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Kapitel: | 23 | |
Sätze: | 6.806 | |
Wörter: | 105.963 | |
Zeichen: | 610.949 |
Ich erinnere mich nicht mehr an das genau Datum dieses einen Tages, aber sicher weiß meine Mutter das noch, denn sie hat damals, als ich klein war, über alles Buch geführt, was mich betraf.
Es war im Frühjahr 1985, ich glaube, so im April oder Mai. Mama, Papa und ich lebten damals schon nicht mehr im großen Hauptsitz des Uchiha-Clans, sondern in einem kleineren, zweigeschossigen Haus außerhalb davon, in dem Mama auch ihre Praxis hatte.
Meine Eltern hatten dieses Haus bezogen, während Mama schon schwanger mit mir war, denn sie wollte, dass ich mitten im Dorf aufwuchs, mit vielen verschiedenen Menschen um mich herum, und eben nicht im Hauptsitz, diesem eigenen Viertel unseres Clans hinter dem Fluss. Sie sorgte auch dafür, dass ich mit anderen Kindern zu tun hatte. Ich mochte dieses Haus mitten im Dorf, und auch die Kinder in unserer Nachbarschaft.
Mama ist Medizin-Kunoichi und spezialisiert als Augenärztin und Neurologin, vor allem auf die Behandlung des Sharingan, und sie war damals schon die beste Augenärztin und Neurochirurgin in ganz Konoha Gakure.
Ich wachte morgens auf und irgendwas war anders. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis ich ganz wach war, ich hatte sehr intensiv geträumt und der Traum hing noch in mir fest. Ich hatte von meinem Papa geträumt, davon, wie er und die anderen Shinobi draußen im Krieg kämpften. Papa war stark, und ich wusste, wie stark, doch trotzdem hatte ich Angst um ihn, das ist ganz natürlich und normal.
Ich hob den Kopf und versuchte, mich langsam aufzusetzen, und mein Blick streifte eins der Bücher in dem Regal über meinem Bett. „Shinobi-Grundausbildung, Klasse 1“ stand auf dem Rücken. Mein Schulbuch, schon durchgearbeitet. Daneben ein anderes Buch: „Illusionen schaffen und auflösen, ein Genjutsu-Grundkurs“. Ich musste lächeln. Dieses Buch war ein Geschenk gewesen. Papas Cousin, den ich „Dara“ nannte und der mein Pate und wie ein Onkel für mich war, hatte es mir zu meinem vierten Geburtstag geschenkt.
Ich sah sein lächelndes Gesicht vor mir, seine Stärke ausstrahlende Gestalt in der roten Rüstung, und seine unglaublich dichten, rückenlangen, schwarzen Haare. Selbst, wenn er nur in einem Buchladen stand und mir ein kleines Geschenk machte, Dara war einfach immer der große, starke Shinobi, eine beeindruckende Erscheinung, er war sehr extravertiert und mochte die Aufmerksamkeit.
„Dieses Buch, mein Junge, wird dir auf dem Weg zu großartigen Fähigkeiten die beste Unterstützung bieten, die ein Buch nur geben kann“, hatte er gesagt. „In dir steckt unglaubliches Talent, und wir werden alles tun, damit du es voll entfalten kannst.“
Auch Dara war nicht hier. Er war in derselben Truppeneinheit wie Papa und die beiden kämpften derzeit im Wasser-Reich gegen Shinobi aus Suna Gakure. Ich vermisste Dara. Papa war oft streng, aber Dara als mein Patenonkel war wie ein guter Freund für mich.
Die Gedanken an Dara hatten den Albtraum aus meinem Kopf vertrieben, aber als ich aufstehen wollte, wurde mir schwindlig und ich sank wieder ins Kissen zurück. Was war denn das? Hatte ich mir etwa eine Erkältung eingefangen?
Ich lauschte, ob ich Mama hören konnte, und tatsächlich hörte ich Geräusche aus der Küche unten.
„Mama?“, rief ich laut.
Schritte auf der Treppe, dann schob sie die Tür auf. „Itachi? Alles in Ordnung bei dir?“
„Ich weiß nicht …“, antwortete ich. „Mir ist auf einmal so schwindlig.“
Mama sah mich besorgt an, kam auf mich zu und setzte sich an mein Bett. Sie strich meinen Pony beiseite, berührte meine Stirn, fühlte, ob ich Fieber hatte, und sagte dann: „Deine Temperatur ist tatsächlich etwas erhöht.“
„Gestern Abend gings mir gut“, sagte ich.
Mama sah mich an, schien einen Moment lang nachzudenken, dann legte sie eine Hand auf meinen Kopf und ließ blau leuchtendes Chakra aus ihrer Hand fließen.
„Mach die Augen zu, mein Kind“, sagte sie und lächelte.
Ich schloss die Augen, spürte Mamas Chakra im Kontakt mit meinem, und auf einmal … tat sich in mir ein Loch auf, aber kein tiefes, dunkles, sondern ein helles Licht, in das ich hineinzufallen fühlte.
Ich riss die Augen wieder auf und blickte in Mamas Gesicht, und so, wie sie mich anschaute, schien sie zu wissen, was mit mir los war.
„Itachi …“, sagte sie leise, und dann: „Dass es jetzt schon so weit ist …“
„Was ist los mit mir, Mama? Fehlt mir was?“, fragte ich ängstlich, dieses Licht eben war doch ganz schön unheimlich gewesen.
„Nein, dir fehlt nichts, keine Angst. Es ist nur … nun ja, es sieht so aus, als ob du etwas bekommen hast … Ich bin noch nicht sicher, ob es das wirklich ist. Dara kennt sich auch gut damit aus, er müsste hier sein …“
„Aber Dara ist im Krieg …“, sagte ich.
„Er kommt ja bald wieder, in ein, zwei Wochen hat er Urlaub. Dann schauen wir uns das zusammen an. Und bis dahin … wenn es das ist, was ich vermute, dann musst du keine Angst davor haben. Es ist nichts Böses.“
„Da war so ein helles Licht …“
Mama strich mir durchs Haar, beugte sich vor und drückte einen Kuss auf meine Stirn. Als ich ihre Augen wieder sah, hatte sie ihre Sharingan aktiviert.
„Es sind deine Augen, Itachi. Deine Fähigkeiten wachsen, und manchmal macht einem so etwas Angst. Aber wir sind alle da und wir helfen dir.“
„Kann ich dann … auch so was wie du, Mama? Kann ich dann Menschen heilen?“, fragte ich.
„Vielleicht, ja. Du könntest ein guter Medizin-Ninja werden, wenn du das möchtest …“ Mama lächelte, und ich wusste, sie wünschte sich das für mich. Wir waren uns so nahe, dass wir einander kaum etwas erklären mussten, und wir wussten beide, dass wir die Freude daran, anderen zu helfen, gemeinsam hatten.
Eine Woche später kamen Papa und Dara tatsächlich von der Front zurück. Papa war leicht verletzt und ging erst einmal ins Krankenhaus, aber Dara kam danach gleich zu uns nach Hause.
„Hallo, Ikue!“, rief er laut, und Mama antwortete: „Madara! Ihr seid wieder da?“
„Yoshio ist noch im Krankenhaus, aber mir geht’s gut.“ Er legte klappernd seine Rüstung ab, dann setzte er sich an den Küchentisch, nahm sich eine Dose Limonade und trank sie in zwei Zügen leer. „Und? Wie ist die Lage hier?“, fragte er dann.
Ich saß oben an der Treppe und sah, wie Mama sich zu Dara an den Tisch setzte. Sie sprach leise, aber ich konnte jedes Wort verstehen: „Madara, wir brauchen deine Hilfe. Es geht um Itachi … Er entwickelt gerade etwas … und ich glaube, er hat das Tsukuyomi geerbt …“
„Tsukuyomi?!“, wiederholte Madara laut. „Echt jetzt?“
„Dara!“, zischte Mama, „Nicht so laut!“
Ich stand auf, ging die Treppe hinunter.
„Ich möchte nicht, dass Oma Yoneko gleich davon erfährt“, sagte Mama. „Madara, du weißt ja, wie sie ist. Sie wird Itachi ins schwere Training nehmen, wenn sie erfährt, dass er schon so weit ist.“
„Ikue …“ Madara seufzte. „Dein Sohn ist eines der begabtesten Kinder in der Geschichte Konohas! Du kannst ihn nicht vom Training fern halten.“
Mama stand auf, ging zum Fenster und schaute hinaus, während sie sagte: „Itachi kommt in seinem Wesen so sehr nach mir. Er ist nicht für ein Leben als Ninja gemacht. Wenn er Mediziner werden könnte, ja, aber ich will nicht, dass Yoneko versucht, aus ihm einen Kämpfer zu machen. Ich hab Yonekos Training doch selbst mitgemacht, als ich klein war, und ich will nicht, dass Itachi dasselbe durchmachen muss!“
„Wenn ich dir verspreche, dass ich mit Yoneko rede?“, fragte Dara. „Auf mich hört sie … manchmal.“
Mama drehte sich wieder um, sah mich an, und sagte dann: „Itachi, ich möchte, dass du mit Madara auf den Übungsplatz gehst. Fragt am besten jemanden vom Hyuuga-Clan, ob ihr deren Platz benutzen dürft, dann kriegt Yoneko das nicht gleich so mit.“
„Ist gut, Mama“, sagte ich und nickte.
Auf dem Weg zum Übungsplatz der Hyuuga-Familie fragte Madara: „Wie fühlt sich das denn so an? Also, dieses Neue in deinem Kopf?“
„Wie ein Licht … ein Licht, das ich vielleicht formen könnte … wenn ich wüsste, wie …“, versuchte ich, die seltsamen neuen Dinge in mir zu beschreiben.
„Spürst du darin Raum, Zeit und Masse?“, wollte Dara wissen.
„Ja. Aber es ist irgendwie anders als sonst. Nicht so … fest, irgendwie …“
Dara blieb stehen, lächelte mich an, richtig strahlend. „Itachi, du bist großartig!“
„Ist das dieses … Tsukuyomi?“, fragte ich und meine Stimme zitterte ein wenig.
„So, wie du das beschreibst, ja, das ist Tsukuyomi.“
„Und was ist das?“
Dara blieb stehen, wir hatten den Platz erreicht. „Das Erste, was du lernen musst, ist, dieses Jutsu in dir zu festigen. Zu lernen, wie du damit umgehst, und dazu brauchst du die Sharingan noch nicht. Tsukuyomi ist ein sehr persönliches Jutsu, und du wirst wohl der Einzige sein, der es beherrscht. Vor dir gab es andere, der letzte war dein Urgroßvater Fukuya. Er hat uns einiges an Aufzeichnungen dazu hinterlassen, und das sind mehr oder weniger die einzigen Informationen darüber, die wir haben. Derzeit bist du der einzige lebende Mensch damit. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis du es wirklich anwenden kannst, denn noch sind deine Sharingan nicht erwacht, aber du wirst die Zeit bis dahin gut nutzen können, denn um es sicher anwenden zu können, musst du dieses Jutsu und seine Ausgestaltung in dir selbst vollkommen kennen. Und ich weiß genug darüber, um dir dabei zu helfen.“
Ein persönliches Jutsu. Ich wusste ungefähr, was das war, ich kannte mehrere Shinobi, die solche Jutsus beherrschten, die sie selbst entwickelt hatten. Aber ein persönliches Jutsu, das auf Vererbung beruhte, das war noch mal etwas anderes, und so, wie Madara es sagte, ahnte ich schon, dass dieses Tsukuyomi etwas ganz Besonderes war.
Dara öffnete eine große Schriftrolle mit einem starken Siegel, schloss mehrere Fingerzeichen und aktivierte seine Kaleidoskop-Sharingan, dann schlug er mit der flachen Hand auf die geöffnete Rolle. Daraufhin entstanden aus der schwarzen Tinte winzige, pechschwarze Flammen. Ich kannte diese Flammen nur aus dem Jutsu-Verzeichnis unseres Clans, dieses Jutsu hieß Amaterasu und galt als eines der stärksten und gefährlichsten Jutsus überhaupt. Dass Dara es so einfach beherrschte, zeigte einmal mehr, wie unglaublich stark er war.
„Das ist Amaterasu, mein eigenes Erbjutsu“, sagte Dara. „Der Unterschied zum Tsukuyomi besteht allerdings darin, dass dieses Jutsu von mehr als nur einer Person angewandt werden kann. Wer über das Kaleidoskop-Sharingan verfügt, kann Amaterasu beherrschen lernen, also irgendwann auch du. Im Unterschied dazu wirst du vielleicht dein Leben lang der einzige Anwender des Tsukuyomi sein.“
„Wie kann mir denn dann jemand beibringen, wie ich das Tsukuyomi richtig anwende?“, fragte ich.
„Genau genommen kann das niemand. Obwohl beispielsweise deine Mutter ebenfalls die Anlagen dazu hat, kann sie es nicht anwenden. Tsukuyomi kommt nicht in jeder Generation vor, es ist, wie du siehst, selbst im Uchiha-Clan äußerst selten. Doch Fukuyas Aufzeichnungen zufolge muss es dir auch niemand beibringen. Wenn du dir Amaterasu genau anschaust, siehst du, dass diese Flammen ein eigenes Leben in sich haben, sie sind wie die Vertrauten Geister. Und so ist Tsukuyomi eine eigene Welt in dir, die du nur kennen lernen musst. Es ist nicht einfach nur ein Jutsu, es wird mit der Zeit immer mehr mit dir verwachsen und greift auch in deine Persönlichkeit und dein Seelenleben ein, es wird irgendwann so sehr eins mit dir sein, dass du es dann völlig intuitiv anwenden kannst.“
Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Dieses Jutsu sollte in meine Persönlichkeit eingreifen? Wie sollte ich das verstehen, war das gut oder schlecht?
Madara bemerkte, dass ich Angst hatte, er hockte sich hin, sah mir ins Gesicht und legte mir seine Hand auf die Schulter. „Du musst keine Angst davor haben, Itachi. Dieses besondere Jutsu ist eine so wunderbare Gabe, und das Beste ist, dass du selbst bestimmen kannst, wie du es nutzen willst. Es ist sehr viel mehr als nur eine Kampftechnik, und je besser und genauer du es kennen lernst, umso mehr Möglichkeiten wirst du damit haben.“
„Ich würde gerne Medizin-Ninja werden, wie Mama“, sagte ich.
„Auch dabei wird Tsukuyomi dir helfen können.“ Madara stand wieder auf, löste Amaterasu auf und rollte die Schriftrolle wieder zusammen. Dann begann er, seine Rüstung abzulegen.
„Wie wär’s, trainieren wir noch ein bisschen?“, fragte er.
Ich nickte.
Und während Madara mit mir dann über zwei Stunden lang Tai- und Nin-Jutsu übte, dachte ich zwischendurch ein bisschen darüber nach, dass ich wirklich gern Medizin-Ninja werden wollte, wie meine Mama. Kämpfen, auf einer Mission oder im Krieg, das wollte ich eigentlich nicht.
Lieber stellte ich mir vor, wie ich gemeinsam mit Mama in ihrer Praxis verletzte Shinobi versorgte. Oder, und das war für mich eigentlich der wichtigste Grund, überhaupt stark zu werden: Hokage werden, und dann mit diesem Amt für Frieden sorgen.
„Dara?“, sprach ich meinen Patenonkel später auf dem Heimweg an, „… sag mal, glaubst du, ich könnte irgendwann … Hokage werden?“
Madara blieb stehen, wandte sich zu mir um, und ich sah diesen Ausdruck in seinen dunklen Augen, ein eigenartiges Leuchten, das so aussah, als freute er sich sehr, dass ich das fragte. So sah er oft aus, wenn jemand das Wort „Hokage“ aussprach.
„Möchtest du das gern?“, fragte er und hockte sich runter, sah mich an.
„Ja.“ Ich nickte.
Madara lächelte strahlend, es schien ihn wirklich sehr zu freuen, und dann sagte er: „Wenn du hart trainierst und deine Fähigkeiten weiter ausbaust, dann kannst du ganz sicher Hokage werden, Itachi. Aus unserer Familie war noch nie jemand Hokage. Ich … muss ja gestehen, ich wäre es selbst gern. Und vielleicht schaffe ich das sogar. Und wenn nicht ich, dann wirst irgendwann du der erste Hokage aus dem Uchiha-Clan sein, da bin ich ganz sicher.“
„Du magst den Hokage der Ersten Generation sehr, oder?“, fragte ich, denn ich wusste, dass Madara die Kopien aller Schriften und Dokumente von Hashirama Senjuu sammelte und den Gründer unseres Dorfes glühend verehrte.
Dara nickte strahlend. „Ich hab ihn noch kennen gelernt, als ich ganz klein war. Er war der großartigste Shinobi, den man sich nur vorstellen kann.“
Er sah mich einen Moment lang an, dann fragte er: „Itachi, kennst du denn schon den Unterschied zwischen einem Ninja und einem Shinobi?“
„Ein Ninja befolgt bedingungslos die Befehle seiner Vorgesetzten. Ein Shinobi dagegen steht für seine Werte und seine Heimat ein!“, zitierte ich den Unterschied nach den Büchern, die ich dazu kannte.
„Und was ist dir wichtiger?“, fragte Madara.
Ich wusste erst nicht, wie ich es sagen sollte. Ninja und Shinobi … irgendwie sollte ich beides sein. Papa vertrat in seiner Arbeit als Anführer der Dorfpolizei von Konoha eher die Werte eines Ninja und versuchte, mir diese beizubringen, aber ich selbst fühlte mich dem Begriff des Shinobi bedeutend näher.
„Ich glaube … ich möchte lieber ein Shinobi sein …“, sagte ich leise.
Madara lächelte wieder. „Deine Mama hat Recht, du kommst wirklich sehr nach ihr.“
„Ist das gut?“
„Das ist sehr gut. Du denkst mit Kopf und Herz zusammen, und das ist wichtig, um ein guter Shinobi zu sein. Natürlich ist dein Papa auch ein guter Shinobi. Aber es kann sein, dass er dich manchmal nicht versteht. Dann ist es gut, dass du deine Mama hast.“
Madara blieb drei Wochen im Dorf, ehe er und Papa wieder an die Front mussten. In dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit mit ihm, er unterstützte mich beim Training und zeigte mir auch einige Bücher und Schriftrollen des Ersten Hokage. Ich hatte das Gefühl, dass es ihn sehr stolz machte, zu sehen, dass ich auch diesen Wunsch hatte, irgendwann Hokage zu werden.
Während dieser Zeit hatte ich immer wieder Momente, in denen diese Kraft in mir, aus der mein Tsukuyomi wachsen sollte, immer ein bisschen stärker wurde. Es fühlte sich nicht wirklich an wie ein Jutsu, sondern ganz anders, fast so wie eine kleine zweite Welt, die in meinem Innenleben wuchs und meinen Geist weiter und stärker machte.
Einmal, ich saß allein in meinem Zimmer und lernte für die Schule, da spürte ich es wieder. Mama war einkaufen gegangen und ich also allein im Haus, und so musste ich es in diesem Moment alleine aushalten. Es fühlte sich ein bisschen einsam an, weil ich wusste, dass ich der Einzige war mit diesem Jutsu, dieser neuen, seltsamen Welt in mir. Und so musste ich ein bisschen weinen, einfach so, weil es so stark war …
Als Mama wieder kam und mich in die Küche rief, hatte ich noch gerötete Augen und sie fragte mich ganz besorgt, ob mit mir alles okay war.
„Alles gut, Mama“, sagte ich und versuchte zu lächeln. „War nur das Tsukuyomi …“
Mama stellte ihren Korb auf den Tisch, dann kniete sie sich zu mir herunter und sah mich aufmerksam an. „Itachi … manchmal frage ich mich, ob das alles nicht zu viel für dich ist …“
Ich dachte daran, wie es mir manchmal ging, wenn ich von Dingen viel zu stark berührt war oder mir manchmal etwas zu viel wurde und ich weinen musste, und dass Papa und Oma Yoneko mich dann nicht verstanden und sagten, dass ich „viel zu sensibel“ sei.
Ich wusste, was dieses „sensibel“ bedeutete, Mama hatte es mir schon oft gesagt und erklärt, dass sie so war und ich auch, weil ich ihr ähnlich war und so weiter …
„Ich krieg das schon hin, Mama“, sagte ich und lächelte, versuchte, es so zu sagen, dass es wie bei Madara klang: „Ich will doch Hokage werden!“
Ich sah, wie Mamas Augen sich mit Tränen füllten, und auf einmal umarmte sie mich ganz fest.
„Mein kleiner Itachi …!“
…
Es war ungefähr ein halbes Jahr danach, dass Papa auf einmal ohne Madara von der Front heim kam. Er erzählte, dass sie nach der Schlacht von Ame Gakure vor zwei Wochen noch zusammen gewesen waren, und dann war Madara ohne ein Wort einfach weggegangen und nicht mehr wieder aufgetaucht. Papa hatte ihn noch weg gehen sehen und gedacht, er käme gleich zurück, doch seitdem hatte niemand mehr etwas von Dara gesehen oder gehört.
Hokage Sarutobi hatte sehr überrascht reagiert, und nun überlegten alle, ob man Madara als „Deserteur“ bezeichnen sollte oder nicht, wobei die meisten, die ihn kannten, sich absolut keinen Reim darauf machen konnten, wie ein so glühender, treuer Konoha-Shinobi wie Madara Uchiha auf die Idee gekommen sein könnte, zu desertieren. Genau so wenig konnte sich jemand vorstellen, dass er gefallen sein könnte, denn er war so immens stark, dass ihn eigentlich niemand unbemerkt hätte besiegen können.
