Als wir am heutigen Tag endlich anlegten, war ich dankbar für festen Boden unter meinen Füßen. Wie es aussah, hatte Edward jetzt ein kleines Gleichgewichtsproblem, erst musste er sich an das Schaukeln des Schiffes gewöhnen und nun war wieder alles ruhig. Ich hoffte, er würde nicht allzu lange damit zu kämpfen haben.
„Ich stelle mir gerade vor wie es sich für Edward anfühlen muss, wenn wir die Monate über den Atlantik gesegelt sind.“ grinste Alex, aber ihre Augen verrieten mir, dass sie lieber wieder daheim in Virginia wäre. Es ging mir nicht anders, musste ich mir eingestehen.
Bevor wir in London ablegten, hatte Francis Bradshaw noch ihr Versprechen Alex gegenüber eingehalten und ihr die goldene Schale überreicht. Als wir sie berührten strahlte sie eine angenehme Wärme ab und leuchtete leicht.
Meine Frau sah hinein und schrak für einen Moment wieder zurück. Wir sahen ihr Spiegelbild oder besser das ihrer Vorfahrin. Diese grünen Augen waren wirklich die ihren, nur das Gesicht an sich sah etwas anders aus. Ich versicherte ihr, es sei dennoch wunderschön.
Wir alle haben Ahnen und Vorfahren, mein Kind. Auch DU! Bei dir sind ihre körperlichen und geistigen Merkmale aber stärker ausgeprägt, als bei normalen Menschen! Die Worte des Allvaters waren leise und mit Bedacht gesprochen, weil Alex bis jetzt immer noch nicht vertraut mit ihrer eigenen Geschichte war. Ich hegte die Hoffnung alsbald endlich mehr Aufklärung zu erhalten!
Uns eilte ein kleiner Mann entgegen, welcher sogar meiner Frau gerade so eben in die Augen sehen konnte.
Er entpuppte sich als der Diener der Eheleute Jomphe, welche unsere Ansprechpartner hier in Frankreich darstellten. Ich war gespannt, wer sich hinter dem Namen verbarg. Aber umso aufgeregter war ich, wie meine Familie das Chateau finden würde. Doch dazu später mehr.
„Maîtresse Kenway, Maître Kenway, mein Name ist Adrien Martineau! Zu euren Diensten!“ seine Stimme passte irgendwie nicht zu seiner Körpergröße, ging es mir durch den Kopf. Sie war tief und rau.
Sogar Edward wurde begrüßt welcher etwas skeptisch den Fremden vor sich beäugte, ihm aber dann doch seine Hand reichte.
Wir überwachten noch für einen Moment das Entladen, bis alle Wachen, Waren, Beschützer und Bedienstete auf Kutschen, Karren und Pferden aufgeteilt waren.
Meine Frau überließ den beiden Kapitänen noch jeweils eine Börse, damit sie für Unterkunft und Verpflegung der Mannschaften sorgen konnten. Ich sah, dass Alex nur schweren Herzens ihre Brig hier zurückließ. Leider gab es aber keine Möglichkeit die Jackdaw bis nach Compiègne segeln zu lassen.
Wenn ich richtig lag würden wir noch ungefähr eine Woche bis dorthin brauchen. Hoffentlich hielt sich das schöne Wetter, weil die Wege durch tiefe Waldgebiete führten, welche bei Regen sonst völlig aufgeweicht wären!
Wir waren noch nicht ganz aus der kleinen Stadt und dem Hafengebiet, da stöhnte Alex leise auf.
„Mi sol, es wird schon nicht so schlimm werden. Es sind nur ein paar Tage.“ versuchte ich sie aufzumuntern, während unser Sohn dieses Schaukeln sichtlich genoss.
Monsieur Martineau unterrichtete uns unterdessen, dass er sich bereits um die Übernachtungsmöglichkeiten gekümmert hätte.
„Ich habe dafür gesorgt, dass es euch an nichts fehlen wird. Die Herbergen sind sauber und geräumig und vor allem sind uns die Inhaber bekannt. Alle durch die Bank weg loyal und vertrauenswürdig.“ ob dieser Mann in alles eingeweiht war, entzog sich meiner Kenntnis. Vermutlich hätten wir irgendwann einmal die Möglichkeit uns mit ihm unter vier Augen zu unterhalten.
Gegen Abend als die Sonne langsam unterging erreichten wir die erste Herberge. Unser Reiseführer hatte Wort gehalten und die Unterkunft war perfekt für unseren kleinen Tross. Die Scheune neben dem Gasthaus war geräumig, weswegen unsere Wachen und die Truhe dort gut untergebracht waren.
In unserem Zimmer gab es für Edward ein Kinderbett, Sybill und Magda teilten sich eine Kammer nebenan und Michael sowie Adrien nächtigten einen Raum weiter.
Nachdem wir noch etwas zu Abend gegessen hatten, gingen wir hinauf. Ich freute mich auf das weiche Bett und meine Frau, welche sich wohlig seufzend neben mir niederließ.
Leider wurde ich von ihr daran erinnert, dass wir hier nicht alleine sein. Mein Argument mit der Nutzung der Scheune wurde im Keim erstickt, weil wir dort ebenfalls nicht alleine wären.
Auch ich musste noch lernen in diesen Momenten Geduld zu haben, was mir von Zeit zu Zeit doch recht schwer fiel.
Im Morgengrauen weckte mich Alex leise. „Wach auf, mi amor.“ ihre warmen Lippen auf meiner Wange ließen mich lächeln. Dennoch war ich etwas alarmiert und sah mich vorsorglich im Zimmer um.
„Nein, es ist nichts passiert, aber zieh dir deinen Morgenrock an und folge mir!“ flüsterte sie und in diesem Moment konnte ich ihre Gedanken lesen. Dieses Weib hatte mal wieder sehr unanständige Bilder im Kopf, die mich aber auf mehr hoffen ließen.
Sie zog mich auf leisen Sohlen über den Korridor zu einer kleinen Kammer, welche für Notfälle gedacht war.
„Wenn ich mich dir so ansehe, dann ist dies jetzt ein echter Notfall, mi amor!“ sprach sie leise, schloss die Tür hinter sich und lehnte dagegen.
Langsam schritt ich auf sie zu, öffnete die Schnüre ihres Nachthemdes, welches dabei über ihre Schultern auf den Boden glitt. Ich drückte mich an sie, hob sie gleichzeitig auf meine Hüften und nahm sie.
Ihr Beine schlangen sich enger um mich und zum ersten Mal bemerkte ich diese Kraft die Alex hatte.
Es war ein kurzes Liebesspiel, aber überaus befriedigend für uns beide, da waren wir uns einig. Die Abstinenz auf der Jackdaw mussten wir beide zügig kompensieren. Wieder in in unserem Zimmer fanden wir noch ein wenig Schlaf, ehe unser kleiner Wecker ansprang.
Die letzten Tage waren wieder einmal recht anstrengend, gepaart mit schlaflosen Nächten aufgrund eines zahnenden Edwards.
Allesamt waren wir angeschlagen und unausgeschlafen, was sich mehr als negativ auf meine Laune auswirkte.
Im Laufe dieses Vormittags kamen wir in einem kleinen Dorf an, wo auf dem Vorplatz zur Taverne reges Treiben herrschte. Die Bewohner hatten sich dort versammelt um eine Wiedergutmachung zu fordern!
Ich übersetzte für Alex, weil sie immer noch nicht ausreichend des französischen mächtig war.
„Sie verlangen eine Wiedergutmachung! Der Wirt hat den Sohn dieser Familie aus dem Dorf jagen lassen, weil dieser seine Tochter erst geschwängert und sie dann der Hexerei bezichtigt hat. Das Mädchen hat sich ein paar Tage darauf aber selber das Leben genommen und man hatte das Teufelsmal auf ihrer Schulter gesehen!“ Plötzlich trat Angst in die Augen meiner Frau. Sie hatte mir berichtet, dass dieses Mal, von dem immer mal wieder gesprochen wurde, auch eine Narbe einer Pockenimpfung aus ihrer Zeit sein könnte. Jetzt hatte sie vermutlich die Befürchtung, dass das Mädchen ebenfalls eine Zeitreisende hätte sein können. Ich konnte sie aber beruhigen, weil der Wirt es noch einmal als ein Muttermal beschrieb.
Gerade als man immer lauter werdende Beschimpfungen hörte, drehten sich alle Köpfe die Straße hinunter, wo ein abgeranzter junger Mann humpelnd auf die Gemeinde zuhielt.
Mir entwich ein zynisches „Der verstoßene Sohn kehrt zurück.“ und ich übersetzte weiter für meine Frau.
„Sie wollen, dass er wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wird, weil er nichts unrechtes getan hätte. Angeblich hat er sogar um die Hand des Mädchens angehalten!“
Zu mehr kam ich nicht, weil der Wirt auf den Herren zuging und einen Dolch zückte.
„Verschwinde du Nichtsnutz! Wir wollen keine geisteskranken Idioten in unserem Dorf! VERSCHWINDE!“ rief er laut. Aber der Angesprochene sah aus vernebelten Augen von einem zum anderen, seine linke Körperhälfte hing schlaff herunter. Was hatte man diesem armen Mann nur angetan?
Eine Frau eilte auf ihn zu, es war die Mutter wie es schien.
„Sie ist froh, dass er den Weg zurück gefunden hat. Sein Name ist Phillippe und sie verspricht ihm, sich wieder besser um ihn zu kümmern, damit ihm nicht noch einmal so etwas passiert!“ erklärte ich Alex flüsternd, weil sich eine unangenehme Stille über die Anwesenden gesenkt hatte.
Die Liebe der beiden hatte Früchte getragen, aber dem Wirt gefiel diese Verbindung wohl nicht. Er wollte, wie er es gerade ausdrückte, keinen Idioten in seiner Familie haben. Dieser Herr besaß keinerlei Empathie oder dachte an die so gepriesene Nächstenliebe!
Seine Tochter hat keinen Selbstmord begangen, er hatte sie dazu gedrängt. Vermutlich weil man keine weise Frau gefunden hatte, die sich um das ungeborene Kind kümmern wollte. So war es ja des öfteren, dass die Frauen dann lieber den Tod suchte, als die Schmach eines ungewollten Spross!
Meine Frau neben mir war mehr als aufgebracht, weil sie diese Zustände nicht tolerierte. So etwas gab es in ihrer Zeit nicht, sprach sie leise und sah mit wütendem Blick zum Geschehen auf dem Platz.
In diesem Moment trat ein Herr in Robe vor, welcher, laut Adrien, der Advokat und Dorfpriester war. Auch hier übersetzte ich für Alex.
„Er sagt, er habe das Mädchen in der Beichte gehabt und sie hätte ihm gesagt, dass der Teufel wollte, dass sie mit dem Jungen das Bett teile. Auch sei der Teufel persönlich dabei gewesen… Mi sol… muss ich das wirklich weitergeben? Es klingt einfach völlig absurd und…“ ihre hochgezogene Augenbraue ließ mich weiter sprechen. „Also schön … ein paar Tage später nach der besagten Nacht, war Phillippe zum Wirt gegangen und hat ihn um die Hand der Tochter gebeten. Der Pastor war gerade zugegen und hat dann alles erforderliche in die Wege geleitet…. Du meine Güte, das ist die reinste Verschwörung hier. Wir sollten besser ein anderes Dorf finden, hier ist…“
Weiter kam ich leider nicht, weil besagter Geistliche auf uns zukam.
„Ihr da…! Was wollt ihr hier? Seid ihr gekommen um dem Spektakel beizuwohnen, welches Phillippe nun erwarten wird? Wollt ihr euren reichen Freunden von diesem Teufelswerk berichten?“ rief er uns entgegen.
„Maîtresse Kenway, bitte sagt nichts weiter. Der Gottesmann wird euch in keinster Weise Glauben schenken!“ hörte ich Monsieur Martineau warnend neben uns.
Als ich aber jetzt zu Alex sah, bekam ich Panik, weil sie so aufgebracht war, dass die Zeichen auf ihrer Haut zu leuchten begannen. Nicht nur bei ihr auch bei unserem Sohn waren sie zu sehen. Edward deutete mit bösem Blick auf den Priester...
Ich konnte nicht mehr einschreiten, die Meute sah in unsere Richtung und geriet in Panik!
„Da seht ihr sie! Die Heiden sind unter uns! Sie verschmähen unseren Gott und machen sich über uns lustig! Sie verhöhnen die Worte, welche uns der Herr lehrte! Ihre gottlosen Bräuche werden ihnen aber hier nichts nützen!“
Mit einem Male öffnete Edward den Mund und wir hörten ein hämisches, unheimliches Lachen, welches mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
„Schätzchen, lass das. Du machst den Menschen gerade Angst. Lass uns gemeinsam ruhig werden…“ flüsterte Alex, drehte sich mit unserem Sohn etwas zur Seite und begann ihm im Geiste vorzusingen, damit er sich beruhigte.
Aber es war zu spät, die Leute um uns hatten Angst, dass ihr Gott sie nun verlassen hatte. Sie würden jetzt sofort für ihre Sünden bestraft werden! Der Dorfpriester machte es nicht besser, immer wieder sprach er Gebete und forderte die Leute auf, es ihm gleich zu tun!
Neben Alex stand Mrs. Wallace, welche perplex und wie gelähmt dieses Szenario betrachtete.
„Und du widerliches Weib? Hast du diese Brut dort genährt und ihr diese heidnischen gotteslästerlichen Dinge beigebracht? Schämen sollst du dich! Verflucht seist du!“ schrie eine alte Frau meiner ehemaligen Haushälterin entgegen und bespuckte sie wütend!
Um uns wurde es jetzt immer unruhiger, Phillippe war vergessen. Was zählte waren wir! Adrien versuchte eine Erklärung, scheiterte aber an diesen von Aberglauben übermannten Dorfbewohnern.
Wir mussten hier weg und zwar schnell!
Ich hatte es noch nicht ganz zu Ende gedacht, da wurden wir in einen Nebel gehüllt und alles schien wie verlangsamt abzulaufen.
Wer war dafür verantwortlich?
Aber ich spürte einen inneren Frieden, ebenso wurde Edward ruhiger.
Trotzdem waren unsere Wachen zur Verteidigung bereit, aber in ihren Gesichtern lag eine ähnliche Verunsicherung wie bei den Menschen um uns.
Ich fühlte mich mehr als unbehaglich mit einem Male. Plötzlich drang eine Stimme zu uns durch.
Ich muss nun doch in das irdische Geschehen eingreifen, obwohl ich es nie tun wollte. Mein Gatte hat es ja sonst in der Hand…Ihr werdet euch nun mit den Wächtern langsam von hier entfernen und seht nicht mehr zurück. Ihr werdet nichts ändern können! Die letzten Worten waren direkt an meine Frau gerichtet, welche aber nicht damit einverstanden zu sein schien.
„Wir können doch nicht zulassen, dass diesem jungen Mann …“ Frigg ließ sie aber nicht ausreden!
Du gehst jetzt, Kind! Sie werden sich wie an eine alte Legende an diesen Tag erinnern! Ermahnte sie die Stimme ein weiteres Mal.
Langsam wurden wir aus diesem Ort – ich weiß nicht, wie ich es besser umschreiben soll – herausgeschoben. Man versetzte uns einfach.
Als ich mich umsah und sich diese Wolken verzogen hatten, standen wir auf einem Feldweg mit unserem Tross. Um meinen Kopf frei zu bekommen, schüttelte ich mich ein wenig.
„Maîtresse Kenway, ich wusste, wir können uns auf euch verlassen. Loki sprach lobend von euch und eurem Gatten!“ Monsieur Martineau ergriff als erster das Wort. Alex sah ihn mit offenem Mund an.
„Ihr wisst ...“ fragte sie ungläubig.
„Ich bin ein Diener Freyrs, man nennt mich Skirnir! Ich habe Fenrir, verzeiht mir Loki, mit einer Kette gebunden! Ich weiß, wer und was ihr seid und nicht ohne Grund hat man mich ausgewählt, an der Seite von Bragi und Idun zu stehen. Auch ihnen diene ich in dieser Welt. Wir wollen die Menschheit vor sich selber schützen!“ ergänzte Adrien seine Erzählung.
War es aber möglich, wenn wir alles vereinen, jedwede Katastrophe abzuwenden? Ein völlig utopisches Ziel, nur Verrückte und Geisteskranke… hörte ich Alex denken.
Auch Phillippe hatte diese Gedanken, aber niemand glaubte ihm, auch nicht seine Geliebte! Deswegen wurde er ausgelacht und verstoßen! Und sie? Sie konnte nicht weiter leben, mit dem Gedanken, so tief gefallen zu sein. Die Schande war einfach zu groß, also hat ihr Vater dem ein Ende gesetzt! Hörte ich Frigg erneut sprechen.
Wir hatten also Recht mit unserer Vermutung vorhin, ging es mir durch den Kopf.
Gerade als wir uns aufmachen wollten um noch vor Einbruch der Dunkelheit eine andere Unterkunft zu finden, sah ich, wie Sybill plötzlich in sich zusammensackte.
Wir verbrachten sie in unsere Kutsche, wo sie mit schweißnassem Gesicht auf dem Schoss meines Kammerdieners lag.
Edward wurde immer unruhiger und ich versuchte ihm zu erklären, dass er wieder zu ihr konnte, wenn es ihr besser ginge. Doch mein Sohn schrie mich plötzlich an.
„NEIN! MEIN!“ Alex sah ihn ebenso erschrocken an, wie ich.
Also setzte meine Frau ihn zu Michael, wo er schniefend an ihn gelehnt vorsichtig über die Wange seines Kindermädchens strich. Dabei hinterließen seine Berührungen goldene Spuren auf der Haut von Sybill. Fasziniert sahen wir ihm zu.
Dieses Spektakel ging noch eine Weile, ehe sich Edward müde an meinen Kammerdiener lehnte und die Augen schloss. Aber Alex konnte ihn dort nicht wegnehmen, sobald sie näher kam, erwachte er und rief laut „NEIN!“ Das ging noch eine Weile so, bis wir endlich an der neuen Herberge ankamen.
Unter Edwards lautem Protest brachten wir Mrs. Wallace hinauf in ihr Zimmer, wo sich unser Sohn gleich wieder an sie kuschelte.
Wir alle hatten keinen Appetit mehr, also wurden unsere Räume hergerichtet und Alex, Magda, Michael und ich wechselten uns bei Sybill ab. Nur zur Sicherheit!
Die Wachen hatten hier im Haus für die kommenden Tage Zimmer bekommen, wohin sie sich auch gleich zurückzogen. Bis auf diejenigen, welche gerade Dienst hatten, versteht sich.
Immer noch sah ich fasziniert dabei zu, wie Edward völlig ruhig und vorsichtig sein Kindermädchen berührte.
Er nimmt ihr ihren Schmerz, Kind! Edward bringt sie wieder zurück, langsam und erholsam, damit sie nicht überfordert ist. Ein Mensch könnte sonst großen Schaden nehmen, würden wir es wie bei uns angehen!, hörten wir Iduns Stimme plötzlich!
Mit einem Strahlen im Gesicht sagte Edward voller Stolz „Ich kann das schon!“
Ich traute meinen Ohren nicht und ich spürte ein Brennen in meinen Augen.
„Was sind wir nur für eine eigenartige aber faszinierende Familie geworden?“ flüsterte ich und sah gebannt zu unserem Sohn.
Irgendwann legte Edward seinen Kopf auf die Brust seines Kindermädchens, sprach leise „Mein!“ und war eingenickt.
Es war ein wunderschöner Anblick, welcher meiner Frau Tränen in die Augen trieb. Nicht nur ihr.
Endlich ist es soweit. Ich kann mich ganz meiner Bestimmung widmen!
Bei dieser Stimme überzog sich mein Rücken mit einer Gänsehaut. Ich kannte sie nicht.
Vor uns verbeugte sich plötzlich eine gold leuchtende Frau.
Ihr kennt mich nicht, aber ich war die ganze Zeit bei eurem Sohn und werde es auch bei eurer späteren Tochter und eurem anderen Sohn sein! Ich wache über die Tugend, die Sittsamkeit und bin eng verbunden mit meiner Freundin Freya! Es ist jetzt an der Zeit, dass ihr wisst, ihr seid alle beschützt. Freya und ich werden eine Brücke zu EURER Freundin schaffen, welche uns ebenfalls zur Seite stehen wird. Und nun lasst uns meine menschliche Gestalt wieder genesen!
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte! War auch das schon alles der Plan der Götter gewesen? Tauchten wir jetzt immer tiefer in unser Schicksal ein?
Was glaubt ihr denn? Nichts passiert ohne Grund!
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, öffnete meine ehemalige Haushälterin die Augen, sah auf ihren Schützling herunter und brach in Tränen aus.
„Ich habe es nicht nur geträumt, er ist wirklich hier.“ ihre Hand fuhr sanft über seinen dunklen Haarschopf.
Neben mir spürte ich, wie in Alex eine leichte Eifersucht auf Sybill emporstieg.
„Beruhige dich.“ sprach ich leise und drückte dabei ihre Hand.
Wie aus dem Nichts umgab uns plötzlich ein grelles Leuchten und wir standen in einem leeren Raum. So wie damals, als mich der Allvater versuchte ein wenig aufzuklären! Doch hier erschien nicht Elias, sondern die Göttin Snotra (Link in der Beschreibung!) selber.
Ich sah, ihr habt viele Fragen. Haytham, als erstes beantworte ich dir die Frage, warum ich schon so lange an deiner Seite stehe. Erinnerst du dich an den Tag, als du mich eingestellt hast? Oder besser Sybill, welcher ich bis dahin noch nicht wirklich erschienen war. Doch das ist eine andere Geschichte und sie wird sie sicherlich noch erzählen.
Sie sah mich erwartungsvoll an, als ich über die Zeit damals nachdachte. Dann fiel es mir wieder ein.
„Es war direkt nach meiner Ankunft in Boston, als ich dort das kleine Haus gemietet hatte. Sie kam aufgrund meines Aushangs zu mir und bat um eine Anstellung… Wir waren uns sofort einig und, wenn ich es jetzt recht betrachte, war es als würde sie mich schon mein Leben lang kennen!“ Dann kam mir eine Erkenntnis. Jemand musste sie geschickt haben! Jemand, dem es wichtig war, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen konnte, wenn auch eher unterschwellig und unterbewusst. Mein VATER!
Genauso war es, Haytham. Heimdall hat mich zu Mrs. Wallace geschickt, damit wir ein Auge auf dich haben können. Und wie ich sehe, hat das wunderbar funktioniert. Ihr Strahlen wurde noch intensiver, als sie Alex jetzt ansah.
Alexandra, auch du siehst jetzt, wie die Fäden oder wie du es genannt hast, die Puzzleteile zusammen geführt werden! Deine Aufgabe bestand schon immer darin, diese Reise anzutreten! Wir haben bereits vor mehreren hundert Jahren kleinere Einflüsse und Ereignisse in das Leben deiner Vorfahren einfließen lassen. Aus diesem Grunde besitzt du tatsächlich fast reines Wikinger-Blut, dass war entscheidend, damit du deine Bestimmung erfüllen kannst. Du musst diesen Glauben an uns Götter verinnerlicht haben, uns und unsere Bräuche verstehen und ebenso unsere Riten!
Wütend brach es jetzt aus meiner Frau heraus.
„Warum hat man mich nicht schon früher eingeweiht? Warum wurde ich damals mit dem Armreif ins kalte Wasser geworfen? Es hätte doch auch alles ganz anders verlaufen können… Und warum beherrsche ich dänisch oder einige gälische Ausdrücke? Warum erst JETZT?“
Dieses kleine Sprachtalent erklärte sich dahin gehend, dass wir einige Bindungen bereits eingegangen waren und meine Frau eben diese tiefe Verbundenheit dazu hatte.
Vergiss auch nicht, es ist nicht das reine Dänisch, sondern eine Mischung aus der alten Sprache. Du singst deinem Sohn abends immer ein Lied vor, welches den alten Wortstamm nutzt. Und ja, eure Enkelin hat dieses Talent der Sprachen mitbekommen, weil sie es in der Zukunft sein wird, die dein Werk fortsetzt! Es klingt alles noch neu für euch beide, aber ihr werdet euch daran gewöhnen. Jedoch darf ich dir noch nicht alles kundtun, Alexandra, weil deine Schwester im Geiste deine Geschichte ebenso miterleben wird. Es ist aber noch nicht an der Zeit, so leid es mir tut.
Die nächste Frage, welche Alex und ich uns beide stellten war, warum Mrs. Wallace nie von der Göttin an ihrer Seite gesprochen hatte. Es gab nicht einmal den kleinsten Hinweis, wenn ich darüber nachdachte.
Nenne es eine Absicherung! Es war ausschließlich für euren Schutz gedacht, solange ihr beide euer Schicksal noch nicht kanntet. Zudem wollte ich euch nicht beunruhigen, weil ich auch nicht wusste, ob ich euch nicht doch überfordere.
Das war einleuchtend.
Die Neugierde meiner Frau war aber geweckt, weil Snotra von weiteren Kindern gesprochen hatte. Leider erhielten wir keine Antwort darauf, wann es soweit sein würde.
Es wurde Zeit, wieder in die Realität einzutauchen beschloss die Göttin vor uns und langsam kamen wir in der kleinen Kammer bei Sybill und Edward wieder an.
Für einen Moment klammerte sich Alex an mich und ich bemerkte wie sie schwankte.
Ich ließ meinen Blick über dieses Idyll gleiten.
„Mi sol, ich bin immer noch sprachlos. Aber nun verstehe ich auch, was mich mit dieser Frau so verbunden hat und warum ich sie nicht gehen lassen würde.“ uns beiden fiel gleichzeitig wieder ein, dass wir ja noch ein weiteres Kindermädchen einstellen wollten. „Nur zur Sicherheit sollten wir eine weitere Aufsichtsperson haben…“ ergänzte ich meine Ausführung noch.
„Master Kenway, dagegen ist nichts einzuwenden! Ich werde das neue Kindermädchen sicherlich gut und nach euren Wünschen einarbeiten.“ erschrocken sah ich zu Sybill. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl sie leuchte von innen, doch dann war es wie bei Alex damals. Sie... ja ihre Gesichtszüge verjüngten sich.
Und ehe wir uns versahen, schlug Edward die Augen auf und rief „Sisi… daaaa… min“!
Mir verschlug es für einen Moment die Sprache. Auch Alex liefen die Tränen die Wangen herunter, als sie unseren Sohn auf den Arm nahm und drückte.
„Es war eine gute Entscheidung, euch diese Anstellung zu geben. Ich bin sehr dankbar, Sybill!“ ihre Stimme zitterte bei diesen Worte.
Vorsichtig legte sich die Hand des Kindermädchens auf ihre. Damit war alles gesagt und mich überkam ein neuer Frieden!
Es war jetzt kurz vor Sonnenaufgang, also beschlossen wir, wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen! Unser Sohn ließ sich jetzt ohne Gequengel hinlegen und war in Sekunden eingeschlafen.
Neben mir im Bett hörte ich meine Frau immer noch leise weinen. Es war kaum in Worte zu fassen, was in dieser Nacht geschehen war!
„Mi sol, wie es scheint, sind wir von Anfang füreinander bestimmt gewesen. Und wenn ich so darüber nachdenke, vielleicht war ich einfach als Test für dich angedacht gewesen, um zu sehen, ob wir uns irgendwann annähern können. Wer weiß das schon…“ kicherte ich leise vor mich hin.
„Ja, du warst die reinste Herausforderung für mich! Und du weißt ja, du warst wirklich ein süßer Fratz damals… und jetzt? Wer könnte da schon widerstehen?“ Alex grinste breit bei diesen Worten!
„Wie es scheint, DU nicht…“ damit versiegelte ich ihre Lippen und wir fanden langsam in den wohlverdienten Schlaf!
(*) Snotra ist die Göttin der Klugheit, der Tugend und der Sittsamkeit. Sie gilt als kluge, zierliche Asin und schützt tugendhafte Menschen, besonders die edlen und sittsamen Jungfrauen und Jünglinge. Sie ist eine Freundin der Freyja und hält sich in deren Gefolge auf.
Liste der Götter und Artefakte
Edward James Kenway
Gjallarhorn (Das Horn, mit welchem die Ragnarök angekündigt wird!)
Tessa Kenway
Hüterin des Schmuckkästchens der Göttermutter Frigg
Elias Lestrange (Duke of Ironside)
Speer und Schwert - Odins Thron befähigt ihn, alle 9 Welten zu sehen, weswegen Elias in seinem Studierzimmer einen reichverzierten Stuhl hat. Dieser begleitet ihn auf jeder Reise!
Mistress Lestrange (Odins Gemahlin!)
Spinnrad (sie soll laut Überlieferung, die Wolken gewoben haben!) Frigg gehört zum Götter-Geschlecht der Asen. Sie ist die Gemahlin des Göttervaters Odin und Mutter des Lichtgottes Balder, des blinden Gottes Högur, von Hermor und Bragi, Gott der Dichtkunst und auch die Mutter der Walküren.
Frigg ist die Göttin des Hausstandes, der Sippe und der Familie. Sie ist Hüterin und Bewahrerin der göttlichen Ordnung, greift jedoch nicht, wie ihr Gatte Odin, in das irdische Geschehen ein.
Finley Bradshaw
Ring der die Midgardschlange darstellt.
Loki ist eine der vielschichtigsten Gestalten des nordischen Pantheons: Einerseits hilft er den Göttern, andererseits spielt er ihnen auch Streiche und hintergeht sie. Dabei macht er von seiner Fähigkeit als Gestaltwandler Gebrauch und erscheint zum Beispiel in der Gestalt eines Lachses oder einer Fliege. Aufgrund dieser ambivalenten Rolle wird er häufig als Trickster-Figur interpretiert. Es gibt viele Geschichten in der Edda, in denen Loki eine Rolle spielt:
- Loki, Thjazi und die Entführung Iduns
- Loki und der Bau von Asgard
- Loki und Thor
- Loki und die Kleinode der Götter
- Loki als Räuber des Brisingamens
- Loki und Andvari
- Loki und Balders Tod
- Loki und Ragnarök
- Loki und Celty
Francis Bradshaw (Lokis Ehefrau)
Eine goldene Schale, mit welcher sie das Schlangengift auffing, damit ihr Mann nicht leiden musste! Sie ist das Sinnbild der ehelichen Treue!
Artem Alexeeva
~kein Schmuck~ Ein Riese, welcher als das erste Lebewesen gilt in der nordischen Mythologie. Später wird er von Odin und seinen Brüdern zerrissen! Und aus seinem Körper entsteht die Welt!
Eugene Avdeyev
~kein Schmuck sondern sein Schiff ist besonders~ Naglfar, das Totenschiff, mit welchem er durch die Welten reisen kann! Hrymr (altnordisch), auch Hrym oder Hrymir, ist in der nordischen Mythologie ein Riese, der in der Ragnarök auftritt. Nach der Prosa-Edda steuert er das Totenschiff Naglfar, nach der Völuspá kämpft er in Waffen gegen die Götter. (Nicht zu verwechseln mit der Naglfar aus „The Witcher 3“!!! Man hat sich dort nur der nordischen Mythologie bedient!!!!)
Mrs. Wallace
Snotra ist die Göttin der Klugheit, der Tugend und der Sittsamkeit. Sie gilt als kluge, zierliche Asin und schützt tugendhafte Menschen, besonders die edlen und sittsamen Jungfrauen und Jünglinge. Sie ist eine Freundin der Freyja und hält sich in deren Gefolge auf.
Monsieur Jomphe (Kontakthändler Frankreich und Niederlande!)
Bragi gehört zum Götter Geschlecht der Asen. Er ist ein Sohn von Odin und Frigg. Bragi ist der Gott der Dichtkunst.
Bei den Germanen, hatte die Dichtkunst eine sehr hochgeschätzte Bedeutung: Dichtkunst war heilig. Alles Wissen sowie alle historischen Ereignisse, ja ganze Familienchroniken wurden so weiter vermittelt. Was der Nachwelt erhalten bleiben sollte, musste in Gedichtform gebracht werden.
Magie ist ein anderer Aspekt der Dichtkunst. In der germanischen, magischen Tradition sind Zaubersprüche, welche direkt auf das Unterbewusstsein einwirken und nur durch gezielte Anwendung der Dichtkunst funktionieren ein wichtiger Angelpunkt. Dies alles müssen wir wissen, wenn wir den Bereich des Gottes Bragi verstehen wollen. Seine Gemahlin ist Idun.
Madame Laurette Jomphe (Kontakthändlerin Frankreich und Spanien)
Idun wird dem Götter Geschlecht der Asen zu gerechnet, obwohl sie die Tochter eines Zwerges sein soll. Sie ist die Gemahlin des Dichtergottes Bragi. Ihr Zuständigkeitsbereich ist Jugend und Unsterblichkeit. Mit ihren goldenen Äpfeln versorgt sie die Götter und verhilft ihnen zu ewiger Jugendlichkeit.
Als Loki die Göttin Idun samt ihrer goldenen Äpfel dem Frostriesen Thiazi ausliefert, altern die Götter sofort. Treffsicher haben die Götter sofort Loki in Verdacht und befehlen ihm, Idun zurückzubringen. Das tut Loki denn auch. Er verwandelt sich in Falken, verwandelt Idun in eine Nuss und fliegt mit ihr zurück nach Asgar. Thiazi bemerkt den Raub und verfolgt den flüchtenden Falken Loki in Gestalt eines Adlers.
So können die Götter von Asgard den Frostriesen töten, indem sie über den Mauern von Asgard seine Flügel verbrennen.
Als Ragnarök sich ankündigt, sinkt Idun von Asgard in die Unterwelt hinab. Ihr Gemahl Bragi folgt ihr.
Monsieur Adrien Martineau (Diener der Eheleute Jomphe)
Skirnir ist in der nordischen Mythologie Freyrs Freund und Diener. Er wirbt in Jötunheim im Namen Freyrs um die Riesin Gerda. Als Lohn dafür erhält er Freyrs Schwert und sein Pferd. Skirnir wird von den Göttern als zuverlässiger Vasall angesehen und mit Botschaften oder Aufträgen in andere Welten geschickt. Ein weiteres Mal wird Skirnir, im Auftrag Odins, zu den Zwergen nach Schwarzalbenheim geschickt um die unverwüstbare Kette Gleipnir zu holen, um damit den Fenriswolf zu binden.
Wir blieben in unserer Unterkunft noch ungefähr 5 Tage, damit Sybill sich erholen konnte.
Während dieser Zeit erkundete meine Frau mit Magda und unserem Sohn ein wenig die Umgebung und den naheliegenden Wald.
Bei ihrer Rückkehr berichtete sie mir von einer Begegnung mit dem Priester aus dem Nachbardorf. Er hätte sie lediglich skeptisch beäugt, aber nicht weiter reagiert. Demnach hatte die Gehirnwäsche von Frigg geholfen.
Was wir aber nicht mehr in Erfahrung bringen konnten war, ob es dem jungen Mann gut ging, oder ob er überhaupt noch lebte! Auch mir gingen diese Gedanken im Kopf herum.
Die Tage der Untätigkeit taten meiner Laune keinesfalls gut. Ich versuchte mich mit Auflistungen, was wir noch zu erledigen hätten oder der Inspektion der Artefaktentruhe abzulenken.
Hin und wieder unterhielt ich mich mit Mrs. Wallace und sie berichtete mir ein paar Dinge aus ihrem Leben, bevor sie bei mir angestellt war. Einiges wusste ich ja schon von Alex, als sie sie als Kindermädchen eingesetzt hatte.
Endlich am fünften Tag konnten wir unsere Weiterreise antreten!
Während wir nun die letzte Etappe antraten, erzählte ich von dem Jagdschloss im Wald.
„Es ist wirklich wunderschön dort, auch wenn ich seit Birchs Tod nicht mehr dort war.“ Das war eine gefühlte Ewigkeit her, wenn ich so darüber nachdachte.
„Ich vermute mal, es wird sich nicht so großartig verändert haben, mi amor. Aber wie fühlt es sich für dich an, wieder dorthin zu reisen?“ eine berechtigte Frage, welche ich mir auch schon einige Male selber gestellt hatte.
„Wenn ich darüber nachdenke, habe ich gemischte Gefühle in mir. Ein schlechtes Gewissen, Angst und so etwas wie eine Art angewidert sein überkommt mich immer wieder. Sein Zimmer ist, so hatten Jenny und ich es angeordnet, verschlossen und für niemanden zu betreten!“ Die letzten Worten kamen etwas zu resolut hervor.
Auf dem Weg nach Troyes erholte sich Sybill immer mehr und konnte auch wieder ihrer Berufung als Kindermädchen nachgehen. Was natürlich Edward besonders freute!
Bei Alex aber sah ich immer wieder eine gewisse Eifersucht aufkeimen, welche ich entsprechend versuchte im Zaum zu halten.
Er bleibt DEIN Sohn, mi sol, mir geht es nicht anders. Sieh es von der anderen Seite, somit brauchen wir kein schlechtes Gewissen haben, sollten wir überstürzt einmal aufbrechen müssen oder länger fort sein! Sprach ich sie im Geiste an, als sie mal wieder so vor sich hin grübelte.
Dann endlich fuhren wir aus dem Waldstück und hielten auf die großen Außenmauern des Schlosses zu.
Staunend sah sich meine Frau um, hielt sich die Hand über die Augen, weil die Sonne blendete nach dem dunklen Wald.
Das Tor wurde, ohne dass wir etwas machen mussten, geöffnet und man ließ uns einfahren.
Dieser Moment, als wir auf den großen Hof mit seinem breiten Kiesweg einfuhren, war wie ein nach Hause kommen. Ich hatte einen Großteil meiner Jugend hier verbracht, bis mich Reginald endgültig in den Orden aufgenommen hatte.
Alex saß mit offenem Mund in der Kutsche und schien sich nicht zu trauen auszusteigen. Also bot ich meine Hilfe an, während unsere Angestellten und Wachen bereits von hier wohnenden Dienern unter die Fittiche genommen wurden.
Ehrfürchtig stand sie jetzt dort und sah auf das doch recht imposante Gebäude vor sich.
Kurz darauf eilte uns schon der Verwalter, Monsieur Lacasse entgegen. Ihm folgten seine beiden Töchter, Marienne und Adéle, welche ich kaum wiedererkannt hätte. Meine Frau entgingen die beiden Damen nicht und ich sah, dass sie an unseren Streit in London dachte. Hoffentlich würde es hier nicht noch zu unschönen Vorfällen kommen, dachte ich im Stillen.
„Master Kenway, es freut mich, dass ihr nach so langer Zeit wieder hier seid. Wir haben eure Ankunft schon sehnsüchtigst erwartet und es ist alles für euch und eure Familie vorbereitet und hergerichtet.“ begrüßte mich der Verwalter mit einem Kniefall. Erstaunt sah Alex dabei zu. Das hatte ich nicht für nötig erachtet, sie diesbezüglich aufzuklären. Ich ging davon aus, dass sie wusste, dass mir diese Geste als Wertschätzung des öfteren entgegen gebracht wurde. Ich war derzeit der höchstgestellte Tempelritter hier, also gebot es die Höflichkeit einfach.
Ich stellte meine Familie vor, auch sie wurden mit einem Kniefall in Empfang genommen.
Zwischenzeitlich verabschiedeten wir noch Monsieur Martineau, damit er den Eheleuten Jomphe von unserem Verbleib berichten konnte.
Man führte uns jetzt zum Eingang und in die große Halle. Ich erklärte kurz die Raumaufteilung auf dieser Etage und war schon gespannt, was wir in der Bibliothek alles finden würden und ob es uns weiterhelfen konnte. In mir begann die Aufregung zu wachsen und meine Laune stieg ein wenig.
Die Tür unter der rechten Treppe würde ich meiner Frau später noch erklären. Dort waren seinerzeit Monica und Lucio inhaftiert. Ich muss gestehen, ich hatte nie wieder von ihnen gehört. Was sie wohl gerade machten? Geht es ihnen überhaupt gut? Leider hatte ich nie in Erfahrung bringen können, wohin sie abgereist waren, geschweige denn eine Adresse ausfindig machen können.
Jetzt hieß es die obere Etage in Augenschein zu nehmen, vorbei an einigen Gemälden die die alten Besitzer zeigten und dem großen Portrait Master Birchs. Ich sollte es beizeiten einmal abnehmen lassen. Dabei fiel mir auch wieder unser eigenes Familienbild ein, welches wir noch in Auftrag geben mussten!
Magda, Michael und Sybill wurden zu ihren Kammern geführt, während Monsieur Lacasse uns zu unseren Zimmern brachte. Es war tatsächlich mein altes Reich, was mich auf der einen Seite freute, umgekehrt war es ein etwas merkwürdiges Gefühl. Die Erinnerungen kamen in kleinen Schüben über mich hereingebrochen wie Wellen mittlerweile. Meine Gefühle begannen sich wieder in chaotischen Bahnen durch meinen Geist zu winden!
Als Alex hier im Raum kein Kinderbett fand, klärte sie unser Verwalter auf, dass Master Edward sein eigenes Zimmer nebenan hätte und deutete auf die Durchgangstür zur linken!
„Ich würde ihn aber gerne … weil er noch fremd hier ist …“ ich wusste es! Sie konnte noch nicht loslassen, aber ich ließ sie nicht ausreden.
Stattdessen dankte ich Lacasse für sein vortreffliches Mitdenken.
Im Geiste meiner Frau sah ich aber schon, wie sie sich ausmalte bei unserem Sohn zu übernachten. Wir würden später darüber reden, sprach ich wortlos in ihrem Geist! Das wirst du sein lassen! Deine Worte waren, so lange du ihn stillst, bleibt Edward bei uns. Erinnere dich! Langsam wurde ich etwas ungehalten, was natürlich auch ihr auffiel und sie sah sich ängstlich um, ob eine Bedrohung von Außen für meine Laune verantwortlich sei. Nein, wir waren alleine!
Edwards Zimmer war mit einem großen Bett ausgestattet, welches Gitter an den Seiten hatte, damit er nicht hinausfallen konnte. Es waren bereits alle Truhen hier und Sybill begann mit dem Einräumen seiner Sachen.
Wir gingen jetzt wieder hinunter. Bei Reginalds Bildnis blieb Alex stehen und betrachtete es stirnrunzelnd.
„Das ist Maître Birch, Maîtresse Kenway.“ erzählte der Verwalter, weil er dachte, sie würde ihn nicht kennen.
Sie hätte sich Reginald wesentlich imposanter vorgestellt. Er sähe nicht ansatzweise so autoritär aus wie ich, Lucius oder ihr eigener Mentor.
Ich erklärte, dass mein alter Meister durchaus auch anders konnte. Braddock kuschte das ein oder andere Mal schon vor ihm. Auch ich hatte in jungen Jahren größten Respekt vor ihm, ab und an war es auch gepaart mit Angst vor Strafe. Aber das war lange her.
Draußen wurden wir von einem bereits gedeckten Mittagstisch erwartet und ich nahm den Geruch von gebratenem Fleisch wahr. Tatsächlich hatte ich Hunger, wie ich feststellte.
Sogar das Kindermädchen hatte wieder Appetit, was mich sehr freute. Sie war vermutlich vollständig genesen!
Nach dem Essen übernahm ich die Führung durch und um das Schloss.
Es stand alles in voller Blüte und ich war sehr angetan von der Sorgfalt mit welcher der Garten um das Anwesen gepflegt wurde.
Hin und wieder hielt Alex an um sich eine Beere von einem Busch zu nehmen. Ihr seliger Ausdruck dabei brachte mich zum Lächeln, man sah sie selten so entspannt.
Als wir auf den kleinen Rasen im Vorhof traten, sah ich die Bilder von damals wieder vor mir, wie ich hier mit dem Schwert trainierte unter Birchs Anleitung. Oder wie ich in die Feinheiten des Bogenschießens eingeführt wurde. Die Nahkampfausbildung hatte es mir damals angetan. Andere Rekruten oder Adepten trainierten mit mir hin und wieder gemeinsam, so dass ich Abwechslung in meinen Gegnern hatte.
Wie lange ich hier in Gedanken versunken da stand, kann ich nicht sagen. Aber als ich mich zu meiner Frau umdrehen wollte, bemerkte ich erst, dass sie gar nicht mehr hier war.
Ich ging auf die Suche und fand sie auch kurz darauf.
Auf allen Vieren auf dem Kies, während sie neugierig den Unterbau einer dort platzierten Sonnenuhr musterte.
„Mi sol, was suchst du? Hast du etwas verloren?“ fragte ich leise lachend.
„Ich habe nichts verloren, aber manchmal… ach vergiss es einfach.“ Mit dieser Antwort gab ich mich aber nicht zufrieden. Ihr doch sehr ansprechender Anblick auf den Knien hier und wie sie so angespannt etwas untersuchte, machte mich neugierig.
Seufzend begann sie mir von einer Lara Croft zu erzählen, welche als Abenteurerin viele Rätsel lösen musste um ans Ziel zu kommen. Unter anderem gab es eben ein solches was mit einer Sonnenuhr zusammenhing. Diese Abenteuer nannte sie Videospiel und ich erinnerte mich an Yannick, welcher uns so etwas bei unserer Reise in Alex´ Zeit gezeigt hatte. Interessante Vorstellung, dass man einen Menschen durch ein Gemäuer, einen Wald oder ähnliches lenken konnte, ohne selber dabei sein zu müssen! Doch ich schweife ab.
Auf meine Frage, ob sie vermutete, dass es so etwas ähnliches auch hier gäbe und wenn ja, dass wir vielleicht einmal das Kellergewölbe näher untersuchen sollten, sah sie mich leicht wütend an. In meiner Stimme muss sie meinen Sarkasmus herausgehört haben.
„Verarschen kann ich mich alleine, man. Ich weiß doch auch nicht, es sah halt … seltsam aus.“ kam es jetzt lachend von ihr, weil sie mein breites Grinsen bemerkte.
„Mi sol, deine lose Zunge und… könntest du mir bitte diesen Ausdruck erklären? Du kannst bitte WAS machen?“ Aber ich hatte bereits eine neue Lektion für sie im Kopf.
„Das heißt, du sollst mich nicht auf den Arm nehmen, Master Kenway.“ Diese Worte hauchte sie leise an meinem Ohr, während ich ihr ein paar Bilder von meinen Ideen im Geiste zeigte. Es zeigte Wirkung. Als ich sie jetzt in den Arm nahm, schmolz sie unter meinen Berührungen dahin.
„Ich sagte ja, den Keller sollten wir näher untersuchen beizeiten, Mistress Kenway.“ Ich klang etwas atemlos, weil ich dieses Weib am liebsten auf der Stelle genommen hätte. Leider war das hier nicht ohne weiteres möglich.
Der Abend käme aber bald und dann würden wir weitersehen.
Wir gingen noch ein wenig weiter. Schließlich gab es hier noch mehr zu sehen.
Wir hatten damals einen Taubenschlag installiert und ich muss sagen, auch dort sah man die gute Pflege. Ebenso war der Pferdestall mit dem angrenzenden Fuhrpark gut in Schuss. Vielleicht könnten wir ein paar freie Minuten nutzen für einen Ausritt!
Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich meine Frau dabei ertappte, wie sie im Kopf ausrechnete, was dass alles kosten würde.
Ich konnte sie beruhigen, weil es fast selbsttragend war. Die Angestellten arbeiteten nicht umsonst, sie wurden unter anderem von dem Fond aus meinem Erbe mit finanziert. Außerdem war man hier Selbstversorger und konnte einige Waren auch auf Märkten verkaufen. Somit brauchte gerade Alex sich keine Gedanken über die anfallenden Kosten hier machen.
„Es ist wirklich wunderschön hier!“ sagte sie leise, als sie sich weiter umsah. „Hast du eigentlich sehr viel Zeit hier verbracht, Haytham?“
Es waren etliche Jahre, wenn auch nicht immer durchgehend, weil Reginald und ich oft gemeinsam unterwegs waren. Später wurde ich auf eigene Missionen geschickt.
Auch berichtete ich nicht ganz ohne den Stolz von damals, dass ich hier angekommen mit meinen 11 Jahren keine Kindermädchen mehr hatte, sondern mir ein Kammerdiener zur Seite gestellt worden war. Bei diesen Worten huschte ein breites Grinsen über ihr Gesicht. Für meine Frau waren diese Bediensteten immer noch etwas eigenartiges, weil man in ihrer Zeit kaum Hilfe beim Einkleiden brauchte.
Als ich dann von meinem Training berichtete und das mit einer großen Portion Nostalgie in meiner Stimme, hakte sie nach. „Wenn ich ehrlich sein soll, man hat dich wirklich sehr gründlich ausgebildet. Wirst du auch Edward so intensiv unterrichten?“
Da gäbe es gar kein Vertun, natürlich würde ich ihn auf seine Aufgaben entsprechend vorbereiten. Doch schon sah ich, wie in Alex eine gewisse Angst vor zu viel Strenge aufstieg. Sie würde weiter lernen müssen sich anzupassen und auch weiter loslassen musste sie noch verinnerlichen. Ich würde ihr dabei aber zur Seite stehen!
Am Abend, als Edward im Bett war, ging ich mit meiner Frau in die hiesige Bibliothek um sie vom Gedanken an ihn und sein eigenes Zimmer abzulenken!
Was soll ich sagen? Es funktionierte.
Völlig fasziniert ging sie die Regale entlang, strich sanft über die Buchrücken und in ihrem Blick tauchte eine gewisse Verträumtheit auf. Ja, sie war in ihrem ganz eigenen Paradies. Ich glaube, ich erwähnte es schon einige Male. Mir war noch nie eine Frau begegnet, welche solch eine Liebe zu Büchern hatte und auch noch so belesen war. Ich beobachtete sie still eine Weile bei ihrer Erkundung.
Plötzlich schoss mir ein mehr als absonderlicher Gedanke durch den Kopf, welchen ich zwar schon des öfteren hatte, aber den ich nie bis zum Ende gebracht hatte.
„Hätte ich Reginald anders bestrafen sollen?“ fragte ich jetzt ohne Umschweife. Dafür erntete ich eine hochgezogenen Augenbraue, es war ein sehr eigenartiger Themenwechsel, ich gebe es zu.
„Wenn ich ehrlich bin, ja, dass hättet IHR! Im Grunde hast du dich gerächt und soviel weiß ich über den Templerorden, dass DAS nicht zu den Lehren zählt. Auch wenn Reginald es verdient hat.“ Trotzdem gingen auch ihr jetzt weitere Überlegungen durch den Kopf bezüglich des Eingreifens in die Geschichte, die Rettung meines Vaters und ähnliches.
Ich versuchte mich zu erklären.
„Nein, ich habe damals eine Entscheidung getroffen, welche mir richtig erschien. Du hättest Jenny damals sehen sollen, sie war alt geworden und hatte diesen Hass auf ihn in ihren Augen… Meine Schwester brauchte diese Rache, genau wie ich auch. Oder auch Faith bei Zoe zum Beispiel.“
In Alex´ Gesicht las ich, dass auch sie sich Gedanken über ihre eigenen Entscheidungen machte. Ihr Ex-Verlobter ging ihr durch den Kopf zum Beispiel. „Auch ich habe Entschlüsse gefasst, welche vielleicht nicht immer richtig waren. Aber was zählt ist doch das jetzt und hier, oder nicht?“ sprach sie leise und sah mich fragend an.
WIR zählten, unsere Bestimmung und unsere Aufgabe ist wichtig. Genau daran sollten wir festhalten und auch unseren Sohn immer wieder daran erinnern. Bei meinen Worten war sie näher gerückt und wurde ruhiger, genau wie ich auch.
Aber in meinem Kopf ploppte ein Bild auf, welches ich in den Jahren immer wieder verdrängt hatte. Der Geheimraum! Mein Meister hatte dieses Geheimnis lange vor mir verborgen, bis es aber von Nöten war, mich in die Geschichte der Vorläufer einzuweihen.
Gedankenverloren stand ich auf und zog Alex ebenso mit hoch. Ohne ein Wort ging ich hinüber zum Arbeitszimmer und öffnete die besagte versteckte Tür.
Hier war schon lange niemand mehr gewesen. Spinnweben hingen von der Decke und Staub bedeckte die Regale. Nach und nach entzündete ich die Fackeln, damit wir uns einen Überblick verschaffen konnten.
Die Augen meiner Frau wurden immer größer, als sie diese Waffen- und Rüstkammer sah! Wie gut ich sie doch verstehen konnte.
Als ich damals das erste Mal hier eintrat, war ich so fasziniert und malte mir die alten Ritter aus, welche mit diesen Schwertern gekämpft hatten. Oder diese Schilde, teilweise verbeult, verrostet oder aber auch gut erhaltene, wie sie von Kriegern zum Schutz getragen wurden!
Aber was noch wichtiger war, war unsere eigene Liste an Dingen, die wir finden sollten. Mir war nämlich eingefallen, dass hier durchaus einige Stücke lagerten, die auf diesem Papier stehen könnten.
„Gibt es eine Art Bestandsliste von den Dingen, die hier lagern? Vielleicht müssen wir gar nicht immer so weit reisen um die Gegenstände zu finden.“ Auch Alex´ Euphorie war gestiegen wie es aussah.
Im Schreibtisch wurde ich fündig. Sie hielt es in den Schein einer der Fackeln und ließ abrupt die Schultern sinken.
„Kannst du vielleicht diese Sprache, mi amor?“ grinste sie mich zynisch an und deutete auf den Einband. Es war hebräisch! Nein, damit kannte ich mich nicht aus und mir entwich ein etwas unflätiger Fluch über diese verdammten Verschlüsselungen!
Also würden wir uns auch hier um einen Dolmetscher kümmern müssen.
Meine Frau war aber doch zu neugierig und hatte ein kleines Behältnis von einem der Regale genommen. Als sie es öffnete weiteten sich vor Staunen ihre Augen erneut!
Darin lag eine goldene Kette mit einem Saphiranhänger der in Herzform geschliffen war.
Sie ließ vorsichtig ihre Finger darüber gleiten, zuckte aber hastig zurück.
„Wir sollten hier nichts anfassen, ehe wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben. Ich will keine bösen Geister wecken, Haytham!“ sagte sie leise, so als könnte sie wirklich jemanden aufschrecken.
Wir würden uns morgen hier noch einmal genauer umsehen und schon grob eine Auswahl treffen von den Dingen, die tatsächlich auf der Liste standen. Ohne Übersetzung kämen wir eh noch nicht weiter.
In ihren Augen sah ich die Müdigkeit, als ich die kleine Kiste wieder zurück an ihren Platz stellte.
Also gingen wir hinauf, weil ich vermutete, dass wir wieder zeitig geweckt werden würden. Im Zimmer war es still, auch von nebenan hörte man nichts.
Gerade als meine Frau die Tür zu Edwards Reich öffnen wollte, hielt ich sie davon ab. Ich erinnerte sie daran, dass es nur ein paar Meter seien und unser Sohn sich schon bemerkbar machen würde, wenn etwas ist.
Ich sah, wie sie sich trotzig begann auszuziehen, weil ich sie gemaßregelt hatte. Ein sehr anziehendes Bild von ihr, muss ich gestehen!
Als sie sich auf unser Bett fallen ließ, hörte ich ein wohliges Seufzen von ihr. Man hatte die Matratze frisch mit Wolle befüllt, was auch ich schon begeistert festgestellt hatte. Es war eine Wohltat nach den harten Kutschbänken und Strohmatratzen in den Herbergen!
Gerade als Alex sich um mich schlingen wollte, kam ich ihr zuvor und begrub sie unter mir. Meine Lippen versiegelten ihren Mund aus welchem noch ein erschrockenes „Haytham...“ kam.
Es war zum Verrückt werden! Ich konnte meine Lust gerade nicht mehr bremsen. Ihr Nachthemd war schnell hochgeschoben und meines lag schon längst neben uns. Meine Finger wanderten über jeden Zentimeter ihrer weichen Haut und hinterließen eine Gänsehaut.
Langsam zog ich ihr Hemd noch etwas höher, aber beließ es auf Höhe ihrer Handgelenke, welche jetzt über ihrem Kopf lagen. Ein sehr ansprechender Anblick, wie meine Frau nun so unter mir lag und sich nicht wehren konnte.
