen haben.“ Wir ließen den Kutscher in eine etwas verlassene Gasse fahren und stiegen dann langsam aus. Hier waren keine Fußgänger oder Schaulustige, das war gut und dann bogen sie um die Ecke. Unsere Wachen hatten bereits ihre Schwerter gezogen, auch Haytham und ich hatten uns gewappnet.
„Wie schön, dass wir gleich die Eheleute Kenway gemeinsam antreffen, dann können wir schneller wieder nach Hause, als gedacht!“ höhnte einer der Männer und stieg langsam von seinem Pferd. „Nur schade, dass ihr diesen Tag nicht überleben werdet, Gentlemen.“ meinte ich kalt und ging einen Schritt auf die beiden zu. Wir waren zu viert, was glaubten die beiden Assassinen eigentlich, wer sie waren? „Wir werden schon überleben, keine Sorge!“ mit einer schnellen Handbewegung hatte er seine Waffe gezückt, eine Pistole aus dem 21. Jahrhundert, zielte auf mich und drückte ab! Die Wucht des Aufpralls der Kugel ließ mich rückwärts taumeln und mir tat mein Brustbein höllisch weh. Im Stillen dankte ich Kidd für diesen Schutz, auch wenn ich vermutlich eine geprellte Rippe hatte! Langsam kam ich wieder zu Atem und sah, wie alle Herren um mich herum große Augen machten!
„Verdammte Hexe! Wie habt ihr das gemacht?“ schrie der zweite Assassine, bei dem ich jetzt davon ausging, dass er aus dieser Zeit hier stammte. „Das werde ich euch nicht verraten, sonst wäre es ja kein Geheimnis mehr, oder?“ lachte ich während ich langsam auf ihn zu ging, er jedoch wich vor mir zurück. „Ach was, du hast ne Schusssichere Weste drunter, oder? Das ist keine Hexerei, dass ist Überlebensinstinkt!“ pöbelte der andere jetzt wieder, kam auf mich zu und wollte mir schon die Jacke aufreißen, als die Breitseite eines Schwertes über seine Hand fuhr. Haytham machte jetzt kurzen Prozess! „Fasst meine Frau einmal an und ihr könnt euch von euren Fingern verabschieden!“ zischte er den Assassinen an. Der Angsthase stand zwischen unseren Wachen und wurde an eine Hauswand gedrückt, sodass er nicht weg konnte.
„Ihr hättet mir fast die Finger abgetrennt, Hurensohn!“ maulte der Grapscher jetzt rum. „Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf!“ ich hielt ihm mein Schwert an den Hals. „Und jetzt hätte ich gerne ein paar Antworten. Wer seid ihr und woher kommt ihr, oder besser aus welchem Jahr kommt ihr!“ Haytham stand mittlerweile hinter dem Herren, dessen Arme auf den Rücken gedreht waren, während ich die Schneide weiter an die Kehle drückte. „Warum interessiert dich das? Willst du wieder nach Hause, oder was?“ grinste er breit und für meinen Geschmack hatte er eine zu große Klappe! „Nein, wenn dort solche Arschlöcher rumlaufen, bleib ich lieber hier und habe meine Ruhe, nachdem ich euch unter die Erde gebracht habe!“ Der Assassine sah mich mit einem dämlichen Grinsen an, machte aber nicht den Mund auf. Gut, dann eben auf die harte Tour!
Ich konzentrierte mich und drang in seinen Geist ein... er war gut, sehr gut! Es brauchte ein paar Anläufe, doch ich fand einen Weg, einen Eingang und dann war ich eingetaucht! Diese Brüder und Schwestern wurden aus dem Jahr 2025 geschickt um mich, Haytham und Edward zur Strecke zu bringen! Ich sah, wie sie zusammen gesessen haben und darüber gesprochen haben. Man ließ kein gutes Haar an mir. Immer wieder fiel der Name Kusnezow, Boris Kusnezow, der Initiator wie ich feststellen musste! Das war doch der Enkel von Irina, von welcher ich einen der Runenringe bekommen hatte! Was war bitte passiert, dass dieser Boris hinter mir her war?
Ich wanderte weiter und musste einige Dinge ganz schnell überspringen. Die Bettgeschichten oder Fantasien wollte ich nicht sehen! Dann kam ich zu einer Erinnerung, welche einige Jahr vorher gewesen sein muss. Ich sah eine Gruppe von Männern und Frauen, welche in einem kleinen Raum um einen Tisch standen, auf welchem meine gesicherte Truhe stand. Sie versuchten sie zu öffnen, scheiterten aber immer wieder. Ich hörte, wie einer sagte, man solle einfach dieses Bastardkind holen und ihn diese Kiste öffnen lassen. Etwas riss mich plötzlich hier weg und ich nahm Kampflärm um mich wahr. Es dauerte etwas, bis ich wieder im Hier und Jetzt war, sah den Assassinen blutend am Boden liegen, während unsere Wachen zusammen mit Haytham sich gegen ein Dutzend Gegner versuchten zu verteidigen.
Also ging auch ich in Kampfposition, schüttelte meinen Kopf um klar sehen zu können und stürzte mich mit ins Getümmel. „Ah, du bist wieder da. Dann mal los!“ hörte ich meinen Mann mir freudig zurufen. Gemeinsam waren diese Damen und Herren nicht ganz ohne und sie waren gut ausgebildet! Mir ging die Frage durch den Kopf, WER sie unter seinen oder ihren Fittichen hatte! Doch dazu später mehr.
Mich griff nun eine große blonde Frau an, welche mich siegessicher anlächelte und sofort mit dem Schwert auf mich eindrosch. Ihren Hieben konnte ich aber, bis auf ein paar wenigen, ausweichen, sie blocken und parieren! Leider spürte ich diese Schmerzen in meiner Brust immer mehr und musste mich auf meine Atmung konzentrieren! Mit einem Male legte sich dieser Ruhemantel um mich, in diesem Falle war es, als wären die Schmerzen aus meinem Körper gezogen worden. Die Dame vor mir bekam große Augen und stotterte „Das kann nicht sein, sie hatten Recht! Du bist besessen, manipulierst alles und jeden! Du kleine Hure sollst hier und jetzt endlich das zeitliche segnen!“ Sie hatte sich wieder gefangen und der Kampf ging weiter.
Ihr Schwertarm schoss auf mich zu, ich wich zur Seite aus und hieb mit meinem Schwert nach ihr. Ich traf in die Seite, aber nur eine Fleischwunde, verdammt. Meine versteckte Klinge hatte ich mittlerweile aktiviert und blockte damit nun einige ihrer Hiebe, bis ich das Gefühl hatte,mein Handgelenk würde zerbersten. Plötzlich drehte sie mir den Rücken zu und ich konnte erahnen, dass sie mir einen Tritt verpassen wollte, sie holte so lediglich Schwung. Ich wartete und als sie mit erhobenem Rechten Bein ausholte, rollte ich nach vorne und riss bei diesem Schwung ihr Standbein unter ihr weg. Undamenhaft fiel sie auf ihr Hinterteil und nun war ihr Kampfgeist um ein nächstes Level gestiegen! Gerade als sie sich wieder aufrappeln wollte, war ich über ihr und drückte meine Klinge an ihre Kehle!
Ihre Arme und Beine waren fixiert, man könnte sagen, die Frau war bewegungsunfähig. „Jetzt rede schon! Was hat dieser Boris Kusnezow mit euch zu schaffen? Und warum wollt ihr eine Verbindung zwischen Templern und Assassinen verhindern? Sie ist doch in deiner Zeit schon in vollem Gange, dafür habe ich noch gesorgt!“ fauchte ich die Assassine unter mir an. „Oh ja, diese tolle Einigung! Ganz toll! Du blöde Kuh hast doch keine Ahnung, wie es ist, wenn man nur herumkommandiert wird und nichts frei entscheiden kann! Dein ach so toller Waffenstillstand führt doch zu nichts! Die scheiß Templer werden trotzdem weiterhin Jagd auf uns machen und uns die Artefakte unter den Nägeln wegreißen!“ schrie sie mich an. „Du musst über den Tellerrand schauen und auch neues zulassen können, doch anscheinend ist dein Geist für eine solche Sichtweise nicht ausgeprägt genug! Jetzt noch einmal! Kusnezow! Warum?“
In ihren Augen sah ich plötzlich diese Erkenntnis, dass jetzt eh alles egal sei und sie atmete einmal tief ein und aus. „Du hast seine Großmutter übers Ohr gehauen! Das Schmuckstück war Millionen wert, aber du hast ihr erzählt, es wäre nur ein Erinnerungsstück. Und dann seid ihr in einer Nacht bei ihr eingebrochen und habt sie kaltblütig ermordet! Glaubst du, Boris lässt dir das durchgehen?“ für einen Moment sah ich sie erschrocken an, weil wir nicht mehr bei der alten Dame waren und ich weiß, dass auch von meinen Leuten niemand mehr bei Irina gewesen ist. „Wir haben sie nicht auf dem Gewissen! Ich hatte schon Skrupel, Irina den Armreif abzunehmen, aber sie erhielt eine Entschädigung von uns!“ versuchte ich eine Erklärung. „Das kannst du deiner Beichtmutter erzählen, ich glaube dir Templerschlampe kein einziges Wort!“ Sie wand sich unter mir, wie ein Aal. „Und deswegen hat man euch geschickt? Als Rache für Irina? Doch was viel wichtiger ist, WIE seid ihr hierher gekommen!“ und ich drückte meine Klinge noch fester an ihren Hals.
„Sagt dir Anticosti etwas?“ kam es jetzt überheblich aus ihrem Mund. „Ja, da war ich schon. Ist nicht gerade meine Lieblingsinsel oder liebstes Reiseziel. WEITER!“ pöbelte ich sie an, doch in mir keimte ein böser Verdacht auf. Die ganzen Armreife damals, waren sie doch noch dort? Aber Odin hatte mir gesagt, dass sie zusammengefasst an meinem rechten Handgelenk jetzt sind! Als hätte sie meine Gedanken erraten, sah sie auf meinen rechten Arm und grinste breit! „Wir brauchten keine Artefakte zum hinüber reisen, du dummes Stück. In der Höhle auf Anticosti besteht seit Jahren ein Tor, welches in diese Zeit führt. Also haben wir es einfach genutzt, damit du deine Pläne nicht weiter umsetzen kannst. Schon gar nicht die Rettung von diesem Kenway!“ DARUM ging es auch noch?
Um uns war der Kampf bereits zu Ende und die Wachen begannen, die Toten beiseite zu schaffen. Mein Mann stand neben uns und sah angewidert auf die Frau unter mir. „Ihr glaubt, ihr schafft es, meine Frau von diesem Vorhaben abzubringen? Ihr tätet besser daran, uns nicht weiter in die Quere zu kommen, bevor noch ein Unglück passiert!“ stieß er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ach komm schon, ohne dich sind wir besser dran. Das hat dein Sohn ja auch erkannt!“ höhnte sie und ich spürte, wie Haytham anfing zu zittern und sich beruhigen musste. „Das werden wir zu verhindern wissen, Weib! Und jetzt sag uns, wie ihr von hier wieder verschwinden könnt, oder muss ich handgreiflich werden!“ diese Assassine war nicht mundtot zu kriegen, sie hatte ein ganz schön loses Mundwerk, selbst für meinen Geschmack. „Oh, ihr könnt gerne Hand an mich legen, da hätte ich nichts dagegen.“ Selbst mit Schwert am Hals, hatte sie Zeit, für solche Anzüglichkeiten?
Ich atmete tief durch. Ich überlegte sie einfach mitzunehmen. Wir würden die Frau in eine Zelle im Gefängnis verfrachten und dann könnten wir abwarten, was passierte. Wir würden nämlich heute noch unsere anderen Verbündeten treffen müssen. Es könnte ja sein, dass sie mehr erfahren hatten. „Eine gute Idee, Alex. Dann mal hoch mit ihr!“ Wir zogen sie gemeinsam hoch und eine der Wachen fesselte ihre Hände mit Eisen auf dem Rücken! Wir verfrachteten die Dame in die Kutsche und fuhren dann zum Gefängnis. Eine Wache schickten wir aber los, den „Tatortreiniger“ zu holen, welchen ich sicherlich noch kennenlernen werde, wenn wir länger hier in London blieben! Die Wachen vor dem Tor sahen gelangweilt in unsere Kutsche, doch als sie unsere Gefangene sahen, erhellte sich ihre Miene und man winkte uns durch.
Der Richter, Cameron Davies, war heute nicht zugegen, dafür aber Riley Browne, ein 50jähriger mürrischer Gefängnisaufseher. Als wir ihm die Dame vorführten, sah er von einem zum anderen. „Ja, und was soll ich jetzt mit ihr machen?“ Sein Blick ruhte fragend auf meinem Templer. „Mr. Browne, ihr müsst diese Frau nur ein paar Tage hier beherbergen. Alles andere werden wir dann im weiteren Verlauf klären. Ich weiß, ihr habt noch ein paar nette Zellen, welche sich nicht in der Nähe von anderen männlichen Gefangenen befinden. Dort ist sie sicher gut aufgehoben. Doch fasst eine Wache oder ihr sie an, werde ich dafür sorgen, dass eure Strafe empfindlich hoch sein wird. Habe ich mich klar ausgedrückt, Mr. Browne?“ kam es eisig von Haytham. Der Aufseher bekam es wirklich mit der Angst! Ein eifriges Nicken sollte seine Bestätigung untermauern. Wir begleiteten die Frau noch hinunter in den Zellentrakt, wo die anderen Inhaftierten ihr lechzend hinterher starrten.
Ich hoffte für sie, dass sie nicht ein ähnliches Schicksal wie ich erleide würde. So eine Erfahrung wünscht man nicht einmal seinem ärgsten Feind! Als sie nun in ihrer neuen Unterkunft auf der kleinen Pritsche hockte, sah sie uns voller Hass an. „Das wird euch noch leidtun, die Aufzeichnungen lügen also nicht. Ihr seid skrupellos und unbarmherzig!“ die Worte spukte sie uns förmlich vor die Füße. „Wie ist euer Name?“ fragte Mr. Browne nun und mir fiel ein, dass ich auch noch nicht danach gefragt hatte. Sie war Deutsche, das hatte man eindeutig hören können, gerade bei ihren Beleidigungen! „Vanessa Althans! Aber das bringt euch allen eh nichts. Ihr könnt mich mal!“ maulte sie jetzt weiter, doch ich drehte mich um und ging einfach. In mir krochen plötzlich Bilder von meiner Zelle in den Katakomben hoch und ich musste hier ganz schnell weg.
Oben vor dem Gefängnis angekommen, atmete ich tief durch und hinter mir erschien unsere Wache und auch mein Mann trat neben mich. „Alex, ich hatte nicht daran gedacht, dass dieser Anblick... es tut mir leid. Geht es wieder?“ fragte er mich leise und nahm mich in den Arm. „Ja, es geht schon wieder. Ich hätte ja auch selber daran denken können!“ ich entspannte mich aber wieder und wir überlegten, was als nächstes zu tun sei. „Wir werden jetzt die anderen aufsuchen, dann sehen wir weiter!“ Wir machten uns auf den Weg. Als wir vor dem Haus ankamen, stieg Rauch aus einem Kamin, demnach waren schon einige der anderen Brüdern und Schwestern hier. In mir stieg die Spannung, ich hoffte auf gute Neuigkeiten!
Unten im Besprechungsraum trafen wir aber nur auf ungefähr 10 Personen. „Es tut mir leid, Mistress Kenway, Master Kenway. Von den anderen haben wir noch nichts gehört. Die letzte Gruppe hätte schon längst hier sein müssen! Ich gehe davon aus, dass wir sie suchen gehen werden?“ fragend kam ein junger Mann auf uns zu. Man sah, er machte sich ernsthafte Sorgen, nicht nur er. WIR auch! „Zu welchem Unterschlupf hatten wir sie geschickt?“ und Haytham trat um den Tisch herum und besah sich den Stadtplan. Man hatte sie in die Nähe der Themse geschickt, aber auf der anderen Seite in der Nähe von Lambeth. „Wir sollten uns gleich auf den Weg machen, damit wir keine Zeit mehr verlieren.“ befahl Haytham und alle stimmten ihm stumm nickend zu. Wir hatten uns Pferde genommen, als wir beim Gefängnis aufgebrochen sind, was mir persönlich auch besser gefiel. So kamen wir schneller voran.
Der Weg Richtung Lambeth war nicht ohne, er war lang und wir mussten über noch völlig unbefestigte Wege reiten. Odin sei Dank hatte es nicht geregnet, so dass wir nicht im Schlamm steckenblieben mit den Pferden. Am späten Nachmittag dann endlich erreichten wir das kleine unscheinbare Haus, doch es sah verlassen aus! Unsere Reittiere platzierten wir hinter einem anderen Gebäude in der Nähe und schlichen in Richtung Haus. Es hat ein Kampf stattgefunden! Ich kann die Spuren auch hier draußen sehen und man hat die Leichen auf Karren gepackt! Verdammt! Haythams Wut sprang auf alle anderen über, als er ihnen von seiner Beobachtung erzählte. „Es ist keiner mehr am Leben, verstehe ich das richtig, Master Kenway?“ fragte ein junger Mann zögerlich. „Ja, leider.“ kam es fast tonlos von meinem Mann.
Wir öffneten die Tür, auch ohne unseren Blick wurde schnell klar, WAS hier letzte Nacht passiert war. Der Blutgeruch hing schwer wie eine Parfümwolke über den Räumlichkeiten. Langsam schritten wir alle Zimmer ab und suchten auch im Keller nach Spuren. „Die Assassinen haben alles mitgenommen, hier ist nichts mehr geblieben. Es waren einige Truhen, wie es aussieht.“ mein Templer deutete auf ein paar Schleifspuren auf dem staubigen Boden! „Großartig, dann kommen wir also zu spät? Und wo hat man die Leichen hingebracht?“ fragte ein Bruder wütend! „Man hat sie sicherlich einfach entsorgt, vermutlich in der Themse. Sie wollten sichergehen, dass nichts mehr zu finden ist!“
Du wirst sie aufspüren und aufhalten! Diese Assassinen dürfen nicht mit dieser Tat durchkommen! Trauert später um die Toten, jetzt ist keine Zeit dafür. Sie haben sich auf den Weg Richtung Tothill Fields über die Westminster Bridge gemacht . Ich kann sie noch spüren, es waren 15 Personen und 2 Karren! Ihr müsst euch beeilen, mein Kind! Wies mich Odin in meinem Kopf an und ich gab seine Worte einfach weiter, auch wenn ich fragende Blicke dafür erntete.
Also weiter in westliche Richtung und wieder über eine Brücke, welche dieses mal auch den Namen verdiente. Die Felder von denen die Rede war, waren keine Felder an sich, sondern eher ein kleiner Park mit kleinen Holzhütten darauf! Wir stiegen ab und banden die Reittiere etwas entfernt fest. Mit unserem Blick gingen wir nun ein Stück des Weges, man sah Radspuren auf dem matschigen Boden. „Sie sind hier durch und... dort... die Hütten auf der rechten Seite! Dort steigt Rauch auf. Ich kann die beiden Karren dahinter stehen sehen.“ Haytham winkte uns, ihm zu folgen.
Wir schlichen weiter, teilten uns aber nach und nach auf, so dass wir die Gebäude umstellen konnten. Im Inneren der besagten ersten Hütte, machte ich auch tatsächlich ein Dutzend Menschen aus, alle mit leuchtenden roten Auren! Mit einer Handbewegung duckten sich alle und krochen leise weiter, in der Hoffnung, dass man uns noch nicht bemerkt hatte. Gerade als Haytham in Richtung der kleinen Holzveranda war, wurde die Tür plötzlich aufgerissen und er schaffte es gerade noch, sich an die Wand zu drücken. Heraus trat ein hochgewachsener schlacksiger Kerl Mitte 30, mit vermutlich seltsam anmutender Kleidung für die anderen Templer, nicht jedoch für mich! Mein Mann trat lautlos hinter den Herren, aber nur um ihm seine Klinge über die Kehle zu ziehen. Langsam ließ er ihn zu Boden gleiten.
Ich setzte meinen Blick abermals ein und begutachtete die anderen Personen dort drinnen. Unsere Verbündeten hatten nach meinen Anweisungen Rauchbomben dabei, genau wie ich auch. „Wir werden jetzt von vier Seiten angreifen und die Bomben durch die Fenster werfen. Somit haben wir das Überraschungsmoment und können sie so überrumpeln. Aber denkt daran, wir brauchen mindestens einen lebend!“ ordnete ich jetzt an und mein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass es jetzt drauf ankam!
Hinter einigen Sträuchern versteckt um das Gebäude herum, präparierten wir nun die Bomben. Auf mein Zeichen warfen wir alle vier gleichzeitig. Man hörte das Splittern von Glas, kurz darauf Gepolter gepaart mit lauten Rufen und Husten! Die Tür wurde erneut aufgerissen und die Assassinen strömten allesamt hinaus, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Wie dumm von ihnen! Die ersten vielen unseren versteckten Klingen zum Opfer und andere wurden gleich mit den Schwertern durchbohrt. Es dauerte nicht lange und wir hatten noch eine Person, welche am Leben war. Ein junger Mann, älter als 25 konnte er nicht sein, groß und dunkelhaarig, sah uns wütend an. Seine Hände waren auf dem Rücken bereits gefesselt und er kniete vor mir, sein Blick wutverzerrt auf mich gerichtet. „Wie konntet ihr uns so schnell finden? Wer hat uns verraten?“ fauchte er mich an. „Ich hatte ein nettes Gespräch mit Vanessa, wenn du es genau wissen willst. Du wirst ihr aber bald Gesellschaft leisten, ich glaube, sie langweilt sich in ihrer Gefängniszelle schon!“ Mehr musste er nicht wissen.
Entsetzt sah er von einem zum anderen. „Ihr habt sie in ein schäbiges Gefängnis gesteckt? Seid ihr alle eigentlich völlig irre geworden, man weiß doch, was da mit den Frauen gemacht wird!“ schrie er mit einem Male los. „Jetzt hör mir mal zu Freundchen, ich weiß wie es da zugeht. Aber wenn ich erwähnen darf, dass einige deiner Brüder und Schwestern auch nicht besser sind und mir Dinge angetan haben, die ich lieber vergessen würde, dann weißt du, dass ich ihr DAS nicht wünsche. Sie ist sicher untergebracht und mit dir an ihrer Seite, kann ja nichts mehr schiefgehen.“ ich hatte in meiner aufsteigenden Wut sein Kinn in meine Hand genommen und zugedrückt, sodass er mich jetzt mit vor Schmerz zusammengekniffenen Augen ansah.
„Das würden wir nie tun, das verbietet das Credo schon!“ blaffte er leicht nuschelnd aufgrund meines Klammergriffes. „Und doch haben sie es getan. Rede einfach, dann kannst du mit dieser Vanessa ganz schnell wieder zurück.“ meinte ich jetzt genervt, ich wollte jetzt wissen, wie diese Damen und Herren wieder zurück kommen konnten. „Wir sind über Anticosti hierher gekommen, dort gibt es ein Portal.“ sprach er leise, so als könne ich ihn für Verrückt erklären! „Das ist uns schon bekannt. Wie kommt ihr wieder zurück?“ fragte Haytham in seinem kalten Templerton. Der junge Mann druckste herum und wand sich. „Sprich, oder muss ich deutlicher werden?“ ich ließ meine Klinge hervorschnellen.
Seine Augen weiteten sich. „Ist ja schon gut, ihr bringt mich doch eh um! Es gibt einen Zugang in der Kanalisation, welchen man nicht so auf Anhieb sieht. Er befindet sich in einem kleinen Mauervorsprung nördlich von hier an der Themse. Von dort gelangt man zu einem kleinen Raum, wo sich das Gegenstück zum Portal auf Anticosti befindet! Zufrieden?“ maulte er mich an. Ich fragte mich ernsthaft, ob es wirklich so einfach war, oder ob wir noch mit weiteren Hindernissen rechnen mussten! „Bring uns dahin. Dann überlegen wir, was wir mit dir und dieser Vanessa machen!“ Odin sei Dank mussten wir keine Toten beklagen, es gab nur leichte Fleischwunden. Für den Rest würden wir den „Tatortreiniger“ hierher zitieren. Der Gefangene wurde auf eines der Pferde gehievt und wir anderen stiegen ebenfalls auf.
Haytham nahm hinter ihm Platz, wir hatten die Hände von ihm vorne mit Eisen gefesselt. So konnte er besser Richtungen anzeigen. Dieser Mann war nicht besonders gesprächig und hatte auch keine große Klappe wie Vanessa. Er gab nur knappe Anweisungen wohin wir uns wenden sollten, wann wir um welche Ecke biegen mussten und so weiter. Es war schon gegen 20 Uhr, als wir den Katakomben-Eingang erreichten und mich überkam eine Gänsehaut. Er war gar nicht so weit von unserem Treffpunkt entfernt, fiel mir auf. „Hier ist er! So und jetzt macht schon, ich bin doch eh schon tot!“ wieder dieser genervte Unterton vom Gefangenen. Nein, er würde am Leben bleiben, zu Vanessa in die Zelle kommen und dann … würden wir weiter sehen. Wir stellten zwei Leute hier als Wache ab, anschließend machten wir uns noch auf den Weg zum Gefängnis. Dort überließen wir Mr. Browne den Herrn, jedoch nicht ohne einen Blick auf die Mitgefangene zu werfen, ich wollte mich überzeugen, dass es ihr gut ging. Ja, augenscheinlich ging es ihr bestens, sie pöbelte mich auch gleich an, als sie mich sah.
Endlich konnten wir jetzt nach Hause aufbrechen. Während des gesamten Heimwegs überlegte wir, wie wir das Portal auf der Insel schließen konnten. WIR könnten es gar nicht, ich müsste Yannick Anweisungen geben, damit er sich darum kümmerte! „Alex, lass uns erst einmal was essen, danach können wir beraten wie wir weiter vorgehen.“ Haytham klang etwas wehleidig. Ich nahm seine Hand. „Du hast Recht, ich habe wahnsinnigen Hunger fällt mir gerade auf.“ Beim Anwesen angekommen wurde uns schon völlig ungeduldig die Tür geöffnet und ein gähnender kleiner Edward reckte seine Ärmchen nach mir. „Schätzchen, warum bist du noch wach?“ fragte ich meinen Sohn und nahm ihn seinem Kindermädchen ab. „Mistress Kenway, es ist zu warm heute Abend. Ich habe ihn schon dreimal neu angezogen, weil seine Sachen nach kurzer Zeit durchgeschwitzt sind.“ entschuldigte sich Sybill. Erst jetzt fiel mir diese Wärme wieder auf.
„Edward, du bist wirklich klatschnass.“ Fieber oder ähnliches hatte er nicht, es war einfach die sommerliche Hitze. Die kleinen Kinder konnten ihre Körpertemperatur noch nicht so halten wie wir und schwitzten entsprechend. Er tat mir richtig leid. Ich zog meinen Gehrock aus, welchen Magda mit einem tadelnden Blick entgegennahm. „Den werde ich wohl auch wieder reinigen müssen, Mistress Kenway.“ mit leicht gerümpfter Nase ob des Geruchs von dem Kleidungsstück ging sie in Richtung Küche. Die Wachen begaben sich hinterher, auch sie mussten mal etwas essen. Wir drei gingen derweil ins Esszimmer, wo uns Mrs. Byrne noch vom Abendessen etwas hinstellte. Ich genoss den kühlen Wein und das leckere Essen, es gab kalten Braten mit Soße und dazu noch Püree. Als ich satt war, sah ich, dass Edward wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Schoß von Mrs. Wallace saß und immer wieder kurz einnickte.
Ich nahm ihn jetzt wieder auf den Arm und wir verabschiedeten uns für die Nacht. „Mistress Kenway, seid ihr sicher, dass ich nicht vorsichtshalber mit wach bleiben sollte?“ bat sich Sybill an. „Nein, es geht schon. Wir brauchen euch morgen wieder frisch und ausgeruht, es stehen einige wichtige Termine an.“ damit schickte ich sie in ihre Kammer. In unserem Zimmer öffnete ich die Fenster, damit etwas Luft hereinkam, dann zog ich Edward noch einmal um. Als er völlig nackig auf unserem Bett lag, sah ich in seinen Augen diese Dankbarkeit, dass es nicht mehr so warm und er frei war. Zack, drehte er sich auf den Bauch und robbte über das Bett, Richtung seines Vaters. Haytham sah ihm dabei fasziniert zu und nahm den quietschenden Nackedei dann auf den Arm. Gerade wollte ich noch sagen „Pass auf, so ohne Windel...“ doch dann sah ich das Malheur schon und musste kichern.
„Jetzt kann ich mich auch wieder umziehen, Edward. Kannst du dich nicht vorher bemerkbar machen.“ aber auch Haytham meinte es nicht böse, sondern lachte auch bei diesen Worten. Ja, so ohne Windel ist die Freiheit halt groß und die Kleinen nutzen das gerne aus. Unzählige Male war mir das mit Yannick passiert. Ich nahm wieder unseren Sohn und verpackte ihn leicht. Er bekam nur eine Windel um, das Hemd ließ ich gleich weg. Ein leichtes Leinentuch als Zudecke würde heute Nacht dann reichen! Anschließend kniete ich an seinem Bett und sang ihm wieder sein Lied vor, bevor ich es beendet hatte, schlossen sich schon seine Augen und er war im Reich der Träume. Langsam erhob ich mich, zog meinen Morgenrock aus und legte mich, wie Odin mich schuf, einfach ins Bett. Haytham hatte mir dabei einen anerkennenden Blick zugeworfen und rutschte nun zu mir herüber!
„Vergiss es, mi amor...“ zu mehr kam ich nicht und er zog mich hoch, hinüber ins Ankleidezimmer. „Ich werde es nicht vergessen, doch wenn du mir eine solche Sicht auf deinen Körper gibst, musst du damit rechnen, dass ich mir nehme, was mir gehört!“ seine heißen Hände lagen auf meinem Po und ich zerfloss im wahrsten Sinne des Wortes, aber nicht wegen ihm, also... nicht NUR. „Es ist aber einfach zu warm...“ nölte ich rum und wollte mich aus seinem Griff lösen. Kurzerhand drehte er mich mit dem Rücken zu sich und umfing meine Brüste mit seinen Händen. Seine Finger wanderten Sekunden später weiter nach unten. Das ist einfach nicht fair!, ging es mir wieder durch den Kopf. „Ich weiß und du weißt es auch, mi sol. Halt jetzt still...“ raunte er mir an mein Ohr, während seine Lippen mich mit Küssen bedeckten. Es war ein kurzes aber sehr befriedigendes Vergnügen, welches mit nicht allzu viel Körperkontakt stattgefunden hatte. „Danke, mi amor.“ hauchte ich atemlos an seiner Brust, als ich wieder etwas klarer denken konnte. „Ich habe ebenso zu danken, mi sol. Und jetzt lass uns ins Bett gehen. Der Tag beginnt sicherlich früher, als uns lieb ist.“
Haytham sollte Recht behalten, unser Sohn befand, dass um 4 die Nacht vorbei zu sein hat und brüllte das ganze Haus zusammen. In kleinen Schlückchen verabreichte ich ihm etwas kalten Tee mit Honig, wickelte ihn neu und holte Edward mit in unser Bett. „Wir haben einen sehr lauten Wecker gezeugt, mi sol.“ hörte ich meinen Mann verschlafen, er drehte sich zu seinem Sohn um, welcher nun zufrieden mit seinen Fingern spielte, in dem er sie einzeln in den Mund steckte. „Dein Sohn hat halt die ersten Ansätze seiner Präsenz und erwartet Aufmerksamkeit, Haytham. Hat er eindeutig von dir.“ grinste ich mit herausgestreckter Zunge, was aber unser Wecker sofort versuchte nachzuahmen. Ich sollte in Zukunft vorsichtiger sein, was ich für Gesten machte.
Nach dem Frühstück zogen wir uns um und machten uns auf den Weg zu den Katakomben. „Mir ist eigentlich nicht wohl dabei, wenn du dort mit hinuntergehst, Alex. Ich will nicht, dass du wieder an die Entführung erinnert wirst!“ Haytham sah mich dabei fragend an. „Sicher werde ich wieder Bilder haben, alleine der Geruch dort und die Geräusche werden mir die Erinnerungen bescheren. Aber ich sehe es auch als eine Art Angstbewältigung, ich muss mich meiner Furcht und den Albträumen stellen. Auch wenn ich seit einigen Tagen keine mehr hatte.“ erklärte ich mich nun bestimmend, obwohl mir wirklich nicht ganz wohl bei dem Gedanken war. „Wenn du aber spürst, es geht nicht mehr, dann sag es und ich bringe dich nach draußen. Hast du mich verstanden?“ das ähnelte schon fast einem Befehl, aber ich hatte verstanden!
Die Eisengitter waren kein großes Hindernis, wir hatten eine begabte Frau dabei, welche sich mit Schlösser knacken hervorragend auskannte. Als wir eintraten, war es, als ginge man in einen Keller, es wurde kühler und auch feuchter. Je weiter wir voran schritten, umso mehr musste ich meine Angst ausblenden und die wüsten Bilder verdrängen. Die Gänge waren nicht wie die anderen Tunnel, welche relativ breit waren, sondern diese hier waren schmal, zwei Personen nebeneinander hatten gerade noch Platz. Wir hatten die Wegbeschreibung des Assassinen noch im Kopf und der Raum mit dem Portal war schnell gefunden. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich ihn von weitem schon spüren konnte. Mit ein paar gekonnten Handgriffen und einem Dietrich gelangten wir hinein und unsere Begleiter starrten für einen Moment auf das wabernde Gebilde in der Mitte.
„Mistress Kenway, das sieht unheimlich aus. Wasser das senkrecht stehen kann, dass ist doch Hexerei! Sind diese Meuchelmörder...“ ich ließ den Herren nicht ausreden. „Nein, das ist keine Hexerei, denkt an die Artefakte, welche ihr schon gesehen habt und die von einer anderen Zivilisation gefertigt worden sind!“ langsam ging ich um den Spiegel herum und sah mich im Raum um, doch ich fand auch mit meinem Blick nichts, was gefährlich hätte werden können. „Ich kann auch nichts wahrnehmen, Alex. Was machen wir jetzt?“ für den Bruchteil einer Sekunde wollte ich die Aktion abblasen und vorschlagen, dass ich erst einmal Yannick unterrichte. Doch meine Neugierde siegte. Ich sah Haytham lange an. „Ich schlage vor, wir beide werden dort hindurchgehen und schauen, was uns auf der anderen Seite erwartet!“ mein Ton war kalt und im Grunde duldete ich gar keine Gegenargumente, ich würde hindurch gehen! Ob mit oder ohne meinem Mann, das wäre mir egal.
„Bist du dir sicher?“ ein fragender Blick von meinem Templer und ich nickte entschieden. „Gut, dann werden wir gehen.“ Unsere Begleiter bekamen jetzt noch die Anweisung, was sie tun sollten, wenn wir nicht gegen Abend wieder zurück seien. Doch wenn es sich wie mit dem Portal und der Parallel Welt verhielt, wären Zeit und Raum ganz anders geordnet. „Das ist mir bewusst, doch welches Limit sollte ich setzen?“ meinte mein Mann zögerlich. „Gar keines, es ist nur wichtig, dass dann Elias und Faith Bescheid bekommen! Aber ich werde Odin gleich von unserem Vorhaben unterrichten.“ gab ich nachdenklich zurück und fing an mich auf Elias zu konzentrieren.
In meinem Kopf formte ich seine Erscheinung, dann sah ich ihn an seinem Schreibtisch im Anwesen in New York sitzen. „Es freut mich, dass unsere Kommunikation immer besser funktioniert, mein Kind! Und wie ich sehe, hast du ein neues Portal gefunden! Was hast du nun also vor?“ fragte er mich. Als ich erklärte, hindurch gehen zu wollen, wurde sein Blick unergründlich und er sah mit seinen dunklen Augen zu mir. „Hatte ich nicht etwas dazu gesagt? Dein Platz ist hier, an der Seite deines Mannes, deines Kindes und deiner Schwester!“ es klang ein wenig ungehalten, doch ich ließ mich nicht von meinem Vorhaben abbringen! „Das weiß ich, aber ich muss mich mit eigenen Augen überzeugt haben, dass keine Armreife mehr in dieser Höhle sind!“ Plötzlich änderte sich die Art von Elias und ich vernahm die donnernde Stimme Odins! „Du traust meinen Worten nicht? Wie kannst du es wagen!“ Instinktiv duckte ich mich und jetzt wusste ich auch, warum Zoe und Jones damals mit eingezogene Köpfen umherliefen. „Verzeih mir, doch ich muss es selber gesehen haben!“ flehte ich jetzt förmlich, ich … wollte ich nur wegen der Artefakte hinüber oder war es doch etwas anderes? Wollte ich einfach wieder ein bisschen „meine Zeit Gefühl“ haben? War ich wirklich so egoistisch? Zu spät stoppte ich meinen Geist und Elias grinste breit, er hatte es vermutet! „Ich gewähre dir einen kurzen Einblick. Du darfst dich von meinen Worten überzeugen und kehrst SOFORT wieder zurück! Wenn nicht, dann werde ich dich schon lehren, was es heißt, meine Worte zu missachten!“
Plötzlich flackerten kleine Blitze um mich herum, mir war schwindelig, wahnsinnig übel und ich fand mich in dem kleinen Raum mit dem Portal wieder! „Alex, da bist du ja wieder!“ erleichtert nahm mich mein Mann in den Arm, sah sich dabei aber etwas verstohlen nach den anderen um. Ihnen konnten wir schlecht von Odin erzählen, sie waren nicht alle eingeweiht! „Entschuldige, aber die Erinnerung an die Entführung... die Bilder...“ stammelte ich und wusste, dass Haytham meine Konversation mit dem Allvater verfolgt hatte. Mein Templer gab erneut Anweisung, wer zu informieren sei, wenn wir bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht zurück gekehrt sind.
Wir standen gemeinsam vor dem Spiegel und in meinem Kopf hörte ich meinen Mann. Wie fühlt es sich an, wenn man dort hineingeht? Bin ich immer noch ich? Fragte er vorsichtig. Du bleibst, wer du bist. Und es fühlt sich kribbelig an, so als würde man dich durch eine enge Röhre ziehen! Aber es ist schnell vorbei, vertrau mir! Versuchte ich Haytham zu beruhigen. Ich konnte ihn verstehen, es war etwas neues und etwas, dass er noch nicht kannte oder geschweige denn verstehen konnte. Ich nahm seine Hand, drückte sie, ging langsam los und zog ihn vorsichtig hinter mir her. Ein kurzer Moment nur und wir waren in dieser Höhle von damals, mit dem leuchtenden Tor vor welchem der steinerne Sockel stand. Kurz atmete ich tief durch und sah mich neugierig um, doch es schien sich nichts verändert zu haben. „Bin ich jetzt ... wirklich in deiner Zeit, Alex?“ kam es leise von Haytham, während er sich fragend umsah. „Ja, wie es aussieht schon, aber eine Veränderung siehst du hier natürlich nicht! Es ist wie damals...“ dabei schritt ich auf die kleine Säule zu, auf welcher eine Form aus Ringen in Sternformation mit einer Stange zu sehen waren.
Gerade als ich meine Hand ausstrecken wollte, hielt mich Haytham zurück. „Fass das nicht an, wer weiß, was dann passiert.“ mahnte er mich. Unrecht hatte er nicht. In seinem Geist sah ich die Bilder aus dem Vorläufertempel, in welchem Liam das Artefakt von dem Sockel gestoßen hatte. Aber kennt ihr dieses Gefühl, dass man etwas berühren muss, nur um sicher zugehen, dass es das ist, was man denkt? „Es kann doch nichts passieren. Es ist weder wie bei Exkalibur noch irgendeiner anderen Märchenerzählung, Haytham. Aber sieh es dir an, es ist, als wäre das Metall völlig mit dem steinernen Untergrund EINS geworden!“ immer noch sah ich fasziniert auf dieses Gebilde. Innerlich beruhigte mich dieser Anblick. Odin hatte die Wahrheit gesprochen! Du glaubst zu wissen, ich bin manipulativ und belüge die Menschen! Doch das bin ich nicht, nicht immer. In deinem Falle, mein Kind, bin ich das genaue Gegenteil. Du wirst es bald bei meinem Sohn sehen. Ihr beide solltet aber nun wieder zurückkehren, ehe es zu spät ist. Und er verschwand wieder aus meinem Geist!
Tief durchatmend fasste ich einen Entschluss. „Haytham, du wolltest wissen, wie es in meiner Zeit aussieht, oder? Wenn du es immer noch willst, dann folge mir. Wir gehen aus dieser Höhle und ich zeige dir, in einem kleinen Rahmen natürlich nur, wie es bei uns zuging.“ es wäre wirklich nur ein winziger Ausschnitt, aber immerhin mehr als nichts, dachte ich noch so bei mir. Wir gingen den langen Gang hinaus und als wir im Freien standen traute ich meinen Augen nicht! Hier standen Zelte, Fahrzeuge und es liefen Menschen hin und her. Als sie uns bemerkten, blieben sie stehen und ich erkannte bekannte Gesichter. „Alex?“ hörte ich Lauras erfreute und gleichzeitig ungläubige Stimme rufen! Und mit einem Male waren wir umringt von meiner alten Truppe, naja, die Hälfte ungefähr. Ich stand da und starrte sie alle an. Ohne ein Wort zu sagen, ging ich auf sie zu und fing an zu heulen!
Es war wie nach Hause kommen und für einen kurzen Moment genoss ich dieses Gefühl, vergaß dabei aber meinen Mann. Doch man begrüßte ihn genauso herzlich wie mich, auch er sah sich staunend um und stellte im Sekundentakt Fragen. Ich lächelte ihn an und es war, als wäre er ausgehungert nach Wissen und Informationen. Haytham wurde herumgeführt und man zeigte ihm alles, was er wissen wollte. Im Grunde war ich erleichtert, dass hier nicht diese Deutsch-Russen lungerten, sondern meine Leute... Doch wie war das möglich? Meine Frage erübrigte sich, als dann Laura erklärte, dass Yannick diese Gruppe abgestellt hatte, um das Portal zu sichern, bis sie sicher sein konnten, dass alles mit mir in Ordnung sei. „Welches Jahr habt ihr hier gerade?“ fragte ich jetzt pragmatisch. „Oh, wir sind schon einige Jahre weiter, Alex. 2028 und dein Sohn, dein Großer, hat noch eine Tochter bekommen!“ sprudelte es aus ihr heraus und wieder konnte ich mich kaum beherrschen... eine Enkelin!
Dann saßen wir bei einem improvisierten Essen zusammen und man erzählte uns, was bisher geschah. Anscheinend hatte ich meinen Sohn schon instruiert, weswegen dieser Trupp hier stationiert war. Die abtrünnigen Assassinen hatte man fast komplett auslöschen können, wäre aber immer noch daran, die kleineren Zellen zu eliminieren. Also war es wirklich so, dass es keine zu 100 Prozent feste Einigung geben wird, was mir einen leichten Stich versetzte. Ich erklärte, dass auch im 18. Jahrhundert das ganze ähnlich aussah und wir dort auch an unsere Grenzen stießen. Das hieß, ich musste in den Kolonien ansetzen, dort hatte ich noch relativ freie Hand, wenn ich EINEN Assassinen umstimmen konnte! Dieser musste dann Einfluss auf Haythams unehelichen Sohn Connor nehmen! Doch auch das musste ich jetzt zügig in die Wege leiten und durfte nicht mehr allzu viel Zeit verlieren!
All diese Gedanken spukten in meinem Kopf und noch vieles mehr, als ich mich mit Haytham wieder zum Portal begab. Laura hielt mich plötzlich auf. „Alex, wie wäre es, wenn ich einen Videoanruf mit Yannick starte? Ich … weiß ja nicht... aber ich … dachte es wäre schön, wenn ihr euch sprechen könntet?“ kam es mehr als zögerlich und in mir wuchs die Sehnsucht nach meinem Sohn, meinen Enkeln... „Laura, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Aber...“ ich sah zu meinem Mann, welcher nickte und meine Hand drückte. „Dann mal los.“ und wir sahen auf ihr Handydisplay und sie rief eine Videokonferenz auf, was aber völlig anders aussah, als zu meiner Zeit! Es waren mehr als 7 Jahre vergangen...
„Laura, was ist los? Hab ich...“ dann sah Yannick mich neben Laura. „Mom?“ hektisches Atmen und in seine Augen traten Tränen, genau wie mir! „Ja, Schatz, ich bin hier. Nur kurz, aber... lass dir gesagt sein, mir geht es gut, wirklich! Schließt dieses Portal, es ist wichtig! Und wenn du kannst, dann suche nach weiteren... ich glaube, es gibt noch mehrere von diesen Durchlässen!“ sprudelten die Worten aus mir heraus. „Das hast du mir schon geschrieben und wir arbeiten daran, es gibt noch 5 weitere...“ er hielt kurz inne und auch ich besann mich für einen Moment. „Wie geht es dir und Melissa und euren Kindern? Steht die Wohnung noch?“ ich überspielte meine Trauer, schluckte meine Tränen hinunter. „Uns geht es gut, wirklich. Alex macht sich in der Grundschule gut und auch Franziska ist ein Sonnenschein im Kindergarten. Sie kann tatsächlich Gedanken lesen, wie mein Vater!“ meinte mein Sohn dann leise.
„Hilf ihr, Yannick. Sie kann lernen, sich zu verschließen und du schaffst das. Ich glaube fest daran und wenn alle Stricke reißen, dann... konzentriere dich auf mich oder lass Alex mit mir reden!“ plötzlich fühlte ich nur noch die Tränen auf meiner Wangen und dann lag ich heulend in den Armen von Haytham. „Haytham, ihr seid auch dort? Aber... ist das nicht zu gefährlich?“ fragte mein großer Sohn etwas ängstlich. „Das habe ich deiner Mutter auch schon gesagt, doch du kennst sie... auf der anderen Seite, auch ich war zu neugierig. Und hier bin ich nun!“ ein Lächeln flog über sein Gesicht. „Ihr beide solltet möglichst schnell wieder zurück, wer weiß, was wir sonst wieder anzetteln!“ und aus Yannicks Stimme hörte ich Verunsicherung, welche ich völlig verstehen konnte. Mit einem Husten verabschiedete sich Haytham nun von Yannick und auch ich gab ihm noch einen virtuellen Kuss. Wie gerne hätte ich ihn in den Arm genommen!
Die Verbindung brach aber leider abrupt ab, aber was erwartete man auch? Wir waren hier nicht in einer Metropole und anscheinend war das Inter-Net immer noch keine Inter-Decke! (Wortspiele... ich liebe sie!) Für einen Moment standen wir einfach so da und sahen uns fragend an. „Weißt du was? Es ist noch hell und bis zur Küste ist es sicher nicht so weit...“ Laura ließ mich aber nicht ausreden. „Kein Thema, wir fahren einfach dorthin, dann geht es schneller und ihr, Master Kenway, könnt noch ein wenig mehr über das 21. Jahrhundert erfahren. Wenn auch nur in winzigen Bruchstücken, was mir sehr leid tut.“ meinte sie bedauernd und führte uns zum Jeep. Nun erklärte sie meinem Mann, WAS das für ein Gefährt war und ich saß auf der Rückbank und lehnte mich zurück. „Wie geht das?“ oder auch „Das kann doch nicht so funktionieren!“ waren die Sätze, welche ich von meinem Mann gefühlte 100 Male hörte und grinste nur. Dann endlich ließ sie den Motor an und wir fuhren über einen kleinen Weg vom Lager weg. Es dauerte nicht lange, da lichtete sich der Wald und wir sahen Wasser, besser gesagt, das Meer!
Haytham hatte sich an dem Gurt festgekrallt und traute sich nicht, sich zu bewegen. „Diese Geschwindigkeit ist... ist das nicht zu schnell?“ kam es zwischendurch, erst als der Jeep stand, entspannte sich mein Mann. Wir standen dann an dem kleinen Ufer und sahen den Frachtern auf dem Meer zu, welche sich recht zügig fortbewegten. Immer noch mit offenem Mund stand Haytham dort und sah dem Treiben zu. Doch immer wieder fing er an zu Husten und das gefiel mir nicht, es war aber genau meine Befürchtung, dass er mit den hiesigen Umwelteinflüssen nicht zurechtkam. Auch Laura bemerkte es und reagierte geistesgegenwärtig mit den Worten, dass mein Mann und ich wieder zurück sollten. Wer weiß, wie die Zeit/Raum-Konstellation war, wenn wir zurück gingen! Wieder im Auto, fragte mein Templer dann erneut, wie das alles funktionierte und wie diese riesigen Schiffe auf dem Wasser blieben. Wir versuchten es so gut es ging plausibel zu erklären. „Du hattest Recht Alex. Die Jackdaw wäre nur mit Segeln viel zu langsam, selbst die Morrigan könnte nicht mit diesen neuen Schiffen Schritt halten! Wenn ich es recht bedenke, dann ist eure Zeit ganz allgemein recht schnelllebig!“ kam es etwas verwirrt vom Großmeister.
„Das stimmt, deswegen hatte und habe ich oft noch meine Probleme mit der doch sehr lange dauernden Post zum Beispiel, Haytham! Hier bekommst du Nachrichten wenige Minuten nach einem Ereignis!“ ergänzte ich ihn. „Aber ist das nicht sehr anstrengend, wenn ihr rund um die Uhr erreichbar seid und immer prompt benachrichtigt werdet? Man kann sich doch dann gar nicht auf eine Sache wirklich konzentrieren, geschweige denn, sie ganz zu Ende bringen, weil immer etwas anderes dazu kommt.“ mutmaßte Haytham jetzt und er hatte es im Grunde auf den Punkt gebracht. Ich vermisste diesen Überfluss an konstantem Online sein nicht, ich brauchte nicht immer erreichbar sein. Sicherlich fiel es mir ab und an schwer, wenn es um Briefe von meiner Schwester ging und ich geduldig warten musste. Im Großen und Ganzen jedoch konnte ich darauf verzichten, wenn ich einfach mein Vorhaben entsprechend weiterführen konnte.
Wir kamen am späten Nachmittag beim Lager wieder an und wurden noch mit einem Umtrunk verabschiedet. Danach gingen wir zum Portal und zum ersten Mal zögerte ich mit dem Hindurchgehen... dann sah ich aber blaugraue Augen, welche mich morgens strahlend ansahen und meine Zweifel waren in Sekunden aus meinem Kopf verschwunden! Wie konnte ich nur so etwas in Erwähnung ziehen?, ging es mir durch den Kopf. Umringt von einigen Schaulustigen aus dem Team schritten Haytham und ich durch das Portal. Laura würde Yannick alles weitere berichten... ein Schulterblick von mir und wir waren wieder hindurch und zurück im 18. Jahrhundert!
Für einen Moment stand ich benommen in dem kleinen Raum in der Kanalisation und starrte vor mich hin. Der Gedanke an meinen älteren Sohn, meine Enkel und meine Schwiegertochter verfolgten mich und ich fühlte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen. Haythams Arme schlangen sich um mich und versuchten mir Trost zu spenden. Das Ganze wurde aber durch ein raues Husten immer wieder unterbrochen und in mir wuchs die Angst, dass er krank wurde! Was hatte ich nur getan, warum war ich so egoistisch? „Alex, es ist nur ein wenig Kratzen im Hals, nichts Ernstes. Du hast selber gesagt, dass die Luft dort nicht die reinste ist. Es wird sicherlich wieder besser!“ versuchte er mich zu beruhigen, doch so wirklich klappen wollte es nicht.
„Mistress Kenway, Master Kenway... ihr seid zurück. Das ging ja doch schneller als gedacht.“ Die hier als Wachen abgestellten Männer sahen uns mit großen Augen an. „Wie lange waren wir fort?“ fragte ich einfach neugierig. „Oh, nicht lange, Mistress. 2 Stunden ungefähr.“ Und wieder einmal war ich skeptisch, was die Portale betraf. Das eine konnte ich steuern, ein anderes machte aus ein paar Stunden eine ganze Woche und dieses komprimierte anscheinend die Zeit, welche man dort verbrachte. Doch lange Zeit zum Nachdenken blieb uns nicht. Plötzlich hörten wir ein ohrenbetäubendes Rauschen und der Boden erbebte. Es schien als würde das Portal in einen Abfluss gezogen! Dann war alles still und wir standen in dem leeren Raum! War es jetzt vorbei? Oder hatte ich es nur falsch aufgeschnappt, als Odin von einem weiteren Portal sprach? Yannick hatte gesagt, es gäbe noch mindestens 5 weitere Spiegel! Müsste ich nach denen auch noch Ausschau halten? Doch wo sollten die anderen sein? Hörten diese Fragen und Suchen auch irgendwann einmal auf?, dachte ich frustriert, bekam aber keine Antwort.
Wir ließen jetzt die Leute abrücken und auch diesen Zugang versiegelten wir. Er würde in den nächsten Tagen zugemauert, so dass man keinen Eingang vermuten würde. Mittlerweile war es Nachmittag und ich wünschte mir einfach nur noch, nach Hause zu kommen, etwas zu essen und dann ein wenig Wasser auf meinen Körper zu lassen. Es war wahnsinnig heiß und die Templermontur klebte an mir, besonders das neue Leinenhemd. Wir besprachen noch, dass wir die beiden Gefangenen ihrer gerechten Strafe zukommen lassen würden. Erst jetzt fiel mir ein, sie würden nicht zurückkehren können... In diesem Moment fasste ich den Entschluss, sie mithilfe meiner Reisefähigkeit hinüber schicken zu wollen. Wenn du das tust, und ich befürworte das durchaus, dann sollten sie wissen, dass diese Zeitreisen große Gefahren bergen! Versuche die beiden Menschen daran zu erinnern, sie sollen es weitertragen, damit nicht noch mehr unbedachte Törichte die Linie durchbrechen! Oh, Odin war durchaus aktiv seit einigen Stunden, also lag ihm etwas an dieser Aktion!
Wir ritten jetzt erst einmal zum Gefängnis, damit die beiden Assassinen wieder nach Hause konnten. Schon bei unserer Ankunft dort konnte ich spüren, dass hier alle genervt und frustriert waren. Es war heiß und man schwitzte schon alleine wenn man irgendwo stand. Ich hoffte, dass die Tage ein Gewitter kam, damit sich alles abkühlte, auch die Gemüter waren erhitzt und das tat unserem Werk nicht gut! Die Wachen winkten uns durch und Mr. Browne stand in seiner Schreibstube, mit einem Blatt wedelnd, am Fenster als wir eintraten. „Mistress Kenway, Master Kenway. Erfreut euch wiederzusehen.“ kam es schwer atmend von ihm. „Was kann ich für euch tun?“ langsam ging er auf seinen Schreibtisch zu. „Es geht um die beiden Neuzugänge, Mr. Browne. Wir würden sie nun gerne ihrer gerechten Strafe zuführen.“ erwiderte ich gehüllt in meinen Ruhemantel. „Wir sind aber nicht gewillt, Selbstjustiz zu dulden, Mistress Kenway!“ kam es entrüstet vom Aufseher.
„Das habe ich auch nicht vor, die beiden Inhaftierten werden uns in die Kolonien begleiten und für eine Weile als Leibeigene auf unserer Plantage dienen, Mr. Browne. Solange bis sie ihre Strafe beglichen haben!“ lächelte ich seicht vor mich hin. Neben mir hörte ich ein leichtes Husten. Besorgt sah ich meinen Mann an. Nein, er war nicht krank... das ging in der kurzen Zeit mit dem minimalen Kontakt gar nicht!, redete ich mir ein! „DAS ist natürlich etwas anderes, Mistress Kenway. Oder habt ihr noch Zweifel bezüglich der Gefangenen, Master Kenway?“ fragte er anstandshalber meinen Mann. „Nein, habe ich nicht. Meine Frau und ich sind uns einig diesbezüglich!“ kam es souverän von Haytham und damit brachte man Vanessa und den anderen Assassinen in die Schreibstube.
Auf Vanessas Wange sah ich violette Verfärbungen und bei ihrem Begleiter war ein Auge zugeschwollen. „WAS haben die Soldaten mit ihnen gemacht?“ fuhr ich Mr. Browne an! „Nichts, die beiden waren nur zu redselig und brachten die anderen Insassen in Rage. Wir mussten sie ruhig stellen!“ kam es in einem trotzigen Ton, der das ganze rechtfertigen sollte, von ihm. „Vanessa, stimmt das? Und ich rate euch, sagt die Wahrheit und wie es war!“ zischte ich sie an. Ihr Blick ging mit einem tiefen Seufzen zu Boden. Das war das Zeichen für mich, dass Mr. Browne die Wahrheit sprach. Es gab keine weiteren Übergriffe, Odin sei Dank. Sonst wäre hier jetzt die Hölle los!