Ich war inzwischen fünf Jahre alt geworden, und ich vermisste Madara sehr. Ich verstand genau so wenig wie alle anderen, warum er einfach verschwunden war. Zwar kannte ich ihn als jemanden mit einer gewissen impulsiven Ader und einer Art von Eigenwilligkeit, aber dass er Konoha Gakure einfach so verließ, konnte ich mir nicht vorstellen.
Das einzige, was ich mir vielleicht denken konnte, war, dass dort an der Front irgendwas passiert war, was ihm ähnlich wichtig gewesen sein könnte wie unser Dorf. Aber was konnte ihm so extrem wichtig gewesen sein? Ich wusste es nicht, aber diese Vorstellung, dass dort draußen in Ame Gakure irgendwas gewesen war, das für ihn Priorität gehabt hatte, war alles, was wir an Ideen über seinen Verbleib hatten.
Tatsächlich kam Hokage Hiruzen Sarutobi eines Tages auf dem Schulhof auf mich zu, sprach mich an und fragte, ob er mit mir über Madara sprechen könnte. Er ging mit mir zur Schaukel am Rand des Schulhofes und ich setzte mich darauf, während Sarutobi vor mir stand und mich fragte: „Itachi, ich weiß, dass Madara dich sehr gern hat und ihr beiden viel Zeit zusammen verbracht habt. Also frage ich mich, hat er jemals dir gegenüber irgendetwas erwähnt, was uns helfen könnte, herauszufinden, warum er gegangen ist und wohin?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein … ich hab keine Ahnung …“
„Denk bitte ganz genau nach. Wenn wir nicht herausfinden, was passiert ist, muss ich Madara als Deserteur eintragen lassen, und das würde ich nur äußerst ungern tun. Wir wissen beide, was für ein stolzer Konoha-Shinobi er ist … oder war … Selbst die Anbu haben keine Spur von ihm, er hat sein Amaterasu und all seine Waffen mitgenommen und ist seitdem wie vom Erdboden verschluckt.“
„Ich weiß es wirklich nicht …“, sagte ich leise und blickte auf meine Beine, die von der Schaukel nicht mal bis zum Boden reichten. „Er wollte doch Hokage werden …“
Sarutobi nahm einen Zug von seiner Pfeife und blies den Rauch ins dicht belaubte Geäst des Baumes, an dem die Schaukel hing. „Das ist wirklich schade. Dann habe ich wohl keine andere Wahl, dann muss ich ihn als Deserteur eintragen lassen. Auch, wenn es mir das Herz zerreißt, denn ich hätte ihn selbst gern als meinen Nachfolger gesehen …“
„Und wenn er … doch einfach in einem Kampf gefallen ist?“, fragte ich, denn die Vorstellung, dass ausgerechnet Madara, der ein solch glühender Verehrer des Ersten Hokage war, „desertiert“ sein sollte, war doch zu unglaublich. Und die Idee, dass irgendwas passiert war, was für ihn wichtiger gewesen sein könnte … wir wussten ja alle nicht, was ihn dazu bewegt haben konnte, zu gehen …
„Es ist zwar schwer vorstellbar, aber genauso möglich.“ Sarutobi zog wieder an seiner Pfeife. „Aber, da hast du Recht, Itachi, es wäre für Madaras Ehre wesentlich erträglicher. Nun gut … dann tragen wir ihn doch als Gefallenen ein. Sollte er irgendwann doch noch wieder auftauchen, wird er uns ja aufklären können darüber, was wirklich passiert ist.“
Der Hokage verabschiedete sich von mir und ich kehrte ins Schulgebäude zurück, wo die nächste Unterrichtsstunde schon begonnen hatte.
Der Krieg war mit der Schlacht von Ame Gakure entschieden worden und nun vorbei, und das bedeutete, dass Papa wieder öfter zu Hause war.
Entsprechend ging nun meine praktische Ausbildung zum Ninja richtig los. Und weil Madara nicht mehr da war, um sie daran zu hindern, fing nun meine Urgroßmutter Yoneko an, mich in ihr spezielles Trainingsprogramm aufzunehmen, bei dem Papa auch mitmachte.
Mama sprach sich mehrmals dagegen aus und achtete darauf, dass Oma Yoneko, die sehr streng sein konnte, mich nicht überforderte, aber ab und zu kam es doch vor, dass es mir einfach zu viel wurde. Es gab deshalb hin und wieder Streit zwischen Mama und ihr.
Yoneko sprach vor mir offen darüber, dass sie die Ehe meiner Eltern ja arrangiert hatte, damit ein so begabtes Kind wie ich dabei herauskam, und das setzte mich doch ganz schön unter Druck.
Ich war nicht nur einfach ein kleiner Junge von gerade mal fünf Jahren, nein, denn das, was Oma Yoneko über mich und vor mir sagte, wenn sie mich in ihr sehr exklusives Teehaus mitnahm, war immer „Itachi, das hochbegabte Wunderkind“ und „Itachi, der Clan-Erbe“ und so weiter …
Ich wusste, dass ich geplant war, dass meine Uroma die Ehe meiner Eltern, die Cousin und Cousine waren, eben genau dafür arrangiert hatte, dass ihre guten Gene mich zu einem solchen Wunderkind machen sollten, wie ich es nun war, und mir war klar, dass Yoneko sich schon ganz genau vorstellte, was ich alles zu erreichen hatte. Diesen hohen Erwartungsdruck, den spürte ich jetzt.
Mama tat alles, um mir zwischendurch so viele Ruhezeiten wie möglich zu schaffen, und war ich zuvor schon ein echtes „Mamakind“ gewesen und hatte mich bei ihr immer wohler gefühlt als bei Papa, wurde sie in dieser Zeit noch mehr zu meinem Ruhepol.
Die hohe Sensibilität, die ich mit ihr gemeinsam hatte und die Papa oft nicht verstehen konnte, band Mama und mich eng zusammen, und je mehr sich meine Fähigkeiten als Shinobi entwickelten und mehrten, umso mehr hing ich an Mama, erst recht, als ich mit sechs Jahren als mit Abstand jüngster Absolvent die Grundausbildung an der Akademie abschloss, Genin wurde, und mein Training damit noch mal intensiviert wurde.
Meine Ruhezeiten bei Mama waren etwas, das unser Verhältnis noch inniger machte, nach jedem harten Training und jedem meiner „Auftritte“ in Omas Teehaus, vor denen ich meistens beinahe Lampenfieber hatte und hinterher ziemlich erschöpft war. Weil Mamas Praxis sich ja bei uns im Haus befand und sie deshalb meistens zu Hause war, empfing sie mich nach den Teehausbesuchen mit einer Kanne Beruhigungstee und oft ließ sie mir dann ein heißes Bad mit duftendem Badesalz ein, kochte uns schönes Essen und umsorgte mich, ließ mich einfach ihr Kind sein.
Meine Eltern waren eigentlich ein gutes Team und ein harmonisches Ehepaar, obwohl sie so verschieden waren, verstanden sie sich meistens gut. Aber damals, als ich sechs Jahre alt war, hörte ich sie manchmal nachts streiten. Und meistens ging es dabei um mich.
„Er ist noch ein Kind, Yoshio! Und auch, wenn er jetzt ein Genin ist: Du kannst ihn nicht wie einen Chuunin von vierzehn oder fünfzehn Jahren behandeln, er ist erst sechs!“
„Itachi ist eine riesige Chance für Konoha! Was meinst du, was er mal alles können wird!“
„Und weißt du, was er noch ist?! Er ist ein Kind, und er ist mein Sohn! Und was bin ich? Ich hab meine Shinobi-Karriere damals an den Nagel gehängt, weil ich einen Sohn habe, der mich braucht! Yoshio, du weißt, ich liebe dich, aber du kannst aus MEINEM Sohn keine Kampfmaschine machen, denn das ist Itachi nun mal einfach nicht!“
„Ikue …“
„Ich werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie du unseren Sohn krank machst, Yoshio! Und jetzt geh bitte, hau ab, ich mag dich gerade nicht mehr sehen.“
Die Tür knallte, Papa lief aus dem Haus und ich hörte Mama in der Küche weinen.
Ich lag oben in meinem Zimmer im Bett und wusste nicht, was tun. Dass Mama so wütend wurde, kam sehr selten vor, sie war sonst ein ruhiger Mensch, und ich fühlte mich schlecht deswegen. Ich war der Grund, warum meine Eltern sich so stritten, und so dachte ich, wie schon öfter mal, an etwas, das ich mir schon lange sehr wünschte: Ich wollte nicht mehr allein sein in meiner Familie. Klar, ich hatte meine Cousins und Cousinen, und dann gab es da ein paar Mädchen und Jungen aus dem Dorf, mit denen ich manchmal zusammen war. Aber mit meinen Eltern war ich immer allein, und deshalb ging es immer um mich.
Was ich mir wünschte, war ein Geschwisterkind. Einen kleinen Bruder oder eine Schwester, jemanden, mit dem ich immer zusammen sein konnte, und durch dessen Existenz der Fokus dann eben nicht immer nur auf mir lag.
Ich mochte es nie, so im Mittelpunkt zu stehen, bei Oma Yoneko im Teehaus nicht, wenn sie mich ihren Freundinnen als „den ganzen Stolz des Uchiha-Clans“ präsentierte, und auch sonst nicht. Ich konnte ja nicht mal einfach im Dorf herumlaufen und spielen, ohne dass von irgendjemandem ein „Da ist ja der Uchiha-Erbe“ oder ähnliche Aufmerksamkeit kam. Es war zwar meistens positiv gemeinte Aufmerksamkeit, doch mir war das immer sehr unangenehm.
Und dann gab es da noch die „Gegenpartei“ zu Uroma Yonekos Teehaus: Koharu Utatane-Hyuuga und deren Anhänger. Soweit ich damals wusste, konnten diese beiden Cliquen einander schon seit ihrer Jugend in der Gründungszeit von Konoha Gakure nicht ausstehen und führten eine Art dorf-internen Krieg gegeneinander.
Und ich, beziehungsweise meine Fähigkeiten und meine Ausbildung, wurden zu einem Teil dieses Kampfes: Yoneko berichtete stolz von jedem Fortschritt, den ich machte, und Koharu schimpfte dagegen an, beschwerte sich laufend, dass es im Uchiha-Clan viel zu viel Talent gab und zu viel Macht ... Als Madara noch da gewesen war, hatte sich Koharus Hass hauptsächlich gegen ihn gerichtet, denn er war Yonekos Liebling gewesen, doch nun regte sie sich über mich auf.
Ich hatte selten persönlich mit ihr zu tun, aber jedes Mal, wenn beispielsweise Papa für mich im Dorfrat eine Ausnahmeregelung durchsetzen wollte, waren es Koharu und ihr Vasall Homura, die dagegen stimmten und stetig behaupteten, dass der Uchiha-Clan viel zu viel zu sagen hatte. Die beiden bildeten außerdem eine lose Allianz mit einem gleichaltrigen Mann namens Danzo, der allerdings oft ziemlich außen vor war, weil er sich auch mit dem Hokage meistens nur stritt.
Mit der Zeit wurde der Umstand, dass ich zu viel Aufmerksamkeit und Auffallen nicht mochte, immer mehr zu einem bewussten Teil von mir. Und ich entdeckte, dass dieser Wesenszug von mir doch ganz gut zum Beruf des Ninja und Shinobi passte: Nicht auffallen, sondern sich verstecken und fast unsichtbar werden.
Ich mochte einfache Kleidung in gedeckten Farben, und ich bemerkte, dass es mir gefiel, schnell und unauffällig zu kämpfen. Zum einen, weil Kämpfen etwas war, was ich immer schnell hinter mich bringen wollte, und zum anderen eben, weil ich nicht auffallen wollte.
Und so fühlte ich mich schon intuitiv mit all jenen Jutsus wohl, die mir ein Agieren im Unsichtbaren und ein indirektes Einwirken auf den Kampf ermöglichten: Genjutsu. Ninjutsu gefielen mir je nach ihrer Art. Und am wenigsten mochte ich Taijutsu, obwohl ich diese ebenfalls gut beherrschte.
Das war auch etwas, was ich über mich herausfand: Ich konnte sehr vieles, es gelang mir einfach, aber ich wollte bestimmte Dinge einfach nicht. Meine Begabungen ermöglichten mir, dass ich fast alles lernte, was es an der Akademie und im Training zu lernen gab, doch wenn ich etwas nicht richtig fand oder es sich für mich nicht gut anfühlte, dann tat ich es entweder sehr ungern, oder manchmal auch einfach gar nicht.
In der Akademie war das Fußballspielen der anderen Jungen so etwas gewesen: Ich hatte es damit versucht, es auch hinbekommen, und dann aber sehr bald gemerkt, dass ich es einfach nicht mochte. Ich war nicht nur immer der Jüngste in der Klasse, ich war auch noch anders als die anderen Jungen. Manche von ihnen nannten mich „Mädchen“, weil ich längeres Haar und zartere Gesichtszüge hatte, und weil ich meistens lieber mit einem Buch auf der Schaukel saß und las, statt eben mit ihnen Fußball oder ähnliches zu spielen.
Und als die Mädchen in der Klasse sich für mich interessierten, weil ich als mit Abstand jüngstes Kind der Klasse ihre Fürsorglichkeit weckte, verstand ich mich mit ihnen deutlich besser. Ich wusste bei Mädchen immer genauer, was sie dachten und wollten, als bei Jungen, auch wenn ich mich selbst eindeutig als Junge identifizierte. Wenn mich jemand fragte, warum ich lieber bei den Mädchen saß als bei den Jungen, sagte ich, dass ich mich wegen meiner engen Bindung zu Mama einfach bei weiblichen Wesen wohl fühlte.
Wenn ich in dieser Zeit aber über meinen Wunsch nach einem Geschwisterkind nachdachte, dann wurde mir immer klarer, dass ich mir am liebsten einen Bruder wünschte, einen Jungen, von dem ich hoffte, dass er, weil er ja mit mir verwandt sein würde, mir vielleicht ähnlicher war als die Jungs in der Schule.
Eigentlich gab es damals nämlich nur einen einzigen Jungen, mit dem ich mich von Anfang an gut verstand, und das war mein Cousin Shisui. Er war zwar ganz anders als ich, lebhafter und lauter, und auch sechs Jahre älter, aber irgendwie fühlte ich mich bei ihm wohl. Vielleicht, weil er der Sohn von Mamas Bruder war, oder einfach, weil er mich nie „Mädchen“ oder dergleichen nannte. Er nahm mich immer ernst, obwohl ich so viel jünger war als er, und mit ihm konnte ich über Bücher reden, weil er selbst gern und viel las.
Für die meisten anderen war ich entweder „der Jüngste“, in der Klasse, im Team, in so ziemlich allem, oder eben „das hochbegabte Wunderkind“. Dass ich mich eigentlich nie wie ein „Kind“ gefühlt hatte, weil ich so früh begonnen hatte, über die großen Dinge in der Welt nachzudenken, und dass ich durch meine Fähigkeiten trotz meiner sehr jungen sechs Jahre meistens schon fühlte und dachte wie ein Erwachsener … bei Shisui konnte ich das zeigen und einfach sein, ohne dafür zu hören zu bekommen, wie „besonders“ ich doch sei. Er behandelte mich einfach … normal.
Shisui war selbst schon ziemlich reif, und auch wenn er längst nicht solche hochpotenzierten Fähigkeiten hatte wie ich, er war ein Uchiha und verstand, was das bedeutete.
Shisui war es dann auch, der mich quasi aufklärte, was Dinge betraf, die so zwischen Männern und Frauen abliefen. Er hatte mit fast dreizehn seine erste feste Freundin, Izumi, die er mir vorstellte und von der ich dann zum ersten Mal hörte, wie das mit den … Bienen und Blumen so funktionierte. Ja, so erklärte sie mir das, und Shisui, der dabei war, sagte dann zu ihr: „Hey, behandele Itachi nicht wie ein kleines Kind! Er ist immerhin Genin! Bienchen und Blümchen, also echt!“
Izumi wurde knallrot und erwiderte: „Wie soll ich das denn sonst sagen? Dass die Erwachsenen diese … Dinge machen, die irgendwie … na ja, komisch sind?“
Woraufhin Shisui ein Buch aus seinem Rucksack holte, auf dem ein rotes Verbotsschildchen klebte und das er einfach vor sich auf den Tisch legte. „Da steht alles drin.“
„Was ist das denn?“, fragte Izumi.
„Hab ich von meinem Paps aus dem Nachttisch geklaut“, sagte Shisui und grinste. „Das ist das hochmysteriöse Flirtparadies, Band 1!“
Was er dann mit gesenkter Stimme aus diesem Buch vorlas, ließ Izumi wiederum erröten. Ich saß einfach da und fragte mich, ob das, was da beschrieben wurde, wirklich so schön und aufregend war, wie es dort stand. Mit meinen sechs Jahren hatte ich noch keine rechte Vorstellung davon, auch wenn ich sonst so viel wusste …
Aber etwas später, ich weiß heute nicht mehr genau, wann, da erfuhr ich dann etwas genauer, worum es dabei ging, bei solcher Liebe …
Ich wachte mitten in der Nacht auf und hörte etwas: Mamas Stimme, aber sie klang ganz anders als sonst. Einen solchen Laut hatte ich noch nie gehört, und zuerst dachte ich, vielleicht weinte sie. Ich setzte mich auf und lauschte. Papas Stimme war auch da, aber nur ganz leise.
Ich stand auf und schlich barfuß bis zu meiner Zimmertür, die ich leise aufschob.
Da, wieder Mama. Aber nicht in der Küche unten, sondern oben, im Schlafzimmer am Ende des Ganges. Und jetzt war deutlich zu hören, dass sie nicht weinte.
Mein Gefühl sagte mir, dass ich ganz leise sein musste, dass sie mich nicht bemerken durften. Und so näherte ich mich, schon intuitiv nach Art eines Ninja, dem Schlafzimmer meiner Eltern. Je näher ich kam, umso klarer wurde mir, dass es Mama gut ging und Papa auch, ich hörte Mama kichern und auch andere Laute sprachen davon, dass meine Eltern da gerade irgendetwas taten, was ihnen hörbare Freude bereitete.
Das Schlafzimmer meiner Eltern lag auf der anderen Seite des Flures und ich wusste, dass eine der Wände von Papas Büro, das sich direkt daneben befand, nur aus einer Holz-und-Reispapier-Wand bestand. Die Tür vom Büro war nicht ganz geschlossen, ich schob sie vorsichtig auf und huschte hinein.
Kaum war ich drinnen, hörte ich Mama im Raum daneben wieder kichern. „Yoshiii … ahh, lass das!“ Und dann: „Wenn du so weiter machst …. hihihihi … dann wecken wir noch Itachi auf …“
„Ich bin schon wach“, dachte ich und kroch unter Papas Schreibtisch, denn dahinter, unten in der Ecke, war das Reispapier etwas lose. Ich feuchtete meinen Finger mit Spucke an und löste das Papier ein wenig von dem hölzernen Rahmen ab, und dann blickte ich durch das entstandene, winzige Fenster:
Viel sah ich nicht, es war ganz dunkel, nicht mal der Mond schien, denn es war Neumond. Aber ich hörte das Rascheln von Bettzeug, Mama kicherte und seufzte genießerisch, und Papa atmete laut. Und irgendwie wusste ich in diesem Moment, dass das, was Shisui mir erzählt hatte und das, was er aus diesem geheimnisvollen Buch vorgelesen hatte, genau das war, was meine Eltern hier gerade taten. Und weil Izumi es so erklärt hatte: „Erwachsene machen das und dann kommen manchmal später Babys zur Welt“, freute ich mich sehr darüber. Denn wenn meine Eltern das auch taten, dann bedeutete das, dass ich möglicherweise ein Geschwisterchen bekommen konnte.
Ich schlich zurück in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und betete zu allen mir bekannten Gottheiten, dass ich mir so, so, so sehr einen kleinen Bruder wünschte. Und ich schwor, schon in dieser Nacht, dass ich der allerbeste große Bruder sein wollte, den man sich nur vorstellen konnte.
Damals war ich sechs. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sich mein Wunsch erfüllte, doch es passierte tatsächlich, ich bekam einen kleinen Bruder.
Ame Gakure, 1986
Der Regen fiel fast lautlos auf die Straße. Es war ein Regen aus winzigen Tropfen, Wasser in der Luft, die stetig diesen Regen in sich hatte. Obwohl es wohl später Nachmittag war, war es fast so dunkel wie in der Nacht. Nur das Licht von ein paar wenigen Laternen warf seinen blauen Schein auf den ehemals recht städtischen, verregneten und nun schwer zerstörten Ort.
Obwohl Ame Gakure seinem Namen - Dorf des Regens - alle Ehre machte und es auf nur wenige Sonnenstunden brachte, konnte man hier eigentlich einigermaßen gut leben. In friedlichen, normalen Zeiten.