In aller Seelenruhe nahm ich mein Weib und genoss ihre Hingabe in vollen Zügen! Ihr Atem ging immer schwerer, ihre Beine schlangen sich besitzergreifend um mich und zogen mich tiefer in sie. Es war einer dieser berauschenden Momente zwischen uns, welchen ich für immer genießen wollte!
Aber irgendwann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und kam mit ihrem Namen auf den Lippen.
Meine Frau ging aber keineswegs leer aus. Meine Zunge wanderte über ihre Brüste zu ihrem Bauch und bescherte ihr einen recht intensiven Höhepunkt. Zumindest konnte ich diese Kontraktionen sogar fühlen!
Als ich sicher sein konnte, dass sie mir wieder zuhören konnte, schob ich mich hoch und ließ sie sich selber schmecken.
Diese Hingabe war immer noch faszinierend, vor allem auch heute, weil sie ihre Hände über ihrem Kopf behalten hatte, ohne dass ich sie darauf hinweisen musste!
„Hätte ich einfach in deine Haare gegriffen, wäre es vielleicht nicht so schön für mich ausgegangen.“ grinste sie mich an und gab mir einen Kuss.
So befriedigt fanden wir beide schnell in den Schlaf und wie immer umklammerte mich diese Frau. Ein wundervolles Gefühl, wenn ich ehrlich sein darf!
Ich hatte es ja prophezeit! Unser kleiner Wecker namens Edward ertönte früh am Morgen!
„Mamaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!“ brüllte es aus dem Nebenzimmer.
Hektisch suchte meine Frau nach ihrem Nachthemd, welches ich ihr genervt reichte, weil sie mir bei der Suche danach unsanft in die Rippen geboxt hatte.
Er riefe doch nur nach ihr, sie solle sich nicht so aufregen!
„Danke!“ hörte ich sie zischen, als sie schon nach nebenan verschwand. Ich hörte, wie Mrs. Wallace ebenfalls dort erschien und Edward brüllte den beiden Damen ein „AAAAAAAAAAAAAMMMMMMMM“ entgegen.
Das klang reichlich frustriert in meinen Ohren, vielleicht lag es daran, dass er noch nicht die Türen alleine öffnen konnte. Die Türklinken, gerade hier in dem alten Schloss, waren wesentlich höher als die normalen, an die er aber auch noch nicht herankam.
Ich widmete mich, nachdem ich mein Hemd und eine Hose übergezogen hatte, einem Buch über Piratenlegenden. Ja, ab und an brauche auch ich leichte Lektüre.
„Du hättest uns ruhig Gesellschaft leisten können, mi amor. Stattdessen bleibst du faul im Bett und gibst dich Abenteuergeschichten hin, so gut hätte ich es auch gerne mal.“ kam es gespielt entrüstet von meiner Frau kurze Zeit später. Edward krabbelte auf dem Bett zu mir und ich zog ihn auf meinen Schoß.
„Ich muss mich doch weiterbilden, damit ich diesem kleinen Quälgeist etwas von den spannenden Abenteuern der Seefahrer berichten kann! Stimmt es nicht, Edward?“ erklärte ich meiner Gattin breit grinsend, während mein Sohn mich gebannt ansah.
Ich begann eine kleine Passage vorzulesen, wo es um das Entern eines feindlichen Schiffes ging. Es war nicht sehr blutrünstig geschrieben, weswegen ich weiter las.
Plötzlich rief Edward „Opaaaaaa.... Opaaaaaaa!“ dabei sah er sich suchend im Zimmer um.
Dann vernahm ich die Stimme meines Vaters, aber sah ihn nicht.
Er sieht mich tatsächlich vor sich, wenn ihr ihm solche Abenteuergeschichten erzählt. Und ich sehe jetzt, dass er weit mehr in meine Fußstapfen treten wird, als ich angenommen habe.
In mir keimte eine gewisse Wehmut auf, weil ich ihn unbewusst doch mehr vermisste, als ich offiziell zugab!
Bis das Frühstück fertig war, lenkte ich mich mit weiteren Geschichten und unserem Sohn ab. Alex hatte sich nun auch noch mit aufs Bett gesetzt und lauschte meiner Stimme, während sie Edward ab und an etwas von seinem kalten Tee mit Honig gab.
Beim Frühstück erhielten wir eine Nachricht von unseren Kontakten hier in Frankreich. Man würde uns in zwei Tagen besuchen kommen, entnahm ich dem Schreiben.
Somit hatten wir noch die Gelegenheit uns weiter einzuleben.
Alex erkundete am heutigen Tag ein wenig die Umgebung und ich würde mich schon einmal mit unserer Liste in den Geheimraum aufmachen. Vielleicht fänden wir ja ein paar Gegenstände, die für uns von Bedeutung waren. Oder aber ich würde noch ein paar alte Schätze finden. Manchmal ist an mir ein Abenteurer verloren gegangen und ich fühlte mich in meine Kindheit versetzt, wo ich mir spannende Geschichten ausgedacht hatte. Aber ich werde schon wieder sentimental.
Ich verbrachte den gesamten Vormittag hier. Unsere Liste lag neben mir und ich schritt die Regale ab. Hin und wieder fand ich seltsam anmutende Gebilde, von denen ich nicht einmal ansatzweise wusste, wozu sie einst dienten.
Teilweise waren die Bezeichnungen für die zu suchenden Gegenstände auch eher kryptisch gehalten stellte ich fest. So auch diese Saphierkette, die Alex gestern schon entdeckt hatte.
„Herz des Ozeans“ stand dort und die Erklärung war hanebüchen. „Vom Ozean verschlungen fand es immer wieder seinen Weg an die Oberfläche! Von Reich bis Arm hatten es tausende Hände berührt, tausende Tränen haben es benetzt! Jetzt soll es nur noch ein einziges Mal gehalten und getragen werden!“ Ich ließ mir diese Worte durch den Kopf gehen, versuchte mir einen Reim darauf zu machen. Mich interessierte brennend, wie es hier gelandet war, woher hatte Reginald diese Kette? Oder war es gar nicht SEIN Verdienst? Aber bis wir nicht wirklich eine Übersetzung für das Bestandsbuch hatten, musste ich mich mit einer Antwort gedulden!
Der Trinkpokal des Hannibals sah schon sehr beeindruckend aus. Mit ihm hatte er immer auf seine Siege angestoßen. Er war reich verziert und vor allem auch schwer. Um welches Metall es sich handelte entzog sich meiner Kenntnis. Für einen winzigen Moment war ich an die Sage des heiligen Grals erinnert, doch den suchten wir nun wirklich nicht.
In einer Ecke dieses Raumes befand sich eine schwere Eichentruhe, welche in die Jahre gekommen war.
Als ich den Deckel anhob offenbarten sich mir einige Schriftrollen, Bücher und ähnliches. Ich suchte weiter und breitete alles auf dem Boden aus. Auf dem Grund der Truhe sah ich dann etwas steinernes liegen.
Es waren zwei Steintafeln und wenn ich jetzt unserer Liste Glauben schenken konnte, dann waren es tatsächlich Tafeln aus den Hinterlassenschaften des versunkenen Atlantis. Zumindest waren auf ihnen Ereignisse eingemeißelt, Namen standen ebenso darauf. Nur Jahreszahlen oder Daten allgemein waren nicht zu finden!
„Sie hüten einen lange verschollenen Schatz. Ihr seid die Hüter für diese Welt und die darunter verborgen liegende! Die Hilfe ist euch gewiss um zu finden, was ihr sucht!“
Wieder ein recht kryptischer Satz! Sollten wir etwa diese versunkene Metropole aufsuchen und erkunden? Aber auch darauf würde ich noch keine Antwort erhalten. Hoffentlich!
Noch einmal las ich auf unserer Liste nach und versuchte heraus zu finden, was hier noch versteckt worden war.
An einer Rüstungsstange sah ich einen bronzenen Brustpanzer, daneben einen rostigen Schild und zwei Schwerter, welche ebenfalls in einem recht maroden Zustand waren.
Aber was meine Aufmerksamkeit erregte war die Standarte und ein weiteres Schwert daneben, das nicht so schäbig aussah.
Plötzlich sah ich meine Frau vor mir, wie sie diese Gegenstände betrachtete und das Schwert in den Händen hielt!
„Arminius hat mich gehalten und geführt zugleich. Er hat mit mir Siege gefeiert! Der Adler leuchtet gülden im rechten Licht und führt euch an euer Ziel. Ihr sucht und ihr werdet finden. Einen Platz welcher alles vereinen wird!“ Langsam rauchte mir der Kopf ob dieser ganzen merkwürdigen Erklärungen. Bisher hatten wir uns nicht mit den Beschreibungen beschäftigt, das hätten wir wohl schon besser einmal vorher gemacht, ging es mir durch den Kopf.
Mein Fazit war jetzt, dass wir zumindest 4 der Gegenstände auf unserer Liste streichen konnte. Bei ihnen war ich auch sicher, dass der Dolmetscher keine neuen Erkenntnisse bringen würde, welche noch weitere Details enthüllen.
Ich sah mich noch ein wenig weiter hier um, aber alles was noch hier zu finden war, war eher belanglos.
Also machte ich mich um die Mittagszeit auf nach draußen auf die hintere Terrasse zu meiner Familie. Mein Magen knurrte mahnend mittlerweile und die frische Luft tat meinen Lungen gut.
Draußen erwarteten mich ein weinender Sohn und eine ebenso Tränen überströmte Ehefrau.
Auf meine Frage, ob ich etwas verpasst hätte, oder ob ich etwas falsch gemacht hätte, klärte man mich auf.
Unser Sohn hatte einen kleinen Laubfrosch gefangen, hatte diesen hier in ein Glas gesteckt mit Zweigen und Gras. So sollte Edward lernen Verantwortung zu übernehmen, wenn auch nur im kleinen Rahmen. Doch schon nach kurzer Zeit ließ man das kleine hüpfende Tier wieder frei, weil auch mein Sohn den Anblick dieses eingesperrten Tieres nicht ertragen konnte.
Als ich sagte, es sei doch nur ein Frosch gewesen, erntete ich entrüstete Gesichter! Nun gut, ich verstand vermutlich gerade wirklich nicht die ganzen Zusammenhänge, was mir auch leid tat.
Doch schon als das Mittagessen auf dem Tisch stand, war bei Edward von seiner Trauer nichts mehr zu sehen.
Am späten Nachmittag überbrachte ein Bote eine Nachricht für Alex von dem holländischen Händler, welcher ja auch noch mit uns ein Treffen vereinbaren wollte. So langsam wurde der Terminkalender für Frankreich voller. Was mich aber eher freute, als abschreckte!
Der Herr erwartete uns in Paris oder besser in Versailles, weil er geschäftlich dort zu tun hatte. Sein Amulett, welches er geerbt hatte, erwähnte meine Frau noch einmal und auch mir fiel es wieder ein. Wer weiß, was es damit noch auf sich hat.
Anbei lag ein offizielles Schreiben König Ludwigs XV.! Anstatt es zu öffnen, starrte Alex darauf und begann zu zittern!
„Mi sol, bist du jetzt zu den wahrsagenden weisen Frauen gewechselt, oder warum starrst du diesen Brief an, als könntest du seinen Inhalt erahnen?“ Diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen und meine Ehefrau sah mich böse an.
Sie streckte mir frech ihre Zunge raus, was unser Sohn selbstverständlich als Einladung sah es ihr gleichzutun. Es war also an der Zeit auf die eigenen Gesten und Mimiken zu achten, dieser junge Kenway ahmte alles nach!
Ludwigs Notiz enthielt eine Einladung zu einem Sommerball am 12. August!
Abrupt stand Alex auf, reichte mir den Brief und verschwand wortlos im hinteren Teil des Parks!
Ich stand sprachlos dort und wusste nicht, warum sie so reagierte. Also überflog ich auch noch einmal die Zeilen. Sie waren persönlich an uns gerichtet, enthielten die übliche höfliche Einladung und schlossen mit dem königlichen Siegel! Warum aber... Und dann dämmerte es mir!
Für Alex war dieser König eine Berühmtheit! Sie kannte die Geschichte Frankreichs, die der Herrscher und Monarchen und so weiter. Wieder einmal würde sie, neben King George III. und Benjamin Franklin, eine weitere für sie historisch relevante Persönlichkeit treffen!
Sogar für mich war es eine große Ehre und ich konnte es auch im kleinen Rahmen verstehen, weswegen meine Frau so aus der Fassung war.
„Na komm Edward. Lass uns deine Mutter suchen. Sie hat sich gerade erschrocken.“ lächelte ich meinen Sohn an, nahm ihn auf den Arm und ging auf die Suche nach meiner Frau.
Wir fanden sie an einem der Teiche, wo sie gedankenverloren hinein starrte. Plötzlich schreckte sie zurück und man sah, dass sie die Hand aufs Herz drückte. WAS hatte sie in der Spiegelung gesehen?
Ich ließ meinen Sohn auf seine Füße runter und er watschelte zu ihr. Als er auf gleicher Höhe mit ihr war brüllte er laut „Mamaaaaaaaaaa... Aaaaaaaaaaaaam!“ und, verzeiht aber es sah so unbeholfen aus, sie fiel hintenüber auf ihr Hinterteil. Schwer atmend zog sie Edward zu sich.
Langsam ging ich auf die beiden zu und sie bemerkte mich aus dem Augenwinkel. Ich zog sie mitsamt unseres Sohnes auf die Beine mit der Frage, ob es ihr jetzt besser ginge.
„Danke, es geht schon wieder. Es ist einfach unfassbar, was ich an Historie noch alles erlebe und dabei sein kann. Das überwältigt mich einfach.“ Damit bestätigte sie meinen Verdacht, dass die Emotionen einfach gerade zu viel auf einmal waren.
Am Abend brachte ich meine Frau auf den neuesten Stand der Artefaktensuche. Als ich bei der Geschichte um Arminius und dem Teutoburger Wald anlangte, hatte sie auch dafür eine logische Erklärung parat.
„Nun, ich bin Deutsche, Haytham. Da kann es doch durchaus vorkommen, dass Gegenstände, welche dort in Schlachten oder ähnlichem genutzt wurden, das bewirken. Aber lass uns die Übersetzung der Bestandsliste abwarten und schauen, ob Reginald eventuell noch weitere Erklärungen dazu geschrieben hat.“
Wir beide waren uns einig, dass wir diese, ich nenne es einfach mal so, Besessenheit Reginalds was die Vorläufer und ihre Hinterlassenschaften anging, honorieren sollten. Sie würde uns nun sicherlich auch weiterhelfen.
Heute sollten die Eheleute Jomphe hier erscheinen und schon beim Frühstück spürte ich eine gewisse Unruhe von Alex.
Außerdem war sie von dem hiesigen gereichten Kaffee mehr als angetan und ich schlug vor, unsere Kontakte zu fragen, woher man die Bohnen bezog. Vielleicht würde sich ja sogar ein neuer Zweig für uns auftun. Manchmal war ich einfach nicht zu bremsen, ich weiß.
Zusätzlich war es ein Graus mit unserem Sohn heute! Er wollte partout nicht seinen Mittagsschlaf halten. Er zeterte, schrie und schlug um sich. Also hielt ich ihn eisern fest und ermahnte ihn, dass es keine Widerworte gab. Das Ganze dauerte einige Minuten, bis unserem Sohn bewusst wurde, dass er keine andere Wahl hatte.
Alex überzeugte sich heute selber in der Küche von den Vorbereitungen für das anstehende Abendessen. Im Anschluss ging sie zufrieden an mir vorbei, hinauf in unser Zimmer um sich schon einmal einkleiden zu lassen. Noch wusste ich nicht welches Kleid sie angedacht hatte, aber ich hoffte, es würde auch meinen Wünschen entsprechen.
Ich ließ mich ebenfalls von Michael fertig machen und war dankbar für die leichte Leinenweste mit dem passenden Gehrock dazu. Es war doch recht warm am heutigen Tag.
Alex´ Kleid war ein Traum, welchen ich schon damals bei der Anprobe an ihr bewundert hatte. Ich musste mich zusammenreißen, weil ich meine Finger nicht bei mir behalten konnte. Ihr Dekolleté kam mal wieder hervorragend zur Geltung und … entschuldigt, ich schweife ab.
Bis zum Eintreffen der Gäste hatten wir noch einen kurzen Moment als Familie.
Im Salon saß Edward mit seinem Kindermädchen auf dem Boden und besah sich ein Buch über die Tiere des Waldes. Dort wurde beschrieben was sie fraßen, wie groß sie werden konnten und ähnliches.
Mit einem Male hörten wir ein Knurren von unserem Sohn als er auf einen Wolf zeigte. „Nir...“ kam es begeistert von ihm und mit seinen Armen zeigte er, wie groß dieser Vierbeiner werden konnte.
Es war immer noch faszinierend zu sehen, wie schnell dieses Kind lernte. Auf der einen Seite war es beängstigend, auf der anderen kam der Stolz als Vater durch.
„Wenn wir merken, dass es zu viel für ihn wird, dann können wir das Pensum ja auch verringern…“ meine Frau meinte es gut, aber ich unterbrach sie.
„Nicht, wenn es um das Kampftraining geht! Bei den wissenschaftlichen oder sprachlichen Fächern kann man sicherlich von Zeit zu Zeit eine Ausnahme machen!“ Ich hatte gewisse Grundsätze, welche ich bei der Erziehung umsetzen wollte. Ich stellte mich hinter meine Frau und umschloss ihre Taille mit den Armen.
„Ich denke, dass werden wir individuell dann abklären.“ dieser Satz ließ mich tief seufzen. Aber ich wollte keine Diskussion kurz vor dem Besuch vom Zaun brechen, also behielt ich meine Meinung vorerst für mich.
Kurz darauf wurden die beiden angekündigt. Für einen Moment betrachtete ich unsere Besucher schweigend.
Madame Jomphe hatte fast Goldleuchtende Haare, war etwas größer als Alex, aber ihr Alter vermochte ich nicht einzuschätzen. Was aber sicherlich der Göttin an ihrer Seite zuzuschreiben war!
Ihr Gatte Yves, oder sollte ich Bragi sagen?, war auf Augenhöhe mit Idun, hatte etwas schütteres ergrautes Haar. Wie alt mochte er sein? Vielleicht an die 60 Jahre mutmaßte ich einfach.
„Da ist ja unser kleiner Schützling, welcher schon so groß ist und immer fleißig lernt.“ Hörte ich Iduns fröhliche Stimme. Diese Dame jetzt vor mir zu sehen, erfüllte mich mit einer gewissen Ehrfurcht. Sie hatte uns schließlich ein wenig Jugend zurück gegeben, damit wir auch weiter unser Werk und Schicksal fortsetzen konnten! „Du bist so artig, mein kleiner Mensch. Du machst das alles schon großartig und jetzt ist es aber Zeit, dass du schläfst.“ sprach sie sanft, während sie über die dunklen Haare Edwards fuhr.
So als hätte er es verstanden, ließ er sich ohne Gezeter von seinem Kindermädchen zu Bett bringen! Ein wenig erstaunt sah ich ihnen hinterher, weil es noch heute Mittag ganz anders mit ihm aussah. Diese Götter hatten einen nicht zu verachtenden und zu unterschätzenden Einfluss wie ich immer öfter feststellte.
Wir kamen auf die großen Fortschritte unseres Sohnes zu sprechen, welche im wahrsten Sinne des Wortes voran preschten in einer doch sehr hohen Geschwindigkeit.
„Es liegt noch ein weiter Weg vor ihm und auch vor euch. Aber das wisst ihr ja bereits.“ lächelte Idun uns nun an. „Aber wir sind ja eigentlich auch noch aus einem anderen Grund hier. Die Truhe ist heile hier angekommen, nehme ich an? Ich habe keinen Verlust spüren können.“ Laurette sprach etwas zögerlich.
Da konnte ich sie durchaus beruhigen! „Wohlbehalten steht sie im Arbeitszimmer, neben den anderen Waren. Außerdem wird sie bewacht, 4 Wächter wechseln sich ab, sie zu schützen.“ sagte ich nicht ganz ohne Stolz.
„Ich denke, wir werden uns nach dem Essen dem Inhalt widmen. Ich bin doch zu neugierig, wie es euch geht und es ist immer noch aufregend, euch beide nun endlich auch von Angesicht zu Angesicht sehen zu können.“ In dieser wohlklingenden Stimme hörte man eine leichte kindliche Aufregung, welche ihr aber sehr gut stand.
„Meine Frau hat mich die letzten Tage ganz verrückt gemacht. Sie wäre vermutlich schon vor Wochen in London erschienen, hätten uns nicht dringende Geschäfte aufgehalten!“ lachte Bragi und sein Blick ging liebevoll zu seiner Frau.
Mir entwich ein leises Lachen, weil das vermutlich wieder nur einer Frau möglich war. Wie meiner eigenen zum Beispiel.
„Damit hat es noch etwas Zeit, Alex. Ihr müsst erst sicher wieder zuhause sein, dann können wir den Nachwuchs in Angriff nehmen. Und ihr seid übrigens nicht die einzigen die sich darauf freuen dürfen.“ grinste sie Alex an. Meine Frau hatte sich wohl noch nicht ganz verschlossen und an die Bemerkung gedacht, dass wir weiteren Nachwuchs bekommen würden. Aber Idun fuhr unbeirrt fort. „Fenrir und Brida werden nächstes Jahr mit einem Fohlen gesegnet sein, ihr seht, während eurer Abwesenheit sind keine großen Katastrophen passiert dort.“ Das waren wirklich großartige Neuigkeiten! Jetzt freute ich mich umso mehr darauf wieder nach Virginia zu kommen!
Um das Essen sacken zu lassen, gingen wir im Anschluss in den hinteren Park um uns die Füße zu vertreten.
„Wie ich gesehen habe, konnte Edward sogar schon kleinere Wunden heilen lassen?“ sagte Madame Jomphe nachdenklich.
„Das stimmt, einen Wespenstich hatte er verarztet. Strengt ihn das aber nicht zu sehr an? Ich meine, er ist noch so klein und…“ wollte ich wissen.
„Es strengt ihn an, auf jeden Fall. Aber genauso schnell erholt sich Edward dann auch wieder. Außerdem macht er es noch nicht ganz richtig, ich möchte es, auch wenn es ungerecht klingt, halbherzig nennen. Seine Fähigkeit zum Heilen ist noch unausgereift, aber meine Gattin arbeitet mit ihm. Euer Enkel hingegen ist mit seinen 22 Jahren vollständig ausgebildet und besitzt ein großes Wissen über den menschlichen Körper!“ so erzählte Bragi uns nebenbei von Alexanders Werdegang.
Wie immer war das eine merkwürdige Vorstellung, dass unser Enkel bereits dieses Alter erreicht hatte und wir? Wir waren erst am Anfang unseres Weges!
„Franziska hingegen wird die Rolle der Diplomatin und Vermittlerin übernehmen, weswegen wir ihr alle dieses Sprachtalent gaben.“ verkündete Idun zufrieden und sah auf die gerade erst wieder gestutzten Buchsbäume. „Warum lasst ihr der Natur nicht einfach ihren Lauf?“ fragte sie plötzlich gedankenverloren, während sie über die Blätterstrich.
„Ich brauche eine gewisse Ordnung und Struktur… es sind andere Dinge, welchen wir ihren Lauf lassen.“ versuchte ich mich zu erklären.
Mit einem Male stand ich mit Idun selber in einer Art Urwald, Wildnis oder Wald. Ganz genau vermag ich es nicht mehr zu beschreiben.
„Sieh dir die Vegetation an, Haytham. Siehst du die Wege? Siehst du, wie sich die Äste strukturiert ihre Bahnen erkämpfen und sich ihren Platz sichern in der Natur? Schau, die Tiere selber folgen diesem inneren Ruf, welcher nicht von den Menschen kommt. Er ist in ihren Genen, ihren Sinnen! Alles was du siehst und du dir denkst, es würde keiner Ordnung folgen, tut es dennoch! Lass diese Dinge einfach zu und ich weiß, es gibt Kleinigkeiten welche euch repräsentieren und die geordnet und sauber sein müssen. Dem Rest aber... gib Mutter Natur die Chance sich zu finden...“ hörte ich die leise und liebevolle Stimme von Mutter Idun!
Ich sah mich sprachlos um, weil es einfach ein wunderschöner Anblick war. Es gab eine Ordnung, wenn auch recht versteckt. Aber man nahm sie wahr, wenn man sich damit beschäftigte und es zuließ zu sehen!
Langsam schritten wir zwischen den Bäumen, Sträuchern, Tieren und Insekten hindurch. Bahnten uns unseren eigenen Weg und mir wurde erneut bewusst, dass auch ich noch einiges mehr zu lernen haben würde.
Nach und nach verschwand die grüne Wand aus Blättern um uns und ich stand mit Laurette wieder im Park beim Chateau.
Ich sah mich nach meiner Frau um und bemerkte ein seliges Lächeln in ihrem Gesicht. Hatte sie das gleiche gerade gesehen?
„Ihr habt es verstanden, das freut mich.“ sprach Idun leise neben uns.
Es war an der Zeit, dass man zum geschäftlichen Teil überging. Wenn ich ehrlich sein soll, auch ich wollte mehr über die Runentruhen erfahren!
Als diese auf dem Tisch stand, holte Yves einen dieser formbaren Schlüsseln aus seiner Rocktasche und öffnete den Deckel.
Auf den ersten Blick sah ich nichts spektakuläres. Vermutlich lag es auch nur daran, dass ich nicht wusste, worauf genau ich achten musste.
Dort drinnen lagen Papiere, Papyrusrollen, alte Bücher mit passendem veraltetem Schreibzeug neben einem großen Stapel Briefen, welchen sich Idun nun zur Brust nahm.
„Da sind sie ja. Briefe von Karl dem V.!“ Wieder lag in dieser Stimme diese kindliche Freude und ließ mich schmunzeln.
Ich warf einen Blick über ihre Schulter darauf. Sie waren alle in spanisch verfasst und ich erhaschte ein paar Zeilen, wurde aber aus ihnen nicht schlau. Dieser spanische Herrscher hatte von 1540 bis ungefähr 1544 Krieg gegen Frankreich bis zum Sieg geführt. Es ging in einem Brief zum Beispiel um seinen Leibdiener, welchem ein Teil seines Lohnes aberkannt werden sollte.
Neben mir sah ich Alex´ fragendes Gesicht.
„Oh, ich verstehe. Es geht hier um seine irdischen Dinge, welche in Frankreich verblieben sind. Seht, hier steht eine kleine Liste von Dingen, welche sein Leibdiener erstellt hatte, damit man ihm diese von seinem Lohn abziehen konnte.“ erklärte man ihr jetzt.
Laurette las nun ein paar Zeilen laut vor, in welchen es um ein kunstvolles Rasiermesser mit Elfenbeingriff ging. Hatten wir nicht auch so eines auf unserer Liste?
Gerade als Alex zu „Madame Jomphe...“ ansetzen wollte, bat diese darum, sie doch Laurette zu nennen. Ich ging derweil um unsere Artefaktenliste zu holen.
Gerade als ich wieder zurück kam, hörte ich noch „Wohingegen der Einfluss dieser Vorläufer eher eines elektrischen Impulses gleichkommt.“ Mein Finger deutete auf das besagte Rasierwerkzeug.
„Es gibt Sachen, bei der Suche können wir euch gar nicht helfen, weil es schlichtweg nicht in unserer Macht liegt. Es übersteigt sogar unseren Horizont, wie ihr Menschen so gerne sagt. Aber wir werden unser Bestes tun, um euch Hilfestellung zu geben. Bis dahin wisst ihr ja jetzt, wo ihr dieses Barbier-Werkzeug finden könnt.“ ich sah fragend zu Bragi. Frankreich war jetzt nicht besonders klein, wo sollten wir also anfangen zu suchen?
Alex jedoch war auch darauf gekommen, dass vermutlich Paris gemeint war, weil Karl dort zuletzt sein Lager hatte. Vermutlich in einer der vielen Kasernen, wenn sie noch stehen. Leider entzog sich das meiner Kenntnis, ich wusste nur von Zweien. Eine mittig der Stadt und eine, die weit außerhalb lag und laut Aussage von einigen Templerbrüdern fast völlig zerstört war.
Wir berieten jetzt, wo man eventuell ansetzen könnte. Besahen uns die einzelnen Unterlagen noch einmal und durchforsteten einige Karten, welche bei den Briefen zu finden waren.
„Das ist wie die Nadel im Heuhaufen suchen...“ seufzte Alex neben mir und kicherte in sich hinein. Heuhaufen … Assassinen … Meine Frau hatte mitunter seltsame Gedankengänge.
Am Boden der Truhe sah ich einen goldenen Gegenstand. Aber erst als Bragi ihn herausholte und gegen den Schein einer Kerze hielt, sah ich, dass es eine Krone war. Es war schon dunkel? Das hatte ich gar nicht im Eifer des Gefechts bemerkt.
„Diese Krone gehörte Guthfrith von Ivar, das geht aus den anderen Schriften in der Truhe hervor.“ (Guthfrith - nicht ganz offiziell!) erklärte Yves ehrfürchtig und betrachtete sie genauer. Die einzelnen Edelsteine schienen immer nur kurz aufzuleuchten und dann wieder verdunkelte sich ihr Schein.
Alex aber konnte ihre Neugierde nicht zurückhalten und streckte ihre Finger danach aus!
Plötzlich stand sie stocksteif hier im Raum, leichenblass und sah erschrocken in meine Richtung!
Alex begann immer mehr zu zittern, wir alle vermochten ihr nicht zu helfen.
„Kind, komm wieder zu dir. Hörst du mich?“ rief Bragi ihr zu und rüttelte an ihrer Schulter. Sie aber starrte weiter in meine Richtung.
Plötzlich verzog sie ihr Gesicht und erbrach sich auf dem Teppich, einer der Diener griff sich den Ascheeimer vom Kamin und hielt ihn vor sie. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe meine Frau sich wieder beruhigte.
Ihr Atem ging schwer und langsam setzten wir sie auf eines der Sofas. Ihre Beine legte ich ebenfalls hoch und ein kalter Lappen wurde mir gereicht, welchen ich auf ihre Stirn legte. Mit geschlossenen Augen lag Alex dort, regte sich aber immer noch nicht.
„Haytham, sie hat … ich glaube sie wurde gerade an ihre eigene Vergangenheit oder besser die ihrer Vorfahrin herangeführt.“ flüsterte Idun neben mir entschuldigend.
War das etwas schlimmes, etwas was ihr schaden konnte?
„Nein, es ist jedoch noch zu früh...“ weiterhin flüsterte man die Worte, so als könne man ein Ungeheuer aus Versehen wecken.
Mit einem Male sah ich einen leeren Raum um mich, in dem ich dem Anschein nach alleine war. Nach und nach erkannte ich aber Umrisse, die Umgebung klärte sich und es tauchten Gestalten auf. Seltsam gekleidete Männer waren um mich herum. Sie alle sprachen ein seltsames Englisch, welches ich noch aus den Lehrstunden eines meiner alten Hauslehrern erkannte. Wo war ich bitte gelandet?
Ich sah mich weiter um.
„Ach schau an, der wehrte Herr erweist uns auch die Ehre mit seiner Anwesenheit. Herr Gott noch eins. Was hast du letzte Nacht bitte gemacht, dass du heute nicht pünktlich zum morgendlichen Training erscheinen konntest?“ ein Ellbogen rammte sich in meine Seite und ein lachender Mann schritt an mir vorbei, der ich in einem Zelt stand!
Ich schüttelte nur den Kopf, weil ich nicht wusste, wovon dieser Gentleman sprach.
Also folgte ich den anderen Männern nach draußen und stand auf einem matschigen großen Platz umringt von altertümlichen Zelten.
Ein Banner aber erweckte meine Aufmerksamkeit! Das Banner König Aelfreds!
Das war nicht möglich! Was... ich konnte doch unmöglich... ich sah an mir herunter. Ich trug keine normale Uniform, wie ich sie kannte. Nein, es war ein lederner Harnisch mit kratzigen Hosen, welche am Knöchel zusammengebunden waren. Darüber gab es einen aus Metallösen gefertigten „Umhang“ …
Bevor ich noch etwas sagen konnte, stieß mich ein anderer Mann an.
„Hey, jetzt sag schon. Was hat dir die dänische Hure alles erzählt, als du sie unter dir hattest?“ schallendes Gelächter dröhnte an mein Ohr und mein Blick verschwamm...
Ich schreckte hoch und stieß dabei mit einem der Mädchen zusammen, welches gerade die Sauerei vom Boden aufwischte.
„Verzeihung...“ entwich es mir leise und ich sah auf meine immer noch bewusstlose Frau hinunter.
„Ich... es wird bald soweit sein. Wir können es nicht mehr aufhalten...“ flüsterte Bragi an Idun gewandt und sah mich besorgt an.
„WAS könnt ihr nicht mehr aufhalten?“ mein Ton war lauter und harscher als ich wollte, doch ich konnte nicht immer all meine Gefühle unter Kontrolle halten.
„Auch deine Gattin hatte eine ähnliche Eingebung gerade...“ wieder sah die Göttin entschuldigend von einem zum anderen.
Ich kniete mich wieder neben Alex und wechselte den kalten Lappen auf ihrer Stirn. Mir selber dröhnte der Kopf, doch ich wollte wissen, was man SIE hat sehen lassen!
Mit einem Male öffnete sie die Augen und starrte mich an! Ich war so erleichtert, dass ich ein lautes „Jesus, Alex… du bist wieder da!“ ihr entgegen rief. Postwendend verdunkelten sich ihre Gesichtszüge und sie sah mich böse an, wollte aber schon aufstehen. Bevor ich aber den Satz beenden konnte, sie solle bleiben wo sie ist, erbrach sie sich erneut! Dieses mal aber waren wir vorbereitet!
„Wolltet ihr mich alle vergiften, oder warum ist mir so schlecht? Und jetzt… lasst mich gehen, verdammt!“ nölte sie uns an und immer noch hatte sie einen verschleierten Blick.
„ALEX! Sieh mich an!“ ermahnte Madame Jomphe Alex jetzt etwas bestimmter, was auch Wirkung zeigte. „So ist es gut. Du bist in Frankreich, in eurem Chateau und du bist Alexandra Kenway, Ehefrau von Haytham Kenway! Euer Sohn schläft friedlich oben in seinem Zimmer, beschützt von allen Göttern die du kennst!“ jetzt hatte die Stimme wieder einen freundlichen fast schon liebevollen Ton angenommen.
„Ich will nach Hause…“ hörte ich meine Frau nuscheln, gleichzeitig sah man aber, dass sie sich an etwas zu erinnern schien.
„Du bist zuhause, mi sol!“ sprach ich leise in der Hoffnung, dass sie mich erkennen würde!
„Verpiss dich einfach und lass mich gehen!“ dieser angewiderte, zornige Ton in ihrer Stimme rief in mir einen für mich mehr als ungewohnten und ungeahnten Reflex aus, ich gab ihr eine Ohrfeige!
Ihre Hand tastete hektisch nach ihrer Wange, gleichzeitig hielt sie das kalte Tuch auf ihre Stirn gedrückt.
Plötzlich klärte sich das Grün in ihren Augen und sie sah erschrocken von einem zum anderen, dann auf den Teppich.
„War ich das etwa?“ fragte sie leise und beschämt.
„Ja, aber das ist nicht schlimm. Das kriegen wir schon wieder weg!“ wieder hoffte ich, dass meine Frau diese Worte beruhigen würden.
Mit dieser Reaktion hatte ich aber nicht gerechnet. Alex sprang förmlich auf und direkt in meine Arme! Sie klammerte sich weinend an mich und versicherte mir immer wieder, es sei nicht so gemeint gewesen! In ihrem Geist überschlugen sich die Bilder und Erinnerung. Eine ist mir besonders, jetzt wo ich alles zu Papier bringe, im Gedächtnis geblieben.
Alex hatte ein Spiegelbild im Kopf, welches sie anscheinend damals im Fort George, kurz vor unserem zweiten Abschied in der Waschschüssel in meinem Schlafzimmer gesehen hatte. Dieses Bild verstärkte plötzlich ihre Tränen. Der Abschied damals war uns beiden mehr als schwer gefallen... Ich sollte aber weiter berichten, verzeiht.
„Kind, wir sind alle bei dir. Habe keine Angst, das was du gerade erlebt hast, war nicht real. Es war nur ein kurzer Einblick in ein Leben, welches deine Vorfahrin führte! Es ist aber noch zu verfrüht, dich dorthin gehen zu lassen! Vorher musst du dich wappnen und weitere Fähigkeiten erwerben!“ auch ich würde vorher noch mehr lernen müssen ließ mich Bragi im Stillen wissen.
Natürlich wollte meine Frau nun noch wissen, was sie alles getan hatte, während sie so weggetreten war. Aber Idun erklärte ihr noch einmal, dass es nichts weiter schlimmes war und alles weitere würden wir dann noch besprechen. Die Rückführungen würden noch aufgeschoben werden müssen bis auf weiteres. Warum aber hörte ich aus dieser Stimme eine eigenartige Missbilligung heraus?
Ich war aber, ehrlich gesagt, heute nicht mehr in der Lage mich auf solche expliziten Feinheiten zu konzentrieren. Auch mein Kopf war wie zugewoben und schwirrte mir. Ich wollte einfach nur noch ins Bett. Außerdem würde der Morgen früher kommen, als wir wollten!
Nachdem Magda und Michael uns noch beim Umziehen geholfen hatten, lag ich erleichtert in unserem Bett und schloss die Augen.
Alex kletterte zu mir und umschlang mich wie gehabt. Auch ihr entwich ein wohliges Seufzen, als ich sie in meine Arme schloss.
„Es tut mir leid.“ flüsterte sie leise. Ich hob ihr Kinn und erklärte, dass auch ich heute einen kleinen Einblick auf einen meiner vermeintlichen Vorfahren hatte.
Hätte ich nur nichts gesagt, verdammt. Damit war sie hellwach und sah mich fragend an.
„Mi sol, ich bin erschlagen von diesen ganzen Emotionen, Erinnerungen und Bildern. Lass uns bitte morgen darüber reden, ja?“ jetzt war es an mir, leise nuschelnd in ihre vor mir liegenden Haare zu sprechen.
„Na gut...“ frustriertes Seufzen, dann schlang sie sich wieder um mich.
Kannten sich unsere Vorfahren damals vielleicht schon?
Mit dieser Frage in Gedanken, glitt ich in meinen wohlverdienten Schlaf.
Ich schlug vorsichtig die Augen auf, es war gerade dabei hell zu werden. Neben mir bewegte sich die Bettdecke langsam bei jedem Atemzug meiner Frau. Wieder einmal bewunderte ich diese Konturen ihres Körpers dabei.
Meine Finger glitten unter die Decke und meine Lippen bedeckten ihren Mund.
Als sie ihre Augen öffnete, war darin dieser lüsterne dunkelgrüne Ton und ich spürte ihre Lust an meinen Fingerspitzen.
„Guten morgen, mi sol.“ hauchte ich rau an ihrer Halsbeuge und glitt langsam wieder zu ihrem Mund.
Ihr Becken bewegte sich unter meinen Berührungen, aber auch sie ging auf die Suche nach meiner Lust und fand sie. Mit vorsichtigen Bewegungen brachte sie meinen Verstand an den Rand des Wahnsinns. Es war leise, fast geräuschlos. Nur das Rascheln des Stoffes war zu hören.
In meinem Kopf formte sich aber plötzlich ein Gedanke, welcher in unserer Beziehung eigentlich keinen Platz hatte. Ich wollte mein Recht als Ehemann! Sie war mein Eigentum, ich hatte das Recht mir zu nehmen, was mir gehörte!
Immer mehr steigerte sich so mein Verlangen und hinterließ einen warmen Schauer der Erregung auf meiner Haut.
Als ich zu Alex hinunter sah, welcher ich schon die Hände über dem Kopf festhielt, hörte ich die Worte, welche mich weiter antrieben!
„Nimm mich! Jetzt!“ in ihrer Stimme klang etwas mit, was mir noch fremd war.
„Wie du willst!“ hörte ich mich selber sagen, auch hier war ein feiner neuer Unterton hinzugekommen!
Wie in einem Alkoholrausch ließ ich sie spüren, was es hieß mein Weib zu sein, mit mir verheiratet zu sein. Meine Bewegungen waren mehr als ungestüm und rücksichtslos. Was einzig zählte war ICH! Ich durchlebte meinen ersten Höhepunkt mit einem lauten Aufkeuchen, weil sich meine gesamten Muskeln anspannten um ihr zu zeigen, wer hier das sagen hatte!
Danach spürte ich eine weitere Woge auf mich zukommen, die noch mehr an diesen ungewohnten aufgestauten Gefühlen lostrat!
Ich hatte so etwas noch nie erlebt, ich ließ es auf mich zukommen und dann spürte ich Alex´ harte Kontraktionen. Sie fühlten sich noch intensiver als sonst an, ich nahm sie bewusster wahr und ließ mich davon im wahrsten Sinne des Wortes massieren.
Ich sah in ihre Augen als ich etwas zur Ruhe gekommen war und ließ ihre Hände wieder frei. Sie schlang sich Halt suchend sofort um mich und ihre Berührungen beruhigten nicht nur meinen Herzschlag auch mein Geist kam wieder im Hier und Jetzt an.
In diesem Moment erst hörte ich meinen eigenen hektischen Atem.
„Verzeih mir, ich habe gar nicht an dich gedacht... aber...“ stotterte ich ein wenig, weil es mir plötzlich doch falsch vorkam, so mit ihr umzugehen.
„Es war einfach unglaublich und glaub mir, ich bin definitiv auf meine Kosten gekommen. Ich würde gerne mehr davon haben, das war fantastisch.“ dabei zog sie meinen Mund zu sich herunter und küsste mich liebevoll.
Ich versuchte mich zu entschuldigen, eine Erklärung zu finden. Natürlich wurde mir bewusst, dass es für einen Mann eigentlich nicht so schnell hintereinander …
„Nimm es einfach hin, mi amor und genieße diese Entspannung.“ unterbrach mich Alex leise und ließ dabei ihre Finger weiter über meinen Rücken gleiten, was mir eine wohlige Gänsehaut brachte. Und dann griff dieses Weib einfach unangekündigt meinen Po mit den Worten „Und DAS fühlt sich auch wahnsinnig gut an!“ Dieser Blick in diesen leuchtend grünen Augen hatte etwas schelmisches angenommen, was ich so liebte an dieser Frau!
Ein leises quengeliges „Papaaaaaa“ aus Edwards Zimmer ließ uns beide grinsen. Damit war die Zweisamkeit erst einmal beendet.
Ich zog mir mein Hemd und eine Hose über, bevor ich hinüber ging.
Der kleine Wecker saß auf seinem Bett inmitten seiner Kuscheltiere. Da hatte er sich nach und nach alle aus seiner Spielzeugtruhe geholt, die offen vor dem Bett stand.
„Papaaa … Aaaaam“ er grinste breit, als ich ihn hoch nahm.
Ich wünschte ihm einen guten Morgen und bestaunte, dass er sich alleine um seine Spielzeuge gekümmert hatte. Für einen Moment saß ich dann mit ihm hier, bis Mrs. Wallace erschien um ihn anzuziehen.
Diese kleinen Augenblicke genoss ich, damit ich diese Erinnerungen immer vor Augen haben konnte, sollten Zeiten ohne meine Familie einmal anstehen.
Beim Frühstück erzählten uns unsere Gäste ein wenig von ihrem Leben. Unter anderem von den eigenen Kindern.
„Es ist nicht immer leicht für uns, weil wir lange auf diesen Moment, euch zu treffen, warten mussten. Unsere Kinder sind jetzt auch schon erwachsen, haben eigenen Nachwuchs und bereiten sich ihrerseits auf ihre Bestimmungen vor. Wenn wir es genauer betrachten, dann ist es ein immer wiederkehrender Zyklus…“ Das klang nachdenklich von Idun und Alex ergänzte, es sei wie eine unendliche Geschichte.
Darüber kamen wir auf den von uns angestrebten Waffenstillstand zu sprechen.
„Wenn ihr in Paris seid, werdet ihr auf einen Herren des dortigen Templerordens treffen und auch von den Assassinen wird ein Vertreter vor Ort sein. Wir konnten in den einzelnen kleinen Regionen um Paris und im weiteren Umland schon Zuspruch bekommen und Waffenstillstände herbeiführen. Und es ist erstaunlich, aber eure Taten haben sich herumgesprochen, Alex. Vor allem auch, weil ihr bisher niemanden hintergangen habt und keine Intrigen geschmiedet habt. Das wird euch beiden immer wieder hoch angerechnet. Leider gibt es aber diese Widersacher und spöttelnden Menschen, von denen wir einfach Abstand halten sollten! Überzeugungsarbeit leisten wir ja mittlerweile alle, die diese Vereinigung wünschen. Es wird ein langer und schwieriger Weg werden, aber wem sage ich das.“
Im Anschluss wurde noch der eigentlich Handel besprochen, die Schiffe, die Routen und so weiter ausgehandelt.
Irgendwann sah meine Frau aber fragend zu unseren Gästen, ob wir auch Namen erfahren dürften, damit wir nicht ganz unwissend in Paris oder besser Versailles erscheinen.
„Verzeiht mir, ich habe nicht daran gedacht. Ihr könnt es vielleicht nicht wissen. Ihr werdet den Großmeister, Maître Francois de la Sèrre antreffen. Er arbeitet zwar hin und wieder schon mit der Bruderschaft zusammen, doch eine wirkliche Verbrüderung hat noch nicht stattgefunden. Von den Assassinen gibt es den Großmeister, Maître Charles Dorian, welcher derzeit ganz und gar nicht vom Orden überzeugt ist. Im Gegenteil muss ich leider sagen und ich hoffe, ihr könnt ihn umstimmen.“
Beim letzten Namen war alle Farbe aus dem Gesicht meiner Frau verschwunden und sie ließ sich schwer atmend auf dem Sofa nieder!
Nicht nur ich sah sie besorgt an.
Aber es war Bragi, welcher als erstes das Wort ergriff und auch gleich eine Erklärung parat zu haben schien.
„Es ist wegen Dorian, nicht wahr? Wir wissen um sein Schicksal. Ihr beide werdet es aber nicht verhindern können. Sein Tod wird eintreten, selbst wenn euer Freund Shay nicht Hand anlegt.“ Fast flüsterte er dabei.
Was bitte hatte Shay jetzt damit zu tun? Er hatte den Auftrag nach der Schatulle zu suchen, nicht gleich einen Mord zu begehen! Auch wenn es vermutlich von Nöten sein könnte, ging es mir grübelnd durch den Kopf.
„Haytham, ich glaube… also ich sollte da etwas erklären…“ Alex sah mich schon fast entschuldigend an und war kaum zu hören. „Nun gut… Shay wird weiter nach ihr suchen und wird sie dann in einigen Jahren bei eben diesem Dorian finden. Wie genau und auf welchen Umwegen sie zu ihm gelangt, kann ich nicht sagen, weswegen wir weiter recherchieren müssen.“
In mir begann zu brodeln! Wieder einmal wurden mir, anscheinend, wichtige Informationen vorenthalten, welche aber durchaus mehr als relevant für unser Vorankommen waren! Auf meine Frage, ob sie das schon die ganze Zeit gewusst hätte und wir eigentlich nur noch diese Zeit absitzen müssten, erhielt ich eine zögerliche aber erklärende Antwort.
„Im Grunde… ja, so könnte man es auch sehen. Aber sieh es bitte anders herum! Durch die Suche finden Shay und Faith noch weitere Artefakte, welche wichtig sind und erlangen weitere Fähigkeiten. Genau wie wir auch! Und… versprich mir, dass du es den beiden noch nicht sagen wirst! Sie sind sich im Klaren, dass ich über ihre Zukunft Bescheid weiß, aber eben nicht alles preisgeben kann!“
Jetzt sollte ich auch noch stillschweigen bewahren in Shays Gegenwart? Das war viel verlangt, weil in mir die Angst zu spüren war, was passieren würde, sollte ich mich einmal versprechen!
"Die eigene Revolution starten"
Plötzlich verschwamm der Raum um mich und ich fand mich in einer Art Foyer wieder. Vor mir sah ich Master Cormac, wie er vorsichtig an den hier verweilenden Menschen vorbei schlich.
In einer Ecke sah ich zwei Kinder, vielleicht um die 7 oder 8 Jahre alt. Ein Mädchen, gekleidet in einem bunten Kleid und Federn in den Haaren. Vor ihr stand ein Junge, welcher einen vornehmen Anzug trug. Ich hörte, wie sie sich über die unaufmerksamen Wachen lustig machten, die ihren Diebstahl nicht bemerkt hatten.
Weiter gingen wir in einen langen Gang, auf welchem ein breiter roter Teppich lag. Links und rechts standen kleine Grüppchen von Gästen vermutete ich, welche sich angeregt über ein bald anstehendes Feuerwerk und den anstehenden Ball zu Ehren seiner königlichen Majestät unterhielten.
Shay stahl sich von einer Menge zur nächsten und blieb dann wie angewurzelt stehen.
„Ah, das ist er ja.“ hörte ich ihn sagen und blickte dorthin, wo auch er sein Ziel anscheinend ausgemacht hatte.
Ein Herr in feinem Anzug, der sich mit einem anderen unterhielt. Worüber kann ich leider nicht sagen. Seine Aufmachung ließ aber keinen Zweifel daran, dass er ein hohes Ansehen hier genoss.
Master Cormac schlich ihm weiter hinterher, bis er sich sicher sein konnte, nicht weiter beachtet zu werden von den Gästen.
Dann stieß er mit der versteckten Klinge schnell zu, bugsierte sein Opfer auf einen nahe gelegenen Stuhl und beugte sich über ihn. Seine Hände tasteten an der Kleidung des anderen herum, bis sie fündig wurden. Triumphierend sah er auf die kleine Holzkiste in seinen Fingern.
Leider konnte ich nicht alles von ihrer Konversation verstehen, der Franzose faselte etwas von einem Connor, welcher die Taten der Templer in den Kolonien ungeschehen gemacht hätte.
Shays Reaktion war lediglich ein Satz „Dann sollten wir vielleicht eine eigene Revolution starten!“
Damit erhob er sich und ließ den Herren zum Sterben zurück.
Ich konnte aber dem Iren seltsamerweise nicht folgen, sondern blieb wie verwachsen an Ort und Stelle.
Der Franzose erhob sich schwer atmend und taumelte auf eine Gruppe Menschen zu. Und dann ging alles recht schnell. Die ersten Damen und Herren hier in dem Gang begannen zu rufen und zu schreien. Das rief die Wachen auf den Plan, welche auch sofort hier antraten, aber von einem Mörder war keine Spur mehr zu sehen.
Es mag sich eigenartig anhören, aber ich dachte in diesem Moment „Guter Mann, er ist ungesehen wieder entkommen!“
Das Opfer sackte in sich zusammen und blieb reglos auf dem Teppich liegen!
Aus den Augenwinkeln sah ich den kleinen Jungen, welchen ich vorhin schon bemerkt hatte, sich durch die Menge schieben. Reglos blieb er vor dem Toten stehen, starrte auf den leblosen Körper.
Um ihn begannen die Gäste ihn aufzufordern doch dort weg zugehen. Er reagierte nicht! Er stand einfach da!
Plötzlich hörte ich einen anderen Herren nach ihm rufen!
„Arno!“ diese laute Stimme durchbrach das Gewirr um uns herum.
Der angesprochene Junge sah auf und dann tauchte hinter dem Rufenden das kleine Mädchen auf. Sie lächelte ihn an, so als wolle sie ihm sagen, er könne ruhig die Hand von ihm nehmen.
Langsam verschwamm wieder alles vor meinen Augen, aber die Namen de la Sèrre und Dorian gingen mir durch den Kopf! Der kleine Junge war Arno Dorian, das Mädchen Élise de la Sèrre.
Ein weiterer Junge, welcher ohne seinen Vater aufwachsen müsste! So etwas wünscht man niemanden!
Brocken von späteren Erinnerungen Arnos wurden mir gezeigt, welche darauf schließen ließen, dass er nie nach Shay, dem Mörder seines leiblichen Vaters suchen würde. Aber warum?
Mit diesem Gedanken tauchte ich wieder im Chateau auf.
„Ich kann es nicht fassen!“ waren meine ersten Worte und sie waren auch so gemeint! Die letzte Frage aus dieser Vision stellte ich als erste, weil ich eine Antwort haben wollte. Alex kniete vor mir und hielt meine Hände in ihren. Ihr Blick war besorgt auf mich gerichtet.
„Arno wird andere Sorgen im Kopf haben und sich damit beschäftigen. Außerdem hat er kaum Zeit darüber nachzudenken. Er verrichtet als Mündel ja auch Arbeiten der einfachen Dienerschaft, was einen Großteil seines Tages einnimmt.“ Laurette versuchte eine Erklärung, welche für mich jedoch nicht ganz schlüssig war, wenn auch logisch.
Aber das hieße im Umkehrschluss, dass wir ihn von einer Einigung der Orden und Bruderschaften überzeugen könnten? Soviel hatte ich nämlich noch verstanden, Arnos Vater war Assassine, er selber wuchs bei einem Templergroßmeister auf. Mit dessen Tochter verbrüderte er sich, als er selber zur Bruderschaft gehörte um den Mörder an Monsieur de la Sèrre zu finden. Mir schwirrte der Kopf mit diesen ganzen vielen kleinen Informationen, aber ich versuchte mein bestes, alles geordnet zu bekommen.
„Das werden wir bis dahin nicht mehr müssen, wenn unser Plan dann langsam weitere Kreise zieht oder bereits gezogen hat! Es gibt Dinge, die weder ich noch du verhindern oder abändern können. Auch ich musste das erst lernen, was mir bis heute noch sehr schwer fällt, aber das weißt du ja.“ sprach Alex leise.
„Du hast Recht, man sollte vielleicht auch den Dingen einfach ihren Lauf lassen. Ich hoffe aber, es kommt nicht zu irgendwelchen Katastrophen, wenn wir erst mal in Paris sind!“ in mir keimte tatsächlich wieder ein weiterer Funken Hoffnung auf eine Einigung auf.
„Nein, ich verspreche dir, ich fasse nichts an und verhalte mich ganz still.“ Meine Frau sah mich dabei lächelnd an.
„Wer es glaubt, mi sol!“ grinste ich im Gegenzug mit hoch gezogener Augenbraue.
Meine Kehle war trocken, also stand ich auf, ging zu dem kleinen Tisch mit den Erfrischungen und reichte jedem ein Glas.
Monsieur Jomphe fragte, wann wir vor hatten, nach Paris aufzubrechen. Vermutlich müssten wir spätestens am 3. August hier unsere Zelte abbrechen, damit wir auch pünktlich zum Sommerball in Versailles wären.
Das gemeinsame Mittagessen war entspannt und man unterhielt sich über das Wetter, die Überfahrten zu dieser Jahreszeit und so weiter.
Leider wären Idun und Bragi nicht beim Ball mit anwesend, sie hatten noch auswärtige Geschäftstermine. In Alex Augen sah ich, dass sie es zwar verstand, dennoch aber traurig war.
Aber natürlich würden wir uns alle wiedersehen, versprach man noch. Spätestens wenn wir wieder in Virginia sein werden.
Idun nahm Alex in den Arm, flüsterte ihr etwas zu, was meine Frau breit grinsen ließ. Ihr Blick glitt liebevoll zu mir, also hatte es etwas mit mir zu tun? Eine Antwort erhielt ich nicht.
Edward fiel der Abschied besonders schwer, er weinte, als die beiden aufbrachen. Leise flüsterte er schniefend „Iduuuuu...“ und seine Arme umschlangen Alex.
Als unser „Sonnenschein“ wie Sybill ihn vorhin noch genannt hatte, im Bett war, bat ich Magda und Michael zu uns. Die Verlobung wollten wir hier offiziell machen! Der Ring lag auf einem kleinen Tisch neben mir. Als die beiden zögerlich den Raum betraten, ergriff ich die kleine Schachtel und reichte sie meinem Kammerdiener mit den Worten „Michael, ich glaube, ihr wolltet Magda etwas fragen, oder nicht?“ ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, weil der Blick von der jungen Frau erstaunt von einem zum anderen ging.