Ich bat Mr. Browne uns kurz alleine zu lassen, wir mussten noch eine entscheidende Kleinigkeit aus den beiden herausbekommen. Der Edenapfel und zwar der RICHTIGE! Als der Aufseher dann endlich mit einem gemaulten „Jetzt wird man schon aus seinem eigenen Büro geworfen!“ verschwunden war, konnte ich meine Fragen loswerden. Der Assassine kam mir aber zuvor. „Was willst du jetzt noch von uns? Reicht es nicht, dass die Soldaten ihre Fäuste haben spielen lassen?“ knurrte er mich wütend an, Vanessas Augen hingegen funkelten mich an. „Das tut mir natürlich ein wenig leid, aber es geht um den Edenapfel! Wo ist er?“ dabei holte ich mein Handy aus meinem Gehrock und zeigte das Foto von dem Herren!
Auf beiden Gesichtern erschien ein breites wissendes Grinsen, ansonsten schwiegen die beiden Meuchelmörder vor mir. Nun gut, noch einmal. „Es wäre echt großartig, wenn ihr mir jetzt sagen würdet, WER das ist und WO ich das Artefakt herbekomme! Ansonsten könnt ihr auch gerne noch ein paar Nächte hier verbringen. Die Aufmerksamkeit die ihr von den Soldaten bekommt, scheint euch ja zu gefallen!“ meinte ich zynisch, während meine Stimme einen kalten Unterton angenommen hatte. „Ich warte!“ wurde ich etwas lauter. „Euch ist bewusst, dass ich auch ohne euer Zutun, an diese Information kommen könnte? Ich muss nur ein wenig in euren Gedanken stöbern und schwups, habe ich meine Informationen. Doch es ist für die Betroffenen etwas unangenehm, aber wenn ihr es so wollt...“ weiter kam ich nicht!
„Ist ja gut du blödes Templerstück! Es ist Artem Alexeeva, er ist seit zwei Wochen hier in London und hat auf euch gewartet! Wir selber haben ihn schon in Russland aufgesucht gehabt und ihm alles erklärt!“ meinte Vanessa etwas zögerlich. „So so. Also sollen wir, mein Mann, mein Kind und ich, aus dem Weg geräumt werden? Ihr wisst schon, dass ihr damit eine Lawine lostreten werdet, die ihr weder hier noch im 21. Jahrhundert aufhalten könnt? Seid ihr eigentlich total bescheuert?“ fauchte ich die beiden Gefangenen jetzt an, mir reichte es nämlich so langsam. „Wie habt ihr eigentlich dieses Portal aktivieren können auf Anticosti?“ Das war ein weiterer Punkt, der noch zu klären wäre. „WIR haben es nicht in Gang gesetzt, als wir auf der Suche nach den Armreifen dorthin kamen, war es bereits in der Höhle. Wir haben dann eine Testperson durch geschickt, um zu sehen, was passiert. Gott sei Dank war die Zeit die richtige!“ meinte der Assassine und verstummte sofort, als er das mit der Zeit erwähnte. Also hatten sie entsprechende Zeitangaben von irgendwoher.
Ich ging aber nicht näher darauf ein, es gäbe sicherlich von einigen hier ansässigen Assassinen, welche uns nicht wohlgesonnen sind, entsprechende Berichte. „Na schön, doch es ist jetzt geschlossen!“ grinste ich die beiden an und sie bekamen große Augen. „Und wie kommen wir jetzt zurück? Sollen wir hier versauern, oder was?“ Wenn es nach mir ginge, würde ich sie hier im Gefängnis lassen, doch das ginge zu weit. „Keine Sorge, wir bringen euch schon wieder nach Hause, oder glaubt ihr, ich will euch länger als nötig hier haben?“ und für einen Moment war ich versucht, ihnen den Armreif an meinem rechten Handgelenk zu zeigen, ließ es aber. Auch wenn Vanessa etwas vermutete, ihr Blick bei unserem Kampf hatte gereicht.
„Wo finden wir diesen Alexeeva hier in London?“ kam es lauernd von Haytham, er hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt, doch er schien jetzt das ganze beenden zu wollen. „Er hat ein Haus in White Chapel gemietet, denkt nicht einmal daran, einfach so dort rein zumarschieren. Artem wird gut bewacht, da könnt selbst ihr nichts gegen ausrichten, MASTER KENWAY!“ meinte Vanessa arrogant und dieser Ton passte meinem Gatten mal so gar nicht. „Was wir können und was nicht, überlasst lieber uns!“ mehr kam nicht in seiner Templerart und er verschränkte die Arme demonstrativ auf dem Rücken! Damit war für ihn das Ganze mal wieder beendet. „Ich glaube, dann können wir jetzt aufbrechen, ich wollte heute auch irgendwann noch einmal nach Hause kommen!“
Wir führten die beiden hinaus ins Freie und begaben uns zu unseren Pferden. Wir würden nun ein abgelegenes Waldstück aufsuchen und die beiden nach Hause schicken. Während wir auf dem Weg waren, erläuterte ich kurz, worauf wir hinaus waren und dass auch das Portal geschlossen war. Die beiden waren auf uns angewiesen, genauso wie ich auf die Ehrlichkeit der beiden angewiesen war. Wenn ich einen Spiegel öffnete, dann mussten die Angaben stimmen und durften nicht in eine Zeit führen, in der das Portal noch existierte! Sprich... 2028... ENDE 2028. Vanessa hatte von 2025 gesprochen, doch es wäre besser... oder lieber doch nicht? Alex, vertrau auf deinen Instinkt. Wenn du sie nach 2028 schickst, dann existiert das Portal schon nicht mehr! Sie könnten nichts mehr ausrichten. Hörte ich Haytham in meinem Kopf. Das mag sein, doch sie könnten einen anderen Weg finden, den Spiegel wieder zu aktivieren. Verdammt... ich weiß es nicht. Die Verzweiflung musste mir ins Gesicht geschrieben sein. Und wenn du sie einfach nach 2028 schickst in das Lager auf Anticosti? Sprach mein Mann leicht amüsiert in meinem Kopf und brachte mich auf die richtige Idee. Damit war es abgemacht und ich gab unseren Entschluss weiter.
„Ihr überlasst uns einfach dem Wohlwollen oder dem Hass dieser Leute? Wir kommen in ein Lager von … Abtrünnigen, welche weder Orden noch Bruderschaft angehören? Ihr seid doch nicht ganz frisch... die Aufzeichnungen haben recht! Es kann keinen Frieden geben, lass dir das gesagt sein, Alexandra! Da kannst du bis dort hinaus zurückreisen... du schaffst es nicht!“ höhnte der Assassine! Ich ging nicht näher darauf ein, mir kam nämlich noch etwas anderes in den Sinn.
„Ach eines noch, es interessiert mich einfach. Dieser Mathias Engelhardt, ist das Verwandtschaft von Marius Engelhardt?“ mir fiel es verdammt schwer, diese Namen auszusprechen. Den einen wegen der Vergewaltigung und den anderen wegen der Trauer um ihn. „Wer?“ fragte mich der Assassine erstaunt. „Der Herr der mich entführt hat und über mich hergefallen ist!“ maulte ich ihn an. „Den kannten wir nicht, der gehörte vermutlich zu der Delegation aus Deutschland, die mit Artem angereist ist!“ meinte er jetzt grübelnd, also wussten die beiden es wirklich nicht. Sollte ich nicht doch noch sicherheitshalber... Nein, ich infiltriere den Geist jetzt nicht!
Wir verbanden den beiden Assassinen nun die Augen, ich wollte nicht, dass sie von meinem Artefakt erfuhren. Nicht hier und nicht jetzt, aber früher oder später würden sie darüber stolpern. Leider! Ich konzentrierte mich auf Anticosti... das Lager mit den Zelten... der Jeep... Laura... und dann ploppte der Spiegel in ein paar Metern Entfernung auf. „Geht jetzt einfach und kommt nie wieder!“ fauchte ich die beiden an, als wir ihnen die Augenbinden wieder abnahmen. „Komm schon, du wirst uns ins tiefste Mittelalter stürzen, nur aus Rache, oder?“ maulte mich Vanessa jetzt an. „Nein, ich bringe euch eigentlich genau in eure Zeit zurück, aber 3 Jahre später. Ich bin kein Unmensch, ich wünsche immer noch ein gewisses Gleichgewicht! Auch wenn bei euch beiden Hopfen und Malz bereits lange verloren sind!“ kam es trocken von mir, ich hatte keine Lust mehr, mich mit ihnen zu beschäftigen. „Wehe du schickst uns in eine andere Zeit, dann … bringe ich dich um!“ fauchte Vanessa, war aber schon hindurch, ebenso ihr Kompagnon. Das Portal verschwand langsam und in mir stieg ein ungutes Gefühl auf, alles falsch gemacht zu haben!
„Wir sollten jetzt dringend einige Gruppen mobil machen und Shay sollte auch informiert werden! Ich will nicht, dass den beiden auch noch etwas passiert, wie damals im Fort Arsenal!“ dachte ich laut nach und Haytham konnte kaum antworten, der Husten schüttelte ihn regelrecht! „Mi amor, das hört sich überhaupt nicht gut an. Lass uns erst einmal nach Hause reiten und du bekommst einen Salbeitee mit Honig!“ meinte ich leise und gab ihm einen Kuss. „Alex, es ist wirklich nichts schlimmes, glaub mir. Mir geht es gut!“ dabei sah er mich mit dieser hochgezogenen Augenbraue an, was mir sagen sollte, er wisse schon, was gut für ihn ist. Ja, das hatte ich ja schon einmal live mitbekommen, als er dann ohnmächtig im Fort Arsenal zusammen geklappt ist. „Keine Widerworte, verstanden?“ mehr sagte ich nicht und wir gingen zu unseren Pferden.
Zuhause angekommen, erwartete uns überraschender Besuch. Master Bradshaw saß im Salon und unterhielt sich gerade mit Jenny. Etwas zähneknirschend begrüßte ich Finley, eigentlich wollte ich aus meiner Montur heraus und mich frisch machen. Als Mrs. Byrne nach unseren Wünschen fragte, gab ich ihr die Anweisung für den Tee für meinen Mann. „Was ist los, Haytham?“ fragte seine große Schwester besorgt. „Es ist nur ein leichtes Kratzen im Hals, aber Alex meint, ich würde gleich sterben!“ überspielte er einen erneuten Hustenreiz, bekam aber einen bösen Blick von seiner Halbschwester. Nachdem man uns dann noch mitteilte, dass Mrs. Wallace mit Edward junior, Magda und Michael einen Spaziergang machte, konnte ich mich mit meinem Geschäftspartner unterhalten.
„Mistress Kenway, verzeiht mein plötzliches und unangekündigtes Erscheinen. Aber ich habe Neuigkeiten bezüglich dieser Russen, im speziellen einem Alexeeva! Er ist seit ein paar Wochen hier in London!“ meinte er aufgeregt. „Das wissen wir schon, Master Bradshaw! Wir haben einige Verstecke der deutsch-russischen Assassinen ausräuchern können und dabei sind wir auf zwei gesprächige Exemplare gestoßen.“ grinste ich breit und erzählte ihm von den beiden und was wir herausgefunden haben. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren und vereint diesem Artem endlich das Handwerk legen. Wir brauchen diesen Edenapfel!“ Finley war schon aufgestanden, so als wolle er sofort aufbrechen, ich hielt ihn aber noch zurück. Für heute hatte ich eigentlich auch genug und wollte den Nachmittag mit meiner Familie verbringen! Wir würden uns morgen dann mit allen treffen um das weitere Vorgehen zu besprechen. In dem noch nicht bewohnten Haus sollte der Treffpunkt wieder sein und zwar am Vormittag, gegen 10 Uhr!
Wir aßen noch kurz zu Mittag, nachträglich leider, aber ich hatte einen wahnsinnigen Hunger und gerade als wir anfingen, erschien Sybill mit unserem Sohn. Als er uns sah, strahlte er uns an und brüllte „Mamaaaaa!“ Sein Kindermädchen kam ins Esszimmer und übergab mir den Kleinen, welcher sofort nach dem Essen auf meinem Teller grapschte. „Edward, hast du schon wieder Hunger? Du bist ein kleiner Vielfraß.“ lachte ich nur und gab ihm etwas vom Fleisch. „Eigentlich hatte Master Edward sogar noch Nachtisch und er hat auch einen Apfel gehabt. Ich frage mich, wo er das lässt, Mistress Kenway.“ meinte Sybill ebenfalls lachend. Er wächst halt, ging es mir wieder durch den Kopf und gab ihm einen dicken Schmatzer, was Edward mit einem Quietschen kommentierte. „Aber an seinen Tischmanieren sollten wir noch arbeiten, sieh dir nur sein Hemd an.“ kam es tadelnd von meinem Mann. „Später Haytham, aber ich bin mir sicher, du wirst das hinbekommen.“ lächelte ich ihn an.
Als ich endlich aus meiner Montur konnte und in ein leichtes Leinenkleid gekleidet wieder hinunter ging, fühlte ich mich wesentlich wohler. Mein Templer hatte den georderten Tee brav getrunken, auch wenn er das Gesicht dabei verzog. Im Garten traf ich dann auf meine Familie und genoss diesen Moment Ruhe, morgen würde wieder ein langer Tag werden und ich besprach schon einmal mit Sybill, was anstand.
Das Wetter meinte es nicht gut mit uns, es war immer noch wahnsinnig heiß und kein Gewitter in Sicht. Dieser Umstand ließ mich bereits beim Wachwerden nörgeln. „Wo ist das berühmte britische Regenwetter, wenn man es mal braucht!“ erstaunt sah mich mein Mann an. „Berühmtes Regenwetter? Wo hast du das gelesen, mi sol?“
„Das weiß doch jeder, dass hier das Wetter immer schlecht ist und es halt viel Regen gibt.“ erklärte ich ihm mein mehr als dürftiges Wissen. „Das stimmt aber nicht so ganz...“ und er setzte hustend für eine Belehrung an, ich ließ Haytham aber nicht ausreden. „Mi amor, nicht vor dem Kaffee. Und ich weiß, dass ist einfach ein Klischee Gedanke, genau wie die Leute glauben, dass Deutschland aus Lederhosen und Brezeln besteht!“ grinste ich breit und ich sah in seinen Augen die Fragezeichen, er konnte gerade keinen Zusammenhang sehen. „Und du bekommst gleich noch mehr von dem Salbeitee, mi amor. Auch wenn dein Husten angeblich nicht schlimm ist, ich weiß!“
Nach dem Frühstück zog ich mir meine Montur wieder an, doch dieses Mal verzichtete ich auf das Korsett und bat Magda um eines der leichten Mieder! Darüber kam ein fester aber leichter Gehrock!
Mit der üblichen Bewaffnung machte ich mich auf nach unten in die Eingangshalle, wo Haytham bereits auf mich wartete. Edward war auf seinem Arm und brabbelte aufgeregt vor sich hin, während sein Vater ihn grinsend ansah und immer mal wieder ein „Ja, natürlich.“ oder „Da hast du vollkommen recht!“ einwarf. „Ich hoffe, ich störe die Herren nicht bei wichtigen Diskussionen?“ fragte ich lachend und gab meinem Mann einen Kuss und auch unser Sohn bekam einen Schmatzer, bevor er wieder meckern konnte. „Das bleibt unter uns, mi sol. Habe ich Recht, Edward?“ lächelte er ihn an. Wie zur Bestätigung lehnte klein Kenway grinsend seinen Kopf an die Brust seines Vaters. „Wir sollten dann jetzt los, mi amor.“ meinte ich etwas traurig, ich würde gerne mal wieder einen Tag nur mit meiner Familie haben. „Das sollten wir.“ Haytham rief nach Mrs. Wallace und übergab unseren Nachwuchs, welchem das überhaupt nicht passte. „Schätzchen, wir sind bald wieder zuhause!“ ich drückte ihn noch einmal, anschließend gingen wir hinaus zu unseren Pferden und den beiden Wachen, welche uns begleiten sollten.
Wir waren ein kleines Stück geritten, als Haytham versuchte, mir das schlechte Gewissen auszureden. „Du weißt doch, dass Edward in guten Händen ist und wir sind nicht aus der Welt. Die Verpflichtungen im Orden sind nun einmal wichtig und lassen sich durch Familie nicht ändern, mi sol. Es wird auch bald wieder etwas ruhiger zugehen!“ kam es zuversichtlich von meinem Templer. „Ich weiß, trotzdem fühlt es sich immer gemein an, wenn ich unseren Schatz abgebe.“ seufzte ich entnervt und versuchte mich auf unseren Termin zu konzentrieren. Master Bradshaw und ein paar Assassinen würden ebenfalls anwesend sein, von denen ich hoffte, dass sie loyal genug sind. Die hiesigen Bruderschaften kannte ich noch nicht und war gespannt, was für Personen es sein würden.
An unserem Treffpunkt angekommen, sahen wir schon von weitem einige Pferde vor dem Haus angebunden stehen. „Ich liebe Menschen, die pünktlich sind.“ meinte ich fröhlich und lenkte mein Tier ebenfalls an den Zaun, dann saß ich ab und band es fest. Unten im Versammlungsraum hatte man schon für Licht gesorgt und unterhielt sich angeregt. Zu meiner Freude war auch Finley bereits eingetroffen und die Begrüßung war schnell erledigt. Nun konnte ich mir einen ersten Eindruck von den uns unterstützenden Assassinen machen und ich muss sagen, sie waren alle nicht mehr jung und unerfahren. Durch die Bank weg waren sie alle so um die 30 und ordentlich bewaffnet. Ich ließ meinen Blick anerkennend über die Anwesenden weiter gleiten.
Nach einer weiteren viertel Stunde trafen auch die restlichen Unterstützer mit ein und wir besprachen, wie wir weiter vorgehen wollten. Wir wussten, Artem hatte ein Haus in Whitechapel angemietet, doch wo genau, war uns noch nicht bekannt. Eine der Templerinnen trat vor und deutete freudig auf den Stadtplan. „Mistress Kenway, ich habe über einen Informanten erfahren, dass er sich im südlichen Bereich aufhält. Dort sind die Häuser nicht ganz so schäbig, aber auch nicht zu nobel. Es liegt direkt neben einem Bordell, dort...“ sie deutete auf die Straße und den Bereich. „Das ist ja fantastisch. Konnte euer Informant auch näheres über die Bewachung ausmachen?“ fragte ich die Dame. „Ja, auf der Straße gibt es vier zweier Patrouillen, welche auch das Grundstück mit im Auge haben. Daneben gibt es auf den beiden Balkonen jeweils zwei Scharfschützen. Leider kann ich nicht sagen, wie es im Inneren aussieht, Mistress Kenway.“ bedauernd sah sie von mir zu Haytham.
„Das ist doch aber ein guter Anfang und was die Wachen im Haus angeht, so werden wir schon damit fertig werden.“ kam es selbstsicher von meinem Mann. Er hatte nicht Unrecht, wir konnten beide mit dem Adlerblick die Personen im Inneren ausmachen! Nun besprachen wir noch, wer was zu tun hatte und für einen kurzen Moment war ich gewillt, Charles noch dazu zu holen, nur um ihn zu ärgern, ließ es aber dann doch sein. Shay und Faith hatten wir benachrichtigen lassen, dass sie aufpassen sollten und ich hoffte, dass ihnen nichts zustieß. Diese Brut wollte ich heute ein für alle mal aus dem Weg räumen, bevor sie noch auf dumme Gedanken kommt! Wir verließen das Gebäude in versetzten Abständen, während unsere Wachen und zwei weitere Brüder später mit uns aufbrechen würden. Wir bildeten die Nachhut um genau zu sein.
Der Weg Richtung Whitechapel war nicht lang, aber durch die ansteigende Hitze war es schon wieder unangenehm unter dem Gehrock. Wir ließen unsere Reittiere ein paar Straßen vor dem Ziel stehen und gingen die letzten Meter zu Fuß. Das Gebäude von Artem war wirklich unscheinbar und fiel nicht weiter auf zwischen diesen anderen ungepflegten Häusern. Die Dirnen beäugten uns schief, als wir an ihnen vorbeigingen und Zweien drohte ich mit dem Tod, sollten sie noch einmal meinen Mann anfassen. „Alex, so kenne ich dich gar nicht. Aber ich muss sagen, es gefällt mir.“ grinste er mich breit an. „Diese Weiber sind widerlich, mi amor. Da fängt man sich ja beim hinschauen schon was ein.“ und ich schüttelte mich bei dem Gedanke daran.
Wir standen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und beobachteten die Patrouillen von denen unsere Mitschwester berichtet hatte. Mein Mann hatte seinen Blick aktiviert und betrachtete in aller Ruhe das Haus. Ab und an schüttelte er den Kopf oder ging ein wenig zur Seite. „Hier draußen sind die 8 Leute auf der Straße, die Balkone sind auch besetzt. Aber drinnen sieht es anders aus, Artem selber hält sich anscheinend gar nicht hier auf, ich konnte nur rote Auren ausmachen und das nicht zu knapp, Alex.“ kam es leise von Haytham und er sah mich besorgt an. „Das darf doch nicht wahr sein...“ und mir kam ein ganz anderer Gedanke. „Haytham, was, wenn das hier wieder nur eine Ablenkung sein soll, wie damals im Fort Arsenal?“ ich wurde panisch bei diesem Gedanken, ich hatte Angst um mein Kind! Mein Templer versteifte sich ebenso und ihm stand die Panik ebenfalls ins Gesicht geschrieben. Kurzerhand stellte er 3 der Templer ab, damit sie zum Anwesen reiten und nachsehen! Dort warteten zwar noch 4 Wächter, doch das würde bei weitem nicht reichen! „Ich muss mit ihnen reiten, ich kann nicht hier bleiben!“ und meine Stimme zitterte gewaltig, aber mein Mann rief einen Bruder zu sich. „Ihr werdet zu Master Cormac aufbrechen und ihn postwendend darum bitten, zum Anwesen zu kommen. Erklärt ihm die Lage, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Russe sich nicht HIER aufhält!“ sein Ton war kalt und ich spürte darin die Angst um unseren Sohn.
Beruhigter war ich jetzt nicht wirklich, aber wir mussten erst einmal hier aufräumen und das Haus nach Artefakten und Hinweisen durchforsten. Finleys Anhänger machten kurzen Prozess mit den Scharfschützen, indem sie ihnen mit kleinen Pfeilen aus Blasrohren einen schönen Schlaf bescherten. Die patrouillierenden Wachen waren ebenso wenig das Problem, sie waren nach und nach hinters Haus aus Sichtweite der Fußgänger gelotst worden. Jetzt hieß es, das Gebäude infiltrieren! 2 Gruppen sollten hier unten einsteigen und die andere Gruppe und unser eins würde über die erste Etage eindringen. Durch das warme Wetter standen die Fenster fast alle offen, was das ganze Unterfangen für uns erleichterte.
Oben auf dem ersten Balkon schaltete ich die Schützen ganz aus, bevor sie wach wurden und noch Alarm schlagen konnten. Wir schlichen in den ersten Raum, doch hier war niemand abgestellt. Erst im benachbarten Zimmer waren 4 Männer auszumachen, welche gelangweilt an einem Tisch saßen und vermutlich Karten spielten. Ich öffnete die Tür einen Spalt, gebot mit einer Handbewegung den anderen die Masken über die Nase zu ziehen und warf dann eine der Rauchbomben. Das Überraschungsmoment war mal wieder auf unserer Seite und unsere Opfer hatten nicht einmal die Chance sich groß zu wehren. Fast lautlos ging das ganze von statten. Auf dem Flur hier oben liefen drei Wachen herum, welche aber auch schnell beseitigt waren und so konnten wir unseren Weg in die anderen Räumlichkeiten fortsetzen. Von unten hörte man ab und an ein dumpfes Aufschlagen, aber keine Kampfgeräusche. Wieder einmal fragte ich mich, ob diese Meuchelmörder alle untrainiert waren und ob es überhaupt echte Assassinen waren? Man konnte doch nicht ein ganzes Haus so einfach überrennen, da muss ein Haken dran sein!
Dieser kam schneller, als uns lieb war. Meine Befürchtung, dass das hier nicht alles war, wurde wahr, als sich uns vier hochgewachsene Herren in den Weg stellten, gerade als wir den letzten Raum betreten wollten. „Da seid ihr ja endlich, Master Kenway! Wir dachten schon, ihr erscheint hier gar nicht mehr, weil ihr zu dumm seid, Hinweisen nachzugehen!“ höhnte der erste mit einem starken russischen Akzent. Sie alle gingen in Angriffsposition und ich fackelte nicht lange und griff an, mich umgab wieder das Wissen meines Schwiegervaters. Der Mann mit dem ich kämpfte verstand sein Handwerk, dass war sofort klar und er hatte Kraft. Seine Schwerthiebe waren teilweise kaum zu blocken, meine Muskeln und Sehnen schienen zu schwingen, so dass es mir schwer fiel, meinen Arm ruhig zu halten. Nutze die versteckten Klingen! Täusche rechts mit dem Schwert an und dann ramme deine Klinge in seine linke Seite! Ich tat, wie mir gesagt wurde und als mir das Blut über meine Hand sprudelte, wusste ich, ich hatte getroffen. Mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht, hielt sich der Mann die Seite, doch damit war noch nicht Schluss. „Das wirst du mir büßen, du Verräterin!“ brüllte er mir entgegen und landete einen Treffer mit seinem Schwert an meinem Oberarm. Dank des Stoffes, war der Schnitt nicht tief, aber brannte wie Hölle!
Zwing ihn auf die Knie, roll dich nach vorne und hinter ihn. Gleichzeitig ziehst du mit dem Schwert über seine Knöchel! Auch das tat ich und es funktionierte, doch nicht ganz so, wie ich es gedacht hatte. Mein Angreifer fluchte nur kurz und schwang herum, ich hatte seine dicken Stiefel nicht bedacht und meine Schneide kam nicht durch das feste Leder! Verdammt! Aber Edward hatte Recht, ich musste ihn auf den Boden kriegen. Ohne nachzudenken nahm ich Abstand und mit einem schnellen Satz sprang ich ab. Was sonst immer klappte, war hier vergebene Liebesmüh! Der Herr griff sich meinen Fuß und riss mich förmlich daran hoch, ließ mich aber auch gleich darauf fallen. Ich landete mit meinem Arm unter mir auf dem harten Holzboden. Dabei hörte und spürte ich ein fieses Knacken in meinen Knochen! Der plötzliche Schmerz war kaum auszuhalten. Ich musste heftig schlucken, um mich nicht zu übergeben! Schnell versuchte ich mich aufzurappeln und schaffte es gerade noch so, ehe der Kerl mit seinem Schwert mich am Boden erwischen konnte. JETZT hatte ich meine Chance und schlug mit meiner, Odin sei Dank, rechten unverletzten Hand auf seinen Schwertarm ein!
Ich zerfetzte dabei die Jacke des Assassinen und brachte ihm eine tiefe Schnittwunde bei! „Ihr seid besser als gedacht, Mistress.“ keuchte er mich förmlich an und versuchte zu Atem zu kommen. Er sah über meine Schulter und grinste, doch ich ließ mich nicht ablenken und griff ihn wieder an. Doch der Blutverlust machte sich langsam bei ihm bemerkbar und seine Bewegungen wurden immer fahriger und langsamer. Plötzlich sackte er auf die Knie und verdrehte die Augen, dann fiel er vornüber und blieb vor meinen Füßen liegen. Dieser Kampf war irgendwie unbefriedigend, doch lange konnte ich mir darüber keine Gedanken machen, noch war es nicht vorbei.
Hinter mir hörte ich nämlich immer noch den Kampf und sah, wie Haytham seine Mühe hatte, gegen seinen Angreifer anzukommen. Diese Herren schienen zur Elite zu gehören, sie waren gut ausgebildet worden! Ich kam meinem Mann zur Hilfe in dem ich mich leise auf den Assassinen zubewegte, er nahm mich nicht wahr hinter sich. Das war mein Vorteil gerade und mit einem schnellen Ausfallschritt ließ ich mich auf die Knie nieder und zog mein Schwertklinge mit festem Streich über seine Kniekehlen, da konnte ich sicher sein, dass keine Stiefel an der Stelle waren. Ein lautes Aufheulen und er sackte ebenfalls zusammen, Haytham aktivierte seine versteckte Klinge und erlöste den Assassinen. Atemlos stand er nun vor mir und sah mich einfach an, ohne ein Wort zu sagen. „Haytham, ist alles in Ordnung? Sag doch was?“ besorgt begutachtete ich meinen Mann von allen Seiten, doch ich sah keine tiefen Verletzungen. Nur im Gesicht hatte er zwei Schnitte, einen am Kinn und einer am linken Auge, das würde aber verheilen.
„Mir geht es gut, doch... Alex, hast du dir deinen Arm mal angesehen?“ kam es etwas ungläubig von ihm und erst jetzt dachte ich wieder daran. Als ich aber jetzt auf meine linke Körperhälfte und den daran befindlichen Arm schaute, wurde mir schlecht und ich übergab mich. Die Extremität stand in einem unnatürlichen Winkel ab und meine Hand war bereits blau angelaufen, jedoch nicht sehr stark geschwollen. Der Schmerz schoss in meinen Körper, als wäre er vorher nicht da gewesen und ich starrte auf meine gebrochenen Knochen. So wie es aussah, waren dann wohl Elle UND Speiche gebrochen, bei Odin, das würde ewig dauern, bis es verheilte! Der Kostümball!, war einer meiner nächsten völlig dummen Gedanken! „Haytham, das... ich glaube, er ist gebrochen.“ sagte ich wie zur Bestätigung noch einmal. „Das sehe ich, aber wir sind hier noch nicht fertig! Leider!“ kam es vorsichtig von meinem Mann und er deutete nach unten, wo im Eingangsbereich einige Leichen lagen, auch ein paar unserer Leute waren darunter.
Doch darauf wollte er gar nicht hinaus. „Nutze deinen Blick, Alex!“ befahl er mir und drehte mich ein wenig nach links. „Sieh nach unten, dort wo ungefähr der Keller sein müsste.“ ich konzentrierte mich und dann sah ich sie, die gelbe Aura unseres Zieles! Warum hatten wir ihn aber vorhin nicht gesehen? „Vermutlich ist er gerade erst wieder hier erschienen und zwar durch die Kanalisation, wie ich vermute.“ knurrte mein Templer und ich ahnte, dass wir noch mehr Zugänge versiegeln mussten! „Haytham, aber ich kann so nicht mehr kämpfen, es sei ...“ zu mehr kam ich nicht, neben mir erschien eine durchscheinende Gestalt. Es war aber weder Idun noch Odin, es war mein Enkel! „ALEX?“ rief ich, als ich ihn deutlich erkennen konnte und sich seine Silhouette etwas festigte. Er war ein erwachsener junger Mann, aber ich erkannte ihn an seinen Haaren und den Gesichtszügen, welche er von seinem Vater hatte.
„Ja, ich bin es, Oma! Ich konnte spüren, dass du Schmerzen hast. Das habe ich noch nie vorher so erlebt!“ hörte ich ihn nun leise sprechen und starrte immer noch auf seine Gestalt! Ich habe ihn zu dir geschickt! Wir brauchen dich gesund und kampfbereit! Hörte ich Odin in meinem Kopf. Das war einleuchtend und ich beließ es dabei. „Reich mir deinen Arm und beiße die Zähne zusammen, es könnte weh tun! Haytham, würdet ihr meine Oma bitte festhalten?“ dann ging alles ganz schnell. Haythams Arme legten sich um mich und ließen mir keine Fluchtmöglichkeit. Gleichzeitig griff mein Enkel nach meinem Arm und im ersten Moment durchströmte mich eine wohlige Wärme, doch sie wich in Sekunden einem stechenden Schmerz, als würde man Knochen auf Knochen reiben. Kurz darauf war es vorbei und unter meiner Haut konnte ich sehen, wie die Fragmente der Knochen wieder zueinander fanden und sich verbanden.
Alex ließ mich los und deutete seinem Großvater seine Arme ebenfalls von mir zu nehmen. „Das ist... ich habe dich noch nie wirklich dabei erlebt, Alex. Wie ist das so schnell möglich?“ fragte ich immer noch voller Staunen. „Einfach ist es nicht, Oma. Es strengt mich an, aber ich mache das ja auch nicht jeden Tag!“ grinste er mich jetzt an und ich konnte nicht anders, ich fasste, oder besser, ich wollte ihn berühren, griff aber durch ihn hindurch. Noch etwas, was ich nicht richtig verstand. „Danke, Alex! Ich hab dich lieb, vergiss das nicht!“ jetzt standen mir die Tränen in den Augen und meine Stimme zitterte. „Ich dich auch, Oma. Ich werde jetzt wieder gehen, soll ich Papa oder Mama noch etwas ausrichten?“ fragte er leise. „Ja, dass ich euch alle vermisse!“ mehr brachte ich nicht mehr heraus und mein Enkel verschwand winkend in einem Nebel, so wie es Edward immer tat.
Für einen Moment sah ich hinterher und dann auf meinen Arm, er schmerzte noch, aber es fühlte sich wie Muskelkater an. Dann riss mich Haytham aus meinen Gedanken. „Wir sollten jetzt nach unten gehen, ich weiß, du bräuchtest noch einen Moment, aber wir haben keine Zeit dafür.“ mahnte er mich. Wir mussten Mr. Alexeeva endlich zur Strecke bringen.
Unten wurden wir von den anderen erwartet, sie alle sahen uns fragend und staunend an. Jeder hatte das Spektakel oben auf der Empore sicherlich gesehen, ich würde es vielleicht später erklären. „Artem ist unten im Keller, wenn ich mich nicht täusche. Meine Frau und ich gehen vor, ihr Phil, Michael, Beatrix, werdet hier oben Wache halten. Stewart, Karl, Patrick und Yvie, ihr kommt mit uns und folgt uns in einem kleinen Abstand! Die restlichen werden draußen patrouillieren.“ befahl Haytham jetzt leise und wir begaben uns leise zum Kellereingang. Die große Tür stand offen und wir konnten am Fuß der Treppe einen Lichtschimmer ausmachen. Ich hatte meinen Blick wieder aktiviert und sah unsere Zielperson ein Stück von uns entfernt, an etwas lehnen. Es sah aus, als warte er auf uns, das gefiel mir aber überhaupt nicht!
Er lauert uns auf, Haytham. Siehst du das? Er erwartet uns! Deutete ich wortlos meinem Templer. Ich sehe es, aber sonst ist hier nichts, keine weiteren Gefahren. Aber sei bitte vorsichtig, versprich es mir! Hörte ich ihn in meinem Kopf sagen und sah seine Bitte in seinen Augen. Ich nickte lediglich zur Bestätigung. Dann hatten wir das Ende der Treppe erreicht und vor uns erstreckte sich ein niedriges Kellergewölbe, welches an den Seiten mit Fackeln beleuchtet war. Es sah wirklich aus wie in den Katakomben! „Ah, da seid ihr ja endlich! Aber ich hatte noch zu tun, deswegen musste ich nicht allzu lange hier herum stehen und Löcher in die Luft starren!“ die Worte kamen eiskalt und gehässig aus seinem Mund. Der Russe war so groß wie Haytham, hatte helle-rötliche schulterlange Haare und eine fiese Narbe über der Nase, die bis über sein rechtes Auge reichte. Seine Kleidung war teuer und seine Bewaffnung war auch nicht von schlechten Eltern, stellte ich fest.
„Endlich lernen wir uns persönlich kennen, Mr. Alexeeva!“ ich hatte eine ebenso kalte Tonlage angeschlagen. Mein Blick war starr auf ihn gerichtet. Dann trat er mit einem triumphierenden Ausdruck im Gesicht zur Seite und zum Vorschein kam die Runentruhe, welche ich Finley überlassen hatte. Ich erkannte sie an den Beschädigungen an den Schlössern! Master Bradshaw! Verdammt, ich hatte überhaupt nicht mehr auf ihn geachtet und erst jetzt fiel mir auf, dass er weg war! „Wo ist Master Bradshaw?“ fragte ich den Assassinen vor mir. „Oh, er ist gerade etwas unpässlich, Mistress Kenway.“ grinste er mich frech an. „Ich habe gefragt, WO er ist, nicht WAS mit ihm ist!“ ich wurde lauter, als ich einen Schritt auf ihn zuging.
In seine Augen trat ein zufriedener Ausdruck. „Wenn ihr es wissen wollt, dann versucht es doch herauszufinden. Kommt schon, ihr könnt doch in den Geist eindringen und ihn so manipulieren, wie es euch passt. Ich warte, Mrs. Kenway!“ höhnte er lachend, also brauchte ich es gar nicht erst versuchen und ließ es auch. Je näher ich ihm aber kam, desto wärmer schien es zu werden. Dann sah ich sie, die Tätowierung. Bei Artem war sie auf dem Hals linke Seite. Eine kleine Sonne! „Ihr gehört auch dazu, wie ich sehe!“ kam es eisig von meinem Mann hinter mir. „Ganz genau, Master Kenway. Es wäre übrigens reizend, wenn ihr mir noch eure ganzen Begleiter vorstellen könntet, damit ich jeden einzelnen mit Namen umbringen kann! Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid? Ihr marschiert hier herein und metzelt meine Männer nieder. Genau wie in dem Lagerhaus, welches ihr auch noch abgefackelt habt! Ohne Rücksicht verwüstet ihr unser Werk!“ fauchte der Russe uns an. In seine Augen trat ein zorniges Funkeln.
„Wir haben uns nur verteidigt, Mr. Alexeeva! Oder sollte ich mich lieber für die Entführung und die Vergewaltigung bei euren Stiefelleckern bedanken? Ich habe mich gerächt, für das, was eure Männer mir angetan haben!“ schrie ich plötzlich los, ich hatte mich nicht mehr wie sonst unter Kontrolle! Es war Yvie welche mich gerade noch festhalten konnte, bevor ich auf den Assassinen losgehen konnte. Dieser lachte laut auf und sah mich kopfschüttelnd an, zu mehr kam er aber nicht. Er hatte einen rechten Haken von meinem Mann im Gesicht, welcher ihn jetzt nach hinten taumeln ließ und aus seiner Kehle drang ein wütender Schrei. „Ich muss doch sehr bitten, Master Kenway! Was kann ich dafür, wenn sich eure Frau so angeboten hat?“ seine Augen wanderten zu mir, er provozierte uns! Ich versuchte mich aus dem Klammergriff von Yvie zu befreien, doch sie war größer und kräftiger gebaut als ich. Also tat ich das, was ich am besten konnte. Ich trat nach hinten und ihr gegen das Schienbein. Als ich jetzt frei war, sprang ich mit gezückter Klinge auf diesen Russen zu, leider konnte ich nichts ausrichten. Jetzt war es Haytham, welcher mich packte und anfunkelte.
„Eure Frau ist eine echte Wildkatze, das gefällt mir! Meine Leute hätten sicherlich noch länger Spaß an ihr gehabt, doch dann musstet ihr ja auftauchen!“ er machte allmählich den Eindruck eines Irren auf mich, seine Augen waren weit aufgerissen und sein Lachen klang alles andere als normal. „Noch ein Wort und ich vergesse mich, Artem!“ nun wurde auch mein Mann lauter. Unsere Begleiter standen schweigend neben uns, man spürte aber, dass sie sich aufs Kämpfen einstellten und im Stillen entschuldigte ich mich bei Yvie. „Was wollt ihr von uns? Außer die beiden Schwerter meine ich.“ fragte ich jetzt etwas ruhiger, aber immer noch leicht zitternd vor Wut. „Wie ihr sehen könnt habe ich bereits was ich wollte. Also, wenn ihr mich dann einfach entschuldigen wollt, dann könnte ich meine Arbeit fortsetzen.“ sein Gesicht war irgendwie verzerrt und er erweckte den Eindruck, als hätte er zu viel getrunken. Langsam wurde mir dieser Russe unheimlich.
Mir fielen die Worte Odins wieder ein „Ihr seid in der Lage den Geist zu reinigen...“ Als Haytham ihn jetzt ansprach, sah es aus, als hätte man ihn aus einem tiefen Schlaf gerissen. Irgend etwas schien hier nicht zu stimmen und wir aktivierten beide zeitgleich unsere Blicke! Artem war nicht mehr gold leuchtend, sondern knallrot und die Aura pulsierte um ihn herum. Ich werde jetzt versuchen, in seinen Geist zu kommen! Hier stimmt etwas nicht! Sprach ich meinen Mann im Geiste an in der Hoffnung auch NUR ihn anzusprechen. Alex, sei vorsichtig. Wer weiß, auf wen oder was du triffst! Ich konzentrierte mich auf den Russen, atmete tief ein und aus, die Ruhe legte sich über mich und mit ihr sah ich einen regelrechten Weg in die Gedanken von Artem.
Was willst du hier? Verschwinde! Schrie er mich im Geiste an und ich sah, wie sich sprichwörtlich Türen schlossen! Keine Angst, ich bin nur kurz hier! Glaub mir, für mich ist das auch kein Vergnügen! Ich sah, wie er an einem Tisch mit vielen Personen saß und auf etwas anstieß. Dann sah ich einen kleinen Jungen, wie er etwas auspackte und sich freute. Ich streifte weiter umher und dann führte mich eine Tür in einen dunklen Raum, in dessen Mitte eine Truhe stand! Ich sagte, hau endlich ab aus meinem Kopf. Warum wollt ihr alle immer hier sein? Kam es jetzt etwas ungehalten von ihm, doch was meinte er mit „ihr alle“, hatte man das schon des öfteren mit ihm gemacht? War er wirklich nicht ganz bei Verstand?
Ich ließ mich nicht beirren, schritt weiter in diesen Raum. Die Truhe war so groß wie eine normale Reisetruhe. Sie war bunt bemalt mit Pferden, Blumen, einer Wiese und Bäumen. Es könnte eine Spielzeugtruhe sein!, kam es mir in den Sinn. Vorsichtig öffnete ich sie und schrak zurück, es war, als sähe ich in einen Abgrund. Aber nicht diese Felsspalten mit dem Glühen darunter, sondern es sah aus, als wären dort Wolken. Diese Gebilde wirbelten jedoch herum und gaben dann den Blick frei, aber ich sah nichts mehr. Nur noch der Boden der Truhe war zu sehen, ein paar Stofftiere, ein Holzschwert und ein Handball großer Klumpen Dreck. Ich nahm ihn hoch, dabei fühlte ich eine wohlige Wärme auf meiner Haut, aber Moment mal! Ich war im Kopf von Artem und es war nicht real, oder? Warum aber spürte ich das alles? Weil ich es so will, Verräterin! Hörte ich ihn hinter mir lachen und drehte mich erschrocken um. Dachtest du allen Ernstes, ich lasse dich meine Erinnerungen und Gedanken einfach so sehen? Wir sind beide von Balder auserwählt worden, wir haben die gleiche Fähigkeit, sollten wir da nicht besser zusammen arbeiten? Diese Stimme klang viel ruhiger als vorhin noch, war aber dieselbe, auch Artem war derselbe.
Nein, ich denke wir werden nicht zusammen arbeiten. Es sei denn, ihr gebt die Schwerter auf und überlasst mir den Edenapfel von Idun! In mir tobte gerade ein wahnsinniger Konflikt. Ich würde mit ihm gerne eine Übereinkunft haben, doch ich war mir nicht sicher, ob auch dieser Russe sich wirklich an solche Absprachen halten würde. Auf der anderen Seite konnte ich ihm schlecht die Vergewaltigung verzeihen! Als ich ihm nun meinen Gedanken erzählte, hörte ich ihn wieder irre lachen und damit war das Thema für mich durch. Er würde eine Zusammenarbeit nie wirklich anstreben wollen!
Im wahrsten Sinne des Wortes, grub ich mich jetzt durch seine Gedanken und hörte ihn immer öfter aufstöhnen, spürte seinen Widerstand, welcher immer schwächer wurde, ebenso bröckelten die Mauern langsam. Macht es euch doch nicht selber schwer und sagt oder zeigt mir, was ich wissen will!, fauchte ich immer öfter, bekam aber keine Antwort mehr, sondern nur noch ein Nein, nein... lasst mich alle in Ruhe! Ich will das nicht mehr! Ich habe getan was ihr wolltet, jetzt geht endlich! Dieses Flehen in der Stimme rief ein schlechtes Gewissen in mir hervor, aber ich durfte mir hier und jetzt keine Schwächen eingestehen.
Und ENDLICH sah ich, wie der Assassine einen Schlüssel aus seiner Börse nahm, ihn formte, damit er in ein Schloss passte. Der Blick glitt auf eine Truhe mit Runen, das Schloss knackte kurz, dann hob er den Deckel an und zum Vorschein kamen die Schwerter und diverser Kleinkram. Dann wanderten seine Gedanken zu der bunten Truhe, welche in einem Keller stand, auch sie war verschlossen, jedoch mit einem einfachen Schloss! Ich sah, wo er war! Hier! Mehr musste ich nicht wissen und zog mich aus seinem Geist zurück.
Als ich jetzt wieder im Keller stand, starrten mich alle entsetzt an. „Alex, was bitte hast du mit diesem Mann gemacht? Sieh ihn dir an!“ meinte Haytham leise und deutete auf den Boden! Dort lag Artem zusammengerollt in der Embryostellung und wiegte sich mit aufgerissenen Augen hin und her! Was hatte ich nur getan? „Ich weiß es nicht, ich habe doch nur seine Gedanken gelesen, ich habe ihm nicht weh getan oder so. Er wollte einen Frieden plötzlich, doch das würde nicht gut gehen, also habe ich weiter gegraben und...“ ich starrte auf das Häufchen Elend vor mir und wusste nicht, was geschehen war. Aber auch die Anwesenden im Raum wussten es nicht.
Yvie sprach leise „Ihr habt ihn regelrecht in Grund und Boden gestarrt, Mistress Kenway. Dieser Russe sah immer mehr aus, als hätte er ein Gespenst gesehen und fing an zu schreien, ihr sollt ihn in Ruhe lassen! Es war unheimlich. Und ihr... ihr habt ihm immer wieder Befehle gegeben, aber es war, als würde jemand anderes durch euch sprechen!“ sie sah mich ungläubig und fragend zugleich an, aber eine Antwort hatte auch ich nicht parat. Mein Blick ging von einem zum anderen, keiner sagte etwas und dann kniete ich mich neben Artem. „Es tut mir leid, ich weiß nicht, was da gerade passiert ist.“ sprach ich leise und strich ihm über den Arm.
Du hast es geschafft ihn auszuschalten, mein Kind. Dafür gebührt dir mein Dank und größter Respekt. Seit einigen Jahren haben wir es versucht, doch niemand hat ihm standhalten können! Es war Loki, welcher ihn bis gerade noch mürbe gemacht hat! Und keine Sorge, Loki es geht ihm gut, ich führe dich gleich zu ihm. Zuerst wirst du aber dafür sorgen, dass die Truhe wieder an ihren Bestimmungsort kommt und dann wirst du den Edenapfel an dich nehmen. Dröhnte Odins tiefe Stimme in meinem Kopf, doch bevor ich fragen konnte, WO dieser Edenapfel sei, fiel es mir selber ein. Der Klumpen Dreck aus der Spielzeugtruhe! Man schlang die Arme um mich und ließ mich auf den Boden nieder. „Alex, geht es wieder?“ hörte ich Haythams besorgte Stimme. „Ja, es geht langsam wieder. Wir müssen die Runentruhe wieder an Master Bradshaw übergeben und dann ist hier unten wohl noch eine bunte Truhe...“ Karl unterbrach mich aber. „Ihr meint diese hier, Mistress Kenway?“ und deutete auf ein Behältnis in einer Ecke des Raumes. „Ja, genau die meine ich.“ Langsam stand ich wieder auf. „Könntest du bitte nach einem Schlüssel an Artem suchen, Haytham? Ich habe für heute eigentlich erst einmal wieder genug.“
Nach kurzem Suchen fand mein Mann den formbaren Schlüssel und einen weiteren kleineren, welcher vermutlich für die bunte Truhe gedacht war. Ich schloss sie auf und sah auf den Inhalt hinunter, es war alles so, wie ich es gerade schon einmal gesehen habe, doch mich überlief eine Gänsehaut. Mir fiel mein Traum ein, als ich damals wieder zuhause war, in welchem mich Haytham fallen ließ und ich wie durch Wolken auf den Erdboden zuraste. Ich schüttelte mich, damit ich diese Bilder vertreiben konnte. Der schmutzige Ball war auch hier drinnen und ich nahm ihn vorsichtig hoch, betrachtete ihn von allen Seiten. Mit den Fingernägeln versuchte ich etwas abzukratzen, doch es klappte nicht so wirklich. Dann würde das wohl eine Aufgabe für zuhause werden!
Als ich mich umdrehte, hatte mein Templer bereits Karl und Stewart angewiesen, Mr. Alexeeva nach oben zu bringen und einen Arzt zu rufen. In diesem Falle mussten wir uns auf jemand anderen verlassen, ich wollte Faith nicht unnötig in Gefahr bringen. Die beiden Ordensbrüder fesselten den Russen trotzdem zur Sicherheit noch und gingen dann hinauf. Patrick und Yvie blieben mit uns hier und die beiden bekamen die glorreiche Aufgabe, die Runentruhe und die einfache Truhe nach oben zu bringen, während mein Mann und ich auf Odins Anweisungen warteten. „Mistress Kenway, seid ihr sicher, dass wir nicht lieber hier mit euch warten sollten?“ fragte mich der junge Mann nun. „Nein, wir kommen schon zurecht. Es ist nur wichtig, dass niemand sonst an die Truhen kommt.“ damit gingen die beiden ebenfalls nach oben. Für einen Moment besah ich mir diesen Schlüssel und war versucht ihn in die richtige Form zu bringen. Ließ es aber dann doch sein, ich würde ihn Finley zur Aufbewahrung geben.
Wir sind nun alleine, das ist gut. Geht zur linken hinteren Wand, dort findet ihr eine Kerbe in einem Stein. Drückt sie hinein und dann nach unten. Als wir den Mechanismus betätigten, hörten wir ein lautes Knirschen und eine gemauerte Wand rückte zur Seite. Dahinter war ein unbeleuchteter Gang, welcher in die Katakomben und die Kanalisation führte. Wir schnappten uns jeder eine Fackel und gingen hinein, in mir aber kamen wieder diese Bilder der Entführung hoch. Ich musste tief durchatmen, um nicht zu hyperventilieren! Jetzt folgt ihr diesem Gang, es ist nicht weit, an der Biegung geht ihr nach rechts und gleich wieder nach links. Dort findet ihr eine Zellentür und dort drinnen wird Finley festgehalten! Beeilt euch, er ist verletzt und ich konnte ihm so nicht helfen! Wir eilten also weiter durch diese Gänge. Als wir endlich dort ankamen, hörte ich ein gequältes schmerzvolles Stöhnen und immer wieder ein Quieken! Ratten!
Das Schloss des Gitters war schnell geöffnet mit einer Haarnadel von mir, ich weiß, Klischee, aber so war es halt. Kreditkarten gab es hier ja noch nicht! Ich steckte meine Fackel in ihre Halterung und dann sah ich Master Bradshaw auf einer Pritsche zusammen gekauert liegen. Seine Kleidung war voller Blut, sein Gesicht war angeschwollen und sein Atem ging stoßweise. „Master Bradshaw, wir werden euch jetzt hier herausholen. Könnt ihr aufstehen?“ fragte ich ihn leise. „Seid ihr das, Mistress Kenway? Wie... kommt ihr... hierher?“ fragte er schwer atmend. „Odin hat mir den Weg gezeigt. Steht bitte auf, damit wir hier weg können. Mr. Alexeeva wird uns nicht mehr in die Quere kommen, dafür habt ihr und ich gesorgt.“ versuchte ich ihn aufzumuntern und es schien zu funktionieren. Haytham half ihm beim Aufrichten, doch er zuckte bei jeder Bewegung zusammen.
„Er war nicht alleine, er... hat viele... Wachen... wir müssen sie... ausschalten...“ Finley konnte kaum sprechen, so geschwollen waren seine Lippen und sein Kiefer sah auch mehr als ungesund geformt aus. Bei Odin, Verzeihung, was hat man ihm nur angetan. Das konnte doch nicht das Werk von einem Mann alleine gewesen sein! Für Fragen war aber später noch Zeit, wir müssten ihn jetzt hier raus bringen, nach Hause schaffen und einen Arzt für ihn besorgen! Wir kamen langsam voran, immer Schritt für Schritt, während mein Mann den Verletzten stützte. Im Keller wieder angekommen, gingen wir hinauf.
Oben erwartete man uns bereits und die Assassinen, welche Master Bradshaw mitgebracht hatte, waren erleichtert ihren Mentor wiederzusehen. Jetzt halfen sie alle mit vereinten Kräften, den Mann in eine bereits gerufene Kutsche zu bringen. „Sorgt dafür, dass er angemessen behandelt wird und erstattet uns dann sofort Bericht. Ich selber werde Francis noch eine Nachricht zukommen lassen und ihr auch noch einmal alles erklären!“ befahl ich ihnen. Dann machten sich die Damen und Herren auf den Weg. Wir hatten ihnen die Runentruhe und den Schlüssel mitgegeben, sie sollte wieder bei Finley sein. Ich fragte mich im selben Moment aber, wie Artem es geschafft hatte, diese Truhe an sich zu bringen! Aber wenn ich mir Loki so ansehe, dann müssen da Kräfte und Mächte am Werk gewesen sein, die es diesem Russen ermöglicht haben, einfach so an diese Artefakte zu kommen. Ich hoffte, es würde sich bald aufklären! Auch hatte ich Anweisung gegeben, das bunte Behältnis zum Anwesen bringen zu lassen. Unsere Wachen würden sie in Empfang nehmen.
Haytham und ich sahen uns noch einmal hier um, konnten aber keinerlei Spuren mehr feststellen, oder noch weitere rote Auren. Es war alles sauber. Langsam konnte ich mich entspannen und in meinem Kopf formten sich die nächsten Gedanken, was noch alles anstehen würde. Doch das nicht mehr heute, ich hatte genug und sah auf meinen nun fast geheilten Arm, welcher noch ein wenig pochte, aber nicht mehr schmerzte. „Diese Geschichten glaubt uns keiner, mi amor. Das ist doch alles so absurd und... es scheint kein Ende zu nehmen!“ ich lehnte mich an meinen Mann, welcher bisher noch kein Wort wieder gesprochen hatte. „Wir werden sie ja auch niemandem erzählen, mi sol. Außer unseren Kindern und eventuell den Enkelkindern.“ kam es leise von ihm und er küsste mich auf den Kopf. „Das werden ja schöne Schauergeschichten für die Kleinen. Du kannst ja gleich heute Abend bei Edward damit anfangen.“ grinste ich meinen Templer an und zog ihn zu mir herunter. Gerade als ich ihm einen Kuss geben wollte, hustete er wieder. Es schien aber wirklich besser zu werden, die nächsten Tage bekommt er einfach weiter diesen Tee, beschloss ich in diesem Moment. „Er schmeckt aber nicht, mi sol...“ meckerte er plötzlich, musste dabei aber selber lachen. „Medizin die schmeckt, wirkt nicht. Das hat sogar schon meine Oma gesagt!“
Als wir endlich am späten Nachmittag beim Anwesen wieder ankamen, waren die Temperaturen weiter geklettert und mir klebte jedes noch so kleine Stück Stoff am Körper und ich fühlte mich völlig durchgeweicht. Shay war bereits wieder auf dem Weg nach Hause, als man die Nachricht überbrachte, dass wir uns auf dem Rückweg befanden. Ich würde mich beizeiten bei den beiden für diese Störung noch entschuldigen, ich hoffte, dass sie meine Angst vor einem weiteren Überfall nachvollziehen konnten!
Schon beim Eintreten konnten wir ein fröhliches Gequietsche aus dem Garten hören. Als wir auf der Terrasse erschienen, sahen wir einen kleinen Edward, welcher in einem Holzzuber vor sich hin planschte. Neben ihm kniete Sybill wachend über ihn. „Da hat ja jemand seinen Spaß beim Baden, ich würde mich gerne dazugesellen, mi amor!“ dafür erntete ich einen Klaps auf meinem Hintern. „Das lässt sich einrichten, heute Abend, wenn unser Sohn im Bett ist. Aber glaub ja nicht, dass du dann alleine bist!“ hauchte Haytham mir ans Ohr und mich überkam eine Gänsehaut. „Hört sich fantastisch an, mi amor.“ Ich zog meinen Gehrock aus und überreichte ihn Magda, welche mich wieder tadelnd ansah, als sie die vielen Blutflecken bemerkte.