Aber es war Krieg. Schon seit fünf Jahren herrschte dieser Krieg in der Shinobi-Welt, der dritte große Krieg seit der Gründung des Dörfer-Machtsystems. Die Großmächte Konoha Gakure, Suna Gakure, Kumo Gakure und Kiri Gakure bekämpften sich um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Vor vier Wochen hatten die Kämpfe der großen Ninja-Armeen dann das kleine, verregnete und recht unbedeutende Ame Gakure erreicht. Für die großen Reiche war Ame nur das graue, dunkle Dorf, das eben in einer unvorteilhaften Lage war, zwischen den mächtigen Ninja-Dörfern. Nach vier sehr langen Wochen, die Ame noch versucht hatte, sich gegen Konoha, Kumo und Kiri zu wehren, war das Dorf geschlagen und nur noch eine Ruinenstadt.
Auf dem von Trümmersteinen übersäten, löchrigen Dorfplatz, inmitten eines Kreises leerer, zerstörter Häuser, hatten sich etwa vierzig Ninjakrieger aus dem siegreichen Konoha-Gakure um ein schwarzes Feuer versammelt, das in einer großen Schriftrolle brannte. Die Schriftrolle gehörte dem Uchiha-Clan und die schwarten Flammen hatten einen Namen: Amaterasu. Es war eine sehr starke Waffe, doch in diesem Moment diente es der Wärme und dem Schärfen und Härten der metallenen Waffen, die darin lagen wie Holzscheite in einem gewöhnlichen Feuer.
Die Ninjakrieger waren müde vom Kämpfen, freuten sich aber auch, denn der Krieg war so gut wie gewonnen. Zwar kämpften vor den eingestürzten Mauern von Ame immer noch Kumo und Kiri gegeneinander, aber Konoha hatte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits gesiegt. Der Krieg war fast vorbei. Nach langen fünf Jahren waren die Machtverhältnisse geklärt.
Zehn der etwa vierzig Konoha-Ninjas standen etwas abseits der anderen, die um das Feuer saßen, in einem Außenbogen nebeneinander. Sie suchten mit ihren Augen wachsam die dunklen Ruinen nach Sprengfallen und feindlichen Ninjas ab. Diese zehn Ninjas hatten alle besondere Suchfähigkeiten: Augen, die durch alles hindurchsehen konnten, ein besonderes Gespür für Chakra oder sie konnten mit ihren scharfen Sinnen Spuren nachverfolgen. Einige von ihnen konnten sogar versiegelte Dinge ausfindig machen.
Die Bewohner von Ame waren längst geflohen, vielleicht bis auf einige wenige, für die Konoha-Ninjas unbedeutende Ausnahmen. Das Dorf schien menschenleer, zumindest von Bewohnern. Die, die geflohen waren, hatten zum Teil auch ihre eigenen Kriegstoten mitgenommen und niemand, keiner von ihnen, leistete mehr Widerstand. Die letzten Bewohner von Ame Gakure waren ein paar Waisenkinder, die vergessen worden waren, die sich versteckten und unter allen möglichen Verletzungen und durch den jahrelangen Dauerregen bedingten Erkältungen litten.
Das bläuliche Licht der Laternen fiel auf einen leuchtend orangen Farbfleck im offenen Türrahmen eines Hauses, das mehr eine Ruine war und früher wohl einmal drei Stockwerke gehabt hatte. Der Farbfleck war das orangene, kurze, stachlig vom Kopf abstehende Haar eines etwa sieben Jahre alten Jungen mit auffallend blasser, ja fast weißer Haut. Er trug eine zerschlissene, graue Regenjacke, eine angerissene Hose und abgenutzte Sandalen. Der schwarze Regenschirm, den er unsicher mit seinem Kinn an seine linke Schulter geklemmt hielt, war ebenfalls angerissen und löchrig und bot kaum Schutz vor dem endlosen Nieselregen.
Der Junge wirkte weit älter als sieben, sein blasses Gesicht mit den weißlosen, lila Augen sah viel älter aus, reifer und hungrig. Es war das Gesicht eines Jungen, der statt zu spielen und zur Schule zu gehen, ohne fremde Hilfe ums Überleben kämpfte und bereits große Verantwortung trug. Nicht nur für sich selbst.
Denn seine Arme stützten, statt des Regenschirmes oder eines Rucksacks, zwei kleine, schneeweiße Beinchen in zerrissenen Socken und alten, etwas zu kleinen, mit winzigen Blümchen bestickten Kleinkinderschuhen. Eine ebenso kleine, schneeweiße Hand tastete unter dem schwarzen Schirm hervor und patschte auf die Wange des Jungen. Der drehte seinen Kopf vorsichtig nach rechts, versuchte dabei, den Schirm festzuhalten und lächelte dem Kleinkind, das er auf dem Rücken trug, ermutigend zu.
„Ha-ha-hatschiii!“ Das kleinere Kind nieste.
Der Schirm verlor durch die ruckartige Kopfbewegung des Kleinkindes den Halt und fiel neben dem Jungen in den Bogen des Türrahmens. Jetzt war auch der Kopf des kleinen Kindes zu sehen. Es war ein Mädchen, etwa zwei oder drei Jahre alt und ebenso blass wie der Junge. sein kleines, weißes Gesicht war recht hübsch, von helllila Locken umrahmt und mit ausdrucksvollen, ockergelben Augen, die jedoch in diesem Moment vom Niesen zugekniffen waren.
Das kleine Mädchen hatte Schnupfen und hätte sich längst mal die Nase putzen müssen, was aber nicht ging, denn weder sie, noch der Junge besaß ein Taschentuch.
„I-ich frier, Nagato!“ Das kleine Mädchen schniefte, „hab Hunger!“ Es beugte sich weit vor, so dass die fast kinnlangen, lila Locken hübsch um ihr weißes Gesicht fielen.
„Ich weiß ja, Konanchen. Aber ich kann nichts machen. Ich hab auch nichts zu essen und kalt ist es hier überall“, erwiderte Nagato traurig.
Die Kleine hörte zwar, was Nagato sagte und sie verstand ihn auch. Aber sie hatte seit über zwei Tagen nichts Rechtes gegessen, fror und hatte Schnupfen. Konan war kein nachgiebiges, einsichtiges Kind. Sie war eigensinnig und wenn etwas nicht so lief, wie sie wollte, konnte sie sehr wütend werden. Jetzt hatte sie allgemein schlechte Laune und fand, dass sie damit vollkommen im Recht war. Das Wetter war wie immer furchtbar, und die fremden Männer auf dem Platz und der Kampflärm vor dem Dorf machten ihr Angst.
Was tut ein Mädchen von zwei Jahren, wenn es schlecht gelaunt ist, Angst hat und friert, außerdem einen riesigen Hunger hat? Wenn sie nicht mehr den Mund halten kann, weil ihr besorgter Beschützer ihr diesen in den letzten Tagen immer wieder zugehalten hatte, damit sie still war und niemand sie beide bemerkte?
„Neeeee! Soll nich mehr regnen! Soll aufhören! Will was essen haben! Ich friert! Konanchen is k-k-kalt!“, schrie sie.
„Konan! Scht, sei bitte leise“, ermahnte Nagato das kleine Mädchen.
„Nein! Will was zum Essen haben! Konanchen hat großen Hu-Hu-Hunger!“ weinte sie und schniefte laut. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die leicht rosa verfärbte Nase, was aber so gut wie nichts brachte.
„Konan, sei bitte still! Sonst bemerken uns die Konoha-Ninjas noch. Das ist gefährlich!“, versuchte Nagato erneut, die Kleine auf seinem Rücken, die die anderen Waisenkinder fälschlicherweise für seine kleine Schwester hielten, zu beruhigen. Sie war nicht mit ihm verwandt, sondern das Kind seiner Nachbarn. Die waren vor einem halben Jahr wie so viele andere einfach spurlos verschwunden und hatten ihre Tochter ohne Erinnerung an ihre Eltern im Haus zurückgelassen. Nagato hatte Konan gefunden, in seinem Zimmer aufgenommen und kümmerte sich seitdem um sie. Seine Eltern waren genau wie ihre längst weg.
Jetzt hatten Nagatos Beruhigungsversuche keinen Erfolg. Konan war sauer. Sie sah nicht ein, warum sie ihrem Unmut über die furchtbare Situation nicht Luft machen sollte und schrie immer lauter.
In der Mitte der Reihe der Konoha-Ninjas, die das Dorf beobachteten, standen zwei der stärksten Ninjas ihres Clans: Madara und Yoshio Uchiha.
Beide hatten endgültig genug von diesem Krieg. Und Madara, der fünfundzwanzig Jahre alt, etwas jünger als Yoshio, war, hatte als einziger das laute Weinen des kleinen Mädchens in der Hausruine registriert. Yoshio hatte Frau und Kind zuhause, er blendete die Kriegskinder aus sehr verständlichen Gründen aus, schließlich konnte sich ein Ninja im Weltkrieg keine Sentimentalitäten erlauben und Yoshio war seine Ninja-Ehre sehr wichtig. Und auch sonst achtete niemand auf den blassen Jungen mit dem kreischenden kleinen Mädchen auf seinem Rücken. Außer Madara.
Und Madara hatte längst begriffen, dass dieser Krieg nichts als Tod und Schmerz brachte. Die Kinder hier in Ame Gakure waren der beste Beweis dafür. Irgendjemand musste irgendwas dagegen tun. Jemand, der der das Schicksal dieser Kinder irgendwie in die Hand nahm.
Madara hatte selbst keine Kinder, nur Yoshios Sohn Itachi, dessen Pate er war. Doch er hatte schon ein paar Mal als Hilfslehrer an der Akademie gearbeitet und liebte es, Kinder um sich zu haben, sie zu unterrichten und in ihren Talenten zu fördern.
In diesem Moment begann es in Madaras Gehirn zu arbeiten. Es dachte nach, entwickelte einen Plan. Madara wusste, dass er derjenige war, der etwas tun musste. Er galt als der talentierteste und stärkste aktive Ninja des Uchiha-Clans, der Familie in Konoha Gakure.
In diesem Clan war so ziemlich jeder irgendwie begabt und die meisten sahen mit ihren dunklen Haaren und schön geschnittenen Gesichtern auch gut aus. Talent und Aussehen vererbten sich im Uchiha-Clan besonders auffällig, genau wie die Blutgruppe AB negativ, die bei ihnen besonders oft vorkam. Diese sonst recht seltene Blutgruppe war in den Genen an das Kekkei Genkai gebunden. Im Uchiha-Clan war es das Sharingan: Die rote Iris mit einem schwarzen, gleichmäßigen Muster um die Pupille herum. Wenn man es aktivierte, verbrauchte es viel Chakra, aber es war sehr stark, eines der stärksten bekannten Kekkei Genkai überhaupt.
Madara hatte seinen Sharingan viele Fähigkeiten angeeignet, sodass seine sonst schwarzen Augen mit den dunklen Wimpern fast immer die rote, schwarz gemusterte Färbung hatten. Es gelang ihm fast immer, genug Chakra aufzubauen. Yoshio, der neben Madara stand, hatte dagegen schwarze Augen. Er aktivierte seine Sharingan nur im Kampf.
Madara war mit Yoshio über die gemeinsame Großmutter Yoneko Uchiha verwandt, ebenso wie Yoshios Frau Ikue. Meist wurde innerhalb des Clans geheiratet, um die Blutlinie zu erhalten und neue, starke Talente hervorzubringen.
Bei Ikues und Yoshios Sohn Itachi war das offensichtlich gelungen, dieser zeigte bereits viele der ersten Anzeichen von ungeheuer vielversprechendem Talent. Das war zu erwarten, denn Ikue hatte viel vom Talent ihrer Großmutter Yoneko geerbt. Yoneko Uchiha, deren Name Freudige Katze bedeutete, war die Matriarchin des Clans, und ihr Talent schien über ihr Tochter Mino und deren Tochter Ikue an Itachi weitervererbt worden zu sein. Der Fünfjährige konnte schon perfekt lesen und schreiben, beherrschte Kunai und Shuriken, hatte sein Chakra bereits voll unter Kontrolle, und zudem zeigte er schon Anzeichen für eins der seltensten und stärksten Jutsus des Clans: Tsukuyomi.
Madara hatte mit fünf Jahren ähnliche Fähigkeiten gehabt. In der Hauptfamilie, die von Yoneko und ihrem Mann Fukuya abstammte, war die Talentdichte an höchsten und brachte Fähigkeiten hervor, die bisher bekannte Ausmaße fast mit Sicherheit überschreiten würden. Niemand konnte genau vorhersagen, welche unglaublichen Fähigkeiten Itachi entwickeln würde, wenn er jetzt mit fünf schon so weit war. Der ganze Clan, sogar das ganze Dorf, beobachtete schon jetzt gespannt und hoffnungsvoll die Entwicklung des Jungen.
Madaras Blick wanderte zu dem Jungen mit den leuchtend orangen Haaren hinüber. Das kleine Mädchen mit den lila Locken schrie noch immer. Es war erkältet, das war ja kein Wunder bei diesem Wetter. Madara fragte sich, ob er so etwas wie ein Taschentuch dabei hatte, und in seinem Kopf ratterten unzählige Gedanken. Er konnte diese Situation nicht auf sich beruhen lassen, er musste irgendetwas tun.
Er hatte Schriftstücke auswendig im Kopf, die er vor seinem inneren Auge lesen konnte und die er immer wieder für seine Entscheidungen heranzog: Schriften des Hokage der Ersten Generation, Hashirama Senjuu, den Gründer des Dorfes, den Madara wie ein Idol glühend verehrte. Madara sah sich selbst als eine Art „Vertretung“ der Ideale des Ersten Hokage für seine eigene Generation. Und diese Ideale beinhalteten, da Hashirama selbst ein enthusiastischer Lehrer gewesen war, der viel Freude an der Förderung der Jugend gehabt hatte, nun eben auch für Madara viele Ideen, die sich um Kinder und deren Förderung und Stärkung drehten.
„Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen und diese Kinder hier ihrem Schicksal überlassen! Der Junge ist noch keine zehn und das Mädchen fast noch ein Baby. Die beiden werden hier nicht überleben, nicht an diesem Ort. Ich muss irgendwas unternehmen.“
Er wandte sich zu Amaterasu um, ging hin und sah nach, ob die Waffen darin schon fertig waren. Nachdem er festgestellt hatte, dass sie Amaterasu nicht mehr brauchten, nahm er die Waffen heraus, die Flammen verschwanden in der Schriftrolle und Madara rollte diese wieder zusammen, nahm sie mit zu dem Punkt, wo Yoshio noch stand.
„Sind wir hier fertig?“, fragte Yoshio.
„Der Kampf ist vorbei“, antwortete Madara.
Konan schniefte. Sie war immer noch hungrig, fror, und das ständige Hochziehen-müssen vom Schnupfen störte sie gewaltig. Es schien ihr völlig unmöglich, auf Nagato oder ihre gemeinsame Sicherheit Rücksicht zu nehmen.
Man hätte vermuten können, dass sie ihre Eltern vermisste. Aber Konan hatte ihre Eltern schon so früh verloren, dass sie sich nicht an sie erinnern konnte. Sie vermisste sie nicht, wusste nicht einmal, dass es für andere Kinder ihres Alters ganz selbstverständlich war, welche zu haben.
„Konan, sei jetzt bitte, bitte still!“ bat Nagato mit einer Mischung aus Sorge und Überforderung. Ihm taten schon die Ohren weh von Konans Geschrei.
Und Konan wurde still. Allerdings nicht, weil Nagato sie so darum gebeten hatte, sondern weil sie auf einmal bemerkte, dass einer der Ninjas sie beide bemerkt hatte und sie seinen Blick spürte. Es war einer derjenigen, die das Dorf beobachteten, ein Mann mit langen, dichten, schwarzen Haaren, einer roten Rüstung und einem großen Fächer mit einer Sensei daran als Waffe. Eben hatte er das schwarze Feuer wieder in eine Schriftrolle zurückgeholt und jetzt stand er da und beobachtete die beiden Kinder.
Den Anblick des schwarzen Feuers waren Konan und Nagato inzwischen gewöhnt, denn in den letzten drei Wochen hatten sie es oft gesehen. Die stärksten Ninjas verwendeten es, um ihre Schwerter darin zu schärfen. Nagato hatte beobachtet, wie der Krieger, der sie jetzt anschaute, dieses Feuer aus er Schriftrolle beschworen hatte. Ein Zweck dieses seltsamen Feuers schien die Herstellung und Härtung von Schwertern, Kunai und Shuriken zu sein, die nach dem Schärfungsprozess eine schwarze, glänzende Farbe annahmen.
Dass Konan auf einmal still war, wunderte Nagato, denn normalerweise brauchte das kleine Mädchen recht lange, um sich nach einem solchen Wutanfall wieder zu beruhigen und meistens fing sie kurz danach wieder an zu schreien. Er folgte dem Blick ihrer erschrocken und erstaunt geweiteten Augen und blickte direkt in die tiefroten Augen dieses Kriegers in glänzender, tiefroter, aus mehreren, aneinandergehängten Platten bestehender Rüstung. Das schwarze Haar des Shinobis war rückenlang und sehr voll und dicht. Nagato hatte noch nie jemanden mit so langem, dichtem Haar gesehen. Aber er sah ihn nicht zum ersten Mal, denn dieser Mann, der am Rande der wachhabenden Ninja stand, war derjenige Shinobi in der Armee, der das Amaterasu-Feuer verwendete und auch der, der es wie einen vertrauten Geist beschwören konnte. Nagato wusste nicht, wie der Mann hieß, aber es war vollkommen klar, dass es sich bei ihm um einen der stärksten Konoha-Ninjas handelte.
Und es war ebenso klar, worauf in diesem Moment der Blick seiner roten Augen lag. Nicht auf dem Haus, in dessen Tür Nagato stand, sondern auf Nagato selbst und auf Konan. Der fast mitleidige Blick des Mannes galt Konans weißem Gesichtchen, das ihn verschnupft und verweint anstarrte.
„Siehst du, Konanchen, jetzt hat er uns bemerkt!“ flüsterte Nagato panisch. Er hatte sich immer verzweifelte Mühe gegeben, den Ninjas nicht aufzufallen. Doch jetzt sah es so aus, als hätte Konans unvernünftiges Geschrei sie beide in Lebensgefahr gebracht.
Ein Blick in die großen, ockergelben Augen des hungrigen, kleinen Mädchens hatte ausgereicht. In diesem Moment brachte dieses Kind das Fass für Madara zum Überlaufen. Der Plan in seinem Kopf nahm mit wahnsinniger, kühner und äußerst wagemutiger Geschwindigkeit feste Formen an. Innerhalb weniger Augenblicke stand es für ihn fest.
Madara Uchiha hatte sich entschieden. Es gab keinen anderen Weg, auch wenn dieser Weg ein aufgebender, schwieriger Weg war. Er musste es tun. Er musste sich dieser beiden Kinder annehmen, sie retten, mitnehmen, in Sicherheit bringen.
Mit ins Dorf nehmen konnte er sie jedoch nicht. Konoha hatte gesiegt und sollte Madara mit zwei Kindern aus Ame Gakure ins Dorf kommen, würden die Anbu die beiden wie Kriegsgefangene behandeln, verhören und dann ins Heim stecken. Menschen wie Homura oder Danzo würden es nicht zulassen, dass zwei Waisenkinder aus Ame in Konoha ausgebildet wurden.
Madara brauchte eine andere Idee, und die nahm in seinem Kopf schon Gestalt an. Er galt zu Recht als begeisterungsfähig, impulsiv und manchmal einzelgängerisch, wenn es um seine Ideale ging, und diese Zusammensetzung seines Wesens zeichnete in diesem Moment seinen Weg vor.
Eigentlich hatte er Hokage werden wollen. Eigentlich hatte er sogar schon mit Sarutobi, dem Hokage der dritten Generation, Absprachen getroffen, das umzusetzen. Eigentlich war Konoha Gakure der einzige Ort, an dem er leben wollte. Und er hätte auch gern zugesehen, wie sein Patensohn Itachi seine großen Talente entfaltete.
Aber er wurde nicht unbedingt gebraucht in Konoha. Es gab im Dorf genug andere starke Kämpfer und auch Menschen, die Hashirama Senjuus Ideale hoch hielten.
Gebraucht wurde er hier. Diese beiden blassen, frierenden Kinder brauchten Hilfe. Und Madara spürte eine seltsame Vertrautheit zu den beiden. Er würde hier und jetzt nicht noch einmal wegsehen und zulassen, dass Kinder litten. Er würde ihnen helfen. Und zwar jetzt und sofort. Bevor er sich zu einem schnellen und möglichst undefinierten Abschied zu Yoshio umwandte, atmete er noch einmal tief durch.
„Yoshio, ich hab da drüben etwas entdeckt. Das haben die aber gut versteckt. Ich geh mal eben da rüber und überprüfe das.“ Es waren keine wirklichen Abschiedsworte. Yoshio sollte schließlich nicht merken, dass Madara nur ein paar Schritte vor der Desertation stand. Ein paar Schritte zwischen dem Punkt, wo er stand, und dem zerstörten Haus, in dessen Tür die Kinder standen.
„In Ordnung. Wenn es Sprengfallen sind, entschärfst du sie. Das dürfte doch kein Problem für dich sein, Madara“, erwiderte Yoshio.
Dann drehte Madara sich um und ging zu dem halbzerstörten Haus hinüber. Er achtete sorgfältig darauf, unauffällig zwischen Yoshios Blickfeld und den Kindern zu gehen, damit Yoshio die beiden nicht als sein wahres Ziel erkannte.