Seine Hände zitterten, als er auf unser Geschenk sah.
Dann streckte er sich, atmete tief durch und kniete sich vor seine Angebetete. Ein paar Mal musste er sich räuspern, ehe er einen klaren Ton hervorbrachte.
„Magda Lindstad, du bist… also wir sind… ich habe bei dir meine Liebe gefunden. Ich möchte dich nie wieder verlieren! Willst du meine Frau werden?“ Herr je, das klang, als würde sein Leben davon abhängen, so schnell hatte er gesprochen!
Magda sah von einem zum anderen, langsam liefen ihr die Tränen die Wange hinunter, als sie zu Alex sah. Meine Frau nickte ihr aufmunternd zu und Erleichterung war bei der Kammerzofe zu sehen.
„Ja… ja, ich will deine Frau werden, Michael Turner!“ schluchzte sie jetzt ungehemmt, als mein Diener ihr den Ring ansteckte, ebenfalls sehr erleichtert.
Sein Blick ging fragend zu mir. Ich konnte mir denken, dass er wissen wollte, ob er sie jetzt auch in unserer Gegenwart küssen dürfte. Ich nickte den beiden zustimmend zu.
Neben mir hörte ich ein leises Schniefen, als die beiden Verlobten sich in den Armen lagen. Ich nahm meine Frau in die Arme, um ihr zu zeigen, dass auch ich immer noch sehr glücklich mit ihr war und sie liebte.
Wir verbrachten noch einen feuchtfröhlichen Abend in Gesellschaft der anderen Angestellten hier. Ich muss gestehen, es war eine wirklich gelöste Stimmung, sie war schon fast familiär!
Für einen kurzen Moment hatte Alex dann den doch für sie recht traurigen Gedanken, sich bald nach einer anderen Zofe umsehen zu müssen, sollte Magda schwanger werden.
Das würde sicherlich kein Problem werden, versicherte ich ihr. Aber ich wusste, die beiden verstanden sich hervorragend, was das ganze etwas schwieriger gestaltete für Alex.
Später im Bett kamen wir auf unsere „Verlobung“ zu sprechen.
Es war mir immer noch ein Dorn im Auge, dass ich ihr einen so, wie soll ich es sagen, schlichten und überraschenden Antrag machen „musste“. Leider war es damals nicht anders möglich, als alle vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Sie hatte etwas besseres verdient!
Ich machte den Vorschlag, dass wir, zurück in den Kolonien, eine „Erneuerung“ des Antrags planen sollten.
„Das hört sich fantastisch an, Haytham.“ hauchte Alex mit zitternden Stimme und gab mir einen sanften Kuss.
Mit diesem Gedanken beseelt, dieser Frau eine verdiente wunderschöne Verlobung zu bescheren, schlief ich alsbald auch ein.
Als wir heute auf Versailles zuhielten, war ich mehr als erleichtert, dass wir bald in weichen Betten schlafen konnten.
Außerdem war meine Gattin die ganzen Tage über unausstehlich gewesen aufgrund ihrer Blutungen. Ja, manchmal verfluchte ich diese Umstände einfach. Zumal sie wie ein Pirat fluchte, was ich einfach in Gegenwart von Edward nicht gutheißen konnte. Er würde es alsbald vermutlich auch noch übernehmen!
„Soll er doch, fluchende Menschen sind sehr intelligent!“ dabei streckte sie mir frech die Zunge raus und natürlich übernahm unser Sohn diese Geste mal wieder glucksend!
„Deine Intelligenz werde ich dich bald spüren lassen, verlass dich darauf. Dein Pensum an Lektionen steigt mal wieder ins Unermessliche, mi sol.“ warum auch immer, aber ich konnte mir diese Worte einfach nicht verkneifen! Sie zeigten aber eine gewisse, nun ja, entspannende Wirkung auf meine Frau.
„Werden wir vielleicht in Versailles Zeit für einander haben, mi amor?“ Ihre Lippen fuhren dabei über die Haut an meinem Hals.
„Das will ich hoffen, ansonsten weißt du ja... du bist so klein, dich verschleppe ich einfach ungesehen!“ gerade als ich Alex´ Mund auf meinem spürte, schob sich eine nasse Hand zwischen uns. Edward mochte es überhaupt nicht, wenn wir Zärtlichkeiten austauschten so schien es.
Über Versailles hingen dunkle Wolken, welche tief über dem Palast lagen. Es war heute ein recht kalter Augusttag und man hatte ein seltsam unbehagliches Gefühl mit einem Male.
Unseren Bediensteten wurden ihre Quartiere zugeteilt und auch wir wurden in unsere Gemächer gebracht. Ich selber war noch nie im Schloss Versailles gewesen und bestaunte hier und da einige Statuen oder Büsten. Es war mehr als prunkvoll und als wir an einem Gang vorbei kamen, war mir so, als wäre ich schon einmal hier gewesen. Dann dämmerte es mir, es war die Vision mit Shay gewesen. Hier wird er auf Charles Dorian treffen. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken und mir wurde klar, warum ich ein merkwürdiges Gefühl eben gerade bei der Ankunft hatte.
Unser Schlafzimmer oder besser Schlafsaal, weil die Größe der unseres Wintergartens in Virginia gleichkam, war in freundlichen Farben gestaltet. Mit einem Schreibtisch in einer Ecke, Regalen mit Büchern, welche Alex natürlich gleich lächelnd in Augenschein nahm.
Leider musste sich meine Frau mit den hiesigen Gepflogenheiten hinsichtlich der Kinderbetreuung und Übernachtung auseinander setzen.
Edward teilte sich ein Zimmer mit 6 weiteren kleinen Gästen. Die entsprechenden Kindermädchen und Gouvernanten würden in einem Nebenzimmer untergebracht werden.
Wirklich wohl war mir dabei auch nicht, aber es war ein Gesetz hier. Die Regeln des Königs!
Alex bat Sybill kurzerhand gut auf unseren Schatz aufzupassen und ihn nie alleine zu lassen. Mrs Wallace versicherte ihr, sie könne sich auf sie verlassen und bräuchte sich keine Sorgen zu machen.
Etwas erleichterter konnten wir uns jetzt für das anstehende Mittagessen umziehen lassen. Zu meinem Erstaunen gab es anscheinend eine sich fast stündlich ändernde Kleiderordnung. Es war vorgeschrieben was zum Frühstück, für die vormittäglichen Aktivitäten, zum Mittagessen und so weiter, getragen werden sollte. Die Damen würden sich im Laufe des Tages hin „steigern“ um beim Dinner am Abend entsprechend noble Kleider zu tragen.
Ich hingegen hatte es etwas weniger aufwendig, würde mich aber auch diverse Male umziehen lassen müssen. Jedoch konnte ich auf meine Garderobe als solche zurückgreifen.
Als wir den Speisesaal betraten blieb mir der Mund offen stehen! Der Tisch schien sich unter all den Gerichten und Getränken förmlich zu biegen!
Aber ein Blick auf die bereits versammelten anderen Gäste zeigte mir, dass man sicher gehen wollte, dass auch alle satt wurden. Wenn ich aber die Mengen sah, ging mir durch den Kopf, dass davon ein ganzes Heer zwei Wochen gespeist werden könnte.
Kopfschütteln nahmen wir Platz, weil auch meiner Gattin ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
Während des Essens hatte ich eine rege Unterhaltung mit einem weiteren Briten, welcher neben mir saß.
Er kam aus York, wo er auch geboren war und lebte mit seiner Familie dort. Man hatte ihn hierher eingeladen, da er ein hervorragender Maler und Künstler ist. Sein Name ist Lewis Clive Perkins.
„Master Kenway, meine bescheidenen Werke haben Königin Maria wie es den Anschein hat beeindruckt. Man bat mich jetzt auch ein Portrait des königlichen Paares anzufertigen.“ erklärte er mir voller Stolz, zurecht wie ich sagen muss.
„Das ist eine fantastische Möglichkeit, Mr Perkins! Ich wünsche euch gutes Gelingen.“ im Hinterkopf machte ich mir eine Notiz für unser eigenes Familienportrait, welches Alex ja ebenso schon erwähnt hatte.
Nach dem Essen war es, wie so oft üblich, dass die Damen sich mit den Kindern, welche keinen Mittagsschlaf machten, zurückzogen um sich ungestört austauschen zu können.
Ich hingegen folgte meinem neuen Bekannten und wir schlossen uns einer Gruppe Herren an, welche sich in einem der Freizeitsäle bereits eingefunden hatte.
Die üblichen Gesprächen begannen, man stellte sich vor und so begann der Nachmittag recht entspannt.
Ein paar der Berater des Königs waren ebenfalls anwesend, welche sich in die Unterhaltungen einbrachten und interessante Neuigkeiten bezüglich des Handels, der französischen Armee oder auch einfach nur der Gefangenen erzählten.
„Es wird immer schlimmer mit dem Fußvolk. Sie spielen sich auf, als seien sie die wahren Herrscher dieses Landes.“ hörte ich einen Herren mit großem Spott in der Stimme sagen.
„Demnächst müssen wir sie noch hier beherbergen!“ lachte ein anderer abwertend.
Also hielt man hier nichts von den normalen Bürgern. Von Alex wusste ich, dass auch hier in Frankreich beizeiten ein anderer Wind wehen würde. Noch war es aber nicht soweit.
„Master Kenway, ihr seht aus, als stimmtet ihr dem nicht zu? Habt ihr in der neuen Welt also andere Erfahrungen mit dem einfachen Volk gemacht?“ stichelte ein Mann mittleren Alters und schäbig aussehender Perücke nebst Kleidung.
„Die habe ich tatsächlich, Monsieur Pollac! Das einfache Volk, wie ihr es nennt, sind die Kolonisten die für den Aufbau eben dieser neuen Welt verantwortlich sind. Wir sollten sie deshalb unterstützen und nicht klein halten.“ erklärte ich mich etwas zornig.
„Sagt ein Plantagenbesitzer, welcher seine Felder von Sklaven bewirtschaften lässt, die er aus Frankreich gekauft hat!“ pöbelte mich jetzt ein weiterer Gast an.
Langsam wurde ich ungehalten, weil dieses Klischee, wie es mir auch meine Gattin schon erklärte, hier in den Köpfen der Menschen steckte. Alle Pflanzer hatten ihre Aufseher, welche die Sklaven hart bestraften, schlugen und hungern ließen! Dass es auch Ausnahmen gab, war hier gerade in Frankreich am Hofe König Ludwigs wohl noch niemandem in den Sinn gekommen!
„Zu eurer Information, ich beschäftige nur Auswanderer und Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt ehrlich erarbeiten wollen. Ich verabscheue Sklaverei zutiefst. Da sind sich meine Frau und ich immer einig gewesen.“ fuhr ich die umstehenden Männer an.
„Ist das so? Ihr erlaubt eurer Gattin mitzubestimmen, was auf eurem Anwesen und mit den Arbeitern zu passieren hat? Wo kämen wir denn da hin? Lächerlich!“ kopfschüttelnd sah mich ein kleiner pausbäckiger Alter an und nahm einen großen Schluck des Cognacs aus seinem Glas.
„Vielleicht versteht ihr diese Art der Eheführung nicht, Messieurs! Ihr solltet euch etwas mehr belesen und lernen. Denn wenn meine Gattin zufrieden ist, hat das auch Auswirkung auf unser Zusammenleben!“ sprach ich mit einer wissend hochgezogenen Augenbraue. Ich wusste, sie würden auf diese doch recht zweideutige Art eher anspringen und es nachvollziehen können, dass wir recht gleichberechtigt waren.
„Hört! Hört! Ihr scheint demnach eine Ehefrau zu haben, welche euch in ihr Bett lässt, sobald sie etwas Zuspruch bekommen hat?“ lachte der Herr neben mir und klopfte mir auf die Schulter. „Vielleicht sollte ich dieses Konzept auch einmal testen. So langsam gehen mir die Waschfrauen und Zimmermädchen zum Vergnügen aus.“ Jetzt war die Runde bei DEM Thema, welches alle Männer irgendwann immer hatten.
Somit war wenigstens nicht meine persönliche Meinung mehr das Thema und ich seufzte zufrieden.
Gerade als wir zum Abendessen aufbrechen wollten, hatte Alex noch kurz Gelegenheit unseren Sohn zu sehen. Auch für mich war es ein etwas seltsamer Zustand hier, dass man die Kinder regelrecht von den Eltern fernhielt, damit diese sich ihren Geschäften und ähnlichem widmen konnten.
Meine Frau kam mit einem Kopfschütteln auf mich zu, als sie aus dem Kinderzimmer trat.
„Es ist einfach unfassbar, mi sol. Am Nachmittag hatte man mir schon von einer Nanny berichtet, welche ihre Aufgabe mehr als vernachlässigt. Eben gerade konnte ich mich davon überzeugen! Diese Frau war voll wie eine Strandhaubitze und hockte unbeteiligt auf einem Stuhl, während ihr kleiner Schützling bitterlich weinte. Mrs Wallace hat sich dann dem Mädchen angenommen! Das ist doch unfassbar!“ fauchte sie weiter auf dem Weg zum Speisesaal.
„Wir können uns glücklich schätzen, dass wir Sybill haben.“ ich war wirklich froh, diese Frau bei uns haben zu können.
Nach dem Essen vertrat man sich noch ein wenig die Beine im Park und auch der Nachwuchs wurde noch eine kleine Weile dazu geholt. In Alex Augen trat ein seliges Leuchten als sie Edward wieder um sich hatte, auch wenn es nur kurz war. Auch unser Sohn war irgendwann einfach müde.
Jedoch merkte meine Gattin an, dass sie diese Distanz sehr unangenehm empfand. Es gäbe ja auch die Möglichkeit in Edwards Geist mit ihm zu sprechen, warf ich ein.
„Danke mi sol, darauf hätte ich auch selber kommen müssen! Danke!“ ihre Arme schlangen sich um mich und ihr dankbarer Kuss wurde langsam inniger. Meine Finger wanderten wie selbstverständlich ihren Rücken herunter bis zu ihrem Po…
„Ähäm… Mistress Kenway? Master Kenway?“ hörte ich eine Männerstimme neben uns, die uns wie ein ertapptes Pärchen auseinander schrecken ließ.
Alex fand ihre Stimme als erstes wieder und fragte nach, mit wem wir die Ehre hätten.
Es war der niederländische Händler, der sich bei Alex wegen des Amuletts gemeldet hatte und jetzt auch gleich mit der Tür ins Haus fiel, nach dem der Höflichkeit genüge getan war.
„Versteht mich nicht falsch, ich bin kein abergläubischer Mann, aber es geht eine Art Schwingung von diesem Schmuckstück aus, welche ich mir nicht erklären kann. Wenn es eure Zeit erlaubt, würde ich gerne morgen alles weitere besprechen. Meine Räumlichkeiten habe ich mit meiner Gattin im Gästeflügel bezogen, unweit eurer Gemächer, wie mir mein Kammerdiener mitteilte. Ach, da muss ich noch gratulieren, dass ihr einen so guten anständigen Mann habt, welcher seiner Angebeteten einen Antrag macht, bevor er sie… ihr wisst schon.“ zwinkerte er uns zu.
Im Grunde machten wir nur noch den Termin für morgen aus, damit wir uns von seinem eigentlichen Erbe selber überzeugen konnten. Nach dem Frühstück sollte es sein. Noch standen ja keine weiteren Verpflichtungen an, soweit ich wusste.
Es muss gegen Mitternacht gewesen sein, als wir uns, genau wie die anderen Gäste langsam alle zurückzogen.
Erstaunt traten wir in unsere Gemächer, weil bereits Michael und Magda dort auf uns warteten.
Auf die Frage, woher sie wussten, dass wir genau jetzt zu Bett gehen wollten, erklärte man uns nun auch diese Gepflogenheit am Hofe. Die Diener der Gäste wurden umgehend unterrichtet, wenn die Herrschaften in ihre Räumlichkeiten aufbrachen. Man könnte auch meinen der Orden hätte hier seine Richtlinie verkündet – Struktur, Ordnung und Disziplin -!
Apropos Disziplin! Meiner Frau würden sicherlich einige kleinere Lektionen nicht schaden, ging es mir während man uns für die Nacht einkleidete durch den Kopf! Ich wollte sie haben und vor meinem geistigen Auge sah ich sie vor mir auf dem Bett knien …
Magda und Michael wurden für heute entlassen, so dass ich meine Frau für mich alleine hatte.
Hier war Platz, wir hatten Zeit und irgendetwas in meinem Inneren ließ mich eine gewisse Wollust spüren. Woher diese rührte vermochte ich aber nicht zu sagen.
Langsam schritt ich auf Alex zu, die meinen Blick bemerkt hatte.
Was hast du vor? Eine mehr als unnötige Frage! Ohne weitere Worte schob ich sie langsam auf das Fußende unseres Bettes zu. Immer noch nervös sahen diese lüsternen grünen Augen zu mir auf.
Meinem Befehl sich auf dem Bett mit den Händen abzustützen wurde schwer atmend ohne Murren ausgeführt. Vermutlich wusste auch Alex, was ich wollte oder besser WIE ich sie nehmen wollte.
Ihre Kehrseite so vor mir zu sehen, war wie immer ein Genuss. Langsam schob ich ihr Nachthemd über ihren Po und strich über diese warme weiche Haut, welche sich langsam mit einer Gänsehaut überzog.
Nimm mich endlich! Hörte ich ihre bettelnde Stimme in meinem Kopf.
Nicht so schnell, ich musste wieder einige Zeit auf deinen Körper verzichten, lass es mich einfach genießen. So schnell würde ich nicht vorpreschen, nicht nach dieser tagelangen Abstinenz! Meine Finger wanderten zwischen ihre Schenkel und fühlten, dass dieses Weib schon jetzt mehr als bereit für mich war.
Mein Hemd war die letzte Barriere zwischen uns, die ich hastig entfernte und mich an sie drängte.
„Du willst, dass ich mir nehme was ich will?“ war meine nächste Frage!
„Ja, das will ich.“ hörte ich sie stockend antworten, gefolgt von wiederkehrenden Schauern. Ihr ganzer Körper schien sich vorzubereiten.
Kurzerhand griff ich in ihre Haare, zog Alex so wieder an mich und raunte mahnend an ihrem Ohr. „Dann werde ich deinem Wunsch nachkommen, aber beschwere dich nachher nicht!“
Plötzlich war es wie in einem Rausch, bei dem ich nicht wusste, wie lange er andauerte! Aber ich genoss ihr Flehen, ihr Betteln! Meine Hände waren aber heute Nacht nicht das einzige Werkzeug, welches Spuren auf ihrem ansehnlichen Hinterteil hinterließen. Mein Gürtel verrichtete eine hervorragende Arbeit!
Es war wie eine kleine Explosion, als ich zum Höhepunkt kam. Meine Finger krallten sich Halt suchend in die Hüften meiner Frau. Für einen Moment ließ ich meinen Kopf auf ihren Rücken sinken um wieder zu Atem zu kommen. Ich spürte den feinen Schweißfilm auf ihrer Haut. Alex zitterte leicht und ich konnte erahnen, dass auch sie kurz vor ihrem Höhepunkt stand, also half ich ihr. Kurz darauf lehnte sie stöhnend an meiner Brust, während ich ihre Kontraktionen an meinen Fingerspitzen fühlen konnte.
Ich wiederhole mich, ich weiß. Es kann aber nicht oft genug betont werden, dass ich diese Hingabe bei ihr liebte. Noch nie vorher hatte ich ähnliches erlebt.
An mich gekuschelt wie eh und je lag sie etwas später mit mir im Bett.
„Was ist das plötzlich zwischen uns?“ fragte meine Gattin leise. Diese Frage hatte ich mir vorhin ebenfalls schon gestellt.
„Ich bin ehrlich gesagt etwas überfragt. Es fühlt sich wie etwas an, was eigentlich immer da war, aber man es nie wahrgenommen hat. So als hätte ich es seit dieser Vision mit Idun und Bragi ausgegraben und könnte nun erst darauf zurückgreifen. DU fühlst dich an, als hätte ich nie jemand anderes in meinem Bett gehabt… ich kann es nicht erklären.“ vermutlich klang ich verzweifelter als ich eigentlich war. Dennoch waren das meine ersten Gedanken.
„Wenn ich jetzt sage, dass ich es aber liebe, wie du mich dann nimmst und nicht diese Rücksicht wie sonst an den Tag legst, dass mich das noch mehr erregt, ist das falsch oder bin ich nicht ganz richtig? Weil… eigentlich sollte ich so etwas nicht gut finden, gerade auch wegen… den Katakomben!“ bei den letzten Worten schüttelte sie sich leicht.
„Alex, es ist doch eine Sache zwischen dir und mir. Was wir in unserem Bett machen, bleibt bei uns und… ich muss gestehen, dass ich diese neue Hingabe von dir wahnsinnig genieße. Das lässt auch mich darüber nachdenken, ob ich vielleicht in meinem Kopf nicht ganz richtig funktioniere. Es… gehört sich nicht, eine Frau zu schlagen oder ihr wehzutun, aber ich… liebe es bei dir. Ich genieße dein Winden unter mir, wenn du zusammen zuckst.“ Es war wie eine kleine Aussprache, etwas was noch nie so geklärt wurde zwischen uns. In einer gewissen Weise beruhigte ich mich bei meinen eigenen Worten.
„Wir wissen, wo wir stehen in unserer Beziehung, das ist das wichtigste! Und ich weiß, dass ich dich unendlich liebe und dir vertraue, egal was wir noch miteinander im Schlafzimmer oder auch woanders, anstellen werden.“ aus ihrem Mund kam dabei ein leises Kichern.
Diese Worte brachten mich wieder in eine neue Hochstimmung. Langsam begannen meinen Lippen ihre zu versiegeln und wir fanden ein weiteres Mal zueinander. Dieses Mal aber war es leise, friedlich und liebevoll.
Diese Frau war eine Wohltat und ich liebe sie! Ging es mir durch den Kopf, als sie angeschmiegt an meiner Brust eingeschlafen war.
Die Bewegungen neben mir, ließen mich wach werden.
Alex hatte sich mit ihrer Kehrseite an mich gedrückt und meinen Arm um sich gezogen. So hatte ich mal wieder die Gelegenheit sie zu beobachten. Ab und an glitt ein Lächeln über ihr Gesicht, oder aber ihre Augenlider zitterten leicht.
Mit einem Male aber hörte ich ein lautes Klingeln auf dem Gang vor unserer Tür. Der Weckdienst war angetreten. Ein Herr hatte mir gestern von dieser Sitte berichtet. So konnte man definitiv NICHT verschlafen!
Natürlich wurde auch meine Frau davon wach und sah sich für einen Moment erschrocken um.
Kurzer Hand zog ich sie mit den Worten „Guten morgen, mi sol. Ich hoffe, der sanfte Klang dieses Weckers ist nach deinem Geschmack?“ über mich, wo sie mich mit einer hochgezogenen Augenbraue etwas böse ansah.
„Ist das deren Ernst, ich dachte im ersten Moment, es brennt irgendwo!“ Ihre Bemerkung, es sei ja schlimmer wie beim Militär, erschloss sich mir nicht. Woher wollte sie das wissen?
Ich ließ meine Hände ohne weitere Worte langsam zu ihrem Hinter gleiten und drückte zu! Ein lautes „AUA!“ zeigte mir, ich hatte ganze Arbeit geleistet!
Außerdem erklärte ich ihr noch, dass ich keine halben Sachen ablieferte und sie ihre Lektionen so auch nicht sofort wieder vergessen würde.
„Danke, ich glaube davon werde ich wirklich länger etwas haben!“ langsam kam sie näher…
Die Tür wurde aufgerissen, ohne Vorwarnung!
Ins Zimmer stürmte ein Diener in königlicher Livree und begann die Vorhänge und Fenster zu öffnen, ohne weiter auf uns zu achten.
„Madame, Monsieur! Das Frühstück wird gleich angerichtet. Hopp hopp aus dem Bett!“ jetzt wanderte sein Blick breit grinsend zu unserem Nachtlager und blieb am Po meiner Frau hängen.
In Windeseile ließ ich die Decke über sie gleiten, weil ich immer noch etwas perplex war. Alex wollte sich schon von mir herunter drehen, als ich sie aufhielt. Gerade JETZT wäre es kein guter Moment, da ich mich eigentlich auf ein paar nette morgendliche Aktivitäten gefreut hatte. Wenn ihr wisst, liebe Leser, was ich meine.
Mittlerweile war auch ein Mädchen mit zwei Krügen erschienen und befüllte die Waschschüsseln. Neben unserem Bett stand wartend eine weitere Magd. Vermutlich sollte sie das Bett richten.
„Madame, Monsieur, das Bett soll gemacht werden. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten. Alle Gäste möchten pünktlich bei Tisch sein!“ mit diesen Worten und wehenden Rockschößen eilte der Diener wieder hinaus.
Jetzt fühlte ICH mich an meine Zeit unter Braddock erinnert, wo man auch an die Pünktlichkeit zu jedweder Tageszeit erinnert wurde.
Genervt ließ ich Alex von mir gleiten und versuchte hastig ein Laken über mich zu ziehen. Aber die Angestellten schienen keine weitere Notiz von uns zu nehmen.
Etwas unbehaglich war mir dabei schon zumute.
Magda und Michael erschienen um uns für das bevorstehende Frühstück einzukleiden. Es gab hier eine strickte Kleiderordnung für jeden Abschnitt des Tages. Besonders aber für die Damen. Alex tat mir leid, weil sie ständig die Haare neu frisiert bekommen würde und immer wieder in ein neues Kleid gesteckt werden würde.
Für mich war es nicht ganz so anstrengend, so hoffte ich zumindest.
Gerade als wir fertig waren, klopfte es und Sybill trat mit unserem Sohn ein. Ich traute meinen Augen nicht. Er trug ein rosafarbenes an ein Kleid erinnerndes Hemd, dazu entsprechende Unterkleidung! Du meine Güte, das sah ja grauenhaft aus.
Meiner Frau sah ich ebenfalls an, dass sie Edward am liebsten in eine andere Garderobe stecken wollte. Aber Mrs Wallace erklärte, dass es hier so üblich sei für die Kleinen. Die Kleider wurden extra aufgehoben und weitergereicht.
Ändern konnten wir es leider gerade nicht, also nahm ich es vorerst hin.
Fertig eingekleidet stand ich jetzt vor Alex, die mich mit großen Augen ansah! Michael hatte mich in einen dunkelblauen Gehrock, passender Weste und Hosen eingekleidet. Für einen kurzen Moment dachte ich schon, sie fände mein Auftreten schrecklich. Ich wurde eines besseren belehrt, denn ihr Blick war mehr als anerkennend und schon konnte ich erahnen, dass in ihrem Kopf das Bild mit dem Handtuch auftauchte.
Leider würden wir ohne unseren Sohn zum Speisesaal gehen müssen. Erst später am Tag konnten wir ihn wiedersehen.
Das Frühstück war üppig, die Gespräche bei Tisch langweilig und es gab Personen, die ich schon jetzt mehr als unsympathisch fand. Ich verabscheue Menschen, die über die ärmere Bevölkerungsschicht Witze machte, oder aber nur den eigenen Standard als den richtigen betrachteten. Es war ein Graus!
Auch Alex war froh, als wir uns ein wenig die Füße draußen im Park vertreten konnten. Wir hatten noch etwas Zeit bis zum vereinbarten Treffen mit Master de Gooijer!
„Haytham, ich habe ein wenig Angst, was sein Amulett angeht. Könntest du es bitte in ausreichendem Abstand zu mir inspizieren. Ich ziehe es vor, nicht wieder in eine andere Welt geschubst zu werden.“ sie flüsterte schon fast, vermutlich aus Angst, jemand könnte uns belauschen.
„Daran hatte ich auch schon gedacht. Was glaubst du, wie viele von diesen Dingern gibt es wohl noch?“ Wäre es nicht wirklich möglich, damit noch andere Welten zu erforschen? Trotzdem sollten wir immer die Gefahr dahinter nicht außer Acht lassen. Es könnte auch eine gefährliche andere Seite dort auf uns warten!
Dann war es soweit und man brachte uns zu den Gemächern des niederländischen Händlers.
Nach kurzem Klopfen wurde uns geöffnet und man begrüßte uns freudig.
„Ahhhhh, Mistress Kenway! Master Kenway! Tretet näher. Darf ich euch meine Gattin vorstellen? Myrte de Gooijer!“ Neben ihn trat eine etwas korpulente Dame mit roten Wangen, dunklen grünen Augen und begrüßte uns ebenso herzlich.
Wir sprachen noch einmal unser Beileid aus, auch wenn die Beisetzung schon Wochen zurück liegen mochte.
Wieder preschte der Niederländer vor, so als hätte er es eilig oder Angst vor etwas!
Als wir uns bei einer Sitzgruppe nieder gelassen hatten, begann der Herr auch gleich mit seinem Anliegen.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber mir brennt es unter den Nägeln. Werft bitte selber einen Blick darauf.“ Er griff hinter sich auf den kleinen Schreibtisch und beförderte ein kleines Kästchen zu Tage.
Gerade wollte er es Alex reichen, da sah ich, wie sich ihre Augen ängstlich weiteten. Auch ich spürte diese leichten Vibrationen, als es in ihre Nähe kam. Ich nahm es dem Mann ab, erhob und entfernte mich ein wenig ihnen.
Auch dieses Amulett leuchtete leicht, die Zeichen waren aber andere als auf meinem. Das Material schien das gleiche zu sein, es war leicht und fühlte sich ein wenig warm an.
„Es sind andere Schriftzeichen darauf, als auf meinem Anhänger, Alex. Und es leuchtet gelblich in deiner Nähe. Wie es scheint besitzt es die gleiche Kraft wie meines oder das von Marius.“ erklärte ich meine Beobachtungen und sah, wie Mr de Gooijer von einem zum anderen starrte.
Das hatte ich nicht bedacht. Sie wissen ja nichts über die Vorläufer, Artefakte oder die Götter!
„Wie ist das möglich? Was ist das? Hexerei?“ die Panik in seiner Stimme war nicht von der Hand zu weisen. Aber das fehlte uns noch, am königlichen Hofe mit solchen Anschuldigungen konfrontiert zu werden.
„Nein, Master de Gooijer, das hier ist… einfach ein Schmuckstück, welches das Sonnenlicht speichern kann und deshalb so leuchtet.“ versuchte meine Frau Schadensbegrenzung zu betreiben, gleichzeitig warf sie mir einen warnenden Blick zu.
„Ihr meint, es verzaubert niemanden oder kann böse Flüche über eine Familie bringen?“ Mrs de Gooijer sah ängstlich in meine Richtung!
„Liebling, du glaubst doch nicht wirklich daran, dass dieses Ding an dem Tod… nein, das glaube ich auch nicht. Aber was denkt ihr könnte es auf dem Markt wert sein, Mistress Kenway?“ Jon sah erwartungsvoll zu meiner Frau, anscheinend hatte er schon wieder vergessen, was er gerade gesehen und gehört hatte.
„Master de Gooijer, es ist besser, wenn ihr uns dieses Schmuckstück überlasst und wir werden euch entsprechend entlohnen. Aber es sollte nicht auf den freien Markt gelangen, weil es schon sehr alt und wirklich wertvoll ist. Sagt, wie ist eure Familie in den Besitz gelangt?“ Diese Argumentation war hervorragend, so kam kein weiteres Misstrauen auf, so hoffte ich.
„Das ist wirklich eine sehr seltsame Geschichte wisst ihr, ihr werdet mich für dumm halten…“ Myrte stammelte diese Worte, weil sie vermutlich wirklich Angst hatte, dass wir ihr keinen Glauben schenken würden! Aber ihr Mann nickte ihr zustimmend zu und dann begann sie zu erzählen.
- Es folgt ein kompletter Auszug aus „Von schicksalhaften Zeitreisen …“ -
Vor 200 Jahren ungefähr, sei ein Vorfahre von Mrs de Gooijer auf ein altes Hügelgrab an der Küste der burgundischen Niederlande (Haus Habsburg) gestoßen. Geschichte der Niederlande Aus reiner Neugierde hatte man dann Stein um Stein entfernt und einen darunter befindlichen Eingang zu einer Höhle gefunden. Immer noch vom Abenteuergeist beseelt folgte man dem Weg nach unten und fand sich kurz darauf in einer großen Kammer wieder. Diese war aus groben Stein gehauen und etwa so groß wie ein kleiner Salon, wobei diese Bezeichnung ziemlich ungenau war.
Im besagten Raum befanden sich mehrere hölzerne Truhen, steinerne Sarkophage und diverse herumstehende Gegenstände. Aus welcher Zeit das alles stammte, konnte man nicht deuten und begann alles zu öffnen und genauer in Augenschein zu nehmen. Es dauerte aber nicht lange, bis man dieses Amulett fand und es begann auch dort zu strahlen. Aus Angst, den Teufel persönlich geweckt zu haben, wurde der Gegenstand in eine kleine Kiste aus Metall gepackt und mitgenommen.
Es gab aber noch einige andere Dinge, die dort lagerten. Unter anderem ein seltsam anmutendes Schild aus reinem Metall mit einem komischen Kreuz darauf, eine Rüstung mit ebensolchem Symbol und Schwerter.
In den Sarkophagen jedoch lagen nur Gerippe und die üblichen Darreichungen für Tote. Leider fand man keine Aufzeichnungen dort unten oder Inschriften auf den Särgen. Die Bücher, welche dort zu finden waren, seien beim Berühren direkt zu Staub zerfallen.
Nachdem die gesamte Truppe den Schauplatz wieder verlassen hatte, wohlgemerkt hatte man einiges mitgenommen, unter anderem die Schwerter, die Rüstung und so weiter, begab man sich auf den Rückweg.
Dieser war aber so beschwerlich, dass die Plünderer des Grabes die Befürchtung hatten, verflucht worden zu sein. Und wäre diese Befürchtung nicht schon schlimm genug, erkrankten nach und nach die Männer an den unterschiedlichsten Gebrechen. Ruhr, Cholera (man nutzt eigentlich noch eine andere Bezeichnung im 18 Jahrhundert dafür!), Pocken und am Schlimmsten traf es den Anführer, welcher es als letzter Überlebender mit den ganzen Packtieren in sein Heimatdorf schaffte.
Sein Geist war umnachtet und er war wie von Sinnen, faselte immer wieder etwas von leuchtenden Wesen, welche ihm sagten, sie sollen umkehren und alles an Ort und Stelle lassen, es sei nicht für sie bestimmt.
Kurz darauf verstarb dieser Mann unter mysteriösen Umständen, es war als hätte er sich im Schlaf selber erdrosselt mit dem Amulett um den Hals!
Seine Tochter fand ihn morgens in der Früh und konnte sich keinen Reim darauf machen, weil niemand etwas gesehen, gehört oder überhaupt bemerkt hatte.
Ab diesem Zeitpunkt wurde dieser Anhänger nur unter der Warnung in der Familie weitergegeben, ihn nicht zu lange zu tragen oder ihn länger als eine Stunde zu berühren.
„Ihr glaubt jetzt sicher, ich bin eine von diesen abergläubischen Waschweibern, aber nein! Das bin ich nicht, das ist die Geschichte, die sich erzählt wird.“ sie erhob sich und holte ein Buch aus einer der bereit stehenden Kisten und reichte es Alex.
Auf dem Einband stand geprägt der Name der Familie „Griekspoor“ (griechische Spur). Aufgebaut am Anfang wie ein Tagebuch, wurde es unübersichtlicher von Seite zu Seite, ähnlich wie dem Manuskript von meinem Vater. Es war durch viele Hände gegangen und jeder schien etwas hinzugefügt oder aber auch entfernt zu haben!
Plötzlich drang mir Alex Stimme in den Kopf.
Haytham, was jetzt passiert, ist zu unserem Schutz und dem Schutz der Familie de Gooijer. Folge mir im Geiste in Myrtes und Jons Kopf bitte.
Es dauerte einen Moment, bis Sie einen passenden Korridor gefunden hatte. Es herrschte ein leichtes Durcheinander in Myrtes Geist. Es gab sogar britische Vorfahren in ihrer Familie!
Ich versuchte Alex so gut es ging zu folgen, nicht alles verstand ich auf Anhieb, aber ich blieb in ihrer Nähe.
Dann endlich sahen wir die Tür und folgten dem flackernden Schein von Erinnerungen. Von hier aus konnte sie tatsächlich in die Vergangenheit Myrtes Geistes eintauchen und wischte im wahrsten Sinne des Wortes unangebrachte oder eben unerwünschte Momente hinfort. Stattdessen gaben Idun und auch Frigg ihr wunderschöne Bilder, die sie hinterlassen konnte.
Diese Familie hatte nämlich ein uraltes Templergrab gefunden, welches nur uns vorbestimmt gewesen war. Doch uns kam nun dieser Fund zugute, weil wir nicht extra dorthin reisen mussten. Alles was wir brauchten befand sich hier in diesen Truhen in Frankreich!
Meine Frau betrieb wahrste Gehirnwäsche und auch bei Jon machte sie das gleiche, doch in seiner Familienerinnerung herrschte nur ein Krieg untereinander. Somit verschwanden wir dort sofort wieder, als auch er entsprechende Bilder bekommen hatte.
Bevor wir uns jedoch zurückzogen, musste sie noch die Erinnerung an ihr Tun auslöschen. In diesem Falle ist es aber unerlässlich, es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein. Aber für dein erstes Mal hast du es gut hinbekommen. Elias klang voller Anerkennung! Das meine Frau dieses Mal nicht manipulierte sondern Hilfestellung gab war entscheidend.
- Ende des Auszugs -
Wir kamen wieder in den Räumlichkeiten der Eheleute de Gooijer an und ich hörte ein erleichtertes Seufzen von Alex. Ja, sie hatte es gut gemeistert, wie ich finde und auch der Allvater hatte es ja schon betont.
Es wurden jetzt der Warenaustausch, die Routen, die Begleitschiffe und ähnliches besprochen, so als wäre vorher nichts passiert.
„Dann sind wir uns also einig, dass ich euch mit dem Schmuck betrauen kann?“ Jon war sichtlich erfreut über diese neue Verbindung!
„Natürlich und ich denke, dass wir euch umgekehrt mit dem Kakao auch zufrieden stimmen werden. Von dem Kaffee mal ganz abgesehen!“ Auch Alex war in einer gewissen Hochstimmung wie ich erfreut feststellte. Unsere Geschäfte weiteten sich immer weiter aus.
In den Niederlanden waren Bragi und Idun schon für die Bruderschaften zuständig. Somit hatten wir dort die entsprechenden Helfer und Ansprechpartner.
Wir stießen noch auf die erfolgreiche Verhandlung an und verabschiedeten uns dann von Myrte und Jon.
Man brachte die Truhen in unsere Gemächer, wo sie unseren Wachen übergeben wurde. Ich sah, dass man unsere Wachen lediglich tolerierte aber nicht gut hieß. Persönlich hatte ich eine Abneigung gegen diese überheblichen Palastwachen, welche einen immer beäugten als sei man den Dreck unter ihren Nägel nicht wert. Unverschämt!
Alex bat mich das Schmuckstück noch einmal herauszuholen. Ich tat wie mir geheißen.
„Gelb, hat das etwas zu bedeuten? Eines leuchtet bläulich, das andere grünlich und jetzt das? Regenbogenfarben? Oder wonach muss man da gehen?“ hörte ich sie gedankenverloren fragen.
Nach einem kurzen Zögern meinerseits, fragte ich, ob sie es vielleicht einmal testen wollen würde.
Erschrocken sah sie mich an. „Nein, bist du wahnsinnig geworden? Ich will nicht schon wieder neben dem Chevalier oder schlimmeren erwachen!“ Sie dachte an Charles!
Aber wie sollte man es testen, wenn nicht mit einem Versuch selber? Meine Neugierde war nun mal geweckt, ich konnte sie nicht so einfach unterdrücken.
„Gar nicht, mi amor. Wir werden es unter Verschluss halten, bis wir weitere finden und wir eine Definition finden konnten! Vorher rühren wir diese Viecher nicht mehr an! Verstanden? Das ist ein Befehl!“ Ihr Kuss schmeckte nach mehr.
„hhhhmmmmm… das hat was, mi sol…“ Ihre ab und an recht bestimmende Art war durchaus ansprechend, musste ich zugeben!
Leider konnten wir uns dem Ganzen nicht mehr hingeben, weil ein Diener das Mittagessen ankündigte und auch Magda und Michael schon zur Stelle waren um uns neu einzukleiden.
Kurz darauf erschien Mrs Wallace mit Edward, welcher jetzt einen kleinen Anzug trug. Auf jeden Fall besser als die Garderobe von heute Morgen.
„Papaaaaaaa….aaaaaaaammm“ rief er mir entgegen.
Als ich ihn hochhob, lobte ich seinen feinen Aufzug, er würde aussehen, als würde er einen Staatsempfang geben, erklärte ich mich.
„Das ist ein hinreißender Anblick, mi amor. Ihr beide seid farblich aufeinander abgestimmt. Er sieht aus wie du!“ hörte ich Alex neben uns und sah, wie sie die Tränen unterdrücken musste. Meine eigene Mutter hatte auch des öfteren so reagiert, wenn sie mich neben meinem Vater sah.
Ich gab meiner Frau einen liebevollen Kuss, welcher aber von unserem Sohn unterbrochen wurde. Er war der Ansicht, dass seine Mutter ihm alleine gehörte. So so.
Leider hatten wir nur diesen kurzen Moment mit unserem Nachwuchs, weil auch er jetzt zum Essen gebracht wurde. Man sah, Edward war nicht begeistert.
Während des Essens hatte ich eine ältere Damen mir gegenüber sitzen, welche gelangweilt auf ihrem Teller herumstocherte. Während neben mir ein junges Fräulein an ihrem Gatten lehnte und ihn mit verträumten Augen ansah.
Plötzlich hörte ich eine andere Dame uns gegenüber wütend und nicht gerade leise sagen „Herr Gott noch mal, nimm die Finger von deinem Schwanz!“ Mein Blick wanderte in ihre Richtung und ich sah, wie sich eine andere Frau gerade lüstern über die Lippen leckte, während sie diesen besagten Herren im Auge behielt.
„Wenn noch einmal jemand meine lose Zunge anspricht, nehme ich DIESE Frau als Referenz, mi amor!“ flüsterte Alex erbost. Wo sie Recht hatte!
Auch unsere neuen Geschäftspartner saßen in unserer Nähe und prosteten uns noch zu.
Im Park konnten wir ein wenig entspannen und auch das Wetter war angenehm. Sogar unser Sohn war an diesem Nachmittag mit dabei.
„Nee, hoe schattig is de kleine! Hij lijkt op zijn vader!” rief Myrte freudig, als sie unseren Spross sah. Ja, Edward sah mir wirklich ähnlich, da gab es keine Zweifel. Es erfüllte mich mit Stolz, wenn ich das so offen sagen darf.
Eheleute de Gooijer hatten ebenfalls Kinder, diese waren aber daheim geblieben um über das Landgut zu wachen.
Alex war wieder einmal in ihre Gedanken versunken, aber ich konnte mir denken, dass sie sich über diese hier übliche Art der Erziehung aufregte. Für sie war es einfach ein Unding, Edward einfach “abzugeben” wie sie es nannte. Natürlich war sie seine Mutter, aber man war in diesem Jahrhundert nun einmal der Ansicht, dass die Kinder ihre Kindermädchen, später Gouvernanten und ähnliches für die Betreuung hatten. Ab und an sah man seinen Nachwuchs, unter anderem auch um ihm Gute Nacht sagen zu können.
Für meine Frau einfach nicht so leicht zu verstehen. Ihre Berichte aus ihrer Zeit hatte ich nicht vergessen!
Auch Mrs de Gooijer entging Alex´ Gedanken nicht und sie hakte nach. „Ihr seid ganz anders, als die Frauen die ich kenne, Mistress Kenway. Ist Edward euer erstes Kind?“
Wir berichteten von unseren anderen Kindern, weil wir nichts zu verbergen hatten. Myrte erklärte sich aber noch einmal. „Ihr seid so aufmerksam was den Kleinen angeht, ihr achtet auf seine Schritte, was er tut und was er sagt. Das ist aber doch die Aufgabe des Kindermädchens. Es wundert mich nur, dass ihr den Mut habt, euch so eurem Sohn zu widmen. Eure Aufmerksamkeit sollte eurem Gatten und dessen Wohlergehen gewidmet sein!“ Genau DAS war etwas, was für Alex völlig unverständlich schien.
„Mein Mann und ich haben eine gewisse Aufteilung und auch ich habe meine Verpflichtungen, deren ich mir durchaus bewusst bin. Darüber hinaus aber bin ich Mutter und stehe meinem Kind bei, egal was da komme. Auch wenn man uns Frauen diese Fähigkeit nicht zutraut, wir können viel mehr gleichzeitig bewältigen als die Herren der Schöpfung glauben!“ Jetzt war es an meiner Frau ihren Standpunkt darzubringen. Auch wenn es etwas zickig klang in meinen Ohren.
„Ihr wisst was ihr wollt und setzt es durch. Haytham kann sich glücklich schätzen, eine solche Frau zu haben und so einen prächtigen Sohn!“ erwiderte Myrte mit einem wohlwollenden Lächeln.
Es folgte natürlich noch die obligatorische Frage nach dem Alter unseres Sohnes. Im Gesicht der de Gooijers erschien ein völlig ungläubiger Blick, wie bei vielen Menschen, denen wir mitteilten, er wäre ungefähr 7 Monate alt.
„Wie ist das möglich? Man könnte meinen er ist schon über ein Jahr alt, so groß wie er ist und er läuft schon und… Die Luft in Virginia muss ihm sehr gut tun!“ lachte die Niederländerin und sah Edward beim Spielen zu.
Der restliche Nachmittag und auch das Abendessen verliefen ohne besondere Vorkommnisse, wofür ich sehr dankbar war.
Als sich meine Frau dann später im Bett an mich schmiegte, schlief sie innerhalb von Sekunden ein. Aber dieser ruhige Atem ließ auch mich in die Traumwelt abtauchen.
Meine Gattin ist Mutter! Natürlich wusste ich das, jedoch war sie ein recht seltenes Exemplar, welches einfach ihren Kopf durchsetzte, wenn es um unseren Sohn ging. In einer der nächsten Nächte demonstrierte sie es mir dann erneut, als sie leise aufstand, verschwand und kurz darauf mit Edward auf dem Arm wieder ins Zimmer schlich.
Natürlich hatte ich es bemerkt, aber als ich ihre eiskalten Füße an meinem Schienbein zu spüren bekam, war ich vollends wach.
Wie kann man im Sommer so kalt wie ein Eisblock sein? Meine Frage wurde in ihrer so typischen Art beantwortet.
„Stell dich nicht so an, ich musste dich auf der Jackdaw auch schon als Eisblock ertragen. Ich werde es wieder gut machen und dich beizeiten wärmen, wie es sich für eine gute Ehefrau gehört.“ Hörte ich da etwa einen leicht lüsternen Unterton heraus? Wenn sie das vorhätte, dann hätte sie unseren Sohn besser nicht mit in unser Bett holen sollen. Aber es gäbe ja auch noch andere Räumlichkeiten, merkte ich an, weil wir hier wirklich ausreichend Platz hatten.
„Ist das eine Drohung, Master Kenway?“ Jesus, ich hätte sie auf der Stelle nehmen können bei diesem Kuss der darauf folgte. Natürlich riss ich mich zusammen und schloss einfach meine Familie in die Arme.
Wir hatten noch ein wenig Gelegenheit uns Versailles näher anzusehen und ich muss sagen, es war mehr als eindrucksvoll.
Alex erzählte mir hier und da, wie es in späteren Jahren einmal aussehen würde. Leider hatte sie aber auch nur Bilder gesehen und war nie selber hier gewesen. Was sie vor allem zu bemängeln hatte war, dass die Gerüste an der Außenfassade die reinsten Todesfallen sein konnten. In ihrer Zeit gäbe es auch hierfür entsprechende Vorschriften, damit die Arbeiter geschützt waren bei Unfällen. Wieder einmal überlegte ich mir, wie viele Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen es später geben wird. Und das nur, weil die Technologien fortschritten und mit ihnen die Gefahren, wie es aussah. War das nun gut? Wir mussten uns weiterentwickeln und weiter forschen, damit wir in dieser Welt auch weiter existieren konnten.
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als unser Sohn einen Brunnen mit Wasser bemerkte und uns kundtat, dass er dort gerne hin wollte.
Meine Frau hatte dieses mal mit Wechselsachen vorgesorgt und so ließen wir ihn planschen. Aber nicht nur er wurde klatschnass, auch ich wurde nicht verschont. Alex zog ihn neu an, während er genüsslich auf einem Keks den sie noch vom Frühstück übrig hatte kaute.
Anschließend machten wir uns langsam wieder zurück zum Schloss, weil das Mittagessen anstand.
Unser Sohn lief in unserer Mitte, während wir ihn an den Händen hielten. Plötzlich zerrte er daran herum. „Gaga lein…“ hörte ich etwas säuerlich von ihm. Also ließen wir ihn einfach los und er stiefelte über den Rasen.
Ich muss sagen, er hatte ein ordentliches Tempo drauf, dafür dass er noch gar nicht so standfest war! Also machte ich mich auf, ihm hinterher zu eilen, was Edward als Spieleinladung verstand. Ich machte mir einen Spaß daraus ihn ein wenig zu jagen. Wenn ich ihn erwischte, hob ich ihn hoch über den Kopf und ließ ihn fliegen! Sein freudiges „Papa“ war mir Lob genug
Ich erklärte ihm, dass ich mich schon darauf freuen würde, wenn ich ihm das Klettern an Gebäuden beibringen konnte. Natürlich würde ich ihm auch den Sprung lehren. „Deine Mutter hat einen kleinen Helfer an ihrer Hand, welcher sie hat faul werden lassen. Sie klettert nicht mehr.“ sagte ich mit einem Grinsen in Richtung meiner Frau.
„Glaub deinem Vater kein Wort, Edward! Ich weiß sehr wohl, wie man sich an einer Fassade schnell nach oben bewegen kann.“ Alex streckte mir frech dabei die Zunge heraus, was natürlich unser Nachwuchs unbedingt nachmachen musste. Ja, wir sollten uns dringend selber lernen zu beherrschen.
An diesem Nachmittag erhielten wir eine Nachricht, welche uns einer der königlichen Diener mit den Worten „Monsieur de la Sèrre wünscht euch zu sprechen“ übergab.
Auf dem Papier stand lediglich, WO er zu finden sei und zwar in den unteren Freizeiträumen zur Freude meiner Gattin. Dort war ein beachtlicher Teil der Bibliothek mit untergebracht.
Wir brauchten uns nicht lange umsehen und entdeckten den Herren an einem Tisch mit Schachspiel.
„Ahhhhh, ihr müsst Master Kenway sein, nehme ich an? Und eure bezaubernde Gattin, Mistress Kenway!“ begrüßte er uns mit einer tiefen Verbeugung. Der Herr war etwas kleiner als ich, seine dunkelblonden Haare nicht unter einer Perücke wie hier sonst üblich versteckt, sondern im Nacken gebunden. Sein Alter schätzte ich auf Ende 30.
Sein Erscheinungsbild ließ keine Zweifel daran, dass er zu den gut betuchten Personen hier zählte. Nicht ohne Grund war er der Großmeister des hiesigen Ordens!
Das war also der Mann, welcher mir in einer Vision schon gezeigt worden war. Nur war er dort 10 Jahre älter gewesen. Ein seltsames Gefühl stieg in mir empor. Es fühlte sich wie ein schlechtes Gewissen an.
Ich begrüßte ihn nun ebenfalls und sah, wie Alex mir ein leicht neidischen Blick zuwarf. Ihre Sprachkenntnisse waren nicht überragend, aber dafür hatte sie ja mich, dachte ich stolz.
Wir sprachen aber, aus Höflichkeit ihr gegenüber, auf englisch weiter.
Der Großmeister fiel gleich mit der Tür ins Haus ohne große Umschweife, was mir gefiel. So eine forsche Art erlebte man selten.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass es eure Absicht ist, Bruderschaft und Orden zu vereinen, oder hat man mich falsch unterrichtet?“ Diese Neugierde in seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
„So ist es, Monsieur. Wir, das heißt meine Frau und ich haben schon große Fortschritte machen können und versuchen ein Netz aufzubauen, Verbündete zu finden und eine Einigung zu erreichen.“ Versuchte ich einen eigenen Vorstoß, damit er nicht den Eindruck bekam, wir würden nicht wissen, was wir hier taten!
„Warum sollten wir uns mit den Bruderschaften auf einmal verbünden, wenn sie doch alles daran setzen uns weiter zu schädigen und zu minimieren. Ich muss euch sicherlich nicht an die letzten Jahre erinnern, Master Kenway. Ich habe viele gute Männer durch diese Assassinen verloren und bin nicht gewillt mich mit ihnen zusammen zuschließen!“ Ich musste ihm zugestehen, dass er Recht hatte. Aber mittlerweile hatte sich das Blatt ein wenig gewendet und man konnte eine Veränderung spüren. Anscheinend aber noch nicht hier in Frankreich.
Alex versuchte einen eigenen Ansatz, in der Hoffnung ihm klar zu machen, was hier auf dem Spiel stand.
„Niemand verlangt, dass ihr von jetzt auf gleich eure Bedenken über Bord werft! Wir alle werden uns langsam annähern müssen! Und wenn ich das anmerken darf, in Amerika und auch England gibt es bereits die ersten Verbindungen. Bedenkt einfach, dass uns auch kleine Schritte ans Ziel führen. Wir müssen sie mit Bedacht setzen und auch die Assassinen wissen das, Monsieur de la Sérre. Ich weiß wovon ich rede und ich konnte durch meinen Handel und die einhergehenden Geschäfte bereits einige der hochrangigen Brüder und Schwestern von unserem Vorhaben überzeugen.“
„Ich würde gerne von euch wissen, was uns eine Verbindung zu den Assassinen bringen würde, Mistress Kenway.“ Dass dieser Herr eine Versicherung wünschte, war verständlich. Jedoch würden WIR sie ihm sicherlich nicht geben können. Das Vertrauen – ein Grundvertrauen – war erforderlich.
Die nächsten Worte wählte ich sorgfältig, um de la Sèrre nicht zu verschrecken.
„Es gibt einen entscheidenden Vorteil! Ihr könntet wieder sicheren Fußes reisen, der Orden würde stabil bleiben und sich sogar noch erweitern. Außerdem wäre es von großem Nutzen wenn man, bedingt durch diese ganzen Unruhen die zu spüren sind, eine größere Vereinigung hätte um sich zur Wehr setzen zu können! Wie gesagt, niemand zwingt euch heute, hier und jetzt eine Entscheidung zu treffen. Wägt es richtig ab und denkt darüber nach. Besprecht euch mit euren eigenen Brüdern und Schwestern. Über kurz oder lang werden wir aber nicht drumherum kommen, uns gegenseitig zu stärken.“ Innerlich war ich nervös und unsicher, weil hier mehr als nur ein geschäftlicher Vertrag zu verhandeln war. Es galt Verbündete zu finden, sie von unserer Sache zu überzeugen und auch zu bestärken, dass es der bessere Weg sei.
„Aber wir hätten keine Garantie, keine 100 Prozentige meine ich, dass wir zukünftig keine weiteren Verluste mehr erleiden werden. Gehe ich da recht in der Annahme?“ DAS würde ihm niemanden garantieren können, dass musste ihm doch bewusst sein, ging es mir durch den Kopf.