„Mamaaaaa“ brüllte uns der kleine nasse Mann entgegen und hielt mir sein nasses Spielzeugpferd hin. „Du bräuchtest für dein Bad eigentlich eine kleine Jackdaw, mit der du dann spielen kannst.“ kam es grübelnd von meinem Mann. „Eine gute Idee, Haytham! Ich hoffe doch, du warst heute artig und hast Sybill und deine Tante nicht allzu sehr geärgert, mein Schatz?“ fragte ich ihn lachend und hob ihn aus seinem Zuber. Sein Kindermädchen reichte mir ein Handtuch, welches ich um ihn schlang um ihn trocken zurubbeln. „dada“ sein Finger ging in Richtung Haytham. „Edward, wie heißt das?“ lächelte er seinen Sohn an, bekam aber nur ein freudiges Lachen, als ich ihn weiter abtrocknete. „Er lernt es schon noch.“ sagte ich leise. Sybill gab uns einen kurzen Bericht. Edward sei brav gewesen, nur sein Mittagessen schien ihm nicht geschmeckt zu haben. Das hat er wohl im halben Esszimmer verteilt, man sei aber froh, dass die Teppiche wieder zu reinigen seien.
Mein Templer wollte schon mit einer Strafpredigt beginnen, aber ich hielt ihn zurück. „Er ist noch kein Jahr alt, mi amor. Dein Sohn lernt es noch, wir sollten eher stolz sein, dass er schon soweit ist.“ auffordernd sah ich zu Haytham auf, ein tiefes resigniertes Seufzen kam von ihm. „Alex, du hast ja Recht. Aber wir sollten uns über die Erziehung einig sein. Du kannst ihn nicht immer in Schutz nehmen.“ Wollte ich ja auch nicht, aber muss man gleich streng werden, wenn die Kinder anfangen zu lernen, wie man Besteck hält. Zumal das in dieser Zeit für mich genauso gewöhnungsbedürftig war, es sah halt anders aus, als das was ich kannte. „Mache ich nicht, aber... ich will nicht, dass du zu streng bist.“ schmollte ich, weil mir nämlich die Erzählungen über Edward Seniors Erziehungsmethoden in den Sinn kamen. „Ich werde jetzt aber erst einmal nach oben gehen und mich frisch machen.“ ich überließ Sybill meinen kleinen Schatz.
Als ich aus meinem Hemd und der Hose war, nahm ich mir erleichtert seufzend den Lappen um mich zu waschen. Das kühle Wasser war einfach eine Wohltat, darüber hinaus konnte ich so einen Moment mit meinen Gedanken alleine sein. Die Spielzeugtruhe hatten wir ins Arbeitszimmer bringen lassen, das würde ich mir später dann alles ansehen. Als erstes würde ich Francis eine Nachricht schicken, um sie um ein Gespräch zu bitten. Ich hoffte, ihrem Mann ging es den Umständen entsprechend gut und dass er einen guten Arzt an seiner Seite hatte.
Ja, was nun Artem anging, wusste ich nicht so recht, wie wir weiter mit ihm verfahren sollten. Im Grunde war er nur einer der Hintermänner von Eugene, aber in seinem jetzigen Zustand konnte er uns nicht mehr gefährlich werden, geschweige denn irgendwelche Pläne schmieden. Sollten wir ihn wieder in seine Heimat schicken? Sollte ich auf den Boten aus Russland erst einmal warten? Ich entschied mich für letzteres und nickte mir zufrieden im Spiegel zu.
In ein leichtes Leinenkleid gehüllt verließ ich unser Zimmer. Zu meinem Erstaunen stand Haytham bereits im Arbeitszimmer und hatte die Truhe schon geöffnet. „Und, schon fündig geworden, mi amor?“ ich stellte mich neben ihn, auf der Arbeitsfläche lagen einige Schriftstücke. „Fündig ja, aber wir werden so nicht weiterkommen, mi sol. Es ist alles kyrillisch! Es sei denn, DU beherrscht diese Sprache mit einem Male!“ grinste er mich an. „Nein, du kennst ja mein Sprachtalent, aber ich wüsste, WER uns dabei helfen könnte!“ ein breites Grinsen erschien auf meinem Gesicht, ich dachte an meine Schwester. Sie hatte mir von ihrer Arbeit als Übersetzerin berichtet und da sie darin auch sehr gut war, konnte ich ihr ja mal die Papiere zeigen. „Eine gute Idee, Alex. Aber ich denke, nach dem Ball wäre angemessener, vermutlich hat Faith genug Arbeit mit den Vorbereitungen!“ Manchmal bekam ich den Eindruck, dass er uns absichtlich mit logischen Bemerkungen voneinander fernhalten wollte.
„Nein, will ich nicht!“ hörte ich ihn schmollend sagen. Das offene Buch... nur noch selten, aber es war noch nicht ganz perfekt. „Ist ja gut, mi amor. Es war nur ein Gedanke.“ meine Hand legte sich beschwichtigend auf seine. Haytham schnappte sie sich, zog mich an sich heran und sah mich wartend an. „Habe ich etwas vergessen, mi amor?“ fragte ich etwas zögerlich, diese Art war mir immer wieder unheimlich. War das jetzt wirklich ein Glucksen von ihm? „Weißt du eigentlich, dass ich es liebe, wenn ich dich so verunsichern kann, mit einem einzigen Blick?“ Ja, er hatte eine perverse Freude daran, dass war mir schon oft aufgefallen! „Ich halte euch nicht voneinander fern, mi sol. Du kennst mich, ich möchte nur nicht stören und ihr mehr Arbeit aufhalsen, als unbedingt nötig.“ Sie hatte sicherlich genug mit den Vorbereitungen zu tun, das wusste ich ja. „Du hast ja Recht!“ gab ich maulend zu und ich bekam einen Kuss von ihm. Wir räumten die Papiere in meine gesicherte Truhe und ich schnappte mir den Dreckklumpen, von welchem wir ausgehen konnten, dass er der Edenapfel war.
„Hast du Hammer und Meißel da, mi amor?“ fragte ich ironisch, sah aber, dass Haytham wirklich überlegte, ob diese Gerätschaften im Haus seien. Mir kam aber ein etwas einfacherer Gedanke, wir würden das Ding einfach einweichen. Der Zuber von vorhin stand bestimmt noch im Garten. „Eine gute Idee, dann mal los!“ kam es freudig von meinem Mann und wir gingen hinunter, nachdem ich noch die Nachricht für Mistress Bradshaw verfasst hatte. Auf der hinteren Terrasse saßen Jenny, eine Freundin von ihr und Mrs. Wallace mit Edward. Das Abendessen war schon fertig und erst jetzt merkte ich, dass ich hungrig war. Vorher jedoch legte ich den Dreckklumpen in das Wasser. Es dauerte nicht lange, da löste sich schon der erste Sand ab.
Beim Essen hatte ich unseren Sohn auf dem Schoß und er lehnte zufrieden an mir. Mit einem Löffel verabreichte ich ihm immer wieder Tee. Auch sein Vater hatte seinen verhassten Salbeitee bekommen. „Nun verzieh nicht so das Gesicht, Haytham. Es ist nur Tee und kein Gift!“ lachte ich. An Edward gewandt flüsterte ich „Hoffentlich wirst du später deine Medizin ohne Murren nehmen.“ dafür erntete ich eine hochgezogenen Augenbraue, welche mir deutlich machte, was mich später noch erwarten würde. Mein Templer hatte nämlich das Bad schon in Auftrag gegeben.
Nachdem wir fertig waren, ging ich kurz in den Garten um die Kugel zu inspizieren. Der Schmodder hatte sich fast vollständig abgelöst. Ich konnte tatsächlich etwas ausmachen, was nach einer Art Metall aussah. Edward war bei seinem Vater auf dem Arm und beide sahen gebannt in das dreckige Wasser. Ich war zu neugierig und steckte meine Hand hinein! Die Kugel fing sanft an zu leuchten und strahlte wieder leichte Wärme ab. Leider konnte ich noch nicht erkennen, was für Zeichen darauf abgebildet waren.
„Daaaaaaaa“ hörte ich unseren Sohn begeistert neben mir und er zeigte auf das Wasser mit großen Augen. Je näher seine Ärmchen kamen, desto mehr sah man die Zeichen auf der Haut, bei mir nicht. „Schätzchen, lass lieber erst noch die Finger davon. Nicht dass du uns wieder woanders hinbringst.“ Ich zog vorsichtshalber seine Hand dort weg. Was mir einen heulenden Edward einbrachte, weil er seinen Willen nicht bekam. Haytham ließ sich nicht beirren, drehte sich mit ihm auf dem Arm um, redete auf seinen Sohn ein, während er hinein ging. Ich deckte den Zuber noch mit einer Holzplatte ab, welche eigentlich für das Wasserfass hier draußen genutzt wurde. Dann folgte ich meinen Männern.
Nachdem ich unseren Sohn ins Bett gebracht hatte, wartete Haytham bereits auf mich und führte mich in die hintere Waschküche. Dort stand ein großer Holzzuber gefüllt mit dampfendem Wasser welches herrlich blumig duftete. „Hoffentlich haben wir auch beide Platz, mi amor.“ meine Hand landete auf seinem Hintern. Ohne ein weiteres Wort schloss mein Mann die Tür zur Waschküche ab und kam dann gemächlich wieder auf mich zu. „Zieh dich aus, Alex!“ sein Tonfall duldete keine Widerworte! Langsam streifte ich das Kleid und meine Unterkleidung ab, behielt aber immer den Augenkontakt und seine Augen wurden von Kleidungsstück zu Kleidungsstück dunkler. „Komm her!“ kam es immer noch in diesem Befehlston, welcher mich erschauern ließ.
Er fing an, sich selber zu entkleiden. Auch mein Mann behielt die Augen auf mich gerichtet. Bevor ich mich versah, saß ich auf seiner Hüfte und er umklammerte meinen Hintern. „Du weißt, ich dulde es nicht, wenn du mir widersprichst und dein loses Mundwerk müssen wir auch noch zügeln! Aber das übernehme ich gerne hier und jetzt!“ kam es rau aus seiner Kehle, langsam ließ er mich wieder runter. Seine eine Hand glitt in meinen Nacken, während die andere über meine Lippen hinunter über meinen Hals, meine Brüste glitt und dann auf meinem Hintern lag und zudrückte. Wortlos zog er mich hinüber zum Zuber und hob mich hinein, so dass ich ihm zugewandt saß! Das warme Wasser war, trotz der Hitze draußen, eine Wohltat für meine Muskeln und mir entwich ein wohliges Stöhnen.
„Komm her!“ kam es leise von meinem Mann. Er zog mich zu sich, sodass ich auf seinem Schoß saß. Doch er machte keine Anstalten mich zu nehmen, Haytham fuhr weiter mit seinen Händen über meinen Körper, was ich ihm gleichtat. Für einen Moment genoss ich dieses Berühren einfach. Unsere Küsse wurden leidenschaftlicher und ich spürte, wie er sich immer mehr zusammenreißen musste. Sein Griff um meine Oberschenkel wurde härter und seine Hände griffen sich meine Hüften, hoben mich an. „Du gehörst mir!“ mehr sagte er nicht, das brauchte mein Templer auch nicht, ich verstand ihn und ließ es geschehen. Meine Stimme wurde lauter, aber auch dafür hatte er einen Weg gefunden, er küsste mich einfach, was mich immer weiter auf meinen Höhepunkt trieb. Mit einem tiefen Aufstöhnen kam er und nahm mich mit über die Schwelle, seine Muskeln bewegten sich unter meinen Händen, während ich mich an ihn krallte.
„Du hast mich gekratzt, mi sol.“ kam es nach einer Weile erstaunt aus seinem Mund. Er besah sich mein Werk auf seinen Armen. Oh, es waren wirklich Kratzspuren zu sehen und die nicht nur leicht, sondern es waren schon einige heftige Striemen darunter! „Verzeih mir, aber...“ sein Blick ließ mich verstummen. „Keine Sorge, du wirst es wieder gutmachen, mi sol!“ in seiner Stimme lag dieser laszive Ton mit einem Hauch von Templerart, welcher mich sofort in Habt-Acht-Stellung versetzte. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich nicht eine Bemerkung loswerden würde. „Jetzt sofort, Master Kenway?“ grinste ich übermütig und seine Hand landete klatschend auf meinem Po. „Wenn ihr so weitermacht ganz bestimmt, Mistress Kenway!“ hauchte er nur und zog mein Gesicht zu sich herunter. Seine Lippen schmeckten leicht salzig, weil wir hier ins Schwitzen gekommen waren, doch es schmeckte nach mehr.
„Ich glaube, das Wasser wird kalt, mi sol. Steh auf und trockne dich ab.“ kam es nur knapp von ihm. Als ich in ein Handtuch gewickelt dabei war, mir den Morgenmantel anzuziehen, stellte Haytham sich hinter mich und streifte mir alles wieder ab. „Wir sind noch nicht fertig, Mistress Kenway!“ jetzt erhielt ich meine Lehrstunde in gutem Benehmen, keine Widerworte geben und noch diverser anderer kleinerer Vergehen. Mein Mann genoss diesen Moment, ich konnte es fühlen und auch ich gab mich ihm wieder völlig hin. Zufrieden lehnte er dann später schwer atmend an meinem Rücken, mit leichtem Husten vermischt. „Ich liebe dich, mi sol!“ sprach er leise, ich drehte mich langsam zu ihm um und legte meine Hände in seinen Nacken. „Ich dich auch, mi amor!“ sein Kuss schmeckte immer noch salzig, aber ich schmeckte mich auch selber auf seinen Lippen!
Oben angekommen in unserem Zimmer, ging ich zu Edwards Bett und betrachtete ihn noch kurz. Ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss, ich spürte den seichten Schweißfilm auf seiner Stirn, obwohl ich ihm nur eine Windel und das Leinentuch zum Zudecken gegeben hatte. Leise ging ich jetzt zu unserem Bett und ließ mein Nachthemd achtlos davor fallen und kletterte, weil es sich so anbot, über Haytham auf meine Seite. Aber nicht ohne ihm noch einen verlangenden Kuss zu geben, welcher mit einem Kniff in meinen Po belohnt wurde. „Du bist gemein, Alex.“ ich lehnte mich grinsend an meinen Mann. „Ich sollte immer noch die weichen Sitzpolster in mein Sortiment aufnehmen, Haytham!“ fiel es mir halb schlafend wieder ein. Vor anderthalb Jahren hatte ich schon einmal diese Idee gehabt, um Weihnachten herum im Fort Arsenal. Mit diesem Gedanken und den Armen von Haytham um mich, schlief ich ein.
Warum musste es eigentlich so heiß hier in England sein? Herrschte hier verfrühter Klimawandel?, fragte ich mich genervt, verschwitzt und völlig übermüdet. Es war noch nicht richtig hell wie ich feststellte und erstaunlicherweise hatte Haytham meine Bewegungen noch nicht bemerkt. Ich schwang vorsichtig die Beine aus dem Bett und zog mir mein leichtes Nachthemd über. Dann sah ich kurz nach unserem Sohn, welcher noch friedlich vor sich hin nuckelte. Auf Zehenspitzen ging ich aus dem Zimmer hinunter zur Küche, in der Hoffnung etwas zu trinken zu finden.
Es war ein wenig unheimlich hier, wenn noch keiner wach war und alles so verlassen war. Ich fand den Wasserkessel mit dem abgekochten Wasser und goss mir einen Becher davon ein, mein Hals dankte es mir. Ich ging hinaus in den Garten um für einen Moment diese Stille zu genießen. Plötzlich fiel mir der Zuber wieder ein, in welchem ja das Artefakt lag. Als ich die Holzplatte angehoben hatte, sah ich in trübes Wasser, wo am Grund dieser kleine runde Gegenstand auszumachen war. Vorsichtig hob ich ihn heraus, das Leuchten wurde nicht wirklich stärker, aber ich spürte diese Wärme wieder. Ich trocknete ihn an meinem Nachthemd flüchtig ab und ging wieder zurück ins Haus. Als ich wieder oben in unser Zimmer trat, begann Edward zu jammern.
Das Artefakt legte ich auf meinen Nachttisch, bevor ich zum Bett unseres Sohnes ging, welcher mir schon seine Ärmchen entgegenstreckte. „Mamaaa“ kam es freudig von ihm und er kuschelte sich an mich. „Pssssst... nicht so laut, mein Schatz. Sonst weckst du deinen...“ ich hätte es mir denken können … „Ich bin wach und zwar schon seit du das Bett verlassen hast, mi sol.“ hörte ich seine etwas schläfrige Stimme. „Edward, vergiss was ich gesagt habe, dein Vater ist immer wach. Er wird vermutlich sogar deine ersten Eskapaden in Tavernen wachend im Salon verbringen, Schlaf ist für ihn überbewertet.“ lachte ich jetzt, weil ich dieses Bild eines wütenden Haythams vor mir hatte, welcher auf die Rückkehr seines trunkenen Sohnes wartete.
Nach einer neuen Windel und etwas von seinem kalten Tee mit Honig, lag er auf meiner Brust bei uns im Bett. Sein Gähnen war ansteckend, dass musste ich ihm lassen. Mit einem Male fuhr Edwards Kopf in Richtung des Edenapfels. Mit ausgestreckter Hand brüllte er „Daaaaaaaaaaa!“. Seine Haut begann sich mit den Zeichen zu überziehen, seine Augen leuchteten und je näher Edward dem Gegenstand kam, um so intensiver wurde es. Haytham unterband das Ganze, in dem er seinen Sohn von mir herunterhob und zu sich auf den Arm nahm. Ich hingegen griff nach dem Artefakt, als ich es in meiner Hand hielt, hörte ich ein Surren, wie von einem Mückenschwarm. Die Haut meines Sohnes war plötzlich durchschimmernd. Eine Art Band knüpfte sich zwischen ihm und dem Edenapfel, langsam aber stetig.
Haytham und ich konnten nur zusehen, es fühlte sich nicht wie Gefahr an, sondern eher wie eine warme Brise. Mit einem Male hörte ich meinen Sohn sprechen! „Ihr braucht keine Angst zu haben, mit diesem Werkzeug kann ich uns beschützen! Mutter Idun hat es mir beigebracht! Und mein Vetter Balder sorgt dafür, dass ich mit vielen anderen die Menschen beschütze!“ langsam erlosch das Leuchten. Unser Sohn lag wieder friedlich schlafend bei Haytham auf der Brust. Ich blickte auf die Kugel in meiner Hand und sah die Sonne neben den Runen verblassen! Wir hatten ihn gefunden! Was kam jetzt als nächstes? „Er ist doch noch viel zu klein um diese Aufgabe zu erfüllen, was zum Teufel wollen die Isu und Götter damit erreichen?“ fauchte ich alles und jeden gerade an! Euer Sohn hat ebenfalls die Aufgabe, die Menschheit zu beschützen! Jedoch hat er durch euer beider Fähigkeiten natürlich mehr Möglichkeiten! In seinem Schlaf lernt er immer mehr dazu, während er spielt, zeigen wir ihm sein Können und wenn er es ausprobiert, dann steht ihm fast immer Idun zur Seite. Ihr braucht um Edward keine Angst haben, auch sein Großvater steht ihm immer bei! Elias verschwand mit diesen Worten wieder aus meinem Geist.
„Das wird eine Lebensaufgabe, Alex! Edward darf es nicht anderen mitteilen, er muss beschützt werden, wir sollten ihm Hauslehrer zur Seite stellen und ...“ doch bevor er noch weiter sprechen konnte, brach ich in Tränen aus. „Es wird wie bei dir sein, abgeschottet, alleine... Nein! Das will ich nicht, unser Sohn soll nicht ohne Freunde aufwachsen. Das ist grausam!“ mit jedem Wort wurde ich lauter und konnte mich kaum noch unter Kontrolle halten! WAS wollten die Götter von mir, von uns und von meinem Kind? Es überstieg gerade meinen Horizont, ich wollte einfach ein normales Familienleben haben! Doch dafür war es wohl zu spät! „Alex, beruhige dich. Bei mir war es etwas anderes, auch wenn ich oft alleine war... es war nicht immer einfach und ich habe es sicherlich nicht immer verstanden. Aber denk daran, dass mein Vater es nur zu meinem Schutz gemacht hat!“ versuchte mir nun Haytham seine Sicht zu erklären.
Das war lächerlich, ich würde meinen Sohn sicherlich nicht verstecken, nur weil er anders war oder wir eine eigenartige Familie waren. Wir würden ihm beibringen, sich entsprechend zu verhalten. Umgekehrt gedacht ist in Virginia die Auswahl an anderen Kindern auch eher begrenzt und er würde vermutlich Hauslehrer bekommen müssen, sollten wir niemanden für die anderen Kinder einstellen können. Dennoch gab es diese Kinder der Pächter oder Arbeiter, mit welchen er spielen konnte. Genau das würde ich forcieren. DAS war wichtig für die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten! „Haytham, du bist alleine aufgewachsen und ich weiß aus deinen Aufzeichnungen, dass du auch nicht ganz glücklich damals darüber warst. Aber willst du wirklich deinem Kind das gleiche antun?“ Sein Blick wurde hart „Nein, natürlich nicht. Alex, du stellst gerade meinen Vater als Tyrannen dar, welcher mich einsperrte! Dem war aber nicht so!“ kam es kalt von ihm. „Das habe ich nicht gesagt, dein Vater war darauf bedacht dich zu beschützen, wegen der ganzen Gerüchte und Tratschereien über seine Piraten-Vergangenheit.“
„Aber nur, weil er mir nie etwas darüber erzählte!“ kam es leise von meinem Mann, sein Blick glitt dabei zu seinem Sohn. „Genau das ist es, Haytham. Glaub mir, wir werden unseren Sohn in die Familiengeheimnisse einweihen, er wird lernen damit umzugehen, die Isu und Götter werden ebenfalls nicht tatenlos zusehen und vergiss nicht, wir haben auch noch Freunde, welche uns zur Seite stehen!“ langsam klärte sich Haythams Blick wieder. Die Erkenntnis, dass es damals etwas anders gelaufen und durchaus falsch angegangen wurde, trat in seine Augen. „Du hast Recht, wenn wir von vornherein ehrlich sind, dann können wir unseren Sohn auch entsprechend vorbereiten, ohne Lügen, ohne Lücken und ungeklärte Fragen!“ es fiel ihm schwer, das zuzugeben, mein Mann war einfach anders aufgewachsen und Reginald war, wenn ich es recht bedachte, keine wirkliche Hilfe gewesen. Im Gegenteil.
„Aber noch haben wir etwas Zeit, Haytham. Und ich freue mich schon darauf, wenn du mit Edward irgendwann den Schwertkampf trainierst!“ in mir keimte ein gewisser Stolz auf meinen Mann, dass er sein Können weitergeben würde und ich gab ihm einen Kuss. Wo unser Sohn gerade noch friedlich schlief, wurde er schlagartig bei unserem Kuss wach und schob seine Hand zwischen uns. Soviel zum Thema Instinkte, DIE hatte klein Kenway schon zu genüge!, grinste ich in mich hinein. „Vielleicht ist er ja auch bald nicht mehr alleine.“ kam es leise von Haytham. In seinen Augen lag eine gewisse Sehnsucht, welche ich verstand. Auch ich hatte mir schon oft gewünscht, dass wir noch ein weiteres Kind haben würden. Doch noch war es nicht soweit. Zumal ich es begrüßen würde, wenn es erst soweit war, wenn Edward junior laufen konnte.
Für eine Weile verbrachten wir den angehenden Morgen schweigend, schlafend und vor allem gähnend. Eine kleine patschende Hand in meinem Gesicht kündete dann irgendwann vom Aufstehen! „Mommy ist ja wach, Schätzchen.“ nuschelte ich. Eigentlich wollte ich mich umdrehen, ich war nicht wirklich wach, sondern müde! Aber ein Klopfen und die Nachricht, dass das Frühstück fertig sei, hinderten mich daran. Gerade als wir heruntergingen, erschien bereits ein Bote mit einer Nachricht für uns.
Sie war von Mistress Bradshaw, in welcher sie sich bedankte, ihrem Mann geholfen zu haben. Er habe die Nacht im Hospital verbracht. Sein Leibarzt hatte ihn zur Sicherheit dorthin bringen lassen, nur um ihn unter Beobachtung halten zu können. Die Verletzungen seien aber nur äußerlich, keine inneren Blessuren. Sie bat uns außerdem, am Vormittag Finley zu besuchen, da er dringend mit uns sprechen musste. Die Truhe sei sicher verwahrt worden, gab sie zwar nicht direkt an, doch ich las es „zwischen den Zeilen“. Etwas erleichterter konnte ich nun meinem Koffein frönen!
„Sollten wir Edward vielleicht mitnehmen, Haytham?“ fragte ich beiläufig, auch wenn es ein Krankenbesuch war. „Nein, ich möchte nicht, dass er dorthin mitkommt. Wer weiß, was er sich an Krankheiten holt. Ich denke, wir werden auch nicht lange dort bleiben, Alex.“ Also wurde Sybill Bescheid gegeben, so dass wir uns auf den Weg mit zwei Wachen machen konnten.
Da ich zum ersten Mal ein Hospital des 18. Jahrhunderts zu sehen bekommen würde, war ich entsprechend aufgeregt. „Ich hoffe, du erschreckst nicht allzu sehr, wenn wir dort ankommen, Alex. Ich gehe davon aus, dass es in eurer Zeit ganz anders sein wird. Du hattest mir ja davon berichtet.“ Haytham schien sich ähnliche Gedanken wie ich selber zu machen. „Ich hoffe es auch. Die Hygienestandards sind halt auch andere und, nunja, die Heilkunde an sich steckt noch ein wenig in den Kinderschuhen. Ich bin trotzdem gespannt.“ erwiderte ich aufgeregt. Während der Fahrt dorthin konnte ich mir wieder einmal die Umgebung ansehen.
Das Hospital, in welches man Finley verbracht hatte, lag in Chelsea und war eines für die besser betuchten Bürger. Auch wenn man dort in der „Notaufnahme“, ich nenne sie einfach mal so, durchaus auch mittellose Menschen behandelte. Faith hatte mir da ein wenig erklärt und erst jetzt fiel mir ein, dass ich überhaupt nicht wusste, in welchem Krankenhaus sie eigentlich ihrer Arbeit nach ging. Mein Mann holte mich aus meinen Gedanken. „Was machen wir jetzt mit dem Russen, Alex? Er sollte auf jeden Fall in Sicherungsverwahrung kommen. Ich plädiere für eine Einweisung nach Bethlem Royal Hospital, dort kennt man sich bestens mit diesen mentalen Krankheiten aus.“ das war noch milde ausgedrückt, ich hatte über die Zustände in den „Irrenanstalten“ dieses Jahrhunderts gelesen und war alles andere als begeistert gewesen. Schreckliche Zustände herrschten dort!
„Fürs erste wäre das eine gute Idee, doch wirklich wohl ist mir dabei nicht. Wenn es möglich ist, würde ich ihn dann in dem Bereich „heilbar“ untergebracht wissen, dort ist es vielleicht nicht ganz so schlimm!“ Haytham sah mich fragend an. „Die Irren werden wie Vieh dort behandelt, Haytham! In diesem Jahrhundert hat man kaum Erfahrung mit Krankheiten des Gehirns und die Ärzte sind einfach nur grausam, weil sie es nicht besser wissen. Mein schlechtes Gewissen, ich weiß!“ ich seufzte tief, ich musste es so hinnehmen, ändern konnte ich diese Denkweisen einfach nicht. „Dieser Artem wird dort vermutlich auch nicht lange bleiben, sein Mentor, Eugene Avdeyev, wird sicher nach ihm schicken und ihn suchen lassen. Früher oder später müssen wir hier mit diesem Herren auch noch rechnen.“ kam es jetzt vorsichtig von Haytham. Auch ich hatte darüber schon nachgedacht.
„Könnten wir Alexeeva nicht einfach nach Russland bringen lassen? Sollen sich doch dort seine eigenen Leute um ihn kümmern!“ war mein nächster Gedanke, doch mein Templer war da anderer Ansicht. „Wer soll bitte diese Reise antreten? Du weißt nicht, was im Kopf von diesem Mann vorgeht und ob er nicht vielleicht doch handgreiflich wird. Du hast gesehen, was mit Master Bradshaw geschehen ist!“ immer noch wollte es nicht in meinen Kopf, dass das die Tat eines EINZIGEN Mannes war! „Ich schlage vor, wir werden uns jetzt mit Finley unterhalten und danach beratschlagen, wie es weiter gehen soll!“ da stimmte mir mein Mann zu.
Wir hielten vor einem riesigen Gebäudekomplex und man half mir aus der Kutsche. Es war sehr beeindruckend, das muss ich schon sagen und es sah sehr gepflegt aus. Nachdem unsere Wachen ihre Pferde vor dem Zaun angebunden hatten, folgten uns ins Innere. Mein Mann führte mich in Richtung eines Büros in der unteren Etage. Auf einem Messingschild an der Wand neben der Tür stand ein Name „Dr. Andrew Crawford“. Wir wurden hereingebeten. Hinter seinem Schreibtisch saß ein ungefähr 60jähriger Herr mit kurzen blonden Haaren. Er sah uns aus freundlichen blauen Augen lächelnd an. „Master Haytham, seid ihr das?“ er erhob sich schnell und eilte auf uns zu. Verwundert sah ich von dem Arzt zu meinem Mann. „Dr. Crawford, es freut mich euch hier wiederzusehen und das bei so guter Gesundheit! Darf ich euch meine Frau vorstellen, Alexandra Kenway.“ er deutete auf mich. Etwas perplex reichte ich dem Doktor meine Hand. Haytham hatte nie von einem Arzt erzählt, welcher mit der Familie Kenway bekannt war.
Beide schienen meine Frage zu sehen und Dr. Crawford bat uns, Platz zu nehmen. „Mistress Kenway, ich sehe, euer Gatte hat euch von mir nicht berichtet. Aber keine Sorge, ich war mit Master Edward Kenway bekannt und hatte ihn, nunja, einige Male in Behandlung, nicht hier versteht sich. Ich machte damals für ihn Hausbesuche! Wenn ihr wisst, was ich meine?“ fragte er mich augenzwinkernd und ich verstand, worauf er hinaus wollte. Er war nicht ganz der Leibarzt wie man ihn sich vorstellte, sondern er war jemand, den man rief, wenn nicht jeder davon erfahren sollte. „Genauso ist es, Mistress Kenway.“ bejahte er meine Schlussfolgerung. „Ab und an habe ich aber auch Master Haytham behandelt, jedoch waren es meist nur Erkältungen. Gegen seine damalige Sehschwäche konnte ich nichts ausrichten. Ich hoffe, das hat sich mittlerweile gelegt, Master Haytham?“ fragte er nun höflich nach und mein Mann nickte eifrig. „Es hat sich tatsächlich von alleine verbessert. Darüber bin ich auch sehr froh, wenn ich ehrlich sein darf.“ Haytham konnte als kleiner Junge schlecht sehen? Wieder sah ich ihn mit großen Augen an.
„Wenn du aber Kurz- oder Weitsichtig warst, dann könnte es doch sein, dass unser Sohn eine ebensolche Schwäche hat. Wir sollten das spätestens, wenn er sprechen kann, einmal testen, Haytham.“ bei diesem Satz sah mich der Arzt erstaunt an. „Ihr habt einen Sohn? Das freut mich! Wie alt ist der junge Master Kenway?“ Also erzählten wir ihm von unserer Reise und unserem Sohn. „Der Junge wird einmal wie sein Großvater, wenn er jetzt schon so früh auf einem Schiff mitsegelt.“ lachte Dr. Crawford. „Das vermuten wir auch, Dr. Crawford.“ lächelte mein Mann. Jetzt kamen wir auf unser eigentliches Anliegen. „Oh, Master Bradshaw wurde sehr übel mitgespielt, wenn ihr mich fragt. Mir gegenüber hat er noch nichts weiter gesagt. Ich gehe davon aus, dass ihr, Master Haytham, sicherlich mehr von ihm erfahren werdet.“ sprach er besorgt, während er uns zu einem Krankensaal führte, doch er blieb nicht stehen, sondern ging weiter auf einen Durchgang zu hinter welchem sich eine breite Treppe erstreckte. Wir folgten ihm weiter. Kurz darauf standen wir auf einem großen Flur, von dem mehrere Zimmer abgingen.
Auf der rechten Seite öffnete er uns eine der Türen und wir betraten einen schmalen Raum. Vorsichtig ging ich auf das Bett am Fenster zu und sah auf Master Bradshaw hinunter. „Er hat bisher nur einmal nach euch verlangt, Mistress Kenway! Ansonsten hat er kaum gesprochen!“ hörte ich den Arzt hinter mir. Er klang mehr als besorgt. Finley sah furchtbar aus, sein eines Auge war zugeschwollen, die Lippen aufgesprungen und blau unterlaufen, genau wie seine Wangen. Seine Hände waren in Verbände gewickelt und ich sah an seinem Hals Würgemale. Vom Rest seines Körpers sahen wir nichts, doch ich konnte mir vorstellen, dass er vor blauen Flecken nur so strotzte! Ich beugte mich hinunter, wie es aussah, schlief Finley und ich sprach ihn leise an. „Master Bradshaw, ich bin es, Mistress Kenway. Könnt ihr mich hören?“ meine Hand lag dabei auf seiner Schulter. Wie in Zeitlupe wandte er sein Gesicht in meine Richtung.
Aus seinem Mund drang nur ein Flüstern, sodass ich mich weiter runter beugen musste, damit ich ihn verstehen konnte. „Ich bin froh, dass ... ihr hier seid. Ihr müsst ihn aufhalten... er ist nicht er selbst... er darf uns nicht wieder entkommen...“ immer wieder schluckte er und brachte die Wörter nur schwer über die Lippen. „Master Bradshaw, meint ihr Artem? Der ist im Moment nicht mehr zurechnungsfähig und wir werden ihn...“ plötzlich fing er hektisch an zu atmen! „Nein... der Mentor... ihr müsst ihn … stoppen! Eugene ist... nicht er... stoppt ihn...“ er atmete immer schwerer und seine bandagierte Hand krallte sich in meinem Ärmel fest. Ich sah mich hilfesuchend nach Haytham und dem Doktor um, beide standen mit entsetzten Gesichtern neben mir. Auch sie wollten ihren Ohren nicht trauen!
„Avdeyev ist hier?“ meine Stimme klang schriller als gewollt, aber in mir kroch wieder die Angst um mein Kind hoch. „Noch … nicht, Mistress... Kenway... schickt Männer... wir müssen … ihn aufhalten... die Artefakte!“ mein Mann antwortete für mich. „Wir werden umgehend eine Delegation nach Russland, Wjasma, schicken, Master Bradshaw! Seid versichert, dieser Teil der russischen Bruderschaft wird nicht länger unser Problem sein!“ seine Stimme war kalt und ich hörte diese Wut darin. „Master... Kenway... nehmt nur... vertrauenswürdige... Leute...“ seine Stimme wurde immer rauer, ich nahm kurzerhand den Becher von dem kleinen Tisch. Als er ein paar Schlucke getrunken hatte, atmete er tief durch. „Danke... doch geht … jetzt besser... wir dürfen keine Zeit... verlieren! Ich konnte ihn… nicht aufhalten… die Artefakte müssen beschützt… werden!“ Wir verabschiedeten uns noch, baten Dr. Crawford aber eindringlich uns sofort zu benachrichtigen, wenn hier etwas passieren würde. Außerdem würden wir auch hier für Wachen sorgen, sicher ist sicher!
Als wir wieder auf dem Heimweg waren, sprachen wir kaum ein Wort, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach! Zuhause angekommen, verfasste ich eine Nachricht an Francis, in welcher ich ihr mitteilte, dass wir für die Sicherheit ihres Mannes sorgen werden und ich ihn regelmäßig besuchen gehen werde. Auch teilte ich mit, dass ich sie in den nächsten Tagen einmal besuchen kommen würde, damit sie sich nicht einsam fühlte. Haytham unterdessen hatte einen Boten beauftragt, unsere Leute zu informieren, dass wir dreimal je zwei Männer vor dem Krankenzimmer von Master Bradshaw postieren werden. Die einzelnen Schichten sollten sie untereinander klären. Am Nachmittag würden wir uns nun um die Unterbringung von Artem kümmern, mit welcher ich immer noch nicht ganz einverstanden war. Es ging aber nicht anders, erklärte mir mein Mann immer wieder. Gefängnisse seien halt kein Ort für einen Geisteskranken! Mir lag eine bissige Bemerkung auf der Zunge bezüglich von Irren und Gefängnissen, doch ich ließ es lieber!
Wir aßen zu Mittag, bei dem ich ein wenig abschalten konnte, als ich mich mit Edward beschäftige. „Schätzchen, du machst mal wieder den Eindruck, als seist du ausgehungert. Iss langsam, wir nehmen dir nichts weg.“ lachte ich, als unser Nachwuchs hastig eine Kartoffel nach der anderen mit Soße verdrückte, daneben noch das Fleisch. „namnam“ war alles, was er uns schmatzend mit breitem Grinsen mitteilte. Nachdem Edward dann doch endlich beschloss, dass er satt sei, ging ich mit ihm hinauf um ihn zu waschen. Heute Abend sollte er wieder baden, er hatte auch Soße in den Haaren. Friedlich lag er dann in seinem Bett. Mit seinen großen blaugrauen Augen sah er mich an. Konnte er spüren, was gerade hier vor sich ging?, fragte ich ich mich mal wieder. Ich sang ihm noch sein Lied vor bis er eingeschlafen war. Leise ging ich hinaus, damit Sybill mich ablösen konnte. Ich erklärte ihr noch kurz, dass wir am Abend spätestens wieder daheim wären.
Siedendheiß fiel mir aber ein, dass ich mich noch umziehen musste. In diesem Kleid würde ich ganz bestimmt nicht in ein Irrenhaus marschieren! Ich rief nach Magda, damit sie mir half in meine zweite Meistertemplermontur zu kommen, welche auch etwas leichter war. Die Temperaturen waren aber heute noch nicht weiter angestiegen, was ich durchaus begrüßte. Unten in der Eingangshalle erwartete mich mein Mann, auch er hatte sich entsprechend umgezogen. Dieses mal hatte er auch nicht an den Waffen gespart. Ebenso wie ich, wir wollten beide kein Risiko eingehen. Jennifer wusste Bescheid und ich hatte die Wachen entsprechend instruiert. Wirklich wohl war mir nicht, sie alle hier alleine zu lassen, doch wir mussten den Russen hinter Schloss und Riegel haben, bevor wir weitermachen konnten.
(So oder so ähnlich muss man sich das vorstellen!)
Man hatte unsere Pferde bereits gesattelt, sodass wir uns umgehend auf den Weg zu unserem Treffpunkt machen konnten, wo auch Artem festgehalten wurde. Ich hoffte, man hatte einen Arzt gefunden, welcher ihn untersucht hatte und ruhig stellen konnte. Angekommen sahen wir draußen mehrere Pferde angebunden, die die Templerinitialen auf den Sätteln hatten. Das war schon mal beruhigend! Im Inneren wurden wir von Karl begrüßt, welcher uns in ein Zimmer im Erdgeschoss brachte. Dort lag besagter Russe auf einem alten Sofa und mit den Händen immer noch gefesselt, aber er schlief allem Anschein nach.
„Wir hatten nach einem Arzt geschickt, aus Bethlem um genauer zu sein. Ich hatte gehört, diese kennen sich besonders gut mit, nunja, Irren aus!“ kam es etwas verlegen von ihm, während er von einem zum anderen sah. „Das war eine gute Idee und wir werden den Herren auch dort in Bethlem einweisen lassen! Etwas sichereres gibt es gerade nicht, da ich nicht denke, dass er in einem Gefängnis gut betreut werden würde.“ kam es von meinem Mann in dieser Templerart. Im Stillen dachte ich nur - Wenn du wüsstest, was die dort mit den Patienten alles anstellen - sprach es aber nicht aus, wie gesagt, ändern konnte ich es leider nicht und ich wollte diesen Mann auch endlich loswerden!
Mit vereinten Kräften hob man Artem hoch und versuchte ihn wach zubekommen, was nicht einfach war. WAS dieser Herr verabreicht bekommen hatte, wusste hier keiner der Anwesenden. Ich hatte ebenfalls nicht den blassesten Schimmer. Endlich schlug Alexeeva die Augen auf und ich erschrak! Sie wechselten immer von normaler Farbe in ein blinkendes Rot, doch nie für lange. Er sprach kein Wort, sein Gesicht zeigte keine Regung. Ganz allgemein machte er den Eindruck, als wäre ihm alles egal geworden. Ich ließ noch einmal meinen Blick über ihn gleiten. Er schimmerte immer noch in einer roten Aura. War der Russe besessen von einem Isu oder Gott? Wenn ja, von welchem genau? Böse Gottheiten gab es ja zu genüge... Ich mache mir auch schon Gedanken darüber, ich habe die Befürchtung, er könne die Pfleger und Ärzte in Bethlem manipulieren. Kannst du nicht in seinem Geist sehen, woran wir gerade bei ihm sind? Hörte ich Haytham zögerlich in meinem Kopf.
Eigentlich hatte ich Angst davor, noch einmal in diesen Kopf einzudringen, was ich gesehen habe, hatte mir gereicht. Doch ich konzentrierte mich auf diesen dunklen Flur mit den vielen Türen, welche bei meinem Vorübergehen zuschlugen! Hatte ich nicht gesagt du sollst verschwinden? Was willst du noch von mir? Kam diese schrille Stimme wie von überall her. Wer bist du? Fragte ich leise, während ich weiter den Gang nach einer offenen Tür absuchte. Ich bin niemand! Verschwinde und verbrüdere dich ruhig weiter mit meinem Mörder! Jetzt konnte ich eine ungefähre Richtung ausmachen, aus der diese Stimme kam. Sein Mörder? Es konnte unmöglich Balders Bruder sein, oder? Wer hat dich umgebracht und vor allem WARUM? Ich fragte einfach in der Hoffnung auf Einsicht.
Mich gab es schon vor meinem Mörder, er hat mich mit seinen Brüdern zusammen umgebracht, um dann aus mir die Welt zu formen! Diese Stimme wurde immer schriller hatte ich den Eindruck und dann donnerten alle Türen gleichzeitig auf, sie flogen regelrecht aus den Angeln!
Du wagst es, mich zu verunglimpfen, Ymir? Wir konnten nicht nebeneinander existieren und auch DU hast so einige meiner Kinder auf dem Gewissen! Es war eine gerechte Strafe! Donnerte Odin in meinem Kopf!
Ich musste mich verteidigen, sie wollten mir nur schlechtes, niemand half und keiner glaubte an uns! Und jetzt geh, Odin und sonne dich in deiner Tat. Doch es wird die Zeit... mit einem Schlag verstummte die Stimme und ich wurde aus dem Gang katapultiert.
Mit schmerzendem Kopf lag ich auf dem Boden unseres Treffpunktes. Neben mir hörte ich Artem schreien und um sich schlagen! Es war, als kämpfte er gegen einen unsichtbaren Gegner, seine Worte waren unverständlich. Ich konnte nur auf diese unheimliche Szene starren. Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Ymir war ein Gott, welcher schon VOR Odin existierte, wurde dann von eben diesem und seinen Brüder ermordet. Aus seinem Körper wurde die Welt der nordischen Mythologie erschaffen? Ich hielt mir den Kopf und hörte dann Haytham leise fragen „Alex, geht es dir gut? Du hast dir gerade die Ohren zugehalten und bist wie bei einer Explosion zurück gerissen geworden. Was ist passiert?“ seine Arme hatten sich um mich geschlungen. Langsam kam mein Verstand wieder hier an, auch mein Zittern wurde weniger.
Plötzlich herrschte eine unheimliche Stille. Ich sah, wie der Russe aus der Nase blutete, ebenso tropfte ein blutiges Rinnsal aus seinem Mund auf den Boden. Er war tot! „Haytham, ich bin völlig... ich weiß gerade gar nichts mehr!“ gerade als ich auf Alexeeva zugehen wollte, hörte ich die dröhnende Stimme Elias wieder! Er hat es nicht anders verdient! Er ist undankbar! Lasst ihn zurück und geht eurer Wege! Wir sind besser ohne ihn dran, mein Kind. Glaub mir! Doch in mir sträubte sich alles, ihm Glauben zu schenken! Zweifle nicht an meinen Worten, wage es ja nicht! Ich habe dir nie Grund gegeben, an mir zu zweifeln! Im Gegenteil! Und jetzt geht! Doch das konnten wir schlecht, wir mussten die sterblichen Überreste noch begraben! Einer der Männer wurde losgeschickt den Tatortreiniger zu holen. Mein Mann und ich machten uns unterdessen auf den Weg nach Hause. Hier konnten wir nichts mehr ausrichten, außerdem wollte ich unbedingt aus diesem Haus raus!
Vor der Tür atmete ich tief durch, doch durch die Hitze hatte ich das Gefühl ich atme glühenden Staub ein! „Das darf doch alles nicht wahr sein! Habe ich gerade wirklich mit einem toten Gott gesprochen? Aber jetzt weiß ich auch, warum Finley solche Wunden und Verletzungen hat! Haytham, Ymir ist einer der Reifriesen, er war schon VOR Odin da und als er nun den kleinen Loki vor sich sah, überkam ihn die Wut auf diese anderen Götter! Er wollte sich rächen, so scheint es!“ im selben Moment fragte ich mich aber, ob Ymir nun wirklich verschwunden war und tot ist, oder ob er nicht doch noch in irgendeiner Form auftauchen konnte. Wieder brüllte mich Odin an. Zum letzten Mal! Er wird nicht zurückkommen, es ist jetzt vorbei und jetzt, tu was ich sage! Ihr habt noch eine Menge Aufgaben vor euch, welche es zu erledigen gilt! Ich hielt mich an Haytham fest, mir wurde wieder schwindelig.
„Alex, lass uns jetzt nach Hause reiten und dann sehen wir morgen weiter. Du brauchst dringend Ruhe, du bist ganz blass und verschwitzt. Komm.“ damit half mir mein Templer auf mein Pferd. Ich freute mich auf eine kühle Wäsche, ein leichtes Kleid und unseren Sohn! Dieser erwartete uns wieder fröhlich planschend in seinem kleinen Zuber im Garten. Als er uns sah, versuchte er sich am Rand hochzuziehen, hätte Sybill nicht den Behälter festgehalten, wäre das Kind mit dem Wasser ausgekippt! Aber was soll ich sagen, er stand, wenn auch sehr wackelig auf seinen kleinen Beinchen und strahlte uns an.
„Edward, mein Schatz, du stehst ja wirklich alleine! Ich bin stolz auf dich!“ ich kniete mich vor ihn, damit ich ihm einen dicken Kuss geben konnte. Haytham trat neben mich und hob seinen Sohn heraus. „Das hast du großartig gemacht, ich denke wir sind alle stolz auf dich, mein Sohn!“ War es wirklich so, dass Edward im wahrsten Sinne des Wortes, im Schlaf lernte? Doch im Moment war mir das egal, er konnte sich alleine hinstellen, dann würde das Laufen auch nicht lange auf sich warten lassen. Mein Templer trocknete nun seinen Sohn ab, anschließend verpackte Sybill ihn in eine neue Windel und ein leichtes Hemdchen. Es war Zeit fürs Abendessen, doch ich wollte mich wenigstens etwas waschen und frisch machen. Ich verabschiedete mich kurz bei meinen Männern und verschwand nach oben.
Dort angekommen, blieb ich aber nicht lange alleine, mein Templer war mir gefolgt. Auch er brauchte etwas Wasser im Gesicht und seine Haare sollten mal gebürstet werden. Er sah aus wie ein wild gewordener Handfeger! „So sehe ich also aus?“ grinste er mich über die Schulter an. „Ach verdammt! Warum kannst du mich immer lesen, ich bemühe mich doch schon so...“ seine Hand drehte mich langsam zu sich herum und hob mein Kinn an. „Du hast es selber einmal gesagt, mi sol! In meiner Gegenwart fällt es dir schwer dich zu beherrschen und das in vielerlei Hinsicht!“ dieser Tonfall brachte mich wieder um den Verstand und ich grinste dümmlich vor mich hin. Wie von selbst schlang ich meine Arme und Beine um ihn, zog mich so an ihm hoch. Mir war egal, wie verschwitzt wir beide gerade waren.
Seine Lippen fühlten sich etwas rau an, schmeckten aber nach mehr und ich presste mich an seinen Körper. „Alex, bei Gott...“ mehr sagte er nicht, trug mich zum Bett und begrub mich unter sich! Wir entledigten uns nur des nötigsten, ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen, auch Haytham hatte nur einen Gedanken!
Völlig nass geschwitzt lehnte er seinen Kopf an meine Schulter und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Mir ging es nicht anders, es war ein kurzes aber wundervolles Vergnügen gewesen. Ich strich meinem Mann langsam über den Rücken. „Wir sollten uns beeilen, mi amor, sonst bekommen wir nichts mehr von dem Abendessen ab.“ lächelte ich ihn selig an und gab ihm noch einen langen Kuss. „Leider hast du Recht.“ stöhnte er und zog mich beim Aufstehen mit hoch.
Als wir beide in frischen Sachen steckten, gingen wir hinunter. Dort wurden wir schon sehnsüchtig von unserem kleinen Vielfraß erwartet. Ich nahm ihn jetzt auf meinen Schoß und Edward bot mir sein angeknabbertes Brot an. „Danke, mein Schatz. Sag nicht, du hast keinen Hunger mehr.“ grinste ich ihn an. „Master Edward hat schon vier von den kleinen Scheiben verdrückt, Mistress Kenway.“ erklärte mir sein Kindermädchen stolz, während sie nun selber auch einen Happen aß. „Mrs. Wallace, ich muss sagen, ihr habt ihn gut unter Kontrolle. Es freut mich, dass unser Sohn euch so zugetan ist.“ kam es anerkennend von Haytham. „Danke, Master Kenway.“ verlegen sah sie auf ihren Teller.
„Was habt ihr beiden heute noch vor?“ fragte nun meine Schwägerin neugierig. „Nichts, es sei denn, du hast noch etwas zu tun für uns, Schwester!“ grinste Haytham. „Nein, auch ich habe nichts weiter vor. Dann freue ich mich, wenn wir nachher noch ein wenig draußen zusammen sitzen können. Es ist wirklich zu heiß im Moment!“ kam es seufzend von Jenny. „Ich freue mich auch schon darauf. Am liebsten würde ich draußen schlafen!“ lachte ich, das wäre wirklich mal eine nette Abwechslung. Wir sollten uns für Virginia überlegen, einen leichten Anbau in Auftrag zu geben, so dass es den Eindruck erweckt, tatsächlich draußen unter freiem Himmel zu schlafen.
Edward gähnte schon beim Hinauftragen und konnte kaum die Augen aufhalten. Beim Windelwechseln hatte er bereits den Daumen im Mund. Als er in seinem Bettchen lag, war er schon tief eingeschlafen. Aber ich ließ es mir nicht nehmen, sein Gute-Nacht-Lied zu singen. Danach ging ich leise hinaus, hinunter auf die Terrasse und setzte mich zu meinem Mann, welcher mir ein Glas von dem Portwein reichte. Doch dann fiel mir ein, dass ich Faith noch schreiben musste, wegen der Übersetzung der Schriftstücke. „Verzeiht mir, aber ich muss noch eine Nachricht an Faith schicken! Sie muss doch die Dolmetscherin für uns spielen, Haytham.“ grinste ich. Dann schickte ich einen der Diener mit einer Wache zu den Cormacs mit dem kleinen Brief. Von diesem Kampf der Götter erzählte ich nichts, vorerst nicht. Wer weiß, wie sich das Ganze noch entwickelt.
Ein Gedanke blieb aber in meinem Hinterkopf, welcher mir keine Ruhe ließ. Der Edenapfel! Wie kam er in Artems Besitz? Oder hatte ich wirklich nie den Richtigen in meinem Besitz? Konnte es sein, dass Yannick ihn erst durch mich bekommen hatte und ihn damals mit zu dem Tempel gebracht hatte? Es würde noch eine Weile an Aufklärungsarbeit bedürfen, doch nicht mehr heute Abend, beschloss ich.
Jetzt endlich konnte ich auch den Wein in der untergehenden Sonne Londons genießen! Für diese Momente blendete ich alle Götter, alle Isu und unsere Aufgabe einfach aus und konzentrierte mich auf meine Familie!
Mit der Antwort auf meinen Brief und einer Zustimmung, dass Faith uns bei der Übersetzung helfen würde, kam auch eine Einladung zu dem Einkaufsbummel, von welchem sie mir vor ein paar Wochen noch abgeraten hatte. Also machte ich mich am heutigen Morgen etwas kribbelig fertig für den Tag, warum auch immer, es war wie eine Vorfreude, ähnlich wie auf Weihnachten. „Mi sol, es ist nur ein wenig einkaufen, warum bist so aufgeregt?“ fragte Haytham mich pragmatisch. „Ich weiß es doch auch nicht, ich freue mich einfach.“ grinste ich ihn an und machte mich weiter fertig, oder besser, Magda verpackte mich in eines meiner Kleider.
Edward Junior würde heute nicht dabei sein, sein Kindermädchen wusste schon Bescheid und nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg. Beim Williams Anwesen wurden wir auch schon von meiner Schwester und Shay begrüßt. Wenn ich mich nicht zu sehr täuschte, war auch der Ire etwas skeptisch, was den heutigen Tag anging. Eigentlich würden die Herren uns nicht bei einem solchen Shopping-Event begleiten, aber im Grunde fand ich es nicht verkehrt. So würde man seinem Gatten noch ein wenig mehr von den eigenen Wünschen zeigen können. Dass Haytham heute mehr als mir eigentlich lieb war, erfahren würde, konnte ich noch nicht ahnen.
Es ging von einem kleinen Laden zum nächsten. Schmuck, Kleider und auch sehr, nunja, freizügige Unterwäsche waren an der Tagesordnung. Dann standen wir vier vor einem kleinen unscheinbaren Gebäude, welches Glasdekorationen und diversen Nippes feilbot. WAS wir hier wollten, erschloss sich mir im ersten Moment nicht, aber Faith zog mich in das Geschäft mit einem wissenden Grinsen. „Du brauchst noch etwas Spielzeug, mein preußisches Weib, wenn dein Mann einmal nicht... anwesend … ist...“ hauchte sie an mein Ohr und ich sah sie fragend an.
Ohhhhhhhh... langsam dämmerte es mir! Ich hatte ja davon gelesen und ich wurde bereits mit einem dieser wundervollen Gegenständen in New York im Bad von ihr verwöhnt, aber mit eigenen Augen hatte ich solch ein Geschäft hier noch nicht gesehen. Und erst jetzt sah ich, dass hier durchaus pikantere Dinge ausgestellt waren als man im Schaufenster annahm! Faiths Piercing war ja sowieso schon etwas, welches mich reizte, auch wenn ich gestehen muss, ich hatte panische Angst vor Nadeln und HIER in DIESER Zeit, war nichts mit örtlicher Betäubung... oder doch! Die Tinktur von Jenny für meinen Sohn... sie betäubte die Haut oberflächlich!
Mi sol, ihr führt uns hierher? Das ist, als würde man mir vorhalten, ich sei nicht in der Lage... doch ich ließ meinen Mann nicht ausreden in meinem Geiste. Darum geht es nicht, es ist doch einfach nur eine … Bereicherung für uns … oder hast du vergessen, wie Faith zum Beispiel auf die Berührung bei dem Schmuckstück reagiert? Ich versuchte mit einem Lächeln und einer Umarmung meinen Mann von meiner Meinung zu überzeugen. Er schob mich aber einfach von sich. Das Piercing würde ich hier nicht machen lassen, dafür war ich noch nicht bereit, doch ich würde mir den Schmuck schon einmal zulegen. Ich hatte einen wunderschön geformten Stab aus Elfenbein mit zwei kleinen Diamanten links und rechts ins Auge gefasst.
„Du weißt was du willst, mein preußisches Weib. Ich freue mich schon darauf, diesen Schmuck an dir zu sehen und mit meiner Zunge zu fühlen!“ Hörte ich Faith plötzlich dicht hinter mir und ich lief tiefrot an. Ihr Blick sagte mir, dass sie nichts anderes erwartet hatte. Doch nun war es Zeit, dass ich mein privates Spielzeug aussuchte. Mein Mann drehte sich wortlos um und ging wieder nach vorne in den Verkaufsraum. Seine Prinzipien! Wenn wir alleine waren, war es etwas anderes, aber in der Öffentlichkeit konnte er nicht mit dieser Freizügigkeit umgehen. Shay hingegen war neugierig, doch auf einen Wink von meiner Schwester ging er Haytham hinterher und ich hoffte inständig, er würde ihn etwas besänftigen können.
„Faith, er wird wirklich sauer werden! Ich weiß nicht, ob ich das schon aushalte...“ verzweifelt sah ich meine Freundin an. „Haytham wird dir nicht den Kopf abreißen, dass hat auch Shay nicht gemacht. Im Gegenteil, sie profitieren doch von solchen Spielereien, oder? Wir sind entspannter und können mehr auf sie eingehen...“ jetzt stand sie nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ich atmete ihren Maiglöckchen Duft wieder ein. Ich vermisste meine Freundin, meine Schwester... ich vermisste diese Nähe, welche mir kein Mann jemals geben konnte. Diese Verbundenheit fehlte mir mit einem Male und ich hoffte, wir hätten bald einen Moment wieder für uns ganz alleine!