In seiner Gürteltasche suchte Madara schon nach dem Tuch, das er immer dann benutzte, wenn seine Augen nach der häufigen Benutzung der Sharingan tränten.
Am Rand des Lagers stand noch Madaras Armeerucksack. Es fiel wohl nicht auf, wenn er seine Ausrüstung zu einer vermeintlichen Bombenentschärfung mitnahm. Er griff den Rucksack, schulterte den Kampffächer Gunbai und schritt mit dem Tuch in der linken Hand auf die verängstigt erstarrten Kinder zu.
Als der rotäugige Ninja auf sie zukam, tat Konan ihr wütendes Geschrei leid. Sie merkte jetzt doch, dass sie Nagato und sich selbst in Gefahr gebracht hatte. Aber jetzt war es zu spät. Der Mann mit dem dichten, langen, schwarzen Haar kam zielstrebig auf sie zu. Konan war viel zu erschrocken, um zu schreien oder etwas zu sagen. Und auch Nagato schien wie am Boden festgewachsen zu sein. An Flucht war gar nicht zu denken.
„Ich lass nicht zu, dass jemand Konan etwas tut!“, dachte Nagato nur, „ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“
Der Ninja blieb genau einen Schritt vor Nagato und Konan stehen. Erst blickte er sie nur an, dann lächelte er.
„Habt keine Angst. Ich will euch nichts tun“, sagte er und streckte seine linke Hand aus, „Hier, kleines Mädchen, das ist für dich. Du siehst ganz verschnupft aus.“
Konan starrte ihn nur stumm an. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte: Ein feindlicher Ninjakrieger lächelte sie an und bot ihr sein Taschentuch an.
„Ich tu euch nichts“, wiederholte der Ninja. „Ihr könnt mir vertrauen. Und du, Kleine, du siehst doch mit sauberer Nase viel hübscher aus.“
Endlich fand Nagato seine Sprach wieder.
„Was wollen Sie?“ fragte er misstrauisch.
Der Ninja sah sich kurz um, zu einem anderen Kämpfer, der, neben dem er zuvor gestanden hatte. Er hob die Hand, winkte diesem zu und rief: „Alles klar, ich habs gefunden.“ Der andere Kämpfer hob ebenso die Hand und nickte.
„Alles klar, ich habs gefunden“, dachte Madara seine Abschiedsworte noch einmal. Für Yoshio bedeuteten sie in diesem Moment nur, dass er seine Arbeit machte, doch Madara selbst fühlte dabei ein „Ich habe gefunden, was ich tun kann, um das hier zu beenden.“
„Komm“, wandte er sich leise an die beiden Kinder. „Gehen wir hier ins Haus, ihr müsst von dem Platz hier weg.“
Der Junge mit den orangenen Haaren sah ihn skeptisch an, folgte aber der Anweisung.
„Ihr könnt nicht hier bleiben. Das ist viel zu gefährlich und wenn ihr weiter in diesem endlosen Regen lebt, bekommt ihr noch beide eine Lungenentzündung. Außerdem habt ihr doch kaum noch was zum Essen, hab ich Recht?“, sagte Madara, als Yoshio sie nicht mehr sehen konnte.
„Sie wollen uns … helfen?“ fragte Nagato. Er konnte es nicht glauben. Ein feindlicher Ninja aus Konoha Gakure bot ihm und Konan seine Hilfe an?! War das eine Falle?
Der Ninja lächelte wieder. Er hielt Konan das Tuch direkt vor die Nase. Konan sah direkt in seine Augen. Sie wirkten schon etwas unheimlich mit dem seltsamen, schwarzen Muster, aber sie lächelten. Und Konan, das kleine Mädchen von zwei Jahren, war schon überzeugt. Sie griff nach dem weißen Tuch.
„Danke chön.“ flüsterte sie und wischte mit dem Tuch über ihre Augen. Es war so schön weiß, mit einem aufgestickten, rotweißen Blattfächer in einer Ecke. Zum Naseputzen nahm Konan lieber den Ärmel ihres ohnehin schon schmutzigen Kleidchens.
„So, und jetzt müsst ihr hier weg. Nehmt eure Sachen und dann bring ich euch an einen sicheren Ort.“ sagte der Ninja.
„Wissen Sie denn einen?“ wollte Nagato wissen. Er traute dem Fremden noch immer nicht ganz.
„Ja, ich weiß einen Ort. Aber wir müssen schnell weggehen.“ Der Ninja sah sich kurz in der Hausruine um. Auf dem kalten Boden, unter den Resten einer Treppe, dem einzigen Platz im zerstörten Haus, wo es nicht reinregnete, lagen der Futon, den Nagato sich mit Konan teilte und zwei mittelgroße Taschen, die den gesamten Besitz der beiden enthielten.
„Sie haben uns noch nicht mal gesagt, wie Sie heißen“, sagte Nagato, während er Konan auf dem Boden absetzte, um die Taschen und den Futon zu verpacken.
„Mein Name ist Madara Uchiha“, antwortete der Ninjakrieger. „Ihr zwei könnt gern Du zu mir sagen.“
„Hm… du heißt Dara?“ fragte Konan, du inzwischen auf dem Boden saß, und schaute zu Madara auf. Der musste lächeln.
„Ma-da-ra, Konanchen, nicht Dara.“ berichtigte Nagato das kleine Mädchen.
Madara lächelte wieder. „Das ist schon in Ordnung. Dara nennen mich viele.“
„Und du, wie heißt du?“, fragte er dann.
„Ich bin Nagato, und sie heißt Konan.“
Madara half Nagato, den Futon zu verpacken. Jetzt musste alles möglichst schnell gehen. Das Haus hatte einen hinteren Ausgang und von da führte ein Weg durch mehrere Hinterhöfe. Jetzt kam es darauf an, dass niemand sie bemerkte.
Nagato hatte sich die beiden schweren Taschen umgehängt und trug dazu noch den Regenschirm. Wenn er jetzt noch Konan auf seinen Rücken nahm, würde das vielleicht zu schwer für ihn werden.
„Da tu ich aber nich mehr zwischenpassen“, bemerkte Konan wahrheitsgemäß und zeigte auf Nagatos Rücken und die schweren Taschen. Sie hatte sich schnell mit dem Gedanken angefreundet, von hier wegzukommen. Vielleicht schien ja da, wo Madara mit ihr und Nagato hinwollte, die Sonne? Sie hatte in ihrem Leben bisher kaum Sonnenschein erlebt, nur ein paar Mal, und das hatte ihr gefallen. Den ganzen Tag Sonne, das musste herrlich sein!
„Das stimmt. Das wäre wirklich zu schwer. Du kannst ja kaum die beiden Taschen tragen“, sagte Madara und befestigte den Futon an seinem Armeerucksack.
„Du kannst mich doch tragen, Dara.“ Konans Augen leuchten bei dem Gedanken, auf Madaras Schultern sitzen zu dürfen und dieses lange, dichte Haar fühlen zu dürfen.
Madara lächelte, schob sein Haar beiseite, hob Konan vorsichtig hoch und setzte sie auf seine Schultern. Er spürte die Verantwortung, die er jetzt mit dem kleinen Mädchen trug und war sich jetzt ganz sicher, das richtige zu tun und sich richtig entschieden zu haben.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Von diesem Moment an war er, Madara Uchiha, aus Konohas Sicht abtrünnig und trug die ganze Verantwortung für die Kinder. Vielleicht hatte er überstützt gehandelt, nicht genug darüber nachgedacht.
Nein, denn er hatte ja schon lange vorher genug vom Kämpfen in diesem Krieg gehabt. Spätestens, als Kumo Gakure einen Bijuu-Geist, die Zweischwänzige Katze, in den Kampf geschickt hatte, war Madara der Krieg endgültig zuwider gewesen. Denn die Zweischwänzige Katze, Nibi genannt, war in einem Menschen versiegelt, der damit zur Jinchu-Kraft gemacht worden war, und diesen Menschen hatte Kumo gezwungen, sich unter größtem eigenen Risiko und Schmerzen immer wieder in Nibi zu verwandeln. Madara hatte alles nach Informationen abgesucht, die helfen könnten, dieses Geschehen zu verhindern und war fündig geworden. An der Idee, die er mithilfe dieser Informationen bekommen hatte, musste er allerdings noch arbeiten. Vielleicht, so hoffte Madara, ließ sich mit dieser Idee die Welt verbessern. Einen kurzen Moment dachte er an seinen jüngeren Halbbruder Izuna, der Konoha vor Jahren im Alter von fünfzehn verlassen hatte und der seitdem irgendwo war, wo ihn bisher niemand gefunden hatte.
„Das ist auch für dich, Izuna. Die Welt muss ein Stück besser werden“, dachte Madara.
Nagato kletterte hinter Madara über Trümmer und Gräben, die sich durch ganz Ame zogen. Die Trageriemen der beiden vollgepackten Taschen schmerzten auf seinen Schultern. Aber sowas machte Nagato schon lange nichts mehr aus. Er wusste zwar, dass er sieben Jahre alt war, aber der Krieg hatte seine Spuren in Nagatos Seele und auf Gesicht und Körper hinterlassen. Seine Züge waren ernst, sein Körper sehnig und ausgehungert, seine Seele hatte die Farbe einer fast sternlosen Nacht. Die Sterne hießen alle Konan.
Er hob den Kopf und warf einen Blick auf Konan, die noch immer auf Madaras Schultern saß und sich müde in dessen dichtes, volles Haar kuschelte, das wie ein langes Fell um sie herumwehte.
Nagato war immer noch misstrauisch, aber solange Madara gut zu Konan war, würde er dem Ninja keine Widerworte geben.
„Wenn Madara sich mein Vertrauen verdient hat“, dachte Nagato, „... dann werde ich ihn vielleicht bitten, mir etwas beizubringen. Dann werde ich auch ein Ninja. Möglicherweise habe ich ja Talent.“
Meine Mama hatte eine beste Freundin: Kushina Uzumaki. Mit ihr war sie bereits seit ihrer beider Schulzeit befreundet, die beiden hatten die Ausbildung zusammen gemacht, Mama als Medizinerin und Kushina als Kämpferin, und beide hatten in einem Team mit einem anderen Mädchen namens Maiya Hatake, die eine entfernte Verwandte von Kakashi Hatake war, gearbeitet. Kushina war entfernt mit der Senjuu-Familie verwandt und war eine Mittelstreckenkämpferin, und ich wusste, dass ihre Teamarbeit daraus bestanden hatte, dass Mama ihr im Kampf meist dann aus der hinteren Reihe den Rücken frei gehalten hatte.
Manchmal trafen die beiden sich noch zum Training, aber eher selten, weil Mama sich eben gegen den Kampf entschieden hatte, als ich unterwegs gewesen war.
Kushina war eine lebhafte, strahlende, unübersehbare Erscheinung mit ihren langen, leuchtend roten Haaren, ihrer lauten, hellen Stimme und ihrem überschwappenden Temperament. Mama war ganz anders, ruhiger und weniger lebhaft, aber dennoch war ihre Freundschaft harmonisch, und ich freute mich immer, wenn Kushina uns besuchte. Sie hatte einfach diese mitreißende Fröhlichkeit, mit der sie sogar ein so stilles Kind, wie ich es war, aus dem Schneckenhaus locken und zu ausgelassenen Spielen ermutigen konnte.
Oft, wenn Kushina uns besuchte, brachte sie jemanden mit, einen Mann, den ich auch kannte: Minato Namikaze. Minato war etwas älter, und auch ruhiger und gelassener als die sprudelnde, laute Kushina, aber die beiden wirkten trotzdem wie ein sehr harmonisches Paar. Ich musste oft an einen leuchtenden Regenbogen denken, weil Kushinas rotes und Minatos blondes Haar und ihrer beider blaue Augen im Vergleich zu den eher gedeckten Farben meiner Eltern so lebendig und bunt aussahen.
Ob ich mich damals schon fragte, wie ein Kind der beiden wohl aussehen und sein würde, weiß ich heute nicht mehr. Aber rückblickend ist Naruto, obwohl er seine Eltern ja nie kennen gelernt hat, so sehr Minatos und Kushinas Sohn, besonders seiner Mama ist er in seinem Wesen so ähnlich!
Im Unterschied zu meiner Mama, die seit meiner Geburt nicht mehr aktiv als Shinobi arbeitete, war Kushina noch im aktiven Dienst.
Und Minato, der sich im Krieg als „Konohas gelber Blitz“ einen Namen gemacht hatte, weil er wirklich unglaublich schnell war, arbeitete zu dieser Zeit schon daran, Hokage zu werden. Als er mitbekam, dass ich später auch gern Hokage werden wollte, sprach er mich darauf an, und in diesem Gespräch erfuhr ich dann, dass Minato auch von Madaras Hokage-Wunsch wusste.
„… Er kommt aber wohl nicht mehr wieder …“, sagte er dann.
Der Gedanke, dass Madara fort war, machte mich immer noch traurig, und ich blickte zu Boden.
Minato hockte sich vor mich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. „Vermisst du Madara?“
Ich nickte nur.
„Es ist seltsam, wenn so jemand wie er einfach verschwindet. Aber … ich muss gestehen, dass es so für mich natürlich einfacher ist … Ich meine, Hokage zu werden. Ich hätte ungern einen Konkurrenzkampf gegen Madara geführt …“
„M-hm …“, machte ich leise. Ja, für Minato war es so sicher einfacher. Er war wirklich richtig, richtig gut, und ich konnte ihn mir auch gut als Hokage vorstellen. Ein Konkurrenzkampf zwischen ihm und Madara um das Amt des Hokage hätte unangenehm werden können, und so war ich da fast ein bisschen froh, dass Dara nicht mehr hier war.
Manchmal fragte ich mich, was Madara wohl gerade machte und ob es ihm wohl gut ging. Auch wenn er nun offiziell als gefallen und tot galt, so richtig glauben konnte ich das nicht. Allein deshalb schon, weil er so enorm stark war. Ich hatte, ohne es erklären zu können, so ein ganz bestimmtes Gefühl, dass er noch am Leben war …
Er war noch irgendwo da draußen, tat irgendwas, was ihm wichtig gewesen sein musste, aber was genau, auf diese Frage hatte niemand in Konoha Gakure eine Antwort.
Ungefähr ein Jahr ging das so, ich ging zum Training mit Papa, begleitete Yoneko ins Teehaus, und zwischendrin half ich Mama in der Praxis mit kleinen Tätigkeiten aus.
Damals hatte ich eine gewisse Scheu vor Spinnen, Spritzen und Hohlnadeln, die mir diese Aufgaben etwas erschwerten, fast so etwas wie eine Phobie. Mama vermutete, dass sich darin meine seelische Überforderung ausdrückte und versuchte, zwischen mir und Yoneko einen Abstand herzustellen. Da sich das als schwierig erwies, passte Mama dann in den Zeiten, in denen ich mit ihr alleine war, umso mehr auf, dass ich mich ausruhen und erholen konnte.
Ich war immer noch dasselbe „Mamakind“, und je stärker ich wurde und je mehr damit auch zum Ninja, umso mehr brauchte ich zum Ausgleich die Nähe zu Mama, das normale, ruhige und vor allem kampffreie Dasein bei ihr. Wenn ich Mama bei der Arbeit im Haus oder in der Praxis zusah, stellte ich mir manchmal vor, dass ich genau so wurde wie sie, und diese Vorstellung gefiel mir sehr.
Im Sommer 1988 war es dann so weit, dass Yoneko und Papa öfter darüber sprachen, dass meine Sharingan „immer noch nicht“ erwacht waren und es dafür nun Zeit wurde.
Es war Mitte August, ich war gerade sieben Jahre alt geworden und damit eigentlich, gemessen an anderen Kindern meines Alters, noch viel zu jung dafür. Aber ich war meinen Altersgenossen schon so weit voraus, dass fast niemand mehr danach fragte, wie jung ich war. Es gab inzwischen eine ganze Menge ‚Sonderregeln‘ für mich, die auch den Kinderschutz in Bezug auf Training und Jutsus in meinem Fall teilweise außer Kraft setzten, sodass ich nun wirklich kaum mehr das Gefühl hatte, ein Kind zu sein. Ich war immer noch Genin, trainierte und arbeitete aber längst wie ein Chuunin, und meine Gedankenwelt hatte kaum noch etwas gemeinsam mit einem Kind.
Das Tsukuyomi war inzwischen ein fester, nicht wegdenkbarer Teil meines Wesens geworden, und ich hatte gelernt, es in mir zu öffnen und hinein zu gehen. Es war wie ein großer Raum in meiner Innenwelt, den ich nicht nur im Training, sondern auch im alltäglichen Leben benutzte, um mich zurück zu ziehen. Dort drinnen war ich allein, hatte meine Ruhe und konnte mich vom Training und von den Missionen, auf die ich inzwischen mitgenommen wurde, erholen.
Ich war inzwischen öfter mit anderen Ninjas unterwegs, in wechselnden Teams mit anderen Ge- und Chuunin, auf Missionen, bei denen ich dem jeweiligen Team meist als Stratege diente. Manchmal musste ich auch mitkämpfen, wobei ich als Langstrecken-Distanzkämpfer meistens Feuerversteck-Ninjutsu und natürlich Genjutsu benutzte. Taijutsu blieben das, was ich am wenigsten mochte, und weil ich aufgrund meines jungen Alters ja kleiner war als meine Teamkameraden, schützten diese mich auch davor, in der ersten Reihe kämpfen zu müssen.
Da meine Sharingan noch nicht erwacht waren, konnte ich, obwohl ich Genjutsu inzwischen intuitiv beherrschte, diese noch nicht in dem Maße anwenden, wie es sein sollte, und so beschloss Papa, dass es nun Zeit wurde, sie zu wecken, damit ich meine Fähigkeiten weiter potenzieren konnte.
Am Abend vorher hatten er und Mama wieder Streit, ich hörte es von meinem Zimmer aus. Mama war nicht dagegen, dass ich meine Sharingan erweckte, aber die Umstände und die Art, wie man für gewöhnlich bei jemandem die Sharingan aktivierte, beunruhigten sie.
„Natürlich braucht Itachi die Sharingan, das weiß ich! Aber wenn du ihn im Training so hart ran nimmst, dass er sie aus Not aktiviert, dann geht in ihm vielleicht was kaputt! Yoshio, unser Sohn ist kein Kämpfertyp, und das weißt du auch!“
„Du packst ihn viel zu sehr in Watte, Ikue!“
„In Watte packen? Falls du es mal wieder vergessen hast, Itachi ist hochsensibel, das ist seine Natur! Du kannst aus ihm nicht auf Biegen und Brechen einen Ninja machen!“
„Aber wir leben nun mal in einer Welt, in der man kämpfen muss! Und besser, er lernt das! Mediziner kann er immer noch werden, aber er hat auch eine Aufgabe für Konoha, und ich werde ihm beibringen, wie er sie erfüllen kann.“
Einen Moment herrschte Stille, dann hörte ich Mama antworten, ihre Stimme klang nach Weinen: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken, oder?!“
Wieder Stille. Dann hörte ich Schritte, die Küchentür wurde mit einem Ruck zugezogen, Mama kam die Treppe rauf. Ich hörte, dass sie weinte, und wagte doch nicht, aufzustehen und zu ihr zu gehen.
Am nächsten Morgen kam Papa in mein Zimmer. Ich saß an meinem Schreibtisch und lernte mit einem Buch über Feuerversteck-Jutsu, und als er die Tür öffnete, drehte ich mich zu ihm um.
„Komm, zieh dir Trainingssachen an, pack deine Waffen zusammen, wir gehen zwei Tage auf Trainingsreise“, sagte er.
Ich dachte an Mama, daran, was ich gestern gehört hatte, und fragte: „Wohin?“
„In den Wald, in Richtung der Berge“, antwortete Papa. „Mama weiß Bescheid, sie hat sich wieder beruhigt.“
Ich stand auf, ging an Papa vorbei die Treppe hinunter in die Küche. Mama saß am Küchentisch und las etwas. Als ich hereinkam, sah sie auf.
„Geh mit deinem Vater mit, Itachi. Und wenn ihr wieder zurück seid, mache ich einen schönen Ausflug mit dir, okay?“, sagte sie.
Ich ging zu ihr hin und sie umarmte mich, strich mir durchs Haar und drückte einen Kuss auf meine Stirn.
„Mama, geht’s dir gut?“, fragte ich.
„Ja, Spatz, es ist alles gut.“ Mama lächelte. „Pass schön auf dich auf, ja?“
Und so packte ich alles Notwendige zusammen, und Papa und ich verließen das Dorf durch das große Haupttor. Der Wächter am Tor begrüßte uns und fragte, wohin wir wollten, und Papa antwortete: „Wir gehen in die Berge zum Training.“
„Viel Erfolg!“, erwiderte der Wächter. „Gebt alles!“
Wir nahmen zuerst die Straße, die rund um das Dorf führte, und am Felsmassiv mit den Hokage-Gesichtern bogen wir in den Wald ab, nahmen den Weg durch die Baumkronen.
Papa voraus, ich hinterher, und während der Wind durch mein Haar fuhr und ich von einem Ast zum nächsten sprang, dachte ich an Mama und hoffte, dass sie sich nicht zu große Sorgen um mich machte. Und wieder kam ich mit den Gedanken darauf, dass ich mir einen kleinen Bruder wünschte, damit ich nicht mehr so allein war.