„Nein, die gibt es nie. Und ich kann es euch auch erklären, weil es immer diese extremen Widersacher geben wird. Die Leute, die einfach nicht über den Tellerrand und ihren eigenen Horizont hinaus blicken können. Die die sich keiner Veränderung stellen wollen, weil das Alte so bequem ist, weil man es schon so lange kennt. Aber gerade diese Menschen werden wir nie überzeugen können und ich gehe davon aus und ich hoffe, dass ihr nicht zu diesen Personen zählt. Ich halte euch für einen Mann der einen gewissen Weitblick hat! Nicht ohne Grund wäret ihr sonst schon in jungen Jahren Großmeister geworden!“ Ein unmerkliches Zittern war neben mir zu spüren als Alex diese Worte sprach. Zum ersten Mal musste sie ihre Position als Großmeisterin wirklich in die Tat umsetzen und durfte sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Die Worte des Allvaters kamen völlig überraschend bei mir an, weil ich Alex´ eigene Gedanken gar nicht wahrgenommen hatte.
Wir sind an dem Punkt, an welchem wir dir keine Hilfestellung geben können. Es kommt jetzt auf dein eigenes Urteilsvermögen an. Vertraust du auf dein Herz, deinen Bauch oder deinen Verstand? Odin sprach leise um sie nicht unnötig zu verunsichern.
Leider preschte meine Frau etwas vorschnell vor.
„Monsieur de la Sérre, es mag sich jetzt forsch anhören, aber ich wäre mehr als dankbar, wenn ihr wenigstens ein paar Worte mit dem hiesigen Großmeister der Assassinen haben könntet. Ich bin sicher, dass man…“ Innerlich seufzte ich, weil ich befürchtete, dass wir jetzt eine neue Hürde hätten, die es zu überwinden galt.
Und wie angenommen fuhr der französische Großmeister hoch.
„Ihr meint diesen Dorian? Wisst ihr eigentlich, wie er meinen besten Mann, Gilbert Saufrid, dahin gemetzelt hat? Und das nur, weil er einer falschen Fährte gefolgt war! Diese Meuchelmörder folgen nicht mehr ihrem Kredo, in welchem die Klinge fern von unschuldigem Fleisch gehalten werden soll. Nein, im Gegenteil, sie töten oft blindlings und nur aufgrund eines Befehls!“ Ich sah, wie sich die Köpfe in unsere Richtung drehten, wir erweckten zu viel Aufmerksamkeit.
„Das war mir nicht bekannt, verzeiht mir.“ Ihre Stimme war leise, fast schon eingeschüchtert! Verdammt, so würden wir nicht weiter kommen.
„Natürlich ist das ein herber Verlust. Glaubt mir, auch ich kenne so etwas. Mein heutiger bester Mann, Shay Cormac, war einst selber Assassine und hat mir einige unserer Männer genommen, eben wegen eines fehlgeleiteten Befehls seines Mentors. Ich weiß, wie ihr euch dabei fühlt, aber vergesst nicht, jeder Mensch kann sich ändern, wenn er denn gewillt ist, Veränderungen zuzulassen. Das ist ein langwieriger Prozess, welcher nicht über Nacht stattfindet. Versteht doch, es geht hier um mehr als nur zwei verfeindete Bünde. Gemeinsam können wir mehr erreichen und der Menschheit zur Seite stehen, den Menschen helfen sich zu verteidigen!“
Ich spürte diese Euphorie in mir, diese Überzeugung, dass ich endlich auf dem richtigen Weg war. Genau wie es Shay damals vermutlich auch gespürt hatte.
Aber das reichte dem Franzosen bei Weitem noch nicht, hatte es den Anschein.
„Nein, ich denke, dass wäre alles noch zu verfrüht und ich werde einige Zeit darüber nachdenken und mich beraten müssen! Außerdem wird dieser Dorian am morgigen Ball ebenfalls hier erscheinen, wenn ihr also die Güte hättet, mich nicht in ein Gespräch mit ihm zu verwickeln? Ich wäre euch unendlich dankbar, Master Kenway!“ In diesem Moment könnte man meinen, war alle Hoffnung auf Einigung dahin.
Gerade als ich einen erneuten Versuch starten wollte, sprach meine Gattin.
„Wenn ihr meint, dann lasst es eben!“
Dieser Ton in ihrer Stimme war nicht SIE, es klang anders! Mit Entsetzen musterte ich sie, aber nahm nichts wahr, außer ihrer normalen Aura. Aber auch de la Sèrre war aufmerksam geworden.
„Was denn? Wer nicht will der hat schon!“
Jesus, was war in sie gefahren? Mein Vater konnte es nicht sein, er würde sich in solchen Situationen zu zügeln wissen. War es … ihre Vorfahrin?
Bevor wir aber noch reagieren konnten, sprang Alex auf und eilte nach draußen. Sie hatte also auch ihr seltsames Verhalten bemerkt.
Jetzt hieß es für mich, sie zu entschuldigen, aber das war leichter gesagt als getan.
„Master Kenway! Was ist das für ein Benehmen eurer Gattin?“ hörte ich ihn entrüstet fragen.
„Monsieur de la Sèrre, ich bitte um Verzeihung, aber meine Frau hat schlimmes während unseres Besuches in London erleben müssen. Man hat sie auf einem Empfang entführt und in den Untergrund geschleppt. Dort … also man fiel über sie her und tat ihr entsetzliche Dinge an. Ich möchte nicht darüber sprechen, weil ich denke, ihr könnt euch ausmalen, was genau passierte. Diese Herren haben aber dank Master Cormac unter anderem schnell das Zeitliche gesegnet und ich konnte meine Frau retten. Die seelischen Wunden sind noch immer nicht ganz verheilt. Ich vermute, sie ist deshalb oft noch so ausfällig, weil sie Männern gegenüber mehr als skeptisch ist.“ versuchte ich das Ganze jetzt zu erklären.
„Ich verstehe, Master Kenway. Meiner Schwester, Gott hab sie selig, erging es nicht anders. Leider nahm sie sich das Leben, ich konnte sie nicht vor diesem dunklen Abgrund retten. Ihr scheint eurer Frau eine große Stütze zu sein, das ist eine noble Art.“ sprach der Franzose leise, sah mir aber dabei nicht in die Augen.
„Es tut mir leid, dass ihr nicht in der Lage wart, eurer Schwester zu helfen. Auch meine Schwester hat schwere Zeiten als Konkubine durchleben müssen, nachdem man sie damals entführt hatte.“ in meinem Hals steckte ein Kloß, der sich nicht lösen wollte.
„Die Frauen scheinen stärker zu sein, als wir vermuten, oder? Vermutlich müssen wir alles überdenken, weil eine neue Zeit anbricht, in welcher wir mehr Toleranz zeigen sollten und Kompromisse eingehen sollte. Nur dadurch werden wir auch, nicht nur unseren persönlichen Seelenfrieden, sondern auch einen ganzheitlichen Frieden erreichen können. Ich… glaube, ich verstehe eure Frau ein wenig besser jetzt.“ Es klang, als spräche er mit sich selber, um Klarheit zu haben. Aber im Grunde hatte er den richtigen Ansatz erkannt!
Das Lied im heutigen Kapitel
In diesem Moment erschien Alex wieder im Freizeitraum und sah etwas betreten zu uns.
„Ah, Mistress Kenway, ich hoffe, euch geht es wieder besser. Euer Gatte erklärte mir euer Verhalten. Diese schweren Schicksalsschläge, welchen ihr ausgesetzt ward, sind wirklich nicht leicht zu verarbeiten. Ich wünsche euch baldige Genesung für eure Hysterie.“
Für einen winzigen Moment sah ich unendliche Wut in ihren Augen aufflackern bei dem Wort Hysterie. Sie hatte es mir einmal erklärt, es war die obligatorische Erklärung für Frauen, welche sich nicht im Griff hatten. Es hatte aber einen geistigen Ursprung und dieser befiel auch die Männer! Aber ich schweife ab… (AdA: Es gibt dazu einige Thesen von Sigmund Freud)
„Das hoffe ich auch, Monsieur de la Sérre. Es waren schlimme Zeiten und es ist noch nicht vorbei.“ sprach sie leise entschuldigend, fast schüchtern mal wieder.
Monsieur de la Sèrre ergriff das Wort und erklärte sich ebenfalls entschuldigend.
„Meine Schwester ist durch eine ebensolche Hölle gegangen, hat sich aber nie davon erholen können. Vor ein einigen Jahren hat sie sich dann das Leben genommen, weil sie die Schmach nicht ertragen konnte.“
Alex´ Augen sahen ihn skeptisch an, weil sie natürlich von unserem Gespräch noch nichts wusste.
Monsieur de la Sèrre begann etwas zögerlich von dem besagten Vorfall mit seiner Schwester zu berichten. So, als würde er damit das Ganze für sich noch einmal neu sortieren.
Eines Nachts seien Männer in ihr Familienanwesen eingedrungen, auf der Suche nach Silber und Wertsachen. Als sie aber nicht fündig wurden, ging man zu der Schändung der weiblichen Bewohner über. Man verschonte niemanden! Mehr sagte er nicht, er ließ nur traurig die Schultern sinken und starrte für einen Moment ins Leere.
Diese Eindringlinge waren aber keine Assassinen, wie er später wohl von seinem Vater erfuhr. Es waren einfache Diebe, welche, wie er es nannte, auf der Durchreise waren. Es waren schon einige Einbrüche, Diebstähle und ähnliches begangen worden, aber die Familie de la Sèrre wähnte sich in Sicherheit, weil sie nicht reich gewesen sein.
Danach war seine Schwester, damals gerade mal 15 Jahre alt, in tiefe Depressionen gestürzt und hatte kaum noch das Haus verlassen. Nur ihre Gouvernante hatte noch Zugang zu dem Mädchen und fand sie schließlich an einem Juli Morgen in ihrem Bett mit aufgeschnittenen Pulsadern!
Er selber war zu dem Zeitpunkt erst 17 und konnte den Verlust kaum ertragen. Der Franzose beschloss daher, niemandem mehr zu vertrauen, sondern sich den Templern anzuschließen, wie es sein Vater verlangte. Nur sie würden ihm diese Sicherheit, die Ordnung und Struktur geben können, in welcher er Frieden finden würde.
Für einen Augenblick schwieg er und man spürte diese Trauer, die ihn umgab.
„Jetzt wisst ihr, warum ich euer Verhalten gerade sehr wohl nachvollziehen kann. Doch ich kann nicht gutheißen, dass ihr, trotz alle dem, den Assassinen beistehen wollt, wo es doch eben genau DIESE waren, welche die abscheuliche Tat an euch begangen haben…“
Alex erklärte dem Herren nach einem kurzen Moment des Überlegens, warum sie so handelt.
„Es stimmt, es waren Meuchelmörder. Fehlgeleitete Männer, welche einem Befehl gefolgt waren, der ebenfalls auf einer Lüge aufbaute. Sie haben ihre gerechte Strafe bekommen und ich werde mich auch noch an ihrem Drahtzieher rächen! Dennoch bedenkt, dass nicht ALLE so sind und es auch in den Reihen der Assassinen mitunter kriselt und sie ihr Kredo hinterfragen!“ Ich hatte den Eindruck, sie wäre erleichtert, das mitgeteilt zu haben.
Monsieur de la Sèrres Blick wurde etwas milder, als er wieder sprach.
„Ihr seid hartnäckig, Mistress Kenway, das muss ich euch lassen. Aber bitte! Lasst mir Bedenkzeit, ich bin ja auch nicht alleine um eine so große weitreichende Entscheidung zu treffen, welche auch eine so riesige Auswirkung auf die Politik haben kann! Ich möchte nicht unbedacht handeln!“
Ja, das hatten schon sehr viele Personen in unserer Umgebung bemerkt. Mit seiner Aussage hatte er aber absolut recht. Er brauchte Bedenkzeit und sollte nicht überstürzt Entscheidungen treffen. Ich selber würde es ebenso wenig machen.
Wir verabschiedeten uns jetzt von ihm mit den Worten, wir würden uns freuen, ihn morgen beim Ball wieder zusehen.
Als wir wieder alleine waren, starrte meine Frau eine ganze Weile einfach vor sich hin.
„Wir wussten, dass es nicht immer so leicht werden würden, mi sol. Mach dir keine Sorgen, es ist weder deine noch meine Schuld. Gib ihm Bedenkzeit und er wird sicherlich anders denken.“ versuchte ich sie aus ihren Gedanken zu holen.
„Vielleicht hat er aber recht und wir sollten ihn nicht mit Monsieur Dorian zusammen bringen. Die Zeit ist noch nicht reif, irgendwie spüre ich es auch, so als würde man noch etwas anderes abwarten müssen.“ grübelte sie weiter.
Mir kam der Gedanke an meine Vision bezüglich Shay und den Mord an Dorian. Als ich sie fragte, ob Master Cormac den Herren wirklich umbringen wird. Ich hatte keine Jahreszahl gesehen, geschweige denn wusste ich, ob der Junge gut aufgehoben sein wird bei dem französischen Templer.
Leise sprach Alex davon, dass er nur seinen Auftrag, die Schatulle zu finden, erfüllt. SIE hatte diesen Mord nie gesehen, aber ich könnte sie die Bilder sehen lassen, sagte ich etwas in Rage, weil ich den Eindruck hatte, sie würde mir die Schuld an diesem Desaster geben.
„Das ist nicht nötig! Ich brauche frische Luft!“ ihre Stimme hatte einen eisigen Ton angenommen und sie verschwand wütend nach draußen.
Wie ich es hasste, wenn sie aus einer Konversation oder Diskussion einfach hinaus rannte! Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf die Suche nach ihr zu gehen.
Lange suchen musste ich nicht, ich sah wie sie sich auf der Terrasse zwei Gläser Champagner von einem Tablett nahm, welches ein Diener herumreichte. Bevor aber noch jemand sah, dass sie so dreist war, eilte ich zu ihr.
„Danke, dass du auch an mich gedacht hast.“ flüsterte ich und sah mich dabei um.
Ihr erschrockener Blick mit dem sie mir ein Glas reichte, versöhnte mich wieder etwas. Es kam nur ein „Ja… natürlich… hier bitte…“ über ihre Lippen.
Im Grunde hatten wir keinen Streit, aber ich sah oft des Nachts diese Bilder von Shay, wie er über seinem Opfer hing und ihm die Schatulle abnahm. Es war noch nicht geschehen, aber es fühlte sich so an und ich machte Shay unbewusst Vorwürfe wegen des kleinen nun vaterlosen Jungen! Ich versuchte meine Gedanken möglichst verständlich in Worte zu packen.
„Daran hatte ich auch schon gedacht, die Geschichte wiederholt sich, Haytham. Deswegen wollte ich dir eigentlich gar nicht davon erzählen. Doch nun weißt du es. Ist es wirklich so besser?“ Also hatte auch sie diese Assoziation zu meiner Kindheit, welche es nicht leichter machte. Das war beruhigend!
„Nein, es ist nicht besser. Wir müssen beide anscheinend noch lernen, diese Vergangenheit zu vergessen oder besser auszublenden. Und nein, die Geschichte wiederholt sich nicht ganz. Der Junge wird zu den Assassinen gehen, oder? Also folgt er seinem Vater nach! Während er mit de la Sèrres Tochter ebenfalls den Wunsch hat, Orden und Bruderschaft zu vereinen. Auch sie haben diesen Wunsch! Vielleicht müssen wir hier in Frankreich wirklich noch warten, bis die Zeit reif ist.“ endete ich jetzt meine Gedanke und sah, dass Alex bei dem Wort – warten – anfing zu grinsen. Geduld war keine ihrer Vorzüge, dass wusste ich ja.
Sie müsse sich jetzt in genau dieser aber üben, weil es noch nicht soweit war.
„Aber nur, wenn du mir dabei hilfst, mi amor.“ langsam und vorsichtig näherte sie sich meinen Lippen und gab mir einen vorsichtigen Kuss. Mit meiner freien Hand zog ich sie an mich und genoss den Geschmack des Champagners auf ihrem Mund.
Leider wurden wir aus diesem doch recht intimen Moment gerissen, als laute und aufgeregte Stimmen aus dem Freizeitraum zu uns nach draußen drangen.
Wir folgten diesem Tumult und dem Getuschel, dass der König sich herabließ Hof zu halten.
Ich versuchte Alex durch die Menge der Menschen zu bringen, damit sie auch etwas sah. Es dauerte einen Moment ehe wir zum ersten Mal einen Blick auf den Monarchen werfen konnten. Genau wie meine Gattin, starrte ich in die Richtung des Herren.
Wie erwartet trug er königliche Roben und schritt die Reihen der Gäste hier ab. Was ich etwas seltsam fand war, dass er keine Perücke wie hier sonst üblich trug. Auf den Gemälden sah man ihn nie ohne.
Nach einer Weile kam er in unsere Nähe und die Anwesenden übten sich in Verbeugungen oder knicksten brav als Huldigung. Ludwigs Stimme war überaus angenehm, aber auch autoritär, sie passte zu seinem ganzen Erscheinungsbild!
„Ich freue mich, dass ihr mir die Ehre erweist, an meinem jährlichen Ball teilzunehmen und dass ihr meiner Einladung ganz aus Amerika gefolgt seid.“ sprach er uns persönlich an und deutete uns, wir könnten uns wieder erheben.
Seine Gefolgschaft, darunter auch ein Diener, welcher ihm die nötigen Informationen über die anzusprechenden Personen zuflüsterte, bestand aus unauffälligen Wachen und einigen Damen. Vermutlich gehörten sie zu seinen Mätressen.
Als der König wieder außer Hörweite war, sah meine Frau mich grinsend und mit roten Wangen an.
„Mi amor, versteh mich nicht falsch, aber Ludwig sieht wirklich gut aus. Auf den Bildern und Portraits konnte ich das gar nicht so erkennen.“ Mal wieder hatte ich außer Acht gelassen, dass sie eine ungefähre Vorstellung dieser Menschen hatte.
„Aber keine Sorge, ich bin dir nicht böse, mi sol. Solange du ihm nicht hinterher schmachtest und gleich das Bett mit ihm teilen willst…“ flüsterte ich, musste aber selber grinsen.
„Muss ich dich immer daran erinnern, dass nur du für meine schmutzigen Gedanken und meine Lust zuständig bist, mi amor?“ diese lüsterne Stimme von meiner Frau brachte auch mich auf sehr unzüchtige Gedanken.
Meine Worte, dass sie es mir gerne einmal wieder beweisen könnte, gingen leider unter, weil uns ein Diener unterbrach.
„Monsieur, Madame! Eure Majestät bittet euch zu einer Audienz um 5 Uhr in sein Studierzimmer!“ Damit verbeugte er sich entschuldigend.
„Wir werden pünktlich erscheinen und fühlen uns geehrt von dieser Einladung!“ gab ich als Antwort und der Herr eilte von dannen.
„Was habt ihr doch für ein Glück, Madame! Wir warten schon seit Wochen auf diese Gelegenheit, aber er scheint uns zu ignorieren.“ hörte ich einen älteren Herren neben uns säuerlich sagen.
Wir waren ja selber überrascht über diese Einladung, also konnten wir für diese Vorzugsbehandlung nichts. Damit gerechnet hatten wir so schnell eben sowenig. Zähneknirschend wünschte er uns noch gutes Gelingen und verschwand in der Menschenmenge.
Alex kam der Gedanke, ob unser niederländische Händler mehr war, als er vorgab zu sein! Eine solche Ehre wurde nicht jedem zuteil!
„Mistress Kenway! Master Kenway!“ hörte ich die mir wohl bekannte Stimme meines Freundes Benjamin Franklin! War er ebenso hierher beordert worden? Das hatte er mir gar nicht mehr berichtet!
„Master Franklin, es freut mich euch hier zu sehen. Ich hoffe, eure Überfahrt war nicht beschwerlich?“ In Alex Stimme war die deutliche Erleichterung zu hören, dass sie englisch sprechen konnte. Sie hatte immer noch ihre Probleme mit Französisch.
„Es war etwas windig, Mistress Kenway, aber nichts im Vergleich zu der Segelei über den Atlantik.“ Seine Begrüßung war wieder sehr herzlich und auch ich freute mich, ihn hier wieder zusehen.
Er wäre hierher eingeladen worden, weil man auf seine Experimente aufmerksam geworden war und seine Hilfe benötigte im Bezug auf ein paar seltsame Vorfälle hier im Palast und allgemein in Paris. Genaueres hatte man wohl auch ihm noch nicht mitgeteilt und hielt sich diesbezüglich sehr bedeckt.
Ich mutmaßte, dass auch er vermutlich persönlich bei Ludwig vorstellig werden sollte und er bejahte meine Frage.
„Ich bin gerade rechtzeitig hier erschienen wie es scheint, weil er mich um fünf zu sehen wünscht!“ freute sich Ben sichtlich.
Also hätten wir eine gemeinsame Begegnung im privaten Studierzimmer von König Ludwig. Wir werden uns bis dahin noch gedulden müssen, was der Mann von uns wollte.
Wir gingen noch ein bisschen nach draußen, wo wir schon von unserem Sohn erwartet wurden. Alex hatte also bereits nach Sybill geschickt.
„Was für ein hübscher Junge. Wie heißt der junge Herr denn?“ er streckte ihm die Hand entgegen. Skeptisch sah unser Sohn den Herrn vor sich an und zack, hatte er die Brille in der Hand und begann, sie mit dem Mund zu bearbeiten.
In Windeseile hatte meine Frau ihm sein neues Spielzeug abgenommen und wusch es in einem nahegelegenen Brunnen sauber. Edward hingegen war böse, dass man ihm etwas weggenommen hatte.
„Das ist doch nicht nötig, Mistress Kenway.“ lachte Ben nahm ihr seine Sehhilfe aus der Hand. „Glaubt mir, meine Kinder haben schon mehrere Exemplare zerstört, weil sie mit ihnen spielten.“ Trotzdem musste mein Sohn lernen, dass er nicht einfach so etwas an sich nehmen durfte.
Weinend hatte ich ihn auf dem Arm und er verbarg sein Gesicht schniefend an meiner Schulter.
Die saubere Brille wieder in der Hand, reichte Ben sie an Edward weiter. Er sah erstaunt hindurch, wie es schien freute er sich sogar!
„Kann es sein, dass Master Edward eine Sehschwäche hat? Ich möchte nicht unhöflich sein, aber das Verhalten deutet schon jetzt darauf hin.“ hakte Franklin nach und mir kam meine eigene Kurzsichtigkeit, wie Alex sie damals genannt hatte, in den Sinn.
Begeistert sah sich unser Sohn mit offenem Mund um, ab und an deutete er auf etwas und lachte dabei. Wir sollten das also im Auge behalten, auch Alex hatte es schon angesprochen.
Meine Frau und Ben fachsimpelten noch eine Weile über ein kleines Gestell mit entsprechenden Sehhilfen für den Nachwuchs. Über diesen Enthusiasmus der beiden musste ich grinsen und erklärte Edward, dass seine Mutter etwas plante zu bauen, wenn wir wieder daheim sind, damit er besser sehen könne.
Gerade als das Fachgespräch beendet wurde, überbrachte uns ein Diener die Nachricht, dass wir uns jetzt bitte im Studierzimmer von König Ludwig einfinden sollten.
Eine Wache brachte uns zu seinen Räumlichkeiten und ich hatte noch einen Moment, mich hier weiter umzusehen. Die Gemälde und Portraits waren fantastisch und zeigten die Monarchen natürlich von ihrer besten Seite. Die feinen Teppiche und Vorhänge waren ebenso exquisit, genau wie die ausgewählten Farben. Alles in Allem waren die Wege hier im Palast aber schon sehr lang. Weitläufig würde ich es nennen.
Meine Frau neben mir wurde immer nervöser, je näher wie unserer Audienz kamen. Aber mir ging es dieses mal auch nicht anders. Innerlich begann ich wieder meine Ruhe zu finden, damit ich Alex eine Stütze sein konnte.
Dann endlich nach einer gefühlten Ewigkeit standen wir vor der Tür des Königs und auf das Klopfen bat man uns, einzutreten.
Ludwig stand mit dem Rücken zu uns an einem Fenster und war in Gedanken versunken. Erst als eine hier anwesende Wache sich räusperte und unser Erscheinen kund tat, regte er sich.
Lächelnd drehte Ludwig sich um und begrüßte uns freundlich. Zu meinem Erstaunen auf Englisch, ich hatte mit seiner Muttersprache gerechnet. Alex jedoch war erleichtert, dass sie nicht auch noch hier ihre spärlichen französisch Kenntnisse auspacken musste.
„Bitte, nehmt Platz.“ er setzte sich uns gegenüber an den ausladenden Schreibtisch, auf welchem sich einige Papiere stapelten, Tintenfässer nebst Federn und einem filigranen Kerzenleuchter zu finden waren.
„Es ist mir eine Ehre, heute hier sein zu dürfen, eure Majestät.“ Franklin setzte sich gelassen auf seinen dargebotenen Stuhl.
Auch ich dankte für die uns entgegengebrachte Ehre für die Audienz.
Ludwig erklärte dieses doch recht überraschende Treffen.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich musste abwarten bis Master Franklin ebenfalls angereist ist. Und ich komme auch gleich auf ein sehr delikates Anliegen.“ eine kleine Pause trat ein, in welcher sich ihre Majestät versuchte eine Strategie zurechtzulegen.
„Wie es sicherlich schon bekannt ist, ist Madame de Pompadour vor einigen Monaten auf eine, nunja, eher unerklärliche Weise verstorben. Ihr Verlust schmerzt mich zutiefst. Sie war eine wichtige Person in meinem Umfeld, welche mir immer beratend zur Seite stand! Mein Minister ist seitdem ein treuer Begleiter geworden, welcher aber immer mehr mein Misstrauen erweckt!“ wieder eine Pause und er sah uns nacheinander an, nickte dann, als wolle er eine Zustimmung, dass wir verstanden hatten.
Langsam setzte er nun seine Erzählung fort. „Monsieur Choiseul, mein Minister wie ihr wisst, legt es darauf an, mich in einem guten Licht zu präsentieren. Seit aber Madame de Pompadour verstorben ist, zieht er Marie-Louise O’Murphy in seine Belange mit ein und bespricht sich mit ihr.“ wieder trat eine kurze Pause ein. „Ich muss mittlerweile davon ausgehen, dass der Tod von ihrer Vorgängerin nicht ihrer Gesundheit geschuldet ist, wenn ihr versteht was ich meine.“ seine Stimme hatte einen verschwörerischen Unterton angenommen.
Franklin, Alex und ich nickten zur Bestätigung, dass wir sehr wohl verstanden, was er meinte. Man vermutete, dass hier mit Gift gearbeitet wurde. Nicht immer sichtbar, sprich es wurde nicht wie üblich unter das Essen oder in die Getränke gemischt, sondern es schien auch über die Luft verabreicht werden zu können. Auch in Paris selber war es zu einigen unschönen und seltsamen Todesfällen gekommen. In der Bevölkerung, wie auch bei Adligen und Mitgliedern der Räte.
Plötzlich verlor Master Franklin jegliche Farbe im Gesicht und stützte seinen Kopf in seine Hände! „Das… ich hatte doch keine Ahnung… Wie kommt es hierher… wir konnten doch die Lager räumen… auch in London!“ Völlige Verzweiflung und vor allem Schuldgefühle waren in seiner Stimme zu vernehmen!
„Master Franklin, seid ihr euch sicher? Deswegen habe ich euch eigentlich auch rufen lassen! Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr von derlei Anschlägen und dem Gift wusstet. Und mir wurde gesagt, ihr seid ein Experte auf dem Gebiet, Gegengifte zu entwickeln!“ die Stimme Ludwigs nahm einen fordernden Ton an und Ben sah ihn wie ein verschrecktes Kaninchen an.
„Eure Majestät, ja… ich… habe… aber ich konnte doch nicht wissen… ich ging davon aus, dass es zum Wohle der Menschen getan wurde. Aber wir haben ein Gegengift, mehrere Varianten, weil ich davon ausgehen muss, dass es auch weiterentwickelt wurde.“ er wurde immer leiser in seiner Erklärung und schien immer kleiner zu werden.
„Wenn ich bitte etwas dazu sagen darf, eure Majestät.“ sprach meine Frau leise an den König gerichtet.
„Eine Intrige, ich wusste es!“ fauchte er plötzlich und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. Wie er bei diesen Worten darauf kam, erschloss sich mir gerade nicht.
„Nicht unbedingt, eure Majestät. Bitte, lasst es mich erklären!“ Ihre Stimme hatte einen leicht flehenden Unterton angenommen. Ich ahnte, dass sie nicht wusste, ob sie sich ihm gegenüber richtig verhielt. Hier galten anderen Etiketten und Vorschriften! „Wir können dem entgegenwirken. Doch brauchen wir zu aller erst Zeugenaussagen, Personen die etwas gesehen haben, oder auch einfach Gespräche mit angehört haben.“
König Ludwig nickte ihr zu als Zeichen, dass sie fortfahren solle.
„Es ist wichtig herauszufinden, wo euer Minister zu der Zeit war, oder auch Mrs O´Murphy! Welche Kontakte sie hatten und vor allem, wer Zugang zum Palast hat. Sie gehören zu den Hauptverdächtigen!“ fuhr sie fort.
Das wäre aber über Monate laufendes Verfahren, wenn wir alles und jeden in Betracht ziehen würden. Aber diese Zeit hätten wir gar nicht. Auch Alex ging der selbe Gedanke durch den Kopf und noch so einiges mehr, weil sie mit diesen Mätressen und Geliebten nicht zurecht kam.
„Wie stellt ihr euch das vor, Mistress Kenway? Ihr könnt nicht einfach so eine Untersuchung beginnen! Es wird Misstrauen und Gerede hervorrufen! Und ich möchte nicht, dass Miss O´Murphy behelligt wird! Sie steht mir treu zur Seite!“ Das war uns dreien ja bewusst, jedoch mussten wir irgendwo beginnen.
„Wir sollen ein Verbrechen aufklären! Dafür muss man aber alles und jeden in Betracht ziehen!“ mischte sich jetzt Benjamin ein.
Für einen Augenblick ging König Ludwig in sich und betrachtete seine gefalteten Hände auf dem Schreibtisch. Er war entsetzt, dass wir seine engsten Vertrauten gleich beschuldigten, aber das taten wir ja – noch – nicht. Erst mussten wir uns einen Überblick verschaffen.
Wir versuchten ihn umzustimmen, ihm zu erklären, worauf wir achten müssten und wer als Verdächtiger für den Mord am ehesten in Frage kam. Von dort könnten wir dann die Liste abarbeiten.
„Wir werden also als erstes Miss O´Murphy befragen, im Beisein eurer Majestät, wenn es gewünscht ist und dann werden wir weiter nach der Liste vorgehen.“ begann ich meinen recht kleinen aber detaillierten Plan in meinem Kopf zu erläutern.
„Ich sehe schon, ich habe meine Wahl sehr weise getroffen, Master Kenway! Euer Ruf eilt euch voraus!“ kam es anerkennend von dem Monarchen.
Demnach wusste er also über die Templer und Assassinen Bescheid? Natürlich, man konnte sie hervorragend für die Beratung, Kriegsführung und dezente Eliminierung von unerwünschten Personen nutzen. Sehr perfide, wenn man mich fragte.
Wie ich bereits vermutet hatte, wurde als erster Zeuge der Minister des Königs, Monsieur Choiseul, aufgerufen. Es passte mir allerdings nicht, dass Ludwig seiner Mätresse, Mrs O´Murphy, selber Bescheid geben wollte. Sie wäre vorgewarnt und wer weiß, ob sie dann noch die Wahrheit sagen würde. Sie hätte genügend Zeit sich eine Strategie zurecht zulegen. Umgekehrt wusste ich ja noch nicht einmal, was diese Frau für eine Person war. Es hieß also mal wieder abwarten.
Der Minister. Ein Herr um die 50 Jahre mit einer für seine Position passenden Erscheinung. Er verbeugte sich tief vor seinem König mit den Worten „Eure Majestät, ihr ließet mich rufen?“
Sein Blick wanderte zu uns und wieder zurück zu Ludwig.
„Sehr richtig, Minister! Nehmt bitte Platz!“ Die Worte kamen etwas zögerlich von dem Monarchen. „Wir müssen annehmen, dass Madame de Pompadour keines natürlichen Todes gestorben ist und diese Herrschaften hätten ein paar Fragen bezüglich eurer Involviertheit!“ Dabei deutete er auf uns.
„Natürlich gebe ich bereitwillig Auskunft, wenn ich helfen kann, eventuelle Missverständnisse aus dem Weg zu schaffen!“ in sein Gesicht trat ein Lächeln und er straffte die Schultern.
Ich erhob mich und schritt die Regale langsam ab, sah mir hier und da einen Buchrücken an. Eine genaue Strategie hatte ich mir ehrlich gesagt in der kurzen Zeit noch nicht zurechtgelegt. Nur in groben Zügen. Ich besann mich auf meinen Posten als Großmeister und begann die Befragung.
„Monsieur Choiseul, wie standet ihr zu der Verstorbenen? Wie würdet ihr eure Beziehung beschreiben?“
Ohne zu zögern antwortet der Minister.
„Sie war eine Vertraute von mir und wir pflegten eine enge Freundschaft. Auch halfen wir uns gegenseitig, das Beste für den König und seine Königin zu erreichen. Das Wohlergehen ihrer Majestäten liegt uns allen natürlich am Herzen und steht an erster Stelle!“ Der letzte Satz ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er tatsächlich seinen König entsprechend unterstützte, damit er einen „guten Eindruck“ bei seinen Untertanen hinterlässt.
Eine Frage war natürlich unausweichlich, nämlich ob die beiden eine Affäre pflegten, ob sie jemanden eifersüchtig gemacht haben könnten oder ob eventuell auch Feinde an der Tat beteiligt gewesen sein könnten. Alles verneinte der Herr, erwähnte aber beiläufig, dass es sicherlich Widersacher des französischen Königshauses gäbe und man davor nie gefeit sei! Damit hatte er Recht.
Alex fragte ihn jetzt, ob er vielleicht eine Ahnung hätte, wie die Dame ums Leben gekommen sei.
„Ihre Kammerzofe fand sie am Morgen leblos in ihrem Bett vor, Maîtresse Kenway! Es war ein grauenhafter Anblick.“ betrübt senkte er den Kopf und sah zu Boden als er weitersprach. Die Dame hatte sich in ihrem Todeskampf noch erbrochen und das Bett sei völlig zerwühlt gewesen. Es fehlte aber nichts aus ihrem Besitz, auch fand man keine Spuren eines Eindringlings. Der Wein auf ihrem Nachttisch war auch rein, das Obst wies auch keine Giftstoffe auf.
Resigniert warf König Ludwig ein „Das hatte man mir bereits alles schon mitgeteilt.“ und es klang, wie soll ich es sagen, sehr genervt. Langsam wanderte jetzt auch der König umher.
Benjamin setzte die Befragung fort.
„Lag ein eigenartiger Geruch in der Luft? Roch es anders als sonst im Zimmer von der Madame?“ Sein Verdacht, dass es Gas sein könnte wollte er verneint wissen.
„Daran kann ich mich nicht erinnern. Als ich dort eintraf, waren die Fenster bereits geöffnet und man nahm nur, verzeiht, diesen widerlichen Geruch des Erbrochenen wahr.“ In dieser Antwort lag keine Lüge, im Gegenteil der Minister schüttelte sich bei seiner Erzählung angewidert.
Also wäre die Nächste auf der Liste die besagte Kammerzofe. Ich hegte die Hoffnung, dass sie einen guten Geruchssinn hatte und sich diesbezüglich bei ihrer Herrin auskannte. Nicht nur was die Wahl des Parfums angeht, versteht sich.
Monsieur Choiseul wurde entlassen. Noch einmal verbeugte er sich tief. In seinen Augen sah ich, dass auch ihn dieser Verlust schmerzlich traf. Er war für mich nicht der Mörder, aber ich möchte mich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
König Ludwig selber folgte ihm, um Mrs O´Murphy zu benachrichtigen.
Meine Frau hatte aber noch eine Frage an Master Franklin, an die ich selber noch gar nicht gedacht hatte. Wonach es hätte riechen müssen. Wenn ich ehrlich bin, ich wusste es nicht. Damals in New York war ich bei den Anschlägen nicht direkt zugegen und hatte keine eigene Erfahrung diesbezüglich gemacht.
„Also, wenn ich das so sagen darf, es riecht leicht wie Dung, vermischt mit einem beißenden säuerlichen Ton! Es ist schon recht widerlich, wenn man mich fragt.“ Das klang in der Tat wirklich widerlich.
Während ich hier in dem Studierzimmer des Königs umherwanderte, fiel mein Blick immer wieder auf diese Belüftungsgitter auf Bodenhöhe. Soweit ich wusste, nutzte man sie um die Wärme in allen Räumen verteilen zu können. Diese Rohre oder besser Schächte gingen durch den gesamten Palast.
In genau diesem Moment fragte Alex, wie man das Gas hätte unbemerkt in das Zimmer der Mätresse leiten können.
„Lüftungsschächte, mi sol. Vermutlich hat sich da jemand mit diesen ausgekannt und wusste, wo er das Gift platzieren musste! Wenn wir jetzt darüber nachdenken, wer kennt sich mit solchen Dingen aus?“ fragte ich grinsend nach.
„Bauarbeiter unter anderem und derjenige, der die Pläne für den Palast mit entwickelt hat. Die Architekten!“ erwiderte Franklin freudig.
„Also hätten wir noch mehr Personen, die es zu befragen gilt!“ seufzte Alex laut und ließ sich resigniert auf ihren Stuhl sinken. Ja, das könnte sich jetzt noch hinziehen. Leider.
Kurz darauf erschien der Monarch gefolgt von seiner Mätresse, welche schüchtern von einem zum anderen blickte, aber dann bei meiner Frau hängen blieb.
Wie wir befürchtet hatten, hatte man sie schon unterrichtet und erste Frage auf dem Weg hierher gestellt. Immer noch hoffte ich, wie wir alle vermutlich, dass sie eine ehrliche Person war!
„Mein König hat mir bereits erklärt, worum es geht und ich bin entsetzt, dass man mich für den Tod von Madame de Pompadour verantwortlich machen will!“ Wie wir es geahnt hatten, hatte der Monarch etwas voreilig gehandelt.
„Niemand sagt, ihr seid die Täterin. Wir sind auf der Suche nach einem möglichen Verdächtigen, Madame. Vielleicht könnt ihr uns einfach behilflich sein, die richtige Person ausfindig zu machen. Ihr kennt euch ja hinreichend im Palast aus und hört auch das Gerede der anderen Gäste und Bediensteten!“ versuchte ich sie jetzt ein wenig zu beruhigen, weil es lediglich eine Anhörung sein sollte und keine Anklage!
„Natürlich kenne ich mich aus, Monsieur! Ich werde euch sicherlich bei der Suche nach dem wahren Mörder zu Diensten sein.“ Meine Worte hatten ihr Ziel erreicht, sie wurde kooperativ. Meiner Frau waren die leuchtenden Augen von Mrs O´Murphy nicht entgangen, mit welchen sie mich musterte. Im Nu stand Alex neben mir, nahm demonstrativ meine Hand und drückte zu. Ihre Eifersucht kannte wieder keine Grenzen, aber mein Frauengeschmack schon. Die Dame vor uns passte nicht in mein bevorzugtes Raster.
Leider war die Mätresse keine große Hilfe, auch sie hatte weder etwas gesehen, noch gehört oder ähnliches. Sie kam ebenfalls erst später hinzu als man bereits Madame de Pompadour zur Aufbahrung gebracht hatte.
Ihr Blick ging jedoch immer wieder zu Ludwig bei ihren Ausführungen und nicht nur ich schien mich zu fragen, ob das königliche Paar nicht vielleicht doch hinter dem Mord steckte. Oder zumindest die Königin selber, es könnte Eifersucht dahinter stecken. Noch hatten wir sie nicht gesehen und befragen konnten wir sie ebenso wenig in diesem Moment.
„Ich habe an dem Tag lediglich mit den Bediensteten noch gesprochen und ihnen Beistand geleistet. Alle waren sehr erschüttert durch diesen plötzlichen Tod.“ ihre Worte klangen ehrlich und auch ihre Stimme war fest.
Da sie uns so keine große Hilfe war, entließen wir Mrs O´Murphy damit wir die Liste der anderen Verdächtigen abarbeiten konnten.
Unter dessen bat Franklin den König um die Blaupausen, die Namen der Architekten und so weiter. Ich vermutete, dass wir noch eine Weile hier bleiben werden müssten, um alles abzuarbeiten.
„Ihr glaubt, es war wirklich dieses Gas in der Luft, welches auch in Paris schon Todesopfer gefordert hat?“ Ludwigs Stimme klang ängstlich, weil ihm vermutlich bewusst wurde, dass auch ER in Gefahr sein könnte. Sicherlich hatte er auch Feinde und Personen, die ihm nicht wohlgesonnen sind.
Es könnte durchaus sein, dass man systematisch vorging und nach und nach jeden der dem Königshaus loyal gegenüberstand eliminieren wollte. Paris war voller Menschen, welche ein Motiv hätten. Davon ging ich aus!
Die nächsten Befragungen wurden auf den folgenden Tag verschoben und wir baten noch einmal darum, dass Stillschweigen über diese Untersuchung von größter Dringlichkeit sei.
„Ich werde es selbstverständlich noch einmal betonen, wenn ich meinen Minister und Mrs O´Murphy wieder spreche.
Auch wir wurden nun entlassen und konnten uns zurückziehen.
Im Park selber überraschte es mich, dass das Königspaar ihren Gästen Gesellschaft leistete.
„Ich kann mich nicht immer verstecken, denke ich.“ Ludwig war sich im Klaren darüber, dass es sonst noch mehr Getratsche geben könnte, würde er sich jetzt im Verborgenen aufhalten. Gerade auch jetzt, wo der Ball anstand!
Die Gespräche die wir führten waren interessant muss ich sagen. Wir erfuhren einiges über die Parkanlagen, die Brunnen und ihre Bewässerung, auch woher einige Blumen und Gewächse kamen. Alles hier war penibel nach einem Plan ausgerichtet und wurde ausschließlich von Gärtnern bearbeitet, welche vertrauenswürdig waren. Mir ging mein Ordnungsliebendes Herz über in diesem Moment. Klare Linien und Strukturen waren meine eigenen Tugenden. Bei meiner Frau konnte ich es nicht zu 100% sagen, auch wenn sie selber eine eigene gewisse Ordnung an den Tag legte.
Für einen Moment betrachtete ich sie, als sie sich mit Königin Maria unterhielt. Es wurde zu ihrer Freude Deutsch gesprochen und diese Erleichterung sah man Alex auch an. Sie war gelöst, aber höflich wie es von ihr erwartet wurde.
Natürlich wurde ich hellhörig, genau wie meine Gattin, als die Rede von den Pferdeställen und die beherbergten Pferde war. 25 wunderschöne Tiere waren dort untergebracht und einige wurden zur Zucht herangezogen.
Unser Sohn, welcher etwas später mit seinem Kindermädchen zu uns stieß, war ebenso begeistert als wir eintraten.
Die verschiedenen Rassen wurden noch erläutert, wie alt die Tiere waren und so weiter. Edward streichelte hier und da vorsichtig über das Fell. Seine Wangen waren vor lauter Freude schon richtig gerötet.
Am Abend brachte Alex unseren Sohn noch zu Bett und ließ sich für das anstehende Bankett umziehen. Ich hingegen war vor ihr fertig und begab mich schon einmal zum Ballsaal hinunter.
Lange alleine war ich nicht, da eilte schon Franklin auf mich zu und wir unterhielten uns über seine Forschungen und deren Fortschritt.
„Leider fehlt mir derzeit die Möglichkeit um tiefergehende Recherchen zu betreiben, Master Kenway. Ich freue mich ehrlich gesagt schon wieder auf mein Zuhause, wenn wir hier alles abgeschlossen haben. Seid versichert, ihr werdet einer der ersten sein, welchen ich bei Neuigkeiten unterrichten werde.“ lachte er und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Plötzlich sahen wir uns umringt von einigen Damen, welche Ben anscheinend auch kannten und ihm Löcher in den Bauch fragten. Irgendwann verabschiedete sich mein Freund mit einer dieser Frauen und ging hinaus an die frische Luft.
Ich hingegen sah mich geröteten Wangen, strahlenden Augen und lüsternen Blicken gegenüber.
„Master Kenway, ihr seid heute Abend alleine hier beim Bankett? Das tut mir schrecklich leid, vielleicht darf ich euch Gesellschaft leisten?“ trällerte eine von ihnen und strich mir dabei über den Arm.
„Danke, aber ich muss leider ablehnen. Meine Gattin wird sicherlich jeden Moment hier erscheinen. Sie brachte noch unseren Sohn zu Bett.“ versuchte ich diese Annäherung so charmant und höflich wie möglich abzuwehren.
Wenn jetzt Alex hier wäre, würde es Tote geben, ging es mir durch den Kopf. Im selben Moment bahnte sie sich einen Weg durch die Gäste auf mich zu. Ihr Blick wurde eiskalt und würden jede Lüsternheit postwendend im Keim ersticken.
„Darf ich den Damen meine Gattin vorstellen? Maîtresse Alexandra Kenway!“ und mit einem Male erstarb jegliches Leuchten in den Augen der Damen um mich herum. Die Enttäuschung, dass man mich nun nicht mehr für sich hatte, war deutlich zu spüren.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie eine dieser Frauen Alex etwas zuraunte und dabei mit hochgezogener Augenbraue in meine Richtung sah.
Als wir alleine waren, erzählte sie mir, dass die Dame ihr geraten hatte, auf mich aufzupassen. Ich wäre schneller in ihrem Bett und zwischen ihren willigen Schenkeln, als sie schauen könne. In diesem Moment war ich froh, dass ich verheiratet war und mich nicht mehr mit solchen Anzüglichkeiten auseinander setzen musste.
Alex Blick hingegen ging zu ihrem Ring an der rechten Hand, wo sich immer noch das Mohnpulver darin befand. Ich ermahnte sie, nichts dergleichen zu unternehmen, solange wir einer Untersuchung in einem vermeintlichen Mordfall nachgingen.
Ihre Enttäuschung, dass sie diesem Lästermaul nicht damit beikommen durfte, ließ sie mich mit einem Schmollmund wissen!
Da es hier recht warm und stickig wurde, gingen wir für einen Moment hinaus an die frische Luft.
Wir trafen auf Master Franklin und seine Begleitung von vorhin.
Ben erklärte ihr gerade, was es mit Elektrizität auf sich hat und was er schon alles heraus gefunden hatte. Die Dame war hin und weg und hing an seinen Lippen.
„Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie diese Spannungen kribbeln auf der Haut. Meine Finger waren eine ganze Woche taub…“ lachte er. Aber bei Alex sah ich, dass sie etwas ungläubig mit dem Kopf schüttelte. Diese Spannungen waren laut ihren Schilderungen stellenweise auch tödlich. Hier ging Ben aber völlig sorglos damit um, wie es schien.
„Maître Franklin, ihr müsst unbedingt weiter daran arbeiten. Wer weiß, zu was man dieses… wie nanntet ihr sie? … Spannung noch verwenden kann! Sie soll ja so hell wie ein Blitz sein, kann man sie aber auch berühren?“ Für den Bruchteil einer Sekunde war auch ich versucht, ihr zu sagen, dass sie nicht ganz bei Trost sein kann, so etwas tun zu wollen. Behielt aber meine Worte für mich.
Kurz darauf erschienen auch Ludwig und Maria um ihren Gästen Gesellschaft zu leisten. Auch wenn ich in diesem Jahrhundert geboren wurde und mich in Belangen der Höflichkeit, des Anstands, der Garderobe und dergleichen auskannte, war es auch für mich etwas völlig Neues in diesen Kreisen zu verkehren. Es war ein wenig unwirklich, so als würde man einem Theaterstück lauschen.
Alex war ebenso hin und wieder in Gedanken. Für sie war es noch um einiges schwieriger sich an die Gepflogenheiten zu gewöhnen, aber sie meisterte es wie immer.
Als wir uns den anderen Gästen anschlossen und auf der Tanzfläche waren, musste ich meine Gedanken loswerden.
„Du siehst wunderschön aus, wenn du so versonnen in Gedanken versunken bist, mi sol.“ in ihr Gesicht stahl sich liebevolles Lächeln.
„Dankeschön, mi amor. Ich fühle mich auch gerade ausgesprochen wohl. Was nicht zuletzt deiner ausgesprochen attraktiven Erscheinung geschuldet ist.“ sprach sie leise, aber in ihren Gedanken hatte sie mich wieder nur mit einem Handtuch gesehen.
Gespielt enttäuscht seufzte ich „Nein… kein Handtuch… nicht jetzt zumindest.“
Damit hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit und sah wie sich ihre Wangen vor Verlangen röteten.
Später in unserem Zimmer sah mich meine Frau etwas seltsam an. Wartete sie auf etwas bestimmtes? Natürlich konnte ich mir denken, was ihr gerade durch den Kopf ging.
„Sag nicht, dass dir das Spiel von vorletzter Nacht gefallen hat. Du bist ganz schön ungezogen, weißt du das?“ Meine Stimme hörte sich rau an, als ich so vor ihr stand.
„Es hat mir sehr gefallen, Master Kenway!“ flüsterte sie atemlos. Ihr Nachthemd ließ ich über ihre Schultern gleiten und hob sie auf meine Hüften.
„Dann sollten wir dort weitermachen und ich zeige dir, was dir noch alles Freude bereiten kann, Mistress Kenway!“ Langsam ging ich auf unser Bett zu und versiegelte ihre Lippen mit Küssen.
Diese Frau war wieder einmal Wachs in meinen Händen und wir verbrachten eine wundervolle Nacht.
Am nächsten Morgen erwachte ich und hatte meine Hand auf dem wohlgeformten Hintern meiner Gattin. Vorsichtig strich ich darüber und hörte einen zischenden Laut von ihr.
Also hatte ich letzte Nacht mal wieder ganze Arbeit geleistet. Sie sollte ja auch etwas von den Lektionen behalten! Außerdem sollte sie nicht vergessen, dass sie mir alleine gehörte.
„Dann denke daran, dass auch DU nur mir gehörst und diese Weiber von gestern ohne Finger aufwachen, sollten sie dich auch nur in Gedanken anfassen wollen.“ Ihre Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen, der mich aber leise Glucksen ließ. Ich liebte ihre Eifersucht.
„Was denn? Diese Frauenzimmer haben dich alle mit den Blicken schon ausgezogen gehabt und …“ Da konnte ich sie gleich beruhigen!
„… und ich werde mich zu wehren wissen! Eine Frau welche solch hohe Ansprüche an meine Künste hat, reicht mir. Zumal ich meine Vorlieben genauestens kenne und keine dieser Tratschtanten entsprach meinen Wünschen und Phantasien. Sei unbesorgt, mi sol.“ Zur Bestätigung küsste ich sie liebevoll, auch in der Hoffnung, dass sie wieder etwas friedlicher wird.
Wir wollten beide nicht diesen Glocke schwingenden Weckdienst abwarten und ließen Magda und Michael rufen. Kurze Zeit später erschien auch Sybill mit unserem Sohn, der freudig auf uns zu lief in einem dunkelblauen Anzug. So sah er doch perfekt aus!
Auf die Frage seiner Mutter, ob er auch gut geschlafen hätte, sagte er freudig „Sisi!“ Fragend sah ich Alex an, aber auch sie hatte keine Ahnung, was er damit sagen wollte.
„Ich brauche einen Dolmetscher.“ lachte sie jetzt, als ich Edward auf den Arm nahm.
„Du siehst wirklich sehr erholt aus. Vielleicht können wir nachher wieder in den Park und zu den Pferden gehen. Was meinst du?“ Lachend klatschte er in die Hände, ich deutete es selbstverständlich als Zustimmung.
Nach dem gemeinsamen Frühstück verbrachten wir den Vormittag wieder im Studierzimmer mit König Ludwig um die Befragungen voran zu treiben.
Heute sollte die Kammerzofe der Madame de Pompadour gerufen werden. Wir hofften, dass sie als enge Vertraute mehr wusste und uns entsprechend weiterhelfen konnte.
Sie erzählte, wie sie ihre Herrin vorfand am Morgen, es sei ein grausiger Anblick gewesen, welchen sie so schnell nicht vergessen werde. Niemand der bei gesundem Verstand war, würde das so einfach verpacken können.
Auf Bens Frage hin, ob es vielleicht etwas faulig gerochen hätte dort, sah sie uns erstaunt an.
„Ja, es roch… sehr unangenehm im Raum, aber es ist ja auch kein Wunder…“ Sie kannte sich sicherlich nicht mit diesem Gift aus, dass war uns ja allen bewusst. Sie machte die Übelkeit ihrer Herren für diesen Geruch verantwortlich. Auf Drängen schilderte sie ihre Eindrücke aber genauer.
„Es roch, als wäre man auf dem Land und ich hatte einen stechenden Geruch in der Nase. So als würde eine Zitrusfrucht schlecht werden…“ Damit hatte sie Master Franklins Verdacht bestätigt.
Somit konnten wir jetzt die Architekten hinzuziehen, weil auch die Zofe niemanden gesehen hatte.
„Master Franklin, ist es möglich eine Art Bombe zu bauen, welche nicht sofort explodiert, sondern nach einer festgelegten Zeit? So etwas wie ein Zeitzünder?“ Alex Gedanken gingen in die richtige Richtung, auch mir ging durch den Kopf, dass die Lüftungsgitter und die dahinter liegenden Gänge diese Möglichkeit boten. Jemand konnte dort ungesehen einen Behälter deponieren und genauso heimlich wieder verschwinden.
„Woher wisst ihr solche Sachen? Habt ihr derlei schon einmal gesehen? Ich würde zu gerne mehr darüber erfahren!“ Benjamin kannte sich also noch nicht damit aus.
„Ich habe damit Erfahrungen gemacht, Alex. Denk an die Rauchbomben!“ Bei meinen Worten sah ich die Erkenntnis in ihren Augen und wir beide sagten wie aus einem Mund „Assassinen!“
Welchen Vorteil hätte die Bruderschaft von so einem Anschlag, das ergab gerade nicht wirklich Sinn, meiner Meinung nach!
Was hatte die Mätresse des Königs damit zu tun?
Der König selber ergriff aber das Wort.
„Dann bin ich also korrekt unterrichtet worden, dass ihr von diesen Gruppierungen wisst und einer der beiden angehört? Ich nehme an, weil ich den Ring mit dem Symbol an eurem Finger sah, Maître Kenway, dass ihr dem Templerorden angehört?“ Es war keine Enttäuschung oder Zorn in seiner Stimme, lediglich Anerkennung.
Gewandt an Franklin sprach er weiter. „Ihr habt, wie ich eurem Gesichtsausdruck entnehme, mit beiden Bünden bereits Bekanntschaft geschlossen?“
Zur Bestätigung erhielt ein er schüchternes Kopfnicken.
„Aber WER ist dann der Drahtzieher, eure Majestät? Eine Liste eurer weiteren Vertrauten wäre da hilfreich, eventuell ließe sich daraus schon eine Schlussfolgerung ziehen.“ Fragte Alex nach, weil sie in ihrer Zeit die Assassinen recht genau studiert hatte.
Der König faltete seine Hände vor dem Mund und dachte darüber nach ehe er antwortete.
„Wir haben einen neuen Höfling, welcher sich meine Gunst versucht zu erarbeiten. Ein Herr welcher mir etwas zu forsch ist, aber eine hohe Position in der Armee inne hat und einen einwandfreien Leumund hat. Monsieur Honoré Bellec!“
Entgeistert starrte meine Frau den vor sich sitzenden Monarchen an.
Im Geiste konnte ich jetzt sehen, warum sie so aus der Fassung war. Pierre Bellec, sein Sohn, wird später auf Arno Dorian treffen und versuchen zu verhindern, dass Templer und Assassinen sich vereinen können! Pierres Vater ist jetzt schon einer der Drahtzieher. Bevor sie jedoch weiter sinnieren konnte, unterbrach uns Ludwig.
„Ich sah das Zeichen der Haschaschinen oder wie ich gelernt habe Assassinen… er trägt es offen an seiner Kleidung, für alle sichtbar, auch wenn es nicht jeder zu deuten vermag!“ erklärte er uns seine Beobachtung.