Dennoch war ich verunsichert, was die Reaktion von Haytham anging. Als wir wieder nach vorne in den Verkaufsraum kamen, standen die beiden Herren dicht beieinander und hatten die Köpfe zusammengesteckt. Shay bemerkte uns als erster, weil er uns zugewandt stand und als sich nun mein Mann mir zuwandte, sah ich einen warmen Glanz in seinen Augen. Hatte es der Ire geschafft, ihn friedlich zu stimmen? Mi sol, wir werden uns nachher noch darüber AUSGIEBIG unterhalten! Mehr sagte er nicht und ich wusste in etwa, was auf mich zukommen würde! Ich ließ also meine beiden neuen Spielzeuge und meinen neuen Schmuck verpacken, bezahlte den Herren und war... ja, ich war zufrieden und glücklich. Glaubt es oder nicht, aber es war wie eine Befreiung von den Albträumen! Ich steuerte wieder mein Leben, meine Wünsche und mein Liebesleben! Es gehörte MIR! Mir allein! Nicht ganz, ich freute mich auf meinen Mann und auch auf Faith!
In diesem Moment brach ich in Tränen aus, weil mir klar wurde, dass ich einen Punkt erreicht hatte, welcher mich noch nicht ganz, aber ein ganzes Stück weiter nach vorne schauen ließ. Ich wollte Nähe, ich wollte Liebe, ich wollte mein altes Leben und meine Schwester, den Iren und vor allem... ich wollte meinen Mann! Ich wollte sie wieder alle in meinem Leben haben! War das falsch? War es falsch, nach nur 4 Wochen an so etwas überhaupt zu denken und diesen Wunsch zu haben? Nein, weil ich diese Menschen liebte, ich brauchte sie und ihre Freundschaft! Wir waren Familie und ergänzten uns! Es wurde mir hier und jetzt plötzlich bewusst und ich war dankbar für die Arme, welche mich jetzt hielten, mich trösteten und mir Halt gaben.
Es waren ALLE Arme... ich hatte meinen Frieden geschlossen...
Langsam beruhigte ich mich wieder und entschuldigte mich für diesen Gefühlsausbruch in aller Öffentlichkeit. „Da gibt es nichts zu entschuldigen, mi sol. Es waren einfach harte Wochen und du weißt, dass wir alle für dich da sind.“ kam es leise von meinem Mann und auch Faith und Shay stimmten ihm zu. Meine Schwester strich mir vorsichtig über die Wange. „Es ist aber schön, dich wieder lächeln zu sehen und ich bin erleichtert, dass es dir besser geht!“ Ich atmete tief durch und brachte ein verhaltenes „Danke“ heraus.
Es war jetzt ungefähr Mittagszeit und wir machten uns alle auf den Weg nach Hause. July, Cadan und Cillian würden sicher auch schon warten und Edward vermutlich genauso. Wir riefen uns eine Kutsche und fuhren zum Anwesen, wo wir tatsächlich schon erwartet wurden. Unser Sohn robbte zielstrebig auf seinen Vater zu, als wir auf die hintere Terrasse traten, dann versuchte er sich am Hosenbein hochzuziehen, was ihm nach ein paar Anläufen auch gelang. Als er dann auf seinen Beinchen stand, freute er sich so über seinen Erfolg, dass er anfing hin und her zu zappeln. Und ehe wir uns versahen landete er wieder auf seinem Hintern, was er mit einem lauten Weinen quittierte. Doch nicht lange, Haytham nahm ihn hoch und lobte sein Können.
Als Edward dann seinen Mittagsschlaf hielt, setzte ich mich nach draußen um ein wenig die Ruhe zu genießen. Jenny war zu einer Verabredung mit einer Freundin aufgebrochen. So waren Haytham und ich alleine für ein paar Stunden! Völlig unvermittelt fragte mich mein Mann plötzlich „Wusstest du, wohin Faith heute mit dir wollte?“ in seiner Stimme lag ein leicht lauernder Unterton. „Nein, ich hatte keine Ahnung. Erst als wir vor dem Geschäft standen, klärte sie mich auf.“ antwortete ich ehrlich und wartete auf eine Regung. Doch er sah mich nur an! „Könntest du vielleicht etwas sagen, Haytham?“ fragte ich leise, mir behagte diese Situation nämlich gerade nicht, weil ich ihn wieder nicht einschätzen konnte. Ich weiß, dass er genau DAS erreichen wollte, ich sollte ihn nicht lesen können.
„Du hast also mit meiner kleinen Schwester schon Erfahrungen mit diesem Spielzeug gemacht? Warum hast du mir nicht davon erzählt, als ich dich danach gefragt habe?“ du meine Güte, war das jetzt ein Verhör? Sein Ton war kühl und berechnend. „Ich habe nicht darüber nachgedacht, verzeih mir!“ kam es etwas ungehaltener als gewollt aus meinem Mund und dann konnte ich seine Gefühle lesen! „Du wirst mir zeigen, wie du es benutzt! Ich will es sehen!“ ich war versucht „Jetzt sofort?“ zu fragen, verkniff es mir aber, ich wollte meinen Mann nicht unnötig weiter verärgern. „Wenn du es möchtest.“ meinte ich stattdessen leise, im Grunde war ich mir nicht sicher, ob ICH das wollte.
„Ich möchte es nicht nur, ich WILL es. Du weißt, ich dulde keine Heimlichkeiten!“ kam es immer noch mit diesem Tonfall von ihm. Plötzlich stand er auf, zog mich ebenfalls mit hoch und führte mich hinauf zu dem Gästezimmer. So kannte ich ihn gar nicht und mir war nicht wohl gerade, als er mir befahl mich auszuziehen. Sein Atem ging immer schwerer, je mehr Kleidungsstücke auf dem Boden landeten, egal ob es seine oder meine waren. Ich ließ ihn nicht aus den Augen und versuchte aus ihm schlau zu werden, doch er hatte sich verschlossen. Mir kam der Gedanke mal wieder, dass er wie eine Schlange seine Beute anstarrte, fast schon hypnotisierend.
Als Haytham jetzt vor mir stand und auf mich herabsah, verdunkelten sich seine Augen und ein leicht fieser Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Langsam schob er mich nun rückwärts Richtung Bett, jedoch nicht wie erwartet darauf, sondern an den Bettpfosten. Er lehnte sich an mich „Halt dich an mir fest!“ hörte ich seine raue Stimme und umklammerte seinen Nacken, dann zog ich mich hoch. Meine Beine schlangen sich um seine Hüfte. „Leg deine Hände jetzt über deinen Kopf an den Pfosten!“ ich tat wie mir geheißen wurde. Langsam wanderten seine Hände über meinen Körper, die eine griff sich meinen Hintern die andere krallte sich in meinen Oberschenkel. So hielt mein Mann mich für einen Moment und sah mich wieder nur schweigend an.
Mit einer unendlich langsamen Bewegung, drang er in mich. Dabei umspielte ein fieses Grinsen seinen Mund. „Das ist nicht fair.“ stöhnte ich leise, es war schon fast Folter für mich. Doch er genoss dieses Spielchen und machte wie in Zeitlupe weiter. „Ich weiß, mi sol. Das sollte dir mittlerweile klar sein!“ kam es schwer atmend von ihm, aber er machte keine Anstalten, etwas daran zu ändern! Ich spürte, wie die Welle des Höhepunktes immer weiter auf mich zukam, automatisch klammerte ich meine Beine enger um ihn. „Lass dich fallen, mi sol.“ hauchte er schon fast tonlos und ich spürte, dass auch er sich nicht länger zurückhalten konnte.
Doch ich hatte nicht mit seiner Disziplin gerechnet, langsam, sehr langsam machte er in seinen Bewegungen weiter und brachte mich so über die Schwelle. Als ich nach Atem ringend an seiner Schulter lehnte, erhöhte er die Geschwindigkeit und nahm sich nun, was ihm gehörte. Kurzerhand begrub er mich unter sich auf dem Bett, nur um dann kurz darauf mit einem lauten „Alex!“ auf den Lippen, auf meine Brust zu sinken! Haytham gab meine Hände frei und meine Finger strichen über seinen Rücken, welcher von einem dünnen Schweißfilm überzogen war. „Ich hatte das eigentlich anders geplant, mi sol. Doch bei deinem Anblick war mir wieder alles entfallen.“ grinste er jetzt auf mich herab.
„Das könnte ich auch falsch verstehen, wenn ich denn wollte, mi amor.“ kicherte ich etwas verlegen, es war dieses mal etwas anders zwischen uns gewesen. „Könntest du, aber wirst du nicht.“ langsam drehte er sich von mir herunter und zog mich in seine Arme. „Bei Gelegenheit werden wir dein neues Spielzeug einweihen und ich freue mich darauf, wenn ich dich beobachten kann!“ erstaunt sah ich Haytham an. „Du... also... ich hatte ja keine Ahnung, dass du so etwas magst. Du hättest mir ruhig schon einmal davon erzählen können.“
„Warum sollte ich? Es hatte sich ja auch nie eine ähnliche Situation ergeben, bis auf die eine Nacht im Fort Arsenal damals. Und glaube mir, ich habe dich gerne dabei beobachtet.“ in seiner Stimme lag ein lasziver Unterton, bei welchem mir wohlige Schauer über den Rücken liefen. Gerade als ich mich ihm zuwandte, hörten wir unseren Sohn lautstark nach uns rufen. Ich ergab mich meinem Schicksal, zog mein Unterkleid schnell über und ging zu unserem Zimmer.
Eine erstaunt dreinblickende Sybill sah an mir herunter und hob nur eine Augenbraue. „Mistress Kenway, ich hoffe, ihr konntet euch ebenfalls ein wenig... erholen.“ meinte sie mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. „Ja, es war... erfrischend. Was hat Edward? Es ist ihm vermutlich immer noch zu warm, denke ich, oder?“ meinte ich mitfühlend und sah auf meinen Sohn herab, welcher nun frei von Windeln auf dem Bett lag und fröhlich vor sich hin brabbelnd strampelte. „Master Edward schwitzt wirklich bei diesen Temperaturen, wir sollten ihm heute Nachmittag wieder den Zuber mit Wasser befüllen, damit er sich abkühlen kann.“ Ich fand, dass das eine gute Idee sei und gab meinem Schatz noch einen dicken Kuss, ehe ich mich von Magda wieder einkleiden ließ.
Haytham kam nun auch ins Schlafzimmer mit unseren Sachen und ging ins Ankleidezimmer, dort ließ er sich von Michael in seine Sachen helfen. Und dann fiel mir wieder ein, dass sein Kammerdiener doch Magda um ihre Hand bitten wollte. Aber ich sah an ihrer Hand keinen Ring, also fragte ich lieber nicht, ich wollte die Überraschung nicht kaputt machen.
Edward bekam lediglich eine Windel und ein Leinenhemdchen übergezogen, damit ihm nicht allzu heiß wurde und er sich keinen Sonnenbrand holte. Über so etwas hatte ich nie wirklich nachgedacht seit ich ganz hier lebte, aber die Gefahr bestand natürlich. Es gab ja keine Sonnencremes oder ähnliches, man musste sich mit Kleidung vor der Sonne schützen. Ich verließ mich auf Mrs. Wallace und ihre Erfahrungen, mehr konnte ich schlecht machen. Im Garten angekommen hätte ich mir am liebsten die Kleider wieder vom Leib gerissen, es war unangenehm warm. Ein Diener begann den Zuber zu befüllen und ich hätte zu gerne auch eine kühle Dusche gehabt.
Haytham hatte zwischenzeitlich Nachricht an zwei Brüder des Ordens geschickt, welche dem Russischen mächtig waren und sich dort auskannten. Mittlerweile machte ich mir auch Sorgen um den Boten, den ich vor Wochen schon losgeschickt hatte. „Alex, das kann noch dauern, bis dieser wieder zurück ist. Denk an die Strecke, welche er zurücklegen muss.“ versuchte mein Mann mich zu beruhigen! „Das solch ein Unterfangen nicht so schnell erledigt sein wird, wie in meiner Zeit ist mir schon bewusst. Ich habe Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist und ich hoffe, er hatte keinerlei andere Papiere am Manne.“
Die beiden benachrichtigten Männer sollten nun morgen Vormittag hier erscheinen, damit wir ihre Reise planen konnten. Immer im Hinterkopf, dass dieser Avdeyev nicht mehr weit von hier weg sein konnte. Innerlich saß ich auf heißen Kohlen und vermisste unsere moderne Technik ungemein in diesem Moment! „Diese Leute sind gut ausgebildet und verfügen über jahrelange Erfahrung, mi sol. Vertrau meiner Menschenkenntnis jetzt bitte!“ Das sagte er so leicht, aber mir blieb nichts anderes übrig.
Ich holte einige der Schriftstücke die auf englisch oder auch teilweise auf deutsch verfasst waren, welche wir sichergestellt hatten, aus meiner Truhe. Vielleicht konnte ja Faith Licht bei den anderen ins Dunkel bringen, wie der Edenapfel zum Beispiel in Artems Besitz gekommen ist. Mit den Papieren ging ich hinunter auf die Terrasse. So hatte ich auch unseren Sohn im Blick und bekam etwas Sonne ab. Mrs. Byrne hatte mir kalten Minztee mit Honig in einer Karaffe gebracht und mein Mann musste leider seinen verhassten Salbeitee weiterhin trinken! Auch wenn sein Husten bereits fast abgeklungen war. Unserem Sohn schmeckte mein Getränk genauso gut und hin und wieder ließ ich ihn an dem Becher nippen.
Ein Diener meldete plötzlich einen Besucher an. Es war der Arzt, welchen man für Artem hatte rufen lassen. Anscheinend wurde versäumt, ihm Bescheid zu geben, dass der Herr nun nicht mehr in Bethlem aufgenommen werden musste. Dr. Whigfield war ein mürrischer alter Herr, bei dem man schon vermuten konnte, er sei in einer „Irrenanstalt“ tätig. So stellte man sich die Ärzte dort einfach vor, mit einem Monokel im Auge und feinem Anzug! „Dr. Whigfield, es tut mir außerordentlich leid, dass man euch keine Nachricht hat zukommen lassen und ihr euch extra bemühen musstet.“ versuchte Haytham eine Entschuldigung in seiner so typischen Templerart. Der Arzt wollte etwas erwidern, ließ es aber. „Master Kenway, wir hatten uns schon Sorgen gemacht. Der Zustand des Herrn war ja doch sehr Besorgniserregend. Zumal er auch von Fabelwesen zu sprechen schien, welche ihm zu Leibe rücken wollten.“
Ich sah ihn mit großen Augen an und konnte meine Neugierde nicht zurückhalten. „Dr. Whigfield, verzeiht wenn ich frage, aber WAS genau hat Mr. Alexeeva gefaselt, als ihr ihn untersucht habt?“ ich versuchte auf unschuldig und unwissend zu machen. Es funktionierte. „Mistress Kenway, es wären gute Geschichten für euren Sohn! Er sprach von Riesen, welche sich gegen viele Angreifer verteidigen mussten. Es kam zu einer regelrechten Schlacht und das Resultat war eine völlig neue Weltordnung, welche nun erschaffen worden sein sollte. Es war eine völlig absurde Erzählung, wenn ihr mich fragt. Wer glaubt schon an Riesen in fernen Welten?“ Ja, wer glaubt schon an solche Schauergeschichten? Wir taten es, doch das konnte ich schlecht kundtun.
„Sehr abenteuerlich, wenn ihr mich fragt, Dr. Whigfield.“ lächelte ich ihn an. „Daraus ließe sich aber sicherlich eine wirklich wunderbare Geschichte erzählen, ihr habt mich da auf eine Idee gebracht.“ erklärte ich weiter und sah dann meinen Mann an. „Vielleicht solltest du sie niederschreiben, mi sol. Edward wird es dir bestimmt danken!“ grinste er mich an, er hatte meine Gedanken bereits gelesen. „Wenn ihr diese Werke fertiggestellt habt, würde ich gerne einen Blick darauf werfen. Meine Enkelkinder sind immer erpicht auf neue, spannende Abenteuergeschichten, Mistress Kenway.“ Der Arzt schien sich wirklich darauf zu freuen! „Das werde ich euch sicherlich gerne zur Verfügung stellen, sollte ich es jemals schaffen das Ganze zu Papier zu bringen!“ lächelte ich ihn an, vorerst würde ich aber leider keine Zeit dafür haben.
Wir unterhielten uns noch über die Kinder und Enkelkinder und aus dem mürrischen Irrenarzt war ein gesprächiger und unterhaltsamer Gast geworden. „Wir haben 5 Enkelkinder von meinem Sohn und von meiner Tochter. Alles Jungs, Mistress Kenway, ihr könnt euch sicher vorstellen, wie es dann bei Familienfeiern zugeht.“ lachte er, als wir auf das Thema von Familiengrößen kamen. „Oh, das kann ich sehr gut verstehen. Aber vielleicht werdet ihr ja doch noch irgendwann einmal eine Enkelin bekommen, Dr. Whigfield.“ meinte ich aufmunternd. „Wir hoffen es, Mistress Kenway.“ Gegen Abend verabschiedete sich der Doktor und wir konnten zum Abendessen übergehen.
Edward schaffte es gerade noch so, nicht bei Tisch einzuschlafen. Kurz bevor sein Kopf sein Kopfkissen berührte war er schon im Land der Träume und ich sang ihm noch sein Lied vor. „Ich denke, ich werde dir bald einmal von den Riesen, von Asen und den Nord erzählen, mein Schatz! Damit du dich besser zurechtfindest.“ flüsterte ich und gab meinem Sohn noch einen Kuss auf die Stirn. „Und vergiss dein Versprechen an Dr. Whigfield nicht! Wenn es unsere Zeit erlaubt, dann schreib es nieder. Auch ich würde es gerne lesen, mi sol.“ hörte ich Haytham leise hinter mir sagen. „Werde ich, mi amor.“ lächelte ich etwas schüchtern, ich wusste ja nicht, dass man sowas wirklich lesen wollte hier.
Wir ließen den Abend ruhig ausklingen, morgen würde es wieder neue Aufgaben geben. Jenny war kurz vor dem Abendessen wieder zurückgekommen und gesellte sich nun auch noch zu uns auf die Terrasse. Sie erzählte von ihrer Freundin, welche mal wieder schwanger war und kein anderes Thema als ihre ach so geheiligten Kinder hatte. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie anstrengend es ist, die ganze Zeit nichts anderes zu hören, als Lobpreisungen über die Geburt und Kinder und ihre Vorlieben!“ seufzte sie und nahm einen großen Schluck von ihrem geliebten Wein. „Doch, ich kann es mir vorstellen. Leider haben diese Damen keine anderen Themen, wie auch? Sie sehen und hören ja leider nichts anderes, Jenny. Ich bin froh, dass mir so ein Schicksal erspart blieb und ich in meinem Leben doch sehr viel Abwechslung habe!“ Auch ich kannte in meiner Zeit ein paar Frauen, die keine anderen Gespräche führen konnten, weil nichts in ihrem Leben passierte. Das muss ziemlich langweilig sein!, ging es mir durch den Kopf.
„Aber so turbulent wie bei euch, muss es ja auch nicht immer zugehen.“ lachte Jenny mit Blick auf ihren Bruder. „Vermutlich hast du Recht, Schwester. Doch ich kann keinen Stillstand gebrauchen, ich brauche immer eine Beschäftigung um mich herum. Auch wenn es gerade sehr viel und auch unter Umständen anstrengend ist.“ sein Blick glitt zu mir und seine Augenbraue hob sich. „Was siehst du mich jetzt so an? Ich bin nicht schuld an...“ man ließ mich nicht ausreden. „Nicht ganz, nein. Aber du hast deinen Beitrag dazu geleistet.“ Da hatte Haytham nicht ganz unrecht. „Ich konnte doch nicht ahnen, was noch alles passiert und Faith hat auch ihren Beitrag geleistet, Haytham!“ wieder breitete sich ein wohliges Gefühl in mir aus, als ich an meine Schwester dachte. Vor einigen Jahren war ich hasserfüllt, wenn diese Frau in meiner Nähe war und jetzt? Ich konnte die Finger nicht von ihr lassen und … sollte ich es wagen und sie ab und an einfach im Geiste zu sprechen? „Alex, wo bist du schon wieder?“ hörte ich die vorwurfsvolle Stimme meines Mannes.
„Verzeih mir, nirgends... ich habe nur über meine Reisen und wie der ganze Verlauf war nachgedacht...“ das war ja noch nicht einmal gelogen! Aber ich hatte die Rechnung ohne meinen Mann gemacht, welcher natürlich wusste, woran ich gedacht hatte. Als es schon dunkel war, verabschiedete sich Jennifer für die Nacht und ging hinein. Ich selber war aber noch nicht wirklich müde, auch wenn ich wusste, dass unser kleiner Wecker uns sehr früh wieder aus den Federn holen würde. „Lass uns ein wenig durch den Garten gehen, Haytham.“ und ich nahm seine Hand, was er mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht quittierte. „Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich...“ aber ich strich mit meinem Finger über seine Lippen. „Mach dir keine Gedanken, aber ich würde … gerne ein wenig mit dir alleine sein wollen...“
Haytham schritt langsam neben mir her und ich spürte, dass er ein wenig verunsichert war. Auch ich konnte etwas unfair werden und grinste bei diesem Gedanken. Wir kamen im hinteren Teil des Grundstückes an, eben dem wunderschönen Garten mit den Obstbäumen und dem Gewächshaus. Von hier aus hatte man einen fantastischen Blick auf den Mond, welcher sich heute fast voll präsentierte, also würde ich sowieso kein Auge zu tun können. Als wenn Haytham es geahnt hätte, stellte er sich hinter mich und umschlang mich mit seinen Armen. „Dieses fahle Licht des Mondes hat etwas beruhigendes, findest du nicht, mi sol?“ kam es leise an meinem Ohr. „Ja, auch wenn es mich nicht unbedingt schlafen lässt.“ ich lehnte mich seufzend an meinen Mann.
„Dann sind wir schon zu zweit, mi sol! Und was machen wir jetzt mit dieser schlaflosen Nacht?“ sein Tonfall war mein Stichwort. „Ich will dich, Haytham. Ich … ich weiß, es klingt unanständig, aber...“ doch zu mehr kam ich nicht, seine Lippen legten sich auf meine und seine Hände wanderten verlangend über meinen Körper. „Dann lass mich dich wieder führen!“ seine Stimme war fast tonlos. Die kühler werdende Luft brachte mir Erleichterung, auch gerade jetzt, wo mein Mann meine Röcke hoch schob und mich an einen der Apfelbäume drängte. Verdammt noch mal, warum wollte ich diesen Mann und konnte dieses Verlangen stellenweise einfach nicht zügeln? „Weil wir zusammengehören und diese Momente wie ein Rettungsanker sind. Wir finden uns in diesem Rausch und können uns auf den anderen besinnen. Und jetzt hör auf zu denken, mi sol.“ sprach Haytham nach Atem ringend, als er in mich drang. Es war meine Erlösung mal wieder. Ich ließ mich fallen, ebenso tat es mein Mann und wir fühlten uns wieder verbunden.
Atemlos lehnte er später an meiner Schulter. „Ich liebe dich, mi sol. Wenn wir nicht schon verheiratet wären, würde ich dich erneut um deine Hand bitten.“ sein leises Lachen brachte mich ebenfalls zum Schmunzeln. Meine lose Zunge konnte ich aber mal wieder nicht zügeln... „So ist das also, Master Kenway. Nur wenn ihr so befriedigt seid, habt ihr den Wunsch mich zu ehelichen?“ seine Augen ruhten auf meinem Mund. „Ihr bringt mich auf sehr unanständige Gedanken, wie ich euch dieses lose Mundwerk abgewöhnen könnte, Mistress Kenway. Treibt es nicht zu weit.“ hauchte er, dann löste er sich langsam von mir und ließ mich auf meine Füße gleiten. „Wir sollten jetzt besser zu Bett gehen, mi amor.“ nuschelte ich leise an seine Brust gelehnt und er stimmte mir nickend zu.
Im Schlafzimmer erwartete uns eine eingenickte Sybill und ein im Bett stehender Edward Junior. „Schätzchen, du bist noch wach?“ sprach ich leise und nahm unseren Sohn auf den Arm, was er mit einem quietschenden „Mamaaa“ erwiderte. In diesem Moment wurde sein Kindermädchen wach und sah sich erschrocken um. „Verzeiht, Mistress Kenway... ich muss wohl... eingeschlafen sein! Es tut mir aufrichtig leid... es kommt nicht wieder vor!“ in ihrer Stimme klang Angst mit, so als könnte ich sie auf der Stelle auf die Straße setzen. „Mrs. Wallace, es ist alles in Ordnung. Unser Sohn konnte vermutlich auch nicht richtig schlafen bei dem Vollmond und ihr habt einen langen Tag hinter euch. Am besten geht ihr jetzt auch schlafen, wir kommen hier schon zurecht.“ sprach ich beschwichtigend, doch Haytham war nicht meiner Ansicht. „Mrs. Wallace, so kenne ich euch gar nicht. Eure Pflichten sollten nicht aufgrund der Temperaturen leiden!“ kam es etwas herrisch von ihm. In ihren Augen sah ich die Angst, dass sie soeben ihren Job verloren hatte.
„Sybill, ruht euch jetzt aus und versucht ein wenig Schlaf zu bekommen, wir sehen uns morgen wieder!“ dabei sah ich vorwurfsvoll zu meinem Mann. Als sie gegangen war, bekam ich ein „Du musst lernen, dass es Angestellte sind, Alex! Sie haben eine Aufgabe, wer dieser nicht gerecht wird, oder sie nicht richtig erledigt, wird früher oder später gehen müssen. Wir brauchen ein Kindermädchen, welches IMMER zur Verfügung steht!“ ich sah auf unseren Sohn, dann wieder zu Haytham. „Aber Sybill … sie liebt Edward und würde alles für ihn tun. Bitte, du kannst sie doch nicht jetzt einfach so wegschicken... das geht nicht!“ meine Stimme zitterte, weil ich wirklich Angst davor hatte! „Das habe ich auch nicht vor, aber in Zukunft werde ich ein Auge auf Mrs. Wallace haben. Ich muss mich darauf verlassen können, dass sie ihren Aufgaben zu 100 Prozent nachkommt. Und DU musst lernen, jemanden auch zu entlassen, Alex. Es führt kein Weg daran vorbei.“ seine Stimme hatte einen professionellen Ton angenommen und mir lief eine kalte Gänsehaut über den Körper.
Edward sah mich mit großen Augen und zitternden Lippen an. „Haytham, du machst unserem Sohn Angst mit diesem Ton.“ ich versuchte mich selber ein wenig wieder zu fassen. „Auch Edward wird das lernen müssen. Schließlich ist er unser Erbe!“ Was bitte war plötzlich in meinen Mann gefahren? Ja, er war der kalte Templer wenn es darauf ankam, doch hier und jetzt war einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Als ich ihm das auch so sagte, sah er mich finster an. „Lerne zwischen Familie, Freunden, Berufung und Ordensangelegenheiten zu trennen, Alex! Dann wirst du meine Einstellung auch verstehen!“ damit ließ er mich hier stehen und verschwand aus unserem Zimmer.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich ließ mich aufs Bett sinken und sah Edward an. „Dein Vater hat manchmal seltsame Ansichten. Aber keine Sorge, Sybill wird nicht einfach so gehen, dafür werde ich schon sorgen, mein Schatz.“ seine kleinen Ärmchen umfingen mich und ich drückte ihn an mich. „Ich hab dich lieb, Edward. Und wenn es geht, werde nicht ganz so hart wie dein Vater, ja?“ wie aufs Stichwort hörte ich ein leises „Mama“ ich gab unserem Sohn noch einen Kuss, anschließend legte ihn dann wieder in sein Bett. Gähnend sah er zu mir auf und ich sang ihm noch sein Lied vor. Währenddessen liefen mir kontinuierlich die Tränen. Ich konnte sie nicht bremsen!
Als ich sicher sein konnte, dass mein Sohn schlief, zog ich mich aus und legte mich hin. Doch wie erwartet konnte ich nicht schlafen, was natürlich auch der hiesigen Stimmung geschuldet war. Nach fast einer Stunde Warten auf meinen Mann, zog ich mir ein Hemd an und den Morgenrock und ging hinunter, auf der Suche nach Haytham. Ich fand ihn, wie gewohnt mit verschränkten Armen auf dem Rücken auf der Terrasse stehend vor. Ich stellte mich neben ihn, möglichst den Körperkontakt vermeidend, der war mir gerade nicht recht. Er sollte wissen, dass ich nicht mit seiner Meinung konform ging.
„Mrs. Wallace wird in unserem Haushalt bleiben, Haytham! Ich lasse nicht zu, dass sie gehen muss, nur weil auch sie mal eine Schwäche zeigt. Wenn es dich beruhigt, werden wir nach einem zusätzlichen Kindermädchen suchen. Wenn du dich erinnerst, auch du hattest mehr als eines. So können sie sich abwechseln und wir sind sicher, dass es unserem Sohn gut geht und an nichts fehlt.“ sagte ich leise aber bestimmend, auch ich wollte dieses mal nicht von meiner Meinung abweichen! „Und wer schwebt dir dann vor?“ kam es kalt von meinem Mann. „Das weiß ich doch jetzt noch nicht, aber wie wäre es mit Mildred? Sie hat bereits Kinder und viel Erfahrung, zudem ist sie eine gute Kämpferin. Ich habe gesehen, wie sie mit dem Schwert umgehen kann!“ immer noch sah ich stur nach vorne in den Garten und vermied es, den Blickkontakt mit Haytham aufzunehmen.
„Versteh mich doch bitte nicht falsch, Alex. Es geht hier um die Sicherheit und darum, dass Edward eine adäquate Erziehung bekommt. Mrs. Wallace ist schon seit einer gefühlten Ewigkeit in meinem Haushalt und auch ich mag sie. Das ist es nicht, doch bedenke, sie wird älter und kann irgendwann genau deswegen nicht mehr ihren Aufgaben in vollem Umfang nachkommen. Wir müssen an die Zukunft denken!“ Unrecht hatte er nicht, aber ich würde ganz bestimmt nicht diese Frau wegschicken, das konnte er vergessen. „Dann werden wir für eine Ergänzung sorgen... ... Edward wird vermutlich nicht immer alleine bleiben.“ sprach ich jetzt noch leiser und wusste nicht, ob es angebracht war, JETZT mit diesem Thema anzufangen.
„Deswegen wünsche ich mir eine Betreuung, welche auch dem noch gerecht werden kann! Alex, im Grunde sind wir uns doch einig, oder nicht? Warum … Herr Gott! Warum müssen wir darüber überhaupt jetzt diskutieren?“ kam es mit einem Male völlig frustriert von Haytham. „Du kannst Fragen stellen! Wer ist einfach verschwunden und ließ mich mit offenem Mund zurück. Haytham, ich weiß, ich habe zu lernen. Doch wenn du mir das immer wieder so vorhältst, dann fühle ich mich einfach völlig minderbemittelt. Ich bin nicht dumm, ich weiß, das Sybill älter wird, ich will es nicht, aber es lässt sich nicht vermeiden. Doch bitte, lass sie DAS doch nicht so spüren! Mrs. Wallace weiß es ja selber! Hier kommt es ein wenig auf Fingerspitzengefühl an und das überlasse bitte mir, Haytham!“ Jetzt sah ich zu ihm auf und nahm vorsichtig seine Hand in meine.
„Ich habe Angst, Alex! Was wenn die Wachen nicht reichen, was wenn Sybill ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann ... mir gehen gerade wieder so viele Dinge durch den Kopf, die uns noch erwarten werden. Edward wird vor eigene Herausforderungen gestellt! Es ist ein Gefühl von Machtlosigkeit gerade! Und wenn wir noch ein zweites Kind bekommen, was dann?“ in seiner Stimme klang echte Angst und auch ein wenig Überforderung mit, so kannte ich meinen Mann auch noch nicht. „Wir werden dem gerecht werden, weil wir beide dort hineinwachsen werden. Niemand weiß, wie wir mit zwei Kindern leben werden. Das liegt nicht in unserer Macht es vorher zu wissen! Wir müssen es auf uns zukommen lassen! Aber bis es soweit ist, will ich, dass unser Sohn sein Kindermädchen behält!“ ich legte eine gewisse Kälte in meine Stimme, welche jetzt keine andere Meinung mehr zuließ.
„Aber lass uns auch hier ein weiteres Mädchen einstellen, nur zur Sicherheit!“ innerlich verdrehte ich die Augen, sagte aber nichts sondern drückte nur seine Hand zur Bestätigung. Wir würden bald nach Frankreich abreisen und was uns dann dort erwarten würde, läge nicht in unserer Hand. „In Frankreich werden wir ebenfalls ein weiteres Kindermädchen einstellen. Der Verwalter des Chateaus hat zwei Töchter, welche sicherlich gerne für meinen Sohn...“ ich ließ ihn nicht ausreden, weil ich mal wieder meinen Mund nicht halten konnte. „Oh, lass mich raten. Du kennst die Damen bereits oder sollte ich sagen, immer noch?“ und mein Ton war so zynisch und kalt, dass Haytham wusste, wie ich darüber dachte. „Was willst du mir damit sagen?“ sein Griff um meinen Oberarm war eisern und sein Blick war ebenso kalt wie Stahl. „Ich... nichts! Ist schon gut, ich bin zu weit gegangen!“ ich zuckte innerlich zurück, anders war es mir nicht möglich, weil ich plötzlich Panik bekam. „Lass mich los!“ brachte ich nur aus zusammengebissenen Zähne hervor. Seine Hände ließen mich aber nicht los!
„Was glaubst du eigentlich, was ich bin? Ich habe nicht völlig abstinent gelebt, ich habe einige Frauen in meinem Bett gehabt. Doch mach mir daraus keinen Vorwurf, Alex. Auch du bist nicht anders in deiner Vergangenheit gewesen oder?“ in seinen Augen lag dieses Lauern einer Schlange wieder! „Nein, aber du hast es so seltsam gesagt... Haytham, ich weiß... aua!“ ich versuchte mich aus seinem Klammergriff zu befreien. „Aber was soll ich davon halten, wenn du gerade diese Frauen anscheinend so in positiver Erinnerung hast. Haben sie dein Bett besonders gut bezogen? Oder deine Hemden ...“ Ich unterbrach mich selber, weil sich seine Hand erhob! „Wage es nicht, Haytham!“ kam es drohend von mir! Langsam senkte sich sein Arm, gleichzeitig lockerte sich sein Griff, so als würde er wieder wach werden. Auch in mir fühlte es sich an, als zögen Gewitterwolken ab, um einen sonnigen Himmel frei freizugeben. WAS war das gerade zwischen uns?
Ich atmete tief durch, spürte aber immer noch seine Finger auf meinen Armen, meine Muskeln taten weh von dieser Aktion. Ich rieb darüber und Haytham sah mich... ja, bedauernd an! „Das... wollte ich nicht. Was ist nur in uns gefahren?“ sein Atem ging schwer, auch ich fühlte mich als sei ich einen ganzen Marathon gelaufen. „Ich weiß es nicht!“ Das nicht immer alles Heile-Welt war, sollte jedem bewusst sein, aber dieser Moment war unheimlich und mit nichts zu rechtfertigen!
Ich ging ein Stück von ihm weg, ich brauchte gerade Abstand, dabei ließ wie aus Gewohnheit meinen Blick über ihn gleiten! Seine Aura! Sie war nicht rein gelb-gold... sie war durchzogen von kleinen roten Linien! „Haytham... etwas stimmt nicht...“ aber auch mein Mann hatte es gesehen. Er hatte ebenso. „Was passiert hier?“ fragte er mich leise. Etwas sät Zwietracht zwischen euch! Ich kann nur nicht sehen, WER es ist oder WARUM! Hörte ich meinen Piraten. In der Hoffnung, er würde hier vor mir stehen, sah ich mich um. Leider tat er es nicht. Dann dröhnte mir Odin in meinem Kopf. Verdammt noch eins, das eine haben wir erledigt, da taucht das nächste auf. Eugene ist näher als gedacht! Das war alles was er sagte!
Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper und konnte mich nicht mehr unter Kontrolle halten. Dann waren es nicht nur Haythams Gedanken alleine, sein Handeln war von jemand anderem gesteuert? In meiner Panik rief ich nach den Wachen, welche auch prompt alle 8 bei uns erschienen. Wir teilten sie auf die Etagen auf, besonders vor unseren Schlafzimmern. Zwei würden hier unten verbleiben und weitere zwei werden im Kellergeschoss den Zugang bewachen.
Wieder ließ ich meinen Blick über Haytham gleiten, doch jetzt war er wieder in ein mir vertrautes gelb-gold getaucht, was mich beruhigte. „Ich gehe nach oben, ich muss sicher gehen, dass Edward nichts passiert ist.“ sagte ich über die Schulter hinweg, als ich auch schon die Treppe hinauf rannte. Unser Sohn lag schlafend in seinem Bett, so wie ich ihn vorhin verlassen hatte. Auch seine Aura war die gleiche wie vor ein paar Stunden. Nichts hier im Raum deutete auf eine weitere Präsenz hin! Mein Mann erschien im Raum und analysierte ihn noch einmal. Er fand ebenfalls keine verdächtigen Spuren. Wir beide waren natürlich erleichtert. „Es... es tut mir leid.“ kam es wie aus einem Mund von uns beiden! Ich lehnte meine Stirn an seine Brust und atmete tief durch.
„Manchmal wünschte ich, wir hätten ein völlig normales Leben, Haytham!“ sprach ich gedankenverloren. „Das habe ich mir auch schon des öfteren gedacht! Doch es gibt höhere Instanzen, welche uns einfach keinen wirklichen Frieden gönnen, wie es aussieht!“ seine Arme legten sich um mich wie mein Ruhemantel! Für einen kurzen Moment konzentrierte ich mich auf Elias. Mein Kind, es ist nicht mein Wille. Wir werden dem Ganzen nachgehen müssen. Es sind noch andere Mächte mit am Werk. Ruhe dich für heute aus! Hörte ich ihn noch sagen. Seltsamerweise war ich erleichtert, so dass ich mich entspannte, genau wie auch Haytham. Es war, als wären wir mit einem Male in einem geschützten Raum!
Erschöpft ließ ich mich aufs Bett sinken, zog müde meinen Morgenrock aus und legte mich einfach hin. Zudecken war eigentlich gar nicht nötig, es war unglaublich warm hier. Also stand ich wieder auf, öffnete die Fenster einen Spaltbreit und ging zurück zum Bett. Haytham lag mit den Händen hinter seinem Kopf verschränkt in den Kissen und starrte zum Baldachin des Bettes. „Alex, du kannst ein Leben retten, welches wäre es?“ das kam so unvermittelt, dass ich mich abrupt wieder aufsetzte. Verwirrt sah ich ihn an. „Was? Ich... das weiß ich doch nicht... das kommt auf die Situation an, denke ich. Bist DU es, rette ich natürlich DICH, ist es Edward, dann helfe ich ihm... Woher soll ich das wissen, Haytham?“ durch meine Müdigkeit klang ich völlig zickig, was Haytham zu spüren schien. „Entschuldige, es war ein Gedanke. Vermutlich dachte ich an meinen Tod... sollst du ihn mit deinen Fähigkeiten verhindern? Oder meinten die Götter etwas anderes damit?“ Darauf hatte ich leider keine Antwort.
„Wir werden es sehen, wenn es soweit ist. Auch ich bin nicht allwissend, Haytham. Lass uns jetzt schlafen. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, außerdem habe ich Kopfschmerzen und ich bin müde...“ langsam ließ ich mich wieder in meine Kissen sinken. „Ich liebe dich, Alex. Das vorhin, das war... irgendwie nicht ich...“ sprach er leise in die Wirren meiner Haare gelehnt, ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Kopf. „Vermutlich war ich auch nicht ich selber.“ meine Augen fielen wie von alleine zu. Es war ein langer, heißer Tag gewesen...
Gestern endlich kam mein so sehnsüchtig erwartetes Gewitter! Doch das schmeckte unserem Sohn so gar nicht und er verbrachte die Nacht in unserem Bett. Immer wenn es Donnerte krallte er sich an mich oder an Haytham, wenn es blitzte zuckte er zusammen, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Beruhigen konnten wir ihn nicht, weder mit erzählen, noch mit singen, auch dass ich in seinen Geist drang, half nicht. Es war wie verhext. Als dann endlich dieses Unwetter vorüber war, wurde Edward ruhiger und schlief leise brabbelnd ein, aber nicht ohne mich festzuhalten. So hatte ich keine Chance mich zu bewegen, ohne den kleinen Mann zu wecken. Haytham sah bedauernd zu mir. „Soll ich unseren Sohn nicht besser wieder in sein Bett legen, mi sol? Du siehst aus, als könntest du etwas Schlaf gebrauchen.“ lächelte er mich an. „Das gleiche könnte ich von dir sagen, Haytham. Die letzten Tage waren mal wieder irritierend und haben mir Angst gemacht. Auch wenn nichts passiert ist, dennoch war es... unheimlich!“
Es war wie ich es sagte... Unheimlich. Im wahrsten Sinne des Wortes schlich ich umher, weil ich hinter jeder Ecke einen Eindringling vermutete, jedes Klopfen an der Haustür konnte ein potenzieller Mörder sein... diese Anspannung war unerträglich gewesen und zerrte an den Nerven. Was meiner Laune nicht gut tat, wenn ich ehrlich bin.
Heute jedoch stand der Kostümball an. Am liebsten hätte ich ihn abgesagt, meine Freude darauf war auf den Nullpunkt gesunken in den letzten Tagen. An mir nagte diese Ungewissheit, wir wussten nicht, wer sich unseres Geistes bemächtigen wollte. Wir wussten nicht, wer uns übel mitspielen wollte! Wenn es wirklich Eugene war, dann musste er schon verdammt nahe sein, doch noch hatten die Späher im Umland nichts ausgemacht! Keine verdächtigen Schiffe, auf denen ein Herr mit der Beschreibung von Avdeyev war! Zögerlich ließ ich mich von Magda einkleiden, auch Haytham war alles andere als entspannt, was er auch seinem Kammerdiener deutlich zeigte. „Verdammt, Michael, wollt ihr, dass ich ersticke?“ rief er, als dieser die Halsbinde etwas zu fest zog. Doch irgendwann waren wir fertig eingekleidet und konnten hinunter gehen. Im Salon saßen Jenny, Edward und Sybill. Dieser Anblick war unglaublich friedlich. Unser Sohn war entspannt und nichts deutete mehr auf seine Unruhe hin, was mich natürlich beruhigte für heute Abend.
Haytham hatte jedoch noch einmal weitere 8 Wachen angefordert, welche nun ebenfalls eingewiesen wurden! Vier würden uns beide heute zum Anwesen der Williams begleiten, auch wenn es Faith nicht gefallen würde, aber ich brauchte immer noch diese Sicherheit! Die anderen verbleibenden 12 wurden entsprechend im und um das Anwesen verteilt. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass alle wussten, was im Notfall zu tun ist, machten wir uns auf den Weg. Edward war nicht sonderlich glücklich, dass wir ihn alleine ließen, doch es galt mal wieder die Verpflichtungen einzuhalten! Schweren Herzens und mit einem mulmigen Gefühl machten wir uns auf den Weg.
Als wir am Anwesen eintrafen, wurden wir von Mr. Hill eingelassen und zu den Gastgebern geführt. Mit Entsetzen musste ich nun feststellen, dass Lady Melanie DOCH anwesend war! Verdammt! Danke Faith fürs nicht Mitteilen! Wir werden das schon hinbekommen, wir sind verheiratet und du gehörst dem Orden an. Sie kann im Grunde nur noch einen Groll gegen mich haben, weil ich gegen ihren Willen gehandelt habe, mi sol! Haythams Worte beruhigten mich etwas, doch meine Nerven lagen leider blank, aufgrund der letzten Tage. Wir begrüßten sie entsprechend, aber mehr auch nicht. Lion war... nunja, immer noch nicht mein bester Freund, was ich ihn auch spüren ließ!
Die Begrüßung von Shay und Faith war mehr als gewöhnungsbedürftig, eigentlich bedachte man mich mit MISTRESS... hier hieß es LADY... nun ja... im Grunde war es egal, aber ich fand diesen typischen Londoner Akzent interessant von meiner Schwester! Den würde man ihr nie zugestehen, aber es klang sehr melodisch. Für den Bruchteil einer Sekunde versanken meine Gedanken in der Gosse, welche mit einem geflüsterten „Später haben wir mehr Zeit“ von meiner Freundin noch Nachdruck verliehen bekamen.
Nun brachte man uns in das Esszimmer, wo uns die Plätze zugewiesen wurden. Odin sei Dank, durfte ich neben meinem Mann sitzen, doch ehe ich michs versah, saß auf der anderen Seite von Haytham, wo eigentlich Dr. Wilson sitzen sollte, eine Frau, welche ihn mit einem lüsternen Augenaufschlag ansah. Das darf nicht wahr sein. Was macht dieses Weib hier, sie sollte bei ihrem Ehemann sitzen. Kam es von meinem Mann. Sein Blick ging auf die andere Tischseite, wo sich ein etwas untersetzter Herr platzierte und mürrisch in unsere Richtung sah. Würdest du mich bitte aufklären? WER ist das und was WILL sie von dir? In mir kochte eine Eifersucht hoch, welche ich so noch nie gespürt hatte, vermutlich, weil noch nie eine andere Frau an der Seite meines Mannes saß und ihm über den Oberschenkel streichelte, während sie sich mit ihrer Zunge verstohlen über ihre Lippen leckte. Wenn du nichts unternimmst, Haytham, dann mache ich das und ich garantiere für nichts mehr. Blutspritzer über dem Tisch inklusive! Fauchte ich ihn an. Er aber sah mich etwas irritiert an.
Männer... Schwer von Begriff manchmal, oder genoss er etwa diese Zuwendung? Wollte er seinen Marktwert testen? Aber doch bitte nicht in meiner Gegenwart und so offensichtlich! Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Plötzlich fiel mir ein, dass ich einen Ring an meiner Hand hatte, der ein ... sagen wir mal ... interessantes Mittel enthielt, wenn man es mit einem Getränk mischte. Eigentlich war es ein Geschenk von Francis gewesen, welches sie mir mit den verschwörerischen Worten „Man weiß nie, wen man mal gefügig machen muss.“ übergeben hatte. Fürs erste hielt ich mich jedoch zurück, vielleicht könnte ich es später noch einsetzen um dieses dämliche Weib lächerlich zu machen... Du hast schon wieder sehr böse Gedanken, mi sol. Das gefällt mir! Sprach mein Mann mit mir und sah mich mit diesen dunklen grauen Augen an. Ja, sie gelten der Dame, welche sich am liebsten auf dich werfen und dir die Kleider vom Leib reißen würde! Lass sie mich einfach entfernen, leise und ungesehen! Zu mehr kamen wir nicht, der erste Gang wurde gereicht. Muschelsuppe, nun gut, nicht mein Highlight aber sie schmeckte wirklich gut.
Leider konnte ich mich nicht von diesem blöden Frauenzimmer lösen, welche sich noch ein Stück näher an meinen Mann geschoben hatte und immer wieder einen auf „Ach-ich-bin-so-hilflos-macht-etwas“ tat... zu meinem Glück stand mein Gatte nicht auf diese Art von Frauen, weswegen er zunehmend ungehaltener wurde und Melody, so hieß dieses Frauenzimmer, immer wieder von sich schob und anmerkte, dass ihr Ehemann genau gegenüber saß. Ja, dieser besagte Herr warf meinem Mann nun einen Blick zu, welcher schon eines dahin geworfenen Federhandschuhs gleichkam... nein, Duelle wird es hier nicht mehr geben, schwor ich mir.
Neben mir saß ein uniformierter Herr, den ich noch nicht kannte. Auch hatte man ihn mir nicht vorgestellt. Wie von selbst glitt mein Blick über ihn und für den Bruchteil einer Sekunde wollte ich aufspringen! Seine Aura war leuchtend rot, auch wenn seine Person an sich nicht gefährlich wirkte. Er unterhielt sich angeregt mit meiner Schwester und Lucius, auch wenn dieser hin und wieder andeutete, dass ihm diese Konversation nicht unbedingt recht sei. Aus Wortfetzen erfuhr ich nun, dass es James Law sei... der Name... er sagte mir etwas... woher... dann schlug die Erkenntnis in meinen Kopf. „Sie haben sich mit James Law verbrüdert“ …. Faiths Worte damals, als wir im Appel Pie saßen! DAS war der böse Law? WAS zum Geier machte er hier und dann auch noch neben MIR! Ich atmete einige Male tief durch! Konnte der Abend noch schlimmer werden? Erst Lady Melanie, dann eine wollüstige Melody, die meinen Mann vernaschen wollte und jetzt auch noch DER Typ hier?
Mir verging der Appetit allmählich, was Haytham bemerkte. „Das Korsett?“ fragte er grinsend. „Nein, die Gesellschaft um uns herum!“ gab ich trocken zurück! Da aber nun die ganze Sitzordnung durcheinander war, saß ich Rose Lincon gegenüber, welche mich für einen Moment über unseren Sohn ausfragte, um dann in eine Litanei aus Anekdoten über Faiths Kinder zu verfallen. Ich konnte nur mit halbem Ohr zuhören, mir wurde es allmählich zu viel. Am liebsten wäre ich aufgestanden und gegangen. Ich fühlte mich mehr und mehr unwohl zwischen diesen seltsamen Menschen.
Für einen Moment gab es ein wenig Abwechslung, doch die tat meiner Seele bei weitem nicht gut. Haythams Husten seit seiner kurzen 21. Jahrhundert Exkursion war zwar schon besser, doch ab und an verfiel er in einen Anfall, wie auch jetzt. Prompt kamen gute Tipps von allen Seiten, von Dr. Wilson, von Faith, eigentlich von allen anderen Gästen in der Nähe. Warum musstest du damit anfangen, jetzt reden sie über verschieden Krankheiten. Sprach ich in Gedanken zu Faith. Das Thema hat noch gefehlt und ist interessanter als die militärische Stärke der britischen Truppen über was sich die drei Herren hier neben mir unterhalten Da hatte sie auch wieder Recht. Ich hatte aber noch nicht erwähnt, dass ich Haytham mit hinüber genommen habe. Vielleicht hätte ich später noch Gelegenheit dazu.
Es wurde der nächste Gang serviert und ich fühlte mich, als wolle man mich mästen! Wie bitte sollte man solche Mengen essen, wenn man in diese Folterinstrumente geschnürt war? Neben mir ließ es sich mein Mann schmecken, während er in eine Diskussion mit Dr. Wilson versunken war. Ich versuchte derweil mir nicht das Korsett vom Leib zu reißen. So langsam wurde ich immer ungehaltener und diese dämliche Melody mit ihrer trällernden Stimme machte es nicht besser. Haytham reagierte nicht auf sie, doch sie machte weiter. Ihre feingliedrige Hand fuhr ihm immer wieder über den Oberschenkel SEHR weit hinauf. In ihren Augen las ich ihren Wunsch, so schnell wie möglich ein Bett oder zumindest einen ungestörten Moment zu haben. Das könnte ihr so passen. In diesem Moment beschloss ich, spätestens wenn wir für den Ball eingekleidet waren, ihr ein wenig von diesem leckeren Mohnpulver zu verabreichen! Mal sehen, wie lüstern sie dann noch ist!
An der anderen Stirnseite des Tisches saß der König, rechts von ihm seine Frau. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, hatte ich die beiden noch gar nicht beachtet. Als ich die beiden betrachtete, sah ich, dass Charlotte ab und an das Gesicht verzog. Auch hielt sie sich etwas verstohlen den Bauch. Sie war hoffentlich nicht krank oder schwanger, das wünschte ich niemanden in dieser Situation. Der Nachtisch bestand aus Früchten oder eben Pudding. Ich musste meine Schwester loben, sie hatte daran gedacht, dass ich keine Ananas aß und ich bekam eine Schüssel mit Vanillepudding. Nunja... das Korsett... zwei Löffel und ich ließ den Rest leider stehen. Doch ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, von einem Vortrag von Mr. Lincon über die Vanilleschote! Es tat mir ja leid, aber... ich wusste doch darüber Bescheid … aber ich ergab mich meinem Schicksal, hörte mit einem viertel Ohr zu und nickte immer eifrig. Soviel Höflichkeit hatte mir Haytham mittlerweile auch schon in den letzten Jahren eingebläut.
Als dann endlich dieser Punkt des Abends abgehakt war, konnten wir uns erheben und uns umziehen. Mein Kleid für den offiziellen Ball zog ich erst hier an, ich war auf Haythams Reaktion gespannt. Faith und ich gingen mit unseren Templern hinauf, während die Königin von Lady Melanie in ihre Gemächer gebracht wurde, damit sie in ihr Kleid verpackt werden konnte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie diese Melody meinem Mann wieder hinter hersah. In diesem Moment wünschte ich mir den Todesblick. Vielleicht sollte ich ihr einfach ein paar böse Bilder in den Geist schicken, sie einfach … nein, das durfte ich nicht. Ich darf nicht manipulieren, nicht zu meinen eigenen Gunsten agieren. Schade, dann musste eben dieses leckere Pulver mir später bei meinem bösen Plan helfen!
Wir würden uns im Schlafzimmer, oder besser Ankleidezimmer von Faith und Shay umziehen. Dagegen hatte ich nichts, was sollte da schon schiefgehen? Bevor wir jedoch ankamen, fiel meiner Schwester ein, dass sie Athene, ihre Eule, noch füttern musste. Diese Eule war wie ein kleiner Ersatz des Adlerblickes, Faith konnte durch sie die Umgebung erkunden... sehr interessant wie ich fand. Und ich fragte einfach, ob ich ihr nicht helfen konnte, ich hatte diese Eule noch nicht gesehen. Natürlich warf mir Haytham einen genervten Blick zu, weil ich für eine Weile mit seiner kleinen Schwester alleine wäre. Doch was sollten wir in so kurzer Zeit anstellen? Nun gut, mir würde durchaus etwas einfallen... war ich aber schon bereit, das zuzulassen?
Im Salon angekommen, stand Faith plötzlich einfach lächelnd vor mir. Wollte ich es wirklich? War ich soweit? Und mir kam wieder dieser Einkaufsbummel in den Sinn... dieser Wunsch, dass ich diese Frau brauchte... Ich zog sie in meine Arme und küsste sie einfach, Worte waren überhaupt nicht nötig, befand ich, auch Faith war derselben Meinung. Doch leider wurden wir von der Eule unterbrochen! Verdammt... Sie hatte halt Hunger, wer konnte es ihr verübeln? Es gab sogar Mäuse, welche extra dafür gezüchtet wurden. Wenn die Familie wieder zurück in die Kolonien reiste, musste entsprechend Futter für dieses Federvieh an Bord vorhanden sein. Für mich war es völlig faszinierend zu sehen, wie die Fütterung von Statten ging und ich überlegte mir, ob ich Edward nicht doch noch ein oder zwei Haustiere zur Seite stellen sollte. Einfach nur, damit er lernte, Verantwortung zu übernehmen. Bis dahin würde es aber noch ein oder zwei Jahre dauern.
Als wir wieder zurück im Ankleidezimmer waren, standen unsere Männer bereits angekleidet vor uns. Ich starrte Haytham mit offenem Mund an. Sein Anzug war perfekt auf mein Kleid abgestimmt. Langsam schritt ich auf ihn zu, bremste mich jedoch, als ich sah, dass er uns beide mit einem mehr als tadelnden Blick ansah. Was bitte hätten wir in der kurzen Zeit machen sollen? In diesem Moment dachte ich mir nur noch, jetzt ist es auch egal! Ich will meine Schottin haben, ihre weiche Haut fühlen und schmecken... Faith erging es ähnlich, ihr Blick war etwas verklärt auf mich gerichtet. Jetzt mussten wir nur noch dafür sorgen, dass die Herren die Räumlichkeiten verließen! Wie ließe sich das am schnellsten bewerkstelligen? In dem wir über andere Damen lästerten, deren Anzüglichkeiten zum Beispiel! Melody!
Nachdem die Herren uns unnötigerweise darauf hingewiesen hatten, dass wir uns schnellsten umziehen sollten, fragte ich lautstark, ob diese Melody immer so sei, weil sie einfach nicht die Finger von meinem Gatten ließe. „Was hat sie gemacht, mich wollte sie töten um an meinen zu kommen.“ Kam es laut von Faith, während wir uns langsam gegenseitig auszogen. Ich hoffte, dass Haytham und Shay bald die Geschichten nicht mehr hören wollten. Als wir nur noch in den Unterkleidern dastanden, sahen wir ins Schlafzimmer und die Herren waren zu meiner Freude verschwunden.