Nach etwa eineinhalb Stunden kamen wir an ein kleines Gasthaus, in dem wir uns ein Zimmer mieteten. Es gab auch etwas zu essen, Papa aß Reisbällchen und ich ein paar süße Dango mit Sauce.
Nach dem Essen gingen wir wieder ein Stück in den Wald hinein, zu einer Lichtung, die Papa schon kannte. Wir hatten das Reisegepäck im Gasthaus gelassen und nur Waffen mit zu dieser Lichtung genommen, mehrere Kunai, viele Shuriken und zwei Paar Tonfa, und Papa hatte sein Schwert dabei. Aus einer langen, schmalen Tasche an seinem Gürtel zog Papa außerdem ein gerades Kurzschwert, und ich erkannte meinen Namen auf dem Griff.
„Du bist jetzt alt genug für ein kleines Schwert, mein Sohn“, sagte er und reichte es mir.
Ich nahm es mit beiden Händen an. Auf dem Griff war neben meinem Namen auch unser Familienwappen, der rot-weiße Blattfächer, eingraviert, und als ich das Schwert aus der Ummantelung zog, sah ich, dass die Klinge zwar ganz gerade war, aber dennoch das typische Wellenmuster eines edlen Katana-Schwertes hatte.
„Vielen Dank, Papa“, sagte ich und verbeugte mich leicht.
„Fangen wir an!“, gab Papa das Signal, dass ich mein neues Schwert gleich ausprobieren sollte. Er ging in Kampfhaltung, ich ebenso, und im nächsten Moment hatte er seine Sharingan aktiviert und lief auf mich zu.
Ich sprang rückwärts zurück und entschloss mich binnen Millisekunden für das Jutsu der Phönixblume, das ich von allen Feuerversteck-Jutsus am liebsten benutzte. Papa wich den Flammen aus, kaum dass ich sie erschaffen hatte, er hatte das Jutsu längst mit seinen Sharingan vorausgesehen. Ich warf ein Shuriken, auch dem wich er schon im Voraus aus, und als ich versuchte, ihm näher zu kommen, um mein neues Schwert einzusetzen, verschwand er im dicht belaubten Geäst eines Baumes.
Noch war dieses Training genau so, wie wir es schon immer machten, doch ich wusste, das würde nicht so bleiben. Papa wollte, dass meine Sharingan erwachten, und das bedeutete, dass er mich, jetzt oder später, ernsthafter angreifen würde. Einen Moment lang dachte ich an Mama, daran, dass ich sehr froh war, dass es nicht ihre Aufgabe war, mich zu trainieren, sondern Papas. Bei Mama würde ich mich später erholen können.
Zu lange durfte ich dem Gedanken an Zuhause nicht nachgehen, ich musste mich konzentrieren. Ich lauschte auf das Rauschen der Blätter, auf den Wind und jedes Geräusch in meiner Umgebung, wachsam und immer mit der Frage, wo und wann Papa wieder auftauchen und mich angreifen würde. Ich wusste, dass er mich beobachtete und auf einen Schwachpunkt meinerseits wartete.
Meine Hände warteten aufmerksam auf einen Befehl meines Geistes: Shuriken greifen? Fingerzeichen schließen? Und meine Beine waren bereit zum Sprung.
Einen Moment später hörte ich ein ganz leichtes Rascheln über mir, ich sah blitzartig nach oben und sprang gleichzeitig zurück, und eine Sekunde später steckten drei Kunai an dem Punkt, wo ich eben noch gestanden hatte. Ich hatte Papa nicht gesehen, nur gehört, und nach dem Angriff war er wieder verschwunden, nicht auszumachen. Wieder raschelte es irgendwo, und ich sprang zurück, noch einmal und noch einmal, und zum ersten Mal dachte ich: „Gleich bräuchte ich Sharingan. Ich weiß nicht, wo ist er, wann greift er wieder an?“
Ein Gedanke zu viel, zu lang, auf einmal stand er hinter mir und ich spürte ein Kunai unten an meinem Hals, bei meiner Schulter.
Ich spürte mein Herz klopfen, das Adrenalin rauschte durch meinen Körper.
„Was machst du jetzt?“, fragte Papa hinter mir.
Und auf einmal sah ich Mama vor mir stehen. Es konnte nicht sein, es war ein Genjutsu, Mama war zu Hause und wartete auf mich. Und als auch Shisui vor mir auftauchte, wusste ich, was Papa vorhatte.
Papas Schattendoppelgänger griff Shisui an. Mama war wieder verschwunden, ihre Erscheinung sollte mich nur ablenken, und so sah ich zu, wie Shisui vor Papa zurückwich. Shisui war zwar schon dreizehn, aber er sah nicht fit aus, und obwohl ich wusste, dass es ein Genjutsu war, bekam ich Angst um ihn, so direkt und deutlich, wie Papa ihn immer wieder angriff.
Und während Papas Doppelgänger gegen Shisui kämpfte, verwickelte Papa mich wieder selbst in einem Kampf. Oder war es anders herum? Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass Shisui doch wirklich hier war, und dann kam er auf mich zu, griff mich auf einmal an!
Im nächsten Augenblick sah ich mich zwei Gegnern gegenüber, Papa und Shisui! Ich wich zurück, warf zwei Shuriken, Papa kam immer näher, ich sah seine Sharingan und schleuderte ihm noch eine Phönixblume entgegen, doch als ich noch einen Sprung rückwärts machte, prallte ich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
Shisui war schneller als Papa und warf ein Shuriken, dem ich nur geradeso ausweichen konnte, und ich spürte, wie in meiner Innenwelt das Tsukuyomi erwachte und seine Tür öffnete. Ein Teil von mir wollte darin versinken, da hinein fliehen, ein anderer Teil fand einen Punkt darin, wie einen Schalter, an den ich bisher nicht heran gekommen war. War das der Punkt, an dem ich meine Sharingan erwecken sollte?
Eine Sekunde später musste ich wieder ins Außen zurück, denn Papa kam mit gezogenem Schwert auf mich zu, neben ihm Shisui, von dem ich nun wirklich nicht mehr wusste, ob er echt hier war oder nicht, mit je einem Kunai in jeder Hand. Und hinter mir, ich wusste nicht, ob durch den Baumstamm hindurch oder über mir mit Chakra am Stamm stehend, spürte ich zwei Doppelgänger von Papa, keine Schattendoppelgänger, sondern wohl welche aus festem Material, ein Tausch- und Verwandlungsjutsu auf hohem Niveau …!
Ich blickte schnell hinter mich, nur eine Millisekunde zu lange, die Shisui nutzte, um mich anzugreifen, die beiden Kunai landeten links und rechts neben meinem Kopf und mit einem dritten Kunai griff er meinen Kopf direkt an.
„Er ist nicht echt“, versuchte ich mir innerlich zu sagen, aber das Genjutsu und Papas Doppelgänger hinter mir waren so stark, und dann kam Papa von oben, während Shisui mit dem Kunai meine Aufmerksamkeit beanspruchte, einen ganz kurzen und zugleich ewig lang scheinenden Augenblick sah ich alles wie in Zeitlupe und wusste, ich konnte jetzt nicht einfach so ausweichen, ich saß in der Falle!
Intuitiv schloss ich die Augen, spürte eine gewaltige Welle aus Adrenalin und Chakra in mir, und wusste, wenn das hier so weiter ging, würden gleich meine Sharingan erwachen, ich spürte schon ein Kribbeln hinter meinen Augen.
Es war seltsam, wie schaffte Papa es, mich mit diesem einfachen Genjutsu so weit zu bringen? Es war doch nur ein Genjutsu! Oder?
Ich spannte meinen ganzen Körper an, versuchte, das Genjutsu zu lösen, eigentlich konnte ich das doch! Tatsächlich verschwand Shisui endlich, er war wirklich doch nur eine Illusion gewesen, aber Papa blieb, und auch die Doppelgänger hinter meinem Rücken waren noch da.
„Sehr gut“, hörte ich seine Stimme, und dachte, vielleicht machten wir jetzt eine kleine Pause?
Doch einen Moment später war da wieder ein Rascheln über mir, obwohl Papa vor mir stand. Ich spürte und erkannte Papas Chakra, sodass ich wusste, er stand vor mir, ohne dass ich die Augen öffnen musste. Doch das Chakra über mir war nicht Papa. Es gehörte zu jemand anderem, jemandem, den ich nicht kannte!
„Papa?“, fragte ich leise, atemlos.
Er antwortete nicht. Und ich wusste, die andere Person über mir war echt, kein Genjutsu und kein Doppelgänger.
Ich hörte das Zischen von drei wirbelnden Shuriken, wich ihnen blind aus, und griff dann nach meinem neuen Schwert, zog es und versuchte einen ersten Schlag damit in Richtung des Gegners über mir, sah ihn nun auch. Es war jemand in der Uniform der Anbu-Einheit, und er trug eine Tiermaske, wie die meisten Anbu-Mitglieder, die ja meist anonym arbeiteten. Und er hatte ein langes Schwert, eines, gegen das meines wie ein Kinderspielzeug aussah.
Ich wich aus, doch sofort kam der nächste Schlag, den ich parierte und dachte nur, ganz kurz: „Das hier ist verabredet. Der Typ da ist ein Anbu, der kennt uns.“
Es blieb nur ein Schluss: Papa hatte diesen Ninja dazu bestellt, er war in den Plan dieses Trainings eingeweiht. Es war ein Anbu mit dem zusätzlichen Abzeichen der Konoha-Polizei auf der Uniform, also einer von Papas Untergebenen und aus unserem Clan.
Wieder griff der Mann mich an, und er drängte mich tiefer in den Wald, weg von der Lichtung. Vorhin hatte ich gesehen, dass die Lichtung von sehr dichtem Unterholz umgeben war, und in diesem dichten Gestrüpp würde es schwierig werden, Angriffen auszuweichen.
Ich musste nun wirklich aufpassen, denn zwar wusste ich, dass Papa da war und aufpasste, dass ich nicht umkam, aber wenn ich gegen jemanden aus der Polizeiabteilung der Anbu kämpfen sollte, musste ich von diesem auf alles gefasst sein. Anbu-Ninja taten ohne jede Frage nicht mehr und nicht weniger als das, was ihnen befohlen wurde, und dieser Mann hatte offensichtlich den Auftrag, mich an den Rand meiner Kräfte zu bringen, damit am Ende meine Sharingan erwachten.
Ich sprach nicht, rief nicht nach Papa, und auch der Anbu sprach kein einziges Wort. Papa war irgendwo über uns, aber so weit entfernt, dass ich wusste, er würde das jetzt nur noch beobachten, weder eingreifen, noch das Ganze selbst steigern.
Die Schwerthiebe kamen immer schneller, und das Kribbeln hinter meinen Augen würde stärker und stärker, je schneller mein Gegner mich immer wieder angriff und es für meine Augen bald unmöglich wurde, die Bewegungen überhaupt zu erkennen. Ich parierte und wich aus, und es wurde immer klarer, dass ich den Anbu meinerseits angreifen musste.
Ich sah auf seine Beine, versuchte daraus seine Bewegungen zu lesen, und als er mit dem Schwert über mich hinweg rauschte, griff ich sein rechtes Knie an und hoffte, dass er als Rechtshänder auf der rechten Seite seine Kraft hatte.
Doch er zog ein Kunai aus seiner Waffentasche am Gürtel und griff mich nun mit diesem und seinem Schwert an, sodass es für mich langsam aber sicher unmöglich wurde, überhaupt wirklich an ihn heran zu kommen!
Dadurch, dass er nicht sprach, wirkten seine Angriffe bedrohlicher als alles, was ich bisher aus Trainingskämpfen kannte, und ich konnte Papa nicht mehr in meiner Nähe erkennen, ich war jetzt alleine mit diesem Anbu.
Das Kribbeln in meinem Kopf, hinter meinen Augen und durch mein ganzes Gehirn, wurde so stark, dass ich mich zuerst kaum noch auf den Kampf konzentrieren konnte, es sammelte sich Druck, und ich fragte mich einen Augenblick lang, ob es nur diese Situation war, die meine Sharingan weckte, oder ob ich jetzt vielleicht einfach nur alt genug dafür war? Tsukuyomi war ja auch einfach aufgetaucht in mir, ohne dass ich viel dafür getan hatte.
Ich wusste es nicht, da mein körperliches Alter, sieben Jahre, schon lange nichts mehr mit meinem geistigen und seelischen Alter zu tun hatte. Ich war schon lange kein Kind mehr und wusste auch nicht mehr, wie sich so ein echtes Kindsein für mich angefühlt hatte, ja ob ich denn jemals eines gewesen war …
Ich schloss die Augen, wich wieder einem Hieb aus, und in diesem kurzen Augenblick, der sich auf einmal unendlich lang anfühlte, überrollte mich das kribbelnde Gefühl, ich versank in meiner Innenwelt, im Tsukuyomi, das mich aufnahm und dann wieder losließ, und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich das Chakra meines Gegners, seine Kraft und seine Bewegungen, in einer Weise, die ich noch nie erlebt hatte, alle seine Bewegungen, irgendwie langsamer, wie in Zeitlupe, so als läge über jeder Bewegung, die er machte, eine Art Filterbild, das mir zeigte, was er gleich tun würde.
Ich spürte eine unglaubliche Kraft in mir, mit einem Mal waren die Ketten, in denen meine Fähigkeiten gelegen hatten und darin gewachsen waren, gesprengt und zerrissen, und innerhalb eines unendlichen Moments entfalteten sie sich, ich sah mir selbst zu, wie ich sprang, den Kopf des Anbu angriff, seinen Bewegungen jetzt so leicht ausweichen konnte, weil ich sie nun voraussah, und als ich nah genug war, trafen sich mein und sein Blick, und in mir öffnete sich intuitiv mein Tsukuyomi, das viele Üben in meiner Innenwelt zeigte sein Ergebnis und ich nahm meinen Gegner mit hinein, griff ihn dort, in meiner inneren Heimat, in der ich mich auskannte wie nirgends sonst, endlich an, brach seine Verteidigung und hörte ihn überrascht aufkeuchen, ehe ich ihn an der Schulter erwischte und mein neues Schwert auf sein Schlüsselbein niedersausen ließ.
Der Anbu schrie nicht, doch ich sah, dass ich ihn getroffen und verletzt hatte, und im nächsten Moment schloss sich Tsukuyomi und wir waren wieder im Wald. Doch nun war die Situation eine andere, er stand vornübergebeugt vor mir und ich sah Blut aus der Wunde an seiner Schulter in seine Kleider sickern. Ich hatte erst gedacht, ich hätte ihn nur mit dem Rücken der Klinge geschlagen, doch nun hatte ich das Schwert anders herum in der Hand, hatte ihn also mit der Klinge direkt erwischt.
Ich hatte ihn noch nicht besiegt, doch er hatte sein Ziel erreicht, seinen Auftrag erfüllt, und ich wusste, der Kampf war vorbei.
Papa kam von einem der Bäume herunter, stand mit einem Sprung wieder vor mir. Er hatte immer noch seine Sharingan aktiviert, doch er lächelte, schien stolz zu sein.
Ich konnte noch nicht sprechen, atmete schwer und meine Augen fühlten sich ganz seltsam an, irgendwie fremd und sehr erschöpft und müde …
„Gut gemacht, mein Sohn“, sagte Papa und trat vor mich, kniete sich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. Dann zog er ein Tuch aus seiner Tasche, reichte es mir, und ich fuhr mir damit über die Augen, und erst dann bemerkte ich, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Und als ich das Tuch dann ansah, waren meine Tränen darin von Blut durchzogen.
„Keine Angst, das ist normal“, sagte Papa. „Das passiert oft beim ersten Mal.“
Dann wandte er sich zu dem Anbu um. „Danke, du kannst gehen.“
Der Ninja verbeugte sich und verschwand augenblicklich.
„Das hast du sehr gut gemacht“, sagte Papa dann zu mir. „Hast du ein Genjutsu benutzt?“
„Ich hab … Tsukuyomi … benutzt …“, antwortete ich leise.
Papa sah mich überrascht an. „Wirklich?“
Ich nickte. „Es kam irgendwie einfach so …“
„Itachi, du bist wirklich unglaublich! Ich glaube, selbst dein Urgroßvater Fukuya hat das Tsukuyomi nicht so früh und so gut beherrscht wie du!“ Papa erhob sich und wir gingen zu der Lichtung zurück, und als wir wieder dort waren, spürte ich, wie meine Sharingan sich wieder zurückzogen in meine Innenwelt, wo sie von nun an mit dem Tsukuyomi eine Einheit bildeten.
Auf dem Weg zurück zur Gaststätte beruhigten sich meine Augen wieder, ich weinte nicht mehr und es kam auch kein Blut mehr. Papa hielt mich an der Hand und führte mich, und im Zimmer angekommen sagte er mir, ich sollte mich ein wenig hinlegen, während er sich mit dem mobilen Funkgerät zu Hause meldete. Ich lag also auf dem Futon und hörte, wie Papa im Nebenraum zuerst mit Mama sprach, und dann, wie er danach auch Yoneko Bericht erstattete: „Itachi hat jetzt seine Sharingan erweckt, und er hat sogar gleich Tsukuyomi benutzt!“
Ich hörte nicht, was Yoneko antwortete, aber ich konnte mir ihre Reaktion vorstellen. Und ich wusste, dass jetzt noch mehr Training auf mich zu kam. Ich war, wie Papa immer sagte, eine „Riesenchance für Konoha“, und diese Chance durfte nicht ungenutzt sein.
Mir fiel ein, was Mama gestern Abend gesagt hatte, im Streit mit Papa: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken?!“ Mama wollte mich davor schützen, und ich wusste genug über die Anbu, um zu wissen, dass diese Arbeit eigentlich nicht zu mir und meinem Wesen, passte. Aber wenn ich so wichtig für das Dorf war, dann musste ich wohl auch das mitmachen?
Mein eigentlicher Wunsch, mit Mama zusammen in ihrer Praxis zu arbeiten und Menschen zu heilen, statt zu kämpfen, rückte vor diesen Plänen so sehr in den Hintergrund, dass ich dachte, es war vielleicht besser, nicht daran zu glauben … Es tat weh, und als Papa wieder ins Zimmer kam, saß ich auf dem Futon und weinte wieder.
„Was ist los, mein Sohn?“, fragte Papa.
Ich wusste nicht, ob ich ehrlich sein durfte, sagen durfte, dass mich die Aussicht, Anbu-Kämpfer anstatt Medizin-Ninja werden zu müssen, so traurig machte.
„Sag schon.“ Papa setzte sich zu mir.
„Ich will nicht zur Anbu …“, antwortete ich leise. „Ich möchte Medizin studieren.“
Papa sah mich an, und ich spürte, dass er nachdachte. „Du hast Mama gestern gehört?“
Ich nickte.
„Mit sieben Jahren geht niemand zur Anbu, Itachi. Auch Madara hat dort erst mit vierzehn angefangen. Irgendwann wird die Zeit für dich kommen, aber bis dahin ist es noch lange hin.“ Er sah mich wieder einen Moment lang an, dann sagte er: „Wenn du inzwischen eine Ausbildung zum Medizin-Ninja machen möchtest, kannst du das gern tun. Und auch die Anbu kann einen guten Mediziner gebrauchen.“
Ich war erleichtert, dass Papa das so sagte, so sehr, dass ich lächeln musste. Papa erwiderte es, und dann sagte er: „Ich will doch auch nur dein Bestes, Itachi. Weißt du … das ist auch für mich nicht immer einfach. Du bist mein Sohn und ich hab dich lieb, aber zugleich bist du so begabt, ich kann deine Fähigkeiten nicht ungenutzt lassen …“
Es kam selten vor, dass Papa mir so etwas so offen sagte. Er war eben ein echter Ninja, für den Kämpfe und Stärke Priorität hatten, und ich wusste, dass er sich schwer tat damit, über Gefühle zu sprechen. Die einzige Person, von der ich wusste, dass sie sein Innenleben wirklich kannte, war Mama.
Wir packten unsere Sachen wieder zusammen und verließen das Gasthaus, allerdings nicht, um gleich wieder nach Konoha zurück zu gehen.
Stattdessen gingen wir weiter in die Berge, kamen dann in einem weiter entfernten Gasthaus unter, und Papa führte mich zu einem Ort, einem Trainingsplatz, an dem ich eindeutige Spuren von Jutsus erkannte, die zu unserem Clan gehörten.
„Das ist unser Außenposten“, sagte Papa. „Wir sind hier, damit du deine Sharingan noch weiter entdecken und festigen kannst, bevor wir ins Dorf zurück gehen.“
Ich nickte, hatte die Hand schon an meinem neuen Schwert.
Papa aktivierte seine Sharingan und ich tat es ihm gleich, es ging ganz leicht. Zuerst übten wir ganz einfach nur Taijutsu, damit ich Sicherheit darin gewann, die Bewegungen voraus zu sehen. Wir sprachen dabei kein hörbares Wort, doch Papa bewegte die Lippen und ich konnte mit meinen Sharingan die Worte lesen, er gab mir tonlose Anweisungen, die ich sofort umsetzte.
Auf einmal, ich hatte gerade einen Tritt abgewehrt, spürte ich hinter mir etwas, eine Präsenz, eine Person … Ich sprang hoch, sah mich dabei kurz um, und sah jemanden hinter einem Gebüsch am Rand des Platzes stehen.
Papa ließ den nächsten Angriff sein, ich landete wieder auf dem Boden und wandte mich um.