„Seht, eure Majestät, es geht darum, jedweden Einfluss, ob nun Templer oder Assassinen, von euch und dem Königshaus abzuwenden. Wir müssen für eure Sicherheit garantieren! Ich frage mich aber, warum man dann gerade Madame de Pompadour ins Auge gefasst hatte. Das ergibt doch keinen Sinn.“ Für meine Frau sicherlich nicht, aber wir anderen sahen jetzt einen Sinn, wenn auch recht versteckt.
„Frauen beeinflussen die Männer seit je her! Sie sind es, die für die Intrigen und Komplotte verantwortlich gemacht werden!“ Ben formulierte diesen Satz zögerlich, trotzdem wäre meine Frau fast aus der Haut gefahren!
Tief durchatmend sprach sie dann erneut.
„Aber kommen wir doch noch einmal auf Monsieur Bellec zurück! Also können wir davon ausgehen, dass er der Bruderschaft angehört. Demnach hat er auch Zugriff auf entsprechende Waffen und Mittel um Personen ungesehen zu beseitigen…“ Weiter ließ der König sie aber nicht ausreden. Sein nächster Satz war selbst mir nicht ganz einleuchtend.
„Ihr wagt es, diesen Mann ohne hinreichende Beweise zu beschuldigen, Maîtresse Kenway?“ Er war sichtlich entrüstet, Männer galten nun einmal als Unfehlbar, solange sie nicht einer Tat überführt waren!
Wieder musste sich Alex zurück nehmen und ihre Wut wurde immer größer. Hier gab es ihre oft zitierte Gleichberechtigung noch nicht und ich bezweifle immer noch, dass es wirklich je dazu kommen wird. Aber ich schweife schon wieder zu weit ab.
Ich ergriff das Wort, nachdem sie sich leise entschuldigt hatte.
„Meine Gattin hat aber Recht, wir müssen auch diesen Herren in die Pflicht rufen! Er untersteht eurem Befehl und genießt hier im Palast laut eurer Aussage bereits großes Vertrauen.“
Ludwig ließ umgehend nach dem Herren schicken und es dauerte auch nicht lange, da erschien er.
„Eure Majestät, ihr ließet mich rufen!“ dieses falsche Lächeln würde vermutlich sogar ein Blinder sehen! Ebenso war seine Verbeugung irgendwie halbherzig.
Er wurde gebeten Platz zu nehmen. Der Monarch wurde etwas unruhig in diesem Moment. Hatte er diese Falschheit auch erkannt?
„Der Abend des großen Balls, an welchem ihr teilgenommen habt, mir zu Ehren. Wo wart ihr im Laufe des Abends?“ Er klang bei diesen Worten wieder souverän.
„Eure Majestät, ich war für eure Sicherheit abgestellt und bewachte einen der Eingänge zum Palast!“ diese Inbrunst in seiner Stimme war wie ein Schlag ins Gesicht. Alex hingegen zog die Augenbrauen zusammen, so als wüsste sie etwas, was WIR noch nicht wussten. Sagte aber nichts.
Auf die Frage, ob er jemanden Verdächtiges gesehen hätte und ob etwas Ungewöhnliches vorgefallen sei, antwortete er etwas ungehalten.
„Nein, ich sah niemanden, welcher sich unbefugt Zutritt verschafft haben könnte. Es waren nur die geladenen Gäste und die üblichen Angestellten, eure Majestät.“ Wieder klang er gespielt unschuldig.
„Dieses Spektakel mit den Lichtern war eine wahrliche Glanzleistung, meint ihr nicht, Monsieur Bellec? Alles war exakt abgestimmt und auf den Punkt schossen die Lichter in die Höhe. Ich war begeistert, so etwas brauchen wir in Amerika auch, damit wir nicht immer so unbesonnen dieses Feuerwerk zünden…“ lachte der Wissenschaftler. Erstaunt sah ich ihn an, dieser Themenwechsel musste wohl durchdacht sein.
„Das ist das kleinste Problem, Master Franklin! Ihr müsst nur eine Zündschnur nutzen welche unterteilt ist und entsprechend Sekunden vorgibt. Wir haben es bei dem hiesigen Feuerwerk so gemacht und Maître Poiton war so freundlich uns entsprechend einzuweisen.“ Er erläuterte auch die Inkredentien genauer. Unter anderem nutzte man Harz für die Verzögerungen zum Beispiel.
„Oh, ich würde gerne mehr darüber erfahren Maître Bellec, wenn ihr ein wenig eurer Zeit erübrigen könntet, wäre ich euch sehr dankbar!“ die beiden Herren waren auf einer Wellenlänge und Bellec redete ohne Unterlass!
Wir würden Maître Poiton nun nicht mehr benötigen, auch Alex ging dieser Gedanke durch den Kopf.
Bellec war einfach dem ganzen überdrüssig, die Armee war unterbezahlt, lechzte nach Lohn. Man wollte den König mithilfe eines künstlich herauf beschworenen Krieges zu Taten zwingen und entsprechend die Kosten einfordern können. Die Truppen waren unbezahlt in den Kasernen derzeit untergebracht, weil die Staatskasse unangetastet bleiben sollte.
Aber war Bellec alleine für diese Tat verantwortlich oder gab es hier im Palast und im Umfeld des Königs noch weitere Assassinen? All das ging uns durch den Kopf in diesem Moment.
Ich ließ jetzt meinen Blick über ihn gleiten, wenn er der potenzielle Mörder war, müsste er auch in einer entsprechenden Aura leuchten. Und siehe da, sie war rot!
„Maître Bellec, wie viele Männer unterstehen eurem Befehl derzeit? Außerdem würde ich, mit eurer Zustimmung natürlich nur, eure Majestät, die Quartiere in Augenschein nehmen.“ Ich war in meine Rolle als Großmeister geschlüpft und meine Stimme klang auch entsprechend.
„Ich wüsste nicht, warum ihr …“
„Natürlich gebe ich die Erlaubnis für eine Durchsuchung, Maître Kenway!“ sprach Ludwig nun mit hocherhobenem Kopf.
Plötzlich sah man, dass Bellec nervös wurde und sich verstohlen umsah, so als suche er eine Fluchtmöglichkeit.
„Ich habe doch aber nichts verbrochen!“ seine Stimme klang völlig verwirrt.
Es war mehr eine Eingebung, als dass wir seine Handbewegung sahen! Honoré zuckte kurz, sprang dann auf und wollte sich auf den König stürzen! Aber Alex und ich waren schneller!
Ich bekam seinen Klingenarm zu fassen und drehte ihn daran herum, sodass er dem König nicht mehr nahe kommen konnte. Alex hatte sich hastig schützend vor den König gestellt.
„Lasst mich los!“ brüllte er los.
Ich schob seine Arme immer weiter hoch, so dass er, sollte er sich noch wehren nur selber verletzen würde!
„Was in Gottes Namen fällt euch ein, mich hier in meinen privaten Räumen anzugreifen? Seid ihr noch bei Verstand, Mann? Ihr werdet sofort von den Wachen in Gewahrsam genommen und euch droht die Hinrichtung!“ Auch Ludwig war laut geworden, mehr aufgrund des Schreckens, als aus Wut. In seinen Augen sah ich diese Erleichterung, dass er noch lebte!
Die Wachen wurden gerufen. Sie erschienen kurz darauf und die entsetzten Gesichter waren kaum zu übersehen. Nur ein Herr sah böse grinsend in Richtung König Ludwig!
Bevor ich noch reagieren konnte, stürmte auch dieser Mann auf sein Opfer los und hatte bereits sein Schwert gezückt.
Alex schubste Ludwig einfach zur Seite in ihrer Panik, blieb aber wie angewurzelt auf ihrem Platz. Sie hatte ihre Hand erhoben und alle Anwesenden bewegten sich unglaublich langsam, so als wateten sie durch tiefen Schnee. Ihre Fähigkeiten mit der Zeit zu spielen nutzte sie, es war nicht zu unserem persönlichen Vorteil! Wir wurden in ein goldenes Licht getaucht, welches uns ermöglichte den Mann jetzt zu entwaffnen.
Sie griff einfach nach der Schwertklinge, welche sich verdammt nahe an ihrem Bauch bereits befand. Mit der anderen Hand schlug sie mit voller Wucht auf den Unterarm und lockerte den Griff des Angreifers, welcher sie ungläubig anstarrte!
Plötzlich lief alles wieder ganz normal weiter, aber es war ein unheimlicher Augenblick gewesen!
Die Wachen sahen panisch in Richtung meiner Frau!
„Wie habt ihr das gemacht, Weib? Welcher Zauber ist das?“ sie alle bekreuzigten sich und gingen einen Schritt zurück.
„Ihr seid des Teufels Weib! Bleibt mir vom Leib!“ schrie der Angreifer laut und wollte schon an seinen Kollegen vorbei aus dem Zimmer stürmen. Aber sie hielten ihn mit vereinten Kräften auf.
Ich ermahnte Alex, dass sie JETZT etwas unternehmen musste, bevor das noch die Runde hier im Palast machte. Man sah, wie sich ihr Blick verschleierte und über alle Anwesenden legte sich ein leichter Nebel. Nur ich war nicht involviert.
Ich sah zu Franklin, welcher neben mir stand. Er sah aus, als würde er sich fragen, ob er das jetzt nur träumen würde. Wenn ich mich nicht täuschte, klappte diese Gehirnwäsche bei ihm nicht richtig. Alex müsste da später noch einmal dran arbeiten.
„Du meine Güte, was ist nur in euch gefahren, Dagenais? Wie könnt auch ihr es wagen, mich anzugreifen? WER hat euch für diese Attentate beauftragt?“ Ludwig verlor allmählich die Beherrschung. Wer konnte es ihm verübeln? Gleich zweimal wollte man ihm sein Leben innerhalb von Minuten nehmen!
Doch der Angesprochene schwieg beharrlich, genau wie Bellec, welcher immer noch vor Schmerzen keuchte und sein Gesicht hatte sich mittlerweile mit einem Schweißfilm überzogen!
„Nun gut, ihr werdet schon noch reden! Euer beider Hinrichtung findet in absehbarer Zeit statt, doch vorher werde ich persönlich dafür sorgen, dass ihr redet!“ sprach Ludwig kalt.
„Bringt die beiden Gefangenen jetzt in die Zellen und holt mir den Henker, sowie den Richter!“ fauchte Ludwig seine Wachen an, welche salutierten und sich noch Bellec schnappten, ehe sie die Räumlichkeiten verließen.
Schwer seufzend ließ der König sich jetzt an seinem Schreibtisch nieder und sah von einem zum anderen.
„Eure Majestät, sollten wir nach dem Arzt schicken? Ihr seht nicht gut aus!“ fragte Alex leise und gerade als sie dem Monarchen ein Glas zu Trinken reichen wollte, nahm ihr Franklin es aus der Hand. Sie hatte ihre Position überschritten. Es gehörte sich für eine Frau nicht, so mit einem König zu sprechen.
„Das ist nicht nötig, Maîtresse Kenway. Aber danke, dass ihr euch sorgt.“ kam es leise von Ludwig, so als hätte auch er gerade keine Lust mehr auf Anstand und das Hofzeremoniell!
Meine Frau hatte Benjamins Zustand bemerkt und unterhielt sich kurz mit ihm. Aber auch sie wollte die nächsten Tage noch einmal mit ihm sprechen. Der Wissenschaftler war in gewisser Weise immun gegen ihre neuen Fähigkeiten.
Kurz darauf erschienen der Henker und besagter Richter im Zimmer.
Die beiden neuen Besucher wurden nun vorgestellt. Als erstes war der Richter an der Reihe, Arne van Holten, ein ungefähr 50jähriger dunkelblonder Belgier, welcher sich durch seine gerechten Urteile bei Hofe einen Namen gemacht hatte.
Der Henker war Barabás Radomèr, ein großer stattlicher Herr, welchem man aber seine Berufung nicht unbedingt sofort ansah.
Als wir uns erneut setzten, verlor König Ludwig keine Minute.
„Diese beiden Verbrecher werdet ihr, Monsieur Radomèr, zum Reden bringen! Ich will wissen, wer sie geschickt hat! Außerdem will ich wissen, wie meine persönlichen Wachen so infiltriert werden konnten, dass niemand auch nur ansatzweise diesen Hinterhalt bemerkte!“ Seine Wut war mehr als verständlich.
„Eure Majestät, wir werden alles daran setzen, Antworten zu erhalten. Verlasst euch auf mich!“ Sprach der Henker mit einem fiesen Grinsen.
„Monsieur van Holten, das Strafmaß brauchen wir nicht bestimmen, da für diese Anschläge der Tod die einzige Strafe ist. Die beiden Herren werden öffentlich hingerichtet durch den Strang. Sie sollen als Abschreckung dienen und jeden weiteren Mörder von seinem Vorhaben abbringen!“ Der Monarch hatte diesen souveränen Ton wieder angeschlagen und klang, als könne ihn nichts aus der Bahn werfen.
„So wird es geschehen! Auf Königsmord, auch wenn es nur der Versuch ist, steht die Todesstrafe. Wollen wir hoffen, dass ihr ab jetzt nicht noch einmal in solch eine Bedrängnis geratet!“ van Holten neigte dabei seinen Kopf ein wenig.
Sie wurden vom König entlassen, um sich um die beiden Attentäter zu kümmern. Der Richter würde bei den Verhören mit anwesend sein, so erklärte man uns das kommende Prozedere. Nur Ludwig selber wird nicht dabei sein. Er bleibt nach wie vor präsent, damit die Höflinge nicht zu sehr beunruhigt oder verunsichert werden.
Außerdem wollte man keinerlei Gerüchte streuen, die den Monarchen womöglich noch in ein schlechtes Licht rücken könnten.
„Ich verdanke euch mein Leben, Maître Kenway, Maîtresse Kenway! Ihr habt mich heute gleich zweimal vor dem Tod bewahrt! Als Anerkennung für diese rühmliche Tat, werde ich euch in meinen inneren Hofstaat aufnehmen und euch entsprechende Rechte einräumen. Außerdem wäre es mir eine große Ehre, wenn ihr mir weiterhin beratend zur Seite stehen würdet. Eine Position als meine Leibwache kommt natürlich nicht in Frage, da ihr, wie ich vermute nicht vorhabt, euch in Frankreich niederzulassen.“ Ludwig klang erleichtert und dankbar zugleich.
Ich brachte fürs Erste keinen Ton heraus, so überwältigt war ich. Man räumte uns gerade alle Privilegien am Hofe ein, wir würden eigene Gemächer in der Nähe des Königspaares bekommen, außerdem eigene Wachen. Diese waren zwar nicht von Nöten, weil wir bereits welche hatten, dennoch war diese Geste mehr als großzügig.
Auch war uns nun gestattet, unseren Sohn in unseren Räumlichkeiten zu haben. Insgesamt, so erklärte Ludwig, standen uns 5 Zimmer im Westflügel zur Verfügung. Und die konnten wir jederzeit beziehen, wenn wir in späterer Zeit einmal wieder in Versailles verweilen würden. Das Ganze würde noch schriftlich mit einem Advokaten festgehalten werden und der anstehende Sommerball würde die offizielle Bekanntgabe unserer „Beförderung“ darstellen!
Meiner Frau wurde die Position der persönlichen Beraterin der Königin und den Hofdamen zugesprochen.
Ich selber wäre während unserer Zeit hier am Hofe im Beraterstab des Königs vertreten und Master Franklin bekam ebenfalls einen ähnlichen Posten. Seltsamer Weise dachte ich gerade darüber nach, was die Aufgaben eines königlichen Beraters explizit waren. Meine Kenntnisse diesbezüglich waren eher begrenzt, musste ich mir eingestehen.
Ebenso erhielt Master Franklin einen ähnliche beratenden Posten, aber eher im wissenschaftlichen Rahmen.
Das anstehende Mittagessen deutete schon unsere neuen Positionen an. Wir hatten Plätze oberhalb des Tisches neben dem Königspaar. Natürlich begann das Gerede umgehend und jeder spekulierte, warum uns so eine Ehre so plötzlich zu Teil wurde. Es fühlte sich seltsam an, muss ich gestehen. Dennoch fühlte ich mich geschmeichelt, dass mir so ein Vertrauen entgegen gebracht wurde.
„Haytham, ein bisschen unwohl fühle ich mich jetzt schon. Ich mag nicht gerne im Mittelpunkt stehen…“ Meine Frau war einfach kein Mensch, der so in die Öffentlichkeit gezogen wurde. Sie müsste sich jetzt aber daran gewöhnen, weil wir auf dem Ball noch weitere Aufmerksamkeit erhalten würden.
Mir ging aber ein Gedanke durch den Kopf. Ich würde ab jetzt nicht mehr so viel Zeit für meine Familie habe.
„Wirklich? Aber ich vermute, auch ich werde bei der Königin ordentlich eingespannt. Gerade wegen des anstehenden Balls. Wusstest du, dass ich sogar eine weitere Kammerzofe bekommen habe? Was bitte soll ich mit Zweien?“ kichernd nahm Alex neben mir Platz.
Im Anschluss wurden uns unsere neuen Gemächer gezeigt, wo schon alles untergebracht war.
Ich war schon großzügige Räumlichkeiten gewohnt, aber das hier war atemberaubend. Wir hatten jetzt ein Empfangszimmer, wo ein Schreibtisch am Fenster stand. Es gab diverse Sitzgelegenheiten vor dem großen Kamin und Regale mit Büchern, Kunstgegenständen und Büsten.
Als ich unsere Schlafgemächer in Augenschein nahm, war ich etwas verwirrt und erstaunt, weil meine Frau und ich ab jetzt getrennt sein sollten. Das würde ich zu verhindern wissen, dachte ich schmunzelnd. Sicherlich würde auch Alex mich nicht alleine lassen in der Nacht.
Edwards Zimmer war ein kleines Paradies, wo er auch gleich mit leuchtenden Augen sein eigenes Bett bestaunte.
„Mama … heia …“ sein kleiner Finger deutete in die besagte Richtung.
„Ja, dass ist dein Bett, min lille skat! Da hast du ja richtig viel Platz zum Toben!“ Lachte Alex und ließ ihn auf der Decke nieder.
Wie ich befürchtet hatte, stand mein erster Termin beim König im Beraterstab an. Also ging ich mit Michael, ich selber hatte keinen weiteren Kammerdiener dazu bekommen, hinüber in mein Zimmer zum Ankleiden.
Ich bekam eine offizielle französische Uniform verpasst, welche aber einen angenehmen Tragekomfort bot. Nicht wie diese kratzigen britischen Kleidungsstücke. Wie ich sie doch gehasst hatte. Als ich vor dem Spiegel stand und Michael mir noch die Ärmel richtete, hatte ich einen Moment zum Verschnaufen.
Wie würde es jetzt hier in Frankreich weitergehen, wenn wir abreisen würden. WANN würde die Hinrichtung stattfinden und würde ich meiner neuen Tätigkeit gerecht werden können? Ja, auch ich war nicht immer ganz so selbstbewusst, wenn es um solch wichtige Dinge ging.
Ich straffte meine Schultern, nahm mein Schwert und ging hinüber zu meiner Frau um mich zu verabschieden. Edward war schon wieder bei seinem Kindermädchen, weil auch Alex bereits einen Termin bei Königin Maria hatte.
Sie saß vor der Frisierkommode und mir blieb für ein paar Sekunden der Mund offen stehen. Nein, nicht weil ich schockiert war, sondern weil meine Gattin umwerfend aussah. Die Haare waren aufgetürmt und ihr Kleid war einfach traumhaft.
„Mi sol, das ist… man erkennt dich ja fast nicht wieder.“ mehr brachte ich gerade nicht über die Lippen.
„Ich kann das Kompliment definitiv zurückgeben, mi amor. Ich würde dich am liebsten auf der Stelle…“ Mein Finger legte sich auf ihre Lippen, weil ich mir denken konnte, was in ihrem Kopf gerade für Bilder auftauchten. Ich wusste aus ihren Erzählungen, dass sie Uniformen an einem Mann, besonders ihrem eigenen, gerne sah und sie recht kribbelig bei dem Anblick wurde.
Heute Nacht würde ich ihr dann die Gelegenheit geben, mich in dieser Aufmachung für sich alleine zu haben.
Ich gab ihr noch einen Kuss in die Halsbeuge, was einen Schauer bei ihr auslöste und verabschiedete mich.
Ich begab mich mit einem weiteren Herren auf den Weg zum König. Er stellte sich als preußischer Botschafter vor, sein Name war René Osternhagen und lebte seit einem halben Jahr mit seiner Familie hier in Versailles.
„Maitre Kenway, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen. Es ist außergewöhnlich, dass ihr einen solchen Posten erhalten habt. König Ludwig vergibt diese Titel ja nicht leichtfertig. Ihr müsst ihn sehr beeindruckt haben.“ Bei seinem Akzent musste ich etwas schmunzeln, weil er dem meiner Frau natürlich ähnelte.
„Maitre Osternhagen, auch ich bin erfreut euch kennen zu lernen. Ihr kommt also ursprünglich aus Preußen, wie meine Gattin auch. Woher genau, wenn ich fragen darf?“ noch wollte ich nicht auf die Erklärung meines Postens eingehen.
„Ich selber wurde in Frankfurt geboren, meine Frau stammt aus einem kleinen Ort in der Nähe von Hannover. Eure Frau ist ebenfalls Preußin? Das freut mich zu hören. Ich werde sie sicherlich auf dem Ball dann auch begrüßen dürfen, nehme ich an?“ auch er tastete sich vorsichtig heran.
„So ist es. Sie kommt aus einem Ort in der Nähe von Hameln. Leider hatten wir noch keine Gelegenheit dorthin zu reisen, seit wir verheiratet sind. Uns nimmt die Arbeit in Virginia auf unserer Plantage ganz in Anspruch.“ erwiderte ich in der Hoffnung, er würde wissen, woher Alex kam.
Und ja, er kannte Bad Pyrmont, zwar nur aus Erzählungen, aber sprach nur gut darüber.
Unser Gespräch ging zu meinen Wurzeln, woher ich käme, was mich in die Kolonien gezogen hatte und auch warum wir gerade in Frankreich verweilten.
Ich gab nur verwaschene Halbwahrheiten von mir, weil ich ihm schlecht unsere wahre Berufung kundtun konnte.
Beim Eintreffen im großen Besprechungszimmer des Königs, waren schon einige weitere Herren anwesend. Unter anderem auch wieder der Minister, einige Herren verschiedener Stände und natürlich auch zwei Generäle.
Als der König selbst erschien, huldigte man ihm und wurde umgekehrt freundlich in Empfang genommen.
Heute würde es nur um meine Person gehen, damit man mich kennen lernen konnte und mir würden meine Tätigkeitsfelder aufgezeigt werden.
„Maitre Kenway, wie ich hörte, seid ihr ein erfolgreicher Plantagenbesitzer in Amerika. Gehe ich daher recht in der Annahme, dass ihr demnach auch die Geschäfte alleine führt? Denn, versteht mich nicht falsch, aber mir ist zu Ohren gekommen, dass die Geschäftsbücher hier nicht ganz in Ordnung seien. Was dahinter steckt, vermag ich noch nicht zu sagen, aber ich würde es begrüßen könntet ihr beizeiten einmal einen Blick mit dem Finanzminister darauf werfen. Die Unstimmigkeiten müssen ja einen Ursprung haben.“ Ludwig plagten also Unregelmäßigkeiten in der Finanzkasse. Wenn ich richtig lag, dann würde sein Nachfolger erst recht in große Schwierigkeiten wegen Zahlungsunfähigkeiten kommen. Meine Frau erwähnte so etwas auf unserem Weg hierher.
„Ich habe einen Sekretär, welcher mich bei den Aufzeichnungen unterstützt und mir auch beratend zur Seite steht, eure Majestät. Im Grunde jedoch bin ich mein eigener Herr. Wenn ihr es wünscht, werde ich mir das in den nächsten Tagen dann einmal genauer ansehen.“ Das ich gerne rechnete, schon von klein auf, wollte ich nicht unbedingt erwähnen, weil es nicht hierher gehörte. Zahlen lagen mir einfach, genau wie Alex, ging es mir plötzlich durch den Kopf.
Damit war das also mein erster Punkt in meiner neuen Position.
Man unterhielt sich jetzt noch über die neuen rekrutierten Soldaten, deren Unterkünfte und ihre Familien und so weiter.
Im Grunde wurde ich in die Führung dieses doch recht imposanten „Hausstandes“ eingeführt. Anders vermag ich es gerade nicht zu umschreiben, weil es im Grunde genau das war.
„Wir haben ein Budget für die Bediensteten, die Höflinge, die Speisen, das Militär und so weiter. Seht selber Maitre Kenway.“ Damit reichte mir ein Herr ein paar handgeschriebene Seiten. „Dies ist nur die kleine tägliche Auflistung aller Ausgaben für seine Majestät. Die eigentlichen Bücher liegen in meinem Büro.“ DAS war also der Finanzminister.
Ich sah mir die Papiere durch und muss gestehen, dass Konzept war sauber durchdacht. Im Grunde wäre es schwer, dort Fehler ausfindig zu machen. Aber es gibt mit Sicherheit schwarze Schafe am Hofe, welche sich hervorragend mit Fälschungen von Bilanzen auskannten.
Der Nachmittag verging entsprechend schnell, aber irgendwann rauchte mir der Kopf von all den neuen Eindrücken und Personen, so dass ich froh war, als man uns entließ.
In meinem Zimmer angekommen, kleidete mich Michael wieder um. Also müsste ich Alex heute Nacht in meiner einfachen Garderobe beweisen, dass ich keine Uniform bräuchte um sie um den Finger zu wickeln. Bei dem Gedanken musste ich grinsen.
Wie ich freudig feststellte, war auch unser Sohn heute beim Abendessen mit am Tisch. Alex´ Blick ging aber immer wieder verstohlen zum Königspaar.
„Es gibt zwischen ihnen große Differenzen, mi amor.“ flüsterte sie in meine Richtung. Das würde man nicht unbedingt gleich vermuten, aber wenn man genau hinsah, war eine gewisse Distanz spürbar.
Anschließend wurde unser Sohn zu Bett gebracht und wir begaben uns in die Freizeiträume.
Dort traf ich auf einen meiner neuen Mitstreiter im Beraterstab, Monsieur Pastice. Als ich jedoch sah, wer seine Frau war, verging mir das Lächeln. Es war genau die Person, welche meine Gattin gewarnt hatte, dass sie mich alsbald in ihrem Bett haben würde. Auch Alex bemerkte diese Dame und vermutlich würde sie am liebsten jetzt schon einen Schlussstrich ziehen, zumindest dem Blick nach zu urteilen.
„Ihr müsst unbedingt einmal nach Amerika reisen und uns besuchen kommen, Maître Pastice! Ihr werdet eure Meinung sicherlich noch ändern, wenn ihr erst einmal von dem Tabak welcher in Virginia angebaut wird, probiert habt. Einer der besten!“ lud ich den Herren vor mir nicht ganz ohne Stolz in der Stimme ein.
„Auf dieses Angebot komme ich gerne zurück, wenn ich es recht bedenke, dann könnte ich Anfang nächsten Jahres eine Reise planen. Meine Gattin hat hier am Hofe sicherlich genug zu tun und wird meine Abwesenheit gar nicht bemerken.“ Sein Lachen war nicht echt, sein Blick schon, welchen er abschätzig in Richtung seiner Ehefrau gleiten ließ. Also war auch bei ihnen nicht alles zum Besten bestellt. Aber das konnte mir egal sein.
Mit einem Male hatte ich ihre Hand auf meinem Hintern und sah überrascht zu ihr hinunter. Ihr Blick war wieder eindeutig. Ich selber unterhielt mich jetzt stur mit ihrem Gatten weiter.
Als Alex wieder bei mir erschien, sie war von einer anderen Hofdame in ein Gespräch verwickelt worden, sah sie sich fragend nach dieser Grapscherin um. Ich versicherte ihr, dass sie beleidigt von Dannen gezogen war, als ich sie ignorierte. Um Alex zu beruhigen sagte ich eindringlich „Sie ist nach draußen verschwunden, mi sol. Beruhige dich! Denk daran, sie ist weder mein Typ noch mag ich dieses Parfüm von ihr. Ehrlich gesagt ist es wirklich widerlich.“
Das half anscheinend, aber es war nur die Wahrheit.
In unseren Räumlichkeiten wurden wir umgezogen und Alex sah noch einmal nach Edward.
Ich lag bereits in meinem Bett, als leise die Tür geöffnet wurde. Als Alex sah, dass ich ein Buch in Händen hielt, fragte sie, ob sie stören würde und ich sie gar nicht erwartet hätte.
Langsam stand ich auf und ging auf sie zu.
„Ich kann jetzt nicht mit der Uniform dienen, aber ich hoffe doch, dass du auch einfach nur mit mir Vorlieb nimmst?“ dabei strich ihr langsam über die Wange.
„Nur mit euch, Master Kenway? Da müsst ihr mich aber schon sehr überzeugen von euren Fähigkeiten!“ Diese Frau schmolz gerade mal wieder dahin, wie Butter in der Sonne und auch ich wurde unruhig.
Mit einem Ruck hatte ich ihr Nachthemd gepackt und es lag in zwei Teilen auf dem Boden zu ihren Füßen.
Ich stellte mich hinter sie, griff ihren etwas lädierten Po und sagte, sie kenne meine Fähigkeiten sehr wohl. Sie bräuchte nur an ihren Hintern denken. Meine Erregung war kaum noch zu leugnen und ich drückte mich an ihren Rücken. So schob ich sie langsam Richtung des Bettes, wo ich sie am Fußende hieß darauf zu klettern.
So kniete sie vor mir und dieser Anblick war die reinste Augenweide. Sie solle sich vorbeugen und mir ihre Hände geben, befahl ich mit rauer Stimme. Bereitwillig lagen sie auf ihrem Rücken, wo ich sie festhielt mit einer Hand.
Meine andere wanderte zwischen ihre Schenkel, wo ich meine Finger in sie gleiten ließ. „Mistress Kenway, eure Vorfreude ist immer noch eine Wohltat und ich liebe es, euch einfach so nehmen zu können.“ Meine Worte wurden durch mein schweres Atmen immer wieder unterbrochen, weil ich mich kaum noch beherrschen konnte.
Ich ließ mich jetzt langsam in sie gleiten und genoss diese Frau, diesen Körper und ihre lustvolles Stöhnen. Wir waren wieder Eins.
Als sie später an mich geschmiegt neben mir lag, ging mir ein etwas absurder Gedanken durch den Kopf. Eigentlich ist Alex keine Frau, die sich unterwirft und befehlen lässt. Warum aber war sie, wenn wir miteinander schliefen, diese devote Person auf einmal.
„Warum findest du es so erregend, wenn ich dir sage, was du tun sollst. Oder auch wenn ich dich mit meiner Hand im Nacken führe. Versteh mich nicht falsch, ich liebe es, wenn du meine Befehle befolgst und dich mir völlig hingibst. Aber im Grunde entspricht es eigentlich nicht deiner Natur.“
Ihre Antwort kam etwas zögerlich.
„Eigentlich kann ich das WARUM auch nicht erklären. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich nicht immer die Oberhand haben will, oder eben die Verantwortung tragen will. Im Alltag ist es völlig normal und auch klar, dass ich für mich selber einstehen muss, aber mit dir im Bett ist es einfach ein wunderbares Gefühl, dir … nun ja… zu Diensten sein zu können. Ich möchte dich glücklich machen, ich genieße diesen Anblick, wenn du… also… wenn ich vor dir knie…“ Ja, dieser Anblick war umgekehrt auch immer wieder göttlich!
Sie war also darauf bedacht, dass ich zufrieden und befriedigt bin? Auch dieses Mal überlegte sie kurz.
„Ja, im Grunde hast du es auf den Punkt gebracht. Wenn ich weiß, dass du dich und deine Phantasien ausleben konntest, kann auch ich loslassen und ich… habe durchaus auch noch andere Bilder im Kopf…“ Ich sah, wie ihre Wangen feuerrot geworden waren.
„Darauf bin ich schon jetzt gespannt.“ brachte ich noch zustande, ehe ich meinem Weib erneut zeigte, mit wem sie verheiratet war.
Der Morgen begann ohne einen nervigen Weckdienst. Also gab es noch mehr Annehmlichkeiten, welche uns zugestanden wurden. Besonders meine Frau war dankbar, nicht mit einer Glocke geweckt zu werden.
Der Ball stand heute an und im ganzen Palast konnte man schon am frühen Morgen die Anspannung und freudige Erwartung spüren.
Edward kam mit Sybill ins Empfangszimmer, als Alex und ich auch bereits angekleidet dort erschienen.
Plötzlich sah unser Sohn zum bodentiefen Fenster und sagte freudig „Chat!“ seine Finger deuteten auf eine kleine getigerte Katze dort.
„Das freut mich, dass du sogar schon ein Wort auf französisch beherrschst, Edward. Und wie heißt das auf englisch?“ Ich freute mich über seinen Fortschritt keine Frage, jedoch sollte Englisch die erste Wahl für ihn im Moment sein.
Kopfschüttelnd stand Alex neben uns und sah mir bei meinen Versuchen, Edward das englische Wort für Katze beizubringen, zu.
Das Frühstück selber war ruhig und recht entspannt. Mein Tischnachbar war ein älterer Herr, welcher die Köche hier lobte. Seine Köchin daheim sei ein Trampel und könnte nicht einmal Salz vom Zucker unterscheiden.
„Ihr glaubt gar nicht, was ich schon alles essen musste. Einen Pudding, welcher nicht mit Milch gemacht wurde, sondern nur mit Wasser und Mehl! Eine Frechheit. Daheim werde ich dieses Weibsbild auf der Stelle entlassen! Ich verhungere sonst noch! Aber sagt das mal meiner Frau.“ Nun gut, eine gute Köchin oder guten Koch zu finden, sollte nicht so schwer sein. Ich pflichtete ihm jedoch bei, weil ich nicht verstand, warum er es noch nicht gemacht hatte.
Wir hatten die nächsten Stunden Gelegenheit für unsere eigenen Freizeitaktivitäten.
Wir machten uns auf den Weg zu den Ställen, weil uns mitgeteilt worden war, dass in der Nacht ein Fohlen zur Welt gekommen sei. Natürlich war unser Sohn besonders aufgeregt, was mich wieder einmal schmunzeln ließ. Diese Leidenschaft war schon etwas seltsam, wie ich finde.
Sobald wir dort eintraten, stiefelte Edward umgehend in Richtung Tiere und rief begeistert „Da… hoss!“ Dafür brauchte man keinen Dolmetscher.
„Ein Pferd, richtig Edward!“ lobte ich ihn, auch wenn vermutlich nur ich gerade verstand, was er meinte.
Aus den Augenwinkeln sah ich plötzlich, wie sich Alex´ Gesicht verdunkelte. Gestern noch hatte sie mir gesagt, dass sie Virginia vermisste und vermutlich ging ihr dieser Gedanke gerade beim Anblick der prächtigen Pferde im Kopf herum.
Nach dem Abendessen wurden wir für den Ball eingekleidet, wohingegen Edward zu Bett gebracht wurde. Sybill versicherte mir kurz darauf, dass ihr Schützling schnell eingeschlafen war und wir unbesorgt sein könnten.
Michael zeigte mir die Uniform für diesen Abend. Sie war Weinrot, mit goldenen Applikationen, weißer Hose und weißen Strümpfen. Auch diese war bequem und fühlte sich wie eine zweite Haut für mich an.
Als meine Frau ebenfalls fertig angekleidet ins Empfangszimmer trat, ließ ich anerkennend meinen Blick über sie wandern. Alex hatte ein Kleid in der gleichen Farbe wie meine Garderobe an, die Haare entsprechend mit den farblich passenden Seidenbändern gebändigt. Zum heutigen Anlass trug sie die Kette mit dem Templerkreuz, wohingegen ich natürlich den Ring trug. Wir wurden offiziell vorgestellt.
Wie immer sah ich, dass meine Gattin mich am liebsten gerade ins Bett zerren würde. Sie war noch nicht ganz das verschlossene Buch in meiner Gegenwart. Wir würden aber heute Nacht sicherlich genügend Gelegenheit haben uns zu vergnügen. Ich für meinen Teil freute mich darauf.
Der Ballsaal lag in einem anderen Trakt des Palastes und wir brauchten eine Weile um dorthin zu gelangen. Unterwegs trafen wir auch auf bekannte Gesichter unter anderem Benjamin Franklin, welcher in einem feinen Anzug steckte und an seiner Seite schritt eine mir unbekannte Dame nebenher.
„Wie lange habe ich schon auf solche Festivitäten verzichten müssen.“ meinte der Wissenschaftler freudig und wippte dabei hin und her.
Das Königspaar würde den Ball eröffnen und ich hoffte, dass wir keine weiteren Anschläge zu befürchten hatten!
Noch hatten die Attentäter nicht geredet, was natürlich ärgerlich war. Auch da mussten wir jetzt noch ein wenig abwarten.
„Wir werden euch auf dem Laufenden halten und wenn ihr es wünscht, so könnt ihr dem ganzen Verhör auch beiwohnen.“ stand es in einer kurzen Notiz des Richters am heutigen Nachmittag.
Wir trafen unterwegs auch noch auf die Eheleute de Gooijer. Myrte berichtete von einem Ball, bei welchem sich ein Diener aufgrund seiner Unachtsamkeit auf einer der Treppen das Bein gebrochen hatte. Außerdem gab sie noch die üblichen kleineren Tratschgeschichten zum Besten.
Wir betraten den Saal und warteten auf ihre Majestäten.
Beide schritten kurz darauf in feinstem königlichen Ornat gekleidet die Reihen ihrer Gäste und Höflinge ab. Man huldigte ihnen, knickste, verbeugte sich tief. Aber es war totenstill mit einem Male. Man könnte eine Nadel fallen hören!
Als dies beendet war, wurde der Tanz eröffnet. Weil Alex mir von den privaten Differenzen der Eheleute berichtet hatte, studierte ich sie ein wenig. Es waren feine, kleine Unstimmigkeiten zwischen ihnen. Für das ungeübte, nicht wissende Auge kaum auszumachen. Dennoch war dort eine Art Wand.
Als der König meine Frau auffordern ließ für den nächsten Tanz, bekam sie erneut diese neidischen Blicke zugeworfen. Nicht jeder wusste, warum uns diese Ehre zu Teil wurde, welche anderen verwehrt blieb.
Während des Essens, das zwischendurch im großen Speisesaal gereicht wurde, gab König Ludwig unsere erworbenen Ränge bekannt. Man beglückwünschte uns und stieß auf uns an.
Danach wurde uns noch persönlich gratuliert. Leider musste diese wollüstige Madame Pastice mit von der Partie sein. Sie stand wenige Zentimeter vor mir, sah zu mir auf, leckte sich über die Lippen und plötzlich fühlte ich ihre Finger an meiner Hose, wo sie hingebungsvoll zugriff! Ich war völlig perplex! Nicht einmal diese Melody hatte es sich damals gewagt, so etwas zu tun!
Monsieur Pastice war ebenso sprachlos, zerrte seine Frau hektisch und wütend hinter sich her nach draußen. Ich selber sah Alex an und brachte nur „Mi sol, es tut mir leid… ich…“
Ihre nächsten Worte waren mehr als verständlich.
„DU kannst doch nichts dafür! Aber… warum sind einige Frauen so… mir wird immer ein loses Mundwerk, Unachtsamkeit und sogar schlechte Manieren vorgeworfen! DIESES Weib besitzt keinen Anstand, nicht ICH!“ ihre Stimme hatte sich zusehends erhoben. Bevor ich sie aufhalten konnte, war sie schon hinter den Eheleuten her gerannt.
Als ich sie einholte vernahm ich die Schmerzensschreie von Madame Pastice! Dieser Herr war das typische männliche Beispiel für diese Zeit, dass die Ehefrau ein Eigentum war und er dieses Recht hatte sie zu züchtigen!
In Alex Geist sah, wie sie bereits einschreiten wollte. Egal wie unangenehm ihr diese Frau war!
Ich versuchte sie aufzuhalten, weil es ihr einfach nicht zustand sich in die Belange von fremden Eheleuten einzumischen. Auch wenn Alex es für nicht fair hielt, was gerade passierte!
Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob sie verstand was ich sagen wollte. Es ging im Grunde nicht gegen sie selber. Ihr nächster Satz sagte jedoch etwas anderes.
„Dann kann ich ja von Glück reden, dass du diese Tradition noch nicht umgesetzt hast!“ es war mehr ein Fauchen, als sprechen!
Nein, ich würde nie soweit gehen! Das wusste Alex auch! Wir sollten die beiden jetzt sich selbst überlassen. Später könne sie sich diese Frau noch zur Brust nehmen.
Sie schnappte sich ein Glas Champagner beim Eintreten und kurz darauf das nächste. Was bitte war auf einmal los mit ihr? Ich verstand, dass sie diese Zustände nicht duldete, aber zwischen uns würde es nie soweit kommen.
„Kann es sein, dass wir noch Redebedarf haben, mi sol?“ hakte ich nach, muss es aber in einem ihr nicht passenden Ton gesagt haben.
„Weiß ich nicht! Ich mag die Frau nicht, ich würde sie am liebsten wie Melody bloß stellen! Muss aber ihr Mann …“ zu mehr kam sie nicht, weil die beiden wieder den Saal betraten.
Madame Pastice war verheult, ihr Gatte ging triumphierend neben ihr her. Er stellte sie zur Schau, wie mir schien. Das ließ ihn für mich mehr als unsympathisch werden!
Kurz nach diesem Schauspiel verabschiedeten wir uns für die Nacht.
Michael begann mich aus der Uniform zu holen und erst jetzt spürte ich diese Müdigkeit in den Knochen und mein Hemd klebte auf meiner Haut.
„Master Kenway, ist alles in Ordnung? Ihr seht erschöpft aus.“ fragte mein Diener besorgt nach.
„Danke Michael, mir geht es gut. Aber es war ein ereignisreicher Tag und ich bin froh, wenn ich gleich zu Bett gehen kann.“ Das war ich wirklich.
Ich entließ ihn für die Nacht und ging hinüber in Alex´ Zimmer wo sie auf einem Hocker vor der Frisierkommode sitzend vor sich hinstarrte.
„Denk nicht mehr daran!“ erschrocken fuhr sie herum. Sie hatte mich wohl nicht bemerkt.
„Das sagst du so einfach… ich will kein Eigentum sein, mi amor!“ Diese Worte waren so leise gesprochen, dass ich ihre Angst darin fast schon spüren konnte.
„Das bist du nicht und wirst es auch nicht sein. Ich habe dir etwas versprochen, ich werde dich ehren, dich lieben und dir nie Leid zufügen. Auch wenn du… es mir nicht immer leicht machst, mi sol.“ Ich hoffte, meine Worte konnten sie überzeugen.
Vorsichtig erhob Alex sich und drehte sich zu mir um.
„Und dafür liebe ich dich!“ Ihre Lippen legten sich auf meine.
Wir waren wieder Eins und das war alles was zählte!
„Und denke immer daran, dass ich nie Hand an dich legen würde, wie es einige Herren als ihr Recht ansehen. Monsieur Pastice hat es heute mehr als deutlich vorgeführt! Ich konnte sehen, wie andere Ehemänner dabei grinsend zu ihren Frauen sahen. Glaube mir wenn ich dir sage, dass ich mich schon des öfteren erläutern musste, warum ich dir nicht die Leviten lese. Ich bin ein, wie sagte man mir, exotischer Gatte. Ich werde wohl mit dieser Bezeichnung meiner Person leben müssen.“ Es war tatsächlich schon einige Male das Gesprächsthema, weil sich kaum ein Herr vorstellen konnte, OHNE Züchtigung seine Frau bändigen zu können.
„Aber für meinen völlig aus dem Rahmen fallenden Ehemann bin ich umso mehr dankbar.“ hauchte sie später an mein Ohr und zeigte mir ihre Dankbarkeit auf ihre mir so bekannte und geliebte Art.
Am Morgen war unser Sohn kaum zu bändigen, was ich den entrüsteten Rufen von Mrs Wallace entnehmen konnte. Zu den Pferden wollte er unbedingt und die Katze musste er auch noch suchen! Mit Hilfe von Alex brachten sie den kleinen Rabauken aber schnell wieder zur Vernunft und Ruhe, damit wir hinunter zum Frühstück gehen konnten.
Im Anschluss machten wir uns auf den Weg zu den Stallungen, aber ein Diener überbrachte eine Nachricht von van Holten.
„Maître Kenway, Maîtresse Kenway.
Wir werden heute die Befragung fortsetzen und es wäre durchaus
wünschenswert, wenn ihr anwesend wäret. In der Nacht hat
Monsieur Bellec in einem Fieberwahn wie es schien, seltsame Dinge
von sich gegeben und wir können uns keinen Reim darauf machen.
Ich erwarte euer Erscheinen gegen 10 Uhr. Der Wächter wird euch zum
Zellentrakt unter dem Besuchertrakt des Palastes bringen.
Hochachtungsvoll, Richter van Holten.“
Ohne Murren ging unser Sohn mit seinem Kindermädchen und zwei weiteren Damen mit ihren Schützlingen zu den Pferden, sodass wir Zeit für diese Unterredung hatten.
Unser Weg führte uns in den Besuchertrakt, wo uns schon der Wächter erwartete und direkt zu den Kerkern führte.
Würde Alex das aushalten dort unten? Ich wusste, wie es in so einem Trakt aussehen konnte, jedoch befürchtete ich, dass meine Gattin wieder an die Katakomben erinnert werden könnte. Ein Blick in ihre Richtung sagte mir, dass ich richtig lag und sie in ihrem tiefen Innersten auch schon daran gedacht hatte. Sie straffte sich aber und folgte dem Herren mit mir gemeinsam weiter.
Unten stieg mir ein unangenehmer modriger Geruch in die Nase, wobei mir das Geräusch der rasselnden Ketten und entfernten Schreie der Gefangenen eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Die Zellen der beiden Attentäter lagen sich gegenüber und ganz am Ende dieses großen Ganges. Kleinere Öffnungen auf Deckenhöhe brachten Durchzug und hier und da sah man die Fackeln entsprechend flackern.
Monsieur Radomèr kam uns freudig entgegen, so als begrüße er alte Freunde zu einem Dinner.
„Ah, es freut mich, dass ihr es einrichten konntet, Maître Kenway, Maîtresse Kenway.“ er verbeugte sich vor uns und deutete auf eine der beiden Zellen. „Wenn ihr weiter folgen wollt.“
Dort lag Dagenais schwer atmend, zusammengerollt auf seiner Pritsche.
Der Henker schlug mit einem Stock gegen das Gitter und brüllte ihn an, dass er wach werden sollte.
Ein gequältes, schmerzerfülltes „Ich habe euch doch schon alles gesagt“ war zu vernehmen.
Das Gesicht des Gefangenen war geschwollen, überall blau unterlaufen, die Lippen waren aufgesprungen aufgrund von Schwellungen und Flüssigkeitsmangel. Sein Hemd war ebenfalls mit Blutflecken übersät, so auch seine Hosen. Schuhe trug er nicht mehr, was mir freien Blick auf seine Fußsohlen gab. Kleine schwarze Brandpunkte waren auszumachen. Jesus, sie hatten alles versucht ihn zum Reden zu bringen!
Bevor aber meine Frau aus der Haut fahren konnte, kam der Richter noch hinzu und begrüßte uns ebenso unbekümmert!
„Dieses Individuum hat fast alles zugegeben, jedoch weigert er sich vehement, uns mitzuteilen, wer der Drahtzieher ist. Angeblich wisse er von nichts, es wären immer nur Nachrichten an ihn weitergeleitet worden, nie hätte er jemanden gesehen. Auch als wir ihn mit den glühenden Kohlen bearbeitet haben, sagte er immer wieder das Gleiche!“ Dieser Blick als wäre Dagenais eine Kakerlake, die es nicht wert sei weiterzuleben war erschreckend.
„Dann wird es vielleicht auch so sein, Monsieur van Holten!“ Alex Worte waren kalt und in einem Befehlston, welcher in Gegenwart des Richters mehr als unangebracht war.
„Verzeiht, aber unsere Erfahrung im Bezug auf die Befragungen lasse ich nicht in Frage stellen!“ erwiderte er entrüstet.
Ich wollte diese Situation möglichst schnell entschärfen und warf einen Themenwechsel ein.
„Was hat Monsieur Bellec zum Besten gegeben? Ihr erwähntet seltsame Dinge in eurer Nachricht!“ Deswegen waren wir ja zu diesen Verhören hinzu gezogen worden laut des Richters.
„Er faselte etwas von einem Mann und einem Stab, welcher ihm Anweisungen gegeben hätte, wie er das Königshaus untergraben könne. Aber es wäre kein echter Mann gewesen, sondern eine leuchtende Figur, welche ihm in einem Traum begegnet war! Ammenmärchen, wenn man mich fragt!“ sein amüsierter Ton in der Stimme war mehr als unpassend in diesem Zusammenhang, ging es mir durch den Kopf. Auch Alex fand das unangebracht.
Er lag, genau wie sein Kompagnon, auf seiner Pritsche, aber auf dem Rücken und man hatte den Eindruck, er würde meditieren. Die Hände hatte er gefaltet auf dem Bauch liegen und die Augen geschlossen. Sein Atem ging ruhig, auch wenn man vermuten würde, er müsse wahnsinnige Schmerzen haben. Seine Kleidung war ebenfalls mit Blut übersät, seine beiden Augenlider waren geschwollen und seine Wangen wiesen blaue Flecken auf.
Meine Frau trat näher um ihn zu betrachten, als ich Odin hörte!
Natürlich war ich das nicht! Hier müssen diese Isu wieder am Werk gewesen sein! Aber er hätte es sein können, wenn man es genau nahm. Der Allvater hatte einen solchen Stab und war wie ein Wanderer gekleidet, so hatte Alex ihn mir auch schon einmal beschrieben.
Alex sinnierte über die Möglichkeit, dass es kein Gott war, sondern ein Isu! Die Namen Minerva, Juno oder Mars – bis auf Lucius als dieser – sagten mir die Namen nichts.
Und wenn es auch kein Isu war? Warf der Allvater ein. Dann müssten es demnach einfache Vorfahren von Bellec gewesen sein.
Das wäre durchaus möglich, aber ich erkenne in seiner Linie niemanden, auf den diese Beschreibung passen würde. Odin klang entmutigt, weil er nicht alles überblicken konnte. Versuche seinen Geist zu nutzen! Diese Worte hatten einen Befehlston angenommen, welcher mich veranlasste meiner Frau jetzt ihrem Metier zu überlassen – der Wanderung durch den Geist von Monsieur Bellec -.
Das war mein Zeichen und ich nickte unmerklich, damit sie beginnen konnte. Ich selber wandte mich in Richtung Dagenais und bat den Richter und Henker um eine kleine Unterredung, in der Hoffnung die Ablenkung würde funktionieren. Ich fragte nach Angehörigen des Delinquenten und ob er schon lange hier im Palast leben würde. Wie lange seine Anstellung schon ging und solche recht banalen Dinge. Ich brauchte nur etwas Zeit für Alex. Mehr nicht.
Hin und wieder vernahm ich Namen unter anderem Thyra, ein Sichfrith mach Ímair wurde ebenfalls erwähnt. Das Jahr schien um 890 zu sein, ein Langhaus. Außerdem hörte ich, so seltsam es sich auch anhören mag, Kampfgeräusche. Zwei Menschen fochten miteinander. Dann war alles still mit einem Male! Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Bellec sich aufgerichtet hatte und etwas sagen wollte, aber es kam kein Geräusch über seine Lippen.
Als ich mich ganz umdrehte, sah ich wie Alex sich zitternd an die Gitterstäbe klammerte und Leichenblass im Gesicht war.
Auf meine Frage, ob es ihr gut ginge, sah sie mich aus verschleierten Augen an, ehe sie etwas verwirrt antwortete „Was ist denn passiert?“
„Nichts, im Grunde standest du ganz ruhig hier. Es waren auch nur wenige Augenblicke. Plötzlich regte sich Bellec aber und richtete sich auf. Er versuchte zu sprechen, aber das schien ihm nicht zu gelingen, du siehst es ja. Sehen kann er gerade auch so gut wie nichts durch die geschwollenen Augenlider.“ Ich hob ihr Kinn an. „Was hast du gesehen, mi sol? Du scheinst eine Menge Informationen bekommen zu haben.“ Meine Neugierde war erwacht.
Leider musste eine Erklärung noch warten!
„Maîtresse Kenway, fühlt ihr euch nicht wohl? Ihr seid mit einem Male so blass. Oder hat dieser Abschaum euch etwa belästigt?“ polterte Radomèr los und wollte schon in die Zelle stürmen.
„Nichts dergleichen ist passiert, Monsieur Radomèr. Es muss die stickige Luft hier unten sein.“ ihr zuversichtliches Lächeln sollte ihm zeigen, dass alles in Ordnung war.
- Hier folgt ein Auszug aus Kapitel 20 – Frankreich „Von schicksalhaften Zeitreisen…“ -
Jetzt schaltete sich der Richter wieder ein. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir heute etwas mehr erfahren können von diesem Herren.“ damit schloss er die Türe auf und ergriff Honoré, zog ihn auf die Beine, dabei vernahm man ein schmerzerfülltes Zischen aus dem Mund des Gefangenen.
Er wurde in einen separaten Raum nebenan geführt, wo sich einige Werkzeuge und Folterinstrumente befanden.
Man setzte den Gefangenen auf einen einfachen Holzstuhl und schnallte seine Arme auf den Lehnen fest. Seine Füße wurden in Eisen an den Stuhlbeinen befestigt und sein Oberkörper wurde ebenfalls an der Rückenlehne fixiert.
Barabás legte sich einige Stechwerkzeuge auf einem kleinen Tisch daneben zurecht, band seine schwere Lederschürze um und ging langsam um Bellec herum.
„Na Freundchen, meinst du, du willst heute vernünftig mit mir sprechen?“ höhnte er, während er seine Wange tätschelte. „Ich habe etwas ganz feines für dich, sieh doch mal… ach, das ist aber schade. Du kannst ja gar nichts erkennen. Vielleicht sollten wir den Druck von der Schwellung nehmen, was meinst du?“ Der Henker hatte seinen Beruf wirklich nicht verfehlt, sein Auftreten und die Stimme passten wirklich hundertprozentig.
Seine Finger griffen nach einer langen dicken Nadel und für einen Moment hielt er sie einfach gegen das Fackellicht und sein Blick hing verträumt auf diesem Gegenstand. Dann zog er ihn durch die Flamme einer Kerze. Der Gehilfe des Henkers hielt jetzt den Kopf des Mannes fest und Barabás setzte die Spitze der Nadel auf das Augenlid. Man hörte ein leises Zischen und dann einen erstickten Schrei des Gefolterten.
Diesen Vorgang wiederholte man nun einige Male, unterbrochen von der Frage, wer ihn beauftragt hätte und warum! Doch es kam nicht eine einzige gesprochene Silbe über seine Lippen!
Radomèr war dazu übergegangen, kleine Metallspitzen unter die Fingernägel zu schieben, was aber allem Anschein nach auch nicht die Redelust des Inhaftierten förderte.
Keine der weiteren angewandten Folterinstrumente oder -methoden zeigten Wirkung. Das Schweigen des Gefangenen verärgerte van Holten und den Henker zusehends.
„Monsieur van Holten, haltet ein. Ich denke, es reicht! Wir werden diesen Herren nicht zum Reden bringen! Zur Mahnung findet in ein paar Tagen die Hinrichtung eh auf dem öffentlichen Platz statt, bis dahin hat er noch einmal die Gelegenheit, seine Taten zu bereuen.“ In der Hoffnung, dass die Herren bei meinen mahnenden Worten innehielten, sah ich auf den lädierten Bellec.
„Sicherlich habt ihr Recht. In meiner gesamten Laufbahn ist mir noch nie so ein sturer Mensch untergekommen!“ in Barabás´ Stimme klang eine gewisse Anerkennung mit, zog Bellecs Kopf nach hinten und schaute ihn sich an.
„Wir werden auf die Aussage von Dagenais bauen und versuchen in den nächsten Tagen eventuell diese toten Briefkästen aufzuspüren. Irgendeine Spur müssen wir ja finden!“ seufzte van Holten resigniert.