Mit einem wissenden Blick drehte sich Faith zu mir, doch in diesem Moment wusste ich, was ich wollte und ließ alles zu! Ihre Wärme und Nähe waren wieder dieser Rausch, der mich so oft in einsamen Nächten getröstet hatte. Die letzten Stoffe waren schnell entfernt. Ihre vorsichtige Frage, ob es für mich in Ordnung sei, erwiderte ich mit einem langen verlangenden Kuss. Langsam schob ich sie zu diesem großen Bett. Als sie unter mir lag, ließ ich meine Lippen über ihre weiche Haut gleiten. Ich schmeckte sie wieder, ich roch sie wieder und ich wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen... ich hatte meine Schottin, mo rionnag wieder! Als ich mit meiner Zunge ihr Piercing berührte, war es, als wäre ich ein weiteres Male zuhause angekommen. Ihr Griff in meine Haare wurde fester und ich genoss ihren Duft, ihre Hingabe... seufzend hörte ich nur ein „Alex“ als ich ihren Höhepunkt fühlte, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
Langsam schob ich mich hoch, sofort umschloss Faith mich mit ihren Armen und liebkoste mich mit ihren Lippen und ihren Fingern. Es war befreiend, fühlte sich wieder völlig neu an, aber es war ein gutes Gefühl von dem ich mehr wollte. Also bog ich mein Becken ihren Fingern und ihrem Mund entgegen. Faith wusste, wie sie mich um den Verstand bringen konnte! Mein Höhepunkt kam schneller als ich wollte, doch er war unglaublich intensiv und ich genoss diese Muskelanspannungen. Für einen Moment lagen wir uns in den Armen auf dem Bett. Für mich war es wieder ein Vorankommen in meinem Leben nach diesen Ereignissen in den Katakomben.
Gerade als mir Faith einen weiteren verlangenden Kuss gab, flog die Tür auf. Mit einem lauten „FAITH“ trat Lady Melanie ein. Du meine Güte, konnte man nicht anklopfen? Für einen Moment funkelte ich die Dame wütend an, doch ihre Reaktion war nicht das, was ich erwartet hatte. „Eine Frau, solange es dein Mann weiß, hab ich nichts dagegen. Und nun ihr beide... in einer viertel Stunde fängt der Ball an, ihr beide habt noch kein Kleid an und eure Frisur... Los meine Damen, es wird Zeit, dass diese beiden vorzeigbar sind“ damit eilten einige Kammerzofen ins Zimmer! Wir ergaben uns unserem Schicksal, wenn auch etwas dümmlich grinsend, weil ich mich jetzt im Grunde komplett wieder gefunden hatte. Faith war der letzte Ankerpunkt, der noch gefehlt hatte.
Verdammt, Haytham würde mir dafür noch einige Lektionen erteilen... aber auch darüber konnte ich nur grinsen. Es war mir nicht egal, aber ich freute mich darauf. Das erste Mal seit Wochen, dass ich eine Vorfreude auf, nunja, eine Strafe hatte! Innerhalb weniger Minuten wuselten einige Mädchen um mich herum, stopften mich in das Kleid und Lady Melanie sah mit Erstaunen meine Tätowierung auf dem Rücken. Mein Gedanke, die Haare offen zu lassen, fand ihren Zuspruch und schon waren weitere Damen um mich herum, welche nun meine Haare ordneten. Als Faith und ich dann ordentlich hergerichtet waren, sahen wir uns beide in den Spiegeln noch einmal an und ich drückte nur ihre Hand. Dieser Anblick war einfach... ja er war atemberaubend... ihr rotes Kleid mit den Rosenblüten, welche sich auch noch in den Haaren wiederfanden neben dem blauen Kleid war ein Kontrast, aber ich fand er passte.
Mit einem kleinen Kuss gab ich ihr Kompliment zurück, dass musste reichen, unsere Gatten warteten schon. Als wir auf den Gang schritten, sahen uns beide für einen Moment mit großen Augen an, doch Haythams Blick zeugte in Nullkommanichts davon, dass sie beide wussten, was vor wenigen Minuten noch im Schlafzimmer stattgefunden hatte. Oh, es wird mir heute Nacht ein Vergnügen sein, euch daran zu erinnern, wem ihr gehört, Mistress Kenway! Sprach er fordernd in meinem Kopf. Mit hochroten Wangen nickte ich lediglich. „Wollen wir dann?“ fragte ich grinsend. Haytham nahm breit grinsend mit einem Kopfschütteln meine Hand als wir voran gingen. Shay und Faith würden den Ball eröffnen, weil Charlotte im dritten Monat schwanger war und sich nicht so wohl fühlte. Dann hatte ich mit meiner Vermutung doch recht, aus den Aufzeichnungen wusste ich noch, dass die Arme wirklich fast jedes Jahr ein Kind zur Welt brachte. Auch wenn es aus Liebe war, die beiden liebten sich wirklich, es waren aber Strapazen, die man keiner Frau zumuten sollte.
Andere Zeiten, andere Sitten, oder wie sagt man so schön?
„Alex, dieses Kleid steht dir wirklich gut und es bringt mal wieder dein Dekolleté hervorragend zur Geltung. Hast du für die offenen Haare plädiert?“ kam es in einem völlig neutralen Plauderton von meinem Mann. „Lady Melanie sah meine Tätowierung und befand, dass sie nicht jeder sehen sollte. Schon bei der Anprobe hatte ich Faith darauf angesprochen, Haytham. Aber ich muss sagen, dieser Anzug steht dir auch unglaublich gut.“ hauchte ich etwas atemlos, diese Farben unterstrichen seinen Körperbau, dazu der Lichteinfluss von den Kerzen und Kandelabern … und prompt wurde ich wieder rot. „Ich werde trotzdem in Zukunft kein Handtuch zu solchen Anlässen tragen, mi sol.“ lachte Haytham leise.
Im Ballsaal warteten wir jetzt auf Faith und Shay. Die beiden hatten nur Augen für sich als sie eintraten. Ich sah ihnen verträumt zu, bis mich Haytham aus meinen Gedanken holte. „Alex, du gehst die Schrittfolge der beiden ja richtig mit. Gedulde dich, dann darfst auch du den beiden Gesellschaft leisten und wenn ich darf, nehme ich gerne daran teil.“ lachte er. Ich lehnte mich ebenfalls lachend an seine Schulter. Ich hatte das gar nicht bemerkt.
Nachdem nun der erste Tanz abgeschlossen war, durften auch die anderen Gäste daran teilnehmen. Als erstes waren die entsprechenden Damen mit den farbigen Kleidern für die einzelnen Feen und ihre Begleiter an der Reihe. Ich genoss es, mit meinem Mann so in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Melody immer wieder giftige Blicke in meine Richtung warf. Na warte du Miststück!, dachte ich, widmete mich dann wieder voll und ganz meinem Mann. Sie hingegen war völlig unbeholfen, hatte keine Lust, was man deutlich sah. Doch dafür konnte ich nichts.
Die plötzlich auftauchende Lust zum Tanzen in Melodys Augen, war meinem Mann geschuldet, nachdem mich ihr Gatte, der Duke of Bournemouth zum Tanzen aufgefordert hatte. Ihre gierigen Finger lagen nicht still, sie schmiegte sich an Haytham... „Mistress Kenway, ich entschuldige mich für die schlechten Manieren meiner Frau! Ich werde ihr dieses Verhalten noch austreiben müssen!“ entschuldigte sich der Duke verlegen bei mir. „Macht euch keine Gedanke darüber, mein Ehemann weiß sich zu wehren.“ versicherte ich lächelnd meinen Tanzpartner. Als uns die Herren wieder „abgaben“ und Melody sich ein Glas des leckeren Champagners nahm, lenkte ich sie mit einem bissigen Kommentar ab. Sie sah kurz von ihrem Glas weg, so dass ich das sich schnell auflösende Pulver hineinschütten konnte! Nicht alles, nur ein wenig, ich wollte sie ja nicht gleich umbringen. Oder doch, eigentlich wollte ich das schon. Bald würde sich zeigen, wie sie den Alkohol vertrug!, grinste ich fies und wandte mich zu Haytham um.
„Du hast es getan, Alex? Hoffentlich...“ doch mehr konnte er nicht sagen, die Dame in dem giftgrünen Kleid fing haltlos an zu kichern und zu lachen. Sie pöbelte andere Frauen an, welche ein wenig aus der Form geraten waren, sie seien zu fett und sollten sich lieber im Keller verstecken. Der Duke konnte sie nur noch schnappen und bugsierte die um sich schreiende Melody hinaus in den Garten! Was nun mit ihr geschah, wusste ich nicht und interessierte mich auch nicht mehr. „Alex!“ Haytham zog mich ein wenig an den Rand der Gäste. „Sie wird aber nicht daran sterben, oder? Ich hoffe, du hast nur eine kleine Menge genommen. Aber...warum zum Teufel hast du so etwas bei dir?“ er konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich habe es aus Sicherheitsgründen dabei, man weiß nie, welche Dame ich von dir abbringen muss, mi amor.“ hauchte ich ihm ans Ohr, was ihm eine Gänsehaut bescherte. „Deine Strafe wächst an, mi sol, ich freue mich schon darauf!“ seine Stimme war rau und das grau in seinen Augen war wieder fast schwarz!
Nach einer Reihe von weiteren Tänzen, zu denen mich einige Herren aufgefordert hatten, bei denen mein Mann mit den entsprechenden Damen getanzt hatte, war ich dankbar für ein Glas des überaus schmackhaften Prickelwassers. Dieses segnete in einem Zug das zeitliche und das zweite folgte sogleich. Es war warm, immer noch, doch dank dieses schulterfreien Kleides schwitzte ich nicht allzu sehr. Dann hatte ich für einen kurzen Moment meinen Gatten wieder für mich und ließ mich von ihm über die Tanzfläche führen. In seinem Gesicht spiegelte sich Freude, Wohlwollen, Zufriedenheit und Stolz wieder. „Ich liebe dich, Alex! Keine andere Frau könnte dir das Wasser hier reichen!“ in diesem Moment kicherte ich wie ein kleines Schulmädchen, ich hatte immer noch so meine Probleme mit Komplimenten. „Danke, mi amor“ seine grauen Augen hatten diesen warmen Glanz, welcher mir sagte, dass nur WIR beide zählten! Um uns herum wusste ich, dass man sich immer noch fragte, wer ich sei. Doch das war mir egal, sie würden es früher oder später erfahren.
Zu meiner Freude erschienen im Verlauf des Abends auch noch Eheleute Bradshaw und wir gesellten uns für einen Moment zu ihnen. Finley ging es den Umständen entsprechend besser, dank der Pflege seiner Frau und Dr. Andrews. „Mistress Kenway, ihr seht fantastisch aus!“ kam es von meinem Geschäftspartner mit einer tiefen Verbeugung. „Ich danke euch, Master Bradshaw! Ich hoffe, ihr konntet euch bis jetzt ein wenig erholen und wieder zu Kräften kommen.“ fragte ich vorsichtig, weil man noch die blauen Flecken im Gesicht sah. Ab und an verzog er bei einer Bewegung das Gesicht. „Danke der Nachfrage, aber mit meiner Gesundheit geht es stetig bergauf.“ Das freute mich und ehe ich etwas erwidern konnte, stellte man mich einem Ehepaar in der Nähe vor.
„Mr. Antoine André und seine Gattin Mrs. Marie Louis Girardot.“ Der Herr war ein Händler aus der Schweiz, welcher sich vor ein paar Jahren hier in London niedergelassen hatte. Wir kamen schnell überein, dass wir in den folgenden Tagen, bevor wir nach Frankreich reisen würden, der Familie einen Besuch abstatten würden. Der Name ließ mir aber irgendwie keine Ruhe und ich fragte Haytham, ob er mir da auf die Sprünge helfen könne. „Nein, mi sol. Mir sagen die Herrschaften nichts. Aber vielleicht fällt es dir ja auch bei dem nächsten Zusammentreffen wieder ein.“ vermutlich hatte er Recht.
Faith war mit den üblichen Höflichkeiten beschäftigt, was mir ein wenig leid tat, eigentlich war ja Lady Melanie wieder hier und konnte diesen Part übernehmen. Doch es machte den Eindruck, als prüfe sie die Qualitäten ihrer Enkelin als würdige Nachfolgerin. Konnte man das aber nicht auch einfach sagen? Wo wir wieder beim Thema wären. Wer bin ich, das zu hinterfragen? Haytham war mit einigen Ordensbrüdern beschäftigt. Ich ging derweil hinüber zu Mr. Lincon, er war jemand, dessen Thesen für mich auch noch interessant waren. Leider hatte ich nicht mehr daran gedacht, dass er, sobald er im Redefluss war, vergaß wer vor ihm stand. So haute er mir eine Erkenntnis nach der anderen um die Ohren. Die Urechsen und so weiter... ja, das kannte ich doch schon.
Mit einem Seitenblick bemerkte ich meine Schwester, welche sich einen Weg zu mir bahnen wollte. Leider kam sie nicht weit, Mr. Law kam ihr in die Quere, was sie mit einem mehr als genervten Ausdruck quittierte. Ich fragte mich erneut, warum man seine Feinde zu solch einem Ereignis einlud, aber Haytham hatte mich schon versucht aufzuklären. Nicht nur er.... halte deine Feinde in der Nähe... ich gehe nicht näher auf dieses Zitat ein.
Nachdem Faith ihre Pflicht erfüllt hatte, kam sie auf Mr. Lincon und mich zu. Mit den Worten, ob sie mich kurz entführen durfte, führte sie mich von ihm weg und ein Stück aus dem Saal hinaus. „Entschuldige Alex, Master Lincon liebt dieses Thema Urechse über alles, er hat sogar ein ganzes Skelett in seiner Eingangshalle stehen. Ist mehrere Meter groß dieses Tier und die Zähne sind solang“ dabei deutete sie die Größe mit den Händen an. Dinosaurier... hier war es noch völliges Neuland, weswegen ich auch Mr. Lincon einfach zugehört hatte. Für mich war es interessant zu erfahren, was die Menschen DAMALS darüber dachten. Auf meine Frage, woher er dieses Skelett des Dinosauriers hat, kam natürlich die Gegenfrage von ihr. „Also werden diese Tiere Dinosaurier genannt?“ Ich könnte ja noch weiter ausholen, Yannick fand diese Urzeitwesen einfach völlig faszinierend, er hatte einige Bücher darüber bekommen, auch einiges an Spielzeug... „Wie gerne würde ich dort mal hin“ es war mehr geflüstert als gesprochen, doch ich dachte bereits über eine Möglichkeit nach. Aber Haytham mit dem Husten nach nur knapp vier Stunden in meiner Zeit, ernüchterte mich. Sollte ich Faith einfach Bilder schicken... oder ich ließ sie mit meinem Enkel reden... Aber nicht mehr heute Abend, beschloss ich.
Gerade als ich Faith in meine Pläne einweihen wollte, trat ein Diener auf uns zu. „Lady Cormac, ihr mögt bitte zu Lady Melanie kommen. Sie erwartet euch beim Piano.“ Auf dem Gesicht meiner Schwester erschien ein genervter Ausdruck. Ich beruhigte sie mit den Worten, dass ich schon zurecht käme. Im Grunde tat mir meine Schwester aber immer noch leid, weil sie in eine Rolle gedrängt wurde, die ihr nicht schmeckte.
Ich machte mich jetzt auf die Suche nach meinem Mann, welchen ich vertieft in ein Gespräch mit Mr. André und Mr. Bradshaw fand. Langsam ging ich auf die Herren zu. Finley lächelte mich an, als er mich als erster bemerkte. „Mistress Kenway, ihr wollt sicherlich euren Gatten wieder für euch haben. Verzeiht, wir haben ihn schon zu lange in Beschlag genommen.“ kam es lachend von meinem Geschäftspartner. Mein Mann entschuldigte sich bei den beiden, reichte mir seine Hand. Als wir gemeinsam Richtung Faith gingen erklärte ich ihm, worum man sie gebeten hatte. „Lady Melanie hat sie zum Pianospielen verdammt, mi amor. Ich bin gespannt, was sie präsentieren wird.“ sagte ich etwas nachdenklich. Ich hatte noch die Bilder im Kopf, als wir im Fort Arsenal zu Weihnachten waren und sie ihre eigenen Lieder spielte.
Wir näherten uns einer Menschentraube, welche sich um meine Schwester geschart hatte. Vorsichtig bahnten wir uns einen Weg hindurch. Als sie mich sah, lächelte sie, ihre Finger glitten über die Tasten als hätte sie nie etwas anderes getan. Bei den ersten Tönen erkannte ich das Lied wieder! Es war eines, was ich ihr bei unserem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest im Fort Arsenal auf dem Piano dort gezeigt hatte.
https://www.youtube.com/watch?v=DuybXeBgSKU – Lied 1 Two Steps From Hell – Heart of Courage (Piano Version)
https://www.youtube.com/watch?v=KI1CIYwfhcs – Lied 2 Archangel by Two Steps from Hell (Piano)
https://www.youtube.com/watch?v=b4RoxTZwfsY – Lied 3 Assassins Creed Medley (Piano Cover) Ezio´s Family / Black Flag)
In diesem Moment vermisste ich mein altes Zuhause und die moderne Technik mal wieder arg! Doch Haythams Arme um mich zeigten mir, dass ich hier ein neues Zuhause hatte, wo ich gebraucht und geliebt wurde.
Im Anschluss gab es lauten Beifall. Die Damen und Herren lobten Faiths Talent für die Musik. Kurz darauf verschwand meine Schwester, vermutlich um frische Luft zu tanken. Gerade als ich mich umwandte um mir noch ein Glas Champagner zu nehmen, kam Francis auf mich zu. „Alex, ihr seht in diesem Kleid wirklich hinreißend aus. Ich wollte mich noch einmal bedanken, dass ihr meinem Mann geholfen habt. Ich hoffe, wir werden diese Bedrohung nun ein für alle Male besiegen können.“ Zum ersten Mal sah ich sie mit anderen Augen, da sie sich sonst nie bezüglich unserer Arbeit geäußert hatte. „Ihr wisst über uns und unser Tun Bescheid, Francis?“ fragte ich vorsichtig.
„Selbstverständlich! Finley hat mir damals schon bei unserem Kennenlernen alles erzählt. Ihr solltet vielleicht wissen, dass auch ich über Fähigkeiten verfüge, welche ich euch bei Gelegenheit auch zeigen werde, Alex. Und ihr kennt die Göttin an meiner Seite bereits! Sigyn!“ Auf ihrem Gesicht erschien ein sanftes Lächeln, gleichzeitig klappte mir der Mund auf. „Dann ist Master Lestranges Frau demnach Frigg?“ in meinem Kopf explodierte gerade etwas, eine Erkenntnis darüber, dass hier alles irgendwie miteinander verwoben war. „Genau, meine Liebe! Und Master Kenway, eure Mutter hat Fulla tatsächlich inne!“ Nun war es mein Mann, welcher die Frau vor uns mit offenem Mund anstarrte. Ich sah, wie sich ein Gedanke formte, einer, der mir nun auch kam. WER war dann an Edwards Seite die ganze Zeit?
Natürlich hatte Francis es gesehen! „Euer Vater ist der Wächter von Bifröst, der Brücke zwischen Midgard und Asgard! Deshalb ist es ihm durch seine Weisheit möglich, zu euch zu sprechen und das schon vor uns allen!“ in ihrer Stimme klang eine große Ehrfurcht mit. Doch leider kamen wir nicht dazu das näher zu erläutern, da plötzlich in meinem Kopf Faiths Stimme dröhnte! „Alex bring sofort meinen Vater nach oben und Dr. Wilson!“ Ich sah sie über Maggie gebeugt stehen in ihrem Salon im oberen Geschoss. „Entschuldigt....“ doch Francis trieb mich bereits zur Eile an.
Mit Haytham im Schlepptau machte ich mich auf die Suche nach dem Arzt und Lucius. Beide fanden wir in ein Gespräch mit Mr. Lincon vertieft. „Master Williams, da seid ihr ja. Ihr müsst schnell mitkommen. Etwas ist mit Maggie passiert und ihr, Dr. Wilson, sollt auch mitkommen!“ meine Stimme klang schrill, aber ich war zu aufgeregt um mich zu beruhigen! In Windeseile eilten wir die Stufen hinauf, wo wir im Salon bereits erwartet wurden. Faith wies mich noch an, Lady Melanie zu suchen, um ihr zu sagen, was hier noch benötigt wurde. Anscheinend hatte man versucht Maggie und das Baby in ihrem Bauch umzubringen. Wer tut bitte so etwas? Lucius tat mir unendlich leid, doch ich konnte in diesem Moment nicht wirklich helfen. Also rannte ich wieder hinunter und suchte nun Faiths Großmutter.
Diese fand ich umringt von einigen Damen und der Königin im Wintergarten. Im Grunde bellte ich ihr lediglich was Faith oben benötigte entgegen. „Was ist denn passiert?“ fragte sie aufgebracht, delegierte aber bereits die Diener, welche sich sofort in Bewegung setzten. „Jemand hat versucht Maggie umzubringen!“ sprach ich über meine Schulter hinweg, während ich schon wieder die Treppe hinauf eilte. Sogar die Königin machte sich mit auf den Weg, dazu noch einige Schaulustige! Das wird ja wieder einen tollen Tratsch abgeben!, dachte ich im Stillen. Als wir in den Salon traten nahm ich diesen widerlichen Geruch von Chloroform wahr. Gerade als ich eines der Fenster zur Vorsicht öffnen wollte, sah ich, dass schon jemand mitgedacht hatte.
Das Kindermädchen lag tief schlafend bereits auf dem Tisch. Meine Nackenhaare kräuselten sich schlagartig, weil ich ahnte, was Faith vorhatte. Sie wollte einen Kaiserschnitt versuchen! Ich muss zugeben, es war mutig, da einfach zu viel schief gehen konnte. Dieses Risiko ging Lucius aber ein, weil er seine Gefährtin retten wollte. Es dauerte nicht lange, da deckte Dr. Dixon eine Schale ab. Ich wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Darin lag dieses kleine unschuldige Wesen, welches wegen eines perversen gestörten Menschen nicht überleben durfte! Meine Schwester im Geiste verlor gerade ihr Geschwisterchen und ich mochte mir nicht vorstellen, wie es gerade in ihr aussah!
Kurz darauf hörten wir erleichterte Ausrufe. Faith driftete langsam wieder ins Hier und Jetzt. Sie wurde beglückwünscht und die Herren Doktoren unterhielten sich angeregt über die gelungene OP. Ja, Ärzte waren mitunter seltsame Wesen, bei denen man leicht den Eindruck bekam, sie seien empathilos.
Jetzt fing Faith an zu berichten, was sie vorher gesehen hatte. Es war eine Frau namens Elinor, welche hier wohl in den Schränken gestöbert hatte, dabei wurde sie aber von Maggie überrascht. Um diesen Einbruch zu vertuschen, stach sie mit einer langen Nadel in den Bauch des Kindermädchens, in der Hoffnung sie damit umzubringen! Besagte Mörderin war Assassine und anscheinend schon länger ein Dorn im Auge des britischen Ritus. Meine Schwester hatte sich jedoch so in Rage geredet, dass die Zeichen wieder auf ihrer Haut erschienen. Bevor es noch eskalierte, ermahnte ich sie zur Ruhe. Lucius schwor Rache für diese Tat und verschwand wütend aus dem Raum. Ich machte vorsichtig den Vorschlag, dass Shay und Faith sich jetzt lieber umziehen und waschen sollten, da die Kleidung voller Blut war. Wir würden solange auf die Patientin aufpassen! Bevor die beiden aber gingen sagte Faith noch „Danke ihr beiden, aber Haytham könntest du vielleicht herausfinden was Elinor hier gemacht hat. Dein Sinn ist besser als der von Shay und mir.“
Als wir nun alleine hier standen, sah sich Haytham um, aber ich spürte, dass er Probleme hatte sich zu konzentrieren. „Was ist los, mi amor?“ wollte ich wissen. „Es ist... als ich sah, was meine kleine Schwester gemacht hat und … dieser kleine Mensch in ihren Händen... Alex, das ist doch alles Wahnsinn.“ seine Stimme war leise. Er schien tatsächlich nicht verstehen zu können, wie es möglich war, ein Kind so auf die Welt zu holen. Ich holte tief Luft um ihm im Groben zu erklären, wie so ein Kaiserschnitt von statten ging. Seine Augen weiteten sich immer mehr, gerade auch, als ich auf die weibliche Anatomie zu sprechen kam. „Wie? Aber wie soll man danach... verheilt es auch wieder richtig?“ Ich versuchte mein bestes ihm alles zu erläutern. „Es dauert halt mit dem Heilungsprozess und schwer heben darf man in der ersten Zeit auch nicht. Ich hoffe inständig, dass man Maggie genügend Zeit zur Erholung gibt.“
Etwas beruhigter ließ mein Mann nun seinen Blick durch den Raum gleiten. „Diese Frau hat tatsächlich die Schränke inspiziert, aber soweit ich sehe, ist sie wohl nicht fündig geworden. Wonach sie genau gesucht hat, entzieht sich meiner Kenntnis.“ Ich selber mochte jetzt auch nicht hier die Regale und Schränke durchforsten, vielleicht können Faith und Lucius uns ja sagen, was sich hier alles befindet. Haytham steuerte auf den Gang vor dem Salon zu und schaute nach rechts. „Sie ist dann hier hinaus und ist die andere Treppe hinuntergeeilt. Kein Wunder, dass niemand dieses Frauenzimmer bemerkt hat. Jack stand auf der anderen Seite und sie war leise, Assassine halt!“ kam es frustriert aus seinem Mund.
Kurz darauf erschienen auch wieder Shay und Faith hier. Meine Schwester warf einen kurzen Blick auf Maggie. Einen der Diener bat sie vorerst hier zu bleiben. Gemeinsam gingen wir nun hinunter zur Eingangshalle, welche jetzt völlig verlassen war. Die Uhr schlug und ich sah mit Schrecken, dass es bereits halb vier war. „Ich denke ihr wollt jetzt gehen, euer Sohn vermisst euch bestimmt!“ Ja, der kleine Wecker würde in spätestens zwei Stunden wieder anspringen! Gerade als ich ihr noch einmal versichern wollte, dass wir für sie da sind, umarmte sie mich stürmisch mit den Worten, sie wisse, dass sie nicht alleine ist. Auch unsere Männer kamen hinzu. Zu viert standen wir für einen Moment hier in einer innigen Umarmung, welche für alle Beteiligten mehr als tröstlich war. Dann verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Heimweg. In den nächsten Tagen würden wir uns mit allen noch einmal an einen Tisch setzen um weiter zu beraten.
Mit Schrecken fiel mir auch wieder Eugene ein! Auch auf ihn mussten wir weiterhin achten und ein Auge haben. Doch für heute reichte es mir. Unsere Wachen waren ebenso dankbar, dass sie ihren wohlverdienten Schlaf bekamen! Bei der Villa angekommen, sah ich mich ängstlich um, ich hatte ein kribbeln im Nacken. Es war unheimlich, da es langsam hell wurde, aber alles noch sehr unwirklich wirkte. „Was für eine Nacht!“ seufzte ich laut während Haytham mich zur Eingangstür führte. Leise schlossen wir auf und gingen auch gleich in unser Zimmer. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich das blaue Kleid noch trug. Aber um es auszuziehen brauchte ich wirklich Hilfe. Bevor ich jedoch Magda rufen konnte, begann mein Mann mir zu helfen. „Lass mich das ruhig machen. Ich habe ja schon Übung darin.“
In ein dünnes Nachthemd gehüllt legte ich mich, nachdem ich noch nach Edward geschaut hatte, in unser weiches Bett, welches förmlich nach mir rief. „Ich kann es noch nicht fassen, was heute alles passiert ist. Mir schwirrt alleine der Kopf noch von den ganzen Göttern und diese Zusammenhänge. Und diese Elinor gehört geteert, gefedert und gevierteilt, wenn du mich fragst!“ sprach ich wütend. „Aber was kann so wichtig gewesen sein, dass sie ihren Raub so versuchte zu vertuschen? Da muss doch noch mehr dahinter stecken.“ Auch Haytham kam nicht richtig zur Ruhe, weil er darüber grübelte.
Mir kam wieder der Gedanke an die Vergiftung von Master Pritchards Frau! „Was, wenn diese Assassinen wirklich hinter diesen Giftanschlägen stecken?“ in Haythams Gesicht sah ich Erkenntnis. „Damals in New York gab es ebenfalls solche Anschläge. Dort hat Shay die Banden entsprechend aufgemischt und konnte die Reserven vernichten. Zu dem Zeitpunkt hatte Franklin auch seine Finger im Spiel, aber eher unwissend. Weswegen wir ihn nicht weiter behelligt haben! Aber da er gerade jetzt hier ist, hoffe ich, dass man auf seine Unterstützung bauen kann. Ich vermute einfach mal, dass Faith auch schon auf die Idee gekommen ist, ihn um Rat zu fragen!“
Für heute jedoch konnten wir nichts mehr ausrichten und ich schlang mich um meinen Mann. Langsam fielen mir die Augen zu …
Edward James Kenway – Heimdall / Gjallarhorn (Das Horn, mit welchem Ragnarök angekündigt wird!) Heimdall
Tessa Kenway – Fulla / Schmuckkästchen der Göttermutter Frigg Fulla
Elias Lestrange – Odin / Speer und Schwert - Odins Thron befähigt ihn, alle 9 Welten zu sehen, weswegen Elias in seinem Studierzimmer einen reichverzierten Stuhl hat. Dieser begleitet ihn auf jeder Reise! Odin
Mistress Lestrange – Frigg (Odins Gemahlin!) / Spinnrad (sie soll laut Überlieferung, die Wolken gewoben haben!) Frigg gehört zum Götter-Geschlecht der Asen. Sie ist die Gemahlin des Göttervaters Odin und Mutter des Lichtgottes Balder, des blinden Gottes Högur, von Hermor und Bragi, Gott der Dichtkunst und auch die Mutter der Walküren.
Frigg ist die Göttin des Hausstandes, der Sippe und der Familie. Sie ist Hüterin und Bewahrerin der göttlichen Ordnung, greift jedoch nicht, wie ihr Gatte Odin, in das irdische Geschehen ein. Frigg
Finley Bradshaw – Loki / Ring der die Midgardschlange darstellt Loki
Francis Bradshaw – Sigyn (Lokis Ehefrau) / eine goldene Schale, mit welcher sie das Schlangengift auffing, damit ihr Mann nicht leiden musste! Sie ist das Sinnbild der ehelichen Treue! Sigyn
Artem Alexeeva – Ymir / ~kein Schmuck~ Ein Riese, welcher als das erste Lebewesen gilt in der nordischen Mythologie. Später wird er von Odin und seinen Brüdern zerrissen! Und aus seinem Körper entsteht die Welt! Ymir
Faith Cormac – Freya Freya
… es dauerte nicht lange, da hörte ich schon ein lautes Weinen von unserem Sohn. Als ich mich aufrichtete, sah ich, wie er in seinem Bett stand und sich an das Gitter klammerte. Frustriert, dass er noch nicht darüber klettern konnte, kullerten Edward die Tränen über die Wangen. „Schätzchen, nicht mehr lange, dann läufst du uns wahrscheinlich davon. Aber komm, es ist noch früh!“ flüsterte ich. Für eine Weile war unser Sohn dann noch ruhig zwischen uns, bis jedoch bei ihm die Langeweile aufkam und er anfing, auf seinen Vater zu klettern.
„Guten morgen, mein Sohn. Wie ich sehe bist du putzmunter.“ kam es gähnend von Haytham und er nahm den Kleinen in die Arme. „Nini... daaaaa!“ Wir bezweifelten beide, dass Jennifer schon aufgestanden war, also musste Edward mit uns Vorlieb nehmen. Doch es klopfte schon und als er die Stimme seines Kindermädchens hörte huschte ein Strahlen über sein Gesicht. Sybill erschien im Zimmer. „Master Edward, dann wollen wir euch fertig machen und nach dem Frühstück gehen wir mit eurer Tante zu einer Freundin!“ ich nickte ihr dankbar zu, als die beiden hinaus gingen.
Ich drehte mich in meine Decke und wollte gerade die Augen wieder schließen, als ich warme neugierige Finger über meinen Körper wandern fühlte. „Haytham... ich bin müde... das ist unfair...“ maulte ich meinen Mann an. „Ist mir bewusst...“ kam es nur leise und er machte unbeirrt in seinem Tun weiter. Etwas später lag ich mit einem dümmlichen Grinsen an seiner Seite, konnte aber noch ein wenig schlafen. „Danke, mi amor!“ hauchte ich, bevor ich wieder im Land der Träume war.
Gegen zehn wurden wir aber von einem Diener geweckt, welcher eine Nachricht von Master Bradshaw für uns hatte. Man lud uns für den Nachmittag ein, um den gestrigen Abend mit dem kurzen Gespräch mit Francis weiterzuführen. „Mistress Kenway, ich weiß, ihr habt viele Fragen und es scheint an der Zeit zu sein, euch weiter aufzuklären!“ stand dort in der weiteren Ausführung. „Und bitte, bringt ruhig euren Sohn mit, unsere Enkeltöchter sind noch bei uns und würden sich freuen Master Edward wiederzusehen!“ also schön. „Dann sollten wir aufstehen, mi amor.“ dabei drehte ich mich zu Haytham, welcher noch mit geschlossenen Augen neben mir lag. „Unser Sohn scheint ja schon ein richtiger Frauenschwarm zu sein, wenn die Mädchen sich darüber freuen, ihn wiederzusehen.“ gluckste er leise. „Das muss er eindeutig von seinem Vater haben!“ kicherte ich, weil ich dieses Bild von den Mädchen im Kopf hatte, wie sie unseren Schatz anstrahlten.
Als Magda nun versuchte meine Haare zu ordnen, sah sie mich kopfschüttelnd im Spiegel an. „Mistress Kenway, warum habt ihr mich gestern nicht mehr gerufen? Es ist ja sogar noch Haarschmuck darin!“ Ich erklärte ihr, WANN wir wieder daheim waren und dass ich sie einfach nicht mehr wecken wollte. „Aber dafür bin ich doch da.“ kam es etwas beleidigt von ihr und es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis keine Knoten, kein Schmuck oder sonstiges mehr in meinen Haaren versteckt war.
Auf der Terrasse wartete Kaffee und ein kleines Frühstück auf uns. Wir kamen noch einmal auf das Thema, welcher Gott wem zur Seite stand und Haytham konnte es immer noch nicht fassen, dass seine Eltern tatsächlich involviert waren. „Hat mein Vater dir nie etwas erzählt?“ Für einen Moment dachte ich über die Zeit noch einmal nach, kam aber zu dem Schluss, dass mein Pirat mir nichts dergleichen berichtet hat. „Seit wann ist meine Familie denn schon involviert? Und Jenny scheint ja auch nichts gewusst zu haben. Das ergibt doch alles keinen Sinn.“ grübelte er vor sich hin und schüttelte resigniert den Kopf.
Edwards Mittagsschlaf warteten wir noch ab. Im Anschluss machten wir uns mit den Wachen auf den Weg. Mrs. Wallace berichtete uns auf dem Weg, wie der Vormittag verlaufen war. „Master Edward hat heute gelernt, dass auch er nicht alles haben darf, was er sieht.“ Er hatte sich ein Stofftier von der Tochter der Gastgeberin genommen, welche das aber nicht gut fand und als sie ihm ihr Spielzeug wegnahm, begann unser Nachwuchs an zu zetern. Nun begann wohl doch so langsam das Lernen, vor allem das verstehen lernen, dass man auch teilen muss. Ich hoffte, dass es bei den Bradshaws etwas friedlicher ablaufen würde, da wir einfach ein wenig Ruhe für das Gespräch bräuchten.
Dort angekommen wurden wir gleich in den Garten gebracht, wo die Familie schon auf uns wartete. Wie angenommen belagerten die drei Enkelinnen sofort Edward und somit konnten wir uns setzen. Ohne groß drumherum zu reden, begann Finley zu sprechen. „Die letzte Nacht war für alle Beteiligten Nerven aufreibend, vermute ich einmal. Dieser feige Anschlag auf das Kindermädchen der Cormacs... einfach ungeheuerlich. Ich hoffe, man kann es alsbald aufklären!“ Master Bradshaw war sichtlich wütend. Wusste er schon, dass diese Elinor Assassine war? Und wenn ja, zu welcher Bruderschaft sie gehörte? „Man weiß, WER es getan hat?“ kam es erstaunt von Francis. Die Gedanken... ich hatte sie nicht abgeschottet.
„Ja, die Familie weiß schon WER es war. Man wird diese Frau natürlich jetzt entsprechend suchen und dann Gnade ihr ... Verzeihung...“ nuschelte ich verlegen, aber wir hörten ihn alle. „Nein, mein Kind. Du hast Recht, nur leider liegt es nicht in meiner Macht, die einzelnen Bünde zu kontrollieren! Dafür seid ihr, Haytham, unter anderem auserkoren worden!“ Mein Mann sah etwas verwundert aus. „Wir werden alles tun, um Widersachern unserer Philosophie gegenüber entgegenzuwirken. Doch in diesem Falle ist es auch eine sehr persönliche Angelegenheit und ich denke, ich weiß WER sich darum explizit kümmern wird. Auch wenn Rache nicht zu den Ordensregeln gehört!“ Haytham selber war es, der damals genau diese Regel gebrochen hatte als er Reginald seinem Schöpfer übergab! „Ihr beide werdet aber eine Grundlage für ein friedliches Miteinander schaffen! Davon bin ich überzeugt!“ Eigentlich ist es eine Lebensaufgabe und wieder einmal hoffte ich, dass wir dem gerecht werden konnten!
„Mistress Kenway, niemand erwartet Veränderungen von jetzt auf gleich. Wir werden euch aber so gut wir können unterstützen, da uns ebenso daran gelegen ist, diesen Krieg zwischen Assassinen und Templern zu beenden. Auch wenn es immer wieder diese Gegner gibt, die Leugner einer solchen Übereinkunft! Wir sollten an diesem Gedanken, eine Einigung erzielen zu können, festhalten!“ kam es voller Inbrunst von Francis. „Ihr habt ja Recht, nun wären wir aber bei dem Punkt angelangt, welcher einer Aufklärung für mich und meinen Mann bedarf.“ sprach ich etwas vorsichtig, ich wollte nicht unhöflich wirken.
„Ich sehe es euch an.“ lächelte Finley, straffte sich und holte tief Luft. „Master Kenway, euer Vater ist und war seit jeher der Wächter von Bifröst. Er selber hat es lange Zeit nicht gewusst, auch wir, mein Blutsbruder und meine Frau, waren nicht im Bilde. Edward entpuppte sich erst als Heimdall, als er sich bereits hier in London niedergelassen hatte. Es hat einige Monate gedauert, ihn zu überzeugen, ihn in die Geheimnisse und seine Fähigkeiten einzuweihen. Wir hätten nie damit gerechnet, dass er euch später in seiner menschlichen Gestalt erscheinen könnte.“ sprach Loki anerkennend.
Francis ergriff nun das Wort. „Wir konnten seinen Tod ebenfalls nicht verhindern, was uns allen wieder einmal zeigte, dass das Eingreifen in irdische Belange nicht immer gern gesehen wird. Aber Edward fand einen Weg, wie er weiterhin kommunizieren konnte und sein Werk fortsetzen kann. Und jetzt seid ihr hier, Mistress Kenway! Der erste Armreif war keineswegs ein Zufall, er war so platziert worden, dass ihr ihn finden musstet. Und den Rest wisst ihr ja selber. Ein wenig haben wir euch die Suche erleichtert, leider war es uns nicht in allen Bereichen möglich, wie ihr wisst.“ ihre Stimme klang melodisch und ich erkannte sie plötzlich wieder. In der Halle hatte ich sie, wenn auch sehr leise, vernommen!
„Ihr wart auch dort, Francis?“ fragte ich jetzt eigentlich völlig unnötig. „Ja, ich wollte mich davon überzeugen, dass wir das Richtige getan und euch erwählt haben.“ ich sah die beiden an, dann meinen Mann, welcher bis jetzt noch nicht viel gesprochen hatte. In seinem Kopf schienen die Gedanken zu rasen, ich konnte ihnen nicht folgen und ich vermutete, er wollte es auch nicht. „Ihr seht nun, ihr seid nicht alleine, nie! Odin hat alles daran gesetzt, überall jemanden für euch zu haben, der euch zur Not beistehen kann. Ich sollte vielleicht noch erklären, dass ich die körperliche Form meine. Im Geiste sind wir im Grunde jederzeit um euch herum und achten unter anderem auf eure Kinder!“
Sobald wir in Frankreich seien, würden uns Bragi und Idun zur Seite stehen! Dann war der Kontakt dort nicht zufällig ausgewählt worden von Elias! Mme Jomphe würde uns dort mit ihrem Gatten zusammen in Empfang nehmen und uns das weitere Vorgehen erklären! Ihr Artefakt hatten wir ja bereits bergen können und im Tempel einsetzen können. Auch wenn ich den richtigen Apfel erst jetzt hier gefunden hatte. In der Zukunft hatte Yannick ihn ja bereits durch meine gesicherte Truhe erhalten! Diese Erkenntnis war mir vor ein paar Tagen erst gekommen! „Wir gehen davon aus, dass ihr auf dem Festland noch sehr viel mehr zu erledigen haben werdet. Jedoch solltet ihr beizeiten die Heimreise nach Amerika antreten, Mistress Kenway, Master Kenway, und diese Aufgabe etwas verschieben! Die Plantage kann ja nicht nur vom Verwalter geführt werden und... eure anderen Geschäfte müssen überwacht werden.“ jetzt erschien ein breites Grinsen auf Finleys Gesicht und ich konnte ihn lesen. Er ging in Gedanken die Schmuggelgeschäfte durch! „Wir hatten geplant, Ende September spätestens, wieder zurück zu segeln. Wenn ich ehrlich sein darf, vermisse ich Virginia bereits.“ Und ich sollte so langsam an das Gespräch mit Achilles denken, ich musste mich darum auch noch dringend kümmern. „Auch deswegen werdet ihr zwischenzeitlich eine Weile in Amerika gebraucht! Ich gehe aber davon aus, dass unsere Leute euch hier und auch auf dem Festland dann würdig vertreten werden!“ meinte unser Gastgeber zuversichtlich.
Aber eine Sache brannte mir unter den Fingernägeln, wir mussten Eugene zur Strecke bringen! „Master Bradshaw, eines noch. Es geht um Eugene Avdeyev, einer von der russischen Delegation der Assassinen. Ist euch eventuell schon etwas zu Ohren gekommen, bezüglich seines Erscheinens hier?“ Die Eheleute schüttelten beide den Kopf. „Nein, sollte er in der Nähe sein, dann würden wir ihn sicherlich auch aufspüren können. Elias berichtete mir von einem Vorfall bei euch, wo dieser Herr anscheinend versuchte, euch zu manipulieren. Und um eure Frage vorweg zu nehmen! Nein, ich weiß nicht mit Sicherheit, wer ihm zur Seite steht, es ist, als würde alles um ihn herum in einem Nebel liegen! Wir können nur hoffen, dass er sich bald zeigen wird und wir endlich einen Schlussstrich unter seine Person ziehen können.“ ich spürte, er sprach auf meine Entführung und Vergewaltigung an, was ihm mehr als unangenehm war.
„Das hoffe ich auch.“ sagte ich nur leise und nippte an meinem Tee. Die Meuchelmörder aus meiner Zeit hatten sich also mit ihm in Verbindung gesetzt und das einfach nur, weil Boris Kusnezow solche Lügen verbreitet hatte. Ich seufzte tief und hoffte, dass wir bald nach Frankreich aufbrechen konnten, ohne von weiteren fehlgeleiteten Assassinen behelligt zu werden. „Das wäre auch unser Wunsch, Mistress Kenway. Aber es gibt noch ein weiteres Anliegen, weswegen wir euch hergebeten haben. Ihr habt eine Liste mit Artefakten bekommen, welche ihr suchen sollt. Ist das richtig?“ fragte nun Francis und sah mich lächelnd an. „Ja, es sind zwei voll beschriebene Seiten und teilweise sehr hanebüchene Dinge, die wir aufstöbern sollen.“ Darunter war auch ein Rasiermesser, welches einem Feldherren gehörte, oder ein Nachttopf!
„Ich werde euch vor eurer Abreise den Gegenstand anvertrauen, welcher für mich und meine Treue zu meinem Mann steht.“ in ihre Augen trat ein goldenes Leuchten und ich sah diese Frau, wie sie über dem Kopf ihres gefesselten Gatten Loki eine goldene Schale hielt. Diese fing immer wieder Tropfen auf, welche aus dem Maul einer Schlange traten. War das die Midgardschlange? „Ja, eine grausame Tortur, wenn ihr mich fragt.“ hörte ich sie wieder leise sprechen und die Bilder verschwanden aus meinem Kopf. „Mistress Bradshaw, das war eine Strafe, nehme ich an? Trotzdem ist es wirklich grausam.“ mein Mann schüttelte sich, um diese Bilder ebenfalls loszuwerden.
„Wir sind aber ja jetzt hier und können nun die Menschen weiter beschützen und ihnen zur Seite stehen.“ kam es deutlich fröhlicher von Loki, als er vermutlich war. „David, bitte bringt den Champagner.“ unser Gastgeber fragte gar nicht, sondern hatte beschlossen, dass Ganze nun zu besiegeln. Gerade als man uns die Gläser reichte, ertönte ein spitzer Schrei aus Richtung der Kinder! Es war die kleine Tamara, welche laut weinte, ihren Arm umklammerte und zu ihrer Großmutter eilen wollte. Sie kam aber nicht weit und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, drehte sich langsam in Richtung unseres Sohnes. Mein Blick folgte ihrem und ich sah seine Augen leuchten, seine Haut war übersät mit den Zeichen und er sprach leise mit dem kleinen Mädchen.
Langsam stand ich auf und ging auf die beiden zu, es schien, als würde die Zeit gerade in Zeitlupe ablaufen. Ich ging neben den Kindern auf die Knie und hob Edward auf meinen Schoß. Als ich seine Haut berührte, hörte ich seine Stimme. „Es ist nichts schlimmes. Da hat dich etwas gestochen, aber ich helfe dir.“ seine kleine Hand berührte Tamaras Arm, ganz sachte strich er darüber hinweg und sie sah gebannt in die goldenen Augen Edwards. Wie aus dem nichts, als hätte man die Abspieltaste wieder gedrückt, verlief alles normal weiter. Mein Sohn saß auf meinem Schoß und freute sich, dass ich ihn im Arm hielt, dabei strahlte er das kleine Mädchen vor sich an. Tamara hingegen starrte von ihrer Blessur zu Edward und dann zu ihrer Großmutter.
„Schätzchen, es war nur eine Wespe. Aber dank unseres Gastes wird es nicht mehr wehtun. Bedanke dich bitte!“ sprach Francis ihre Enkelin an. „Großmutter, aber das kann doch sonst nur Mutter Idun!“ hörte ich sie fast tonlos und staunend reden. Haytham war neben uns getreten um seinen Sohn hochzuheben. „Edward, das war unglaublich...“ in seiner Stimme klang Stolz und große Ungläubigkeit mit. „Master Kenway, euer Sohn besitzt mehr Fähigkeiten, als ihr denkt. Auch wenn er noch keinen unserer Brüder oder Schwestern inne hat. Sein Können ist ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, mit in die Wiege gelegt worden. Es ist eure Aufgabe, ihn weiter daran zuführen und ihn anzuleiten. Mutter Idun hat gerade bewiesen, dass sie schon ein großes Stück weiter gekommen ist mit ihren Lehren.“ Auch Finleys Gesichtsausdruck war fasziniert und freudig.
Unser Sohn lernte tatsächlich über Nacht und tagsüber stand ihm immer jemand bei um zu üben! Mir liefen die Tränen vor Stolz und Freude über die Wangen und ich gab meinem kleinen Schatz einen dicken Kuss! „Ich hab dich wahnsinnig lieb, Edward!“ schniefte ich. Die Kinder wurden jetzt mit Kuchen und Plätzchen auf den Schrecken versorgt und Mrs. Wallace bekam ein Glas von dem Champagner. „Mistress Kenway, das wird immer fantastischer mit Master Edward. Dann habe ich mir vorhin seine Worte auch nicht eingebildet, als er sagte, meinem Knie ginge es bald wieder besser...“ auch ihre Worte waren fast tonlos gesprochen! Unser Sohn kommunizierte über die Gedanken. Aber ich freute mich darauf, wenn er auch richtig mit uns sprechen konnte!
Nach dem überraschenden Abendessen, zu welchem uns die Bradshaws noch eingeladen hatten, machten wir uns mit einem völlig erschöpften Edward Junior auf den Weg nach Hause. Ich hatte mit Finley noch kurz einige Lieferungen besprochen, welche wir jetzt zusätzlich für die Niederlande noch mit hinüber nehmen sollten aufs Festland.
Beim Anwesen angekommen, brachte ich mit Haytham dieses mal unseren Sohn gemeinsam zu Bett. Wieder ging mir durch den Kopf, dass wir eine seltsame Familie abgeben. „Mi sol, wir sind wirklich sehr speziell. Aber ich bin heute unglaublich stolz auf Edward. Seine Fortschritte und der Wachstum sind fantastisch, in dieser kurzen Zeit.“ Seine Arme schlangen sich um mich und wir beide sahen auf diesen kleinen schlummernden Menschen, welchem man das auf den ersten Blick gar nicht ansah.
Auch diese Nacht war etwas zu kurz. Ich musste mich arg zusammenreißen um nicht aus der Haut zu fahren. Gegen sechs Uhr fing Edward an wie am Spieß zu brüllen und wir waren alle wach, Mrs. Wallace, Jennifer und vermutlich die gesamte Nachbarschaft mit eingeschlossen! Ich konnte unseren Sohn kaum beruhigen, auch Haytham tat sein Bestes, doch es war, als würde er Schmerzen haben. „Schätzchen, tut dir etwas weh? Was ist denn los? Hast du schlecht geträumt?“ redete ich auf ihn ein, doch er schrie weiter, dabei begannen seine Augen zu leuchten. Irgendetwas machte Edward wahnsinnige Angst, doch wir sahen nichts, auch redete unser Sohn nicht mit uns. Wie aus heiterem Himmel hörte er auf zu weinen, schniefte nur noch und schlief völlig unerwartet einfach auf meinem Arm ein.
Verdutzt sah ich in die Runde, aber alle Anwesenden wussten sich auch keinen Rat. „Ich nehme ihn mit zu uns, mi amor. Wer weiß was Edward hat.“ Ich fühlte seine Stirn, sah auf seiner Haut nach irgendwelchen Stichen oder Wunden oder ähnlichem nach... Bei Odin ja, ich bin Mutter, ich musste mich vergewissern, dass es nichts schlimmeres ist. „Aber wenn etwas ist, dann rufen wir sofort Dr. Crawford, Alex! Sag einfach Bescheid!“ sagte Jenny und ging leise mit einer verunsicherten Sybill wieder hinaus. Ich legte Edward zwischen uns, so dass uns Haytham zudecken konnte. „Alex, was war das auf einmal? So etwas kam noch nie vor...“ grübelte er laut vor sich hin. „Ich weiß auch nicht, es ist unheimlich. Vielleicht ein Albtraum? Leider hat Edward nichts gesagt...“ ich kuschelte mich an meine Männer und hoffte, wir könnten noch etwas Schlaf finden.
Als es bereits hell war, erschien Sybill. Zögerlich fragte sie, ob alles mit Master Edward in Ordnung sei. „Blessuren hat er nicht und Fieber kann ich auch keines spüren. Mrs. Wallace, es wird nur ein schlimmer Traum gewesen sein.“ sprach ich wie zu mir selber als Beruhigung. Auch unser Sohn machte nicht den Eindruck als sei er krank. Im Gegenteil, er brabbelte wieder vor sich hin, freute sich über sein Kindermädchen und ließ sich ohne Murren einkleiden. Das Ganze nimmt immer seltsamere Züge an!, dachte ich bei mir. Stumm nickend, stimmte mir Haytham zu.
Wir gingen hinunter, nachdem ich auch noch einmal meiner Kammerzofe versichert habe, dass unserem Sprössling nichts fehlen würde. Wir saßen noch nicht ganz, da hörten wir nur ein erzürntes „Ihr könnt doch nicht einfach so...“ von einem der Diener und in der Tür erschien ein gehetzter Bote. „Master Kenway... Mistress Kenway... es ist... er ist hier... in der Stadt...“ völlig außer Atem stand er nun dort und sah von einem zum anderen. „Ihr meint Avdeyev? Wann ist er angekommen?“ Haytham war sofort in seine Templerart gefallen und in Alarmbereitschaft, genau wie ich auch. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich zitterte am ganzen Körper! „Er ist im Morgengrauen plötzlich aufgetaucht, wir wissen alle nicht, WOHER er kam. Sein Schiff tauchte wie aus einem Nebel auf der Themse auf und die Leute dachten schon, es sei ein Geisterschiff!“ Womit sie ja nicht ganz unrecht hatten!
Mit Entsetzen musste ich mir eingestehen, dass Eugene irgendeine Macht inne hatte, die ihm solche Reisen ermöglichte. Auch er schien einen Gott, oder Isu, an seiner Seite zu haben. Vielleicht besaß er aber auch nur dieselbe Fähigkeit wie ich? „Das ist unmöglich...“ eine Pause trat ein. Als mein Allvater weitersprach, wurde mir bewusst, dass noch mehr hinter unseren Fähigkeiten steckte, als man mir bisher preisgegeben hatte. „Er kann es nicht sein! Loki und Sigyn hätten ihn ebenfalls bereits gespürt! Anscheinend ist unser Widersacher aus der Versenkung auferstanden. Genau wie Ymir... Wir müssen dem nachgehen, bevor noch schlimmeres wieder in der Welt erscheint!“ In diesem Moment begann ich mir wieder Vorwürfe zu machen, dass ich im Grunde das Ganze in Gang gesetzt habe mit den Zeitreisen... „Nein, es war unser Wille, dass DU diejenige sein sollst, die unser Gleichgewicht stützen wird!“
Eine wirkliche Erklärung war das aber wieder einmal nicht und ich seufzte schwer. „Dann sollten wir uns auf den Weg machen. Hoffentlich können wir ihm Einhalt gebieten und hat ER auch einen Namen?“ Haytham war schon hinauf ins Studierzimmer gegangen, um mein Buch über die nordischen Götter zu holen. „Es ist Hrymr und sein Schiff ist die Naglfar, ein Totenschiff! Kind, er darf nicht weiter existieren und die Welten bereisen...“ WELTEN? Mit Schrecken musste ich an die parallel Welt von Marie denken. „Genau DAS ist eine seiner Fähigkeiten!“ mehr sagte Elias nicht, doch es reichte um mich in Panik zu versetzen. „Dann würde es reichen, wenn wir sein Schiff zerstören?“ zumindest wäre das eine logische Schlussfolgerung.
„Nein, auch Hrymr muss besiegt werden, AUF seinem Schiff und er muss mit ihr untergehen!“ Mein Mann erschien wieder, aber ich brauchte nichts zu erklären. Ich musste mich noch daran gewöhnen, dass wir beide verbunden waren mit Odin. „Und wie bitte soll ich ein Schiff, welches eigentlich ein Mythos ist, zerstören?“ fragte ich in meiner doch recht praktischen Art nach. Die Jackdaw war ja auch eher ein Relikt, trotzdem war sie eine völlig normale Brig ohne irgendwelchen magischem Schnickschnack. „Wage es nicht unsere Kräfte und Artefakte als magischen Unsinn hinzustellen!“ kam es erzürnt von meinem Göttervater, was mir eine leise Entschuldigung über die Lippen brachte.
Plötzlich nahm ich neben mir das Weinen unseres Sohnes wieder wahr. „Daaaaaaaa...“ seine Hand deutete ins Leere, während in seinem Gesicht die Angst vor etwas trat. Oh nein, Edward hatte vorhin bereits die Anwesenheit dieses Gottes gespürt? Warum aber sprach er jetzt nicht? „Euer Sohn muss noch lernen, Sprache, Angst und das Weltgeschehen zu vereinen! Edward ist zu aufgebracht um euch in seine Gedanken zu lassen!“ In meiner eigenen Panik alarmierte ich alle hier stationierten Wachen und befahl ihnen, sich im Kellergeschoss zu verbarrikadieren, während wir uns auf den Weg zur Themse machten. „Mistress Kenway, sollten euch nicht wenigstens noch zwei Leute begleiten?“ Da hatte der Herr nicht ganz unrecht! Kurz darauf ließ ich mich von Magda einkleiden. Ohne große Umwege brachen wir Richtung Fluss auf, die Beschreibung des Boten war detailliert genug.
Haytham hatte noch den Bradshaws und vier weiteren Ordensmitgliedern Bescheid gegeben, welche fast zeitgleich mit uns an der Stelle auftauchten, wo auch die Naglfar vor kurzem noch gesichtet worden war. Wir standen am Ufer und sahen... nichts. Es waren nur einfache Schiffe hier, Segelschiffe, kleinere Schlepper oder kleine Schaluppen, die hier vor Anker lagen. Ich hatte nachgelesen und die Naglfar war angeblich riesig. Man könne sie nicht übersehen. „Vielleicht hat er sie getarnt!“ dachte ich laut nach und musste an die Tarnkappenbomber denken aus meiner Zeit. Wir ließen unsere Sinne über das Treiben auf dem Wasser gleiten, doch weder Haytham noch ich konnten eine feindliche Aura wahrnehmen. Was noch seltsamer war, wir nahmen überhaupt keine bedrohlichen Umrisse mehr wahr. Es schien, als wäre alles Böse nicht mehr vorhanden, aber es fühlte sich genau umgekehrt an.