Über dem Gebüsch schaute ein Kopf heraus, ein Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren, er hatte leuchtend orangenes Haar und seine Augen waren von einem etwas eigenartigen Lila. Seine Kleidung war schlicht und ziemlich zerschlissen, sah ärmlich aus.
Ich sah ihn an, er erwiderte den Blick, und in dem Moment spürte ich eine eigenartige Energie, die ich sonst nur bei anderen Kindern meines Clans und bei denen vom Hyuuga-Clan bemerkte.
„Komm raus!“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch der blieb stumm hinter dem Gebüsch stehen.
Papa sah mich an, ich wandte mich wieder zu ihm um, und seine Lippen sagten mir, ohne einen Ton: „Kekkei Genkai, Dojutsu.“
Im Kopf ging ich alle Kekkei Genkai für Dojutsu, die ich kannte, durch, aber ich fand keines, was zu dieser Energie, die der Junge ausstrahlte, passte. Es musste also ein sehr seltenes Erbe sein, eines, das noch niemand aus Konoha Gakure kannte oder erfasst hatte.
„Wie heißt du?“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch dieser antwortete nicht. Er stand einfach nur da und sah zu uns herüber. Ein paar Sekunden verstrichen, dann sagte er doch etwas, aber nur ein einziges Wort: „Sharingan?“
Papa sah mich nur an, sein Blick sagte: „Kein Wort, Itachi.“
Wieder vergingen ein paar Sekunden, in denen ich mich fragte, woher dieser fremde Junge mit dem fremden Kekkei Genkai wissen konnte, dass unseres „Sharingan“ hieß. War er vielleicht ähnlich belesen wie ich und hatte auf diese Weise davon erfahren? Aber er sah so ärmlich und allein aus, dass ich das nicht so recht glauben konnte. Oder kannte er einfach jemanden aus unserem Dorf?
Auf einmal fiel mir jemand ein: Madaras Halbbruder Izuna. Der hatte das Dorf vor langer Zeit schon verlassen und lebte seither irgendwo, niemand aus Konoha hatte ihn je wieder gesehen. War es möglich, dass dieser Junge vielleicht Izuna kannte?
Ich sah Papa an, der blickte fragend zurück, und ich entschloss mich, den Jungen einfach zu fragen: „Izuna Uchiha? Kennst du ihn?“
Doch ich bekam keine Antwort, nur ein Kopfschütteln. Und einen Moment später war der Junge einfach verschwunden. Und erst, als er weg war, dachte ich: „Und Madara? Wenn Madara noch irgendwo ist und lebt, kennt dieser Junge ihn vielleicht?“
Aber wir bekamen auf diese Frage keine Antwort mehr.
Papa fragte, nachdem wir sicher waren, dass der Junge nicht zurückkommen würde: „Wie kamst du eben auf Izuna?“
„Weiß nicht, es fiel mir so ein“, antwortete ich.
„Denkst du manchmal noch an Madara?“
Ich nickte. „Manchmal vermisse ich ihn noch.“
„Ich auch …“, gestand Papa. Es kam selten vor, dass er so etwas sagte, aber in diesem Moment sah ich diese Frage, was wohl mit Madara passiert war, in Papas Augen stehen, und auch, dass es ihn frustrierte, nicht zu wissen, ob Madara noch lebte oder nicht. Was wir beide wussten, war, dass Madara stark war und dass er, wenn er wollte, alle seine Spuren gut zu verwischen verstand. Da blieb nur das „Warum?“.
„Man kennt eben niemanden so ganz von Innen“, sagte Papa leise und sein Blick ging dabei in die Ferne. „Auch wenn wir als Nutzer des Sharingan weiter in die Menschen hineinsehen können als andere, so bleibt dennoch immer etwas, wo auch wir nicht weiter wissen. Ich frage mich auch immer wieder, warum er gegangen ist. Vielleicht wollte er Izuna suchen? Ich habe damals, als er gegangen ist, nichts gesehen oder gehört, wir standen einfach in Ame Gakure auf dem Dorfplatz und auf einmal ist Madara weggegangen.“
„Und wenn Izuna dort gewesen ist?“, fragte ich.
„Vielleicht … Ich dachte erst, das wäre mir doch aufgefallen, den hätte ich bemerkt. Aber, ja, vielleicht war es so …“
„Wirst du … Nachforschungen anstellen?“, fragte ich leise.
„Habe ich schon. Ich habe schon damals, als Izuna gegangen ist, versucht, herauszufinden, wo er sein könnte, aber auch er ist spurlos verschwunden. Nun ja, als Uchiha wissen Izuna und Madara ja beide, wie man unsere Fähigkeiten austrickst, und auch, wie man den Anbu aus dem Weg geht.“
Wir blieben dann doch nicht lange auf diesem Platz. Papa wirkte nachdenklich und ich hatte das Gefühl, dass er über Madara und Izuna nachdachte, und über die Gründe, warum Izuna unser Dorf verlassen hatte. Und so kehrten wir ins Gasthaus zurück.
Izuna war schon als Jugendlicher gegangen, lange vor meiner Geburt, und so hatte ich weder ihn kennen gelernt, noch kannte ich die genauen Gründe, die dazu geführt hatten, das er Konoha verlassen hatte. Ich wusste nur, Izuna hatte sich mit Yoneko nicht gut verstanden und war nach einem Streit mit ihr über Nacht aus dem Dorf verschwunden, hatte nur einen kurzen Brief zurück gelassen, in dem er Yoneko als Grund für sein Weggehen benannte.
Zurück im Gasthaus ging ich auf mein Zimmer, ich war ziemlich erschöpft und wollte mich ein bisschen hinlegen. Aber ich konnte nicht einschlafen, in mir vibrierte eine starke Energie und es fiel mir schwer, die Augen zu schließen.
Und so blieb ich wach liegen, und dachte an den seltsamen Jungen, durchforstete mein Gedächtnis nach Informationen über Dojutsu-Bluterbe aus anderen Dörfern, aber ich fand nichts, das zu diesen seltsamen lila Augen gepasst hätte. Es war schon seltsam, denn eigentlich war es kaum möglich, dass eine Familie über so etwas verfügte und das geheim halten konnte … Es sei denn … ja, es sei denn jemand hatte es versiegelt. Manchmal wurden Kekkei Genkai aus verschiedenen Gründen versiegelt, und so war es dann auch möglich, dass sie in Vergessenheit gerieten.
Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein, denn Papa weckte mich und wir verließen das Gasthaus, machten uns auf den Weg zurück ins Dorf.
Ich hatte das Gefühl, dass Papa irgendwie unzufrieden war, und als wir schließlich durchs Tor gingen und der Wächter uns fragte, ob unsere Mission erfolgreich gewesen war, kam von Papa nur eine knappe Antwort.
„Du siehst müde aus, Itachi“, sagte der Wächter dann.
„Mir geht’s gut“, antwortete ich.
Auf dem Weg zu unserem Haus kamen wir an einem Laden mit Schaufenster vorbei, und ich sah mich im Vorbeigehen im Spiegel. Der Wächter hatte Recht, ich sah wirklich müde aus. Meine Augen waren gerötet, hatten dunkle Schatten und es sah so aus, als seien die beiden Kanten, die von meiner Nasenwurzel aus über meine Wangen verliefen, etwas länger und tiefer geworden.
Zu Hause empfing uns Mama mit dem Mittagessen, aber sie sah auch irgendwie müde aus.
„Alles gut, Ikue?“, fragte Papa.
Mama schüttelte den Kopf. „Ich war mit Kushina frühstücken und irgendwas war im Essen drin, was ich nicht vertragen habe …“
Ich ging zu Mama hin und umarmte sie.
„Du siehst auch nicht gut aus, mein Kind“, sagte sie zu mir und drückte mich an sich.
„Vielleicht hat der Koch mit Bonito gekocht statt mit Kombu?“, vermutete ich. Mama ernährte sich schon seit vielen Jahren vegetarisch, weil sie manche tierischen Eiweiße nicht vertrug, sie bekam immer furchtbare Bauchschmerzen, wenn sie Fleisch oder Fisch gegessen hatte. Und weil sie mich von Anfang an mit hauptsächlich pflanzlicher Nahrung großgezogen hatte, zog ich selbst auch vegetarisches Essen vor, Fleisch und auch Fisch war mir so ungewohnt, dass ich viel lieber Gemüse und Salat aß. Papa dagegen war Fleischesser und so kochte Mama nur für ihn ganz ‚normal‘.
Beim Essen war es still, und als ob ich erst jetzt, zu Hause, mich wirklich fallen lassen konnte, war ich nach dem Essen so müde, dass ich rauf in mein Zimmer ging, mich einfach angezogen auf mein Bett legte und sofort einschlief.
Als ich wieder aufwachte, war es dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. Ich hörte Stimmen von unten, Mama und Papa, und noch andere, ich erkannte Yonekos Stimme und die eines Kollegen von Papa.
„… ihn auf Missionen zu schicken, wo er jedes Mal der Jüngste im Team ist … aber ich denke schon, dass er das kann …“
„Als Mediziner … ich weiß nicht …“
„… hätte den Vorteil, dass andere Länder ihn nicht so wahrnehmen …“
Papas Kollege und Oma Yoneko sprachen über mich, und ab und zu hörte ich Papas Stimme, wie er zustimmende Laute vernehmen ließ.
Und dann Mama: „Ihr wisst doch, dass ich mir Sorgen um ihn mache.“
„Ja, natürlich, immerhin ist er dein Sohn“, sagte Oma Yoneko.
„Vor allem ist er noch ein Kind!“
„Ikue, du müsstest doch am besten wissen, dass Itachi kein gewöhnliches Kind ist! Er ist doch schon so lange viel, viel weiter als alle anderen Kinder seines Alters!“ Das war wieder Yoneko.
Ein Geräusch war zu hören, wie ein Stuhl, der umfiel, weil Mama aufgesprungen war. „Genau deshalb hat er ein Recht auf eine Kindheit! Er ist nicht nur euer Wunderkind, er ist außerdem hochsensibel, und ich lasse nicht zu, dass ihr ihn kaputt macht!“
Ich stand auf, verließ mein Zimmer und ging rüber ins Bad, schaute mich im Spiegel an und stellte fest, dass ich etwas ausgeruhter aussah. Dann ging ich die Treppe hinunter, durch die Küche ins Wohnzimmer, und sah Papa, Oma und einen von Papas Kollegen dort sitzen. Mama stand, und der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, lag hinter ihr.
„Itachi …“ Mama sah mich an.
„Nicht streiten …“, sagte ich, meine Stimme klang leise und kindlich.
Mama kam auf mich zu, kniete sich vor mich hin und legte ihre Hände auf meine Schultern. „Haben wir dich geweckt, Spatz?“
Ich schüttelte den Kopf.
Oma Yoneko sah mich an und fragte: „Itachi, willst du Mediziner werden?“
Ich nickte. „… Lieber als zur Anbu …“
„Du kannst nächste Woche mit dem Studium anfangen“, sagte Yoneko. Einfach so.
Ich sah Mama an, sie lächelte, und dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.
Das Thema Anbu war damit fürs Erste vom Tisch.
Am nächsten Tag ging ich mit Mama in die Bibliothek der Akademie, in die Abteilung der Konoha-Universität, und sie suchte mir Bücher für verschiedene Grundlagen der medizinischen Ninjutsu aus, die wir mit nach Hause nahmen und mit denen ich mich die folgende Woche beschäftigen und so ein Thema für mein Studium finden sollte. Ich freute mich sehr darauf, denn für mich gab es kaum etwas Schöneres, als etwas Neues zu lernen, die Weite meines Geistes weiter zu entdecken und ihn mit Wissen zu füllen.
Medizinische Ninjutsu hatten einiges mit Genjutsu gemeinsam, und genau diese Gemeinsamkeiten waren es, die mir an beidem besonders gut gefielen. Beides erforderte, dass man sich bildete und sehr viel über die Hintergründe von Körper, Geist und Chakra lernte, und man konnte Tage und Wochen lang da sitzen und lesen, es war also wie für mich gemacht!
Wenn ich in dieser Woche nicht gerade lernte oder mich ins Tsukuyomi zurückzog, ging ich mit der Tochter der Familie, die neben uns wohnte, in dem kleinen Wäldchen am Fluss zum Spielen.
Sie hieß Yuki und ihren Eltern gehörte die Apotheke, von der Mama die Medizin für ihre Praxis bezog. Yuki war genau so alt wie ich, sie besuchte die Grundschule der Zivilisten und war im Unterschied zu mir wirklich noch ein Kind, aber sie war eher ruhig und ich hatte das Gefühl, dass wir uns, trotz dass ich im Kopf so viel weiter war als sie, gut verstanden.
Wenn ich am Nachmittag mit ihr zusammen war, kam es mir so vor, als ob ich, wenn ich den ganzen Vormittag gelernt und meine Fähigkeiten ausgelebt hatte, dann bei ihr meine andere Seite, die einem Kind einfach ähnlicher war, einfacher herausholen und leben konnte. Die Einfachheit des Kindseins ließ mich dann entspannen, und wenn ich am Abend mit Mama in der Küche saß und ihr erzählte, was Yuki und ich zusammen erlebt hatten, wusste ich, dass ich auch Mama damit glücklich machte.
Der Beginn meines Studiums des Medizinischen Ninjutsu erschien mir so, wie anderen Kindern ihre Einschulung. Ich war fast acht Jahre alt, hatte die Akademie längst hinter mir, und das Gefühl von „Ich bin jetzt groß“ überraschte mich selbst, weil ich ja eigentlich nie das Gefühl gehabt hatte, wirklich ‚klein‘ zu sein. Ich freute mich sehr auf das Lernen und Arbeiten, auf die Bücher und die Übungen, und ich war glücklich, etwas tun zu dürfen, das wirklich zu mir passte.
Neben dem Studium fing ich an, meine Übungen im Taijutsu immer früh am Morgen zu machen, eine halbe Stunde körperliches Training, dann war ich wach und ging schon bei Sonnenaufgang in die Uni, setzte mich in die Bibliothek und begann mit dem Lernen. Mittags aß ich mit Mama zu Hause, dann folgte wieder eine Einheit Tai- und Ninjutsu mit Shisui, und danach traf ich mich manchmal noch mit Yuki oder ging zu Papa in die Polizeiwache, um ihm dort von meinem Tag zu berichten.
Diesen Rhythmus hielt ich, mit gelegentlichen Abweichungen und auch etwas Abwechslung zwischendurch, fast eineinhalb Jahre lang aufrecht.
Zum Ende hin wurden die Teehaus-Sitzungen mit Oma Yoneko wieder häufiger, sie zeigte mich voller Stolz ihren Anhängern und ich erzählte dann auch ganz gern von meinem Studium, weil es mir einfach sehr viel Freude bereitete.
Wenn ich in dieser Zeit an meinen Traum dachte, irgendwann Hokage zu werden, dann stellte ich mir jetzt vor, dieses Amt mit demselben Rhythmus und derselben Freude wie in meinem Studium zu gestalten. Hokage sein bedeutete für mich eine Arbeit, bei der ich viel lesen können und wenig auf Missionen würde gehen müssen, denn der Hokage blieb im Dorf, saß an seinem Schreibtisch und kümmerte sich darum, dass es friedlich blieb. Ich fing an, mich für Diplomatie zu interessieren, führte mit Shisui lange Gespräche darüber und beschäftigte mich im Studium auch mit Psychologie, zum einen, weil das für mich als Genjutsu-Anwender sehr wichtig war, und auch, weil ich an einen Zusammenhang zwischen Diplomatie und Psychologie glaubte.
Das ging so, bis ich neun Jahre alt wurde. Ich machte meinen Abschluss an der Universität mit Bestnoten (und als jüngster Absolvent in der Geschichte Konohas), und dann hatte ich drei Monate frei, die ich meist zu Hause verbrachte, unterbrochen von gelegentlichen Missionen, bei denen ich verschiedene Teams als Medizin-Ninja und Stratege unterstützte.
Während des Studiums machte ich im Alter von achteinhalb Jahren parallel meine Prüfung zum Chuunin, als ebenfalls jüngster Teilnehmer.
Oma Yoneko setzte im Rat durch, dass ich die Prüfung als einzelner Teilnehmer machte, ohne ein Team, wie es sonst eigentlich übliche Pflicht war, einfach deshalb, weil ich durch mein Studium zu keinem festen Team gehörte. Koharu und Homura waren zwar dagegen, doch der Hokage entschied, dass ich aufgrund meiner Fähigkeiten schon ein Recht auf den Rang des Chuunin hatte, und so nahm ich alleine teil.
Die Aufgaben waren kaum ein Problem für mich, ich bekam das meiste gut hin, konnte mich auf meine Fähigkeiten einigermaßen verlassen. Mein Problem bei dieser Prüfung war eher, dass ich sie unter den aufmerksamen Augen des Dorfrates machen musste, mit den Sonderrechten, die mir unangenehm waren, und der Art, wie Yoneko mich präsentierte. Ich für meinen Teil hätte die Prüfung zum Chuunin lieber später gemacht und unter denselben Voraussetzungen wie alle anderen auch.
Es war mir sehr unangenehm und störte mich, dass ich am ersten Tag der Prüfung von Yoneko dorthin begleitet wurde und sie mich vor allen Leuten überaus stolz als „Wunderkind des Uchiha-Clans“ bezeichnete. Mehr denn je sehnte ich mich in diesem Moment nach Unauffälligkeit.
Am Ende dieser weitgehend ruhigen Zeit geschah dann etwas, an das ich während des Studiums kaum noch gedacht hatte:
Ich war zu Hause, wachte morgens auf, zog mich an, ging zu Mama runter und fand sie im Bad neben der Küche, sie kniete vor dem Becken im Boden und erbrach sich.
„Mama? Was ist los, hast du was falsches gegessen?“, fragte ich und kniete mich neben sie.
„Nein … eigentlich nicht … Mir war gestern schon mal schlecht, und gegessen hab ich nicht viel.“
Ich half ihr, bis sie wieder aufstehen konnte, sie setzte sich auf einen Stuhl in der Küche und ich machte ihr einen Tee.
„Itachi, geh mal in die Wache zu Papa und sag ihm, er soll herkommen“, sagte Mama und nahm einen vorsichtigen, kleinen Schluck Tee.
„Ist gut.“ Ich zog mir meine Jacke an und lief raus, rannte durchs Dorf zur Polizeiwache.
„Hallo, Itachi“, begrüßte mich einer von Papas Kollegen.
„Ist Yoshio da?“
In dem Moment kam Papa aus seinem Büro.
„Was ist los, Itachi?“
Ich war ganz außer Atem, musste erst wieder Luft bekommen, und antwortete dann: „Mama geht’s schlecht, sie hat sich erbrochen!“
Papas Gesichtsausdruck überraschte mich etwas: Er sah nicht erschrocken aus, sondern lächelte.
„Ich bin gleich fertig, dann komm ich nach Hause“, sagte er.
„Was ist denn mit Mama?“, fragte ich besorgt.
„Ich glaube, du musst dir keine Sorgen machen, mein Sohn …“ Papa lächelte immer noch. „Mama geht’s bald wieder gut.“
Ich lief zurück nach Hause, kümmerte mich weiter um Mama, ihr war immer noch schlecht, und als Papa nach Hause kam, hatte er eine Tüte aus der Apotheke dabei.
„Na, meine Liebe, wie geht’s dir?“, fragte er Mama.
Mama lächelte. „Geht schon …“
Papa ging zur ihr, umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann zog er eine Schachtel aus der Tüte, und ich sah, was darauf stand: Es war ein Schwangerschaftstest!
1986
Je weiter sie sich von Ame Gakure entfernten, desto weniger regnete es. Madara schien genau zu wissen, wohin er wollte, und spät abends hielt er vor einer kleinen Hütte am Waldrand an. Es regnete immer noch, wenn auch weniger als in Ame, und Nagato musste zugeben, dass er wirklich müde war.
„Hier übernachten wir und hier bleiben wir auch ein paar Tage“, sagte Madara und öffnete die Tür der kleinen, unscheinbaren Hütte.
Vorsichtig hob er die längst schlafende Konan von seinen Schultern. Die wachte davon auf.
„Dara, wasnlos? Wosinwi?“ murmelte sie mit halb geöffneten Augen.
„Wir haben Ame Gakure verlassen, Konanchen. Bald siehst du die Sonne und vielleicht gibt es morgen was zum Essen“, antwortete Nagato und stellte die schweren Taschen ab.
„Sonne? Essen? Echt?“, fragte Konan. „Nagato, du bist lieb!“ Und schon war sie wieder eingeschlafen. Sie war einfach zu müde. Nagato legte sie vorsichtig auf das größte Kissen, das sie besaßen.
„Und wie lange bleiben wir hier?“, fragte er Madara.
„Ein paar Wochen vielleicht. Bis ich ein richtiges Haus gefunden habe, wo wir alle zusammen bleiben können“, antwortete der.
„Heißt das, dass du bei uns bleibst, Madara?“ Nagato konnte es kaum glauben.
„Ja. Aber ich möchte natürlich zuerst mal wissen, wie ihr zwei eigentlich richtig heißt.“ sagte Madara und lächelte wieder.
„Ich heiße Nagato Amekawa. Und die Kleine heißt Konan. Wir haben Glück, dass ich meinen Namen und ihren kenne. Ihren Nachnamen weiß ich aber nicht. Konan ist ungefähr zwei und ich bin sieben. Aber ich weiß nur meinen Geburtstag“, sagte Nagato.