„Habt ihr die Zimmer der Herren eigentlich schon durchsuchen lassen?“ Die Frage meiner Frau war mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen.
„Was? Nein, aber… Verdammt! Verzeiht, Maîtresse Kenway!“ Im Gesicht des Richters war ein Rotton erschienen, welcher keinen Zweifel daran ließ, dass er DARAN auch nicht mehr gedacht hatte. Ob wir jetzt noch etwas verdächtiges finden würde, war zu bezweifeln!
Alex Blick war eindeutig! Deren Ernst? Was bitte ist denn das für eine Art Untersuchung? Jeder Depp weiß doch, dass man die Zimmer als erstes durchforstet.
Da gab ich ihr Recht. Van Holten aber hatte es plötzlich eilig, den Gefangenen wieder wegzusperren und sich in dessen Schlafgemach umzusehen. Bei Dagenais würde ein Gehilfe des Richters das Gleiche tun!
Wir folgten also van Holten hinauf und er führte uns zu dem kleinen Bereich, welcher für Wachen und Sicherheitspersonal bereit gestellt wurde. Bellec hatte hier ein recht großzügiges Zimmer bezogen, in welchem Platz für ein großes Bett, Schreibtisch, Regale und Kleiderschrank war.
Ich ließ meinen Blick umherwandern, fand aber nichts wirklich verdächtiges oder mahnendes mit roter Aura. Hier war entweder aufgeräumt worden, oder der Herr war gut vorbereitet!
Das einzig Interessante, vermutlich nur für meine Gattin, waren seine versteckten Klingen. Sie musterte sie eingehend und nahm sie kurzerhand an sich.
Haytham, wir haben gestern nicht ein Wort mit Charles Dorian gewechselt. War er überhaupt anwesend? Der Ball! Ich hatte gar nicht mehr an diesen Herren gedacht!
„Monsieur van Holten, habt ihr eine Liste von den Gästen, welche gestern beim Ball geladen waren. Sicherlich haben nicht alle hier übernachtet.“ hakte ich wie beiläufig nach und der Richter nickte eifrig.
„Selbstverständlich, Maître Kenway. Ich lasse sie euch umgehend zukommen.“ und so suchten wir hier noch ein wenig nach weiteren Anhaltspunkten oder etwas Verdächtigem, doch Fehlanzeige.
„In seiner Korrespondenz ist nur die Rede von Lieferungen für die Armee oder wie die Truppenstärke besser ausgebaut werden könnte. Außerdem scheint der Herr ein guter Stratege zu sein, er hat unter anderem eine Art Schlachtplan aufgestellt. Die anderen Schreiben sind privater Natur, gehen an seine Frau und er erwähnt seinen Sohn Pierre ab und an. Vielleicht sollten wir diesen auch einmal aufsuchen und befragen.“ warf ich noch als Idee ein, weil es sicherlich nicht verkehrt sein könnte. Weiter war hier nichts in dem Zimmer, leider!
Wir verließen unverrichteter Dinge die Räumlichkeiten und machten uns auf zum Mittagessen.
Wieder hieß es umziehen und als auch unser Sohn fertig war, gingen wir hinunter in den Speisesaal. Ich hatte eine nette Unterhaltung mit König Ludwig, welcher mich darauf hinwies, dass die Gästeliste des Balls und der darauf vermerkten tatsächlich erschienenen Personen bereits fertiggestellt sei. Der Richter würde sie mir im Anschluss an das Essen aushändigen. Wo er zu finden war, wusste ich bereits, weil man mir sogar schon einen richtigen Plan der Räume und des Aufbaus des Palastes ausgehändigt hatte.
Mir fiel auf, dass Maitre Pastice ohne seine Gattin erschienen war, was verständlich war. Für mich vermutlich nur. Er lächelte mich mit einem wissenden Grinsen über den Tisch an. Erwidern konnte ich es nicht, es fiel mir zusehends schwerer, ihn als Geschäftspartner zu akzeptieren.
Van Holten erwartete mich bereits, als ich in sein Büro trat.
„Ah, da seid ihr ja, Maitre Kenway! Ich habe die Liste fertig und hoffe, sie ist vollständig. Wir legen großen Wert darauf, dass alles vermerkt wird. Von den Befindlichkeiten bis hin zu den verfrühten Verabschiedungen. Ihr müsst wissen, das ist wichtig, falls es …“ er stockte für einen Moment und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „… zu einem Anschlag gekommen sein sollte.“
Natürlich war das eine hervorragende Art Protokoll zu führen! So entging nicht die kleinste Kleinigkeit. Erwähnte ich bereits, dass man hier meinen könnte, dass der Orden seine Finger bei der Planung im Spiel haben könnte. Ich fand diese Ordnung und Genauigkeit einfach hervorragend!
Nicht alle kannte ich mit Namen, aber mir fiel auf, dass sehr bekannte Größen darunter waren. Einige waren auch schon in den Kolonien tätig geworden, oder zumindest hatten sie sich für ihren König ein Bild von den Zuständen dort gemacht.
Unter anderem war ein Diplomat namens José Caraces, ein spanischer Vertrauter des Königs zugegen gewesen. Seine Begleitung war aber nicht wie erwartet seine Gattin, sondern, wie sollte es anders sein, seine Mätresse, welche man als „Nichte“ ausgegeben hatte. Dieser Herr war verantwortlich für die guten Beziehungen der beiden Königshäuser und man versuchte anhand von diesen Beispielen auch andere Familien zu vereinen und zu versöhnen. Noch waren die Erbfolgekriege nicht im geringsten beendet. An jeder Ecke züngelten neue Konflikte und neue uneheliche Kinder der Königshäuser tauchten auf. Auf Dauer war sowas schon sehr ermüdend.
Dann gab es noch den englischen Gesandten Michael Brewster, welcher in seiner ebenfalls vermittelnden Stellung, hier ein gern gesehener Gast war.
Dann fiel mein Blick auf Charles Dorian und Gattin! Sie waren also beide anwesend, jedoch nicht sehr lange. Wieder dachte ich daran, dass wir es versäumt hatten, ein Gespräch mit ihm zu suchen. Umgekehrt war die Frage, ob es auf diesem Ball eine gute Idee gewesen wäre mit ihm über die Zusammenführung von Orden und Bruderschaft zu sprechen. Vermutlich war es besser so.
Bei den Pastices wurde vermerkt „Wegen Unwohlsein der Madame Pastice vorzeitig aufgebrochen“! Das war noch untertrieben.
Wenn ich jetzt aber die Zahl der Gäste, welche auch hier nächtigten, überflog, war es unfassbar, wie viele Menschen im Palast zugegen waren, denen man so nie wirklich über den Weg laufen würde. Die Dimensionen hier waren einfach atemberaubend.
„Ich danke euch für eure freundliche Mitarbeit, Monsieur van Holten!“ bedankte ich mich und ging zurück zu unseren Räumlichkeiten.
Dort begann ich Alex von meinen Eindrücken zu berichten. Bei Dorian ging ihr eine berechtigte Frage durch den Kopf.
„Glaubst du, er hat auch etwas mit diesen Mordversuchen zu tun?“ grübelnd rieb sie sich das Kinn.
„Könnte sein, wenn wir ehrlich sind, oder? Aber was ich die ganze Zeit schon wissen wollte, WAS hast du bei Bellec gesehen, mi sol? Du sahst völlig geschockt aus und hast mir ehrlich gesagt kurz einen Schrecken eingejagt.“ Ich konnte meine Neugierde jetzt einfach nicht weiter zügeln!
Alex berichtete mir von dem Kampf mit diesem Sichfrith und dass sein Speer eines der Artefakte ist, welches wir noch hier in Frankreich beschaffen mussten. Sie erzählte von dem Moment als wieder ihre Vorfahrin Thyra in Erscheinung getreten war und dass diese einen Bruder namens Ragnall hatte. Meine Frau hatte natürlich, genau wie ich, keine hinreichenden Geschichtskenntnisse und kannten alle irischen, englischen und skandinavischen Könige und Jarls.
„Wir werden uns da wohl noch ein wenig schlau lesen müssen, mi amor.“ Dieses resignierte seufzen deutete ihre Angst, dass es ein unendliches Unterfangen werden könnte. Vermutlich gab es zig Verbindungen und was mir auch etwas seltsam erschien war die irische Linie. Ich muss es gestehen, in mir keimte eine leichte Eifersucht. Auf Shay? ER konnte am wenigsten damit zu haben, dennoch war dieses Gefühl da.
Vielleicht sollten wir meinen besten Mann im Orden einfach einmal zu Rate ziehen? Im Grunde gab es in seiner Familie eine Bindung an Irland, keine Frage. War diese aber auch so tiefgehend, dass sie mit meiner Frau verbunden war? Wir würden abwarten müssen.
Als ich meiner Gattin nun von den anderen Herren auf der Liste berichtete, sah ich schnell, dass sie mir nicht mehr zuhörte. Die Namen sagten ihr nichts und das ließ ihre Aufmerksamkeit schwinden.
Auf meine Frage, ob ich wieder mit einem Stein reden würde, kam eine ihrer typischen Antworten.
„Doch doch… ich höre schon zu, aber ich kann mir doch nicht alles merken, mi amor. Und seien wir ehrlich, bisher haben diese ganzen Personen auch keinerlei Bezug zu den Morden oder Mordversuchen.“ Sie wollte sich gerade etwas zu trinken eingießen, als ein Diener eintrat.
„Maîtresse Kenway! Ihre königliche Majestät erwartet euch in ihren Gemächern!“ dieser Ton war vorwurfsvoll. Hatte Alex wirklich diesen Termin vergessen? Das konnte unmöglich ihr Ernst sein!
Ein hastiger Kuss für mich auf die Wange und mit schwingenden Röcken eilte sie dem Herren hinterher.
Kopfschüttelnd sah ich ihr nach, setzte mich dann aber an den Schreibtisch und begann mir einige Papiere anzusehen.
Man hatte mir ein paar der Buchhaltungsbücher überbracht, weil es zu Unstimmigkeiten in den Abrechnungen gekommen sei. Der König wollte Gewissheit und bat mich, als neuestes und noch unbeteiligtes Beratermitglied, dem auf den Grund zu gehen.
Wer konnte ahnen, dass es sogar für den kleinsten Handlanger eine extra Sparte gab. Ich wartete nur darauf zu lesen, dass derjenige der einen einzigen Stein geputzt hatte, bezahlt wurde.
Ich verbrachte Stunde um Stunde damit, mir einen Überblick zu verschaffen, machte mir entsprechende Notizen, damit ich für später nicht immer wieder neu nachschlagen musste.
Es gab jemanden, der dafür bezahlt wurde, die dreiarmigen Kerzenleuchter zu polieren. Dieser erhielt einen geringeren Lohn als jemand, welcher einen Kronleuchter putzte. Unfassbar.
Stoffe wurden aus Italien importiert, Schneider wurden in entsprechende Lehren gesteckt, damit sie dieses Handwerk perfekt beherrschen würden.
Buchdrucker wurden beschäftigt für die kirchlichen sonntäglichen Liederlisten! Das Papier war kein gewöhnliches, nein, es war explizit erläutert, woraus es bestehen sollte. Bei Gott, mir rauchte der Schädel irgendwann und ich lehnte mich erschöpft zurück. Mein Blick fiel auf meinen leider bereits kalten Tee und auch dort gab es Anforderungen, woher dieser stammen sollte. Sogar die Mischung wurde hier am Hofe erst zusammengestellt. Das schmeckte man zu meinem Leidwesen auch. Es war nicht mein geliebter britischer Tee. Entschuldigt, ich werde nostalgisch.
Plötzlich trat Alex ein, ging ohne ein Wort zum Sofa und ließ darauf fallen!
„Mi sol, da bist du ja wieder.“ fragte ich leise und etwas erschrocken sah sie mich an. Vermutlich hatte sie mich nicht bemerkt.
Sie lehnte sich an meinen Rücken und seufzte laut.
„Sehe ich eigentlich aus wie eine Kummerkasten-Tante?“ gähnte sie müde.
WAS war eine Kummerkasten-Tante?
„Naja, warum glauben immer alle, ich helfe bei ihren Problemen, ob es nun eher normale einfache Dinge sind oder eben die recht delikaten Sachen betrifft.“
Sie begann zu erzählen, dass Maria sie um Beziehungsratschläge gebeten hatte. Nicht Ludwig betreffend, sondern wegen einer Dame, die sie ins Auge gefasst hatte. Es ging um Ratschläge, wie man sich annähern konnte und ob Alex auch schon ähnliche gleichgeschlechtliche Erfahrungen gemacht hätte. Wobei meine Frau darauf nicht näher eingegangen war.
Im Grunde ging es darum, dass die Königin jemanden brauchte, der ihr – meiner Meinung nach – ein wenig das schlechte Gewissen nahm. Sie verwehrte Ludwig jedweden Beischlaf, hatte sich aber einen Liebhaber zugelegt, wenn ich es richtig verstand. Das waren ja interessante Zustände hier am Königshaus.
„Na, da hat ihre Majestät ja genau die richtige Ansprechpartnerin gefunden!“ leider konnte ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen, was mir einen Ellbogen in die Seite einbrachte.
„Du hast ja auch nicht über zwei Stunden damit zugebracht, Tipps zu geben, wie man jemanden am besten erobern kann!“ Alex hatte sich mit dem Rücken zum Schreibtisch neben mich gelehnt.
„Nein, aber ich finde diesen Anblick gerade sehr anziehend, mi sol. Und dieser Gedanke, dass du dieses Gespräch mit mir teilst, einfach weil du dieses Vertrauen in mich hast, bereitet mir wohlige Schauer!“ Bei meinen Worten schlang sie ihre Arme um mich.
„Ich wusste, du würdest mich unterstützen, mi amor. Und ich bin so froh, dass wir uns ohne viele Worte verstehen!“ Plötzlich griff sie in meine Haare und zog mich fordernd zu sich herunter! „Ich will dich, Haytham.“ hörte ich sie stöhnend flüstern.
Leider musste das warten! Ein Diener meldete, dass das Abendessen anstand und schon standen Bediensteten zum Umkleiden im Raum!
„Vergiss nicht, wo wir stehen geblieben waren, mi sol.“ raunte ich noch an ihr Ohr.
„Wie könnte ich das?“ als ihre Hände auf meinem Hintern lagen und zudrückten, hätte ich … aber dazu später mehr.
Während des Abendessens war Edward einfach unausstehlich. Ein anderer Junge hatte seinen Lieblings-Schimmel kaputt gemacht und er war todtraurig deswegen. Musste er es aber auch hier offen zeigen?
Als er später dann von meiner Frau und Sybill zu Bett gebracht wurde, setzte ich mich an den Kamin und nahm mir ein Glas Whiskey. Mittlerweile hatte man mir meine bevorzugte Marke besorgt und ich genoss den ersten Schluck selig seufzend.
Leider währte dieser Moment nicht lange, weil ein Besucher angekündigt wurde. Jetzt noch?
Es war Monsieur de la Sèrre! Nun gut, er war kein nervtötender Gast, weswegen ich ein wenig aufatmete. Dennoch, es könnte ausarten, wenn wir ehrlich sind.
„Maitre Kenway, verzeiht mein überraschendes Erscheinen. Mir sind aber die Anschläge auf den König zu Ohren gekommen und eure rühmliche Tat natürlich auch.“ er verbeugte sich tief, während er mir seine Hand reichte.
„Ich danke euch, Maitre de la Sèrre. Es war eine Pflicht König Ludwig vor diesem Abschaum zu bewahren.“ erwiderte ich lediglich und bat ihm an, Platz zu nehmen.
„Natürlich, natürlich. Mir hätte natürlich selber schon auffallen müssen, dass hier zwielichtige Gestalten mit im Spiel sind. Es ist unverzeihlich, dass ich das nicht bemerkt habe.“ in seinem Gesicht sah ich eine gewisse Scham, zurecht. Er war bereits eine Weile am Hofe des Königs.
Gerade als er ausholen wollte, ob wir auch noch Charles Dorian mit verdächtigten, betrat meine Frau den Raum. Etwas genervt sah sie von einem zum anderen.
„Maîtresse Kenway, verzeiht mein unangekündigtes Erscheinen. Aber mir sind die Anschläge auf den König zu Ohren gekommen und ich wollte mich selber davon überzeugen, dass man dem ganzen auch Einhalt gebieten würde!“ Diese Worte besänftigten sie wieder etwas.
Unser Bericht über das Verhör folgte, die Durchsuchung des Zimmers und so weiter. Bei Dorians Erwähnung schüttelte er aber vehement den Kopf.
„Ihr haltet immer noch daran fest, dass man die Bünde vereinigen kann, verstehe ich das richtig?“ dieser abfällige Ton in der Stimme brachte Alex zum Kochen.
„Nein, in diesem Falle geht es darum, sicherzustellen, dass die Assassinen nicht noch weitere Personen hier eingeschleust haben.“ dass sie nicht noch ihre Arme wütend vor der Brust verschränkte mit einem Schmollmund war alles. Diese Art war unangebracht, verstand sie das nicht?
„Ich sollte euch bezüglich unserer Leute hier im Palast und in den verschiedensten Ämtern nun aufklären. Und ich weiß, dass es etwas spät ist, aber noch nicht zu spät.“
Und jetzt erfuhren wir, dass van Holten unter anderem ein Templer war, welcher seit einigen Jahren schon gute Dienste hier leistete. Diverse Wachen, Diener und sogar einige Zimmermädchen oder Kammerdiener gehörten dem Orden an. Auch waren einige Zulieferer für die Lebensmittel Templer, wenn auch in niedrigeren Positionen, aber auch das Fußvolk brauchte der Orden um voran zu kommen. Somit deckte man hier in Frankreich fast alle Bereiche ab. Sogar in der Kirche, was nicht wirklich ungewöhnlich erscheint, weil die Lehren der Templer ja auf ihrem Glauben beruhten. In diesem Moment dachte ich über meinen persönlichen christlichen Glauben nach. In Virginia war es, ich will nicht sagen Gottlos, aber es fehlte ein Prediger, welcher Sonntags eine Andacht hielt. Diesen Gedanken musste ich jedoch nach hinten schieben.
Alex erwähnte jedoch noch einmal eindringlich, dass ein Gespräch mit Maitre Charles Dorian unausweichlich sei. Auch wenn man sich nicht jetzt hier und heute einig werden würden. Es ginge lediglich um eine Annäherung.
„Ich hoffe, dass mir dieser Mann nicht gleich die Kehle aufschlitzen will wie meinem… lassen wir das. Wie sagtet ihr so schön, Maîtresse Kenway? Wir müssen über den Tellerrand schauen und die Scheuklappen ablegen!“ Seine Worte besänftigten meine Gattin ein wenig wie ich sah. Er ließ hier umgehend ein Schreiben für den Herren aufsetzen und wir warteten gemeinsam auf eine Antwort. Ich war selber gespannt, ob wir überhaupt eine erhalten würden.
Nach ungefähr einer Stunde erhielten wir die Rückmeldung von Dorian, dass er sich ein wenig Bedenkzeit erbittet! Aber würde uns kontaktieren, sobald er zu einem Entschluss gekommen sei! Das war ein kleiner Fortschritt, wenn man es genau betrachtete.
Es war nun schon dunkel geworden und Monsieur de la Sérre verabschiedete sich mit den Worten, wir würden uns in den nächsten Tagen noch einmal zusammen setzen.
Alex nahm sich ein Glas Champagner und ließ sich wieder auf das Sofa fallen.
„Alex, reicht es nicht auch so langsam?“ es war schon bei der Königin getrunken worden!
„Ich weiß es nicht, aber ich kann heute nicht mehr denken. Erst das mit dem Verhör, dann dieses Gespräch mit Maria, dann Edwards schlechte Laune und… können wir nicht einfach auch mal ganz normal wie alle anderen auch leben?“ Sie klang mehr als genervt und auch sehr müde.
„Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass du soviel im Kopf hattest heute. Zumal ich zu gerne wissen möchte, wie deine Vorfahrin aussah, was sie so erlebt hat…“ Ich nahm sie kurzerhand in den Arm, weil mir ihre Nähe gerade fehlte.
„Sie sieht wirklich aus wie ich, Thyra hat interessant geflochtene Haare und… eine Tätowierung über dem linken Auge. Es sieht aus wie ein Baum…“ Sie zeigte mir die Bilder und ich staunte nicht schlecht.
Dein Ebenbild, fürwahr. Fühlst du sie, kannst du ihre Gedanken spüren? Wollte ich jetzt wissen.
Nein, nicht ganz, aber ich mag mich auch täuschen, weil ich deinen Vater hinter einigen Dingen noch vermute. Mittlerweile bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, wer ich wirklich bin…
Plötzlich brach sie in Tränen aus und ich drückte sie an mich um sie zu trösten.
„Alex, ich weiß wer du bist! Ich habe dich kennengelernt, als du selber noch nicht wusstest, was uns erwartet. Und jetzt? Du bist immer noch dieselbe Frau, welche ich liebe, auf die ich gewartet habe und dann geheiratet habe!“ Diese Worte kamen einfach so über meine Lippen, ich musste nicht darüber nachdenken!
In dieser Nacht wurde ich Zeuge einer neuen Alex. Ich spürte ihre Vorfahrin, ihre Wünsche, ihre Sehnsucht… es war, als würde ich selber in diese Zeit eintauchen. Thyra war eine recht ungestüme Frau, die … nunja, sich nahm, was sie wollte.
An diesem Morgen war etwas anders!
Anders als sonst!
In mir spürte ich Zufriedenheit und Ruhe. Langsam drehte ich mich zu Alex um, weil sie vermutlich noch schlafen würde, wie immer. Doch weit gefehlt!
Sie zitterte am ganzen Körper, starrte mit aufgerissenen Augen zum Betthimmel und die Zeichen auf ihrer Haut glühten regelrecht! Ein wirklich faszinierender Anblick, jedoch stimmte etwas nicht.
Ich fühlte mich nicht, wie solle ich es sagen, wie ich selber. Ein seltsames Gefühl von einer zwiegespaltenen Persönlichkeit keimte in mir auf. In mir kämpften zwei Mächte miteinander, beide waren mir aber irgendwie vertraut. Das ergab doch keinen Sinn.
Ich sah mich vorsichtig um, wir waren in Frankreich, in unseren Gemächern! Aber die Zeit verlief anders, ich konnte es fast vor mir sehen.
Was passierte mit uns schon wieder?
„Mi sol, was ist los? Du zitterst schon wieder und… du meine Güte, du strahlst ja förmlich!“ Ich konnte nicht anders, ich musste sie jetzt ansprechen!
„Ich weiß es nicht… was passiert mit mir?“ Wie ein Blitz war sie aus dem Bett gesprungen und stand mit ängstlich aufgerissenen Augen vor dem Kleiderschrankspiegel.
Mit diesen Zeichen beschützen wir die Menschen … hörte ich unseren Enkel leise sprechen.
Plötzlich durchfuhr mich ein unangenehmer Schmerz und ich sah, wie sich neben mir eine Goldleuchtende Gestalt aufbaute.
Wir sind fast am Ziel wie es scheint … Sprach diese Gestalt, aber sie klang wie ich! Sie trug Rüstung, Schild und Schwert. Ein Krieger?
Alex rief in ihrer Panik den Göttervater an, weil sie Angst um unsere Sicherheit hatte. Außerdem und das war noch wichtiger, wollte sie eine Erklärung hierfür.
Ich sehe es und ihr seid durch die Begegnung mit Bellec weiter, als ich es vorausgesehen hatte. Die Nornen haben mich nicht unterrichtet! Etwas scheint dort eine Blockade zu errichten! Hörten wir Odin zornig sprechen!
Wie aus einem Mund kam es von uns dreien „Hrymr!“
Jedoch war kein Hass oder Zorn zu verspüren, eine Leichtigkeit umgab uns… wir wurden manipuliert! Erneut!
Ihr müsst eine Barriere schaffen! Haltet diese aufrecht, bis wir wieder sicher sein können, dass keine Gefahr mehr droht! Elias klang schon fast panisch in unseren Köpfen, aber auch er hatte diese Präsenz gespürt!
Tyr! (Augenmerk auf Mars Thingsus!) war das letzte was ich noch sah und nun wurde ich meinem angedachten Pendant nähergebracht. Es war seit Anbeginn meines Lebens schon so gewollt, dass dieser Gott an meiner Seite war?
Er hielt schützend seine Hand über uns, so wie ich es auch gelernt hatte. - Beschütze deine Familie - !
Jedoch mussten wir uns vorerst auf die Schutzmauer konzentrieren, ehe wir tiefer gehen konnten! Doch das war nicht so leicht für mich, weil ich völlig durcheinander war. Ein Zustand welcher mir nicht neu, aber immer unangenehm war.
Meine Gedanken formten eine Mauer und mein Geist versuchte sich nur darauf zu konzentrieren, nicht auf den Gott, welcher neben mir erschienen war. Es dauerte eine Weile bis ich fühlte, dass wir wieder sicher vor Hrymrs Machtspielchen waren!
„Du? Hast du es nie geahnt oder gefühlt? Du bist der Kriegsgott, du musst doch etwas bemerkt haben!“ mit diesen Worten holte mich Alex wieder zurück in die Realität und sah mich dabei an entgeistert an.
Wirklich geahnt hatte ich es nicht, ich mutmaßte weiterhin, dass es damit zusammenhing, dass ich dem nordischen Glauben und dessen Göttern nicht so tief verbunden bin, wie meine Frau.
Im nächsten Moment stöhnte sie laut „Bei allen Göttern!“ und ich verstand ihre Verwirrung. Gleichzeitig hatten wir in den letzten Wochen und Monaten kaum bis gar keine Verschnaufpausen gehabt. Besonders Alex nicht, sie lernte immer noch dieses Jahrhundert von Grund auf kennen.
Langsam ließ sich mein Pendant wieder sehen. Tyr begann nun eine Erklärung für mich abzugeben. Immer noch war ich überrumpelt von dieser Erkenntnis, dass ich nicht alleine agierte.
Deine Aufgabe ist dir bekannt! Du schützt deine Familie und stehst den Menschen zur Seite, welche sich nicht selber verteidigen können. Genau das, was du schon seit jeher gelernt hast, setzt du mit deiner Frau und deinen Kindern an deiner Seite fort!
Das Schicksal! Ich wurde ebenso von klein auf darauf vorbereitet eine Beschützerrolle übernehmen zu müssen. Wenn man darüber nachdenkt, ist es schon recht unheimlich, weil über den Kopf hinweg einfach etwas bestimmt wird, ohne dass man selber etwas dazu beitragen kann.
Wie würde sich diese Rolle in späteren Jahren anfühlen? Wie sollte man dem wirklich gerecht werden? Mir ging ein Satz von Mrs Wallace durch den Kopf „Habt Vertrauen in euch selber!“. Das hatte sie vor ein paar Jahren einmal gesagt, als Alex das erste Mal zurück in ihre Zeit gegangen war und ich gefühlt kopflos herumlief.
Vertrauen! In den letzten Jahren konnte ich es wieder aufbauen, jedoch fiel es mir oft noch schwer. Zuviel war in meiner Kindheit und Jugend vorgefallen, als dass ich mein Misstrauen einfach so ablegen könnte.
WEN VEREINE ICH! Hörte ich die schrille Stimme meiner Frau in meinem Kopf und sah, wie sie kauernd auf dem Boden saß. Ihre Arme umschlangen ihre Knie und sie wiegte sich langsam vor und zurück.
Erst jetzt wurde mir klar, dass sie überhaupt niemanden an ihrer Seite hatte, bis auf ihre Vorfahrin. Sollte es aber genauso sein? War auch das schon der Plan der Götter gewesen? Ein wenig kroch das schlechte Gewissen in mir hoch, weil sie sich vermutlich gerade allein gelassen fühlte.
In ihren Gedanken sah ich, dass sie einfach nur noch ein normales Leben wollte. Sie wünschte sich nichts weiter, als wie jeder andere Mensch auch leben zu können. Doch das würde nicht gehen, weil wir eine Aufgabe hatten.
Du vereinst viele! Bald wirst du es erfahren! Doch du musst noch Geduld haben! Die Stimmen kamen von überall her, auch der Kriegsgott neben mir hatte gesprochen.
Geduld und Alex passten zusammen wie Feuer und Wasser! Auch sie wusste das und ich spürte, sie bekam Angst, dass sie gerade dabei war den Verstand zu verlieren. Sie sah für sich in diesem Moment keinen Halt mehr in diesem unserem Leben. Für den Bruchteil einer Sekunde bekam ich Angst, dass sie entgegen dem Befehl vom Allvater, doch wieder in ihre Zeit gehen würde. Einfach aus Trotz und weil sie hier keine Zukunft mehr für sich sah.
Aber dieser Gedanke währte nicht lange und meine Frau saß weinend auf dem kalten Boden.
Tyr zog sich mit den Worten „Ich werde euch nun erst einmal alleine lassen. Beruhige deine Frau, zeig ihr, dass sie nicht alleine ist. Auch sie hat jemanden an ihrer Seite. Es ist aber einfach noch zu früh, ihr das zu zeigen!“ zurück und überließ mich wieder mir selber.
Vorsichtig hob ich sie hoch und trug sie zum Bett. Alex zitterte wie Espenlaub und schluchzte immer noch. Beruhigend redete ich auf sie ein, versprach, dass wir auf einem guten Weg zu unserem Ziel seien und es gemeinsam bewältigen konnten.
„Dass du nichts bemerkt hast von dem Gott an deiner Seite…“ also dachte sie immer noch darüber nach wie ich mich dabei fühlte.
„Ich habe es geahnt, dass ich nicht immer alleine agiere. Und jetzt … schließe deine Augen…“ flüsterte ich weiterhin ruhig auf sie ein.
Wir waren jetzt in Sicherheit, es gab nur uns und keinen Hrymr.
In meinem Kopf brachte ich uns nach Virginia, zur Weideneiche, einem Lieblingsplatz von Alex. Vor uns sahen wir die untergehende Sonne über dem James River.
Ich hörte meine Frau tief einatmen, sie entspannte sich und langsam schlief sie in meinem Arm ein.
Jedoch nicht für lange, es können nur 2 oder 3 Stunden vergangen sein. Auch ich war ein wenig eingedöst. Plötzlich schreckte sie hoch und begann hektisch um sich zu sehen. Immer wieder hörte ich, wie sie sich einredete dass das nicht real gewesen sein kann. Wir wären in Frankreich…
Hatte ich ihr mit meinem Versuch sie auf andere Gedanken zu bringen, etwa in Angst versetzt? DAS war nicht meine Absicht.
Es dauerte, bis ich meine Frau wieder wach hatte. Ich flehte sie an, die Augen zu öffnen und sich umzusehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sahen mich ihre grünen Augen etwas erschöpft an, aber sie lächelte wieder. Ihr Blick ging jetzt erstaunt durchs Zimmer als ihr bewusst wurde, dass es noch dunkel war.
Ich stellte selber mit Schrecken fest, dass es gerade doch noch taghell gewesen war. Wie war das möglich?
Die Eindrücke unserer Welt verschmelzen leider oft mit eurer in Midgard! Wir können es nicht lenken!
Verschiedene Zeiten? Also war es ein Glücksspiel, wo wie viel Zeit verstrich? Inständig hoffte ich, dass wir damit keine größeren Konflikte haben würden. Gerade auch wegen Edward, wenn er einmal nicht mit uns zusammen war und wir in so einer anderen Zeitzone steckten.
Alex hatte sich jetzt beruhigt, legte sich neben mich und schlang Arm und Bein um mich. Ihre Entspannung übertrug sich auf mich, auch mein Atem wurde ruhiger. Doch mir ging dieser absurde Gedanke, dass ich ein Kriegsgott bin, durch den Kopf und ließ mich leise kichern.
„Wir sind eine sehr illustre Familie wie es scheint! Im Grunde fehlen nur noch die Paparazzi, die uns vor der Tür auflauern…“ für einen kurzen Moment gluckste auch sie, aber dann wurde sie ernst, weil ihr einfiel, dass sie mal wieder mit einem Begriff daher kam, den ich nicht kannte. Was waren … Parazzis?
Ihre Erklärung war recht simpel. Das waren also Personen von einer Zeitung, wie der Boston Gazette zum Beispiel, die wichtigen Persönlichkeiten auflauerten um ihre Geheimnisse zu erfahren und dann am nächsten Tag verkünden zu können. Das Ganze wäre recht profitabel, laut Alex. Wenn nämlich noch diese Fotos, wie sie mir erklärte, dazukamen, wo man die Menschen inflagranti erwischt hat, gäbe es horrende Summen als Bezahlung von den Vorgesetzten. Interessante Vorstellung, dass man davon leben konnte. Ein Stadtschreier kann sich oft nicht mal eine Mittagsmahlzeit leisten, geschweige denn ein Dach über dem Kopf.
Als sie geendet hatte, gähnte sie herzhaft, gab mir einen Kuss und schmiegte sich wieder an mich.
„Ich liege tatsächlich mit einem Gott im Bett…“ hörte ich sie noch leise kichern.
Für mich war es auch noch ungewohnt und ich versuchte diesen Tyr in mir zu spüren. Wenn ich das jetzt aufgeschrieben lese, klingt es mal wieder etwas zweideutig. Es anders zu umschreiben fällt mir jedoch schwer.
Es dauerte eine Weile bis auch ich eingeschlafen war, aber meine Nacht blieb nicht traumlos.
Tyr erklärte sich und seine Geschichte in meinem Geiste. Ein illustrer Gott, welcher seinen Arm durch den Fenris Wolf verlor. Auch hier war wieder einmal das Vertrauen ein Bestandteil des Lebens!
Er zeigte mir ein Fest in Hymirs (NICHT Hrymr!!!) Halle, wo er versuchte mit Thor einen Kessel Met zu stehlen unter anderem. Ein faszinierender Ausschnitt, wenn auch nur sehr kurz.
Langsam driftete ich aber in meine eigen Traumwelt ab, weil mein Geist auch endlich zur Ruhe kommen sollte.
Als ich am frühen Morgen erwachte, umgab mich dieses Gefühl beobachtet zu werden. Ich hatte schon oft solche Momente in den vergangenen Jahren gehabt, gerade auch als wir auf der Hut vor Silas Thatcher sein mussten in Boston damals. Dieses mal jedoch war es ein – wie soll ich es nennen – nahes Gefühl. So als stünde man neben mir.
Du wirst dich daran gewöhnen, Haytham. Wie all meine Schützlinge vor dir auch schon. Hörte ich Tyrs Stimme leise in meinem Kopf.
Ich hätte ja auch selber darauf kommen können.
Nach dem Frühstück wurde ich zum König zitiert um ihm meine bisherigen Ergebnisse mitzuteilen.
Leider eine magere Ausbeute musste ich mir selber eingestehen. Aber bis auf ein paar kleine Rechenfehler konnte ich noch nichts gravierendes präsentieren.
„Maître Kenway, das ist nicht das was ich mir erhofft hatte. Seid ihr euch sicher, dass es nicht doch irgendwo eine Lücke in den Zahlungen und Ausgaben gibt?“ erneut sah mich der Finanzminister erwartungsvoll an.
„Ich versichere euch, dass alles recht akkurat niedergeschrieben wird. Jeder kleinste Betrag ist vermerkt. Es sei denn, es gibt in den anderen Büchern noch weitere Unstimmigkeiten. Wie sieht es zum Beispiel mit dem Sold für Soldaten aus?“ hakte ich nach, da ich diese unter Verschluss gehaltenen Bücher noch nicht in Augenschein nehmen konnte.
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass man den Soldaten falsche Gelder zukommen lässt.“ hörte ich einen Herren neben mir, welcher mit eben solchen Dingen vertraut war.
„Warum nicht? Jemand könnte dort kleinere Beträge für sich ab zwacken, ohne dass es groß auffallen würde. Die Soldaten bekommen ihren Sold wie gehabt, aber sie wissen ja nicht, was hinter verschlossenen Türen noch an Gelder fließen.“ gab ich zu bedenken.
Damit hatte ich König Ludwigs volle Aufmerksamkeit.
„Wir sollten auch dort eine gründliche Prüfung durchführen. Ich will endlich wissen, wo die Gelder hin verschwinden. Sie können sich ja nicht in Luft auflösen. Oder haben wir in der Armee etwas anderes übersehen?“ er sah zu seinem Finanzminister, welcher ins Grübeln kam.
„Eure Majestät, nicht das mir so etwas bekannt wäre. Aber ich werde mich umgehend darum kümmern. Maître Kenway, würdet ihr mir dabei behilflich sein? Es sind einige Bücher, die durchgesehen werden müssen.“
Ich versicherte ihm, dass ich ihm zur Hand gehen würde und in den nächsten Tagen meine Forschungen dahin gehend vorantreiben werde.
Gerade als wir erneut auf das Thema der Anschläge kamen, bat ein Diener um Einlass.
„Eure Majestät, eine Auflistung eurer Frau Gemahlin für einen Unterhaltungsnachmittag für die Damen.“ mit einer tiefen Verbeugung übergab er das Schriftstück und verließ den Raum.
Ludwig faltete die Seiten auseinander und seine Augen verengten sich immer weiter. Plötzlich fuhr seine Faust donnernd auf die Tischplatte, dass es klirrte.
„Maria will mich bankrott sehen! Das muss es sein!“ fauchte er hinter zusammen gebissenen Zähnen und knüllte das Papier wutentbrannt zusammen.
Der Finanzminister griff vorsichtig danach und auch er traute anscheinend seinen Augen nicht. Wortlos reichte er es an mich weiter.
Für den besagten Nachmittag plante man eine Reihe erlesener Speisen, Musiker, Sklaven und natürlich Champagner und diverse exotische Getränke und Früchte.
Meine Frau war nach dem Frühstück zur Königin gerufen worden und jetzt wusste ich zumindest, was man dort gerade besprach. Mir erschloss sich nur nicht, wofür man extra Sklaven anheuern wollte. Musiker waren ja noch vertretbar.
„Jetzt wisst ihr zumindest wo ein Teil der Schatzkammer des öfteren hin verschwindet. Von den Schulden meiner Gattin einmal abgesehen.“ Ludwig war es sichtlich unangenehm, dass seine Frau so verschwenderisch mit Geld umging.
Mit zwei Ministern machte ich mich kurz darauf auf den Weg zum Archiv, um die Bücher zu holen. Es waren insgesamt 8 Stück. Allesamt dicht beschrieben und ein Teil reichte 7 Jahre zurück.
„Vielleicht gibt es ja doch noch Posten, die entfernt wurden, aber nicht aus den Soldlisten“ grübelte der Finanzminister auf dem Weg zu meinen Gemächern.
„Irgendwo muss das Geld ja bleiben und ich bin zuversichtlich, dass ich eine brauchbare Spur finden werde.“ versicherte ich ihm.
„Wollen wir es hoffen, Maître Kenway. Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg bei der Recherche.“ mit einer tiefen Verbeugung verließ er das Vorzimmer.
Ich selber setzte mich an den Schreibtisch und ließ meinen Blick über die beachtlichen Bücher schweifen. Abgegriffen, fleckig und alt.
Im selben Moment erschien auch Alex wieder hier und stand erschöpft einen Moment im Raum.
Ich sprach sie auf ihren Vormittag bei der Königin an, weil mich interessierte, ob sie wusste, was alles geplant war für den Damennachmittag.
„Du kannst es dir nicht vorstellen, aber hier wird ein Heiden Geld verprasst für einen einzigen Nachmittag für die Damen der höheren Gesellschaft. Es tut mir in der Seele weh, weißt du das?“ seufzend ließ sie sich vor der Kommode auf einen Hocker sinken. Die Zofen und mein Kammerdiener waren bereits erschienen um uns für das Mittagessen umzuziehen.
Die Laune unseres Sohnes war heute definitiv besser und als er seinen Mittagsschlaf antrat gingen Alex und ich in den Schlossgarten. Langsam schritten wir den Kiesweg entlang und genossen diese Ruhe.
„Weißt du, dass es diese Momente sind, welche ich so gerne öfter haben möchte, mi amor?“ völlig in Gedanken versunken besah sie sich einen Rosenbusch.
„Dann sollten wir sie genießen, mi sol. Auch mir fehlt mitunter diese Ruhe. Gerade in den letzten Tagen war es wieder für den Geist sehr anstrengend.“ sprach ich leise um sie nicht aus dieser Stille zu reißen.
„Und das aus dem Mund eines Kriegsgottes.“ kicherte sie leise.
Da kam mir ein etwas absurder Gedanke. Wie sollte ich in Zukunft damit umgehen, war dieser Tyr allgegenwärtig? Musste ich etwas tun um ihn heraufzubeschwören?
Nein mein Sohn. Ich bin wie alle Götter immer bereit, immer da um euch zur Seite zu stehen. Natürlich ziehen wir uns bei einigen … Dingen selbstverständlich zurück. Auch er klang leicht belustigt dabei.
„Danke“ war alles was ich darauf erwiderte und vielleicht sollten wir ihn einmal auf die Probe stellen, ob wir wirklich auch ab und an alleine waren. Mein Blick ging hinüber zu einem etwas abgelegenen Pavillon. Ohne ein weiteres Wort zog ich Alex einfach hinter mir her und wir stellten vermutlich alle Götter auf die Probe, als ich meiner Frau bewies, dass sie mir gehörte!
Diese kleine Auszeit hatte uns gut getan und entspannt verbrachten wir den Nachmittag mit unserem Sohn im Freien.
Plötzlich eilte uns Monsieur de la Sèrre mit einem Zettel in der Hand winkend entgegen.
„Ah, endlich habe ich euch gefunden. Maîtresse Kenway, Maître Kenway!“ mit einer Verbeugung ließ er sich neben uns auf einer Bank nieder.
Edward beäugte ihn etwas skeptisch, ging aber langsam auf ihn zu. Mit einem Male hörten wir „Mama...daaaaaa“ und er deutete auf den Franzosen. Den Herren umgab eine leuchtende goldene Aura, welche unserem Sohn nicht entgangen zu sein schien.
Francois nahm ihn auf seinen Schoß und fragte nach, was er denn meinen würde.
Alex versuchte eine etwas stotternde Erklärung.
„Unser Sohn ist euch wohlgesonnen. Er … erkennt die Menschen anders, als andere.“
„Ihr meint, Maître Edward hat ein Gespür für freundliche Menschen und die, die ihm nichts gutes wollen? Das ist faszinierend. Ich hoffe, ich kann meinen Kindern später auch diese Fähigkeit beibringen. Sie ist gerade in unseren Kreisen so wichtig.“
Meiner Gattin sah ich an, dass sie über seinen Nachwuchs schon Bescheid wusste.
Es gibt später eine Tochter, Elise. Sie wird sich mit dem Sohn von Dorian zusammentun. Hörte ich eine kurze Einweisung von ihr in meinem Kopf.
Aber der französische Templer kam jetzt auf das Schreiben in seiner Hand zu sprechen. In diesem bat uns Monsieur Dorian um ein Treffen am Abend in seinen Räumlichkeiten.
Endlich hätten wir die Gelegenheit mit ihm in Ruhe zu reden.
Nach dem Abendessen jedoch befand Edward, dass es für ihn noch längst nicht Zeit sei um zu schlafen. Er schrie und zappelte herum, so dass weder Alex noch Sybill ihn zur Ruhe brachten.
Geh mein Sohn und hilf ihm, sich zu entspannen. Tyrs Stimme hat diesen väterlichen Ton angeschlagen, welchen ich noch von meinem Vater kannte.
„Was hast du denn, Edward? Stimmt etwas nicht?“ fragte ich leise nach, als er auf meinem Arm war.
Ich begann im Geist mit ihm zu reden und wanderte langsam mit ihm durchs Zimmer. Zum ersten mal machte ich das, wurde mir bewusst.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Alex mit wütendem Blick umdrehte und das Zimmer verließ. Ihre Eifersucht kannte bei unserem Sohn anscheinend auch bei mir keine Grenze. Doch das musste jetzt warten.
Schnell wurde klar, dass Edward die Veränderung in mir gespürt hatte und etwas verunsichert war. Noch war er zu klein um all das zu verstehen und hatte deshalb Angst. Ich versprach ihm, dass er in unserer Gegenwart nie etwas zu befürchten hätte, dass wir alle auf ihn Acht gaben.
Meine Hand schloss sich um seinen Kopf und langsam legte er ihn auf meine Schulter. Sein Atem wurde ruhiger und sein ganzer Körper kam zur Ruhe.
„Wir sind immer für dich da, Edward. Hab keine Angst und ich bin sicher, auch du wirst bald erfahren, wer an deiner Seite steht.“ flüsterte ich, als ich ihn vorsichtig in sein Bett legte.
Ich blieb noch eine Weile bei ihm sitzen und betrachtete diesen kleinen Menschen. In mir keimte ein leises schlechtes Gewissen auf. Nie hatte ich so meinen anderen Sohn gesehen. Würde er mir das verzeihen können?
Deine Frau hat dir ein Versprechen gegeben, oder nicht? Vertraue ihr! Es wird leider nicht gleich morgen soweit sein. Wieder war der Gott in meinem Kopf mit diesem ruhigen Tonfall, den nur Väter an sich haben.
Als ich ins Empfangszimmer trat, wischte meine Frau sich Tränen vom Gesicht. Auf ein Kopfschüttelnd von Sybill hakte ich nicht nach, was vorgefallen war. Im Grunde konnte ich es mir ja denken. Alex hatte immer noch ein Problem damit, wenn jemand außer sie selbst unseren Sohn beruhigen konnte. Ich nahm sie nur in den Arm, damit sie wusste, dass ich auch für sie immer da sein werde.
Damit war aber der Abend noch nicht beendet, weil wir noch den Termin mit Monsieur Dorian hatten. Auf dem Weg dorthin trafen wir unseren Begleiter Monsieur de la Sèrre und gingen gemeinsam weiter.
Seine Gemächer lagen im ersten Stock des Gästeflügels mit einem wunderbaren Blick auf den Schlossgarten.
Ich hatte ein etwas eigenartiges Gefühl im Magen, weil ich – nicht zum ersten Mal wohlgemerkt – einem mir fremden Assassinen gegenüberstand. Noch hatte ich dieses Misstrauen nicht gänzlich abschütteln können, vermutlich würde ich dies auch nie.
Nach einer steifen Begrüßung polterte Dorian ohne Vorwarnung auch gleich los.
„Monsieur de la Sérre, wie könnt ihr es eigentlich wagen, um ein Treffen zu bitten, wo ihr doch wisst, dass ich noch eine offene Rechnung mit dem Orden habe. Ihr als des Königs Stiefellecker solltet es doch wohl besser wissen.“
Leider war ich, genau wie Alex, nicht ganz im Bilde, was genau zwischen ihnen vorgefallen war. Es ging um einen Mord soviel ich wusste. Aber musste man gleich so ausfallend werden.
„Ich muss doch wohl sehr bitten…“ und Francois Blick glitt entschuldigend in die Richtung meiner Frau. Vermutlich kannte sie ganz andere Beschimpfungen und war abgebrühter als die Herren hier vermuten würden.
* Hier folgt ein etwas veränderter Auszug aus
„Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ Kapitel 23 - Hauptstory *
Dieser Schlagabtausch ging eine Weile hin und her und langsam wurde uns klar, worum es eigentlich ging.
Mal wieder hatten beide Seiten nicht ganz korrekte Hinweise und Nachrichten erhalten, was sie veranlasste entsprechend falsch zu handeln. Daraus resultierte der Tod des besten Mannes von de la Sérre und Dorian verlor darüber hinaus auch noch seinen Mentor.
Hier in Frankreich war also tatsächlich unsere Lehre von der Zusammenarbeit noch nicht angekommen.
Alex versuchte den Herren die Fortschritte in England aufzuzeigen und dass man in kleinen Schritten sich sicherlich irgendwann annähern könnte. Leider erntete sie ein einheitliches Kopfschütteln.
„Das mag ja sein, aber wir haben hier mit ganz anderen Problemen zu kämpfen wie ihr wisst.“ sprach Charles und sah sie dabei ein wenig abwertend an, so als würde er ihr ihre Position nicht zutrauen.
„Das ist uns bewusst, Monsieur Dorian. Aber bedenkt, was ihr erreichen könntet, wenn die Bruderschaft und die Templer auch hier einen, wenn auch kleinen, Waffenstillstand erreichen würden. Hier in Frankreich steht ebenfalls nicht alles zum Besten, es geht um die Bevölkerung und nicht nur um die Ordens- oder Bruderschaftsbelange. Diesen Kleinkrieg werden wir vermutlich nie ganz beilegen können, aber wir sollten es versuchen.“ sprach Alex mit einer Autorität in der Stimme, die sich auch in ihrer stolzen Körperhaltung widerspiegelte.
„Als wenn ihr wüsstet, wovon ihr sprecht, Maîtresse Kenway. Ihr seid behütet aufgewachsen, habt nie das Leben wie es sich wirklich zuträgt erlebt. Also erzählt mir nicht, wie sich die Bevölkerung fühlt!“ fauchte der Assassine sie an. Was fiel diesem Mann ein, meine Gattin so anzugehen! Bevor ich jedoch agieren konnte, redete Alex weiter.
„Oh, ich glaube sehr wohl zu wissen, wie es um die Menschheit bestellt ist. Nämlich erbärmlich, wenn sie von zwei Seiten bedrängt wird! Natürlich werde ich euch keine Garantie geben können…“ jetzt war es Francois, welcher ihr ins Wort fiel.
„Es gibt immer Widersacher, welche sich aber im Rahmen halten. Ich vermute ein Großteil unserer Bünde würde sicherlich übereinkommen!“
Dorians Blick ging von einem zum anderen und blieb dann wieder bei meiner Frau hängen.
„Warum seid ihr so entschlossen eine Vereinigung zu erwirken?“
Es trat eine kurze Pause ein, in welcher Alex eine Antwort suchte. Plötzlich sah ich, dass ihr eine Idee kam, ob sie aber funktionieren würde, war fraglich.
Alex sprach unter anderem auch die Vorläufer an, weil wir eigentlich sicher gehen konnten, dass beide Franzosen darüber im Bilde waren. Deren Artefakte und die Suche danach, die schon seit Ewigkeiten beide Bünde antrieb, wurde mit eingebaut. Gemeinsam könnten wir schneller ans Ziel kommen, gemeinsam wäre es möglich diese Kräften in die richtigen Bahnen zu lenken.
Außerdem kam sie auf ihren eigenen Wunsch, dem Orden beizutreten zu sprechen. Jedoch missfiel Dorian diese Entscheidung und er schüttelte ohne ein Wort leicht den Kopf. Alex erwähnte auch ihre eigenen Kompromisse, die daraus resultierten.
„Aber was machen wir dann mit diesen Widersachern, welche unseren Fortschritt nicht wahrhaben wollen?“ in Charles´ Gesicht lag ein berechnender Ausdruck, er spekulierte darauf, dass sie sagte, sie würden den Tod finden.
„Diese Personen würden versuchen die Spitzen der Bünde zu eliminieren. Also muss man ihnen zuvorkommen und sie aufhalten. Leider wird es nicht ohne Blutvergießen gehen, befürchte ich.“ Es war die schlichte Wahrheit.
„Aufhalten können wir sie nicht! Was aber auch bedeutet, wir müssten noch mehr vertrauenswürdige Leute haben, die sich um diese Probleme kümmern. Wer aber soll das alles im Auge behalten?“ wieder war Charles sich sicher, dass sein Standpunkt der richtige war.
„Nein, aufhalten könne wir sie nicht wie schon gesagt! Auch kann ich euch keine hundert prozentige Garantie geben, aber ich kann euch sagen, dass mehr Menschen diesem Beispiel folgen werden, wenn sie erst einmal die positiven Seiten erkennen. Und ja, ich weiß! Das wird dauern und ich wiederhole mich! Das passiert nicht von heute auf morgen, aber ich will diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen, Monsieur Dorian. Auch ihr wollt sicher für eure eigenen zukünftigen Kinder diesen Frieden haben, oder sehe ich das falsch?“ es war in diesem Moment fraglich, ob dieses Argument schon ziehen würde.
„Meine Kinder… wer weiß schon, was irgendwann einmal sein wird.“ diese Resignation war nicht zu überhören, es klang, als hätte er bereits jetzt schon jede Hoffnung und jeden Glauben aufgegeben!
Ich entschied, dass auch ich meinen Beitrag leisten sollte. „Entscheidet euch nicht jetzt sofort. Niemand erwartet das von euch, Monsieur Dorian. Aber ich bitte euch einmal darüber nachzudenken. Es geht, wie ich es immer wieder betonen möchte, nicht um die Assassinen oder Templer alleine. Wir tragen Sorge für die gesamte Menschheit und es brauen sich Dinge zusammen, welche größer und tragischer sind, als wir erahnen können!“
„Ich weiß, ich weiß… wenn es nicht der Weltuntergang ist, so ist es das Unwissen, die Machtlosigkeit und die Unvernunft, welche uns in das Verderben stürzen wird.“ ein tiefes Seufzen und dann erhellte sich seine Miene. „Ich werde mich mit den Ältesten beraten und dann…“ er machte eine Pause und sah dann wieder von einem zum anderen. „Was machen wir mit Honoré Bellec? Ich hatte keinerlei Einfluss auf seine Taten, dass müsst ihr mir glauben…“ und plötzlich spielten sich wahre Romane in seinem Gesicht ab.
Charles kam die Erkenntnis, dass genau dieses Handeln von Bellec falsch war! Dieser hatte sich nicht beirren lassen, sondern war blind Befehlen gefolgt!
„Jesus, ich weiß jetzt was ihr meint… Wir müssen unser gesamtes Denken überarbeiten!“ diese Erkenntnis von dem Franzosen erzeugte bei mir eine wahre Erleichterung.
Er hatte verstanden, aber würde er es auch entsprechend umsetzen können?
Die folgende Stunde verbrachten wir mit Erklärungen und wie die beiden Bünde eine Annäherung zustande bekämen. Wir würden auch den „stillen“ Zweig des Ordens, welcher seinen Ursprung in London hat, mit einbeziehen um für die Sicherheit einzelner Personen sorgen zu können.
Hier in Frankreich wäre das Ganze Unterfangen jedoch nicht so leicht. Noch glaubte man hier an den König, an dessen Schutz und guter Führung. Wie ich von Alex wusste, würde es in einigen Jahren erst ganz anders hier aussehen. Auch hier stand dann eine Revolution an, die mit hohen Verlusten einherginge, aber den bitter nötigen Umschwung für Frankreich brachte.
Irgendwann meinte Dorian, dass er sich noch ein wenig Bedenkzeit erbitte, weil er diese weittragende Entscheidung nicht alleine treffen konnte und wollte. Natürlich stimmten wir dem zu, weil es sich um eine ziemlich große Bruderschaft handelte.
* Ende des Auszugs *
Als wir uns auf dem Weg zurück zu unseren Gemächern befanden, fuhr de la Sèrre aus der Haut.
„Wie lange will er denn noch warten?“
„Auch er braucht einen Moment und ich gehe davon aus, dass seine Entscheidung positiv ausfallen wird.“ damit hoffte ich, dass der Franzose ein wenig Geduld aufbringen konnte.
Ein etwas zögerliches Kopfnicken und eine kurze Verabschiedung von ihm folgten und wir zogen uns auch für die Nachtruhe zurück.
„Es geht voran, Haytham. Ich bin gerade sehr zuversichtlich, dass unsere Mission bald Früchte tragen wird.“ sprach Alex leise, als wir uns im Schlafzimmer umkleiden ließen.
„Ich habe nie an deinen Vorstellungen und Wünschen gezweifelt. Du hast dich wieder gut geschlagen heute und ich glaube, dieser Dorian ahnt selber, dass er sonst auf einsamen Posten stehen wird, sollte er sich gegen unseren Vorschlag stellen.“ ein stolzes Lächeln in ihre Richtung sollte ihr zeigen, dass ich hinter ihr stand.
„Shay wird ihm trotzdem den Tod bringen.“ flüsterte sie plötzlich leise.
„Ich weiß, Alex. Aber es ist unvermeidbar, oder?“ war es das wirklich? Vermutlich ging uns beiden diese Frage gerade durch den Kopf.