„Jetzt halt deine blöde Klappe, du Flittchen. Du stehst mir im Weg!“ hörte ich eine aufgebrachte männliche Stimme etwas entfernt von uns. Kurz darauf sah ich einen Soldaten eine Dirne ins Wasser schubsen. Mit einem spitzen Schrei platschte sie in die Themse! Wütend schritt ich auf diesen Mann zu und verabreichte ihm einen Tritt in seine Kronjuwelen. „Was fällt dir Arsch ein, diese Frau einfach ins Wasser zu stoßen! Verpiss dich!“ hörte ich mich schreien und um mich herum entbrannten kleinere Auseinandersetzungen, vor allem auch Schlägereien. Ehe ich mich versah, war ich inmitten von tobsüchtigen Menschen, welche sich gegenseitig an die Gurgel gehen wollten!
Jaaaaaaa, genauso ist es gut. Macht nur weiter so! hörte ich eine dunkle Stimme in meinem Kopf und dieses Lachen klang unheimlich und diabolisch. Jemand machte sich einen Spaß daraus, die Menschen so zu manipulieren! Mich griffen nun immer wieder irgendwelche Bettler, Huren und Soldaten an. Doch irgendwie erschien mir das ganze eher lustlos und nicht so wirklich gewollt. Es war... ja es war mehr als unbefriedigend. Ich wollte mehr! Natürlich willst du mehr und ich weiß auch schon, wen du dir als nächstes zur Brust nehmen solltest! ich drehte mich in die Richtung von Haytham. Wie aufs Kommando fiel sein Blick ebenfalls auf mich. In seinen Augen sah ich diese Freude, mir endlich in diesem Kampf gegenüber stehen zu können!
Beide zückten wir erneut unsere Schwerter. Tief in mir wusste ich, es wird nur einer von uns beiden überleben! Dieser Schlagabtausch verlangte mir alles ab und ich hatte meine Mühe, nicht einzuknicken oder klein beizugeben. Ich drosch auf Haytham ein, als wäre er... mein Feind? Ach egal... er war da und dieser Mann war doch das Sinnbild des Feindes für uns Assassinen... Ich machte weiter, auch er ließ mich nicht zu Atem kommen! Mein Schwertarm schmerzte bereits und ich hatte meine Mühe seinen Hieben weiter auszuweichen! „Na los, du kleine hinterhältige Assassine! Mehr hast du nicht drauf?“ hörte ich seine tiefe Stimme ... da war etwas in meinem Hinterkopf ... etwas, was hier nicht passte!
Ich machte weiter in meinem Kampfrhythmus und ließ ihn meine versteckten Klingen diverse Male spüren. Befriedigt sah ich das Blut, welches aus seinem Hemdärmel tropfte und ich konnte nur lachen. Was für ein Weichei! Und das war der ach so gefürchtete Templergroßmeister? Lächerlich! Natürlich ist er lächerlich... er kann nichts! Er kann nur manipulieren! wieder nahm ich diese Worte wahr und in mir keimte etwas auf, was ich versucht war, festzuhalten. Etwas, was wichtig war und hier hingehörte. Es war nicht dieser Kampf, plötzlich erschien mir das Ganze hier Fehl am Platze ...
Mit einem male donnerten um uns herum gefühlte tausend Blitze nieder, laute dröhnende Stimmen fuhren in unsere Ohren. Es war wie ein Gewitter, welches die Wolken verschwinden ließ und endlich die Luft klar und rein werden ließ! Ich sank auf meine Knie, mein Schwert rutschte mir blutgetränkt aus den Händen. Ich sah auf gepflasterten Boden, welcher ebenfalls glitschig vom Blut der Kämpfenden war. Benommen sah ich mich um und hatte das Gefühl, als hätte ich zu viel getrunken. Mein Blick verschwamm immer wieder, ich nahm nur Schemen meiner Umgebung wahr. Die Stimmen waren wie in weiter Ferne, sie interessierten mich augenscheinlich nicht!
KIND WACH ENDLICH AUF!, schrie mich eine donnernde Stimme an und mir wurde noch schwindeliger! Zwei Arme zogen mich hoch und zerrten mich auf meine Beine! „Alex! Wach auf! ALEX! Es ist vorbei!“ Haythams Worte kamen schrill aus seiner Kehle. Was wollte dieser Idiot denn jetzt noch? Wollte er noch eine Abreibung, die konnte er haben! Ich wollte nach meinem Schwert greifen, doch es war nicht mehr da... erschrocken sah ich an mir herunter! Meine Kleidung war völlig nass, nass von Blut! „Lasst mich in Ruhe! Ihr habt mich schon zu oft genervt, ich will nichts mehr mit euch zu tun haben!“ brüllte ich.
Gut so. Gleich wird er dich freigeben und wir können unseren Weg fortsetzen! Ja, das war eine gute Idee. Was sollte ich auch hier. Ich gehörte nicht hierher, das hatte ich immer wieder zu spüren bekommen. Es war weder meine Zeit noch mein Leben! Ich gehörte in eine ganz andere Welt... ich sah die Bilder vor mir, französische Soldaten, welche die Stadt beschützten, wir waren sicher vor diesem Templerpack! Ich musste nur diesen Schritt gehen ... durch dieses Tor, immer weiter zum Palast, welcher mit seinen goldschimmernden Spitzen in der untergehenden Sonne dalag! Jetzt komm, du bist nur ein paar Schritte von deiner Bestimmung entfernt! In mir breitete sich eine wohlige Ruhe aus, je näher ich diesem Tor kam.
Dieses Tor, ich bin schon einmal hindurch gegangen. Ich habe ein Kind in der Spitze eines dieser Türme verloren. Es war mir vorherbestimmt! Du wirst auch dieses mal ein Opfer bringen. Aber es ist nur zu deinem Besten! Meine Füße gingen ohne mein Zutun weiter und weiter, mein Geist war völlig befreit und dachte nur daran, die Erlösung zu finden. Die Treppen hinauf erschienen mir dieses mal wesentlich verkürzt. Im Nu stand ich ganz oben und schaute auf die Stadt hinunter! In mir breitete sich Frieden aus, langsam schritt ich auf den Sims des kleinen Fensters zu. Du bist Assassine! Lass dich fallen! Zeige allen, dass du das Vertrauen in deine Bruderschaft hast! Breite deine Arme aus und … SPRING! Ich tat wir mir geheißen und sah unter mir die Menschenmenge, welche … entsetzt zu mir hinauf sah!
„ALEX! Nein! Bitte nicht! Tu es nicht! Ich liebe dich! Denk an unseren Sohn! Denk an Yannick! ALEX! Ich flehe dich an!“ Diese Stimme ... sie war ängstlich, sie hörte sich bettelnd an, wie erbärmlich! Ich hatte sie schon oft gehört! Der Großmeister des kolonialen Ritus... Haytham... in meinem Kopf explodierten Blitze und ich fühlte mich plötzlich völlig fiebrig und krank... die Welt unter mir schien zu schwanken... als hätte mir jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gegossen, schreckte ich zusammen, dann griff man nach mir!
Ich lag auf einem steinernen Boden, umringt von Menschen die ich nicht kannte! „Mi sol, da bist du wieder!“ seine erleichterten Worte nahm ich wie gefiltert wahr, als hätte man sie nur für mich hier gesprochen! Sie wurden durch nichts unterbrochen. Ich blickte in diese Richtung aus der sie kamen. Diese grauen Augen sahen mich sorgenvoll an. Dann wurde mir bewusst, dass ich in den Armen meines Ehemannes lag. Diese Erkenntnis trieb mir die Tränen in die Augen und ich schlang erleichtert meine Arme um ihn. „Haytham, was war das? Wo bin ich? Was habe ich getan?“ ich hatte ihm wehgetan, ich hatte meinen eigenen Mann verletzt, WISSENTLICH! „Es tut mir leid! Ich wollte das nicht!“ ich heulte drauf los, weil mir gerade die Erkenntnis kam, dass mir ein hasserfüllter Gott gerade fast mein Leben genommen hätte!
Mit einem Satz richtete ich mich auf, weil dieser Hrymr hier irgendwo sein musste! „Wo ist dieser Hurensohn von Gott?“ fauchte ich laut, ohne auf die Umstehenden zu achten! „Wir wissen es nicht. Er ist nicht hier. Wir haben alle verfügbaren Einheiten mobilisiert, aber niemand hat ihn oder etwas Verdächtiges finden können! Mi sol, was hast du gesehen, was hat er dir gezeigt?“ ich traute mich nicht, meinem Mann zu erzählen, dass ich drauf und dran war, ihn und unseren Sohn zu verlassen. „Nichts...“ nuschelte ich stattdessen. Dieses Seufzen sagte mir aber, dass wir darüber reden würden, wenn wir alleine waren. Hätte ich wirklich diesen Schritt gewagt? Und wenn ja, was für eine Übermacht hatte dieser Gott bitte, um mich von meinem Unterfangen abbringen zu können? Anscheinend hat er dazugelernt und sich entwickelt! Das haben wir nicht voraus sehen können! Dieser Nebel ist einfach ein Gräuel! Es war Elias, oder eben Odin, welcher eine Erklärung versuchte.
Die Menschenmenge um uns zerstreute sich nach und nach. Ich sah, dass wir uns auf dem Dach eines hohen Gebäudes befanden. Wie bin ich hier herauf gekommen? „Haytham, ich kann mich nicht... erinnern... ich weiß nur, ich habe dich verletzt. Das wollte ich nicht...“ ich brach erneut in Tränen aus, da mir bewusst wurde, dass ich einem Hass nachgegeben hatte, welcher nicht real war und das war unheimlich.
„Der Armreif!“ kam es von meinem Mann und mir fast zeitgleich. Es fühlte sich genauso an wie damals, als er besessen war und wir uns ebenfalls am liebsten alle gegenseitig umgebracht hätten. Es war also schon damals der Kapitän der Naglfar? Ich ging bisher davon aus, dass es eigentlich Loki war... „Bitte? Ich bin nicht der ehrlichste, das weiß ich! Aber... nun gut. Ich verzeihe dir diesen Gedanken, da ihr es damals nicht besser wissen konntet!“ hörte ich Finleys etwas wütende Stimme. Ich entschuldigte mich sogleich bei ihm. Woher sollte ich auch wissen, dass der im Armreif eingefangene Isu ein Gott der Nord war? Es wurde immer unübersichtlicher und ich beschloss, eine Liste zu machen, damit ich den Überblick nicht verlor!
Trotzdem war ich immer noch wie benebelt und schritt neben Haytham her wie ferngesteuert. „Ich muss also diese einzelnen Armreife auch noch zerstören?“ dieser Gedanke kam mir in den Sinn, als wir unten ankamen und uns auf den Weg Richtung Anwesen machten. Nicht mit einer Kutsche, sondern zu Fuß, hatte mein Gatte beschlossen, darüber waren wir uns nämlich schon immer einig gewesen, das machte das Denken leichter! „Ich hoffe nicht, im Grunde wäre das wieder ein neues Unterfangen, welches... sich als schwierig erweist, da du sie gar nicht mehr in Händen hälst und auch Yannick nicht mehr in ihrem Besitz ist!“ Trotzdem war es eigenartig, dass ich Lokis Ring und einen Runenring platziert hatte. Alle anderen waren entsprechende Gegenstücke, warum bei ihm nicht?
Das kann ich nicht sagen, auch ich denke schon darüber nach! hörte ich seine Stimme und sie war sehr verzweifelt! Hrymr war Loki in keinster Weise ähnlich, oder wollte man es so aussehen lassen? In mir kam ein Verdacht hoch, dass ich mit meinen Todsünden doch nicht ganz so falsch lag. Aber Odin hatte mich darauf hingewiesen, dass sie nichts mit meinem Leben oder dem meiner Familie zu tun hatten. Wir waren nicht Bibeltreu! Wurde ich deshalb vielleicht jetzt bestraft? War es Vorsehung? Du meine Güte... hatte ich wirklich diese Gedanken? Nein, ich glaubte von Klein auf an die nordischen Götter, sie waren mein Halt und meine Inspiration! Sie würden es auch immer bleiben, genauso wie ich hoffte, in Odins Halle später an der Seite meiner Mutter zu sitzen…
Das wirst du! und dann hörte ich ihre Stimme! Du wirst hier sein und wir werden über unsere Familien wachen! Es ist uns vorherbestimmt! es tat unendlich gut, diese Stimme und diese Worte zu hören. Ich hätte sie so gerne in meine Arme geschlossen, doch ich würde noch darauf warten müssen! Vorher würde ich mein Schicksal und das meiner Kinder erfüllen! Gleichzeitig wurde mir aber auch die Stimme meines Piraten ins Gedächtnis gerufen, welcher noch einmal darauf hinwies, dass ich auch die Terrasse auf Great Inagua zur entsprechenden Zeit betreten dürfte! Hinweise darauf, wie mein Ableben aussehen würde? Ich würde mich aber noch auf andere Abenteuer stürzen in den nächsten Jahren. Wir werden dich begleiten, dich leiten und dir den Weg zeigen. Auch wenn es dir oft nicht so erscheint! Edward Seniors Stimme war einfach unverkennbar!
Wir kamen beim Kenway Anwesen an und ich ging im Grunde nur noch hinauf in unser Zimmer. Ich brauchte andere Kleidung, ich brauchte diese, auch wenn es sich oberflächlich anhören mag, Zuwendung meiner Zofe! Magda half mir in ein leichtes Kleid und begann meine Haare locker im Nacken zu formen. Eine Wohltat, welche ich wie eine Meditation empfand und mich entspannte. Als sie den Raum verließ, trat Haytham neben mich und sah mich im Spiegel besorgt an. „Mi sol, geht es wieder?“ erst jetzt wurde mir bewusst, dass auch ER diesem Hass ausgesetzt war und... was hatten wir nur getan? „Gibt es viele Tote zu beklagen, mi amor?“ fragte ich leise, fast schon schüchtern. „Leider ja, aber nicht nur wir sind daran beteiligt gewesen. Fast alle Außenstehenden und auch nicht involvierte Personen waren wie von Sinnen.“ in seiner Stimme klang Trauer und ein schlechtes Gewissen mit.
„Ich habe es auch in mir gehabt!“ hauchte ich leise. „Ich wollte dich für einen Moment tot vor meinen Füßen sehen, Haytham! Aber... das will ich doch gar nicht! Was ist, wenn ich diesen Hass irgendwann nicht kontrollieren kann, wenn mir niemand Einhalt gebietet?“ ich brach erneut in Tränen aus, dieser Gedanke war einfach das schlimmste Szenario, welches ich mir, neben dem Tod meiner Kinder, noch vorstellen konnte! Denk an meine Worte! Wir gaben dir die Chance ein Leben zu retten! Odin war wieder in meinem Kopf, doch das ergab keinen Sinn. Haythams Leben würde ich retten können. Ohne eine Macht zu nutzen, einfach nur, indem ich Connor auf unserer Seite wusste! „Ich weiß, dass mein Tod nicht durch DICH oder MEINEN Sohn kommt! Glaub mir, euch wird keine Schuld treffen.“ In meinen Gedanken wusste ich es im Grunde... aber noch war die Zeit nicht nahe genug!
Mir schwirrte der Kopf mittlerweile wieder und ich wusste nicht, was noch wahr war, was ich mir einbildete und was ich überhaupt noch glauben sollte und konnte. „Wo ist unser Sohn, Haytham? Ich muss ihn in Sicherheit wissen.“ ich hörte mich an, als wäre ich zum ersten Mal auf unser Kind aufmerksam geworden, was mir schon wieder ein neues schlechtes Gewissen verpasste. „Edward ist mit Jenny und Sybill im Garten. Ihnen geht es gut. Lass uns hinuntergehen und selber nachsehen, ja? Mein Kopf fühlt sich einfach geschwollen an und ich brauche diese Ruhe!“ Seine Worte trafen genau meinen Gedanken! „Eine gute Idee, mi amor!“
Draußen erwartete uns ein Idyll welches man sonst nur aus irgendwelchen Daily-Soaps kannte. Wenn ich je Haytham diesen Begriff erklären müsste, dann wäre ich aufgeschmissen!, ging es mir durch den Kopf. Erneut erschreckte ich vor meinem doch sehr schwarzen Humor, vor meinem Sarkasmus... in dieser Zeit war er einfach nicht angebracht, oder gerade wegen der derzeitigen Stimmung genau JETZT angebracht? Nein... beschloss ich! Punkt!
Edward war mit seiner Tante und seinem Kindermädchen im Garten unterwegs und erforschte jeden Grashalm persönlich. Ich hörte immer mal wieder ein „Ihhhhhhhh“ oder ein „daaa“ wenn unser Sohn etwas interessantes sah. Er bemerkte uns nicht sofort, weil die Pflanzenwelt ihn völlig in Beschlag nahm. Jenny hatte recht, wenn man den kleinen Kenway einmal von den Pferden weg lotste, dann interessierte er sich auch für andere Dinge. Doch es dauerte nicht lange, da sah er seinen Vater und krabbelte schnell auf ihn zu, zog sich am Hosenbein hoch und sah erwartungsvoll zu ihm auf. Haytham lobte ihn selbstverständlich und hob ihn hoch. Freudestrahlend zeigte er auf die Bäume und die Blumen und versuchte uns, vermutlich, zu erklären, was das alles war.
Doch als er mich ansah, wurden seine Augen dunkel und er starrte mich böse an. Edward fing an zu weinen und drehte sich von mir weg, als ich auf ihn zukam. Mich durchfuhr es wie ein Blitz und ich stand völlig perplex neben Jenny. „Was...“ Auch meine Schwägerin wusste nicht, was sie machen sollte. Mein Sohn sah vehement von mir weg. DAS tat weh, was hatte ich ihm getan? Traurig ging ich einfach ins Haus zurück und... ja, ich wusste nicht, wohin... es tat weh, dass mein eigener Sohn mich nicht sehen wollte! In diesem Moment fiel mir nur noch Faith ein! Wie dumm von mir! Sie hatte genug mit ihrer Trauer um ihr Geschwisterchen zu tun... und überhaupt, ich sollte nicht so egoistisch sein. Also rief ich mir Yannick vor Augen... doch das funktionierte wieder nicht! Verdammt!
Ich stand plötzlich in diesem Keller und wusste gar nicht, wie ich hierher kam... auf den Tischen lagen die Sachen aus den Truhen meines Piraten... mein Leinenkleid... Blackbeards Tagebuch... die Flagge... ich fühlte meinen Piraten regelrecht um mich herum... „Alex... es tut mir so leid!“ diese Worte waren wie eine Umarmung, sie reichten aber noch nicht! „Edward, was habe ich nur getan? Ich hätte sie alle verlassen... einfach nur, weil es dieser beschissene Idiot in meinen Kopf gepflanzt hatte... Was kommt als nächstes? Ich hätte sogar meinen eigenen Mann umgebracht!“ meine Stimme klang schrill und überschlug sich... ich war verzweifelt und wollte Antworten!
„Du hättest meinen Sohn nicht getötet! Glaub mir! Aber Hrymr hat eine Macht in sich, welche selbst von mir und sogar Odin kaum zu bändigen ist. Diese Bilder, diese Gefühle sind stark und ich werde dich nun lehren, sie von den normalen Trugbildern zu trennen!“ Ich stand in einem dunkel getäfelten Raum, an der Seite war ein großer Tisch mit einem weißen Tuch abgedeckt und um uns waren Regale gefüllt mit Büchern! Der Freizeitraum im „alten“ Kenway-Anwesen!
Und nun begann Edward Senior mich in die Geheimnisse der tiefer führenden Emotionen zu unterrichten. Er zeigte mir, wie ich meinen Geist vor diesen göttlichen äußeren Einflüssen verschließen könne. „Du musst noch mehr in dich gehen, du musst weitere wesentlich emotionalere Erinnerungen abrufen und sie speichern! Dann lässt du sie in dein Gedächtnis und kannst sie vergraben und im Notfall stehen sie dir zur Verfügung! Es ist nicht das bloße Denken an die Dachkammer und ich weiß, du hast Haytham dann vor Augen! Du musst wesentlich tiefer gehen...“
Ich begann mich zu konzentrieren... immer und immer wieder durchbrach mein Pirat diese Barriere... verdammt noch mal! Er war gut, sehr gut! Doch plötzlich, als ich auch noch meinen Enkel im Kopf hatte und diese Sicherheit seines Zuspruches regelrecht fühlte, durchbrach Kenway Senior nicht mehr meine Barriere! „DAS ist es... sehr gut! Du hast es geschafft.. und jetzt... verinnerliche es wie ein Mantra!“ hörte ich ihn sagen und immer wieder fühlte ich, dass jemand in meinen Geist dringen wollte... immer wieder bröckelte die Mauer... doch ich sah auf die grauen Augen Haythams, ich sah meine Söhne, meinen Enkel...
„Mi sol, warum umklammerst du dieses Kleid?“ hörte ich die zögerliche Stimme von Haytham plötzlich. Wie aus einem Traum erwachte ich und sah mich auch entsprechend fragend um. „Ich... weiß nicht. Ich habe gelernt, mi amor!“ hörte ich mich sagen, sah mich aber weiter fragend um. Der Keller, das Kenway-Anwesen... ich war Zuhause! Ich versuchte ihm zu erläutern, dass ich meinen Geist weiter abschotten musste als bisher angenommen. Auch Haytham müsste es lernen! Wenn wir irgendwann Hrymr direkt gegenüber ständen wäre es essenziell und unser Geist müsse eins sein. DAS ist einer der Punkte. Vereint euch in diesen Momenten! Dann kann euch kaum ein Leid zugefügt werden! seine Stimme war so leise, dass ich sie kaum als die von Odin wahrnahm.
Dennoch hatte ich die Angst um unseren Sohn, er konnte sich nicht so verschließen... Doch, durch Idun, Loki und mich ist er in der Lage dazu! dieser Satz war wie Balsam und ohne zu hinterfragen, glaubte ich es. Odin hatte mir wirklich noch keinen Anlass zum Zweifeln gegeben. Wieder einmal war es ein Tag, welcher für die Nerven anstrengend war und ich war dankbar, als ich im Garten stand, barfuß und die Erde und das Gras unter meinen Füßen fühlen konnte. Ja, es klingt absurd, doch es brachte mich zur Ruhe!
Jenny kam mit Edward auf dem Arm zu mir und er sah mich skeptisch an. „Schätzchen, ich werde dich nie alleine lassen. Ich hab dich doch lieb und ich will, dass es dir gut geht!“ als ich dieses mal die Arme nach meinem Sohn ausstreckte, machte er es mir nach und ich drückte ihn an mich. Für einen Moment genoss ich die Verbundenheit mit meinem kleinen Sohn und auch Haytham umschloss uns. „Lasst nie wieder diesen bösen Kapitän in unser Leben! Er hat so viel Unheil angerichtet, dass es an der Zeit ist, ihm den Garaus zumachen!“ Diese Worte, diese Stimme... erzürnt, wütend und voller Hass! Und in mir wuchs dieser Wunsch weiter, diese Person zur Strecke zu bringen!
Doch heute würden wir das nicht mehr machen, der restliche Nachmittag gehörte meiner Familie und mir! Ein anderer Gedanke ging mir aber wieder durch den Kopf, als ich an Faith dachte. Ihr Wunsch mehr über meine Zeit zu erfahren! Vielleicht würde es sie sogar etwas ablenken und auch ich könnte ein wenig auf andere Gedanken kommen! Aber das alles würde ich erst morgen in Angriff nehmen!
Für heute hatten wir einen Termin, welcher mir eigentlich etwas unangenehm war, aber er ließ sich nicht umgehen. Am Nachmittag trafen wir beim Williams Anwesen ein und man brachte uns in das große Besprechungszimmer.
Meine Nervosität stieg, weil Haytham auch noch den inoffiziellen Zweig des Ordens ansprechen müsste. Hier wäre sicherlich niemand gleich begeistert von diesem, weil er noch von Master Birch ins Leben gerufen worden war. Ich atmete tief durch und sprach mein Mantra immer wieder vor mich hin.
Nach und nach trafen dann die Bradshaws ein, dann Faith und Shay. Als letztes kamen Master Lucius und Master Williams herein. Wir nahmen nach einer kurzen Begrüßung alle an dem großen Tisch Platz und es herrschte eine gewisse Anspannung.
Wir mussten nun auch hier meine angestrebte Waffenruhe anbringen, was allerdings zu diesen gegebenen Umständen mehr als schwierig war. Eine Assassine hatte im Hause einer Templerfamilie eine, ich nenne sie einfach mal jetzt so, nahe Angehörige versucht zu ermorden! DAS ist kein guter Anfang, doch wie lange sollte ich es noch aufschieben.
Zögerlich erhob ich mich jetzt, weil ich in Bewegung einfach besser reden konnte.
„Diese Zusammenkunft haben wir einberufen, um die kleinen Scharmützel endlich beilegen zu können. Mein Mann ist sich mit mir einig, dass wir einen Waffenstillstand herbeiführen können. Ebenso sind Eheleute Bradshaw…“ ich sah nur noch, wie in Lucius und Lions Augen ein goldenes Leuchten trat.
Oh bitte nicht! Für einen Bruchteil einer Sekunde hatte ich die Hoffnung, dass die Götter bitte alle mal den Mund halten. Doch weit gefehlt. Innerlich seufzte ich nur, konnte aber nicht so schnell reagieren, wie Loki nebst Sigyn, Mars und Thot sich im wahrsten Sinne erhoben.
Ich kramte meine mythologischen Kenntnisse aus und versuchte einen Schwachpunkt für ALLE zu finden. Ein sogenanntes Totschlagargument, welches sie alle verstummen lassen würde. Leider fiel mir gerade GAR NICHTS ein. Alles war wie weggeblasen!
Meine Stimme wurde lauter, als ich wieder zu sprechen begann!
„Wenn ihr euch bitte setzen würdet und nicht gleich auf einander losgehen würdet? Wir sind hier nicht in der großen Kriegerhalle, wo es um das Recht des Stärkeren geht! Falls ihr es noch nicht bemerkt haben solltet, aber wir sind einer größeren Bedrohung als nur dem Krieg zwischen Assassinen und Templern ausgesetzt, verdammt!“ die letzten Worte kamen schon fast geschrien über meine Lippen, weil es mich, verzeiht, aber es kotzte mich an.
Für einen kleinen Moment hatte ich Angst, dass Hrymr sich wieder eingeschlichen hatte, doch das würde sich anders anfühlen!
Sie alle sahen mich mit großen Augen an, sagten aber seltsamerweise nichts. Sogar Haytham schwieg.
„Wir müssen zusammenarbeiten um die Menschheit vor sich selber und vor großen Katastrophen zu beschützen. Das geht nicht, wenn weiterhin ein Kampf zwischen den Bünden tobt, welcher seit Jahrhunderten besteht! Es wird ein langer Weg werden, das weiß ich. Einen kleinen Anfang konnte ich in meiner Zeit machen, auch dort war es nicht von Anfang an friedlich und das Misstrauen muss erst einmal beseitigt werden.“ für einen Moment hielt ich inne und wartete eine Reaktion ab.
Es war Lucius, welcher sich meldete und, ja ich konnte ihn verstehen, weil es um seine persönlichen Belange ging. „Ich soll mich mit diesem Pack wirklich verbrüdern? Ihr verlangt von mir, dass ich mich einem Credo anschließe, welches predigt, Unschuldige zu verschonen und gleichzeitig aber diese kaltblütig umbringt? Ist es das, was ihr wollt, Mistress Kenway?“ seine Worte kamen eiskalt über seine Lippen, doch es sprach nicht die Vernunft aus ihm, sondern seine Wut und vor allem Trauer über den Verlust seines Kindes.
„Master Lucius, ich verstehe eure Beweggründe, ich verstehe auch, dass dieser Verlust kaum auszuhalten ist. Aber hier geht es einfach um mehr, VIEL mehr!“ meine Atmung glich eher einer Schnappatmung, weil ich mich dermaßen in Rage geredet hatte.
Und dann spürte ich eine weitere Präsenz im Raum und aus dem Nebel erschienen Edward und Tessa! Jetzt fehlte eigentlich nur noch… und da war er auch schon! Sie kamen nicht unbedingt wie gerufen, aber vielleicht konnten auch sie noch ein wenig zum Gleichgewicht beitragen.
Edward begann als erster und starrte dabei Lion an, welcher seinerseits misstrauisch Haythams Vater betrachtete. „Dieses Gespräch war längst überfällig und ich bin froh, dass wir, wenn auch in einem recht kleinen Rahmen, beginnen können! Niemand verlangt einen totalen Frieden, den wird es nie geben! Es gibt sie in den Reihen der Templer, wie auch bei den Assassinen. Diese Querdenker und Extremisten, welche nicht über den eigenen Tellerrand schauen können und auch nicht wollen. Doch wir alle in diesem Raum sind vom Geist her wesentlich weiter und haben so manche Schlachten gesehen und geschlagen. Wir haben vieles gemeistert, was eigentlich zum Scheitern verurteilt war! Trotzdem haben wir alle in unseren früheren Leben und unseren Welten weitergemacht! Es war einfach notwendig. So ist es auch jetzt!“ endete mein Pirat und sah sich nun erwartungsvoll um.
„Heimdall?“ hörte ich Lion fast flüsternd und ich fragte mich, ob diese Götter sich untereinander in ihrer wahren Gestalt erkennen konnten. So wie es aussah ja!
„So ist es und wie ich sehe, sind auch noch andere anwesend, alleine schon durch deine Tochter Mars!“ dieses Grinsen von Edward Senior war schon mehr als provozierend, aber ich wusste, er wollte ihn aus der Reserve locken.
Plötzlich fuhr aber Odin dazwischen, wie immer etwas zu laut! „Können wir dann jetzt weitermachen? Wie ihr alle wisst, war ich nicht immer auf der Seite dieser Frau! Sie hat mich damals um ein Vermögen gebracht, eines meiner Schiffe zu Davy Jones geschickt und einen meiner besten und treuesten Kapitäne zu Hel! Doch überlegt alle einmal für euch selber, wie ihr eure Aufgaben, euer Vorankommen sichern wollt, wenn es immer einen großen Gegenpart gibt? Auch ich habe mich immer wieder mit Widersachern auseinander setzen müssen. Gerade jetzt ist es wieder ein schwieriges Unterfangen, weil Hrymr erneut aufgetaucht ist, was eigentlich nicht möglich war, wie ihr sicherlich wisst. Es braut sich weit mehr zusammen als uns allen lieb ist!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in die Runde, nunja, soweit ich das durch diese leuchtende Gestalt sehen konnte.
„Es scheint, als würden sich Mächte erheben, welche längst nicht mehr existieren dürften! Und DAS ist etwas, wo wir gemeinsam entgegenwirken müssen! Versteht doch, es geht hier nicht um den Kleinkrieg, ich muss es jetzt so nennen, zwischen Bruderschaft und Orden! Wir müssen alle an einem Strang ziehen, damit die Welt weiterexistieren kann!“ hörte ich mich plötzlich sagen, aber es klang nicht mehr nach mir und als ich an meinem Körper herunterblickte, sah ich die goldenen Zeichen!
„Deine endgültige Bestimmung werden wir erst später enthüllen können, Kind. Aber du bist auf dem Richtigen Weg!“ kam es wie aus einem Mund von Finley, Edward und Elias!
Langsam wurde ich ruhiger, ich spürte wieder diesen Ruhemantel und sah von einem zum anderen. Bisher hatte Shay noch kein einziges Wort gesagt, im Gegenteil, es sah so aus, als wolle er lieber unsichtbar sein.
Ich ging in den Angriff über. „Master Cormac, ihr habt noch gar nichts geäußert und seht aus, als würdet ihr lieber woanders sein!“ meine Worte klangen immer noch nicht nach mir und waren recht unterkühlt.
Ein Räuspern seinerseits und er begann, wenn auch zögerlich zu sprechen. „Ich glaube ich sollte noch etwas erwähnen. Ihr wisst, dass die Assassine, welche Miss Maggie töten wollte, Elinor war. Sie … ist meine Cousine!“ so habe ich Shay noch nicht erlebt, er hatte sich bei diesen Worten geduckt und ich sah, wie Haytham sich umgekehrt schon fast emporschwang.
„Wie bitte? Sie ist … ihr habt eine Cousine? Warum wissen wir nichts davon?“ polterte mein Mann los und auch mir ging diese Frage durch den Kopf. Doch wenn wir es recht betrachteten hing es einzig damit zusammen, dass auch innerhalb der Templerorden Verschwiegenheit galt.
Sprich der britische Ritus war dem, in unserem Falle, kolonialen Ritus keine Rechenschaft schuldig. Hinzu kam auch noch das Black Cross! Wieder ging mir durch den Kopf, dass diese Heimlichkeiten einfach unnötig und anstrengend waren. Es wäre an der Zeit, diese endlich abzuschaffen.
Bei dieser Erkenntnis spürte ich, wie in mir der Wunsch, eine Einigung zu erzielen immer unüberschaubarer wurde. Musste man allen Ernstes jetzt auch noch die einzelnen Riten überzeugen?
Sollte Haytham dann den von Reginald gegründeten und unter seiner Hand weitergeführten Zweig erwähnen? Er müsste es, einfach um zu zeigen, dass es keine Geheimnisse oder Machenschaften unter der Hand gab!
Aber nicht jetzt und hier! Früher oder später würde sich eine Gelegenheit ergeben!
„Master Cormac, ich gehe davon aus, dass ihr keinerlei Kontakt zu dieser Cousine hattet und wie ich sehen kann, wusstet ihr auch nichts von diesem Verwandtschaftsverhältnis?“ ergriff nun Sigyn das Wort, welche in ihrer so ruhigen und besonnen Art hoffentlich etwas Ruhe hier reinbrachte.
„Nein, bis vor kurzem hatte ich keine Ahnung. Meine Familie ist zerrissen, wie ihr sicher alle wisst. Lange Zeit hatte ich niemanden außer Master O´Brien. Wer sollte mich auch darüber aufklären?“ in seinen braunen Augen lag plötzlich eine tiefe Trauer und ich hätte ihn gerne einfach in den Arm genommen, einfach um ihn zu trösten. Es tat mir unendlich leid.
„Dann sollte diesem Frauenzimmer schnellstmöglich das Handwerk gelegt werden! Wer weiß, was sie noch geplant hat!“ kam es lauernd Finley, welcher sich auch noch nicht wirklich zu Wort gemeldet hatte. „Es scheint wirklich noch eine Art Untergruppierung der Bruderschaft zu geben, welche unter unserer Nase ihr Unwesen treibt!“ endete Loki wütend!
Und jetzt kam Bewegung in die ganze Sache, wir waren uns einig, dass dies ein guter Anfang für die gemeinsame Sache wäre.
Trotzdem fühlte es sich für mich ein wenig nach Verrat an meiner Person an. War wirklich so wenig Vertrauen zwischen uns, dass man mich nicht einweihte? Hätten wir diese Anhaltspunkte am Abend des Balls gehabt, hätte man vielleicht auch schon mehr erfahren können. Blieb aber auch noch die Frage, WAS hatte diese Elinor eigentlich gesucht, was so wichtig war, dass man dafür einen Mord begehen würde?
„Und was hat diese Assassine genau gesucht? Weiß man das schon?“ fragte nun Elias in die Runde.
„Es geht um den Verbleib der Schatulle!“ meinte Lucius kurz angebunden. Oh verdammt… Meine Nachforschungen, meine Erkenntnisse… nur mittlerweile konnte ich mir nicht mehr sicher sein, dass es auch genauso verlaufen würde, wie ich es damals recherchiert hatte. Sollte ich dennoch den Hinweis auf Frankreich geben? Oder würde ich…
Du wirst gar nichts dergleichen tun, Kind! Es hat sich zu vieles geändert, als das es noch der Wahrheit entspräche! Vermutlich hatte gerade JEDER hier diese Stimme gehört, so laut wie sie in meinem Kopf dröhnte.
Also veränderte ich doch etwas? Aber was passierte dann in der Zukunft, oder glich sie sich entsprechend an und man konnte keine Veränderungen wahrnehmen? Immer mehr kam in mir der Wunsch hoch, diese Reise zu meinem Sohn anzutreten, ein paar Jahre nach meinem Aufbruch…
Aber ich musste gar nicht antworten, sondern es war Faith welche sich endlich einmal zu Wort meldete.
„Wir könnten auf das Wissen von Mistress Kenway zurückgreifen, aber wie ich sehe, werden wir so nicht mehr weiter kommen.“ Sie hatten sie also alle gehört! „Also werden wir weitersuchen müssen oder wir nutzen die Schatulle aus der parallel Welt.“ diesen Gedanken hatten wir schon einige Male.
„Solltet ihr das tun, dann werdet ihr eine weitaus höhere Macht entfesseln, welche wir nicht ohne Grund dorthin verbannt haben. Diese Artefakte müssen unter Verschluss bleiben! Und da wir alle hier im Raum darüber Kenntnis haben, wie unberechenbar diese Dinge sein können, weil die Vorläufer gerne in Rätseln gesprochen haben, bleiben sie in den Händen der Wächter!“ diese Worte kamen von Odin und Mars wie aus einem Mund und ich sah von einem zum anderen.
Da waren sich zwei Götter, welche sich eigentlich hassten, direkt mal einig geworden? Innerlich jubilierte ich, weil es ein winziger kleiner Schritt war, der auch ausgebaut werden konnte, oder nicht?
Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille, welche aber nicht wirklich unangenehm war, muss ich zugeben.
Dann meldete sich meine Schwester überraschend zu Wort!
„Ich habe mir Rache geschworen, Rache an den Assassinen. Dann hat mir Alex, verzeiht, aber wir sind unter uns, einen neuen Weg aufgezeigt. Dieser war nun durch diesen kaltblütigen Angriff auf Maggie wieder unüberwindbar für mich, aber vielleicht… sollten wir endlich die Streitigkeiten beilegen und auch wenn es nicht für die Ewigkeit ist, aber vielleicht für eine Weile eine Ruhepause einlegen. Es gibt wirklich größeres, was zu bedenken ist! Es geht nicht nur um persönliche Belange, es geht um die Zukunft!“
Bei ihren Worten stiegen mir die Tränen in die Augen und ich fasste den Entschluss, dass ich ihr die Zukunft zeigen werde! Doch noch war es nicht soweit!
Mein Pirat stand neben mir und lächelte mich an. „Siehst du? Das habe ich gemeint. Wir haben dich hierher geholt und können durch dich und Haytham weiter agieren! Und du hast sogar noch ein paar Götter, welche mit anderen Fähigkeiten auftrumpfen können.“
Sollte es so sein?
Ich hörte von Lion ein tiefes Seufzen und in seinem Blick sah ich, dass er immer noch überlegte, ob er es wagen könne, ohne Barrieren zu handeln. Mit den Informationen nicht hinter dem Berg zu halten sollte ein Anfang sein.
„Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir hier und jetzt ein einzigartiges Exempel statuieren! Den Beginn einer neuen Ära!“ zum ersten Mal sah ich Thot in seiner wahren Gestalt, auch sie war Leuchtend aber, wie Odins oder Lokis ebenso, sehr imposant.
War es das jetzt? Konnten wir ab jetzt gemeinsam arbeiten?
Wie aus einem Mund hörte ich um mich herum „Damit ist es abgemacht! Ein Waffenstillstand!“ es fühlte sich an, als würden Kiloweise Steine von meinem Herzen fallen und ich musste mich fürs erste setzen!
Plötzlich war dieser Raum erfüllt mit einer seltsamen Sphäre… hier trafen nordische Götter auf ägyptische und römische Götter!
Du bist einer anderen Mythologie entsprungen! Wenn man es genau nimmt, verkörperst du die germanische und nordische Mythologie. Doch noch ist es nicht soweit! Hörte ich Edward flüsternd neben mir und ein wissendes Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
„Bei Odin…“ diese Worte trieben ein Lächeln in das Gesicht meines Göttervaters!
Während des Balls am 4. Juli war mir schon aufgefallen, dass meine Schwester den Gedanken hatte, sich in meiner Zeit einmal umsehen zu können. Doch ich haderte die ganze Zeit mit mir, weil es doch einfach zu riskant werden könnte, wenn ich sie mitnahm. Zumal ich auch mit Sicherheit nicht gerade Odins Zuspruch bekam, seine Anweisung, auch die der anderen Götter, war eindeutig gewesen. Zumal wir gerade erst mit einem weiteren irregeleiteten Gott aneinander geraten waren und der Zeitpunkt vielleicht nicht so günstig gewählt ist.
Also verbrachte ich die Tage mit Grübeln, bis ich es nicht mehr aushielt und mich mit Haytham zusammensetzte. Etwas vorsichtig fragte er mich, ob alles in Ordnung sei. „Keine Sorge, mi amor, es ist nichts passiert. Noch nicht. Aber...“ ich druckste etwas rum, ich fand keinen Anfang! „... also... ich würde gerne eine kleine Reise antreten!“ lächelnd sah ich in sein mit Fragezeichen übersätes Gesicht. „Eine Reise? Wohin?“ kam es skeptisch von meinem Mann. „Mit Faith... nach Deutschland... also... in meine Zeit!“ so jetzt war es raus und ich sackte erleichtert auf meinem Stuhl zusammen.
„Du willst bitte was tun? Hast du vergessen, dass du so etwas nicht darfst? Und vor allem, warum gerade jetzt? Alex, das geht nicht!“ Haytham war aufgestanden und stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor mir. „Doch, es würde ja gehen. Ich könnte doch... nur für kurze Zeit mit ihr zu Yannick reisen. Haytham, sie würde sich gerne ein Bild machen können, mehr nicht! Und ich weiß, ich müsste auch eine Erlaubnis der Götter haben, doch da bin ich zuversichtlich.“ Absichtlich hatte ich meinen Geist so verschlossen wie es mir Edward Senior beigebracht hatte. Ich wollte gerade nicht, dass mir Odin zuvorkommt. „Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist.“ überzeugt war mein Mann definitiv nicht. Mir schoss ein Gedanke in den Kopf. „Was wäre, wenn du und Shay uns begleiten? Wir wären dann vielleicht nur zwei Tage fort. Mehr nicht!“
Seine Augen weiteten sich bei meinem Vorschlag und es kam ein ungläubiges „Du würdest uns dabei haben wollen?“ von ihm. „Warum denn bitte nicht? Für dich und auch Shay wäre es sicherlich spannend. Zumal du ja schon ein wenig gesehen hast, doch so könntet ihr meine Heimatstadt einmal sehen. Ich hatte nämlich angedacht, dass wir meine alte Wohnung dort direkt ansteuern werden und nach Möglichkeit erst einmal auch nicht nach draußen gehen werden. Auf der einen Seite wäre es zu gefährlich für euch und ich müsste auf der anderen Seite auch erklären, warum ich von den Toten wieder auferstanden bin!“ darüber hatte ich tatsächlich auch schon nachgedacht!
„Wir können doch nicht einfach so bei Yannick reinschneien! Wie stellst du dir das vor?“ Haytham schien zu vergessen, dass ich vorher natürlich auch noch mit Alexander sprechen würde, sie alle „vorwarnen“ würde. „Und du glaubst, dass das reibungslos klappen könnte? Bist du dir vor allem sicher, dass du Edward so lange hier alleine lassen willst?“ eine Augenbraue hatte sich angehoben. Diesen Gedanken hatte ich schon und überlegte auch unseren Sohn mitzunehmen! Mehr ginge vermutlich nicht, wir könnten nicht auch noch July, Cadan und Cillian mitnehmen. Darüber müsste sich Faith dann aber auch im Klaren sein.
„Edward würde mitkommen, Haytham. Natürlich kann ich ihn noch nicht so lange alleine lassen, gerade wenn du auch noch mitkommst! Schon gar nicht jetzt! Wo denkst du hin?“ erwiderte ich, im Grunde sollte das wohl klar gewesen sein. „Und wann wolltest du das Ganze Faith und Shay mitteilen?“ kam es mit einem resignierten Seufzen von meinem Mann. „Sobald ich dich überzeugt habe, mi amor! Glaub mir, ich habe mir die letzten Tage den Kopf darüber zerbrochen, wann, ob und wie wir am besten hinüber reisen!“ innerlich zersprang ich vor Anspannung, Haytham konnte mir auch einfach einen Strich durch die Rechnung machen. Es mag sich gerade für mich eigenartig anhören, doch mir lag sehr viel an seiner Meinung und auch an seiner Zustimmung!
„Vielleicht solltest du dann einfach mit unserem Enkel das Gespräch suchen und dann sehen wir weiter!“ in seinen Worten lag ein Lächeln, auch Haytham war von Natur aus neugierig und ich weiß, dass auch er mehr über mein altes Leben wissen wollen würde. Ich erhob mich und nahm ihn in den Arm. „Das werde ich tun.“ als Dank bekam er einen Kuss von mir.
Am nächsten Tag setzte ich mich mit Haytham, als Edward seinen Mittagsschlaf hielt, ins Arbeitszimmer um mit Klein Alex zu reden. „Ich hoffe, es klappt auch.“ ich war etwas nervös und aufgeregt, aber Haytham drückte meine Hand. Er war zuversichtlich, dass ich das schon schaffen werde. Ich kehrte in mich, in meinen Geist und stellte mir meinen Enkel vor, jetzt aber als Grundschüler etwa 7 oder 8 Jahre alt.
Es dauerte ein bisschen, bis ich ihn klar vor mir sehen konnte und ich konzentrierte mich weiter auf ihn. Sprach meinen Enkel an und plötzlich zuckte sein Blick in meine Richtung. „Oma!!!!“ rief der Junge und schon schossen die wildesten Fragen aus ihm heraus! „Was machst du gerade? Kannst du jetzt noch mehr Sprachen? Wohnt ihr immer noch da in Amerika? Wo ist denn mein Onkel? Kann ich mit ihm mal wieder spielen?“ und so weiter... ich schüttelte lachend den Kopf. „Alex, jetzt beruhige dich doch erst mal. Wir leben immer noch in Amerika und sind gerade in London bei Haythams großer Schwester zu Besuch! Aber ich muss dich um etwas bitten, ja?“ fragte ich jetzt etwas zögerlicher.
„Habe ich was schlimmes gemacht, Oma?“ hörte ich ihn und konnte regelrecht spüren, dass er Angst hatte. „Nein, mein Schatz. Hast du nicht. Aber sind Mama und Papa gerade da und haben einen Moment Zeit?“ auch ich war vorsichtig, da ich nicht genau wusste, wie mein Vorschlag aufgenommen werden würde. „Ja! MAMAAAAAAAAAAAAA... PAPAAAAAAAAA... Oma spricht mit mir!“ seine helle Stimme überschlug sich bei diesen Rufen beinahe und ich sah aus seinem Blick, wie mein Sohn und Melissa auf ihn zueilten! Yannick nahm Alex auf den Schoß. „Stimmt das? Mom? Ich... vermisse dich!“ war alles was er sagte und ich musste schlucken. Ich vermisste ihn auch, jeden Tag!
Ich begann mich nun auf alle zu konzentrieren und es war seltsam, doch klein Alex schien diese Verbindung zu stärken, wie ein Equalizer, welcher Frequenzen dazu schalten kann. Doch ich konnte auch Odins Präsenz fühlen, welche mich weiter zögern ließ. Aber ich konnte nun mit meinem Großen sprechen und es war eine Wohltat. „Ich bin es, Yannick. Ich vermisse dich auch, sehr sogar! Aber ich habe ein Anliegen und ich weiß eigentlich nicht, wie und wo ich beginnen soll. Also... Wir würden euch gerne... besuchen kommen. Das klingt im ersten Moment falsch, ich weiß und es wird auch nicht gern gesehen. Faith würde aber zu gerne einmal meine Zeit erleben und da dachte ich, wir könnten für ein paar Tage zu euch kommen.“ jetzt war es raus.
„Aber... ich dachte, du darfst das nicht? Und... WANN wollt ihr hierher kommen und wer kommt dann alles mit?“ fragte mich meine Schwiegertochter immer noch ungläubig. „Faith, Shay, Haytham, Edward und ich werden hinüber gehen. So ist der Plan. Wir werden wie gesagt nur ein paar Tage bleiben, WANN kann ich ehrlich gesagt noch nicht konkret sagen. Wobei, IHR könnt euch vielleicht auf die nächsten 3 Tage einstellen, da ich es ja steuern könnte.“ bei diesen Worten musste ich grinsen. Natürlich! Ich konnte ja einen Tag in der Zukunft bestimmen, an dem ich ankommen wollte!
„Dann... werden wir schon mal alles vorbereiten, oder?“ Yannick sah zu seiner Frau, welche immer noch mit großen Augen dasaß. „Edward kann dann bei Franziska schlafen und für euch anderen ist Platz auf dem Sofa. Das wird kein Problem, aber... was soll ich denn kochen?“ aus mir platzte ein Lachen, sowas konnte nur von einer Frau kommen, ich selber würde diesen absurden Gedanken vermutlich auch als erstes haben. „Wenn du schon so fragst, dann würde ich liebend gerne einmal wieder Mäcces haben wollen, oder vom Chinesen etwas...“ bei dem Gedanken bekam ich mächtigen Hunger. „Das ist ja einfach, das kriege ich schon hin.“ hörte ich Melissa lachen.
„Au jaaaaaaaa... dann zeige ich Opa, wie es hier aussieht, Oma. Und du kannst ihm ja auch ganz viel erzählen, oder?“ unser Enkel war völlig aus dem Häuschen und schmiedete schon Pläne, doch ich musste ihn enttäuschen. „Alex, ich kann leider nicht mit euch rausgehen. Die Leute denken doch, dass ich nicht mehr da bin.“ enttäuscht sagte er „Achja... darf ich Opa aber wenigstens meine Schule zeigen? Tante Faith und Onkel Shay wollen das bestimmt auch sehen, oder?“
„Gerne kannst du sie dann herumführen. Weißt du aber was ihr dringend zurecht legen solltet?“ fragte ich verschwörerisch. „Nein, Oma. Was denn?“ flüsterte Alex ebenso zurück. „Die Bücher über Dinosaurier und die Figuren dazu. Papa hat ja einige sicherlich noch im Keller, oder?“ plötzlich sah ich, wie mein Enkel über den Flur und in sein Zimmer stürmte. „Guck mal, Oma. Das ist alles bei mir, ich habe auch ganz viel über sie gelernt!“ stolz zeigte er auf ein vor sich stehendes Regal, welches mit allerlei verschiedenen Dinosaurier-Typen bestückt war. Daneben lagen aufgeschlagene Bücher über diese Spezies und auch Kuscheltiere und selbstgemalte Bilder!
„Du meine Güte, das wusste ich ja gar nicht, Alex. Das finde ich großartig, dass du dich damit so beschäftigst. Dann kannst du Tante Faith bestimmt alles darüber erzählen. Sie findet die nämlich auch spannend!“ erzählte ich nun und unser Enkel begann schon jetzt mit einer Lehrstunde, doch ich musste ihn wieder unterbrechen! „Alex, warte bis wir da sind. Ich kann mir das nicht alles merken.“ lachte ich und dann waren Yannick und Melissa auch wieder im Raum. Doch unsere Enkelin vermisste ich. „Wo habt ihr eigentlich eure Tochter versteckt?“ fragte ich einfach nach.
„Franziska ist bei einer Freundin heute Nachmittag zum Spielen. Ich hole sie in einer Stunde wieder ab!“ meinte meine Schwiegertochter. Erleichtert, dass die Kleine wohlauf war, seufzte ich. „Dann sollten wir erst einmal so verbleiben, dass wir... in 3 Tagen bei euch eintreffen. Ich versuche es im Wohnzimmer, wenn es euch recht ist!“ mein Entschluss stand nun fest und ich würde mich auf diese Zeitspanne konzentrieren, Tageszeit wäre gegen Mittag. „Mom, ich freue mich schon so...“ mehr sagte mein Sohn nicht, brauchte er auch nicht.
Langsam kam ich wieder in London mit meinen Gedanken an und sah, dass Haytham mich immer noch gebannt ansah. „Es ist immer noch erschreckend, wie das ganze funktionieren soll. Ich konnte jedes Wort mithören und alles sehen, obwohl ich gar nicht dort war!“ in seiner Stimme klang dieses Erstaunen wieder mit, welches auch mich überkam, wenn ich diese Fähigkeiten nutzte. „Wenn ich es recht bedenke, dann ist es eigentlich nur wie ein Telefonanruf, oder wie eine Videokonferenz...“ redete ich mehr zu mir selber, bekam aber von meinem Mann eine fragend hochgezogene Augenbraue zugeworfen.
„Ich hatte doch von meinem Handy erzählt, oder? Damit wäre das halt im 21. Jahrhundert möglich, wenn man eben nicht diese Möglichkeit zur Verfügung hat. Und wir haben auf Anticosti ja auch schon so mit Yannick gesprochen.“ lächelte ich, weil ich es ehrlich gesagt auch nicht unbedingt erklären wollte. Das würde zu lange dauern.
„Du schmiedest Pläne um in deine Zeit zu reisen, Kind? Hatte ich nicht gesagt, dass...“ dröhnte mir Odins Stimme im Kopf, welche ich aber unterbrach. „Ja, das hast du. Doch ich werde ja nicht dort bleiben, sondern lediglich jemanden seinen Wissensdurst stillen lassen. Wir werden nur kurz dort verweilen!“ ich klang bockig, ich hörte es selber! Was sollte er schon groß machen? „Oh, ich kann dich bestrafen und dann wirst du schon spüren, was es heißt, sich mir zu widersetzen!“ mir wurde schwindelig und ich konnte den Zorn spüren, welchen er mir entgegenbrachte. Langsam taten mir die Knochen weh, ich hatte das Gefühl, als würde man sie zermahlen!
„Muss ich weitermachen, oder hast du mich verstanden?“ wieder brüllte er mich an und ich spürte seine Präsenz. Doch nicht nur die, plötzlich fühlte ich eine beruhigende Hand an meinem Arm und hörte die Worte „Lasst meine Frau diese Reise antreten!“ von Haytham in seiner Templerart. „Ihr wagt es, mir zu sagen, was ich dulden soll und was nicht?“ in seiner Wut, spürte ich immer mehr, wie mein Körper schmerzte und konnte mich nicht mehr beherrschen. Ich schrie vor Schmerz auf und fühlte, wie ich auf dem Boden kauerte. Immer noch mit Haytham an meiner Seite!
„Ihr werdet sie kaum von ihrem Vorhaben abhalten können! Alex weiß, was sie tut und ihr habt sie ja auch dort unter Kontrolle, wenn es euer Wunsch ist!“ Haythams Stimme war lauter geworden und in ihr klang jetzt Besorgnis mit. „Also schön, dann tut es!“ und mit einem Male waren die Schmerzen verflogen und ich richtete mich schwer atmend langsam wieder auf. „Ich werde keinen Schaden anrichten!“ sprach ich jetzt noch in die Stille des Raumes. „Wir werden sehen!“ kam es ungehalten zurück.
„Alex, geht es wieder? Brauchst du etwas? Du klangst, als würde dir jeder Knochen im Leib gebrochen!“ hörte ich meinen Templer fragen. „Ja, es geht schon wieder. Aber die Schmerzen waren tatsächlich ähnlich.“ etwas schwerfällig erhob ich mich und setzte mich auf das Sofa vor dem Kamin. Ich brauchte eine Weile und ein Glas Brandy, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich besser kein falsches Spielchen mit Odin treiben sollte. Verärgern wollte ich ihn ja nicht, aber was war so schlimm an einem kurzen Besuch?
Doch bevor Haytham und ich weiter darüber nachdenken konnten, hörte ich schon unseren Sohn nach uns rufen. „Da ist noch jemand ungehalten, mi amor!“ meinte ich grinsend und stand auf. Mein Mann hielt mich noch kurz fest und gab mir einen Kuss. „Ich glaube an dich und daran, dass du mehr als loyal deinen Verbündeten gegenüber bist, mi sol. Und ich muss es gestehen. Ich bin schon gespannt, wie dieser Besuch wird.“ sein Lächeln brachte meine Nerven wieder zur Ruhe und ich atmete tief durch. „Ich auch.“ gestand ich leise und dann gingen wir hinüber zu unserem Sohn.
Ich ließ Faith eine Nachricht zukommen, dass ich mich mit ihr bezüglich einer Reise besprechen müsste, welche keinen Aufschub duldete. Die Antwort kam auch prompt heute morgen an. Sie teilte mir mit, dass sie im Laufe des Vormittags hier vorbeikommen wolle, da sie noch im Hospital etwas zu erledigen hätte und in der Nähe sei! Erleichtert las ich ihre Zeilen und wir berichteten Jenny von unseren Plänen, ebenso weihten wir Mrs. Wallace ein.