Madara schrieb die Namen kurz auf und sagte dann: „Ich bleibe bei euch. Nach Konoha kann ich jetzt nicht mehr zurück. Ihr könnt gut einen Beschützer gebrauchen und die kleine Konan kannst du nicht allein großziehen.“
Dann begann Madara, die Taschen auszupacken und ein Nachtlager herzurichten.
Mitten in der Nacht wachte Konan auf. Sie wusste nicht, wo sie war und das ständige leise Rauschen des Regens war verstummt. Irgendwann vor Stunden war Konan auf Madaras Rücken eingeschlafen und als sie in der Hütte kurz aufgewacht war, hatte sie ihr neues Zuhause auf Zeit noch nicht wirklich wahrgenommen.
Es war dunkel, draußen verhüllten Wolken die Sterne, obwohl es vor einer Weile wohl aufgehört hatte zu regnen. Das kleine bisschen Licht, das von irgendwo draußen kam, ließ Nagatos oranges Haar schwach leuchten. Konan blinzelte zu ihm hinüber. Dann merkte sie, wie hungrig sie war und dass sie das ziemlich aufregte. Und das einzige, was der Zweijährigen einfiel, war Schreien.
„Waaaah! Ich hab Hu-hu-hu-huuuungeeeer!!! Will was eeeesseeen!“ Sie schrie, obwohl sie zum ersten Mal im Leben ohne das Geräusch des immerwährenden Ame Gakure-Regens in den Ohren aufgewacht war. Oft hatte sie sich gewünscht, dass dieses Regenrauschen aufhörte. Aber jetzt hatte sie Hunger.
Madara wachte von ihrem Geschrei auf. Schon im Halbschlaf hatte er Konans Schreien gehört und sie tat ihm leid. Was mussten so ein Krieg und ein Wohnungswechsel für so ein kleines Mädchen wie Konan bedeuten? Sie war bestimmt völlig durcheinander.
„Konanchen …“ Madara übernahm wie selbstverständlich die von Nagato verwendete Kinderform des Namens, „Warum weinst du denn?“
„Dara! Ich will was essen! Ha-ha-hab Huuuuunger!“
„Du musst ja schrecklichen Hunger haben, wenn du so schreist. Kannst du gar nicht mehr schlafen vor Hunger?“ fragte Madara.
„H-hm!“ Konan hörte auf zu schreien und sah Madara mit großen, nassen Augen an.
„Ich seh mal nach, ob ich vielleicht noch was zu essen habe.“ Madara begann, seinen Rucksack nach etwas Essbarem zu durchsuchen. Er fand ein paar Scheiben dunkles Brot, mehr nicht. Morgen würde er losziehen müssen, um im nächsten Ort Essen zu besorgen.
„Hier, Kleine, iss!“, forderte Madara das kleine Mädchen lächelnd auf.
Konan strahlte ihn an. Ihre kleinen, weißen Hände griffen nach dem trockenen Brot. Seit eineinhalb Tagen hatte sie kein größeres Stück Brot, Reis oder etwas anderes zu essen gesehen. Gierig biss sie hinein. Es war ihr egal, wie es schmeckte.
„Dankche, Dara“, sagte sie kauend und strahlte.
Madara hätte nie gedacht, dass ihn das dankbare Leuchten in den Augen eines kleinen Mädchens so glücklich machen würde. Aber so, wie Konanchen ihn jetzt mit vollen Backen anstrahlte, das machte ihn so glücklich wie schon lange nicht mehr. Madara wusste jetzt, dass es sich gelohnt hatte, Konan und Nagato zu retten.
„Mmmmmh!“, seufzte Konan schließlich, „Jetzt nich mehr Hunger. Jetzt satt.“ Und ein voller Magen machte müde. Konan streckte sich und gähnte.
„Darf ich auf dein´ Futon mit schlafen?“ fragte sie und kuschelte sich an Madaras dichtes Haar.
„Sie ist jetzt mein Kind“, dachte er und ließ zu, dass sie unter seine Decke kroch und sich an ihn schmiegte.
Fühlte es sich so an, eigene Kinder zu haben? Madara wusste es nicht genau. Er war schließlich noch keine dreißig. Doch er musste an seinen Patensohn denken. Itachi war fünf, also jünger als Nagato, und hatte schon längst mit dem Ninja-Training begonnen. Nagato hatte ganz offenbar noch nie sein Chakra trainiert.
Und während Madara seinen Blick von Konans lila Lockenköpfchen zu Nagatos orangenem Haarschopf wandern ließ, nahm er sich vor, den beiden alles beizubringen, was sie brauchten. Er wäre in Konoha Sensei geworden, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Jetzt würde er Lehrer für Nagato werden und dann für Konan. Die beiden waren offensichtlich mit recht vielversprechenden Talenten gesegnet. Konan war für eine Zweijährige bemerkenswert selbstständig und sprach schon ziemlich deutlich aus, was sie meinte. Und Nagatos Augen waren außergewöhnlich, das hatte Madara sofort erkannt.
Am nächsten Morgen zog Madara schon früh los, um sich nach einer besseren Behausung umzusehen. Die kleine Hütte war zwar besser als die Ruine, in der er die Kinder gefunden hatte, aber Madara wollte Nagato und Konan ein wirklich schönes Zuhause bieten. Er wurde richtig euphorisch beim Gedanken daran, mit den Kindern zusammen in einem kleinen Haus zu leben und ihnen alles beizubringen.
Nagato versprach, den ganzen Tag mit Konan im Haus zu bleiben. Noch war der Krieg nicht zu Ende, in vielen Orten um Ame Gakure herum wurde noch gekämpft. Deshalb war es sicherer für die Kinder, wenn sie im Haus blieben, bis Madara wieder da war.
Als Konan aufwachte, schien die Sonne durch das kleine Fenster über Madaras Reisefuton.
„Nagato? Wo ist Dara?“, fragte sie verwirrt. Madara war nicht da, obwohl sie doch auf seinem Haar geschlafen hatte, und die Sonne schien so hell herein, wie sie es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
„Er ist losgegangen, um etwas zu essen zu holen“, antwortete Nagato und begann, in den Taschen nach Konans wenigen Spielsachen zu suchen. Es war wirklich nicht viel: Ein kleines, knisterndes Kissen, ein Beutel mit großen Glasmurmeln und ein paar bestickte Haarbänder. Aber es musste reichen, um Konan den ganzen Tag zu beschäftigen.
Als Nagato sich aber zu Konan umsah, bemerkte er, dass sie längst eine eigene Beschäftigung gefunden hatte: mit hochzufriedenem Gesicht und geschlossenen Augen saß sie unter dem Fenster und ließ sich von der Sonne bescheinen. Für jemanden, der seine ersten Lebensjahre nicht im Regen von Ame Gakure verbracht hatte, wurde so ein einfaches In-der-Sonne-sitzen vielleicht bald langweilig, aber Konan kannte nichts als den Regen und deshalb war das Gefühl von Sonnenstrahlen auf der Haut etwas unbeschreiblich Schönes.
„Komm, Nagato! Setz dich auch hin, die Sonne scheint!“, seufzte sie glücklich.
Und weil er gerade nichts anderes zu tun hatte, setzte er sich neben sie auf den Holzboden, der von der Sonne schön warm war. Bis kurz vor Mittag schien die Sonne, dann zog eine fluffige, weiße Wolke vor die Sonne. Aber das machte Konan nichts aus. Sie hatte schon so viel vom Sonnenlicht und der Wärme aufgesogen, dass es für die nächsten Tage ausreichen würde, falls dann nicht die Sonne schien. Auf jeden Fall mehr Sonne als in ihrem ganzen, bisherigen Leben. Konan war glücklich. Und die kleine Wolke würde weiterziehen. Außerdem schimmerten Konans Glasmurmeln schön im Licht und warfen runde Regenbögen auf den Holzboden. Wenn die Sonne schien, war sie leicht zu beschäftigen.
Madara hatte seinen Rucksack dagelassen. Wahrscheinlich hatte er heute nur eine kleinere Tasche mitgenommen. Nagato sah den Rucksack in einer Ecke stehen und plötzlich wollte er unbedingt wissen, was darin war. Konan sah von ihren Murmeln auf, als Nagato den Rucksack öffnete.
„Was machst du da?“ fragte sie.
„Ich will wissen, was er da drin hat. Wir wissen ja noch gar nicht, wer er eigentlich ist“, antwortete Nagato.
„Er heißt Madara Uchiha, er ist aus Konoha und er ist lieb. Heute Nacht hat er mir was zu essen gegeben“, sagte Konan. „Du musst ihn fragen, bevor du seine Sachen durchwühlst, Nagato. Weißt du noch, wie du dich aufgeregt hast, als Yahiko an deiner Tasche war?“
„Das war was anderes“, erwiderte Nagato. „Yahiko war ein Kind, so wie wir. Aber Madara ist ein Krieger aus einem fremden Land und die Konoha-Ninjas haben Ame zerstört.“
„Yahiko sieht genauso aus wie du. Er hat nur andere Augen. Wo ist er überhaupt hingegangen? Er war auf einmal weg“, sagte Konan.
„Ich vermute mal, er ist davongekommen.“ Nagato wollte nicht an diesen Jungen aus Ame Gakure denken, der ihm wirklich wie ein Zwilling ähnelte. Er hatte sich nicht getraut, mit Yahiko richtig Freundschaft zu schließen, aus Angst, dass der Krieg sie wieder trennen und ihm damit noch mehr Schmerz auslösen würde.
Er begann, Madaras Rucksack auszuräumen. Einfach so konnte er ihm nicht vertrauen. Auch, wenn Madara gut zu Konanchen war.
„Da ist ja überall so ein Fächer drauf“, stellte Konan fest, als Nagato den Inhalt von Madaras Rucksack auf dem Boden der Hütte ausbreitete. Tatsächlich, nahezu jeder Gegenstand war mit einem rotweißen Blattfächer-Symbol verziert.
„Das ist wohl das Wappen seiner Familie“, sagte Nagato. Er hatte nicht das kleinste bisschen Schuldgefühle, weil er so in Madaras Sachen wühlte. Er war einfach davon überzeugt, dass es sein Recht war, Madara erst einmal nicht zu vertrauen. Es war ja immer noch Krieg. Da musste man sicher gehen.
Neben Kleidung, Essgeschirr und Wurfmessern fand Nagato auch eine Dose mit Halstabletten, zwei Scheiben Brot, ein Paket Reis und eine ganze Reihe Bücher. Außerdem war da eine kleine Flasche aus braunem Glas, die irgendeine flüssige Medizin enthielt.
„Von dem Brot hat er mir was abgegeben“, sagte Konan. „Obwohl er nur so wenig davon hat, hat er´s mit mir geteilt.“ Sie war voll davon überzeugt, dass Madara absolut vertrauenswürdig war. Er hatte sein Essen mit ihr geteilt, sie auf seinem Futon und in seinem Haar schlafen lassen und ihr sein Taschentuch geschenkt. Konan zog das Tuch aus der Tasche ihres Kleides. Es zeigte denselben rotweißen Blattfächer wie alle Sachen, die Madara gehörten.
Nagato blätterte in einem der Bücher. Es war ein Buch über die Behandlung von Augenverletzungen, die durch Kekkei Genkai verursacht wurden, das war dem Bild auf dem Titelbild zu entnehmen. Nagato konnte kaum lesen und schreiben. Bevor er das Buch aufschlagen konnte, wurde die Tür der Hütte geöffnet. Nagato schrak zusammen.
„Ich bin es, Kinder“, kam Madaras Stimme von draußen, dann öffnete er die Tür und kam herein. Seine Taschen waren voll mit Essen und Kinderkleidung. Er stellte die Taschen ab und entdeckte erst jetzt das Chaos auf dem Hüttenboden.
„Gefallen euch meine Sachen?“, fragte er lächelnd, obwohl er eindeutig wusste, dass Nagato die Sachen durchsucht hatte.
Jetzt bekam Nagato doch Gewissensbisse. Madara war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um Essen und Kleider für sie zu besorgen, und er misstraute ihm immer noch?
„Ich hab´s dir doch gesagt.“ Konan strahlte, als sie eine Schachtel mit Reisbällchen aus Madaras Tasche herausschauen sah.
„Ich wollte nur wissen …“, begann Nagato verlegen, senkte den Kopf und fuhr sich nervös durch das leuchtend orangene Haar.
„… ob du mir vertrauen kannst?“, fragte Madara. „Ja. Das kannst du.“
„Er hat nur für uns was gekauft!“, strahlte Konan. „Nur für uns!“
Nagato konnte Madara immer noch nicht ganz vertrauen. Der Krieg hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Und Madara trug auch immer noch das Stirnband mit dem Zeichen von Konoha Gakure. Er sah noch aus wie ein Feind.
„Ich will was essen! Konanchen hat einen Riesenhunger!“, kreischte Konan ungeduldig.
„Du bekommst ja schon was.“ Madara nahm die ziemlich große Reisbällchen-Schachtel und hielt sie Konan entgegen. Das kleine Mädchen riss die Schachtel auf, griff sich ein Reisbällchen und hatte es innerhalb weniger Augenblicke aufgegessen und sich noch eines genommen. Sie war kaum noch zu halten.
„Nimm ausch einch! Chmeckt gut!“, forderte sie Nagato kauend auf. Aber Nagato traute sich nicht so recht.
„Du hast doch auch Hunger“, sagte Madara. „Komm schon, iss!“
Als Nagato sich nach zehn Minuten (in denen Konan dreiviertel des Schachtelinhaltes aufaß) immer noch nichts genommen hatte, wusste Madara, wie er das Vertrauen des Jungen gewinnen würde. Es fiel ihm schwer, innerlich, denn er liebte sein Stirnband. Aber dennoch … Er griff unter sein Haar, löste den Knoten des Stirnbands und nahm es ab. Dann zog er ein Kunai hervor und fuhr kratzend über das Symbol, bis es drei nicht sehr tiefe, aber doch deutlich sichtbare Kratzer hatte, die das Laubblatt durchstrichen.
„Ich werde das Stirnband nicht mehr tragen. Du kannst mir vertrauen, Nagato. Ab jetzt bin ich nur für euch beide da“, versprach Madara.
„Du … du gibst deine … Heimat für uns auf?“, stotterte Nagato ungläubig.
„Ich gehöre jetzt nicht mehr zu Konoha Gakure. Ich gehöre zu euch.“
In diesem Moment, als Madara das so offen aussprach, wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Vielleicht sah er Yoneko, Yoshio, Ikue und Itachi nie wieder. Der ganze Clan war davon ausgegangen, dass Madara unbesiegbar war und auf jeden Fall heimkommen würde.
Und da war noch … Tsunade. Sie war zwar sechs Jahre älter als Madara und richtig verlobt mit einem Ninja namens Dan, aber Madara schwärmte seit seiner Schulzeit für sie. Doch jetzt, wo er abtrünnig war, war es das Beste, wenn er Tsunade endgültig vergaß. Sie war nur die Enkelin des Ersten Hokage und er würde sie nicht bekommen. Es war jetzt wichtiger, die Lehren des Hashirama Senjuu über das Dorf Konoha hinaus in die Welt zu tragen.
Was Yoneko betraf, wusste Madara, dass sie immer zu ihm halten würde. Egal, was die beiden Dorfältesten (die den Uchiha-Clan nicht mochten) sagen würden, Yoneko würde ihn verteidigen und vermissen.
Yoshio würde vielleicht glauben, Madara sei auf dem Weg zu der Bombenentschärfung zwischen die Fronten geraten. Schließlich kämpften Nibi und Yonbi immer noch um Ame Gakure herum.
Egal, wie Madara es drehte und wendete, es gab kein Zurück mehr. Er musste das jetzt durchziehen. Hatte er das nicht gewollt? Diese beiden Kinder großziehen in den Idealen des Ersten Hokage? Nun musste Madara sein Versprechen halten und sich um Konan und Nagato kümmern. Er war nun einzig verantwortlich für die beiden. Und er war vermutlich der Einzige, der sie überhaupt noch kannte. In Ame vermisste die beiden wahrscheinlich niemand, ja, vielleicht wusste niemand überhaupt noch, dass es Konan und Nagato gab.
„Was ist denn das?“ fragte Nagato und hielt die kleine, braune Glasflasche in der Hand.
„Das sind Augentropfen. Wenn man seine Augen so oft benutzt wie ich, passiert es oft, dass man sie verletzt“, antwortete Madara.
„Tatsächlich. Deine Augen sind immer so rot“, stellte Nagato fest.
„Weißt du, wie man das nennt?“
„Nein. Aber es macht dich stark, oder?“
„Das sind Sharingan“, sagte Madara. „Aber, sag mal, Nagato, ist das deine natürliche Augenfarbe?“
„Ich glaube schon. Ich hab keinen Spiegel, aber ich glaube, sie verändern sich manchmal irgendwie, fühlt sich so an …“, antwortete Nagato.
„Deine Augen sehen aus, als könntest du sie noch für etwas anderes als zum Sehen verwenden. Hast du das schon mal versucht?“
„Nein …“ sagte Nagato. „Sonst hätte ich mich doch immer wehren können.“
Stimmt. Man muss genau wissen, wie es funktioniert, sonst geht es nicht“, erklärte Madara. „Ich musste auch erst lernen, wie ich meine Sharingan benutzen kann.“
Nagato dachte einen Moment nach, kam zu dem Schluss, dass Madara Recht haben konnte und dass da wirklich etwas Besonderes an ihm selbst war. Doch er ließ sich die Gedankenbewegung nicht anmerken.
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Madara stand morgens früh auf, ging aus der Hütte und ließ Nagato und Konan den halben Tag über allein. Er suchte in den kleinen Dörfern in der Umgebung nach Essen für die Kinder und sich, was nicht gerade einfach war, denn die meisten Orte waren vom Krieg schwer beschädigt und die Menschen hatten selbst kaum etwas zu essen.
Aber die meisten Leute waren bereit, einem Ninja mit Madaras starkem Auftreten doch etwas zu geben. Auf diese Weise kam er an gutes Essen und sogar an Bücher.
Die Bücher waren wichtig, denn Madara wollte Nagato Lesen und Schreiben beibringen. Er war jetzt in jeder Hinsicht für Versorgung und Ausbildung von Nagato und Konan verantwortlich und begann, sich an die neue Aufgabe zu gewöhnen. Sie erschien ihm wirklich sinnvoll, jedenfalls sinnvoller als dieser verdammte Krieg. Im Krieg zerstörte man sinnlos unzähliges Leben, während die Versorgung und Ausbildung zweier elternloser Kinder deren Leben und späteres Wirken förderte.
Ganz so, wie der Hokage der Ersten Generation das Dorf Konoha gegründet hatte, um jungen Menschen eine sichere Zukunft zu bauen.
Als Madara eines Abends von seiner Tour zurück in die Hütte kam, platzte er mitten in einen Streit zwischen Nagato und Konan hinein.
„Das ist echt doof!“, schrie Konan und Madara wunderte sich wieder dass sie schon so gut sprechen konnte.
„Nein, Konan, das verstehst du nicht“, sagte Nagato. „Dafür bist du noch zu klein.“
„BIN ICH GAR NICHT! DU KANNST NICH EINFACH SAGEN, DASS DARA NICH LIEB IS, NUR WEIL ER AUS KONOHA IS!“, kreischte Konan, „DAS IS GEMEIN, NAGATO!“
„Ich bin doch nur misstrauisch, Konanchen“, sagte Nagato. „Schließlich haben die Ninjas aus Konoha Gakure unser Ame zerstört.“
„Aber Dara is doch jetzt für uns da!“ Konan drehte den Kopf und sah Madara in der Tür stehen. Der lächelte freundlich.
„Ihr könnt mir wirklich vertrauen“, sagte Madara. „Ich habe die Armee verlassen, um mich um euch zu kümmern.“ Wie oft sollte er das noch sagen? Konan schien ihm zu glauben, aber Nagato war nach wie vor misstrauisch. Madara konnte das nur mit Kriegstrauma erklären. Kinder wie Nagato konnten nur schwer Vertrauen fassen. Konan war zum Glück noch so klein, dass sie nicht hinter jeder Ecke einen Feind sah und sie schien auch ein Mädchen mit bemerkenswert positiver, starker Lebenseinstellung zu sein.
„Daaaaraaaa!“, quietschte Konan, sprang auf und rannte auf ihn zu. Er zog seine Schuhe aus, legte Rucksack und Rüstung ab und kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen zu sein. Konan fiel Madara um den Hals und schmiegte ihr Gesicht in sein langes, dichtes Haar. Sie mochte es, sich in Madaras Haar zu kuscheln, weil es so lang und weich war.
Im Gegensatz zu Konan verhielt Nagato sich zurückhaltend. Er saß mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen auf dem Boden und sah Madara mit seinen weißlosen, lila Augen misstrauisch an.
„Ich hab dir was mitgebracht, Nagato“, sagte Madara und befreite sich vorsichtig aus Konans Umarmung. Dann zog er ein Buch aus seinem Rucksack. Es war ein Schulbuch für Schreibanfänger.
Nagato stand zögernd auf. Madara lächelte.
„Nimm schon. Ich will dir Lesen und Schreiben beibringen“, sagte er.
„Mir auch, mir auch!“, rief Konan begeistert.