Wir durften die Geschichte nicht ändern, soviel war uns klar. Der junge Dorian würde ein gänzlich anderes Schicksal erleben, wenn sein Vater weiterleben würde. Damit verbunden wäre ein ganzer Rattenschwanz an kleineren Veränderungen, die wir kaum überblicken könnten. Also war es eindeutig ein Nein! Es war unvermeidbar!
Heute war eine deutliche Anspannung schon beim Frühstück unter den Gästen und Bewohnern von Versailles zu spüren. Jedermann schien auf diese Hinrichtung zu warten. Ein Spektakel, welches man nicht jeden Tag zu sehen bekam und man wollte nichts verpassen.
Während des Essens debattierte man darüber, was diese Männer verbrochen haben könnten, was ihnen eine solch „barbarische“ Methode einbringen würde. Odin sei Dank, hatten sich die Anschläge noch nicht herumgesprochen.
Wie es schien konnte man hier am Hofe doch Geheimnisse für sich behalten und tratschte nicht gleich aus dem Nähkästchen.
Wir übergaben anschließend unseren Sohn seinem Kindermädchen. Es war Alex und mir wichtig, dass er nicht wie einige andere Kinder bei der Hinrichtung anwesend war. Auf der einen Seite war es sicherlich wichtig, dass der Nachwuchs lernen musste, dass auf ein Verbrechen eine Strafe folgte. Auf der anderen Seite war es aber sicherlich nicht förderlich mit nicht einmal drei Jahren so etwas zu sehen. Leider sahen es hier einige Eltern aber anders und schleiften ihre Kinder mit sich.
Langsam schritten wir den anderen Menschen hinterher, welche sich immer noch fragten, WER denn heute WIE sein Leben lassen musste.
„Ein ganz übler Schurke, wenn ihr mich fragt. Er hat angeblich zwei Kinder seiner Mätresse ermordet, weil sie ihm eine Last wurden!“ oder aber „Der andere Mann hatte sich mit einem… ich mag es nicht sagen… mit einem anderen Herren erwischen lassen, wie sie es… ihr wisst schon…“
Sowas konnte man sich ja nicht mit anhören, also eilten wir schnellen Schrittes an den anderen Schaulustigen vorbei, weg von diesen völlig unangebrachten Aussagen.
Der Vorplatz von Schloss Versailles war weder umzäunt noch war er großartig bewacht, was für meine Begriffe eher untypisch war. Vermutlich ging niemand von einer Bedrohung oder einem Befreiungsversuch der beiden Delinquenten aus.
Alex´ Sicht wurde jedoch von einigen großgewachsenen Herren versperrt. Kurzerhand hob ich sie auf einen Karren, von dort konnte sie alles überblicken.
* Ein kurzer veränderter Auszug aus
„Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ Kapitel 24 - Hauptstory*
Dann endlich kam Bewegung in die Menschenmassen und ich sah einen von einem Pferd gezogenen Wagen, auf dessen Ladefläche Honoré Bellec und Dagenais gefesselt saßen. Beide Männer sahen immer noch zum Fürchten aus, weil ihre Gesichter zahlreiche Blutergüsse aufwiesen und sogar an den Armen und Beinen waren blaue Flecken zusehen.
„Wie werden die beiden eigentlich hingerichtet?“ fragte Alex nach, doch ich wies mit dem Kopf wortlos zum Schafott. Ihr Blick wanderte in die Richtung wo ein Hackklotz stand in dem ein Beil steckte. Daneben war eine Art kleiner Pfahl, an welchem Lederbänder befestigt waren. Der Henker Barabás stand schon parat und hielt ein Breitschwert in den Händen. Natürlich sah man sein Gesicht nicht, es war unter einer Haube verborgen, aber vermutlich hatte er keinen getrübten Ausdruck aufgesetzt.
Beide Herren wurden nun hinauf gehievt und man band sogleich Dagenais mit den Händen an den kleinen Pfahl. Bellec hingegen wurden die Hände auf den Rücken gefesselt und man beugte ihn über den Hackklotz.
Ein Raunen ging durch die Menge als nun der Richter vortrat und das Urteil und die Vergehen verkündete. Als er sagte, dass die beiden Männer sich eines Anschlages auf den König schuldig gemacht hatten, hörte man entsetzte Aufschreie.
Schockiert fragte eine Frau, die bei Alex mit auf dem Karren stand „Man wollte König Louis ermorden? Aber warum denn das? Oder hat auch der König sich etwas zu schulden kommen lassen?“ sie war näher gekommen und erhoffte sich anscheinend neue Gerüchte zu hören. Alex würde einen Teufel tun, die Gerüchteküche anzuheizen. Enttäuscht und mit einem „Pfffffffft, nicht mal auf die Höflinge ist heute noch Verlass!“ stieg sie von dem Karren hinunter.
Monsieur Dagenais wurde als erstem erklärt, wie er sterben wird. Er würde mit dem Schwert enthauptet werden und ich hörte die Leute um uns jubeln. „Ja, das hat dieser Schmarotzer auch verdient.“ „Man sollte ihn besser vierteilen“ „Nieder mit dem Pack“ und so weiter… Es war, als wohnten diese Menschen einem Theaterstück bei. Man könnte meinen, sie nahmen das Ganze überhaupt nicht ernst und machten sich einen Spaß daraus.
Vom Schafott hörte man plötzlich ein klägliches Wimmern. Dagenais betete zu Gott, bat um Vergebung und weinte dabei. „Er hat keine Gnade verdient!“ höhnten die Zuschauer und einige lachten auch noch über diese Aussage.
Dann holte Barabás mit dem Schwert aus, welches er in beiden Händen hielt und ließ es mit großem Schwung von der Seite auf den Hals des Verurteilten schnellen! Auch wenn es sich makaber anhören mag, der Schnitt war sauber gesetzt und trennte augenblicklich den Kopf ab. Plötzlich legte sich die zitternde Hand meiner Frau auf meine Schulter. Zur Beruhigung drückte ich sie. Ich musste davon ausgehen, dass sie so etwas noch nie zuvor gesehen hat. Wieder einmal war meine Neugierde angestachelt im Bezug auf die Hinrichtungsmethoden in ihrer Zeit. Vielleicht hätten wir später die Gelegenheit für eine kleine Unterhaltung.
Jetzt war Bellec an der Reihe. Doch er machte kein einziges Geräusch, er rührte sich noch nicht einmal. Er hing vornüber gebeugt auf dem Klotz und harrte der Dinge die jetzt mit ihm geschahen!
Der Richter trat noch einmal vor ihn und sprach ein leises Gebet, genau wie bei Dagenais gerade. Aber Honoré flehte nicht um Gnade. Er hob nicht einmal seinen Kopf. Plötzlich hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. „Ich bin besiegt, ich habe nichts mehr zu verlieren. Aber mein Sohn wird mich rächen, er wird die Bruderschaft aufrecht erhalten! Komme was da wolle!“ und dann rollte auch sein Schädel in den Korb vor ihm und die Stimme verstummte augenblicklich!
Meine Frau begann heftiger zu zittern und drohte ohnmächtig zu werden. Schnell hob ich sie vom Karren und hielt sie fest an mich gedrückt. In einigen Belangen war sie hart im Nehmen, aber hier ging es um Menschenleben die genommen wurde und auch mir war etwas mulmig geworden.
„Shhhhh, es ist vorbei, sieh nicht mehr hin, mi sol.“ sprach ich leise und strich ihr dabei immer wieder beruhigend über den Rücken. „Ich habe es auch gehört und ich frage mich gerade, ob wir seinen Sohn einmal aufsuchen sollten…“ ging es mir durch den Kopf.
„Lass uns von hier verschwinden, Haytham. Ich kann das nicht länger mit ansehen.“
Mittlerweile hielten der Richter und auch der Henker die Köpfe der Getöteten in die Höhe und versprachen der Bevölkerung, jeden einzelnen zu finden, der es wagen sollte eine solche Tat noch einmal verüben zu wollen!
Im Palast wieder angekommen, ließ Alex sich auf eine der Bänke im Foyer fallen und stützte ihren Kopf in beide Hände. Ich suchte nach einem Diener, welcher etwas zu trinken anbieten konnte. Und tatsächlich hier schlenderten zwei dieser Herren mit Erfrischungen herum. Erschreckend, wie aus diesem so widerwärtigen Akt eine harmlose Veranstaltung gemacht werden sollte.
Meiner Frau reichte ich ein Glas Cognac um ihren Magen und die Nerven zu beruhigen.
„Ich hoffe, ich muss so etwas nie wieder sehen, mi amor. Das ist einfach grausam!“ stöhnte sie leise und sah mich traurig an.
Jetzt oder nie, dachte ich und fragte nach den Strafen für Verbrecher in ihrer Zeit.
„Ich gehe einfach davon aus, dass in deiner Zeit keine Hinrichtungen wie diese stattfinden? Aber wie bestraft man denn dann einen Mörder?“ ich setzte mich neben sie und hielt wieder ihre Hand fest.
„Ähm… es gibt die lebenslange Haftstrafe zum Beispiel. Was aber etwas falsch klingt, weil es meistens so 25 Jahre in einem Gefängnis wären, also nicht wirklich für den Rest des Lebens. Aber die Todesstrafe gibt es nur noch in wenigen Ländern. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, wo genau…“ kurz runzelte sie die Stirn.
„Man versucht also solche Menschen zu züchtigen, in dem man sie einfach wegsperrt? Ich hoffe doch, sie bekommen nur Wasser und Brot und müssen schwer arbeiten, während sie dort einsitzen.“ das wäre angemessen, meiner Meinung nach. Aber Alex erklärte mir, wie so eine Haftstrafe aussehen konnte.
Der Alltag in einem Gefängnis dort beginnt mit frühem Aufstehen, frühstücken und meistens gehen die Insassen danach einer geregelten Arbeit in oder außerhalb der Anstalt nach. Je nach Schweregrad ihres Verbrechens und des Urteils.
Da gab es Unterschiede? Das klang alles recht absurd.
Die Inhaftierten wurden dann abends wieder eingeschlossen und so verbrachten sie ihre Haftstrafen.
Es gab aber noch sogenannte Hochsicherheitsgefängnisse oder auch entsprechende – wie hießen sie noch? - Psychiatrien, wo die „schweren Jungs“ einsaßen. So nannte sie Alex. Dort wurden einige aufgrund eines Fehlers in ihrem Kopf behandelt zum Beispiel. Ausgang war nicht erlaubt, Besucher auch nicht.
Für mich klang es eher nach dem Paradies für Verbrecher. Härtere Strafen müssten sie bekommen.
„Ich lebte aber in einer Zeit, wo es die Ethik und Moral nicht mehr zulässt, Haytham. Es ist vermutlich wie mit der Erziehung bei Edward. Du würdest ihn sicherlich auch anders bestrafen, wenn er etwas angestellt hat, als ich es tun würde…“ dieses Themen könnte man noch über Stunden weiterführen. Ich befürchtete, dass wir genau DAS irgendwann auch tun würden müssten.
„Wir sollten unseren Sohn jetzt erst einmal suchen und schauen, ob er auch brav war. Was meinst du, mi sol?“ lächelte ich sie jetzt an und zog sie mit hoch.
Nachdem mein Sohn bei Tisch wieder mal seine nicht vorhandenen Manieren präsentiert hatte, welche Alex entschuldigte in dem sie sagte, dass es besser werden würde, wenn erst einmal mit Messer und Gabel umgehen könne, gingen wir in unsere Räumlichkeiten zurück. Während meine Frau den jungen Herren wusch und zu Bett brachte, erschien ein Bote mit einer Nachricht für sie von Königin Maria und einer von Ludwig für mich. Ich überflog meine Notiz, welche besagte, dass aus Übersee erfreuliche Neuigkeiten eingetroffen wären. Ich hoffte auf einen ereignisreichen interessanten Nachmittag.
Als meine Frau ihre Zeilen gelesen hatte, ließ sie sich seufzend auf dem Sofa nieder. Ob alles in Ordnung wäre, hakte ich nach.
„Ja, es ist nichts passiert. Nur der Damentag findet erst heute Abend statt. Also habe ich den Nachmittag noch frei und… ich weiß gerade nicht, was ich machen soll.“ sie klang wie ein nörgeliges Kleinkind, fast so wie July, dachte ich im Stillen.
Ich schlug ihr vor, da ich ihr leider auch keine Gesellschaft leisten könne, sich doch den anderen Damen anzuschließen. Sie würde es nicht tun, da war ich mir sicher. Teekränzchen mit Getratsche waren einfach nichts für sie.
Ein Abschiedskuss durfte nicht fehlen, auch wenn mir gerade nach weitaus mehr war als das.
Man erwartete mich schon im Studierzimmer von König Ludwig.
„Wir haben hervorragende Neuigkeiten aus der neuen Welt, Maître Kenway.“ freute sich einer der heute hier anwesenden Majore. „Wir konnten einen Vorstoß im nördlichen Amerika vollenden. Bald werden wir dort noch mehr Truppen hin entsenden, um die Territorien zu sichern für Frankreich.“
„Aber bedenkt, dass wir uns nicht in die Belange der britischen Krone einmischen. Wir können nicht noch mehr Verluste aufgrund dieser kleineren Scharmützel hinnehmen. Erst vor einem halben Jahr hat man eine große Einheit unserer Leute gesprengt und sich weiter in unser Gebiet vorgearbeitet. So etwas ist einfach nicht hinzu nehmen!“ fauchte ein weiterer Herr in Uniform.
Der Franzosen-Indianer Krieg schien gerade nicht von Belang zu sein. Doch ich als Brite hatte gerade ein etwas eigenartiges Gefühl im Bauch. Ich konnte mich schlecht auf die Seite der Franzosen stellen, aber auch auf die britische Seite konnte ich mich gerade nicht stellen. Eine Zwickmühle und alle Augen waren auf mich gerichtet. Erwartungsvoll dazu!
„Dieser Erfolg ist wirklich hervorragend und sollte weiter vorangetrieben werden. Bedenkt jedoch, die Briten werden sich nicht einfach so geschlagen geben. Es ist Vorsicht geboten, wie ihr schon sagtet. Zumal es bereits in den Kolonien anfängt zu brodeln wegen einiger absurder Steuern König Georges.“ gab ich zu bedenken.
„Das zeugt nur davon, dass die Schatzkammer Englands wohl bereits leer ist. Wir hingegen können die Truppen ausbauen und weitere Gebiete einnehmen. Ich sehe dem Ganzen Positiv entgegen.“ erwiderte der ebenfalls anwesende Finanzminister zuversichtlich.
„Das schon, aber ihr solltet die Eingeborenen ebenso nicht unterschätzen.“ aus eigener Erfahrung und aus Erzählungen von Ziio und Alex wusste ich, dass sich da in den kommenden Jahren mehrere kleinere Kriege um die Gebiete ergeben werden.
„Wir haben kompetente Männer dort, die sich schon ausreichend verständigen können mit den einzelnen Stämmen. Niemand wird dort einfach abgeschlachtet, wie ihr vielleicht vermutet, Maître Kenway.“ diese Überheblichkeit ließ mich wütend werden. Aber der Herr konnte ja nicht wissen, welche persönlichen Erfahrungen ich habe und ich würde den Teufel tun, ihnen hier diese Sicht zu erklären.
„Dennoch, lasst Vorsicht walten.“ sprach ich eindringlich alle Herren am Tisch noch einmal an.
Im weiteren Verlauf dieses Gesprächs kamen wir jetzt auf die Kosten der Soldaten, der Überfahrten und ähnlichem zu sprechen. Die Summen waren erschreckend hoch, aber unvermeidbar, wenn Frankreich in den Kolonien Bestand haben sollte. Es brannte mir unter den Nägeln, endlich zu wissen, wie sich diese ganze Situation noch entwickelt. Bis ins Detail war Alex nie gegangen, lediglich den Ausgang des Ganzen wusste ich. Und bis dahin würden noch einige Jahre ins Land ziehen.
Auch kam mein Fortschritt im Bezug auf die Militärischen Bilanzbücher zur Sprache. Leider konnte ich dort noch nichts neues verkünden.
„Ich hege immer noch die Hoffnung, dass wir dort fündig werden. Irgendwo muss es ein Loch geben.“ seufzte der Finanzminister.
Wir besprachen jetzt noch – für mich eher uninteressant – die Truppen Aufstellungen, die Zusammenstellung der Bewaffnungen, der Reittiere und so weiter. Man hatte die Uniformen noch einmal überarbeitet, damit die Soldaten den sich oft ändernden Wetterkapriolen angepasst sein. Ich konnte ein Lied von schlecht sitzenden und dünnen Uniformen singen, dachte ich grinsend.
Eine gefühlte Ewigkeit später, entließ König Ludwig uns Berater und bat mich noch mal eindringlich darum, mich mit den Büchern zu befassen.
In unseren Gemächern erwartete mich eine wohlriechende Gattin, welche versonnen vor dem Spiegel des Kleiderschrankes stand. Mit im Raum stand ein Zuber mit warmen dampfendem Wasser und jede Menge Handtücher drumherum. Das sah mehr als einladend aus und ließ mich auf mehr hoffen.
„Mi sol, es riecht verführerisch hier. Komme ich ungelegen und störe dich bei etwas?“ fragte ich leise und war schon dabei meinen Gehrock auszuziehen.
„Nein, im Gegenteil! Wir haben noch etwas Zeit und da der Zuber groß genug ist, sollten wir gemeinsam ein Bad nehmen? Ich gehe davon aus, du könntest diese Entspannung ebenso gut gebrauchen wie ich.“ hörte ich sie leise an meinem Ohr, während sie sich im Morgenrock gekleidet auf die Zehenspitzen stellte und mich verlangend küsste.
„Da kann ich schlecht nein sagen…“ meine Stimme war selbst für mich kaum hörbar. Ich glaube, so schnell hatte ich mich meiner Kleidung noch nie entledigt.
Alex´ Blick ging anerkennend über meinen Körper.
„Geh schon vor, mi amor. Ich komme dann dazu.“ bat sie mich lasziv.
Ich ließ mich ins warme Wasser gleiten, während sie mich im Auge behielt.
Langsam ging sie auf mich zu, drehte mir dann aber den Rücken zu und ließ sich so vor mir in dem Zuber nieder. Ihr Kopf lehnte an meiner Brust und sie räkelte sich wohlig. Ich konnte meine Hände nicht mehr still halten und ließ sie über ihre Brüste wandern. Ich fühlte mich mit einem Male wie ausgehungert und meine Lust ließ sich kaum verbergen. Alex entging das keineswegs, auch ihr Atem ging schwerer.
Meine Finger glitten langsam über ihren Bauch zu ihren Oberschenkeln.
„Na nu… so weich und glatt…“ erstaunt wanderten meine Finger weiter zwischen ihre Schenkel. Für einen Moment hielt ich überrascht inne. „Das… mi sol, es fühlt sich einfach fantastisch an. Steh auf, ich will dich ansehen!“ Nicht nur ihre Beine waren von allen Haaren befreit und als Alex jetzt vor mir stand hatte ich einen fantastischen Blick auf ihren Körper.
Fasziniert kniete ich mich vor sie, meine Hände umklammerten ihren Po und ich ließ sie meine Zunge spüren. Ich hatte mit vielem gerechnet aber nicht hiermit!
Ihre Hände griffen stöhnend mit den Worten „Oh, bei Odin!“ in meine Haare und begannen mich zu führen. Ich genoss diese pure Lust, ließ mich von ihr ebenso treiben. Hin und wieder hielt ich inne, nur um sie an ihrem Höhepunkt zu hindern! Wir wollten ja nicht zu schnell vorpreschen, nicht wahr?
Aber irgendwann konnte auch ich mich nicht mehr beherrschen und glitt wieder ins Wasser mit ihr auf meinem Schoß! Die Überflutung die wir anrichteten war zweitrangig gerade. Es zählten nur wir beide und ich nahm meine Frau mit einem ganz neuen Gefühl.
Bevor sie jedoch zu laut werden konnte, verschloss ich ihre Lippen mit meinen und brachte uns beide über die Schwelle.
Wir begannen uns nach einer kleinen Verschnaufpause abzutrocknen, aber ich konnte mich nicht an dieser glatten Haut sattsehen und ließ mich erneut vor ihr auf die Knie sinken. Doch mir ging ihre Erklärung, wer sie von den störenden Haaren befreit hatte nicht aus dem Kopf. Ein fremder Mann hatte sie so gesehen und ich befand, dass sie für dieses schamlose Verhalten eine kleine Lektion verdient hatte. Diese wurde mit einem erneuten Höhepunkt und einer Götterpreisung gedankt.
Für einen Moment lag sie in meinen Armen und erklärte sich noch einmal.
„Du brauchst dir um Monsieur Villason keine Sorgen machen, mi amor. Er mag nur Männer in seinem Bett und Frauen findet er nett wie eine gute Freundin. Auch wenn ich dir gestehen muss, dass er verdammt gut aussieht.“ flüsterte sie leise.
„So so, er sieht gut aus! Ich will hoffen, dass du in deinen Träumen und Gedanken aber weiterhin ausschließlich meinen Befehlen folgst.“ meine Stimme war noch etwas kratzig. Bei diesen Worten hatte sie meine Hand auf dem Po als Ermahnung.
Leider wurden wir unterbrochen, denn es war Zeit für das Abendessen. Michael erschien mit den Zofen für meine Frau.
Auch Edward kam mit seinem Kindermädchen herein.
Als Alex in einem Traum aus hellblauer Seide steckte, fiel mir ein, dass sie ja jetzt zu dem eigentlichen Damentreffen aufbrechen würde. Wir mussten also bei Tisch heute auf sie verzichten.
Beim Essen würde es also eine recht überschaubare Runde werden, vermutete ich, wenn alle Frauen in den Gemächern der Königin wären.
Erstaunt stellte ich aber fest, dass nicht alle dort waren. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob sie vielleicht nicht alle eingeladen waren. Aber Mrs de Gooijer klärte mich auf, dass sie an solchen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen würde. Es gab in der Vergangenheit laut ihrer Aussage, ausartende Orgien und sie wolle sich dem nicht mehr anschließen. Ob meine Frau mit diesem Abend aber nun glücklich sein würde, bezweifelte ich stark, da mir der ausdrückliche Wunsch nach Sklaven wieder in den Sinn kam.
„Master Kenway, es war scheußlich. Vertraut eurer Gattin einfach. Sie wird sicherlich auch schnell diese Farce verlassen wollen!“ versicherte mir Myrte leise damit niemand unsere Konversation hören konnte.
Im Anschluss brachte Sybill meinen Sohn zu Bett und ich begab mich auf den Weg zu den anderen Herren. Heute stand nichts weiter an außer sich den Zigarren und dem guten Wein hinzugeben. Ein paar Kartenspiele waren auch angedacht, hatte man mir noch kundgetan. Da ich aber selber kein Spieler bin, nur selten und dann auch nur Schach, unterhielt ich mich mit Mr de Gooijer über sein Gehöft in den Niederlanden und den dortigen Tabakanbau.
Ein interessanter Gedankenaustausch entfachte, als sich auch noch ein Herr aus Spanien hinzu gesellte und ebenso seine Vorliebe für alle Rauchwaren anpries.
„Wir haben wunderbare vollmundige Pflanzen in unserer Gegend. Auch wenn man sie ohne Mischung genießt, ist der Geschmack unverkennbar und man kommt nicht mehr davon los.“ lachte er und nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarre.
„Das ist mir zu Ohren gekommen, Senior Alcanta! Wir sollten uns, wenn es eure Zeit erlaubt, einmal zusammen setzen und einen Besuch besprechen.“ mir stimmte Mr de Gooijer ebenso zu.
„Wir könnten eine interessante Mischung aus Virginia-, Niederlande- und Spanientabak zusammen stellen. Ich freue mich schon jetzt auf die Kostproben!“ frohlockte der Spanier und wir stießen erneut auf eventuelle zukünftige Geschäfte an.
Nach ein paar Gläsern des guten Whiskeys ließ ich mich zu einer Partie Schach hinreißen. Leider verlor ich dieses Spiel an Senior Alcanta, aber er bot mir eine Revenge an. Aber erst morgen, da ich den Alkohol langsam in meinem Kopf spürte.
In unseren Gemächern wartete Michael auf mich, was mich immer noch etwas staunen ließ. Schnell hatte ich meine Nachtkleidung an und legte mich schon mal ins Bett. Alex würde sicher nicht so schnell wieder hier sein.
Aber weit gefehlt, ich lag noch nicht ganz, da trat sie ein mit einem roten Gesicht und schien völlig verstört zu sein. Ich ließ Magda sie in Ruhe umkleiden und erst als sie sich seufzend zu mir ins Bett legte, hakte ich nach.
Sie atmete tief durch und begann zu berichten. Es war nicht nur der Abend bei der Königin, nein. Schon vorher wurden ihre Nerven auf die Probe gestellt. Madame Pastice hatte sie auf dem Korridor zu den Gemächern beschuldigt eine Hexe zu sein und sie würde jetzt auch alle hier im Palast verhexen wollen. Sie hätte die Attentäter auf den König angesetzt. Bevor es jedoch ausarten konnte, wurde Madame Pastice ohnmächtig. Alex brachte sie, nachdem sie für die umstehende Anwesenden neue Bilder formte, zu ihrem Gatten.
Etwas hatte der Allvater ihr aber noch verraten, etwas, worauf sie noch gar nicht gekommen war.
// Wer auch immer sich gerade ihrer bemächtigt hatte, ist schlau und gerissen. Aber es war auf keinen Fall Hrymr, er scheint sich fürs erste ganz zurück gezogen zu haben, so als wisse er, dass ihm nun Gefahr droht. Dieser Bellec war von keinem göttlichen Wesen besessen, es war ein Normalsterblicher. Wer kann diese Macht übertragen? Fragte Odin nach.
Dieser Sichfrith soll doch ein Nachfahre von Ragnar Lodbrok sein, oder nicht? Könnte es da nicht… doch man ließ sie nicht aussprechen.
Ist er nicht, das wüsste ich ja wohl. Denk einmal darüber nach, Kind. Meine Nachfahren werde ich wohl erkennen können. Donnerte er ihr entgegen. Meine menschliche Gestalt ist aber ein direkter Nachfahre in der Blutlinie des Ragnars! Sagt dir der Name Björn Ragnarson etwas? Hmmm? Da auch meine Frau nicht alle Söhne kannte, musste sie die Frage verneinen.
Björn erhielt den Beinamen Ironside und dieser ist in der nachfolgenden Generation immer weiter gereicht worden, bis hin zu meiner jetzigen Gestalt! \\
Mal wieder erhielten wir Informationen Häppchenweise, was meine Frau am meisten ärgerte!
In den Gemächern der Eheleute angekommen, griff der Herr brutal nach seiner Gattin und schrie sie an, was sie jetzt wieder angestellt hätte. Er sollte sie einsperren, damit sie endlich zur Besinnung käme.
Alex´ Eingebung war dann die richtige gewesen. Der Herr hatte eine leuchtend rote Aura und sie drang postwendend in seinen Geist.
Doch es war kein echter Gott dort, sondern ein Mann namens Egil. Ein Bogenschütze, welcher Seite an Seite mit unserem Erzfeind kämpfte – Hrymr! Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie unbewaffnet bei den Pastices stand und dem Gatten direkt gegenüber. Aber sie hatte einen Schutzengel plötzlich an ihrer Seite – Loki! Gemeinsam konnten sie diesen Egil beseitigen, oder besser gesagt der Trickreiche erschlug den Bogenschützen mit einem wie durch Zauberhand auftauchendem Beil.
Monsieur Pastice hockte ängstlich in einer Nische und versicherte immer wieder, dass er seiner Frau nie so etwas antun würde. Er wäre nicht er selbst gewesen in den letzten Tagen und so weiter.
Wieder im Hier und jetzt hakte Alex bei Loki nach, warum er so leichtes Spiel hatte.
Egil ist ein einfacher Bogenschütze, oder besser gesagt Scharfschütze. Aber für den Nahkampf ist er einfach untauglich. Das konnte ich mir zunutze machen und glaub mir, es war mir mal wieder eine Freude, etwas nützliches tun zu können. Und jetzt… werde ich zu meiner Frau gehen und meine Wunden versorgen lassen. Damit hatte er sich grinsend zurückgezogen.
Meine Gattin hatte sich dann noch mit den Eheleuten unterhalten um sicher zugehen, dass ihnen nichts fehlte. Ein wenig Ruhe und Erholung wäre alles. Aber ihr Blick glitt zu einem Kästchen, welches die Madame für ihren Schmuck nutzte.
Von diesem Ding ging ein seltsames Leuchten aus und ihr kam der Gedanke, dass dies der Grund für diese „Übernahme“ durch Egil sein könnte. Es war eine Schatulle aus Walknochen mit Runen darauf. Es war der Kampf der Fylgja darauf beschrieben, das konnte sie tatsächlich erkennen und auch lesen. Die Runen formten die Worte wie von alleine. Madame Pastice überließ Alex dieses Gebilde nach einer kurzen Erklärung, woher sie es hätten. Auf dem Markt bei einem fahrenden Händler hatten sie es erworben, der es mit den Worten anpries, es sei uralt mehr als 900 Jahre alt und so weiter. Vorsichtshalber hatte sie es den Eheleute abgenommen und in unsere Zimmer gebracht.
Wir würden uns morgen mit ihnen treffen und alles weitere besprechen, versprach ich meiner Frau noch.
Erneut machte sie sich dann auf den Weg zur Königin, wo sie schon sehnsüchtigst erwartet wurde.
Es wurde Champagner gereicht, neben erlesenen Speisen und kleinen Häppchen.
Im Lauf der Stunden wurde ein Herr vorstellig, welcher diverse Spielzeuge, wie sie meine Frau bereits besaß, feilbot. Ebenso wurde auch entsprechender Schmuck angeboten. Mir fiel dieser Stab ein, welchen sie in London damals erstanden hatte, aber noch nicht hatte anbringen lassen.
Man erklärte den anwesenden Frauen jetzt, wie diese Sachen richtig zu reinigen und auch wie man sie zur Befriedigung nutzen sollte. Alex stieg dabei die Röte ins Gesicht und ich konnte mir vorstellen, dass es durchaus völlig unbedarfte Damen gab, die nicht einmal wussten, dass es so etwas gab.
Die auserkorene Geliebte der Königin, eine junge Frau welche seit einigen Monaten mit ihren Eltern im Palast lebte, war ebenso schockiert über diese Dinge dort auf dem Tisch. Alex besprach sich auch noch mit ihr und versicherte ihr, dass sie nichts tun sollte, was sie nicht wollte. Auch sollte das Mädchen Maria ihre bevorstehende Verlobung kundtun. Die Königin würde es sicher verstehen.
Es kam aber noch schlimmer. Jetzt kam der mir bereits befürchtete Moment, wo die Sklaven in den Mittelpunkt rückten. Es war wie befürchtet. Sie waren zur Bespaßung der Damen dort und es dauerte nicht lange, laut Alex´ Aussage, bis die ersten unzüchtigen Laute zu vernehmen waren. Auch sie blieb nicht verschont. Einer der Herren führte ihre Hand an … wir können uns alle vorstellen, wohin. Da Alex saß und er direkt vor ihr stand konnte ich es mir auch noch bildlich vorstellen und mir wurde übel.
Das war der Moment, an dem meine Frau einfach aufstand und ging, aber nicht, ohne die junge Frau mitzunehmen. Leider kam ihr Maria zuvor und führte sie in ihre privaten Räumlichkeiten nebenan.
Alex´ Nerven lagen jetzt blank und sie konnte nur noch Reißaus nehmen! Für einen Moment hatte sie im Park gestanden um sich wieder zu beruhigen aber ging dann zurück zu unseren Gemächern.
Ihre Wut war etwas abgeklungen, wie ich erleichtert feststellte.
„Das ist ja… und ich war nicht zugegen. Alex, wir werden mit den Pastices morgen in Ruhe reden und ich würde mir dieses Runenkästchen auch vorher einmal in Ruhe ansehen. Aber… es tut mir leid, dass du einen solch miserablen Abend hattest. Ich… möchte es mir nicht einmal ansatzweise vorstellen!“ ich konnte diesen Ekel nicht aus meiner Stimme verbannen in diesem Moment. „Leider werden wir die Zustände hier nicht ändern können, es wäre wirklich nur temporär. Die Menschen sind einfach noch nicht so weit, mi sol.“ vorsichtig strich ich über ihren Arm dabei.
„Leider können wir nur zusehen.“ seufzte sie leise, hielt aber plötzlich inne, so als überlegte sie, wie sie mir etwas am besten beichten könnte. „Du erinnerst dich doch noch an den Schmuck, welchen ich in London neben meinem Spielzeug erstanden habe?“ Ja, das hatte ich nicht vergessen, was damit sei, wollte ich wissen. Ich spielte ein wenig den Unwissenden, wollte mir nicht gleich in die Karten schauen lassen.
„Ich… habe noch ein weiteres schönes Stück erstanden und… ich… habe morgen einen Termin mit dem Herren, welcher sie mir stechen würde…“ kam es leise von ihr.
„Bist du dir sicher? Aber wenn du es wirklich willst, dann nur unter der Bedingung, dass ich zugegen sein werde. Ich will nicht, dass dieser Mann alleine mit dir in einem Raum ist und… es ist mir schon nicht recht, dass Monsieur Villason solche Blicke auf dich werfen konnte!“ Ich würde den Teufel tun, sie dabei alleine zu lassen. Ein weiterer Fremder Mann würde sie so freizügig vor sich sehen!
„Damit bin ich einverstanden, dann fühle ich mich auch geschützter, mi amor.“ ich hörte, dass sie mich damit besänftigen wollte, trotzdem ging mir dieses indirekte Lob runter wie Öl.
Ein etwas frivoler Gedanke kam mir hinsichtlich des ganzen Geredes über das Lustspielzeug für die Frauen. Kurzerhand befahl ich ihr, ihres zu holen und damit wieder zu mir aufs Bett zu kommen.
Ihre Wangen hatte einen heftigen Rotton angenommen, als ich ihr sagte, sie solle mir zeigen, wie sie sich selber Erleichterung verschaffte mit dem gläsernen Stab.
Ich selber sah ihr für einen Moment einfach nur zu, ehe ich mich berührte und sie in den gleichen visuellen Genuss kommen ließ.
Wieder einmal waren wir eins, aber es hatte sich erneut entwickelt. Ein neues Gefühl zwischen uns war entstanden. Dieses peinlich berührt sein war wie weggewischt, ich konnte mich an ihrem Spiel nicht genug satt sehen.
Aber ich bin auch nur ein Mann und nahm meine Frau, wie es mein Recht war. Mit einem erschrockenen Aufkeuchen nahm sie mich in sich auf und diese Nacht brannte sich in mein Gedächtnis. Nur mit ihr konnte ich solche Höhenflüge erleben!
Ich liebte diese Frau ohne Wenn und Aber!
Heute hatten wir das Gespräch mit den Eheleuten Pastice anberaumt. Doch bevor wir losgingen, besah auch ich mir dieses Runenkästchen noch einmal genauer.
Es fühlte sich seltsam an, weil es leicht war aber robust. Noch nie hatte ich ähnliches gesehen, geschweige denn in Händen gehalten.
Beim genaueren Betrachten formten sich die Runen zu Worten, welche sich mir aber nicht erklärten. Es waren willkürlich erscheinende Bezeichnungen. Auch wenn ich mich konzentrierte wollte sie sich mir nicht gänzlich entschlüsseln. Dennoch war ich erfreut, dass ich diese Aufschriften ein wenig entziffern konnte.
Man erwartete uns in einem kleinen Pavillon im Park welcher abseits der üblichen Laufwege lag. Wir hatten unseren Sohn mitgenommen, damit wir noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen konnten.
Ohne große Vorrede kamen wir auf den Punkt, weil wir vier dieser nicht bedurften.
Den Geist der beiden zu bereinigen, darüber waren wir uns einig, war unnötig. In ihnen hätten wir Verbündete hier in Paris, welche sich weiter nach solchen seltsamen Dingen umschauen konnten zum Beispiel.
„Und ich muss mich noch einmal bei euch entschuldigen, Maîtresse Kenway, dass ich euch so beleidigt habe vor aller Augen und… euch ebenso Maître Kenway…“ dabei brach Madame Pastice in Tränen aus.
Alex nahm sie in den Arm um ihr zu zeigen, dass wir ihr nicht mehr grollten. Monsieur Pastice entschuldigte sich ebenso. Und es mag sich seltsam anhören, aber er wirkte plötzlich wie ein anderer Mann auf mich. Jedoch nicht minder der Geschäftspartner, welchen ich in ihm beim Kennenlernen gesehen hatte.
Wir unterhielten uns noch über die hiesigen Zustände und über diesen Egil.
„Es war eigenartig, Maître Kenway. Ich weiß nicht, ob ihr dieses Gefühl kennt. So als seid ihr nicht alleine in eurem Körper. Es war mehr als unheimlich, das kann ich euch versichern.“ er musste das Geschehene auch noch verdauen und ich versicherte ihm, dass dieses Gefühl auch für mich nicht ganz neu wäre.
Gemeinsam gingen wir dann auch zum Mittagessen.
Unser Sohn plapperte die ganze Zeit vor sich hin und ich vernahm immer wieder, wenn auch nicht ganz deutlich „Ma chére“. Das muss er von unserem neuen Geschäftspartner haben und ich erzählte Edward, wie es auf englisch hieße. Hinter mir spürte ich förmlich Alex´ Kopfschütteln, weil ich ihn belehrte.
Sie wollte sich dann für Monsieur Guérette, den Herren welcher ihr den Schmuck stechen würde, frisch machen, als eine Nachricht der Königin eintraf. Etwas nervös las sie die Zeilen und bat mich, ebenfalls darüber zu lesen.
„Sie klingt so wütend, mi amor.“ diese Verunsicherung konnte ich verstehen. Schließlich hatte sie ohne sich zu verabschieden den Abend gestern einfach verlassen, so etwas schickt sich einer Königin gegenüber nicht.
Aber um sie nicht noch mehr zu verunsichern, versicherte ich ihr, dass Maria sicherlich nur wissen wollte, ob alles mit ihr in Ordnung sei. Ich hoffte selber, dass es nur DAS war.
Noch hätte Alex Zeit, sich auf dieses Gespräch vorzubereiten, erst am Abend sollte sie bei Maria vorstellig werden.
Leider hatte ich es gestern noch versäumt, die Bücher durchzugehen für Ludwig, was ich nun nachholen wollte.
Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann die Listen durchzusehen. Auch hier war auf dem ersten Blick kaum etwas verdächtiges zu sehen. Alles war akkurat niedergeschrieben, verzeichnet und nummeriert worden. Mit Datum und der Person, welcher Zahlungen übergeben worden waren.
Dieses Suchen nach der Stecknadel im Heuhaufen machte mich ungehalten, genau wie das ständige auf- und abgehen meiner Frau vor dem Schreibtisch.
Genervt bat ich sie, damit aufzuhören.
Alex ließ sich stöhnend auf dem Sofa nieder und wollte sich schon etwas Wein eingießen, als ich ihr kundtat, dass ich es nicht gutheiße, dass sie jetzt schon etwas trinkt. Sie hatte schließlich noch den Termin mit diesem Herren. Betrunken sollte sie ihm nicht entgegentreten.
„Habe ich etwas falsch gemacht, Haytham? Du bist die ganze Zeit schon so… wütend mir gegenüber!“ Sie stand jetzt hinter mir und hatte ihre Arme um meinen Hals gelegt. Also war ihr meine Laune aufgefallen.
„Ich weiß es nicht! Nein, du hast nichts falsch gemacht… oder doch ja. Ich finde es nicht gut, dass andere Männer dich… so sehen und…“ Im Grunde gingen mir viele Dinge gegen den Strich. Aber gerade jetzt war es der Gedanke an eben dieses Piercing!
„Der Arzt hat mich als ich mit Edward schwanger war und auch nach der Geburt ebenso gesehen…“ Ich fuhr ihr mit einem zischenden Laut über die Lippen.
„DAS war etwas medizinisches… das hier… Alex, du gehörst mir!“ etwas abrupt war ich aufgestanden und hatte sie auf den Schreibtisch gehoben. „Ich will einfach nicht, dass dich jemand Fremdes anfasst…“ ich konnte mich in diesem Moment nicht zügeln und ließ meine Finger zwischen ihre Schenkel gleiten, was ihr ein Stöhnen über die Lippen brachte.
„Es ist eine einmalige Sache…“ hauchte sie und drängte sich verlangend an mich. Mit meiner freien Hand öffnete ich die Knöpfe meiner Hose und nahm sie! Es war ein kurzes, hartes Liebesspiel, welches mir ihrerseits eine Götterpreisung einbrachte.
„Jesus…“ brachte ich stöhnend hervor, als ich ebenfalls über die Schwelle ging.
Alex konnte sich gerade noch rechtzeitig wieder frisch machen, ehe der Herr mit den Stechwerkzeugen erschien.
Dann klopfte es und Monsieur Guérette betrat unsere Räumlichkeiten. Wir stellten einander vor und ich befragte ihn nach seinem Handwerk, wie er dazu gekommen wäre und so weiter. Eigentlich wollte ich nur sicherstellen, dass meine Frau sich noch etwas beruhigen konnte und ich mich selber auch.
Er versicherte mir und ihr, dass er behutsam vorgehen würde, gerade weil er von der Angst vor Nadeln meiner Frau bereits Kenntnis hatte. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er eine Dame so berührte und sah. Für ihn war es etwas völlig selbstverständliches. In seinem Blick sah ich aber noch etwas anderes. Er musterte mich, besah sich meinen Körper und lächelte anerkennend. Zum ersten Mal war ich leicht verunsichert und schluckte schwer, ließ mir aber sonst nichts anmerken.
Alex wurde gebeten sich zu entkleiden bis auf das Unterkleid und auf der Chaiseloung Platz zu nehmen.
Jetzt wurde sogar ich etwas nervös, als ich das eigentliche Werkzeug sah. Damit wollte er an die empfindlichste Stelle meiner Frau? Jesus, alleine der Gedanke ließ mich erschauern. Aber da musste sie jetzt durch, sie wollte es so.
Ich nahm zur Rechten von Alex Platz und hielt ihre Hand, während der Herr begann, eine Paste auf die Scham aufzutragen.
„Das betäubt etwas die Haut.“ erklärte er mir nebenbei, ehe er sich eine Nadel nahm und vorsichtig ins Fleisch stach. „Spürt ihr das noch?“ fragte er nach, aber anscheinend hatte sie kein Gefühl mehr in diesem Bereich, was ihn beruhigte und er sich die eigentliche Nadel mit dem Elfenbeinstab nahm um sie mit Alkohol zu säubern. Alex nannte es Desinfizieren.
Dann ging es ganz schnell und der Schmuck wurde in der Haut platziert. Fasziniert sah dabei zu, wie gekonnt und schnell er alles richtig an Ort und Stelle hatte. Sein Talent musste ich neidlos anerkennen!
Alex sog zischend die Luft ein, als sie sich ihre Körpermitte ansah.
„Das vergeht gleich, Maîtresse Kenway. Maître Kenway, würdet ihr mir bitte die kleine Flasche dort reichen.“ aus einem Korb der neben mir stand nahm ich es und reichte es herüber.
„Diese Tinktur müsst ihr nach jeder Wäsche und nach Möglichkeit mindestens alle 4 Stunden auftragen. Aus der Erfahrung weiß ich aber, dass die Wunden an dieser Stelle schneller heilen, als zum Beispiel am Ohr.“ betonte er noch einmal. Alle 4 Stunden? Das wäre ja kaum einzuhalten, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
Besorgt fragte er nach, ob sie auch wirklich das Brustwarzen-Piercing noch haben wollte heute. Erhobenen Hauptes sagte sie, dass sie es unbedingt heute noch machen wollte.
Bevor mich der Mut wieder verlässt. Vernahm ich leise ihre geheimen Gedanken. Wusste Alex, dass ich das schon des öfteren vernommen hatte, sollte ich sie der Ehrlichkeit halber darauf ansprechen? Doch ich schwieg in Gegenwart des Herren.
Auch bei dem nächsten Stich und dem Einsetzen des Rings hielt sie die Luft an, aber verzog dieses Mal keine Miene.
Monsieur Guérette empfahl im Anschluss noch einen Verband am Tage anzulegen, damit keine Reibung mit dem Unterkleid und Korsett entstand. Es könnte sich sonst eine schmerzhafte Entzündung entwickeln.
Ich verabschiedete den Herren jetzt und nahm wieder neben Alex Platz.
„Und? Wie fühlst du dich, mi sol?“ fragte ich besorgt, weil sie am ganzen Körper zitterte.
„Danke, mir geht es gut. Ich bin… erleichtert, dass es vorbei ist und ich bin stolz auf mich, dass ich mich getraut habe.“ und dann brach die Erleichterung, dass es vorbei war aus ihr heraus in Form eines Baches aus Tränen.
Tröstend nahm ich sie vorsichtig in den Arm, bedacht sie nicht zu doll zu drücken.
„Keine Sorge, ich werde für die Pflege schon sorgen. Du weißt ja, ich will dich schnell wieder für mich haben.“ versuchte ich meine Gattin abzulenken und es funktionierte.
Sie ließ sich von Magda wieder einkleiden und gab ihr auch die Anweisungen für den Verband.
Nach dem Abendessen ging ich mit Sybill alleine in unsere Räumlichkeiten um Edward ins Bett zu bringen. Seine Laune ließ zu wünschen übrig heute, anscheinend ärgerte ihn etwas. Leider konnten wir nicht herausfinden, was es war.
Ich setzte mich anschließend wieder an meine Arbeit und besah mir die anderen Bilanzen des Militärs.
Hier und da kamen mir einige Zahlen absurd vor, weil sogar jemand dafür entlohnt wurde, dass er einen Brief überbracht hatte. Ich muss ehrlich sein, auch ich bin penibel und verzeichne jede Kleinigkeit um nichts außer Acht zu lassen. Aber irgendwo hörte es dann auch auf.
Plötzlich schrak ich hoch, weil ich, sobald wir wieder in Virginia waren, die Bücher für den Orden durchgehen musste. Auch dort hatte ich es etwas schleifen lassen. Meine Finanzen waren weiterhin stabil und wurden zusätzlich durch die Plantage gestützt. Aber mein oder besser unser Erbe, welches jetzt Jennifer verwaltete, sollte ich noch im Auge behalten.
Auch wenn ich wusste, dass es in ihren Händen gut aufgehoben war.
Leider fand ich auch in diesen Aufzeichnungen keine Lücken oder Ungereimtheiten. Wo zum Teufel gingen dann die Zahlungen hin, die König Ludwig vermisste. Es musste sich um eine Institution handeln, welcher man blind vertraute nahm ich an. Aber WER oder WAS war es?
Heute würde ich sicherlich nicht mehr dahinter kommen und entschied, dass es Zeit war, mich zurück zuziehen.
Senior Alcanta hatte mir ein Buch ausgeliehen, welches sich mit der Seefahrt der Spanier auseinander setzte. Sein Großvater war Seefahrer gewesen und hatte für dieses Schreibwerk Anekdoten verfasst. Es waren Geschichten, welche mich von meinen wirren Finanzgedanken ablenkten und mich auf den Gedanken brachten, dass ich zu gerne einmal den Unterschlupf auf Great Inagua besuchen wollte. Vermutlich würde ich den sofortigen Zuspruch von meiner Frau erhalten, wenn sie nicht sogar schon einen eigenen Plan hätte, dahin zu segeln.
Wenn man vom Weibe spricht…
Leicht schwankend betrat dieses nun unser Schlafgemach und lächelte mich mit etwas vernebelten Augen an.
Ich vermutete, dass das Gespräch ein voller Erfolg war und keinen Tadel beinhaltete.
„Ja, davon kannst du ausgehen!“ hörte ich sie nuscheln, als Magda ihre Haare von all den Klammern befreite und sie in ihr Nachtgewand steckte.
Mit Schwung ließ sie sich aufs Bett fallen und jaulte plötzlich vor Schmerzen auf. Sie hatte ihren neuen Schmuck völlig vergessen! Strafe muss sein und ich tätschelte ihren Po, der sich mir gerade so nett präsentierte.
Bevor sie sich aber um mich schlingen konnte, bat ich sie, einfach so liegen zu bleiben. Weitere Schmerzen dieser Art wollte ich ihr ersparen. Von anderen war ja nicht die Rede!
Plötzlich spürte ich, wie sie sich enger an mich schmiegte mit ihrer Kehrseite. Mein „Alex, lass das!“ traf auf taube Ohren, dafür auf einen willigen Mund, der sich zu meiner Körpermitte aufmachte und mir zeigte, dass es ihr hervorragend ging. Natürlich war auch der Champagner schuld, das war mir bewusst. Dennoch genoss ich diese Zuwendung und konnte kurz darauf loslassen.
„Herr Gott noch eins, womit habe ich so eine Frau verdient…“ mein Atem musste sich noch beruhigen, aber ich musste das einfach sagen.
„Das werden dir nur die Götter erklären können…“ vorsichtig kam sie wieder hoch und küsste mich vorsichtig.
Wie immer schlang sie sich plötzlich wieder um mich und schlief leicht säuselnd an mich geschmiegt ein.
Frauen und Alkohol waren eine seltsame Mischung!
Erwähnte ich schon einmal, dass ich meine Gattin ab und an gerne leiden sehe? Es mag sich falsch anhören, aber am heutigen Morgen hatte sie mein Mitleid nicht verdient.
Unser Sohn war schon sehr zeitig auf und begrüßte mich, bevor ich aus dem Bett war. Beide waren wir aber leise, weil Alex noch tief schlief. Der Champagner forderte seinen Tribut.
Ich ließ mich einkleiden und wartete auf eine Reaktion von Alex. Edward stand bereits auf ihrer Seite des Bettes und bettelte, dass sie aufstehen sollte.
Ohne ein Wort nahm sie ihn zu sich, aber damit reichte es ihm nicht. Er zupfte an ihrer Bettdecke und rief immer wieder „Auf! Mama! Auf!“ Er hatte recht, wir sollten uns langsam auf zum Frühstück machen, ehe wir zu spät kamen. Doch die Schlafmütze machte keine Anstalten aufzustehen.
„Ja, ist doch schon gut. Ich… stehe ja auf…“ hörte ich sie maulend unter der Bettdecke. Sybill nahm derweil unseren Sohn und ging schon einmal hinunter mit ihm.
„Mi sol! Hopp… raus aus den Federn! Für deine Kopfschmerzen kann niemand etwas.“ ich konnte es mir nicht verkneifen! Verzeiht! Dafür erntete ich einen wütenden Blick!
Genervt erhob sich das verkaterte Weib endlich und ließ sich einkleiden. Etwas Wasser im Gesicht würde ihr sicherlich gut tun. Magda tat ihr bestes, damit sie wieder vorzeigbar war. Als Alex im Empfangszimmer erschien sahen mich rotgeränderte Augen aus einem blassen Gesicht an.
„Naja, du siehst nicht gerade wie das blühende Leben aus. Aber wir müssen uns jetzt beeilen, sonst kommen wir ganz zu spät.“ mahnte ich sie und zog sie mit mir. Ich hörte ein schmerzvolles Aufjaulen, was mich an ihren neuen Schmuck erinnerte. Ich sollte sie nicht zu grob anfassen!
Der Kaffee beim Frühstück brachte wieder etwas Leben in meine Gattin! Gott sei Dank. Eine übel gelaunte Frau an der Seite zu haben war nicht gerade mein Bestreben!
Die Besprechung im Anschluss mit König Ludwig war nicht formell, eher privater Natur, weil wir bald abreisen würden.
In Paris hatte man uns bereits eine Unterkunft angemietet, damit wir den weiteren verbliebenen Spuren für den Speer und das Rasiermesser folgen konnten.
„Ich bedaure es, dass ihr uns schon so schnell wieder verlassen müsst. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und wenn ich es so offen sagen darf, ich würde gerne einmal nach Amerika reisen um mich von der Schönheit der Landschaft selber überzeugen zu können.“ Ludwig schwelgte für einen kurzen Moment in dieser Vorstellung.
„Ich gehe davon aus, dass wir euch sicherlich weiterhin in Kenntnis setzen werden und über die Fortschritte der Armee berichten können. Mit euren zur Verfügung gestellten Mitteln wird es sicherlich nicht mehr lange dauern, eine Übereinkunft treffen zu können!“ erwiderte ich, weil man mir kurz vorher noch mitgeteilt hatte, dass er auch dem Orden unter die Arme greifen wollte. Monsieur de la Sérre hatte sicherlich seine Finger dort mit im Spiel.
Auch Master Franklin war heute mit uns hier erschienen. Er würde in den nächsten Tagen nach Preußen aufbrechen um dort an einer Universität einige Vorlesungen zu halten. Wehmütig sah Alex ihn an und ich verstand, dass sie ihre Heimat vermisste. Inständig hoffte ich, dass wir eines Tages einmal eine Reise dorthin schaffen würden. Aber wir hatten so viele Dinge zu bedenken… ich schweife schon wieder ab.
„Ich sehe es schon vor mir wie Amerika irgendwann einmal vereint ist!“ mit diesen Worten riss mich Benjamin aus meinen Gedanken. Er war ein wahrer Visionär und er würde es sogar persönlich noch erleben! Doch wusste er es selber noch nicht.
Ich vernahm Alex Gedanken dabei, sie wusste dass er zu dieser Einheit beitragen würde. Ich ermahnte sie, sich zu verschließen, weil sie vermutlich für alle hier gerade wieder lesbar wie ein offenes Buch war.
Wir verblieben, dass es regelmäßigen Nachrichtenaustausch geben würde, ebenso würden wir über Frankreich nun auch sicheres Geleit für unsere Flotte bekommen. Vermehrt wurden nämlich seit einiger Zeit Piraten gesichtet, welche gezielt große Handelsschiffe angriffen.
Alex bekam den persönlichen Auftrag für Kakao-Nachschub hier zu sorgen, was sie mit Stolz erfüllte! Der Handelsminister würde sich in den nächsten Tagen mit ihr in Verbindung setzen.
Damit würde ein reger Austausch und Handel entstehen. Waffen, Leder und Holz würden über unsere Geschäfte mit abgewickelt werden. Auch dieser neue Bereich spielte in meine Karten, somit konnte ich Gelder für die Kontinental-Armee zur Verfügung stellen, welche sich noch teilweise im Verborgenen befand.
„Es betrübt mich aber, dass der Mörder von Madame de Pompadour einer meiner doch recht vertrauten Männer war. In Zukunft muss ich ein verbessertes Auswahlverfahren haben, um jedes schwarze Schaf schon im Vorfeld auszumustern!“ Wir versicherten dem König noch einmal, dass eine Delegation der Assassinen und Templer hier stationiert werden würde um solche Vorkommnisse zu verhindern in Zukunft.
Monsieur de la Sèrre wäre bis dahin sein Ansprechpartner für den Orden hier in Frankreich.
Wir verabschiedeten uns und Benjamin beteuerte, dass er alsbald wieder in die Kolonien reisen würde um uns zu besuchen. Er wollte sich mit den oft seltsamen Wetterumschwüngen in Virginia näher befassen.
Nach dem Mittagessen setzte ich mich noch einmal an die Bücher, weil ich bevor wir abreisten eine Lösung parat haben wollte.
Als Edward schlief, lehnte sich Alex hinter mich und fragte, was ich gerade tat. Ich erklärte ihr, dass ich auf der Suche nach Ungereimtheiten oder einer eventuellen Unterschlagung von Geldern auf den Grund gehen sollte.
Nach kurzem Zögern bot sie sich an mir zu helfen und ich nahm sie dankend an.
Gemeinsam durchforsteten wir Seite für Seite und Spalte für Spalte.
Plötzlich stutzte ich, als ich eine Dienstgrad-Bezeichnung las, die ich in neueren Jahrgänge im Militär noch nicht gehört hatte.
Jetzt sahen wir uns entsprechende Ränge an und siehe da, es gab einen Posten welchen man vor ungefähr 5 Jahren bereits abgeschafft hatte, aber an den immer noch Gelder ausgezahlt wurden. Aber wohin danach der Betrag ging, war vorerst so nicht ersichtlich. Es gab zig Konten darüber hinaus!