„Ihr braucht mich dann nicht, nehme ich an?“ fragte sie etwas enttäuscht. „Nein, es sind genügend Personen vor Ort, welche sich sicherlich gerne mit Master Edward beschäftigen wollen.“ lächelte ich sie an, um ihr zu zeigen, dass es nicht gegen ihre Person ginge. Etwas zögerlich kam ein „Ich würde es zu gerne auch sehen.“ von ihr. Wie gut konnte ich sie verstehen, doch das wäre ein zu großes Risiko und ich konnte und wollte es nicht eingehen.
Ein wenig Bedenken hatte ich auch wegen Shay. Wer weiß, wie er auf unseren Vorschlag reagieren würde. Bisher habe ich mich nie mit ihm über meine Zeit, außer ein paar privaten Dingen, unterhalten. „Seine Neugierde wird sicherlich überwiegen, mi sol. Und vergiss nicht, wenn Faith etwas will, dann bekommt sie es und sie wird ihn schon überzeugen. In ihrer ganz eigenen Art.“ dieses süffisante in seiner Stimme ließ mich lachen, natürlich würde sie zur Not die Waffen einer Frau einsetzen, wenn es sein musste. Genau wie ich auch. Mein Mann ist durchaus schon das ein oder andere Mal in diesen „Genuss“ gekommen und ich war mehr als überzeugend, wenn ich mich einfach einmal selber loben darf!
Gegen 10 Uhr kündigte der Diener Eheleute Cormac an und wir gingen auf die hintere Terrasse. Edward war mit Mrs. Wallace und Jenny im Obstgarten, um, wie meine Schwägerin es nannte, ihm weiter die Kräuterkunde näher zubringen und nicht immer Pferde! „Du hast mich mit der Nachricht neugierig gemacht, Alex. Sag schon, wo wollt ihr hin?“ grinste mich meine Schwester breit und voller Erwartung an. „Wir werden ins 21. Jahrhundert reisen, mo rionnag!“ mehr sagte ich nicht und wartete auf ihre Reaktion.
Faith reagierte nicht, sondern Shay. „Was? Ihr wollt wirklich hinüber gehen? Wann denn und warum jetzt?“ in seiner Stimme klang eine gewisse Neugierde mit, welche mich vermuten ließ, dass er auch zustimmen wird. „Das WANN steht noch nicht fest, weil ich wissen muss, ob ihr BEIDE bereit dafür seid!“ wieder machte ich eine Pause und sah die Eheleute lächelnd an. „Alex... ich... du würdest das Risiko wirklich eingehen?“ Faiths Stimme hatte einen ungläubigen Ton angenommen.
„Ich gehe es ein, weil ich gesehen habe, dass du gerne einmal dorthin möchtest und mehr über diese Urechsen, wie ihr sie nennt, erfahren möchtest. Das bietet sich an, weil Yannick und Alex diese Leidenschaft teilen und es jede Menge Bücher und Figuren bei meinem Sohn gibt!“ Haytham drückte meine Hand wie zur Bestätigung. „Ich darf wirklich mitkommen?“ ihr Blick glitt zu ihrem Mann, zu Haytham und dann zu mir. Nun war es aber an mir, ihr zu berichten, dass ihr Bruder schon einmal dort war.
„Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass mein werter Gatte bereits einmal mit in meiner Zeit war, Faith. Kurz vor dem Ball mussten wir ein Portal in der Nähe der Themse versiegeln und... ich bin einfach mit ihm hindurch. Es war nur kurz und du weißt, dass Haytham danach diesen Husten hatte. Darauf müsstet ihr euch vielleicht einstellen.“ ich sah die beiden an und sie sahen sich ebenfalls fragend an. „Das würde ich in Kauf nehmen, Alex. Aber...“ ich wusste, sie spielte nun auf ihren Ehemann an. „Shay wird dich ebenfalls begleiten, doch mehr geht dann nicht. Nur Edward werde ich mitnehmen müssen, da ich nicht weiß, wie lange die Zeit hier verstreicht und ähnliches.“ Ein wenig kamen die Bedenken in mir hoch, dass Faith ohne die Kinder ebenfalls ablehnen würde, doch ihre Neugierde und Wissbegierigkeit siegten.
„Wie lange werden wir dort bleiben, Alex?“ fragend sah mich Shay an. „Ein paar Tage, oder auch nur einen... ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Doch bevor ihr fragt, die Zeit, welche wir bei Yannick verbringen, werde ich auch hier verstreichen lassen. Ich kann kein Ungleichgewicht hineinbringen, was das Altern von uns angeht, auch wenn es nur ein paar Tage sind.“
Wieder sahen sie sich an, als sie zustimmend nickten. „Ich freue mich darauf!“ kam es lächelnd von Faith. Ich war froh, dass auch Shay einfach so zustimmte. Erleichtert machten wir noch den nächsten Tag aus. „Und bitte, ihr müsst keine Waffen oder ähnliches bei euch tragen. Was ihr an Kleidung tragt, kann auch einfach sein. Wir werden dort eingekleidet. Faith, du bekommst von meiner alten Garderobe etwas und die Herren werden entsprechend von Tobias und William eingekleidet.“ ich hatte mir nämlich darüber schon Gedanken gemacht.
Haytham ist ein Anzugtyp und Shay... auch er würde in etwas ähnliches, wenn auch legerer, gesteckt. Bei Faith machte ich mir weniger Gedanken, sie konnte sich aus meinem „Erinnerungskoffer“ einfach bedienen.
Für mich hieß es jetzt, mich zu beruhigen! Ich war plötzlich wahnsinnig nervös und hibbelig, was meinem Mann sichtlich missfiel und auch Edward war mehr als nörgelig auf einmal. „Entschuldigt, aber ich... freue mich so...“ mit diesen Worten rannte ich beim Abendessen aus dem Esszimmer, hinaus auf die Terrasse, wo ich stehenblieb und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
War es wirklich richtig? Was passiert, wenn einem von ihnen etwas zustieß? Oder wir nicht zurückkamen, weil es unvorhergesehene Katastrophen gab? Bei Odin... „Ja, ich hatte dich gewarnt! Du gehst nun dieses Wagnis ein, also wirst du auch für die Konsequenzen grade stehen, mein Kind!“ er sprach nicht drohend mit mir, sondern tadelnd und leise. Eine Art, welche mich noch mehr verunsicherte! „Ich weiß...“ meinte ich kleinlaut und brach in Tränen aus. Wollte ich diese Verantwortung für so viele Menschen auf einmal tragen?
Doch mir kam wieder dieser sehnsüchtige Blick meiner Schwester in den Sinn, als ich von meiner Zeit berichtete. Auch wusste ich, dass mein Mann immer noch mehr wissen wollte. Sie alle waren im Grunde begierig darauf zu erfahren, WIE ich vorher gelebt hatte. Und ich vermisste mein altes Leben, wenn ich ehrlich sein soll. Mir fehlten hin und wieder diese Annehmlichkeiten wie fließendes Wasser aus dem Hahn, mein morgendliches Kaffeeritual, das Internet und, ich gebe es nicht gerne zu, doch ich vermisste die schnelle Nachrichtenübermittlung. Wobei ich diese ja jetzt schon hatte durch meine Götterfähigkeiten!
Als ich wieder im Esszimmer saß, grübelte ich immer noch vor mich hin. Natürlich entging auch meinem Sohn meine geistige Abwesenheit nicht. Immer wieder stupste er mich an, doch ich konnte mich einfach nicht darauf konzentrieren. „Mi sol, Edward hat Hunger. Würdest du ihn bitte füttern?“ hörte ich die etwas unwirsche Stimme meines Mannes und sah ihn verwirrt an. Unser Sohn saß auf meinem Schoß mit zitternden Lippen und ich hörte ein leises „Mamaaa“
Bei Odin... wie konnte mir das passieren? „Du hast zu sehr an dein erstes Kind gedacht! Das kommt dabei raus, wenn man sich nicht an die Absprachen hält!“ hörte ich Odin, daneben war dieses mal auch Iduns Stimme vorwurfsvoll in meinem Kopf. Ich konnte nicht anders, ich drückte Haytham unseren Sohn auf den Schoss und eilte erneut hinaus! Mein inneres Gleichgewicht drohte zu kippen, weil mir nämlich ein sehr böser Gedanke gekommen war.... Ich könnte einfach dort bleiben, niemand könnte mich daran hindern, ich könnte auch einfach so heute Nacht aufbrechen... es wäre mir... egal?
War ich wirklich so egoistisch? Ja, ich hatte bereits einmal ein Kind einfach zurückgelassen! „Mach dich nicht lächerlich, Yannick ist alt genug um auf sich aufzupassen! Das weißt du auch!“ erschrocken hörte ich die Stimme von Marius und sah diesen Nebel mit seiner Silhouette neben mir. „Ich weiß das, trotzdem bin ich gegangen...“ meinte ich tränenerstickt. „Unser Sohn vermisst dich, natürlich, aber er hat eine eigene Familie und weiß, was er an dir hat. Auch ich vermisse ihn und bereue so einiges. Unser Sohn meistert sein Leben und wird das Vermächtnis für sich und die Kinder weiterführen. Alex, bitte! Du wirst ein paar Tage hinübergehen, dann kehrst du wohlbehalten wieder ins 18. Jahrhundert zurück. So will es das Schicksal und wenn du zweifelst, dann kann ich auch persönlich vorbeikommen und dir in den Hintern treten, wenn es sein muss.“ sein Lachen war mein Stichwort, bei welchem plötzlich alle Bedenken von mir abfielen.
Wie lange war es her, dass ich mit Marius solche Gespräche hatte? Ich konnte mich kaum daran erinnern, dennoch genoss ich es gerade. Er war wieder der Mann, welchen ich damals auf dieser Feier kennengelernt hatte. „Warum kannst du plötzlich auch hier sein, so wie Edward?“ meine Neugierde hatte mal wieder gesiegt. „Wir sind immer an deiner Seite, Alex. Vergiss das nicht! Ich habe auch immer ein Auge auf unseren Sohn und unsere Enkelkinder. Diese Möglichkeit ist berauschend und ich genieße es, wenigstens jetzt etwas mehr tun zu können, wie noch vor ein paar Jahren!“ ich hörte ein großes schlechtes Gewissen aus seiner Stimme. „Das ist gut zu wissen, Marius!“ flüsterte ich, doch als ich mich umdrehte, war er bereits wieder verschwunden.
An seiner Statt war mein Mann getreten und sah mich besorgt an. „Bist du sicher, dass wir das tun sollten?“ seine Arme schlangen sich einfach um mich und ich lehnte meine Stirn an seine Brust. „Ja, mir ist gerade klar geworden, dass ich nicht überall sein muss und kann. Es gibt noch mehr Menschen, welche mich und uns unterstützen. Ich kann nur einfach nicht diese Verantwortung so abgeben, das geht nicht so einfach!“ Haytham schob mich ein Stück von sich und sah mir in die Augen. „Hör mir zu, darüber haben wir uns schon ausführlich unterhalten. Du hast vieles aufgegeben, aber du bist nun hier und erfüllst deine Aufgabe und wirst nicht bestraft damit. Ich, nein, WIR sind froh und dankbar, dass du diesen Schritt getan hast.“ diese Worte waren Balsam für mich und ich schwelgte darin, genau wie in diesem Lavendel-Seife-Duft, welcher mich wieder umgab, wenn ich in seiner Nähe war.
Ich atmete tief durch und langsam kamen auch meine Nerven wieder zur Ruhe. „Danke, mi amor!“ meinte ich leise und gab ihm einen vorsichtigen Kuss. „Alex, ich liebe dich und ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, nur weil du hier bist, etwas falsch gemacht zu haben. Im Gegenteil, du erreichst gerade mehr, als ich es alleine könnte.“ seine leise Stimme beruhigte mich weiter und ich konnte weiter entspannen.
„Wo ist Edward? Es tut mir leid, dass ich so unachtsam vorhin war!“ mein schlechtes Gewissen drang wieder durch. „Sybill hat ihn zu Bett gebracht und ist oben bei ihm.“ Auch das beruhigte mich und dann trat Jenny auf die Terrasse. „Ich störe hoffentlich nicht?“ fragte sie leise. „Nein, natürlich nicht. Lasst uns noch ein wenig diese Ruhe genießen und ich bräuchte etwas zu trinken. Mein Hals ist ganz trocken...“ ich hatte es noch nicht ausgesprochen, da hielt ich ein Glas des guten Portweins schon in der Hand.
Wir berichteten Jenny noch von unserem Vorhaben und weihten sie in alles ein. Die Wachen würden wir dann auch entsprechend einweihen.
„Ich würde es auch zu gerne einmal sehen! Die Zukunft! Alex, es ist immer noch ein Rätsel für mich, wie das alles funktioniert. Als du damals hier zu Besuch warst, ahnte ich noch nicht, dass du aus einer anderen Zeit kamst.“ Jenny hatte es beim ersten Besuch noch nicht gewusst, erst später hatte ihr Vater sie eingeweiht.
„Mir ist immer noch schleierhaft, warum ICH keine Erinnerungen habe. Warum bleiben sie mir verwehrt?“ Für Haytham war es immer noch eigenartig, dass die Bilder an mich wie weg radiert waren.
Das war eigentlich als Schutzmechanismus gedacht, Haytham. Du solltest nicht sofort erkennen, wer vor dir steht. Wir mussten sicherstellen, dass ihr euch langsam annähert. Hörten wir Lokis Stimme plötzlich.
„Das mag ja sein, aber es hätte doch vieles vereinfacht, oder nicht?“ fragte nun auch Alex nach und Jenny sah uns mit großen Augen an. Auch sie hatte diese Worte vernommen!
Sicherlich wäre es einfacher gewesen und auch wir haben ein schlechtes Gewissen. Doch wir wollten wissen, wie ihr euch mit diesem Wissen oder eben im Falle von Haytham Unwissen schlagt! Und seid ehrlich, ihr habt euch richtig kennengelernt, oder? Die Letzten Worte kamen zynisch bei uns an und ich sah Finley vor mir, wie er breit grinste.
„Mamaaaaaaaaa“ brüllte mir eine Stimme ins Ohr und ich hatte eine angesabberte Hand auf meiner Wange. „Edward, was... hat dich Papa schon ins Bett geholt? Wie spät ist es?“ nuschelte ich die Worte vor mich hin, weil mein Kopf noch wie benebelt von der letzten Nacht war. In meiner Erinnerung sah ich noch den Stall, die Pferde und Heu, auf welchem ich lag... und natürlich durfte mein Mann nicht in diesen Bildern fehlen! Vermutlich hatte ich schon wieder ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht in diesem Moment!
„Guten morgen, mi sol!“ hörte ich Haytham und er hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Unser Sohn war der Ansicht, er müsse nun ganz dringend herum klettern und laut alles kommentieren was er sah. Das sind Momente, welche für einen Morgenmuffel wie mich, nicht unbedingt erstrebenswert sind. Ich ergab mich aber meinem Schicksal und setzte mich auf, was Edward sofort als Einladung zum Aufstehen betrachtete. „Ham... Mamaa.... ham!“ ich dankte Sybill in diesem Moment, dass sie bereits wach war und uns den kleinen Quälgeist abnahm, mit den Worten „Guten Morgen, Master Edward. Heute wird ein spannender Tag für euch...“ die restliche Konversation hörten wir nicht mehr und sie waren aus dem Zimmer verschwunden.
„Ich fühle mich wie erschlagen und ich habe Muskelkater, mi amor.“ grinste ich meinen Templer an. Alternative Plätze für ein wenig Zweisamkeit sind ja ganz nett, doch die Bequemlichkeit lässt zu wünschen übrig. „Ich kann dich gerne ein wenig massieren, mi sol.“ flüsterte er an mein Ohr. „Ich wäre euch unendlich dankbar, Master Kenway!“ hauchte ich und bekam eine wesentlich komfortablere Zweisamkeit mit meinem Mann, welche wir beide einfach genossen.
So konnte ich entspannt zum Frühstück nach unten gehen, wo ich auch noch meinen Kaffee bekam. In drei Stunden würden Shay und Faith hier erscheinen, damit wir aufbrechen konnten. Noch einmal instruierte ich Jenny, Mrs. Wallace und die Wachen, was zu tun sei, sollten wir nicht spätestens in sieben Tagen wieder zurück sein. Im Grunde konnten sie nichts ausrichten, dass wusste ich. Aber sie mussten Master Williams Bescheid geben, Master Bradshaw sollte Nachricht erhalten, sowie auch Elias! Außerdem galt es immer noch, Eugene nicht zu vergessen. Das alles begleitete mich in den nächsten Stunden. Auch wenn ich wusste, dass ich „überwacht“ werden würde die ganze Zeit!
Dann endlich konnten wir aufbrechen. Ich sah, wie Faith nervös herumzappelte. „Mo rionnag, alles wird gut. Es wird sich anfühlen, als würde man durch eine Röhre gezogen. Doch dann ist es auch schon nach ein paar Sekunden vorbei!“ hörte ich mich sprechen, doch es war mehr zu meiner eigenen Beruhigung, als zu ihrer. Waffen hatte ich allesamt ablegen lassen, sie würden sicher im Kellergeschoss verwahrt werden, bis wir wieder hier sind.
Jetzt standen wir im Eingangsbereich, Haytham hatte Edward auf dem Arm, Shay und Faith hielten sich ebenfalls an den Händen und ich berührte den Armreif an meinem Handgelenk. Doch bevor das Portal erschien, tauchte Odin vor mir auf. „Wage es nicht, die Zeit zu ändern! Wage es nicht, mich zu hintergehen! Ich sehe dich, ich kontrolliere dich!“ diese drohenden Worte in meinem Kopf sollten mich an meine Bestimmung erinnern. Das taten sie, aber sie machten mich nicht mehr nervös oder unsicher. Nur der Gedanke, dass ich noch nicht wusste, wo Hrymr abgeblieben ist, machte mir Angst!
In meinen Gedanken stellte ich mir nun die Räumlichkeiten in meiner alten Wohnung vor, ich stellte mir meinen Enkel wieder vor... es war wie hier, Sommer, es war Mittag wie hier... dann hörte ich das mir so vertraute Pfummmp und am Fuße der Treppe waberte das Gebilde vor uns auf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich musste mich an meinem Mann festhalten. „Alex, gehen wir jetzt einfach... da hinein?“ fragte mich Faith etwas unsicher. Ich sah zu Haytham und er nickte mir nur zu. Meine Hand nahm die meiner Schwester und wir gingen in diesen Wasserspiegel hinein.
Für einen Moment fühlte es sich wieder so schwerelos und völlig unwirklich an, doch dann stand ich... in meinem alten Wohnzimmer mit Blick auf den Balkon! „MOM!“ hörte ich einen erfreuten Schrei und spürte Arme, welche mich hochhoben und drückten! Ich war... zuhause... schoss es mir in den Kopf. Mir liefen die Tränen, ich konnte sie nicht stoppen. Ich schloss Melissa in meine Arme und dann trat Alex auf mich zu. „Oma... ich hab dich vermisst!“ Ich kniete mich hin und umarmte auch ihn. Hinter den Beinen von Melissa erschien ein kleines dunkelblondes Mädchen, welches mich misstrauisch beäugte. „Das ist Oma Alex und Opa Haytham, Schatz. Keine Angst.“ sprach ihre Mutter leise zu ihr und langsam kam sie auf mich zu.
Mit großen grünen Augen sah sie mich an und dann... huschte dieser Schleier darüber! Ich konnte nicht anders... „Kleine Maus, was siehst du jetzt?“ fragte ich. „Du bist ganz gelb leuchtend. Papa sagt, das sind gute Menschen und ich brauche keine Angst haben!“ Du meine Güte, auch sie hatte den Blick geerbt! Langsam schritt sie weiter auf mich zu und dann umarmte sie mich. „Das ist unsere Oma, du brauchst doch keine Angst haben, Franzi. Du bist wirklich ein Angsthase manchmal!“ kam es von klein Alex und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
„Deine Schwester ist kein Angsthase, sie ist vorsichtig und daran ist nichts schlimmes, okay?“ sprach ich jetzt etwas mahnender. Große Brüder konnten mitunter überheblich werden, doch auch Melissa meinte noch, er solle nicht immer so böse sein.
Nach der ganzen Begrüßung, gingen wir auf den Balkon. Ich für meinen Teil brauchte einen Moment um anzukommen, die Besichtigung der Wohnung und der Schlafplätze würde dann später kommen. Auch würden wir noch erklären müssen, wie eine Dusche funktionierte, wie eine Toilette zu nutzen sei und... ja... das Licht, die ganzen Gerätschaften... im Grunde hatte ich mir noch keine weiteren Gedanken darüber gemacht.
Als wir aber nun hier draußen standen, spürte ich, dass es mehr als nur warm war und ich ja Kleidung geordert hatte für uns alle. Edward würde die Sachen von meinem Enkel bekommen und ich war gespannt, wie er sich in den Pampers fühlen würde. Eine Wohltat für mich, da ich nicht alle gefühlte fünf Minuten diese wechseln musste. Mein kleiner Sohn ließ sich auch ohne zu Murren, was mich wunderte, von meiner Schwiegertochter in Franziskas Zimmer bringen und umziehen.
„Ich denke, auch wir sollten uns eine andere Garderobe zulegen. Gentlemen, begleitet doch bitte meinen Sohn in das Zimmer von Alex und wir Faith, werden ins Schlafzimmer gehen. Dort hast du ein kleines Sortiment aus meinem alten Kleiderschrank.“ zwinkerte ich und schob meine Schwester über den Flur zum besagten Raum. Mein Mann und auch Shay würden mithilfe von Yannick nun eingekleidet und ich hoffte, dass meine Schätzung richtig war, was die Größen anging.
Tobias, William und Yannick hatten um eine Art „Kleiderspende“ gebeten und man hatte wohl einiges hierher gebracht. Wie gesagt, ich freute mich auf das neue Erscheinungsbild meines Mannes. Zur Not würde es auch ein Handtuch... aber lassen wir das!
Als ich nun mit meiner Schwester in meinem alten Schlafzimmer stand, überkam mich mit einem Male diese Nostalgie und ich schritt auf den hier angrenzenden zweiten Balkon und sah in unseren Garten. Es hatte sich nicht viel verändert, musste ich enttäuscht feststellen. „Alex, ist alles in Ordnung?“ hörte ich Faith hinter mir und drehte mich langsam um. „Ja, es ist nur … seltsam. Ich bin zuhause, Faith! Dort wo ich fast 20 Jahre gelebt habe.“ ich atmete schwer, mir krampfte sich das Herz zusammen! Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
„Wir ziehen uns jetzt um und dann gehen wir wieder zu den anderen. Zeig mir, was du für Kleider hast, ich bin doch so neugierig!“ lachte Faith, als sie mich zum Bett zog, wo schon der Koffer bereitlag. Sofort fiel mir ein Kleid ein, welches ihr besonders gut stehen würde. Ich griff danach und reichte es ihr. „Das ist alles?“ kam es ungläubig von Faith. „Nunja, du bekommst noch die passende Unterwäsche und das war es dann...“ Faiths 21.Jhdt Garderobe
Ich selber nahm mein Lieblingsstück heraus und da es eh sehr warm hier war, befand ich es mehr als passend. Alex´ 21.Jhdt Garderobe Vermutlich hatte ich es schon erwähnt, doch ich liebe schwarz... mein Kleiderschrank war immer sehr übersichtlich, was die Farben anging. Mit diesen Worten begannen wir, uns umzuziehen. Als wir uns völlig nackt gegenüberstanden, musste ich an mich halten, sie nicht postwendend auf das Bett zu werfen. Auch Faith ging es nicht anders, wie es schien, doch wir konnten uns gerade noch so zusammenreißen.
Ich reichte meiner Schwester nun einen meiner BH´s und sie sah mich mit großen Augen an. „Was soll ich denn damit?“ ich erklärte ihr, wie man ihn anlegte und sah dann in ein mehr als zufriedenes Gesicht. „Das fühlt sich großartig an, kein eingeschnürt sein mehr. Jetzt kann ich dich sogar noch ein bisschen mehr verstehen.“ lachte Faith. Ich muss sagen, ihre Brüste kamen wirklich gut in diesem BH zur Geltung!
Schuhe waren gerade Mangelware, also gingen wir erst einmal barfuß wieder ins Wohnzimmer. Dort erwarteten uns Haytham und Shay bereits in ihrer neuen Aufmachung und … ich muss gestehen, wenn ich nicht schon mit diesem Mann verheiratet wäre, ich würde ihn auf der Stelle erneut ehelichen. Shays 21.Jhdt Outfit und Haythams 21.Jhdt Outfit Faiths Blick glitt über ihren Ehemann und man sah, dass sie damit sehr zufrieden war und lächelte ihn an.
„Ich wusste, du bist eher der Anzugtyp, mi amor!“ meinte ich grinsend und er sah mich immer noch mit großen Augen an. „DAS ist alles was du trägst, mi sol? Da sieht man ja alles, das... ich weiß nicht.“ obwohl sein Blick anerkennend über mich glitt, konnte er nicht über seinen moralischen Schatten springen. Diese Garderobe geziemte sich nicht für eine Frau, das war mir klar. Doch sie waren jetzt in meiner Zeit und mussten sich, ebenso wie ich in ihrer Zeit auch, anpassen. „So etwas trägt man halt und glaub mir, es ist sehr bequem und angenehm.“ ich sah mit einem tiefen Augenaufschlag zu ihm auf. „Denk an deine Lektionen, mi sol. Sie wachsen wieder an!“ sprach er jetzt leise.
Es war aber nicht nur Haytham, welcher mir einen komischen Blick zugeworfen hatte, sondern auch Edward. Er sah in diesem T-Shirt und den Shorts zum Anbeißen aus, beäugte mich aber weiterhin skeptisch, genau wie er seinen Vater betrachtete. „Mamaaaaa!“ kam es dann laut mit ausgestreckten Ärmchen und ich übernahm ihn. „Schätzchen, diese Sachen stehen dir ja richtig gut. Melissa, du hast eine gute Wahl getroffen.“ lächelte ich sie an. „Edward war auch ganz lieb, nur bei der Windel war er etwas knatschig. Ich gehe davon aus, er gewöhnt sich noch daran! Die andere habe ich in die Waschmaschine schon mal geschmissen, ich hatte eh noch Handtücher zu waschen!“ praktisch gedacht und ich dankte ihr.
Wir wurden aus unseren Gedanken gerissen, weil es klingelte und ich sah mich erschrocken um. „Mom, das sind wahrscheinlich nur Tobias und Marie. William ist gerade nicht im Lande, er ist in Ägypten unterwegs.“ Yannick bemerkte meinen fragenden Blick. „Er macht dort Urlaub, mehr nicht!“ erklärte mein Großer zur Beruhigung.
In der Tür erschienen kurz darauf die beiden angekündigten Gäste. Wie angewurzelt blieben sie stehen mit großen Augen. Vermutlich hatten sie noch mit der ursprünglichen Kleidung gerechnet. Ich ging auf sie zu und begrüßte sie. „Es ist so schön dich wiederzusehen, Alex.“ meinte Marie seufzend. „Ich freue mich auch!“ mal wieder ging eine Begrüßungsrunde los, nach welcher wir uns dann auf den Balkon setzten und Yannick uns fragte, was wir essen wollen würden. Im Grunde war es mir gleich, doch ich hatte ja schon Fastfood angesprochen. „Dann sollte ich mal losfahren, was denkt ihr? Möchte mich jemand begleiten?“ fragte er in die Runde.
Es waren Haytham, Shay und Faith welche sofort ansprangen. Also machten sie sich auf den Weg und ich hatte hier plötzlich das Gefühl, als sei ich nie weg gewesen. Es gab nicht viele Veränderungen, das hatte ich ja schon bemerkt, doch das gab mir ein beruhigendes Gefühl. Ich nahm meinen Sohn auf den Arm und führte ihn durch die Wohnung, während meine Schwiegertochter mit Franziska und Alex den Tisch deckte.
Yannick hatte tatsächlich Bilder von mir aufgehängt, was mich freute. Edward zeigte hin und wieder auf eines und meinte strahlend „Mamaaa daaaa!“ Es gab eine neue Küche, die Möbel im Esszimmer hatten sich geändert und das Bad war ganz neu. Ich erklärte meinem Schatz, wofür was ist. Mit großen Augen verfolgte er das Spiel mit den Lichtschaltern und patschte dann selber darauf und quietschte, wenn es hell wurde. Auch eine Kleinigkeit, welche ich vermisste. Als ich wieder auf den Balkon trat, unterhielt sich Marie eingehend mit meinem Enkel, welcher ihr von seinen ersten Noten in der Schule berichtete. „Und dann hab ich aber eine 4 bekommen, weil ich nicht das geschrieben habe, was meine Lehrerin wollte. Aber wir sollten über unsere Familie schreiben und da hab ich von Oma und Opa Haytham erzählt. Die wollten mir nicht glauben, Tante Marie.“ hörte ich ihn traurig sagen.
„Alex mein Schatz. Du darfst doch nicht einfach so allen Leuten von uns erzählen!“ meinte ich etwas in Panik, weil es wirklich gefährlich werden könnte, genauso wie seine Heilungsfähigkeiten. „Ich habe doch auch nur geschrieben, dass ihr nicht mehr bei uns seid. Wir euch aber in Gedanken oft besuchen können!“ dieser Satz rührte mich zu Tränen und ich verstand in diesem Moment sein Unverständnis. Ich drückte meinen Enkel an mich. „Dann sollten Papa oder Mama mal mit dieser Frau reden.“ sagte ich bestimmt. „Mama geht morgen zur Schule hin und wird ihr erst mal die Meinung geigen!“ mit stolz erhobenem Kopf stand er nun vor mir. „Das wird sie, mein Schatz!“ ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, da ich mir meine Schwiegertochter gerade bei einer Standpauke vorstellte.
Ich setzte Edward jetzt auf den Boden zu seiner Nichte und seinem Neffen, so konnten die drei ein bisschen spielen bis das Essen da war. „Ich hoffe, den dreien wird nicht schlecht im Auto.“ mir kam nämlich der Gedanke, dass sie es ja überhaupt nicht kannten! „Da mach dir keine Sorgen, Yannick fährt vorsichtig und ich konnte es ja auch vertragen. Weißt du nicht mehr?“ fragte Marie mit einem breiten Grinsen. Stimmt, es hatte sie kaum Überwindung gekostet. Im Gegenteil, ihr staunender Blick ist mir noch in guter Erinnerung!
Dann endlich erschienen sie alle wieder heile und unversehrt bei uns. Mir stieg dieser Geruch von Frittierfett und Fastfood in die Nase, was mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Die einzelnen Gerichte wurden schnell verteilt. Aber Haythams fragender Blick entging mir nicht. Also erklärte ich, was sie dort auf dem Teller vor sich hatten und vor allem, dass wir mit den Fingern essen würden. Edward war vermutlich in diesem Moment der einzige aus dem 18. Jahrhundert, welcher sich über diese Tatsache freute. Er griff einfach zu und stopfte sich die ersten Pommes in den Mund. „Glaub mir, mi amor. Es ist köstlich und ab und an muss man auch mal so etwas ungesundes essen. Ich habe es so wahnsinnig vermisst!“ und ich biss herzhaft in meinen Burger! Dieser erste Bissen... es war der Himmel auf Erden und ich stöhnte selig!
„Es gibt demnach noch mehr Dinge, die dir solche Laute abringen, mi sol. Ich brauche anscheinend eine Liste, damit ich weiterhin mithalten kann.“ lachte Haytham leise und biss ebenfalls herzhaft in seinen Hamburger. Faith und Shay hatten da weniger Scheu, zumal Pommes ja jetzt auch nichts ungewöhnliches mehr für sie darstellten. Der Rest würde sie schon begeistern, da war ich fest von überzeugt. Mein kleiner Schatz bekam dann noch die Nuggets und zum Abschluss ein kleines Eis. In seinem kleinen Gesicht spiegelten sich mit einem Male unendlich viele Emotionen wieder, doch dieser Wohlfühl-Ausdruck blieb hängen.
„Wie war denn die Fahrt?“ fragte ich die drei nach einer Weile. „Ihr seid sehr schnell unterwegs ist mir aufgefallen und so viele von diesen... wie heißen sie noch? … Autos genau... Es ist ziemlich hektisch, aber spannend war es schon.“ meinte Shay zufrieden. „Faszinierend wie eure Straßen aufgebaut sind und diese vielen hohen Gebäude. Dieses Ding, was auf den Schienen an uns vorbei fuhr, war aber dann doch sehr beängstigend.“ Hörte ich Faith sagen. „Züge, ja, die sind schon beeindruckend.“ stimmte Marie nun zu und sie erzählte von ihren eigenen Erfahrungen und berichtete über ihre anfänglichen Schwierigkeiten hier.
Irgendwann lehnte ich mich satt und zufrieden zurück. „Das war einfach so geil. Vielleicht sollten wir diesem Fastfood vorgreifen und so etwas schon einmal ins Leben rufen?“ ging es mir im Kopf herum und ich erntete ungläubiges Kopfschütteln. „Nein, Mom. Keine gute Idee. Lass das!“ hörte ich Yannick in einem leichten Befehlston und ich musste nur eine Augenbraue hochziehen. „Schuldigung... aber das ist... oh, du meintest das gar nicht wirklich ernst!“ ein zustimmendes Gelächter von den anderen und wir widmeten uns den Kindern.
Als ich zu Edward sah, schlief er auf Haythams Schoß, mit ein paar Pommes in der Hand. Melissa zückte ihr Handy und machte ein Bild davon, was mein Mann misstrauisch verfolgte. Doch sie kam um den Tisch herum und zeigte ihm das Resultat. „Das ist unheimlich, wisst ihr das?“ ich hatte schon befürchtet, dass der Ausdruck „Teufelswerk“ kommt, doch Haytham war zu gut erzogen und aufgeklärt, als dass er sich dazu hätte hinreißen lassen!
Ich brachte jetzt unseren Sohn zu Bett, Yannick hatte ein Reisebett bei Franziska aufgestellt, da auch sie jetzt schlafen gehen sollte. Alex würde noch etwas aufbleiben dürfen. Windeln wechseln war eine Leichtigkeit, der kleine Mann bekam kaum etwas mit, da es schnell erledigt war. Leise sang ich ihm sein Lied vor und auch meine Enkelin lauschte aufmerksam. „Oma, das Lied ist aber schön. Dieser Baum von dem du singst, können wir den einmal in Echt sehen?“ erstaunt sah ich sie an. „Franziska, du hast den Text verstanden?“ mein Erstaunen konnte ich kaum unterdrücken, im selben Moment sah sie mich mit großen Augen an. „Aber natürlich, warum... Oma, bin ich böse gewesen? Darf ich das nicht wissen?“ sie fing bitterlich an zu weinen, schnell nahm ich sie in die Arme.
Ich erklärte ihr, dass ihr niemand böse ist und sie anscheinend ein Sprachtalent hatte. Auch versuchte ich sie darauf hinzuweisen, dass sie das weiter üben sollte mit Mama oder Papa. „Ich bin stolz auf dich, kleine Maus!“ ich gab ihr noch einen dicken Kuss und sie kuschelte sich in ihr Bett. „God nat bedstemor. Jeg elsker dig.” kicherte sie nun leise. ”Jeg ønsker dig også en god nat, min lille mus.” antwortete ich. (Gute Nacht Oma, ich habe dich lieb / Ich wünsche dir auch eine gute Nacht, meine kleine Maus.) lächelnd verließ ich das Zimmer der beiden. Für einen Moment lehnte ich im Flur an der Wand. Mir liefen die Tränen, weil ich sah, was diese Kinder alles noch zu lernen hatten. Und warum? Weil ich diese Reisen angetreten bin und ich hoffte, sie würden ihre Zukunft meistern können.
”Mi sol, was ist? Geht es dir nicht gut?” hörte ich die leise Stimme meines Mannes und spürte seine Arme um mich. ”Alles in Ordnung, wirklich. Aber Franziska scheint ein Sprachtalent zu haben. Sie kann Dänisch verstehen und sprechen. Das ist... ich bin gerade einfach begeistert.” zu mehr kam ich nicht, weil mein Enkel mich in Beschlag nahm. ”Oma, jetzt komm endlich. Ich will dir mein Zimmer in Ruhe zeigen!” damit zog er mich hinter sich her, auch sein Großvater folgte uns. In seinem Reich angekommen, staunte ich nicht schlecht. Es war aufgeräumt und sogar Staub gewischt. Die Erklärung war aber einleuchtend, Melissa hatte ihrem Sohn eine Strafe angedroht, wenn er nicht Ordnung macht, wenn wir erscheinen! Ich musste grinsen, wer kennt diese Sätze von seiner Mutter nicht?
Als mein Enkel dann auch im Bett war, ließen wir den Abend auf dem Balkon noch ausklingen. Es war wunderbar warm und mein großer Sohn hatte extra für mich meinen Lieblingssekt eingekauft, was ich freudig feststellte. Tobias und Marie verabschiedeten sich jedoch gegen 21 Uhr, weil ihr Babysitter auch nach Hause musste. Der Abschied war ein wenig traurig mal wieder und als der deutsche Großmeister mich in den Arm nahm, hörte ich ihn leise flüstern „Wir sind mehr als dankbar, für das, was du erreicht hast und du kannst sicher sein, dass wir bis jetzt immer mehr zusammen gewachsen sind!“ Dann waren sie aus der Tür und in mir breitete sich ein gewisser Frieden aus.
Hatte ich wirklich diesen Waffenstillstand geschaffen? Würde er länger als nur ein paar weitere Jahre andauern? Ich hoffte es für meine Familie, welche sich nun über mehrere Jahrhunderte erstreckte, wenn ich es recht bedachte. Ich sah meinen Mann an, welcher angeregt mit Yannick über die Technik diskutierte und sich jede Kleinigkeit bezüglich eines Fernsehers erklären ließ. In diesem Moment war Haytham wieder der kleine 9 jährige, wissensdurstige Junge, welcher alles wie ein Schwamm aufsaugte. Neben ihm aber waren auch die Cormacs genauso neugierig. Kurzerhand überließ ich diese Gruppe sich selber.
Ich half meiner Schwiegertochter beim Abräumen und in der Küche. NATÜRLICH war Haytham nicht begeistert davon. „Wer soll es denn sonst machen, Haytham? Wir haben keine Bediensteten, dafür reicht hier gar nicht der Platz!“ grinste Melissa, als sie seinen mürrischen Blick sah und machte einfach ungerührt weiter. Sie hatte keine Scheu vor ihm, sie war... nicht zurückhaltend.
„Kann ich dich etwas fragen, Melissa?“ meine Neugierde siegte mal wieder und ich sah in ihren Augen, dass sie dachte, etwas falsch gemacht zu haben. „Nichts schlimmes. Aber ich finde es erstaunlich, dass du bei Haytham so locker an die Unterhaltung gehst. Obwohl du weißt, dass er entsprechend erzogen wurde, dass seine Toleranz etwas anders ist, als die von Yannick. Im Grunde muss ich es so plump sagen, aber ich finde das doch mutig.“ besser konnte ich gerade meine Gedanken nicht formulieren.
„Alex, er ist dein Mann! Wer mit dir verheiratet ist, kennt dich, kennt deine Macken und Eigenarten. Sprich, er weiß doch, wie wir Frauen hier leben, oder? Ich gehe einfach davon aus, dass er schon damit zurecht kommen wird.“ Wo sie Recht hat, hat sie Recht! „Gut gesprochen. Dann lass uns jetzt hier klar Schiff machen und dann will ich meinen Sekt auf dem Balkon haben.“ es dauerte auch nicht lange, bis wir uns zu den anderen nach draußen gesellen konnten.
„Mi sol, du weißt, dass deine Lektionen weiter steigen?“ hauchte Haytham mir ins Ohr mit Whiskey geschwängertem Atem. Da hatten sich die Herren wohl mal wieder übereinstimmend dem Hochprozentigen gewidmet. Faith hingegen hielt ihren Met selig lächelnd in der Hand. Es fühlt sich noch so unwirklich an, mein preußisches Weib. Es waren so viele Eindrücke heute. Ich würde jetzt gerne einfach mit dir alleine sein... mir ging es ähnlich. Das wäre ich jetzt gerne auch mit dir, mo rionnag. Ich vermisse deine Haut und... „Sind die Damen mit ihren Zwiegesprächen dann auch mal wieder fertig?“ hörte ich meinen Mann etwas zornig fragen. Ich zog ihn zu mir hinunter und gab ihm einen verlangenden Kuss. Du bist immer noch meine Nummer eins, mi amor. Aber hier und jetzt treffen so viele Einflüsse aufeinander, dass man mitunter etwas... durcheinander sein kann. Ein resigniertes Seufzen und eine Hand, welche sich meinen Hintern unter dem dünnen Stoff des Kleides griff, reichte um mich um den Verstand zu bringen.
„Ähäm...“ hörte ich Yannick. Als ich mich umsah, grinste er etwas verlegen in unsere Richtung. Fehlte nur noch, dass er, wie Edward, dazwischenging!
Yannick und Melissa waren heute Abend eine Art Botschafter und berichtete ihren „Besuchern“ vom 21. Jahrhundert, von der hiesigen Politik, außerdem wurden erzieherische Fragen auch gleich mit geklärt. Bei diesen musste ich hin und wieder jedoch auch meinen Senf dazu geben. Faith hatte immer wieder mit July zu kämpfen, weil sie einfach ihren Kopf durchsetzen wollte. „Das hat sie von ihrer Mutter!“ hörte ich meinen Mann immer mal wieder sagen und musste grinsen. Ich würde Faith sicherlich auch noch hin und wieder zur Seite stehen, was ihre Tochter anging.
Wieder einmal war ich froh, dass sie nun in unserer Nähe wohnten. Naja fast, bis sie ganz in Virginia waren, würde es noch etwas dauern. Aber der Gedanke zählte, oder? „Wie? Ihr habt ebenfalls dort eine Plantage gekauft?“ fragte Yannick plötzlich völlig ungläubig. Also wurde dieser Bericht auch noch abgegeben. Ich fragte mich aber, warum er das noch nicht wusste... die Truhe und alles... sie mussten sie doch schon bekommen haben? WAS bitte hatte ich denn für Anweisungen hinterlassen? Erschreckend wurde mir klar, dass ich vielleicht bewusst nicht alles so preisgegeben hatte, es musste einen Grund gehabt haben? Nur welchen? In mir breitete sich die Angst aus, wieder etwas verkehrt gemacht zu haben, etwas zu schnell vorangetrieben zu haben!
„Kind, du hast es erkannt. MAL WIEDER! DU weißt auch noch nicht über deine eigene Zukunft Bescheid, geschweige denn dein ältester Sohn weiß es. Und jetzt hoffe ich, du begreifst, warum wir nicht hinter dieser Entscheidung stehen, dass du deine alte Zeit aufsuchst!“ die tiefe vibrierenden Stimme Odins hallte in meinem Kopf nach und ich hielt mir automatisch die Ohren zu. „Ich weiß es doch... aber diese Sehnsucht, ich vermisse...“ mehr konnte ich nicht sagen, weil mich mein Mann auffing, bevor ich vom Stuhl kippen konnte. „Alex, ich habe es gehört.“ sprach er leise, während er mir sanft über den Rücken strich.
„Hier Mom, das sind einige Seiten deiner Anweisungen! Ich befolge sie, Monat für Monat und Jahr für Jahr! Du gefährdest niemanden, doch … ich befürchte, Odin hat recht! Deine Reise hierher war einmalig, das können wir kein weiteres Mal riskieren!“ Ich spürte, er musste sich zusammenreißen, auch ich musste es. „Wir werden nicht lange bleiben...“ ich sprach nicht weiter, weil meine Stimme brach. Ich würde ihn nie wieder sehen? Aber Alex hatte ich doch als fast erwachsenen Mann vor mir gehabt, als wir diese Assassinen gejagt haben! Wie passte das alles zusammen?
„Bevor dir noch der Kopf platzt, Mom. Setz dich einfach und wir werden jetzt noch etwas trinken und ich erzähle dir von dem neuesten Tratsch auf Twitter! Ja, es gibt diese Seite immer noch...“ ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Vermutlich ist es im Moment genau das, was ich brauche.“ dankbar sah ich auch zu Haytham, welcher mich immer noch hielt. So viele Gefühle, innerhalb weniger Minuten waren schon sehr anstrengend.
Um 2 Uhr gingen wir dann aber zu Bett, oder besser zum Sofa, muss ich wohl sagen. Zu viert teilten wir uns diese große und überaus gemütliche Sitz- und Schlafgelegenheit. Nach langer Zeit, lag ich neben meiner Schwester, hinter mir mein Mann und Shay hatte sie wie immer mit seinem Körper unter sich begraben. Plötzlich aber fühlte ich ein schlechtes Gewissen, welches von Faith kam. Es tut mir leid... die Götter... und dann sah ich Bilder einer Nacht, in welcher nicht ich ihre Gespielin war, sondern Aminata! Für einen kurzen Moment war ich versucht, sie anzuschreien und sie des Fremdgehens zu beschuldigen! Doch... war es das? Machte ich nicht im Grunde dasselbe mit ihr, gegenüber Haytham, wenn wir uns unsere Momente stahlen?
Dennoch konnte ich gerade meine Enttäuschung und meine Eifersucht nicht unterdrücken. Ich drehte mich demonstrativ zu meinem Mann, welcher diese Bilder ebenfalls gesehen hatte, weil ich mich nicht abgeschottet hatte. Ihr gehört trotzdem zusammen, mi sol. Nichts kann euch auseinander bringen. Auch wenn ich mich selber noch damit schwer tue. Ich möchte, dass du glücklich bist! Und du weißt, dass der Einfluss dieser Vorläufer und Götter schon für so manchen Irrsinn gesorgt hat! Seit wann war dieser Mann so souverän, wenn es um meine Schwester ging? Lag es an dieser Reise?
Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken und lehnte mich in seine Umarmung. Ich konzentrierte mich auf die mir vor langer Zeit noch so vertrauten Geräusche, auf die Gerüche hier und versuchte mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren. Doch immer wieder formte mein Geist diese Bilder des ”Betrugs” in meinem Kopf, sie ließen mich einfach nicht ruhig werden.
Alex, folge mir! Hörte ich Odin in meinem Kopf und sah plötzlich auch die anderen Götter vor mir, welche mich freundlich ansahen. Langsam schritt ich diese zerklüftete Landschaft entlang, Richtung einer Klippe. Wir haben Einfluss auf euch genommen, auf dich, deine Schwester, deine Kinder und Enkel. Aber es gibt unterbewusste Dinge, welche wir bei euch nicht immer steuern können. Diese Empfindungen sind oftmals nicht gewollt, verlaufen jedoch in diesen ungewollten Bahnen, welche wir nicht stoppen können. Deine Schwester trifft keine Schuld, nicht nur wir stehen hinter euch. Bei ihr sind es andere Mächte, die sich ihrer annehmen. Dennoch, in erster Linie bist du unsere Botschafterin und wirst unsere Lehre weitertragen. Es war, als sprächen alle auf einmal, wie in einem Chor. Diese Worte brachten meinen Geist zur Ruhe und ich sah meinen Weg wieder vor mir.
Meine Familie würde irgendwann den Sieg über die bösen Mächte davon tragen. Wir würden allem trotzen, was sich uns in den Weg stellte. Vor meinem inneren Auge sah ich die Artefakte, welche ich sichern musste. Man zeigte mir, welcher Kampf mir noch bevorstünde, doch gegen WEN konnte ich nicht deuten, auch das WANN erschloss sich mir nicht. Langsam wurde ich ruhiger, mein Atem entschleunigte sich und ich konnte wieder Haytham spüren. Seinen Duft nahm ich intensiver als sonst wahr und atmete ihn tief ein!
Wenn die Zeit reif ist, werden wir dich in deine Vergangenheit begleiten! Diese kryptischen Worte waren das letzte, an was ich mich in dieser Nacht noch erinnerte.
Warme Lippen auf meinem Mund weckten mich vorsichtig, bevor eine patschende Hand in meinem Gesicht landete und ein lautes „Mama! DAAAA!“ mich aus meinem Traum holte. Ich ergab mich mal wieder meinem Schicksal und richtete mich langsam auf. Edward war dabei, auf mich drauf zu klettern und auch Franziska saß schon auf dem Sofa und erzählte ihrem Großvater Geschichten. Langsam registrierte ich, dass sie auch Englisch flüssig sprach und anscheinend auch verstand. Interessant!
„Ich brauche Kaffee!“ meinte ich nuschelnd und erhob mich mit Edward zusammen auf dem Arm. In der Küche war Melissa dabei, das Frühstück fertig zu machen. Von Faith, Shay und Yannick fehlte jedoch jede Spur. Für einen Moment war ich froh, meine Schwester nicht zu sehen, noch war ich nicht ganz bereit, ihr diese Nacht zu verzeihen. Nach dem Wickeln und einer Tasse Kaffee stieg ich unter die Dusche und genoss diese Ruhe, diesen warmen Wasserfall über meinem Körper.
Doch dann spürte ich, wie mir Tränen über die Wangen liefen, welche aber sofort hinfort gespült wurden. Ich ließ ihnen freien Lauf, da ich wusste, dass es mir half wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich hatte beschlossen, kein Wort mehr über diese Bilder zu verlieren. Als ich sicher sein konnte, dass ich mich unter Kontrolle hatte, wollte ich mich abtrocknen, da erschien mein Mann im Bad. „Mi sol, du musst mir noch zeigen wie das alles funktioniert.“ meinte er leise und kam auf mich zu, zog mir das Handtuch wieder herunter und begann sich selber auszuziehen. Mit Vergnügen würde ich meinem Mann die Funktion der Nasszelle erklären, aber erst, wenn ich mich überzeugt hatte, dass er gründlich gereinigt war. „Wir sollten Bailong bitten, so eine Installation bei uns in Virginia zu fertigen. Daran kann man sich gewöhnen!“ hörte ich ihn kurze Zeit später seufzen.
Auf dem Balkon war das Frühstück bereits fertig und alle waren wieder anwesend. Schweigend setzten wir uns und ich nahm meinen kleinen Sohn auf den Schoß. Yannick hatte seine Zeitreisegäste mitgenommen und ihnen ein wenig die Fußgängerzone unten gezeigt. Eine großartige Idee, so hatten wir auch frische Brötchen vom Bäcker. Edward schnappte sich umgehend eines der weichen Brötchen und eröffnete damit das Frühstück, inklusive tadelndem Blick seines Vaters!
Klein Alex fing mit Faith an über Dinosaurier zu reden und die beiden beschlossen, im Anschluss die Bücher und Figuren anzusehen. Franziska hatte sich nun Shay auserkoren, welchem sie von ihrem, was mich besonders freute, Reitunterricht berichtete. „Freut mich, dass ihr ihr das ermöglicht. Dann habt ihr eine Art Reitbeteiligung gefunden für sie?“ ein eigenes Pferd käme nicht in Frage, dachte ich zumindest. „Nein Mom, wir haben... ein eigenes Tier für sie erworben.“ Melissa erzählte mir eine Story dazu, welche mir schon fast Tränen in die Augen trieb.
Man hatte Horatio, so hieß der Hengst, von einem Hof gerettet, wo die ganzen Tiere elendiglich litten. Es waren Ziegen, Schafe, Pferde, Hunde... die Besitzer dieses Grundstücks waren sogenannte Tiermessies, kümmerten sich kaum um die Pflege, die Versorgung oder ähnliches. Mit dem Tierschutzverein hier vor Ort hatte man dem aber nach Jahren endlich Einhalt gebieten können und so war meine Enkelin nun stolze Besitzerin eines wunderschönen Pferdes geworden. Der Hannoveraner! Wie gerne würde ich ihn sehen, doch leider war mir das nicht möglich und Haytham bemerkte meine Gedanken. „Sei nicht traurig, mi sol. Du wusstest, dass du dich hier nicht frei bewegen kannst.“ er drückte meine Hand.
„Oma, aber ich habe ganz viele Bilder von Horatio! Papa hat die auf dem Computer! Soll ich sie dir zeigen...“ sie war schon im Begriff aufzustehen, aber ein mahnender Blick von ihrer Mutter hielt sie davon ab. „Nach dem Frühstück, Franziska!“ doch sie war so aufgeregt, dass sie nicht an sich halten konnte und plapperte Shay voll, welcher immer zustimmend nickte. Vermutlich brauchte man der kleinen Pferdenärrin auch nicht antworten, sie war glücklich, wenn sie drüber reden konnte. Sie ist wie ein introvertierter Mensch., ging es mir durch den Kopf. Im allgemeinen eher leise und ruhig, doch wenn es um IHRE Themen ging, dann ging sie darin auf.
Nach diesem doch sehr üppigen Frühstück räumte ich mit meiner Schwiegertochter ab und Haytham ging mit Yannick und Edward hinunter in die Stadt. Vor allem wollte mein Großer noch den Kurpark zeigen, mit den Palmen und allem drum und dran. Somit hätte ich... ja, ich hätte ein wenig Zeit für mich.
Als dann alle unterwegs oder eben wie Faith beschäftigt waren, setzte ich mich an den Rechner und staunte nicht schlecht. Es war meiner, etwas aufgerüstet, aber es war mein altes Gerät! „Glaub mir Alex, Yannick hat es nicht übers Herz gebracht, ihn auszutauschen. Ein paar Hardware-Updates gab es, aber mehr ließ er nicht zu.“ grinste Melissa, da sie wusste, diese Eigenart hatte ihr Mann von mir.
Ehrfürchtig sah ich auf die Monitore! Bei Odin, ich hatte es doch vermisst, wenn auch mehr unbewusst! Yannick hatte mir meine alte Festplatte gegeben und Franziskas Pferdebilder waren direkt auf dem PC gespeichert. Ich tat ihr den Gefallen und gemeinsam sahen wir uns die Fotos an, auch Shay war völlig überwältigt. Mit offenem Mund saß er neben uns. „Das sieht wie echt aus? Wie geht das?“ und er stupste den Bildschirm an, um sicher zugehen, dass er richtig sah. „Stell dir die Laterna Magicka vor. Es ist halt etwas schwierig zu erklären, ich müsste 200 Jahre Technikentwicklung erklären, Shay!“ lachte ich.
Dann klickte ich eines der Videos an und der Ire schreckte etwas zurück. „Die bewegten Bilder, ich hatte es, meine ich, damals mal erwähnt, oder?“ sein Blick ging etwas zögerlich vom Bildschirm zu mir. „Ja, das war doch wegen diesem... wie war das? Filmriss, oder?“ Genau das hatte ich erläutert, als ich meine Geschichte den beiden Templern damals darlegte.
Auch konnte ich es nicht lassen, meine alten Playlists raus zu suchen. „Oma, das ist ja uralt! So was ist doch voll langweilig!“ hörte ich meine Enkelin mit rollenden Augen sagen! „Nein, das ist einfach ein Muss und gehört zur guten Erziehung!“ ich konnte nicht anders, ich kicherte einfach. Da war wohl ein Fachgespräch über gute Musik angebracht.
Nach einer Weile erschien Faith wieder im Wohnzimmer und auch ihr rauchte der Kopf. Vermutlich hatte Alex ihr ALLES gezeigt und erklärt. „Wie gerne würde ich diese Bücher mitnehmen und sie in Ruhe lesen können.“ seufzte sie und ließ sich aufs Sofa fallen. Da kam mir der Gedanke, dass wir sicherlich ein paar Seiten einscannen und ausdrucken könnten. Zur Not könnte man diese dann auch einfach wieder verbrennen, ohne das jemand Verdacht schöpfen würde.
Gesagt getan! Bis mein Mann wieder hier erschien, hatten wir an die 30 Seiten fertig und meine Schwester war sichtlich zufrieden. „Mi sol, wie ich sehe, ward ihr mehr als produktiv.“ sprach er gedankenverloren und nahm ein Blatt hoch. „Es gibt Menschen, die diese Knochen ausgraben und analysieren können? Wie findet man aber diese Überreste?“ fragte Haytham erstaunt. „Meist ist es durch Zufall passiert, wenn zum Beispiel ein neues Gebäude gebaut werden sollte. Oder aber man hat durch frühere Berichte schon einen Anhaltspunkt, wo in etwa weitere Gebeine zu finden sind.“ meinte ich erklärend.
Während des Mittagessens nickte Edward immer wieder ein, weil er einfach zu müde war. „Mom, ich habe meinem kleinen Bruder weiter das Laufen beigebracht. Er ist sogar einige Schritte zwischen mir und Haytham gelaufen. Vermutlich schläft er deswegen auch gerade immer wieder ein!“ grinste Yannick über beide Ohren, als er seinen kleinen schlafenden Bruder ansah. Zeit für den Mittagsschlaf und auch Franziska wurde dafür fertig gemacht. Unter Protest, muss ich sagen! „Nein, ich bin kein Baby mehr, Mama!“ es dauerte nur ein paar Minuten und sie schlief.