Trotzdem war ich jetzt wieder etwas zuversichtlicher und wir wollten nach dem Abendessen dort wieder ansetzen.
Nach dem das Abendessen beendet war und unser Sohn in seinem Bett friedlich schlief, machten wir uns daran die weiteren Quellen dieser Unterschlagung ausfindig zumachen.
Es dauerte eine Weile, bis Alex fündig wurde, weil ihr auffiel, dass plötzlich die Kirche mit auftauchte. Über Umwege schienen diese Zahlungen dorthin zu gelangen und niemand hatte weiter nachgehakt, weil diese Obrigkeit einfach immer noch unantastbar war. Man zweifelte keine Gottesmänner an.
Ich setzte umgehend ein Schreiben auf für Ludwig und Franklin, in welchem ich um eine dringende Unterredung morgen im Laufe des Tages bat.
Endlich konnten wir aber die Bücher schließen und uns für die Nacht fertig machen. Mein Kopf war wie zugekleistert von all den Rechnungen und Zahlungen.
Als meine Frau sich im Bett an mich schmiegte flüsterte ich ihr „Ich liebe dich!“ zu und hörte ein leises „Ich liebe dich viel mehr!“ Immer noch musste sie das letzte Wort haben, dachte ich grinsend.
Vorsichtig ließ ich meine Finger über den Körper meiner Frau gleiten und zwischen ihre Schenkel. Verschlafen öffnete sie sich bereitwillig. Bedacht darauf nicht ihren neuen Schmuck zu berühren, massierte ich sie vorsichtig und langsam wurde sie wach mit leisem Stöhnen.
Wie abgesprochen ging ihre Hand auf Wanderschaft und fand meine pulsierende Lust. Diese Massage war eine willkommene Abwechslung wie ich mir eingestehen musste. Behutsam und mit Bedacht übte sie an genau den richtigen Stellen Druck aus und brachte mich an den Rand meines Höhepunktes.
Fast zeitgleich konnten wir beide loslassen und ich fühlte ihre Kontraktionen an meinen Fingern. Alex umschloss mich mit ihrer Hand, bis meine Anspannung abebbte. Es war alles völlig still von statten gegangen, nur unser schwerer Atem zeugte von einem sinnlichen Start in den Tag.
Nach dem Frühstück fand die erbetene Unterredung statt. Zugegen waren nicht nur Ludwig und Franklin, auch einige andere der Berater.
Ich hatte, wie Alex auch, auf eine spannende Ermittlung gehofft, doch leider war sie uns nicht vergönnt. Der Schuldige war schnell ausgemacht und stellte sich als ein Maréchal de camp Davet Fouquet heraus.
„Ein alter Bekannter! Gierig, nicht nur was das Vermögen angeht…“ fauchte Ludwig und schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch, dass das Tintenfass fasst umgekippt wäre.
Derzeit war er in den Kolonien stationiert und beaufsichtigte die Truppen in Nordamerika. Er war derjenige, welcher für die Sicherheit der französischen Armee dort verantwortlich war. Vermutlich saß er auf seinem fetten Arsch an einem Kamin und ließ sich bedienen! Und tatsächlich agierte dieser Herr auch unter dem Deckmantel der Kirche! Es war wie eine Art Geldwäscherei. Es gab mehrere Auszahlungsstellen, Personen, die es entgegennahmen und immer wieder tauchte eben Fouquet in den Büchern auf.
Ludwig ließ eine kleine Delegation entsprechend entsenden und stellte mit sofortiger Wirkung alle Zahlungen ein. Außerdem schickte man einen Mann zusätzlich in die Kolonien, welcher den Herrn beiseite schaffen sollte.
„Monsieur Dorian ließ verlauten, er verfüge über entsprechende Männer, welche sich solcher Dinge annehmen würden.“ Ludwig machte sich ALLES was ihm zur Verfügung stand zunutze, es war egal, wer gegen wen war und vor allem war es ihm egal, WER diese Arbeit verrichtet. Er war sich dem Orden und der Bruderschaft sicher.
Alex hatte am Nachmittag noch die Besprechung mit dem Handelsminister, welche durchweg positiv verlief und wir mit neuen Verträgen Frankreich verlassen würden.
Unterdessen war ich bereits mit Edward, den Pastices und de Gooijers im Park und genoss diese kleine Auszeit und Entspannung.
Meine Frau stieß dann auch noch zu uns und Myrte versicherte erneut, dass sie sich auf einen Besuch bei uns freute. Ebenso war es Monsieur Pastice welcher ebenfalls betonte, dass wir uns auf ihn verlassen konnten. Er hatte mir nämlich anvertraut, dass es Händler in und um Paris gab, welche mit seltenen Kuriositäten handelten. Er würde uns entsprechend auf dem Laufenden halten.
Unser Sohn fand Gefallen daran wenn ich ihn hoch über meinen Kopf hob und er mit den ausgebreiteten Armen voller Freude lachte.
Solche Momente genoss ich und bewahrte mir diese Erinnerung auf, für die Zeiten, wenn ich nicht bei meiner Familie sein konnte.
Kapitel 27
Es war soweit und wir brachen nach Paris auf.
Unser Hab und Gut war auf Karren geladen und wir verabschiedeten uns von den de Gooijers und Pastice´. Myrte und Alex hatten sogar noch einen Kleideraustausch gehabt und ich war gespannt, wie dieses der niederländischen Tracht ähnlichen Kleid an Alex aussehen würde. Mit diesen ganzen Traditionen kannte ich mich weiß Gott nicht aus. Mittlerweile hätten wir in der nächsten Zeit auch einige Besucher auf unserer Plantage zu erwarten, was mich selber freute und meine Frau um so mehr
Doch davon jetzt genug.
Paris wartete und die letzten Artefakten, die es zu suchen galt auch. In mir kam der Forscher und Abenteurer hervor. Ich war nicht sehr oft in Paris gewesen, somit hatte ich recht spärliche Kenntnisse der Stadt. Zumindest was das geschichtliche betraf, von den Wegen und einigen historischen Bauten hatte ich einige Lehrstunde unter anderem bei Reginald gehabt.
Mal wieder zogen in mir dunkle Erinnerungen auf, welche ich zu vergessen versuchte. Er war ein guter Lehrmeister, keine Frage. Aber es war nicht immer das, was mein Vater mich gelehrt hätte. Schon immer begleitete mich eine gewisse Frustration in solchen Momenten. War es undankbar von mir, dass ich Master Birchs Unterricht hinterfragte und wissen wollte, ob mein Vater ebenso sein Wissen mit mir geteilt hätte? War es vermessen von mir, diese Undankbarkeit an den Tag zu legen?
Mir kam ein Satz meiner Frau in den Sinn ... „Reginald hat dich lediglich noch weitere Blickwinkel gelehrt. So konntest du dieses gewisse Scheuklappen Denken ablegen und hast dich zu einem offenen wissensdurstigen Menschen entwickelt“…
War es wirklich so? Dachte ich anders als andere Herren in dieser Zeit?
„Mi amor! Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken? Steig ein, wir wollen aufbrechen!“ hörte ich die Stimme meiner Frau, die mich an unseren eigentlichen Auftrag erinnerte.
// Nach dem Frühstück hatten wir noch eine Verabschiedung beim Königspaar, welche sich beide für die Unannehmlichkeiten entschuldigten. Uns aber gleichzeitig auch für die Hilfe dankten, nicht nur unsere, auch für die von Franklin, welcher sich ebenfalls verabschiedete. Maria war es, die noch einmal betonte, dass wir jederzeit wieder gern gesehen seien und sie freue sich auf einen Briefwechsel.
Ludwig war zuversichtlich nun nicht mehr allzu oft von „untreuen“ Untertanen belästigt zu werden und wünschte uns eine gute Weiterreise und vor allem sichere Winde über dem Atlantik. \\ Kleiner Auszug aus "Von schicksalhaften Zeitreisen - Part I"
Die Fahrt zu unserem ersten Etappenziel war selbst für mich sehr unkomfortabel. Mein Rücken schmerzte, weil diese Straßen – sie hatten diesen Namen nicht einmal ansatzweise verdient – und die dortigen Löcher jeden Knochen zu brechen schienen. Die Herberge für die Nacht war aber annehmbar und als alles geregelt war, konnten wir entspannen.
„Soll ich dich ein wenig massieren?“ fragte Alex grinsend, als Magda sie von ihrem Kleid befreite, während Michael mich in meine Nachtwäsche kleidete.
Ich brachte nur ein gemurmeltes „Hmmmm“ hervor und ließ meinen Blick über meine Frau gleiten. Ihre Wangen röteten sich und wir waren uns mal wieder im Stillen einig.
Sie verabreichte Edward noch die Tinktur und kroch dann unter die Decke zu mir. Das Bett war recht klein, aber es war gemütlich.
„Dreh dich um, mi amor.“ flüsterte sie, während ihre Hände über meine Brust glitten.
„Ich glaube, die Verspannungen lösen sich gerade. Wie wäre es, wenn DU dich umdrehen würdest?“ alleine diese Worte reichten, dass sie tat, was ich sagte. Sie schmiegte sich an mich und ich schob langsam ihr Nachthemd über ihre Schenkel.
Meine Worte, sie solle stillhalten brachten genau den Effekt und meine Finger konnten auf Wanderschaft gehen. Leise brachten wir uns gegenseitig zum Höhepunkt und gefühlt jeder Muskel in meinem Körper entspannte sich umgehend.
~~~
Zwei schäbige Tavernen später kamen wir in Paris an.
Entsetzt sah ich, dass es in den letzten Jahren immer schlimmer geworden war mit den Kranken, Bettlern und Hungernden auf den Straßen.
Gott sei Dank lag unsere Unterkunft in einem etwas besser betuchten Viertel. Dort angekommen, begannen wir uns einzurichten. Das Haus welches wir bezogen wurde vom Königshaus unterhalten und für durchreisende Gäste genutzt.
Wir fuhren zwischen den Häusern in einen großzügigen Innenhof, wo in der Mitte ein kleiner Brunnen stand.
Auf der linken Seite war der eigentliche Eingang und zur Rechten führte eine Tür zur Taverne, welche sogar jetzt schon recht voll besetzt war. Es war, wenn mich nicht alles täuschte gerade mal Mittag!
Außerdem gab es das Mittelgebäude, welches wie eine kleine gesicherte Bank aussah. Man erklärte uns, dass wir dort die Wachen und die Handelstruhen unterbringen konnten. Neben unseren persönlichen 5 Wachen, welche mit in der Pension bleiben würden, sollten die anderen dort übernachten.
Kaum waren wir in unseren Räumlichkeiten, brachte man uns das Mittagessen hinauf. Erstaunt sah Alex die Magd an, welche erklärte, dass sie die Mahlzeiten immer hier herauf bringen würde.
„Das ist ja mal ein netter Service.“ entgegnete meine Frau und Edward freute sich ebenso auf das Mahl, obwohl er eigentlich satt sein müsste. Nach dem Konsum der süßen Brötchen auf dem Weg zumindest zu urteilen.
„Das ist eigentlich normaler Standard bei einem Haushalt des Königs.“ erklärte ich diese Geste auch noch einmal. Alex sah mich fragend an. „Oh, ich weiß dass, weil Reginald und ich bereits einmal diese Gastfreundschaft in Anspruch genommen hatten. Nur war es in Österreich, aber es ist, denke ich, eine Art ungeschriebenes Gesetz.“ auch ich ließ mir mein Essen schmecken und als ich vom Wein kostete, war ich mehr als zufrieden. Er schmeckte himmlisch.
„Der scheint dir zu munden, mi amor.“ lachte meine Frau zu mir herüber. Fast wäre sogar unser Sohn an ihren Becher gekommen. „Nein, du doch nicht, min lille skat. Das ist nicht für dich.“ Prompt begann er zu zetern, weil er seinen Willen nicht bekam.
Doch sein Kindermädchen ermahnte ihn sogleich.
„Master Edward! Benimmt sich so ein junger Mann?“ sprach sie tadelnd und mit großen Augen sah er zu ihr auf, schüttelte aber plötzlich den Kopf. Man könnte meinen, er hätte ein schlechtes Gewissen.
„Mrs. Wallace, eure Wirkung auf unseren Sohn ist … unglaublich!“ lobte ich Sybill staunend. Diese Frau brauchte nur ein wenig die Stimme erheben und Edward sah sie aufmerksam an. Faszinierend!
Als unser Nachwuchs seinen verdienten Mittagsschlaf hielt, konnten Alex und ich uns der Karte für die Katakomben von Paris widmen. Dieses Labyrinth unter der Stadt war schon sehr beeindruckend. Es bestand aus vielen kleinen und großen Gängen, kleineren Schächten und vor allem Sackgassen, wo man sich durchaus auch verlaufen konnte.
Unweit unserer Unterkunft war erfreulicher Weise der Zugang. Von dort ging es weiter südlich, bis wir zu einer über der Erde gelegenen kleinen Kirche kämen. Darunter befand sich das besagte Grab, in welchem der Speer lagerte. In mir kribbelte es! Wir waren diesem Artefakt so nahe!
Meine Gattin hatte ihre Gedanken mal wieder wie ein offenes Buch präsentiert und ich sah, sie dachte es wäre ein Kinderspiel! Gott noch eins, sie hatte immer noch nicht dazu gelernt, dass es eben nicht so einfach sein könnte und wir uns durchaus auf Widersacher und ähnliches einstellen mussten!
Ich tat meinen Unmut kund, es musste einfach raus.
„Glaub mir, gerade DU wirst dich noch umschauen dort unten. Einer der Berater des Königs erklärte mir, wie es dort aussieht und es wird sicherlich kein Zuckerschlecken!“ Die Worte und vor allem meine Stimme klang aber nicht nach mir – ging mir ein Geistesblitz durch den Kopf -.
Doch es war gesagt und Alex reagierte entsprechend. Wütend, enttäuscht!
„Danke dass du mich an den Untergrund von London erinnerst! Ich habe DAS noch sehr gut vor Augen!“ zischte sie mir entgegen, stand auf und sah aus dem Fenster. Ich sah, ihr liefen Tränen über die Wange.
Ich wollte doch nicht …
„Es… mi sol! Es tut mir leid! So… war es nicht gemeint!“ ich war hinter sie getreten, traute mich aber nicht meine Arme um sie zu legen.
„Dann solltest du in Zukunft auf deine Wortwahl eher achten. Mich erinnert man ja auch ständig daran. Dann wirst du das ja wohl auch hinbekommen!“ fauchte sie lediglich, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
„Alex!“ etwas ließ mich unkontrollierter werden! Ehe ich mich versah hatte ich ihren Oberarm gepackt und sie zu mir gedreht. „Ich meinte es nicht so, aber es klang von dir, als würdest du dir einen Spaß daraus machen… ich… ich wollte nur, dass du dir im Klaren bist, WAS uns dort erwartet und dass es eben nicht so einfach sein kann, wie du denkst. Wenn wir Glück haben, dann ja, aber denke auch an die Möglichkeit, dass uns dort unten Widersacher über den Weg laufen könnten!“
„Du scheinst mich wirklich immer noch für unfähig zu halten, oder? Glaubst du, ich weiß nicht, dass diese Tunnel nur so von Bettlern und Gesindel wimmeln? Ich habe durchaus im Geschichtsunterricht aufgepasst. Und meine Aussage bezog sich lediglich darauf, dass wir schon wissen, WO wir suchen müssen!“ ihre Stimme hatte sich erhoben, während sie sich versuchte aus meinem Griff zu befreien, aber ich konnte nicht lockerlassen!
„Du wirst unfair, Alex!“ mein Atem ging schwer, weil ich jetzt ahnte, was gerade in mir vorging! Nicht ich war das, es war Tyr.
„Haytham! Was wird das?“ plötzlich hatte ich das Gefühl aus einem Traum zu erwachen!
„Diese Wut… Das war nicht ich…“ begann ich mit einer Erklärung, wurde aber unterbrochen.
Vergesst eines nicht, ihr handelt nicht mehr alleine, sondern steht unter Beobachtung, damit wir entsprechend eingreifen können. Das gerade war unbedacht von mir, ich hatte deine Albträume außer Acht gelassen, Kind! In Zukunft werde ich direkt mit euch beiden sprechen, das gerade war ein… wie sagt ihr immer so gerne? Ein Missverständnis.
Postwendend erhielt der Kriegsgott eine Ermahnung von Snotra.
Reiß dich gefälligst zusammen! Du bist zu impulsiv!
Für einen kurzen Moment hatte ich einen sehr absurden Gedanken, der mich breit grinsen ließ. „Dann habe ich sogar jetzt Ausreden, wenn…“ leider wurde ich erneut unterbrochen.
DAS schlag dir aus dem Kopf, Junge! Deine Frau wird früher oder später den Unterschied erkennen. Tyrs Stimme hatte einen belustigten Unterton angenommen.
Im Gesicht meiner Frau spiegelte sich für den Bruchteil einer Sekunde Eifersucht und Traurigkeit ab. Lag es daran, dass sie noch nicht einen Gegenpart für sich hatte? Leider konnte ich ihr kaum bei diesen wirren Gefühlen helfen, musste ich mir eingestehen.
Alex musste weiterhin an ihrer Geduld arbeiten.
Der Nachmittag gehörte heute der Familie. Wir erkundeten ein wenig Paris und ich konnte Alex und Edward etwas von meinen kleinen Kenntnissen vortragen.
Vor allem für meine Frau schienen vielen Kleinigkeiten von Interesse zu sein.
„So etwas steht halt nicht in einem Geschichtsbuch, mi amor. Das lernt man nicht in einer Schule. Erzähl ruhig weiter…“ munterte sie mich, während Edward gebannt seine Umgebung begutachtete.
Doch zuhören fiel ihm irgendwann immer schwerer, weil so viele Menschen auf den Straßen unterwegs wahren und er immer wieder ängstlich zurück schreckte. Oder aber er deutete plötzlich freudig auf etwas. Meistens waren es herumstreunende Katzen oder Hunde. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, er war wie seine Mutter. Beide ließen sich zu leicht ablenken.
Nach einer Weile sah ich ein Geschäft mit Spielzeugen und lenkte meine Familie samt Kindermädchen in diese Richtung. Es war nicht sehr groß und die Auswahl auch recht überschaubar. Was mir aber in die Karten spielte, so konnte unser Sohn nicht gleich überfordert werden mit Spielsachen.
Kaum eingetreten, zeigte er begeistert auf einen geschnitzten Bären und ahmte diese Geräusche nach. Neben diesem Tier standen … Figuren die wie Indianer aussahen.
Ich konnte es nicht stoppen, mir ging Ziio durch den Kopf. Mein schlechtes Gewissen meinem ersten Kind gegenüber brach durch. Was tat ich hier? Sollte ich nicht stattdessen auf der Suche nach meinem anderen Nachwuchs sein? Hätte ich damals doch anders handeln sollen? Fragen über Fragen überfluteten mich, ohne dass mein Gehirn sie aufhalten konnte!
Haytham, es tut mir unendlich leid für dich. Drang Alex´ Stimme in meinen Geist und ließ mich aus diesem Strudel auftauchen. Sie verstand meine Gefühle wie keine andere, was mir half mich wieder auf hier und jetzt zu konzentrieren!
Kurzerhand kaufte ich diese Figuren und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserer Pension.
Dort aßen wir noch etwas zu Abend, ehe es Zeit für Edward war zu Bett zu gehen.
Morgen würde ein langer Tag werden mit der Begehung der Katakomben und ich hoffte immer noch, dass wir nicht wirklich mit großen Gefahren zu rechnen hatten.
* Hier wird im Grunde das gesamte Kapitel 31 – Frankreich von „Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ mit ein paar Änderungen aus Master Kenways Sicht wiedergegeben *
- Kapitel 31 - Paris "Von schicksalhaften Zeitreisen..." -
Am nächsten Morgen trafen wir uns mit einem Monsieur Paul Borque, welcher unser Fremdenführer sein sollte und von dem wir auch die Karte gestern schon in Augenschein nehmen konnten. Benjamin Franklin hatte ihn uns wärmstens empfohlen, weil er einer der wenigen Menschen war, die sich überhaupt dort hinunter trauten.
Er war zwar nicht sonderlich groß, ca. 5 Fuß (1,70 Meter), kurze schwarze Haare und er hatte ein verwegenes Gesicht. Sein breitkrempiger Hut mit dem passenden schwarzen Umhang verliehen ihm zusätzlich noch das Aussehen eines unerschrockenen Forschers!
Etwas beruhigt folgten wir ihm nach der Begrüßung zu einem kleinen Verschlag, welcher abseits der großen Straßen lag und wir betraten das Innere. Hier drinnen war es dunkel, jedoch übergab Paul jedem von uns eine Fackel, entzündete diese auch gleich und wir gingen eine steinerne Treppe hinab in den Untergrund.
Am Fuße dieser Treppe tat sich vor uns ein schmaler Gang auf, welcher aussah, als sei er einfach ausgeschachtet worden, mit Wänden aus Lehm. Hoffentlich hielten sie noch lange stand – dachte ich im Stillen -.
Nach und nach wurden weitere Lichtquellen an den Wänden entzündet und Monsieur Borque führte uns tiefer in dieses Labyrinth aus Gängen. Wenn man sich nicht auskannte, konnte man sich wirklich verirren und selbst für mich war das ein erschreckender Gedanke.
„Wenn mich nicht alles täuscht, und das tut selten etwas, dann müssen wir wie in einem Zickzack durch die Gänge und uns südlich halten.“ kam es voller Tatendrang von unserem Fremdenführer, welcher das Original unserer Karte in der Hand hielt.
„Monsieur Borque, wäre es möglich, dass ich im Anschluss diese Karte behalten könnte? Ich finde es…“ fragte Alex freudig nach, wurde aber unterbrochen von Paul in einem verschwörerischen Tonfall „Maîtresse Kenway, dass ist eine geheime Karte und Aktion, wenn ihr euch recht erinnern wollt! Niemand wird hiervon in Kenntnis gesetzt.“ mit diesen Worten ging er einfach weiter.
Meine Frau hatte mit einem Male Bilder von unheimlichen Wesen im Kopf, die aussahen, als seien sie einem Grab entstiegen. Einige hatten spitze Eckzähne und Blut rann ihnen von den Mundwinkeln …
Deine Phantasie ist mal wieder sehr interessant, mi sol. Aber ich würde zu gerne mehr über diese Untoten erfahren. Das Bild in deinem Kopf sah fürchterlich und erschreckend aus. Ich wollte es zu gerne wissen, obwohl sie mir schon einmal von diesen Dingen berichtet hatte. Alles nur Hirngespinste, erdacht von kreativen Autoren.
Vielleicht sollte ich dir ein paar Gruselgeschichten heute Nacht erzählen, mi amor. Kicherte sie leise in meinem Geist.
Wir bogen um eine weitere Ecke und vor uns tat sich eine Weggabelung auf, in deren Mitte eine Säule stand, die umrahmt von Totenschädeln und Gebeinen war. An den Wänden hier war das gleiche zu sehen. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
„Wir müssen…“ Paul drehte die Karte etwas und sah dann wieder nach vorne. „… dort entlang, den linken Gang!“ mit entschiedenem Schritt ging er weiter und uns blieb nichts anderes übrig, als hinterher zu eilen.
Ab hier kamen wir an diversen Kreuzungen vorbei, wo unter anderem auch ein großes Kreuz an einer der Wände hing oder an der Nächsten waren Säulen, die den Eingang zu einem kleinen Raum säumten. In dessen Mitte stand eine Art Taufbecken, wo es die Bemerkungen gab, welche Familien hier lagen und ihre letzte Ruhe gefunden hatten.
Weiter ging es in einen langen, wirklich sehr langen Gang, welcher aber recht breit war, leider aber sehr niedrig, so dass ich mich nur gebückt fortbewegen konnte, während Alex locker gerade stehen konnte. Manchmal konnte man sie ja wegen der Größe beneiden.
„Wenn wir hier raus sind, brauchst du einen Chiropraktiker, mi amor. Oder vielleicht doch eine Massage.“ kicherte sie, aber mir war gerade nicht nach Scherzen, weil ich mir wiederholt den Kopf gestoßen hatte.
„Lach du nur, ich merke mir das.“ mahnte ich sie leise.
Mittlerweile waren wir sicherlich schon zwei Stunden hier unten unterwegs, doch bisher war uns noch niemand begegnet. Anscheinend hatten wir Glück, dass uns noch kein Bettlerpack oder schlimmeres hier aufgelauert hatte.
Kaum hatte ich es gedacht, hörten wir Stimmen, welche aus einem Gang rechts von uns kamen.
Ich übersetzte für Alex grob aus dem Französischen, dass es sich um keinen wirklichen Streit handelte, sondern es ginge um das Recht des Stärkeren und wer hier mit seiner Familie ein Anrecht auf eine Bestattung hatte. Selbst mir war das unangenehm, weil es pietätlos war den Verstorbenen gegenüber! Ohne uns weiter mit ihnen zu beschäftigten, gingen wir weiter, weil sie nicht bedrohlich waren.
Im nächsten Gang könnte man vermuten, dass es sich um Versammlung handelte.
„Wir nähern uns der kleinen Kirche, wenn mich nicht alles täuscht. Ihr müsst verstehen, in der Nähe von solch christlichen Einrichtungen vermuten die Menschen, wenn sie verstorben sind, näher bei Gott sein zu können.“ kam es erklärend von Paul, doch so recht überzeugend klang er auch nicht.
„Ihr seid kein gläubiger Christ, nicht wahr?“ fragte ich unseren Begleiter, weil ich wie Alex den selben Gedanken hatte.
Für einen kleinen Moment wandt sich unser Fremdenführer. „Nein, ich… glaube an mich selber…“ es war mehr ein Flüstern.
„Daran ist nichts auszusetzen, Monsieur Borque. Ich selber bin auch keine Christin im herkömmlichen Sinne. Mir sind die Götter des Nordens zugewandt!“ versuchte Alex ihn zu beruhigen und ein erleichtertes Lächeln glitt über sein Gesicht.
„Und ich dachte immer, dass ich für verrückt erklärt werde, wenn ich… Maîtresse Kenway! Ihr glaubt gar nicht, wie erleichtert ich bin, dass wir ähnlich denken!“
Während wir nun weitergingen unterhielten sich die beiden über Odin, oder den Trickreichen Loki. Ebenso kam auch dieser Ragnar Lodbrok ins Spiel. Ich hoffte irgendwann einmal mehr über ihn zu erfahren.
„Wie gerne wäre ich diesem Mann begegnet. Ein wahrer Held!“ jubelte Paul regelrecht. Da hatte ich mit ihm ja etwas gemeinsam!
Als wir uns einer weiteren Gabelung näherten, waren immer mehr Menschen zu sehen und auch zu hören. Paul deute uns mit einem Finger auf den Lippen leise zu sein und wir lehnten uns an die Wand um uns ein Bild machen zu können.
„Wir müssen hier durch, denn… wenn ich der Karte weiter folge, dann ist der Gang direkt voraus unser Ziel und dann nur noch ein paar Schritte und…“ zu mehr kam er nicht, weil meine Frau erschrocken zurück zuckte, als ein kleines Messer neben ihrem Kopf in die Wand drang! Ein Warnschuss!
„Halt, was wollt ihr hier?“ pöbelte einer der hier Anwesenden uns an. Sie alle waren in eine Art Kutte gehüllt, aber sahen eher schäbig und verranzt aus.
„Wir sind nur auf der Suche nach… einem Familienmitglied… eines lange vermissten Verstorbenen…“ antwortete Monsieur Borque.
„So? Und wer soll das sein?“ höhnte einer von ihnen, vermutlich ihr Anführer.
„Es … es ist… der ehrenwerte Monsieur Marquandt, Robert Marquandt.“ Paul klang wenig überzeugend. Hoffentlich schluckte die Meute dort diesen Köder!
„Aha… nie von diesem Kerl gehört. Scheint ja nicht wichtig gewesen zu sein.“ seine Kumpane stimmten in sein Gelächter mit ein.
„Nein, aber für seine Nichte sicherlich. Lasst uns einfach weitergehen.“ bat unser Fremdenführer nun höflich und man bildete eine Gasse für uns. Es war wie bei einem Spießrutenlauf und ich beeilte mich, dort hindurch zu kommen. Immer darauf bedacht, dass ich im Rücken meiner Frau blieb um sie zu schützen.
Alex und ich konnten jedoch keine roten Auren ausmachen. Diese Tatsache ließ mich etwas aufatmen.
„Das waren diese selbsternannten Wächter, welche sich hier herumtreiben. Wächter… tsssss… die klauen wie die Raben, wenn man mich fragt. Denen ist nichts heilig.“ sprach Paul entrüstet.
Man konnte es sich bildlich vorstellen, weil sie genau danach auch aussahen.
„Aber wenn hier jeder so herein marschieren kann, dann verstehe ich nicht, wie überhaupt noch Grabbeigaben vorhanden sein können.“ fragte meine Frau, während sie den Gang vor uns musterte.
„Vielleicht ist nicht alles so offensichtlich, Alex. Versteckte Schalter und Mechanismen, verschiebbare Wände und ähnliches. Erinnere dich an das Zimmer im Chateau.“ erinnerte ich sie an unsere Fähigkeiten und eben diese geheimen Türen.
Monsieur Borque hatte Recht, nur noch ein paar Meter und vor uns öffnete sich der Weg und offenbarte einen runden Raum, an dessen Wänden ebenfalls Schädel angebracht waren. Ich besah mir die Gebeine genauer mit meinem Blick und siehe da, einer von ihnen leuchtete auffällig golden und signalisierte damit den Schalter zum Öffnen des Verstecks.
Mein freudiger Ruf, dass ich etwas entdeckt hatte, zollte mir Alex mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht. Ihre Fähigkeit des Adlerblicks war nicht ganz so ausgereift, leider.
Ich steckte meine Hand in den offenen Kieferknochen und fühlte ein Aussparung, welche sich herunterdrücken ließ. Neben uns schob sich eine Tür hinunter, die vorher, nicht zu sehen war.
Unser Fremdenführer stand mit offenem Mund beim Durchgang und starrte dann in unsere Richtung.
„Woher wusstet ihr, wonach ihr suchen müsst. Das ist von Generation zu Generation nur mündlich überliefertes Wissen!“ kopfschüttelnd sah er zu mir.
„Ihr müsst wissen, dass ich ein, sagen mir mal, Gespür für solche Dinge entwickelt habe.“ mehr konnte ich ihm schlichtweg nicht kundtun. Paul nickte etwas ungläubig, nahm sich dann eine frische Fackel und wir gingen in den neuen Raum.
Hier roch es extrem muffig und staubig zu gleich. Wir waren noch nicht ganz darin, da schloss sich die Tür hinter uns. Das hatte ich erwartet, jedoch nicht Alex!
Panisch und hektisch atmend krallte sie sich an mir fest. Ihre Platzangst kam durch und das konnten wir hier nicht gebrauchen.
Es war aber unser Fremdenführer welcher sie beruhigen konnte.
„Maîtresse Kenway, hier gibt es einen entgegen gesetzten Mechanismus, wir sind nicht eingeschlossen. Ihr braucht keine Angst zu haben, ich würde euch niemals in so eine Gefahr bringen! Das wäre meinem guten Ruf wohl kaum zuträglich.“ Pauls Worte beruhigten sie umgehend und ihr Griff um meinen Arm lockerte sich.
„Danke… es geht schon wieder.“ sprach sie leise und lächelte uns zur Bestätigung zu.
„Dann wollen wir doch mal sehen…“ Monsieur Borque hatte mittlerweile die Feuerbecken, welche rundherum standen entzündet und jetzt sah man erst, wie groß dieser Raum eigentlich war.
Er hatte die Größe unseres Schlafzimmers in Virginia mutmaßte ich. An den Wänden waren ringsum steinerne Truhen aufgereiht. Die Stirnseite zierte ein prächtiger Sarkophag aus Marmor. Auf der Platte sah man einen Krieger ruhen, mit Schild und Axt auf der Brust.
Es sah beeindruckend aus und ich ging näher heran. So auch meine Frau. Plötzlich veränderte sich etwas an ihr oder besser um sie herum! Ihre Finger hinterließen leuchtende Spuren auf dem Gestein!
„Alex, deine Haut strahlt wieder!“ sprach ich leise und legte ihr meine Hände auf die Schulter.
„Ich sehe es und fühle es…“ hauchte sie leise und „malte“ mit ihren Fingern weiter Formen auf den Sarkophag.
„Jetzt verstehe ich es!“ kam es leise von Paul. „IHR seid die Auserwählte, von der man sich berichtet hat in all den Jahren!“
„Ich bin die… es gibt Erzählungen darüber?“ In Alex´ Stimme klang völliger Unglaube mit, weil auch ich noch nie von solchen Geschichten hier gehört hatte. Auch nicht von Reginald damals.
Monsieur Borque begann zu berichten und zwar hat man vor mehr als 800 Jahren tapfere Wikinger hier und auch außerhalb beigesetzt. Es gab aber nicht die üblichen Begräbnisse, wie sie bei den Dänen zum Beispiel stattfanden. Jedes mal aber, wenn ein neuer Krieger sein Ende fand, tauchte kurz darauf eine Frau auf, welche über die Grabsteine, oder wie hier die Sarkophage strich und sie so versiegelte! So glaubte man.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte gerieten aber diese Stätten in Vergessenheit, einige waren eingestürzt und nicht mehr zu betreten. Hier in den Katakomben hatte man es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, darauf zu achten, dass sie erhalten blieben! Und immer wieder gab es Berichte von einer schemenhaften Frau, welche ein Schild auf dem Rücken trug und, Paul machte dabei ein entsetztes Gesicht, Männerkleidung trug dem Anschein nach! Dieses „Gespenst“, vermuteten die Abergläubischen, suche nach ihrem Gatten um ihm nachzufolgen.
Dort wo man sie sah, erschienen dann auch wieder leuchtende Zeichen, aber niemand konnte sie deuten!
„Seht ihr? Hier sind eingemeißelte Symbole auf dem Deckel! Genau wie bei den Truhen hier!“ mit einer ausladenden Handbewegung deutete er um sich.
„Runen! Es sind alles verschiedene Runen, doch ich kann sie nicht…“ plötzlich stand Alex wie angewurzelt da, sagte keinen Ton mehr und schien weit weit weg in ihren Gedanken zu sein.
„Maîtresse Kenway… geht es euch nicht gut?“ versuchte unser Begleiter sie aus dieser Starre zu holen, doch es war zwecklos.
Auch ich konnte nur beobachten. Ein unheimlicher Anblick!<
Wie aus heiterem Himmel rührte sie sich wieder, sprang auf und eilte zum Marmorsarg! Ohne ein Wort zu sagen!
Wir besahen uns alle den Sarkophag jetzt näher. Es war ein Rabe darauf abgebildet und eine Sonne, wenn ich richtig lag.
Die Inschrift auf dem Deckel sah abenteuerlich aus und weder Paul noch ich konnten sie entziffern. Das war auch nicht nötig, meine Frau begann zu erklären.
Es war König Sichfrith mac Imar, welcher 881 bis 888 regierte, bis sein Bruder ihn ermordete und den Thron bestieg. Es gab noch ein paar weitere Erklärungen, über seine tapferen Heldentaten und er wurde für sein Geschick in Kriegen gerühmt. Und das alles konnte man aus diesen seltsamen Runen lesen?
Auf den anderen umstehenden Truhen waren weitere Namen und vermutlich die Jahre, wann der Krieger verstorben ist, zu lesen. Sie alle gehörten, laut Alex, dem gleichen Haus an wegen der Rabenabbildung.
„Warum aber wurden diese Könige oder auch Krieger HIER beigesetzt? Sie lebten nicht hier oder regierten hier. Auch waren sie hier nicht geboren.“ fragte sich meine Frau laut.
Unser Fremdenführer hatte auch dafür eine Erklärung.
„Maîtresse Kenway, bedenkt die Zeit damals. Sie waren vermutlich gerade hier um auf Raubzug zu gehen. Man hätte die Toten schlecht wieder mitnehmen können, es wäre schlichtweg nicht möglich gewesen. Man bestattete sie also hier mit allen Ehren.“ Eine logische Erklärung.
Für einen Moment zögerte sie jetzt aber, weil sie Bedenken hatte den Sarg zu öffnen und die Totenruhe zu stören. Auch mir ging dieser Gedanke durch den Kopf. So etwas war im Grunde pietätlos.
Du bedienst dich nicht an den Toten um dich selber zu bereichern, sondern du gehst deiner Bestimmung als Wächterin der Artefakte nach! Lauteten Odins Worte in unseren Köpfen.
„Dann wollen wir doch mal sehen, was uns im Inneren erwartet.“ Diese Zuversicht in ihrer Stimme passte nicht zu ihrem verängstigten Gesichtsausdruck.
Doch es war leichter gesagt als getan. Immer wieder fuhr sie mit ihren Händen über den Rand der oberen Platte, tastete nach einem Schalter oder ähnlichem. Leider war der Sarkophag wie aus einem Stück Marmor. Man konnte den Deckel nicht einfach herunterschieben!
Auch ich sah mir diese Konstruktion an, wurde aber ebenso wenig fündig nach einem Öffnungsmechanismus.
Plötzlich erzitterte das Gebilde, als Alex gerade an der Kopfseite erneut die Unterkante der Platte entlangfuhr. Wie durch Zauberhand schob sie sich zur Seite und gab das Innere frei.
Man sah einen Mann, mit Schild und Axt, diversen Kleinigkeiten, die ihm nach seinem Tod helfen sollten. Unter anderem auch der von uns gesuchte Speer stellte ich erfreut fest. Wieder zögerte meine Gattin, ihr Respekt den Verstorbenen gegenüber konnte ich voll und ganz verstehen. Außerdem hatten wir gelernt, dass man Vorsicht walten lassen sollte bei einigen Artefakten. Man wusste nie, was sich noch dahinter verbergen konnte.
„Faszinierend! Man kann sogar noch die Farben auf dem Umhang erkennen und diese Fibel… dort ist auch dieser Adler zu sehen.“ Paul sah ebenfalls gebannt auf den Toten, wurde aber verbessert.
„Das Haus Imar hatte eben um Odin zu ehren, den Raben im Banner!“ gab Alex ihr Wissen weiter. Man wollte so seinen Glauben für alle sichtbar nach außen zeigen!
Vorsichtig beugte sie sich herunter um den Speer an sich zu nehmen.
„Er ist schwerer als ich dachte, weißt aber überhaupt keine Spuren von seiner langen Zeit hier auf. Er ist weder verrostet, noch ist das Holz in irgendeiner Weise verrottet. Das ist wirklich erstaunlich.“ murmelte sie leise und hielt ihn in das Licht einer der Feuerschalen. „Hier sind feine Schnitzereien auf dem Griff, welche ebenfalls noch wie gerade erst hinein gestanzt aussehen!“
Dem Träger wurde Glück gewünscht, dass ihm kein Leid geschehe, er seine Gegner alle gen Hel schicken solle und für immer sollte ihm ein Platz in Odins Halle beschieden sein! So die Inschrift darauf.
Mit einem Male tauchten Bilder vor unserem inneren Auge auf. Aus Alex Sicht!
Ein großes Feld, auf welchem sich zwei Heere gegenüberstanden! Es war nebelig und nieselte. Der Boden war entsprechend aufgeweicht und schlammig. Dann ertönte das Horn und beide Seiten rannten aufeinander zu zum Gefecht.
Es sah beeindruckend aus. Aber nur solange, bis mich jemand umrannte und ich mitgezogen wurde!
Plötzlich stand ich inmitten dieses Kampfes. Um mich herum schien jeder gegen jeden zu kämpfen und ich konnte nur noch agieren.
Ich handelte, wie es mein Gefühl gerade befahl, ich verteidigte mich, ich konterte und ich metzelte einige Gegner nieder.
Erst jetzt besah ich mir meine Waffe und bemerkte, dass ich in der linken einen Schild trug, welches schon ganz schön ramponiert war. Die schwere Axt in meiner rechten Hand fühlte sich gut an, so als wäre ich eins mit ihr! Und sie war scharf! Das musste nun ein Widersacher spüren, welcher brüllend auf mich zustürmte. Zu seinem Pech mit erhobenen Armen, sodass ich leichtes Spiel hatte und seine Körpermitte aufschlitzen konnte. Stöhnend ging er vor mir zu Boden und schon kam der nächste Kämpfer, der auch nicht lange am Leben blieb.
Wie lange wir hier auf dem Feld unser Bestes gaben, konnte ich nicht sagen. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren.
Aus den Augenwinkeln sah ich einen Mann, welcher mit einem Speer seine Gegner einen nach dem anderen aufspießte, als sei es das normalste von der Welt! Sein Kampfschrei war furchteinflößend und übertönte den ganzen anderen Lärm. Für einen Moment sah ich seinen Attacken zu, bis mich ein stechender Schmerz im Bein aus dem Geschehen riss…
Als meine Frau wieder „erwachte“ sah sie enttäuscht an sich herunter. Anscheinend weil sie die Äxte vermisste.
„Ich war an einer Schlacht beteiligt!“ hörte ich sie freudig reden. Sie hörte sich an, als hätte sie den Verstand verloren!
„Herzlichen Glückwunsch, Alex. Wir haben es gesehen!“ Ich konnte diesen Zynismus nicht aus meiner Stimme verbannen!
Monsieur Borque fragte staunend nach, ob das gerade real gewesen sei.
Es war nicht einfach, aber er bekam eine vereinfachte Erklärung, die ihm deutlich machen sollte, dass wir anders leben und Dinge wahrnahmen als er. Unsere visuellen Fähigkeiten hatte er ja am eigenen Leib gerade erfahren.
Im Anschluss werde ich ihm vermutlich ein paar andere Dinge einpflanzen müssen, nicht dass er diese „Märchen“ noch weitererzählt. Auf der anderen Seite, wer würde ihm so etwas schon glauben? Im Schlimmsten Falle erklärte man ihn für irre und sperrte ihn weg.
Hörte ich sie denken und auch der Allvater ergriff das Wort.
Er scheint auf unserer Seite zu stehen und vielleicht müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf ihn zurück greifen. Da wäre es von Vorteil, wenn wir ihm nicht alles erklären müssten!
Damit war das abgemacht und wir durchforsteten noch die anderen Truhen und Särge.
Alex fand noch zwei Pergamentrollen, welche nicht gleich zu Staub zerfielen beim Berühren und wir beschlossen, sie an uns zu nehmen.
Ich staunte nicht schlecht, das eine Schreiben war in einem sehr sehr alten englisch gehalten, welches sogar mir Schwierigkeiten bereitete. Es war fast 1000 Jahre alt!
Auf der anderen Seite hatten wir eine Landkarte, welche in einem kindlichen Zeichenstil gemalt war. Es war aber wirklich nicht auszumachen, was sie zeigen sollte. Wir sahen keine Koordinaten oder Namen von Städten oder ähnlichem. Ich hoffte, wir könnten später Anhaltspunkte bezüglich dieser Umrisse finden.
Wir fanden noch eine Armbrust, bei welcher uns Paul gleich stolz erklärte, dass sie von den Franzosen damals entworfen worden waren. Diese Durchschlagskraft hatten diese Herren auch gerne mal in Kämpfen mit unwissenden Kriegern unter Beweis gestellt. Ein Bogen machte längst nicht so viel Schaden!
In den anderen Behältnissen waren lediglich Geldstücke und kleinere unwichtige Dinge, die sicher nur persönlicher Natur waren. Eine Münze nahm meine Frau aber an sich, weil auch sie diesen Raben zeigte.
Paul löschte jetzt mit ihr die Feuerschalen und wir machten uns auf den Weg hier heraus. Ich öffnete die Tür und wir konnten wir auf den Gang schreiten.
Dort erwarteten uns diese selbsternannten Wächter auch schon.
„Habt ihr euren Onkel gefunden, Madame?“ höhnte ihr Vorredner und baute sich drohend vor meiner Frau auf!
„Ja, Monsieur, das habe ich. Jetzt kann ich beruhigt meine Heimreise antreten…“ hörte ich sie noch sagen, wurde aber im selben Moment von einem dieser Herren unerwartet angegriffen!
Das Chaos welches hier auf engem Raum entstand, brauche ich wohl nicht erläutern!
Es war schwer, die Angreifer auf Abstand zu halten. Mein Schwert ließ ich instinktiv stecken und nutze die versteckten Klingen und meinen Dolch!
Die Wächter hatten aber nicht mit kampferprobten Gegnern gerechnet und somit hatten wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite! Es dauerte nicht lange, da lag auch schon der letzten Mann röchelnd am Boden!
Warum ich gerade ein Gefühl von Enttäuschung erlebte, war etwas eigenartig, aber der Kampf war recht „langweilig“ und einseitig gewesen.
Doch unser Fremdenführer hatte sich hervorragend geschlagen, Hut ab!
Ich sah, wie Alex über einem Überlebenden gebeugt stand.
„Ihr seid… nicht die einzigen… die hier… nach den Schätzen… suchen! Wir… wissen, wo sich… die besten befinden!“ flüsterte er stockend und aus seinem Mund sprudelten bei jedem Wort kleine Blutstropfen, dann fiel sein Kopf zur Seite.
„Wir sollten nochmal die Taschen der Männer durchsuchen, vielleicht finden Anhaltspunkte, wo sie ihre Beute gelassen haben, oder wer sie anführt. Ich vermute, sie müssen einen Anführer haben!“ Der Vorschlag kam von Paul.
Frustriert stellten wir kurz darauf fest, dass es nicht den kleinsten Anhaltspunkt gab, der uns Hinweise liefern konnte.
Jetzt hieß es, die Leichen von hier wegzubringen.
„Das ist das kleinste Problem, Maîtresse Kenway, Maitre Kenway! In einem der Nebenräume gibt es einige Särge, welche hier gelagert werden, weil sie in der Stadt oben nicht gerne gesehen werden.“ Der Mann kannte sich wirklich gut hier unten aus zu unserem Glück.
Es war ein Aberglaube der Bevölkerung, welche Angst hatte einen Sarg zu sehen, weil man befürchten musste, kurz darauf in eben so einem zu enden! Sogar ich hatte immer ein unangenehmes Gefühl, wenn ich diese Dinger sah.
Alex äußerte ihre Bedenken, dass man ja so niemandem Bescheid über das Ableben dieser Herren geben könnte. Sie wären doch sicherlich auch Familienväter.
„Nein, da macht euch keine Sorgen. Kein Mann, welcher Frau und Kinder hat, würde sich hier als Grabschänder verdingen! Das wirft ein schlechtes Licht auf die Familie und man muss fürchten dafür ins Fegefeuer zu kommen… Aber ihr wisst ja um diese Angst der Christen.“
Mit Monsieur Borque schaffte ich nun die Toten in den Nebengang oder besser Nebenraum. Wir konnten alle mühelos unterbringen, wobei das auch sehr geschmacklos klingt, aber so war es nun einmal.
Wir machten uns danach auf, wieder an die Oberfläche zu kommen und ich stellte erstaunt fest, dass der vorhin noch lange Speer als kleiner Dolch am Gürtel meiner Frau hing. Ich hoffte auf eine Erklärung dafür. Es war ein Artefakt oder auch Relikt. Vielleicht besaß er ja irgendwelche „magischen“ Fähigkeiten? In mir keimte der kleine neugierige Junge auf, welcher auf Abenteuer aus ist. Von Zeit zu Zeit konnte ich diese Momente einfach nicht abstellen, sie beflügelten mich immer wieder!
Auf dem Weg erzählte uns Paul noch ein wenig von sich und seinen Brüdern. 6 hatte er insgesamt, zwei fuhren zur See, einer war letztes Jahr an den Pocken gestorben und die anderen drei lebten auf dem Land bei ihrer Mutter. Der Vater war schon vor langer Zeit einfach abgehauen. Solche Geschichten wiederholten sich anscheinend auch immer wieder.
Wir verabschiedeten uns bei ihm und ich bezahlte den Herren noch großzügig.
„Ich habe zu danken. Es war ein aufregender Tag und ich habe so viele Geschichten jetzt, die ich erzählen kann.“ meinte er fröhlich und stiefelte von dannen.
„Sollte er nicht lieber…“ ich war noch immer etwas skeptisch, aber Odins Worte waren richtig und wir ließen ihn gehen.
Bei unserer Unterkunft angekommen, kam uns Edward weinend entgegen.
Auf Alex´ Frage, ob ihm etwas wehtat, erklärte Sybill was gerade passiert war.
„Mistress Kenway, macht euch keine Sorgen. Ihm fehlt nichts. Master Edward war vorhin nur ein wenig aufgebracht und… ich sah, diese Schlacht ebenso wie er und ihr!“ kam es etwas zögernd von Sybill.
„Das ist… ist das jetzt gut oder schlecht? Auf der einen Seite ist es von Vorteil, da ich nicht viel erklären muss. Die Frage ist nur, WER kann diese Momente noch mit erleben?“ abrupt endete sie ihren Satz und sah mich erschrocken an.
Was ist, wenn Hrymr diese Einsicht hatte und mich dann auch noch manipulieren konnte? Was würde dann passieren? Zitternd überließ sie mir Edward und setzte sich an den Esstisch und griff nach der Karaffe mit dem Wein.
Diese Möglichkeit besteht, mein Kind. Du musst immer mit ihm rechnen. Es fällt mir schwer zuzugeben, aber dieser Kapitän ist nicht zu unterschätzen. Er ist mir ja schon einmal durch die Lappen gegangen! Solange du aber diese Mauer, wie sie gerade besteht in deinem Kopf, aufrecht erhältst, kann er eigentlich nicht soweit vordringen! Und ja, euer Sohn ist auch geschützt.
Langsam beruhigte sie sich wieder, als sie diese Worte hörte!
Wir besprachen jetzt noch, wann wir übermorgen aufbrechen werden. Leider konnten wir nicht mehr nach Preußen, wie wir es uns gedacht hatten. Wir mussten nach Möglichkeit noch vor dem Winter die Überfahrt bewerkstelligen. Das Wetter würde sonst mit einigen Kapriolen auf dem Atlantik auf uns warten.
Und was am wichtigsten war: Wir freuten uns alle auf Virginia!
Leider konnten wir nicht so schnell abreisen, wie wir es erhofft hatten. Wir hatten nämlich eine Sache noch nicht abgehakt!
Das Rasiermesser!
Irgendwo hier in Paris sollte es sein, laut der Liste. Wir forsteten also die Schreiben, Notizen und Bücher durch, welche uns über den Besitzer Aufschluss geben konnten. Oft hörte ich maulig von meiner Frau „Natürlich weißt du das mal wieder. Du bist ja auch noch nicht soweit von diesen Kriegen weg, wie ich. Bei dir sind es ja nur drei Jahrhunderte vielleicht.“
Meinen Stolz bezüglich dieses Wissens konnte ich nicht verbergen. Ein Fünkchen Wahrheit hatten ihre Worte aber nun einmal.
Wir bekamen auch Unterstützung vom hiesigen Wirt, welcher ein paar Bücher, Abhandlungen und ähnliches von seiner Familie in den Regalen hatte und uns zur Verfügung stellte.
„Man hat ja selten so belesene Gäste. Es freut mich, wenn wir euch bei der Suche nach dem Familienerbstück behilflich sein können.“ Ich sah, er war froh etwas konstruktives beitragen zu können. Vermutlich in der Hoffnung, dass wir ihn weiterempfehlen werden. Wobei das genau genommen unnötig wäre, seine Pension wurde vom Königshaus mit finanziert. Das erwähnte ich ja bereits.
Im Grunde gab es nur eine Anlaufstelle und zwar eine der alten noch recht gut erhaltenen Kasernen. Dort sollten wir beginnen und uns danach weiter durchfragen.
Besagtes Gebäude lag in einem Distrikt von Paris, welcher hauptsächlich bis heute Militär beherbergte.
Einer der dortigen Befehlshaber konnte uns sogar weiterhelfen, weil er von diesen Briefen des Leibdieners wusste.
„Wir haben selber einmal einen kleinen Suchtrupp zusammengestellt, weil man munkelte hier unter dem Gebäudekomplex gäbe es alte Verliese und, verzeiht Madame, Folterzellen. Außerdem sollte es geheime Türen geben! Leider sind meine Leute nicht fündig geworden, dafür nur sehr schmutzig…“ sein Lachen wurde leiser, als er meine Frau bedauernd ansah. Alex sah auf den ersten Blick aus, wie die typische zartbesaitete Dame aufgrund ihrer Blässe und vor allem Körpergröße und -statur.
Mit den Worten, er wünsche uns mehr Erfolg, übergab er uns die Schlüssel.
Und dann gab ich Alex die Erklärung, warum dieser Herr so zögerlich auf sie reagiert hatte.
„Mi sol, du bist eine Frau. Frauen sind und das solltest du mittlerweile gelernt haben, in dieser Zeit nicht mit den Belangen der Männer zu belästigen. Sie können es nicht verstehen und fast alle Damen fallen in Ohnmacht, sobald sie auch nur das Wort Blut hören oder ihnen eine Maus über den Fuß huscht. Aber wenn ich ehrlich sein darf?“ ich hob ihr Kinn an, damit sie mir in die Augen sehen konnte. „Man könnte tatsächlich meinen, du gehörst zu diesen zur Hysterie neigenden Damen, Alex. Bedenke deine Körpergröße und deine Haut hat immer diesen durchschimmernden hellen Teint. Kaum jemand, der dich nicht kennt, würde vermuten, dass du jemandem die Finger einzeln brechen könntest oder sogar die Kehle aufschlitzen würdest.“
„Du hast Recht. Ich bin der Wolf im Schafspelz.“ Dabei stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste mich leidenschaftlich.
„Auch das schickt sich nicht für eine Frau in der Öffentlichkeit. Zärtlichkeiten tauscht man nur aus, wenn man alleine ist, mi sol.“ Es tat mal wieder gut, sie ein wenig belehren zu können, auch wenn ich sah, dass sie innerlich bereits wieder zerfloss.
„Dann komm mit und ich zeige dir, was ich mit dir alleine in unserem Schlafzimmer anstellen kann!“ Ihre Worte flüsterte sie nahe an mein Ohr und mich überkam eine wohlige Gänsehaut.
„Ich will nicht warten!“ erwiderte ich knapp und zog sie hinter mir her zu einem abgelegenen alten Gebäude in einer der Gassen.
Dort wurde ich mit ihrer so ganz eigenen Hysterie belohnt, welche sie kniend vor mir zeigte. Dieses Weib wusste mittlerweile sehr genau, wo sie mich packen musste, damit sogar ich Wachs in ihren Händen – oder sollte ich diesem Falle lieber Mund sagen? - war. Es war mehr als befriedigend und entspannt konnten wir den Weg zu unserer Unterkunft antreten.
Ein köstliches Mittagsmahl erwartete uns schon und ein sehr hungriger Edward. Er verteilte seine Speise mal wieder überall, sodass Sybill ihn im Anschluss gründlich waschen musste, ehe er seinen Mittagsschlaf antreten konnte.
Alex war oben und ließ sich von Magda einkleiden um für den Nachmittag entsprechend gerüstet zu sein. Ein Kleid war keine adäquate Kleidung für so einen Ausflug. Also ließ auch ich mich in meine Montur packen, damit ich gerüstet bin.
„Master Kenway, habt ihr das gerade auch gefühlt?“ hörte ich Michael plötzlich ungläubig hinter mir fragen, als er mir den Kragen des Hemdes richtete.
Ja, ich hatte den Allvater gehört, welcher mit meiner Frau und ihrer Zofe gesprochen hatte. Bevor ich jedoch antworten konnte umgab meinen Kammerdiener ein weiches goldenes Leuchten und für einen Moment war er geistig abwesend.
Natürlich! Die beiden Angestellten sollten eingewiesen werden, damit wir nicht mehr so viel zu erklären hätten, wenn wir wie so oft mit verdreckter oder kaputter Kleidung heim kämen. Außerdem gab es einige – für die beiden sicherlich – unerklärliche Dinge, welche jetzt offen dargelegt waren.
„Jetzt wisst ihr, was oder besser wer wir si