Klein Alex machte nun den Vorschlag, ob man nicht noch ein Eis essen gehen könnte. Ich stimmte dem zu, aber nur, wenn man mir etwas mitbrachte. Erstaunt sah ich aber, dass mein Mann nicht die Anstalten machte, mitzugehen. „Mi sol, ich möchte dich nicht alleine lassen.“ er meinte es nur gut, auch wenn ich ein paar Minuten diese Stille sicherlich genossen hätte. Als dann alle aus der Tür waren, sah ich mich erneut in meiner alten Wohnung um, einfach nur, um alles in mich aufzunehmen.
Im Wohnzimmer dann stand ich an der Balkontür und dachte über einige feuchtfröhliche Feiern nach, die hier stattgefunden hatten. Ich hätte nicht hierher reisen sollen, weil ich plötzlich wieder diesen bösen Gedanken hatte, einfach hierzubleiben. Haythams Arme um mich, zogen mich wieder in die Realität und mir wurde bewusst, dass es keine Option war. Vorsichtig drehte er mich zu sich um, hob mein Kinn an und küsste mich, wie um mir zu zeigen, dass ich zu ihm gehörte. Ja, das tat ich und ich zeigte ihm, dass ich bei ihm bleiben wollte. Für ein paar wundervolle Minuten tauchten wir in unsere seltene Zweisamkeit ab. Ich spürte seine Sehnsucht nach mir und ließ ihn meinerseits, meine Leidenschaft fühlen.
Etwas außer Atem, saß ich später auf seinem Schoß auf dem Sofa und lehnte an seiner Brust. „Mi sol, ich liebe dich!“ hauchte er leise und zur Bestätigung legten sich meine Lippen auf seine! „Das war eine einmalige Sache jetzt, oder?“ fragte ich ihn, eigentlich mich selber, wenn ich es recht bedachte. „Das weißt du doch, Alex. Es ist nicht mehr deine Zeit.“
Zum ersten Mal erzählte mir Haytham von seinem schlechten Gewissen, mir gegenüber, dass ich für ihn so vieles aufgegeben hatte. „Aber das habe ich gerne gemacht. Das es nicht einfach sein wird, wusste ich ja.“ ich versuchte mir selber eine Erklärung zu geben, mich selber zu beruhigen, wenn ich es genau nahm. „Ich konnte dich nicht alleine lassen, mi amor!“ ich zog sein Gesicht zu mir und untermauerte diese Worte mit einem weiteren langen Kuss, ehe uns ein „Mamaaaaaaaaa!“ trennte. Über sein Gesicht lief ein breites Grinsen. „Da möchte noch jemand, dass du bei ihm bleibst!“ und seine Finger griffen sich meinen Hintern und drückten zu.
Gerade als wir unseren Sohn neu angezogen hatten und unsere Enkelin etwas quengelig ebenfalls bei uns hatten, kamen alle anderen auch zurück. Und ich bekam mein Eis, nicht nur ich, man hatte für alle etwas mitgebracht. „Alex, das war unglaublich, ihr habt ein Geschäft nur mit Schokolade und Süßigkeiten!“ hörte ich Faith völlig euphorisch sagen und sah, wie sie eine Tüte hochhielt. Du meine Güte, das hatte ich völlig vergessen. Schokolade, wie ich sie kannte, gab es im 18. Jahrhundert noch nicht. Meine Schwester hatte sich, dank Yannick, ein wenig damit eindecken können. July, Cadan und Cillian würden sich sicherlich riesig darüber freuen. Mein Sohn hatte aber auch etwas für seinen kleinen Bruder mitgebracht, nun ja, auch ich würde dazu nicht nein sagen.
Ein Gedanke ließ mir aber keine Ruhe, ich konnte noch nicht mit meiner besten Freundin Imke sprechen. Sie war, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, die einzige Person, die über meine Reisen Bescheid wusste. „Mom, ich hatte auch schon daran gedacht...“ ich sah meinen Großen traurig an. „Ich weiß... nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen!“ murmelte ich traurig und ließ die Schultern hängen. Verdammte Axt, dieses Gefühlschaos übermannte mich mal wieder und ich hatte Angst, nicht mehr damit umgehen zu können.
„Mom... sieh nur... Edward!“ hörte ich plötzlich Yannick rufen und ich sah, wie mein kleiner Schatz vorsichtig durch das Wohnzimmer ging! ALLEINE... ohne Hilfe! Und was tat ich? Ich heulte als ich das sah. „Edward, das ist fantastisch!“ hörte ich Haytham sagen und er kniete sich hin, damit unser Sohn auf ihn zukommen konnte. Stolz nahm ihn dann mein Mann auf den Arm. „Mi sol, ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Dieser Anblick ist einfach überwältigend.“ und das aus dem sonst eher zurückhaltenden Mund meines Mannes. Aber seinen Stolz konnte er nun nicht verbergen, wer konnte es ihm verdenken?
„Weißt du, wo ich gerade dran denken muss? An das Video, was du aufgenommen hast, als ich so hier durch marschiert bin.“ ohne es zu wollen, hatte Yannick noch eine Erinnerung mehr auf den Plan gerufen, welche mein inneres Chaos zusätzlich steigerte. Ja, ich sah ihn vor mir, wie Marius ihn anfeuerte, weiter zulaufen! Zu spät wurde meinem großen Sohn diese Aussage bewusst und er sah mich entschuldigend an. „Es... tut mir leid Mom! Das wollte ich nicht...“ Das wusste ich ja.
„Das Eis schmilzt!“ rief meine Schwiegertochter und wir machten uns auf den Balkon. Es war einfach köstlich und ich sah, dass es auch meinem Mann schmeckte. „Unglaublich, dass es solche Geschäfte hier gibt. Oder auch diese Läden mit den vielen Anziehsachen! Wer braucht so viele Kleider überhaupt?“ staunte Faith und erntete von ihrem Mann ein breites Grinsen. „Das sagt die Frau, welche gefühlt 20 Kleiderschränke ohne Probleme mit ihrer Garderobe füllen könnte!“ ich räusperte mich grinsend, weil es bei mir mittlerweile auch nicht anders aussah.
Als wir aufgegessen hatten, schnappte ich mir meinen kleinen Sohn. Ich brauchte auch mal etwas Bewegung und dafür wäre der Garten eine wunderbare Idee. Haytham wollte oben bleiben und sich noch mehr von der Technik zeigen lassen, das Internet erklären lassen und so weiter. Faith, Melissa und meine Enkelkinder kamen mit hinunter. Kaum das ich den Rasen betrat, zog ich die Schuhe aus und genoss es, barfuß über das Gras zu gehen. „Alex, du siehst aus, als würdest du meditieren!“ hörte ich Melissa hinter mir und drehte mich grinsend um. „Im Grunde ist es das auch. Dieses wohlige Gefühl der Verbundenheit erdet mich einfach immer wieder. Zuhause stehe ich auch oft einfach so draußen.“
Edward fand Gefallen an seiner neuen Fähigkeit des Laufens und watschelte von Alex zu Franziska und zurück. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er jetzt laufen kann!“ flüsterte ich leise und sah gedankenverloren auf meinen kleinen Schatz. „Mir ist gestern schon aufgefallen, dass Edward für sein Alter ziemlich groß ist. Hängt das auch wieder mit diesen Göttern zusammen? Wie bei Alexander auch?“ fragte meine Schwiegertochter etwas skeptisch. „Ich vermute es. Aber ich kann mich bei Yannick einfach nicht mehr daran erinnern, wann er welche Fortschritte gemacht hat.“ musste ich zerknirscht zugeben.
Zum Abendessen sollte es etwas vom Chinesen geben hatten wir beschlossen und mein Großer bestellte für alle pauschal mein Lieblingsessen! Gebratene Nudeln mit knuspriger Ente! Ich konnte es kaum abwarten! Bis das Essen jedoch hier wäre, machte ich mich daran, Edward schon einmal zu waschen.
Da er jetzt ja stehen konnte, war es ein leichtes ihn eben abzuduschen. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass er sich erschrecken würde und das schreiend auch kundtun würde. Die Tür flog Sekunden später auf und Haytham stand erschrocken dort. „Was ist los?“ und in seinem Blick sah ich dieses Mustern wieder. Ich musste etwas grinsen, seine Fürsorge war wieder rührend. „Nichts, mi amor. Edward hat sich vor dem Wasserstrahl erschrocken. Siehst du? Jetzt gefällt es ihm!“ meinte ich und der Kleine stand lächelnd im warmen Wasser, ließ sich dann aber auf den Hintern plumpsen. „Mein Gott, ich dachte schon...“ ja, das konnte ich mir vorstellen. Doch ich wollte es hier nicht aussprechen! Kein Hrymr! HIER nicht!
Fertig angezogen kamen wir auf den Balkon und das Essen war auch schon da. Dieses mal beäugte Edward das Essen mit großen Augen. Doch sobald er das erste Stückchen Ente gekostet hatte, kannte er kein Halten mehr. Nur mit den Nudeln hatte er Probleme, da verschluckte er sich ein oder zweimal ziemlich heftig. Doch das stellte für ihn kein Hindernis dar, er klaute sich vom Teller seines Vaters einfach das Fleisch. Als alle satt und zufrieden waren, war es auch schon wieder Zeit für die Kinder.
„Yannick, sprichst du eigentlich ab und zu dänisch mit Franziska?“ fragte ich meinen Großen neugierig. „Nein, ich habe überhaupt kein Sprachtalent, Mom. Das weißt du doch!“ lachte er und ich erinnerte mich an seine Schulnoten! Nein, eindeutig KEIN Talent dafür. „Aber ich weiß, dass sie es kann. Manchmal schmeißt sie alle Sprachen durcheinander, wenn sie aufgeregt ist.“ auch wenn er etwas ungläubig war, trotzdem sah ich auch den Stolz in seinen Augen. „Dann bin ich gespannt, wie sich das bei ihr weiter entwickelt, Yannick. Arbeitet ruhig daran!“
Der restliche Abend war entspannt und ich genoss diese Lichter um mich herum, den Sekt und diese ruhigen Gespräche. Und dann kam mir der Gedanke, dass ich morgen doch einen Ausflug wagen sollte. „Ich kann doch einfach raus. Ich zieh mir ne Kapuze ins Gesicht und dann geht es schon, oder nicht?“ ein Prusten meines Mannes war zu hören. „Du willst dich wie ein Assassine aus dem Haus schleichen? Habe ich das richtig verstanden, mi sol?“ Was war denn so verkehrt daran? „Ja, warum nicht? Wisst ihr, ich würde zu gerne einmal wieder Auto fahren!“ und ich seufzte tief und freute mich schon darauf. „Hoffentlich hast du es nicht verlernt, Mom! Soll ich dir...“ ich räusperte mich nur und zog meine Augenbraue hoch. „Ok ok... man verlernt das nicht, genauso wie schwimmen oder Fahrradfahren. Schon verstanden!“ hörte ich Yannick lachen!
Gegen Mitternacht lagen wir vier Besucher auf unserem Nachtlager und ich lag Faith zugewandt wieder da. Ich sah sie lange an und fragte dann einfach. „Warum, mo rionnag?“ eine Pause setzte ein und sie schlug kurz die Augen nieder. „Es war nicht gewollt Alex, diese Artefakte der Götter….speziell die der Fruchtbarkeitsgötter wirken auf mich anders als auf euch. Freya hat es mir so erklärt, das ihre Schmuckstücke eigentlich mehr für sie selber bestimmt sind, als für die Menschen. Da ich nun mal mehr Isu bin als Mensch...ich bin dadurch sehr oft erregt und na ja...Shay und ich haben weitere Artefakte gefunden und in dieser Nacht wirkten zwei Artefakte auf mich und Shay. Ich bereue es, aber ich kann nichts dafür“, hörte ich sie jetzt fast schon tonlos nuscheln. „Manchmal möchte man sie verfluchen...“ hörte ich Shays leise Stimme, da auch ihm das Ganze etwas unangenehm war. Ich gab meiner Schwester einfach einen vorsichtigen Kuss, so dass sie verstand, ich würde nicht verzeihen, aber auch nicht weiter daran denken! Etwas erleichterter konnte ich nun einschlafen!
Ich erwachte mit Blick auf Faith, welche wie immer unter ihrem Mann begraben lag. Meiner hingegen gähnte bereits herzhaft hinter mir und strich mir über meinen Rücken. „Guten morgen, mi sol!“ und sein Kuss in meinem Nacken versprach mehr und nicht nur der! Leider wurden wir von einem Dino liebenden Grundschüler überfallen, welcher meiner Schwester vergessen hatte, einen gaaaaaaaanz wichtigen Dinosaurier zu zeigen! Alex stand vor ihr und hielt ein großes Stofftier vor ihre Nase. „Guck mal, Tante Faith! Hab ich gestern ganz vergessen. Das ist Olaf, der bewacht immer mein Bett, weil der am liebsten die bösen kleinen Tiere isst!“ ich musste mich arg zusammenreißen nicht zu lachen, er klang dabei so Bierernst, dass es einfach niedlich war. Vor allem... Olaf? Aber ok!
Bevor ich mich aber noch einmal bei Haytham ankuscheln konnte, waren auch Franziska und Edward wach. Also hieß es aufstehen und frühstücken. Im Zimmer meiner Enkelin bot sich mir ein seltsames Bild, weil mein kleiner Schatz nicht mehr in seinem Reisebett war, sondern bei ihr auf dem Bett saß. „Mein Onkel ist ganz alleine darüber geklettert, Oma! Ich hab aber ganz doll aufgepasst.“ Und ich sah die vielen Kissen und Kuscheltiere vor dem provisorischen Nachtlager meines Sohnes. Dieser hingegen war anscheinend einfach stolz und strahlte mich an! „Mammaaaaaa... ham!“ kein Wunder dass dieses Kind immer Hunger hatte, bei so einer Geschwindigkeit der Entwicklung.
Frisch angezogen berichtete ich Haytham davon und auch er staunte nicht schlecht. Mit seinem Sohn auf dem Arm ging er schon mal hinaus, da mein Mann bereits angezogen war. Gerade als ich mich auf ins Bad machen wollte, folgte mir Faith und schloss hinter uns die Tür ab. „Lass es mich wieder gut machen, mein preußisches Weib!“ Vorsichtig legten sich ihre Lippen auf meine und was soll ich sagen. Es war vorbei und ich wollte diese sture Schottin wieder spüren! Wir genossen das warme Wasser und als ich meinen Höhepunkt hatte, lag ich zitternd an ihrer Schulter. „Ich liebe dich, mo rionnag!“ hauchte ich nur und bescherte ihr umgekehrt ebenfalls diesen wohligen Schauer!
Auf dem Flur sah ich schon, wie Haytham mir einen vernichtenden Blick zuwarf und ich hörte ihn in meinem Kopf. Wir beide werden zuhause noch einiges zu besprechen haben, mi sol! Ich konnte nicht anders, mir huschte die Röte ins Gesicht und ich nickte stumm. Das Frühstück war eine Wohltat und im Anschluss zog ich mir eine dieser Kapuzenjacken über. Mit Haytham, Shay, Faith und Edward machte ich mich auf den Weg.
Der Kindersitz war schnell umgebaut, Yannick hatte mir die alten Teile mitgegeben und als Edward nun darin angeschnallt wurde, wurde er unruhig. „Schätzchen, dass ist nur zu deiner Sicherheit. Wir werden jetzt mal eine kleine Runde drehen, damit ihr meine Heimat etwas bestaunend könnt.“ sprach ich ruhig und gab ihm einen dicken Kuss. Ich hoffte, er würde nicht weinen. „Mach dir keine Sorgen, ich bin ja auch noch da.“ Faith lächelte meinen Sohn an, welcher es erwiderte.
Als ich den Wagen anließ, war es wie bei einer Fahrstunde. Auch wenn ich wusste wie es geht, es war unglaublich ungewohnt. Im Kopf hatte ich mir eine Strecke über Land überlegt, welche bei Abstergo vorbei führte und über einige Kleckerdörfchen ging. Wenn ich mich nicht verfahren würde, dann könnten wir auch noch kurz in Hameln in die Galerie. Die ganze Fahrt über stellte man mir Fragen bezüglich der Gebäude, der vielen Menschen und was meinen Mann besonders zu interessieren schien, warum Frauen in ihren Nachthemden herumliefen! „Das sind ganz normale Sommerkleider, mi amor. Der Weg dorthin war sehr lang, glaub mir. Meine Urgroßmutter hat noch lange Röcke getragen, sie kannte nichts anderes. Aber meine Großmutter war dann ebenfalls echauffiert, als meine Mutter mit kurzen Röcken ankam. Ob ihr es glaubt oder nicht, es gab Zeiten, da waren die Teile so kurz, dass sie gerade über den Po reichten!“ Ich spürte das rote Gesicht meines Mannes eher, als dass ich es sah! Es war Empörung und Scham, weil sich so etwas einfach nicht schickte.
Wir kamen durch die historische Altstadt von unserem Nachbarort und ich hielt an, damit wir hier einmal durch die Fußgängerzone gehen konnten. Edward packte ich in die Karre, welche noch im Keller gestanden hatte und so marschierten wir fünf los. Lange hielt es aber klein Kenway nicht und er wollte selber laufen, also ließ ich ihn auch. Einer der vielen Brunnen hatte es ihm angetan und bevor ich etwas sagen konnte, war er ins Wasser gefallen und war sichtlich sauer, dass er nun klatschnass war. Das war es dann mit einer Rundführung durch meine Heimat, so würde er sich nur erkälten, da ich keine Wechselsachen mit hatte.
Etwas säuerlich gingen wir nun zurück. „Ist doch nicht so schlimm, Alex. Vermutlich schwirrt mir noch in den nächsten Wochen der Kopf von diesen ganzen Eindrücken.“ meinte Faith beschwichtigend und strich Edward eine nasse Strähne aus seinem Gesicht. Haytham stimmte dem lächelnd zu. „Außerdem kann ich mir jetzt vorstellen, wie du so deine Zeit verbracht hast damals. An Beschäftigung fehlt es hier ja nie, hat man den Eindruck.“ Nein, da hatte er Recht. Langeweile kannte ich so gut wie nie.
Wieder zurück kam als erstes die Frage, ob das Auto noch heile sei. „Du hörst dich wie ich an, Yannick!“ meinte ich lachend. „Ja, so sollte es auch sein, Mom.“ Melissa war mit Edward im Kinderzimmer um ihn umzuziehen und wir anderen saßen derweil wieder draußen. Heute schien es noch wärmer zu sein, als gestern.
Unvermittelt schossen mir die Worte „Wir sollten so langsam dann wieder aufbrechen!“ aus dem Mund. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich mich beeilen musste. Warum genau, konnte ich in dem Moment nicht deuten! Doch ich hatte noch nicht ausgesprochen, da fing Alexander an zu weinen, ich sah, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. „Oma, bleib hier! Papa vermisst dich auch...“ bevor er noch mehr sagen konnte, nahm Yannick ihn in die Arme und drückte ihn. „Mach es Oma nicht noch schwerer, Alexander. Wir werden uns wiedersehen, das weißt du doch!“ sprach er leise und ich ging wortlos ins Schlafzimmer um mich umzuziehen. Faiths Arme legten sich um mich und drückten mich. „Ich weiß, schon wieder ein Abschied. Denk immer daran, ich bin für dich da und ihr werdet euch bestimmt wieder sehen.“ sprach sie leise und gab mir einen langen Kuss.
Ich wusste es auf jeden Fall! Als wir alles zusammen gepackt hatten, was wir mit zurücknehmen würden, aktivierte ich das Portal und es ploppte vor uns auf. „Oma, ich will mitkommen!“ hörte ich Franziska neben mir. „Nein, das geht nicht.“ meine Stimme hörte sich völlig leer und tonlos an! Meine Worte an meinen großen Sohn und Melissa waren auch eher geflüstert. Meine beiden Enkel schloss ich noch fest in die Arme und hoffte, dass sie ihren Weg meistern werden. „Franziska, aber denk daran, du darfst nicht mit den Sprachen herum prahlen, okay?“ mahnte ich sie noch. „Ich weiß, Mama sagt das auch schon.“
Eine letzte Umarmung für alle, wobei ich nicht mehr auf die anderen achtete, ich konnte nicht... ich musste mich auf mich konzentrieren, sonst würde mein Gehirn zu Brei werden und mein Verstand komplett aussetzen! Shay und Haytham schritten mit Edward als erstes durch den Spiegel, Faith folgte etwas zögernd und dann ging auch ich hindurch. Ohne einen Blick zurück zuwerfen!
Wir waren wieder im Kenway Anwesen, in London und, wie ich hoffte, zur richtigen Zeit! „Gott sei Dank, ihr seid wieder heile da!“ kam es überglücklich von Jennifer!
Erleichtert atmete ich aus und sah mich um, einfach nur zur Sicherheit. „Wie lange waren wir weg, Jenny?“ fragte ich vorsichtshalber. „Vorgestern seid ihr aufgebrochen und es ist jetzt sechs Uhr Abends. Warum fragst du?“ wieder stieß ich erleichtert meinen Atem aus! „Genau wie geplant!“ hörte ich mich fröhlicher sagen, als ich es war. „Wir brechen jetzt lieber nach Hause auf.“ kam es von Shay, welcher seine Frau in den Armen hielt.
„Ist alles in Ordnung mit dir, mo rionnag?“ fragte ich besorgt, weil sie ziemlich blass war. „Ja, es geht schon. Dieses Gefühl beim Hindurchgehen ist nur etwas unangenehm.“ ich war etwas erleichterter. „Ich hoffe aber, ihr werdet nicht mit dem Husten zu tun haben wie Haytham. Schön war es nicht.“ aber mir fiel auf, dass alle keine Anzeichen dahingehend hatten. „Und wenn, dann weiß ich ja, was ich einnehmen muss!“ grinste meine Schwester, natürlich wusste sie es. Manchmal vergesse ich ihre Arbeit. Wir verabschiedeten die beiden noch und ich wünschte viel Vergnügen mit der Schokolade. „Ich befürchte, die ist schneller alle, als ich sie verstecken kann!“ und damit wird sie sicherlich recht behalten!
Als die Cormacs aus der Tür waren, trugen mich meine Beine wie von selbst auf die Terrasse. Plötzlich überkam mich eine Welle von heftiger Trauer, Angst etwas falsch gemacht zu haben und einfach tiefes Heimweh...
Nun weißt du, warum diese Zeitreisen nicht ungefährlich sind, mein Kind. Deine Erinnerungen verschmelzen mit den neuen Erlebnissen. Du vermisst alte Dinge, kannst nicht trennen zwischen den Welten! Genau aus diesem Grund verbiete ich dir diese Rückführung! Nicht, weil ich es dir nicht gönne oder dir böses will. Ich brauche deinen Verstand unversehrt! Du bist immer noch mein Auge, mein Ohr... du wirst mich unterrichten. Das geht aber nur, wenn auch dein Verstand keine Lücken aufweist. Odins Worte waren wie eine Wohltat und ich verstand sein Ansinnen. Natürlich konnte ich es nachvollziehen und bereute meine unwirsche Art, als er mir grollte wegen des Zeitsprungs. Mir wurde bewusst, dass ich nie wieder in mein altes Leben reisen konnte. Es war einfach nur noch eine Tortur für meinen Geist und damit war niemandem geholfen! Ich musste mich auf meine Aufgabe konzentrieren und meine Nachkommen darauf einnorden, dass sie ebenso zielgerecht agierten!
Somit hätte ich im Grunde überhaupt keine Freiheiten mehr, oder? Mir waren in jeder Hinsicht die Hände gebunden! Ich hatte keine andere Wahl!
Doch, die hast du und wir haben beschlossen, dass dir mehr zustehen sollte, als nur EIN Leben zu retten! Du gehst immer mehr Risiken ein, welche wir nicht ganz einsehen konnten! Also agiere wie dir beliebt und nutze deine Möglichkeiten weise. Nicht alles und jeden wirst du retten können, doch wir geben dir die Möglichkeit, selber zu entscheiden, wer leben soll und wer gehen muss. Dieser Satz war hart, denn wer war ich, darüber zu entscheiden? War ich ab jetzt der Henker, der Richter oder was war ich nun?
Es war wie eine Last, tonnenschwer, auf meinen Schultern und ich brach darunter zusammen! Ihr könnt doch diese Entscheidungen nicht von mir verlangen! Hörte ich mich sagen. Wir können und wir werden es. Wenn du ehrlich bist, dann weißt du schon jetzt wem du das Leben schenken wirst, oder wem du sein vorbestimmtes Schicksal angedeihen lassen wirst! Ja, ich würde Lee ans Messer liefern, genauso wie Hickey...
Du bist auf einem richtigen Weg!
„Mi sol! Du meine Güte! Was ist los... komm hoch... ALEX! Sprich mit mir!“ ich sah in die grauen Augen meines Mannes, doch wusste ich nicht, warum er so besorgt war! „Lass mich los. Ich kann schon alleine stehen!“ maulte ich ihn an. „Nein, du bist ohnmächtig gewesen!“ jetzt war es an Haytham, welcher mich zurechtwies und anfauchte. „Es war eine törichte Idee!“ mehr sagte ich nicht und seine Arme hoben mich hoch, führten mich zu einem Stuhl auf der Terrasse. Im Nu hatte ich ein Glas mit Whiskey in der Hand und eine Decke über meinen Schultern.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich zitterte, mir war wirklich kalt und meine Finger waren ganz weiß... erschrocken blickte ich mich um und sah Jenny, wie sie mich besorgt musterte. Als ich zum Himmel aufsah, wurde mir bewusst, dass es schon dunkel geworden war. „Wo ist Edward?“ war mein erster Gedanke! Doch Jenny und Haytham beruhigten mich, Mrs. Wallace hatte ihn schon zu Bett gebracht, da ich wohl schon fast zwei Stunden nicht ansprechbar gewesen sei.
„Ich war nur kurz... es war doch gar nicht so lange.“ nuschelte ich überlegend zu mir selber. „Alex, ich weiß nicht wie lange du in deinem Kopf abwesend warst. Aber hier warst du über zwei Stunden abwesend!“ in der Stimme meiner Schwägerin klang echte Angst mit, dachte sie, es könnte auch sie so treffen?
Was war nur auf einmal los in meinem Kopf? Ich äußerte meinen ersten Gedanken. „Ich werde zu Bett gehen. Morgen früh sieht sicher alles schon anders aus.“ Aus Erfahrung wusste ich ja, dass eine Nacht alle Gedanken wieder sortieren würde und man den nächsten Morgen klarer angehen konnte. Ich hoffte, dass es auch dieses mal so sein würde!
Als ich in unserem Zimmer stand, sah ich, wie mein Sohn friedlich schlief und in seinem Traum lächelte. „Schlaf mein Schatz, noch bist du vor fast allem Bösen beschützt und brauchst dir keine Gedanken machen. Und ich verspreche dir, ich werde alles von dir fernhalten, was dir nicht gut tun wird!“ sprach ich leise und strich ihm über seinen dunklen Haarschopf. „WIR werden ihn beschützen.“ hörte ich Haytham hinter mir! „Natürlich werden wir das.“ sagte ich leise und begann mich auszuziehen.
Unsere Mitbringsel hatte man ebenfalls hier herauf gebracht und für einen Moment war ich versucht noch einen Blick darauf zu werfen. Doch ich spürte, dass ich einfach nicht mehr fähig war. Nicht körperlich, sondern geistig. Mein Gehirn war „müde“.
Seit wir mit Faith und Shay wieder zurück waren, hatten wir nichts mehr von Hrymr und seiner Naglfar gesehen, gespürt oder gehört. Auch wurden wir von diesen Hassgefühlen verschont, was mich natürlich freute. Auf der anderen Seite war es seltsam, dass dieser Gott einfach aufgetaucht ist, Unruhe gestiftet hat und wieder in der Versenkung verschwunden ist! Leider mussten wir von nun an wieder weitersuchen und vor allem große Vorsicht walten lassen.
Wie erwartet waren die Süßigkeiten ein großer Erfolg und als Jenny ebenfalls davon kostete, erschien ein seliges Lächeln auf ihrem Gesicht. „Ich vermisse manchmal die türkischen Süßspeisen, wisst ihr? Leider kenne ich hier niemanden, der sie fertigen könnte. Rezepte habe ich noch im Kopf...“ und sie begann zu grübeln. „Vielleicht könnte ich sie einfach selber machen? Ich sollte einmal Mrs Byrne fragen, ob ich die Küche in Beschlag nehmen kann...“ während sie das aussprach, ging sie bereits in die besagte Richtung. „Deine Schwester wird zur Zuckerbäckerin, mi amor. Wer hätte das gedacht!“ lachte ich. „Ich bin gespannt auf die ersten Resultate und nicht nur ich!“ grinsend sah er ihr hinterher.
Edward hatte Gefallen am Laufen gefunden und hatte in den letzten Tagen schon einige Verwüstungen angerichtet. Eine Kristallvase war zu beklagen und diverser Nippes, welcher auf kleinen Tischen mit bodenlangen Decken stand. Ich entschuldigte mich jedes mal, meine Schwägerin hingegen nahm meinen Rat umgehend an und verbannte die gesamte Tischwäsche fürs erste! Das hielt aber meinen Sohn nicht davon ab, uns einige Male im Garten davon zu watscheln. Und er war schnell, das musste ich ihm lassen! Dank unserer Blicke konnten wir den kleinen Ausreißer aber immer schnell finden, Edward hatte ein stetiges blau-goldenes Leuchten um sich herum.
Zwischenzeitlich hatte ich eine Nachricht an Mr. Hargreaves und Mr. Higgins geschickt, damit die Schiffe doch hier im Hafen von London vor Anker gehen sollten. Von hier aus würden wir dann in ein paar Tagen aufbrechen nach Frankreich. Schweren Herzens musste ich mir eingestehen, aber wir hatten hier alles erledigt und mussten nun weiterreisen. Auch würden wir bald ganz zurück in die Kolonien segeln, weil ich mein Zuhause mittlerweile ein wenig vermisste. Doch noch war es nicht soweit und heute hatten wir noch ein geschäftliches Abendessen in Planung.
Wir hatten während des Kostümballs die Bekanntschaft mit einem Händler aus der Schweiz gemacht und heute stand nun das Treffen an. Die Eheleute André würden zum Kenway Anwesen kommen, da ich einige ausgesuchte Schmuckstücke unter Verwahrung in einer gesicherten Truhe hatte. Mr. André würde entsprechend einige Proben seiner Stoffe und Bücher mitbringen. Ich war schon gespannt, was mich dann erwarten würde. Immer noch tappte ich im Dunklen, woher ich diesen Namen kannte. Im Grunde war es ein Name wie jeder andere und sehr gebräuchlich, wenn auch nicht unbedingt in Britannien. Für einen Moment gingen mir Bücher im Kopf herum, welche ich aus meiner Zeit in meiner gesicherten Truhe verwahrte. Beizeiten sollte ich dort einmal nachsehen!
Ich hatte mit Mrs. Byrne das Abendessen besprochen, mit Jenny war der Ablauf ebenfalls besprochen und Mrs. Wallace würde sich um unseren Sohn kümmern. Was mich ein wenig irritierte, weil Haytham darauf bestand, dass Edward NICHT am Essen teilnahm. „Alex, Kinder gehören nicht an den Tisch, wenn es um geschäftliche oder gesellschaftliche Anlässe geht. Es sei denn, sie sind im entsprechenden Alter und müssen vorgestellt werden.“ erklärte er mir zum wiederholten male und zum ebenfalls wiederholten male sah ich ihn ungläubig an. „Aber Edward ist doch dann noch gar nicht im Bett und...“ versuchte ich eine erneute Erklärung meinerseits.
„Das ist egal, sein Kindermädchen kümmert sich um ihn, wie sie es auch tun würde, wären wir außer Haus zu einem Essen eingeladen.“ Mist, das war natürlich stichhaltig! Nun gut, ich musste mich diesen Gepflogenheiten noch anpassen und seufzte resigniert. „Mi sol, unser Sohn ist oben mit Sybill und wir sind nicht weit weg. Ihm passiert schon nichts und vielleicht erwartet man ja auch, dass Edward vorgestellt wird.“ sprach mein Mann beschwichtigend hinter mir, während er meine Garderobe im Spiegel begutachtete. „Einfach fantastisch...“ hauchte Haytham mir jetzt ans Ohr und mich überkam mal wieder eine Gänsehaut. „Danke...“ und ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Wange.
Im Salon hatten wir einen Moment Ruhe und ich gab meinem kleinen Schatz noch einen Kuss. Er hatte bereits gegessen und war in sein Nachthemd gekleidet. „Mistress Kenway, ich wünsche euch einen schönen Abend. Wir werden dann jetzt hinauf gehen.“ sprach Sybill leise und verließ den Raum mit einem nicht ganz so friedlichen Edward auf dem Arm. „Mamaaa...“ und ein Schniefen folgte. Vielleicht konnte ich mir ja ein paar Minuten stehlen, wenn ich „meine Nase pudern“ musste. „Alex! Ich kann schon wieder sehen, was du vorhast!“ hörte ich die vorwurfsvolle Stimme von Haytham neben mir. Sein leicht amüsierter Ausdruck im Gesicht strafte diesen tadelnden Ton aber Lügen!
„Mistress Kenway, Master Kenway! Eheleute André sind eingetroffen, mit ihrem Sohn Master John!“ unterbrach ein Diener unsere kurze Zweisamkeit. - John... John André... verdammt... irgend etwas klingelte da im Hinterkopf, aber ich kam nicht drauf -
Die Begrüßungsrunde ging schnell von Statten und ihr Sohn war ein, wenn ich das überhaupt so sagen darf, hübscher 14jähriger junger Mann, welcher die Höflichkeit in Person war, jedoch still und zurückhaltend. „Master John, es freut mich, euch kennenzulernen. Wie ich hörte studiert ihr gerade an der Westminster School. Welche Fächer liegen euch denn besonders?“ Haytham war in seinem Element, weil er nur Hauslehrer hatte, sog er alles was mit Schulen zusammen hing auf! Die beiden Herren unterhielten sich über Mathematik und über das feingeistige, das Malen insbesondere. Dieses Gespräch setzte sich auch während des Essens fort und ich hatte Gelegenheit, Antoine und Marie näher kennenzulernen.
Ein Schweizer, welcher eine Französin geheiratet hatte und aufgrund seiner Protestantischen Zugehörigkeit hierher nach England kam. Die genauen Umstände schilderte Mr. André natürlich nicht im Detail, das wäre vermutlich Abendfüllend gewesen, aber ich war im Bilde und konnte mir die Nöte der Hugenotten ein klein wenig vorstellen. Es gab noch mehr Kinder, welche jedoch gerade alle in verschiedenen Ländern entweder studierten oder einfach dort lebten. Mrs. André erkundigte sich natürlich nach unserem Sohn und als ich erwähnte, er sei oben mit seinem Kindermädchen, fragte sie zögerlich, ob es schon zu spät sei, Master Edward ebenso kennenzulernen.
Nach dem Essen brachte Mrs. Wallace unseren Schatz nach unten und Edward war sichtlich glücklich, uns zusehen. „Er ist das Ebenbild seines Vaters, Mistress Kenway.“ hörte ich Marie freudig ausrufen, als klein Kenway auf ihrem Schoss saß und sie mit großen Augen ansah. In diesem Moment besah ich mir John ein wenig genauer und musste ebenso feststellen, dass auch er nach seinem Vater kam, dunkle Haare, hochgewachsen, ruhig und mit einem gewissen Charme. Erstaunt stellte ich aber außerdem fest, dass er Haytham ein wenig ähnlich sah. Diese grauen Augen und diese aristokratischen Gesichtszüge waren nicht von der Hand zu weisen.
Aber es war an der Zeit, dass unser Sohn ins Bett kam und ich gab ihm noch einen Gute-Nacht-Kuss genauso wie Haytham und dann verschwand Sybill mit einem mürrischen Edward auf dem Arm wieder nach oben. „Sie müssen noch so viel lernen!“ meinte Marie leise und sah mich mit einem mitfühlenden Ausdruck an. „Das werden die Kinder sicher noch lernen, es fällt mitunter jedoch schwer, sie alleine zu lassen.“ sah ich etwa Verständnis in Johns Gesicht?
Es war an der Zeit, dass wir nun das Geschäftliche in Angriff nahmen und nach kurzer in Augenscheinnahme der Waren, wurden Mr. André und ich uns schnell einig, dass wir diverse gemeinsame Geschäfte tätigen werden. Er hatte Kontakte zu Händlern in Italien und der Schweiz, welche ihn mit erlesenen Speisen versorgen konnten und welche im Umkehrschluss auf Weizen oder Tabak spekulierten. Somit konnte ich einen neuen Zweig auftun, welcher mich weiter unabhängig von den Geschäften mit Faith brachte. Auf Dauer würde ich selbständig sein und ihren Handel mitführen, aber nicht mehr als alleinige Einnahmequelle. Wir mussten weiterdenken an die Zukunft.
Somit hatte ich auch noch den Zugriff auf weitere Schiffe und konnte deren Geleitschutz mit versichern. Die Routen plante ich nun mit Antoine und bot ihm entsprechende Eskorten an. Auch er hatte mit zunehmenden Schwierigkeiten zu kämpfen, was die Patrouillen auf See anging, somit war uns beiden geholfen!
Wir stießen, es muss schon gegen Mitternacht gewesen sein, auf unseren Abschluss an und kurz darauf verabschiedete sich Familie André von uns, mit dem Versprechen, uns bald in Virginia besuchen zu kommen. Wenn das so weiterging, würde es bei uns wie in einem Taubenschlag zugehen!, dachte ich im Stillen und grinste in mich hinein. Es tat so unglaublich gut, weiterzukommen und neue Bekanntschaften zu machen. Wer weiß, wann man auf diese Kontakte noch zurückgreifen konnte.
Als wir dann wieder alleine waren, saß Haytham neben mir auf der Terrasse und sah in den sternenklaren Nachthimmel. „Ist alles in Ordnung, mi amor?“ fragte ich etwas zögerlich, weil ein tiefes Seufzen zusätzlich von ihm kam. „Keine Sorge, mir geht es gut. Ich dachte nur daran, wie weit unsere Bekanntschaften bereits gewachsen sind und das in so kurzer Zeit!“ seine kühlen Finger umschlungen meine Hand. „Das dachte ich vorhin auch schon, Haytham. Und ich kann mich selbstständiger bewegen, wenn es so weiter geht.“ lächelte ich zufrieden.
„Haytham, ich wollte dich etwas fragen.“ mir ging seit einiger Zeit der Gedanke durch den Kopf, dass ich seine Tagebücher lesen wollte oder besser sollte. „Mi sol, das klingt bedrohlich. Was ist los?“ in seinen Augen lag tatsächlich diese Angst, dass gleich ein Drama auf ihn zukommt und für einen Bruchteil einer Sekunde war ich versucht, ihn zu ärgern. Doch so leicht wie ihm, fiel mir so etwas nicht. „Es geht um deine Tagebücher. Ich hatte doch gesagt, ich lese sie erst, wenn ich ganz bei dir bin. Wie wäre es, wenn ich Edward daraus vorlese?“ Haytham sah mich erstaunt an.
„Warum solltest du unserem Sohn das vorlesen? Und ja, ich weiß, damit Edward früh versteht, worum es in unserer Familie geht. Aber ich würde es vorziehen, ihm selber darüber zu berichten, zu gegebener Zeit. Jetzt ist er noch zu klein dafür.“ etwas enttäuscht seufzte ich, doch Recht hatte er schon. „Dann werde ich sie, wenn wir wieder in Virginia sind mal in Angriff nehmen. Ich hoffe, ich kann dich ruhig fragen, wenn ich etwas nicht lesen kann?“ meinte ich grinsend und erntete eine hochgezogene Augenbraue. „Ich habe mir große Mühe gegeben leserlich zu schreiben, mi sol. Sogar du mit deiner etwas eigenartigen Handschrift wirst es entziffern können.“
Achja, das hatte Haytham ja bereits angemerkt, dass ich eine merkwürdige Schrift gelernt hätte. „Du hast ja gesehen, dass wir keine Federn und Tinte mehr nutzen. Also hat sich auch unsere Schrift entsprechend geändert. Weißt du, ich bin gespannt wie sich Edward dann macht und ob er ebenfalls so ordentlich schreibt wie du!“ mein Blick ging gedankenverloren zum Himmel und ich stellte mir unseren Sohn vor, wie er vor seinen Aufgaben brütete. „Hauptsache er ist ein guter Schüler, mi sol.“ kam es von meinem Mann. DAS wünschten sich vermutlich alle Eltern.
Ich wurde aus einem wirklich wundervollen Traum mit meinem Mann geholt, auch wenn die Gestalt nicht minder attraktiv war, aber sie brüllte mich an, endlich aufzuwachen!
FAITH! Was in Odins Namen… „Alex wach auf ich brauche deine Hilfe“ Zum Kuckuck… es ist mitten in der Nacht und ich drehte mich wieder in Haythams Arme. „Ich weiß Alex, aber ich brauche die Hilfe von dir und Haytham. Shay ist bei einem Auftrag und bis jetzt nicht zurück und...ich habe ein seltsames Gefühl im Bauch, was ich nicht erklären kann“ Ohhh, war das ihr Ernst? Er wird irgendwo in einer Taverne abgesackt sein… doch etwas in ihrer Stimme ließ mich aufhorchen und ich saß im Bett.
Verschlafen stupste ich Haytham an, welcher auch mehr als mürrisch reagierte und in kurzen Worten erklärte ich, dass sein Schützling schmerzlich von Faith vermisst wurde. Ein Auftrag, welchem er nachging und so weiter… so ganz war ich selber noch nicht wach.
Faith wollte direkt hierher kommen, das wäre schneller. Nun, soooo langsam waren wir auch nicht, auch wenn ich dringend Schlaf nach diesen ganzen nervtötenden Nächten brauchte. DAS musste wohl warten, doch als Mutter… aber wem sage ich das…
Wir machten uns fertig, sagten Mrs. Wallace, welche ebenso verschlafen vor uns stand, Bescheid und gingen dann hinunter.
Meine Schwester im Geiste erschien gerade, als wir auf den Hof traten. Sie hatte sogar schon Pferde mitgebracht, nun gut, also hatte ich den Stallmeister umsonst bemüht, welcher mir vermutlich morgen nicht ganz so wohlgesonnen sein wird.
Wir machten uns also auf den Weg und langsam wurde mein Geist klarer.
„Shay hatte den Auftrag einen Chemiker auszuschalten, dieser Herr ist für das Giftgas verantwortlich und arbeitet mit Elinor zusammen. Frag mich nicht warum, aber ich weiß das Shay etwas zugestoßen ist“ Giftgas, verdammt da war ja noch was, was ich sie fragen wollte! Wie so oft musste das aber mal wieder warten!
Dass sie dieses Gefühl hatte kam ja nicht von ungefähr, als Frau hatte man diese Eingebungen einfach. Auf die anderen göttlichen Einflüsse muss ich wohl nicht näher eingehen!
Haytham war den ganzen Weg über konzentriert und ich konnte seltsamerweise eine leichte Spur erkennen, je nachdem wohin er sah. Es war wie eine goldene Linie… merkwürdig. „Da hinten ist ein Pferd…“ weiter kam er nicht, weil Faith schon aus dem Sattel war und seinem Fingerzeig hinterher eilte. Wir taten es ihr gleich.
Durch die ganze Aufregung erschienen bei ihr die Zeichen auf der Haut, also versuchte ich sie zu beruhigen und Haytham suchte nach weiteren Spuren. Schwer war es nicht, man hatte den Eindruck als wären sie in den Boden gestampft worden. So als wollte man, dass sie gefunden wurden.
Also folgten wir einfach seinen Anweisungen, liefen durch einen Park und dann sahen wir schon von weitem ein Gebäude in Flammen stehen. Wenn Shay noch dort war, dann… ich mochte nicht daran denken. Haytham jedoch erklärte in einem völlig geschäftsmäßigem Ton „Nein er war dort, aber das ist schon eine Weile her Faith, hier lang“ und führte uns weiter in Richtung eines Springbrunnens, daran vorbei und weiter zu einem kleinen Waldstück. Wir entfernten uns vom eigentlichen College und ich war versucht zu fragen ob er wirklich noch wisse, wo er hin musste, doch ich wusste, ich konnte auf seinen mittlerweile sehr gut ausgeprägten Sinn zählen.
Dann endlich blieb Haytham wie angewurzelt stehen und deutete auf eine leblose Gestalt vor uns! Nein… bitte nicht! Faith stürmte darauf zu und rief immer wieder „Shay wach auf“! Aus ihrer Tasche zog sie ein kleines Fläschchen und ich musste arg an mich halten, denn ich wusste, es war Riechsalz. Damit konnte man ungelogen auch Tote aufwecken, zumindest soweit, dass sie sich erbrachen. Das Zeug war einfach widerlich. Was soll ich sagen, Shay war von den Toten auferstanden und sein Mageninhalt ergoss sich über Faith. Ich musste schlucken und drehte mich etwas weg. Wenn meinem Kind schlecht ist, kein Thema, aber bei fremden Menschen, da wird es mir schon übel.
Mit vereinten Kräften schafften wir es, den Iren auf die Beine zu bekommen, aber Faith war der Meinung wir sollten lieber die Pferde bringen, weil die Soldaten, angelockt von den Flammen, bald in großer Vielzahl hier erscheinen würden. Nunja, denen wäre es egal… ich sagte aber nichts, sondern wir machten uns eilig daran die Reittiere hierher zubringen.
„Shay stinkt zwei Meilen gegen den Wind, mi sol.“ sprach mein Mann während unseres Marsches zurück und ich überlegte… Es musste mal wieder eine Art von Betäubungsgift sein, weswegen er so weggetreten war. Ich hoffte inständig, dass er keine bleibenden Schäden davon trug. Diesen Gedanken hatte ich damals schon bei Maggie und dem Kaiserschnitt. Unerforschte Experimente waren nicht ganz ohne!
Wir kamen mittlerweile mehr als übermüdet bei den beiden wieder an und ich staunte nicht schlecht, weil beide klatschnass waren. Was aber den Vorteil hatte, dass man von Shays Geruch alleine nicht gleich benebelt wurde.
Der Ire wurde nun sicher auf sein Pferd bugsiert und wir machten uns langsam auf den Weg zurück! Dieses Schwanken war schon bedrohlich und erinnerte mich an diese alten Western, wo der arme schwerverletzte Cowboy, inmitten seiner Freunde nach Hause geleitet wurde.
Natürlich versuchte Faith mich zu beruhigen, doch ich konnte mir an drei Fingern abzählen, dass er nach guter Pflege und ein paar Tagen Bettruhe wieder der Alte war. Solange würden wir mit unserer Abreise auch noch warten. Etwas in mir verbot mir, ohne seinen Abschied zu gehen! … du hast es in dir… zum ersten Male nahm ich eine Stimme wahr, welche weder Sigyns war, noch Odins oder Friggs… mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich zog meinen Umhang enger um mich!
Als wir sichergestellt hatten, dass sie heile zuhause angekommen waren, machten wir uns auf den Weg zurück zum Kenway Anwesen. Wir hatten jetzt nicht mehr viel Zeit, weil Frankreich und auch die Niederlande auf uns warteten.
… Sithtric Cáech, du weißt es… wieder diese Stimme, welche mich erzittern ließ!
Als ich sicher war, dass weder Odin noch sonst wer mithören konnte, erzählte ich meinem Mann von dieser Stimme.
„Alex, sag mir nicht, es gibt noch mehr Götter…“ doch ich konnte ihn beruhigen, es war kein Gott. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig lag, deutete die Stimme auf Sigtryggr hin. Doch was bitte hatte Shay, außer seiner irischen Abstammung, damit zu tun? Bitte, musste ich wirklich noch tiefer in meiner eigenen Geschichte gehen? Ja, meine dänischen Vorfahren waren nicht alle lieb und friedlich mit einem Tee in Irland oder England rein marschiert!
… warum wohl findest du die irische Geschichte reizvoll, warum hast du dich mit dieser Göttergeschichte ebenfalls beschäftigt? Nichts passiert ohne Grund! …
Bevor ich von meinem Pferd fallen konnte, hielt mich Haytham fest und hatte Mühe sein Reittier zusätzlich auf der Straße zu halten und mich dazu! „Alex! Hey… was ist denn auf einmal los.“ hörte ich seine überforderte Stimme und konnte kaum antworten, weil ich das Gefühl von Pappe im Mund hatte.
„Ich… keine Ahnung… es gibt noch mehr Einflüsse… ich werde noch tiefer gehen müssen…“ meinte ich wirklich wie in Trance, weil ich nicht wusste, wo ich gerade war.
Als wir endlich zuhause ankamen, sprang ich einfach aus dem Sattel und eilte ins Haus! WANN bitte hörten diese ganzen Lernprozesse auf, wann konnte ich wieder einfach nur ich sein? Warum zeigte man mir immer wieder neue Momente meiner Vergangenheit, von denen ich nicht mal Ansatzweise eine Ahnung hatte?
Im alten Studierzimmer von Edward saß ich einfach am Schreibtisch und sinnierte für einen Moment vor mich hin.
„Mi sol, du brauchst noch Schlaf, denk an Edward!“ kam es leise neben mir und ich bemerkte Haytham an meiner Seite. Er hatte ja Recht, aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. „Haytham, gibt es hier Bücher über die irischen Könige, die irische Mythologie oder ähnliches?“ plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
„Nicht hier, mi sol. Aber in Frankreich wirst du fündig werden. Reginald hat eine doch recht beeindruckende Sammlung an Büchern zusammengetragen. Eben weil er sich mit Göttern, Königen und ähnlichem beschäftigte.“ warum ich mich völlig erleichtert in seine Arme warf, konnte vermutlich nicht einmal Odin erklären.
Einen Schritt nach dem anderen! Nichts überstürzen! Diese Arme gaben mir diese Zuversicht und ich fühlte mich wieder beschützt! Diese unbekannte Stimme konnte mir nichts böses… sie war in meinem Unterbewusstsein!
Die Sonne ging zwar schon auf, aber wir ließen Magda und Michael rufen, gleichzeitig erschien auch Sybill und übernahm fürs erste Edward. Somit hatten wir ein paar Stunden Schlaf, welche ich, unterbrochen von einer intensiven Zuwendung meines Mannes, dann noch genießen konnte.
Ausgeschlafen ist etwas anderes!, ging es mir durch den Kopf, als wir gegen 12 Uhr auf der Terrasse erschienen. Sogar unser Sohn warf uns einen bösen Blick zu, krabbelte dann aber flink zu uns hinüber und tapste die letzten Schritte auf uns zu. „Faver…“ ich sah etwas perplex zu Haytham, welcher aber strahlte. Edward wollte also nun auch englische Wörter sprechen. Doch so ohne Schneidezähne wäre eine „th“ kaum möglich!
Mein Kopf schien zu explodieren, ich hatte noch keinen Kaffee, kein Frühstück… Doch mein Mann war voller Enthusiasmus und freute sich über diesen kleinen Anfang. Ich hingegen sah jetzt in meine Tasse und freute mich, dass darin das göttliche Heißgetränk duftend vor sich hin schwappte. Ja, so unterschiedlich sind die Gemüter…
Wir hatten für diesen Tag die Verladung der Reisetruhen, der geschäftlichen Truhen und der Runentruhen zu beaufsichtigen. Spätestens übermorgen wollten wir nach Calais aufbrechen und ich war unglaublich aufgeregt. Ich hatte tatsächlich noch nie französischen Boden betreten!
Jennifer sah uns beim Packen mit traurigen Augen zu und warf hin und wieder ein, dass sie uns bald besuchen kommen wird. Ich hielt es irgendwann nicht mehr aus und umschlang sie mit meinen Armen. „Jenny, ich vermisse dich auch schon. Die Zeit hier war einfach so schön und ich wünsche mir, dass du uns bald besuchen kommst!“ meine Tränen rollten mir über die Wangen, ich konnte sie nicht stoppen.
Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns schon einmal von Faith und Shay, sogar Lucius war anwesend. „Ich wünsche euch alles gute, Mistress Kenway.“ meinte er mit einem Handkuss und in seinen Augen flammte für einen Moment dieses goldene Leuchten auf. Wir waren nie alleine, auch wenn wir uns so fühlten! „Nein, wir können niemanden von euch unbeschützt lassen, dafür steht zu viel auf dem Spiel!“ hörte ich die Stimme von Mars in meinem Kopf.
Was die Zukunft uns bringen mag, liegt nicht mehr alleine in meiner Hand., ging es mir durch den Kopf.
„Nein, ihr erfüllt ein Schicksal!“ dann herrschte Dunkelheit in seinen Augen und in meinem Kopf ebenso. Aber mich erfüllte eine Ruhe, welche ich in Lucius´ Gegenwart noch nie gespürt hatte. Also hatte auch er seinen Frieden mit mir gemacht? „Das haben wir beide…“ er brach ab, so als wüsste er nicht, als was er mich bezeichnen sollte. Aber damit konnte ich leben.
Am darauffolgenden Tag legten nun die Jackdaw und die White Moon ab und fuhren gen Dover damit wir durch den Kanal nach Calais segeln konnten. Das Wetter war für diese Reise mehr als nur geeignet und wir mussten keinen großen Katastrophen entgegensehen. Loki und Sigyn waren noch zum Abschied erschienen und versicherten uns, dass alles in Frankreich vorbereitet sei und dass sie uns zu Weihnachten in Virginia besuchen kommen würden. Virginia! Ich freute mich, bald wieder dort sein zu können.
Die Tage auf See waren etwas unbequem und anstrengend, weil Edward nicht von meiner Seite weichen wollte. Warum wusste ich nicht, es schien als hätte er plötzlich Angst auf diesem Schiff zu sein. Es dauerte aber nicht lange, da machte er sich los und versuchte auf dem schwankenden Untergrund voran zu kommen, was die Mannschaft lachend kommentierte!
Was soll ich sagen, es funktionierte nicht.
Dafür aber nutzte ich diese Tage und brachte ihm bei, nicht hinzufallen und trainierte seinen Gleichgewichtssinn entsprechend.
Haytham nutzte die Tage, in dem er mit seinem Kammerdiener immer wieder verschwand, oder ich erlebte sie in angeregten aber leisen Diskussionen. Ab und an schnappte ich Brocken auf „Sir, wie soll ich aber eine Familie ernähren?“ oder auch „Und wie weiß ich, dass ich Vater werde?“ innerlich rollte ich mit den Augen, aufgrund dieser Unaufgeklärtheit. Mein Mann war etwas geschult mittlerweile, weil er meinen Zyklus kannte und ich ihn auch entsprechend eingewiesen habe. Wobei nicht alles habe ich ihm erklären können, weil ich kein Mikroskop oder ähnliches hatte, was ihm die Spermien verdeutlichen könnte. Vielleicht sollte ich das später auch noch einmal in Angriff nehmen. Alles andere gab er weiter und ich hoffte, dass auch Magda ihren Körper entsprechend kannte.
„Mi amor, was ist denn plötzlich mit Michael los? Verzeih, aber ich habe ein paar Sätze von euch aufgeschnappt.“ fragte ich eines Abends dann, als wir im Bett lagen.
Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Er weiß einfach nicht, WIE er Magda den Antrag machen soll, er hat Angst etwas falsch zu machen. Vor ein paar Tagen war es deine Kammerzofe, welche sich nicht so fühlte und er hatte Angst, sie sei schwanger. Also habe ich die letzte Zeit genutzt und ihm ein paar Dinge im Bezug auf Frauen erklärt.“ grinste mein Mann jetzt stolz.
„Ich sagte doch, du bist ein guter Lehrmeister!“ lachte ich leise und nahm ihn wieder in die Arme.
„Ja, manchmal anscheinend schon. Michael und ich haben beschlossen, dass er ihr den Antrag macht, wenn wir im Chateau sind. Wir werden als Zeugen dabei sein, mi sol. Und die Hochzeit wird dann in Amerika stattfinden, vermutlich aber erst nächstes Jahr. Wir wissen ja noch nicht, wann wir wieder ankommen werden.“ Haytham klang zufrieden und schien sich wirklich zu freuen. Auch ich war erleichtert, dass die beiden es wagen wollten, zu heiraten und alles in trockenen Tüchern haben wollten.
„Ich habe Michael einen Ring als Geschenk versprochen und ich weiß, wir werden in Frankreich entsprechend etwas passendes für die beiden finden.“ seufzte er und drückte mir einen Kuss in meinen Nacken. „Ich würde dir gerne auch noch einmal einen Antrag machen! Damals war dieser Moment deiner nicht würdig, Alex! Du hast einen anderen Rahmen verdient!“ hauchte er vorsichtig in meine Halsbeuge.
„Ich würde dich auch unter einer Brücke in Lumpen heiraten, mi amor! Hauptsache ist, du bist bei mir!“ und bei diesen Worten wanderte ich in einen wunderschönen Traum, wo Haytham mit Handtuch … egal…
~~~ To be continued ~~~
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Kapitel: | 112 | |
Sätze: | 25.711 | |
Wörter: | 294.962 | |
Zeichen: | 1.696.259 |
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