„Du kannst gern zusehen“, sagte Madara. „Je früher man sich damit befasst, umso mehr lernt man.“
Nagato streckte langsam seine weiße Hand aus und griff nach dem Buch in Madaras Hand.
„Du bist sieben, hast du gesagt?“, fragte Madara.
Nagato nickte.
„Ich bin zwei!“, quietschte Konan, sie hielt zwei Finger hoch und ihre goldbraunen Augen strahlten.
„Du kannst dir ja schon Bilderbücher ansehen, Konanchen“, Madara lächelte.
„Au ja!“ Konans Lernbegierde war geweckt.
An diesem Abend begann Madara damit, Nagato zu unterrichten. Er begann mit der leicht erlernbaren Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift und Hiragana. Konan saß daneben und sah aufmerksam zu. Sie schien ebenso schon das eine oder andere aufzunehmen, jedenfalls hatte sie offensichtlich Lust darauf, zu lernen.
Und während Madara seine beiden Findelkinder zu unterrichten begann, dachte er natürlich auch immer wieder an seine „alte“ Heimat, an Konoha Gakure …
Hiruzen Sarutobi war der Hokage der dritten Generation und eigentlich ein friedlicher Mann, der das Dorf als seine Familie ansah, für die er alles tat. Aber der Ältestenrat, der aus Koharu, Homura und einem weiteren starrsinnigen Alten namens Danzo bestand, entschied vieles über Sarutobis Kopf hinweg, der offene Auseinandersetzungen eher scheute
Der Ältestenrat und der Uchiha-Clan hatten gewisse Probleme miteinander, die schon lange bestanden, da Koharu Utatane-Hyuuga und Yoneko Uchiha sich schon seit ihrer Ausbildungszeit nicht leiden konnten und Koharu diese Auseinandersetzung oft genug in die Politik einfließen ließ. Homura als ihr loyaler Vasall machte da ebenfalls mit, und Danzo schien ein ganz eigenes Problem mit mehr oder weniger allen drei Clans im Dorf zu haben.
Aber gerade wegen dieses andauernden Streits mit Koharu vernachlässigte Yoneko ihre Pflichten als Matriarchin des Uchiha-Clans nicht. Es gab ein vielversprechendes Talent, das es zu fördern galt. Vielleicht konnte irgendwann einer aus dem Uchiha-Clan Hokage werden, dachte Yoneko, dann hätte Koharu nichts mehr zu sagen. Und sowohl Yonekos Lieblingsenkel Madara, als auch das neue Wunderkind Itachi wären dafür sicher geeignet, dessen war sich Yoneko sicher und jeder im Clan wusste, dass sie diese Ansichten hatte.
Gleich nach ihrer arrangierten Hochzeit mit ihrem Freund und Cousin Yoshio hatte Ikue Uchiha beschlossen, aus dem großen Residenzschloss des Uchiha-Clans auszuziehen, und mit ihrem Mann ein kleineres Reihenhaus im belebten Ortskern von Konoha bezogen. Sie hatte genug davon gehabt, als „Prinzessin Ikue“ angesprochen zu werden, ständig die Blicke der Leute auf dem Familienwappen zu spüren und vor der Residenz ständig auf Leute zu treffen, die nur mit ihr reden wollten, weil sie Yonekos Stammhalterin war.
Kurz nach Hochzeit und dem Umzug war sie schwanger geworden, hatte dem Kampf endgültig abgeschworen und angefangen, nur noch konzentriert als Augenärztin du Neurochirurgin zu arbeiten. Das Kind, ein Junge, wurde am 6. August 1981 geboren und Ikue wusste, dass er ihr ähnlich werden würde. Er wurde Itachi genannt und sein Namen mit den durch ein Orakel genau ausgewählten- Schriftzeichen für „Schmerz“ und „Blut“ geschrieben, woraus sich in der geläufigen Sprache Senningo die Bedeutung „tausendmal Schmerz und Blutstropfen“ ergeben hatte. Es schien ein böses Omen, dass ausgerechnet so ein Name für den Jungen ausgewählt worden war, aber gegen die Namen, die ein Orakel bestimmte, konnte man nichts tun. Und schon kurz nach seiner Geburt hatte sie Itachis ungewöhnlich hohe Sensibilität bemerkt, die sie schon von sich selbst kannte.
Jetzt war er fünf Jahre alt und zeigte bereits alle Anzeichen von sehr großem Talent in allem, was man ihm im Rahmen der traditionellen Erziehung der Uchiha beibrachte. Mit zwei Jahren hatte er begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen und schrieb jetzt schon fließende Texte. Er stand früh morgens auf und trainierte, beherrschte bereits sämtliche 12 Fingerzeichen und erste Jutsus. Yoshio war sehr stolz auf Itachi, machte sich aber auch Sorgen, da der Junge sich weigerte, Mücken zu erschlagen und kaum freiwillig kämpfte. Er schien bereits früh viele Dinge zu begreifen, die zu erfassen erst von weit älteren Kindern erwartet wurde und hatte offensichtlich die hochsensible Persönlichkeit seiner Mutter vollständig geerbt.
Dann war Yoshio zusammen mit Madara und einigen anderen Ninjas an die Front geschickt worden und das war Itachi nicht entgangen. Es schien beinahe unmöglich, etwas vor ihm zu verbergen.
In dem Moment, als Madara gerade Nagato die ersten Leseversuche beibrachte, saß in Konoha ein kleiner Junge mit kinnlangen, dunkelgrauen Haaren und großen, schwarzen Augen am Fenster des Hauses, in dem er mit seiner Mutter allein war, und schaute hinaus. Die Stimmung draußen auf der Straße war dunkel und regnerisch und übertrug sich auf den sensiblen Jungen. Sein hübsches Gesicht mit den kleinen Kerben an der Nasenwurzel sah traurig und nachdenklich aus.
1990 - 1991
Mama zog sich mit dem Test kurz ins Bad zurück, und währenddessen saß ich mit Papa in der Küche und wartete.
Ich hatte länger nicht mehr so richtig über meinen Wunsch nach einem Geschwisterkind nachgedacht, und auf einmal sah es so aus, als erfüllte dieser Wunsch sich jetzt!
„Itachi, du weißt sicher schon, wie ein Kind entsteht, oder?“, fragte Papa.
Ich nickte. „Ja, schon lange.“
„Deine Mutter und ich haben immer mal wieder versucht, noch ein Kind zu zeugen, und vielleicht hat es jetzt mal geklappt. Freust du dich darüber?“
Und mit einem Mal, vielleicht weil es mir jetzt richtig klar wurde, dass ich wirklich ein Geschwisterkind bekommen würde, kamen mir ein wenig die Tränen, ich strahlte Papa an und antwortete: „Ja, sehr!“ Und dann, als ich an diesen Moment vor ein paar Jahren dachte, als ich Mama und Papa nachts gehört hatte, fragte ich: „Das ist schön, ein Kind zu zeugen, oder?“
Papa nickte. „Ja. Die Natur hat es so eingerichtet, dass es Spaß macht, und auch wenn nicht bei jedem Mal ein Kind entstehen kann, ja, es ist schön.“
Ich sah Papa an, und es war wieder einer der seltenen Momente, in denen ich hinter seine strenge Fassade blicken und ihn als den fühlenden Menschen, der er dahinter war, sehen konnte. Er liebte Mama und mich sehr, doch er zeigte das eben selten so deutlich wie hier gerade. In solchen Momenten, wenn er sich so offen zeigte, konnte ich ihm die Strenge, mit der er mich sonst für gewöhnlich behandelte, und seine Verschlossenheit verzeihen.
„Irgendwann wirst du selbst eine Familie gründen, Itachi“, sagte Papa. „Du wirst eine Frau finden, sie heiraten und mit ihr Kinder haben.“
„Ja, vielleicht …“, sagte ich und dachte an die Mädchen, die ich kannte. Ob ich mich irgendwann in eine von ihnen verlieben würde? Im Moment sah es eigentlich nicht danach aus. Aber ich war ja auch erst neun Jahre alt.
Einen Moment später kam Mama aus dem Bad zurück. Sie strahlte über das ganze Gesicht, umarmte Papa und mich und zeigte uns beiden den Test. Der kleine Papierstreifen hatte eine leuchtend blaue Farbe.
„Blau heißt, es hat geklappt!“, erklärte Mama, umarmte Papa noch mal und küsste ihn.
„Ich kriege also wirklich ein Geschwisterchen?“, fragte ich noch mal, obwohl es schon ganz klar war. Aber ich wollte Mama hören, wie sie „Ja“ sagte.
Mama kniete sich vor mich hin, umarmte mich wieder, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und sagte: „Ja. Wir bekommen noch ein Kind.“
Und da, als sie es so sagte, löste sich in mir etwas, ich war sonst selten überschwänglich, aber in diesem Moment freute ich mich so sehr, dass ich aufsprang, wie ein kleines Kind, und erst Mama, dann Papa um den Hals fiel. Ich war so glücklich, dass mein ganzer Körper kribbelte und ich schnell zur Treppe lief, einmal rauf und wieder runter, ganz schnell, und als ich wieder vor Mama stand, lachte sie.
„So sehr freust du dich, mein Spatz?“, fragte sie und küsste mich aufs Haar.
„Ja! Ich wünsch mir schon so lange einen Bruder!“
„Vielleicht wird’s auch ne Schwester?“, warf Papa ein.
„Es wird ein Bruder, da bin ich mir ganz sicher!“
An diesem Tag war ich abends noch mit Shisui zusammen. Zuerst erzählte ich ihm nichts, wir hatten uns verabredet, um zusammen mit einem Buch über Feuerversteck-Jutsu zu lernen und dann ein bisschen zu trainieren. Aber er merkte recht bald, dass ich total kribbelig war, und fragte: „Sag mal, Itachi, ist irgendwas? Du hibbelst wie ein kleines Kind am Geburtstag!“
Ich errötete ein wenig, und dann brach es einfach aus mir raus: „Ich krieg einen kleinen Bruder!“
„Echt jetzt?“
„Ja! Mama kriegt ein Baby, und ich bin mir ganz sicher, dass es ein Junge wird!“
„Wow! Ja, dann ist es kein Wunder, dass du hibbelig bist“, sagte Shisui und lachte. „Du wünschst dir ja schon seit Ewigkeiten ein Geschwisterkind.“ Er grinste und sagte dann: „Bei meinen Eltern wird das wohl nichts mehr. Aber ich hab ja dich, du bist wie mein kleiner Bruder, und dann, wenn das Baby bei euch da ist, sind wir einfach drei Brüder.“
In dieser Nacht lag ich lange wach. Ich blickte an die Decke meines Zimmers und stellte mir vor, wie sich mein Leben verändern würde, wenn das Baby dann da war. Ich freute mich so sehr, dass mir hin und wieder sogar die Tränen kamen, und dachte mir schöne Sachen aus, die ich mit meinem kleinen Bruder erleben wollte. Das Gefühl, ein großer Bruder zu werden, machte mich so über alle Maßen glücklich, und ich schwor mir, der beste, liebste, fürsorglichste große Bruder zu werden, den Konoha Gakure je gesehen hatte.
Die nächsten Monate sind mir als eine Zeit in Erinnerung geblieben, die meine Identität als Bruder formte.
Ich unterstützte Mama überall, wo ich konnte, und oft lag ich mit ihr auf ihrem Bett oder auf der Couch, und ich durfte die Hand oder mein Ohr auf ihren Bauch legen, um das Kind darin zu spüren und zu hören.
Ich begleitete meine Eltern auch manchmal zu den Untersuchungen bei der Frauenärztin, und so war ich auch dabei, als festgestellt wurde, dass das Kind tatsächlich ein Junge war.
Einmal, da kam ich gerade von Oma Yonekos Teehaus zurück, da sah ich im Schaufenster eines Spielzeuggeschäftes eine Stofftier, das mich irgendwie ansprach. Es war ein grünes Echsenwesen, vielleicht ein kleiner Drache, und ich ging einfach in den Laden und kaufte es. Somit hatte ich ein Geburtsgeschenk für meinen kleinen Bruder, ich versteckte es zu Hause in meinem Schrank.
Und meine Familie war nicht die einzige, in der ein Baby erwartet wurde: Kushina und Minato hatten ebenfalls mit der Familiengründung begonnen! Ein, zwei Monate nach Mamas positivem Schwangerschaftstest kam Kushina freudestrahlend zu uns nach Hause und erzählte, dass sie ebenfalls ein Kind erwartete.
Unser Baby sollte im Juli kommen, Kushinas im Oktober, und so planten Mama und Kushina dann zusammen, wie sie ihre dann ja in etwa gleich alten Kinder gemeinsam erziehen wollten. Minato und Papa machten ebenfalls Pläne, es wurde über Patenschaft und solche Dinge gesprochen.
Als dann herauskam, dass auch Kushina und Minato einen Jungen erwarteten, erzählte ich das Shisui, der daraufhin meinte: „Dann werden wir halt vier Brüder.“
Damals ahnte wirklich niemand, was noch geschehen würde, und dass aus dem gemeinsamen Aufziehen der erwarteten Kinder nicht viel werden würde …
Aber dazu später mehr …
Im sechsten Monat von Mamas Schwangerschaft fand in Oma Yonekos Haus eine Zeremonie statt, um, wie es in unserer Familie üblich war, den Namen des Kindes und die Schriftzeichen dafür durch ein Orakel bestimmen zu lassen. Auch ich hatte meinen Namen durch so eine Zeremonie erhalten. Das Orakel war eine sehr alte Frau aus den Bergen, die eigens für die Zeremonie gerufen wurde und ins Dorf kam, und dann mit verschiedenen Utensilien und durch ein spezielles Jutsu bestimmte, welchen Namen ein Kind bekommen sollte. In meiner Familie war das Tradition, und auch die Sennin und die Hyuuga nutzten meist das Orakel für die Namen ihrer Kinder.
Mein eigener Name, Itachi, war wie gesagt auch durch dieses Orakel bestimmt worden, und die Zeichen, mit denen man ihn schrieb, hatten damals für einige Aufregung gesorgt, weil es sich um zwei Zeichen handelte, die gewissermaßen ein unheilvolles Omen darstellten: Das Zeichen für Schmerz und das für Blut waren in der Schriftrolle des Orakels erschienen, und ein Nicht-Beachten dieses Omens galt als Verbrechen am Orakel und als noch schlechteres Omen. Ich wurde also Itachi genannt und man schrieb meinen Namen mit diesen Zeichen, doch um das Ganze ein wenig zu mildern, erhielt ich als zweiten Vornamen den Namen meines Vaters Yoshio. Das Orakel war damit einverstanden, auch wenn zweite Vornamen eigentlich unüblich waren.
Und jetzt, fast zehn Jahre später, hofften alle sehr auf einen glücklicheren Namen für meinen Bruder, es wurde gebetet, dass es ein schöner Name mit Zeichen, die Gutes bedeuteten, werden würde.
Das Orakel erkundigte sich bei meinen Eltern und mir, ob inzwischen irgendetwas passiert sei, was durch das schlechte Omen meines Namens erklärbar gewesen wäre. Doch eigentlich war nichts von dem passiert, was sie vorausgesehen hätte. Die einzige Sache, die laut ihrer Ansicht einen Zusammenhang zu den Schriftzeichen meines Namens anzeigte, war meine hochsensible, für einen Ninja nicht gerade passende Art, und dass ich beim Erwachen meiner Sharingan blutige Tränen geweint hatte.
Während der Zeremonie, die ungefähr eine Stunde dauerte, spürte ich, wie Mama neben mir immer aufgeregter wurde. Sie hatte die Hände auf ihrem Bauch liegen und atmete tief ein und aus.
Ich sah sie an und legte meine Hände auf ihre. Dann schaute ich wieder zu der Schriftrolle, auf der Namen und Zeichen auftauchten und wieder verschwanden, und schließlich blieben zwei Zeichen zurück, die sich zusammensetzten.
Das Orakel berührte die Zeichen, sie blieben an ihren Händen hängen, und dann verkündete sie, dass das Baby, mein kleiner Bruder, Sasuke heißen sollte, geschrieben mit den Zeichen „klein“ und „Helfer“, was eine sehr positive Bedeutung ergab.
Papa erhob sich und fügte hinzu, dass auch mein Bruder einen zweiten Vornamen erhalten sollte: Ikuto, also die männliche Form von Mamas Namen Ikue.
Ich sah wieder Mama an, sie wirkte sehr erleichtert.
„Sasuke Ikuto also …“, sagte sie leise und bewegte die Hände auf ihrem Bauch. „Sasuke …“
„Ich find den Namen schön“, sagte ich zu ihr.
Mama lächelte strahlend. „Ich auch.“
Es war Frühling und wurde Sommer, erst ging der Mai vorbei, dann der Juni, und Mama blieb mit der Zeit immer mehr zu Hause, sie pausierte ihre Arbeit im Krankenhaus und empfing nur noch Patienten in ihrer Praxis bei uns im Haus. Ende Juni war auch das vorbei, die Wärme des Sommers und die körperliche Beanspruchung durch die Schwangerschaft setzten ihr zu, und ich blieb auch zu Hause. Auf Missionen ging ich derzeit sowieso nicht, und an der Universität machte ich in dieser Zeit auch nicht viel. Sobald ich mein tägliches Pensum an Training und Lernen geschafft hatte, war ich nur noch für Mama da, versorgte sie mit Tee und kochte Essen für sie und Papa.
Als ich an einem warmen Abend Anfang Juli mit Papa auf der Terrasse saß und wir gemeinsam das aßen, was ich gekocht hatte, sagte er: „Ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal so gesagt habe, Itachi, aber … ich bin wirklich stolz auf dich. Und nicht nur, weil du ein so begabter Shinobi bist. Wie du Mama jetzt hilfst und sie unterstützt, das ist wirklich toll. Ich hatte ein wenig Sorge, dass andere dich deshalb für … mädchenhaft halten könnten, aber du machst das so gut, dass es mir egal geworden ist. Du machst deinen Weg wirklich gut, mein Sohn, und du wirst deinem Bruder ein hervorragendes Vorbild sein.“
„Ich freu mich so auf ihn …“, sagte ich leise. „Ich hab mir … immer schon einen kleinen Bruder gewünscht …“
Papa lächelte. „Bald wirst du ihn kennen lernen. Ihr werdet sicher ein gutes Team.“
In dem Moment hörten wir Mamas Stimme von oben aus dem Schlafzimmer: „Yoshio … Itachi …“
Ich sprang auf, rannte ins Haus und die Treppe rauf in Mamas Zimmer, sie lag auf dem Bett und sah aus, als ob sie Schmerzen hätte.
„Mama? Alles okay?“, fragte ich.
„Ich glaube … ja … Es sind nur … Übungswehen, der Termin ist doch erst zum 20. Juli …“, antwortete sie und keuchte vor Schmerz.
Papa ging zu ihr hin und half ihr, sich anders hin zu legen, und es dauerte nicht lange, dann hatte sie sich wieder beruhigt und alles schien wieder okay.
Als ich an diesem Abend in meinem Zimmer im Bett lag, dachte ich darüber nach, was es für Frauen bedeutete, Kinder zu bekommen. Es war etwas, das ich als Junge kaum verstehen konnte, aber ich hatte wirklich große Achtung vor Mama und allen anderen Frauen, die Kinder bekamen. Es war offensichtlich sehr schwer und nötigte mir größten Respekt ab. Wenn ich daran dachte, dass aus den Mädchen, mit denen ich befreundet war und meine Tage verbrachte, mit der Zeit Frauen wurden, die Kinder bekamen … Ich fand es wirklich bewundernswert.
Es dauerte von diesem Abend an nicht mehr lange, bis Mama sich im Krankenhaus auf der Gynäkologischen Station anmeldete und dort blieb. Sie war sich über den Geburtstermin nicht ganz sicher und wollte zur Sicherheit lieber im Krankenhaus bleiben. Der geplante Termin war der 20. Juli, aber da ich selbst drei Tage zu früh geboren worden war, rechnete Mama damit, dass dieser Termin auch nicht ganz sicher war.
Die Tage ab dem 18. Juli verbrachte ich in steigender Aufregung. Ich traf mich mit meinen Freundinnen, und auch mit Shisui, und allen, mit denen ich zu tun hatte, fiel auf, wie aufgeregt ich war. Inzwischen wusste das ganze Dorf, dass in meiner Familie ein Baby erwartet wurde, selbst viele der Zivilisten, zu denen auch meine Freundin Yuki mit ihrer Familie gehörte, sprachen mich auf der Straße an und fragten, wie es Mama ging. Es stand zwar nicht direkt in der Zeitung, war aber schon ein Teil des Dorfgespräches: Im Hauptzweig des Uchiha-Clans wurde ein zweiter Erbe erwartet!
Um meine Aufregung irgendwie zu regulieren, bastelte ich eine Reihe von Geschenken und Talismanen, ich schrieb den Namen Sasuke Ikuto als Kalligrafie auf viele Blätter Papier und flocht diese in Stroh ein, und diese Talismane schickte ich mit der Post zum Feuertempel, damit sie gesegnet werden konnten.
Als diese Talismane wieder zurück kamen und den Stempel des Feuertempels trugen, brachte ich sie zum Krankenhaus.
Es war der 22. Juli, und Papa hatte sich Urlaub genommen, um den ganzen Tag bei Mama sein zu können.
Oma Yoneko buchte eine Kutsche und Pferde für die Zeremonie, mit der Mama und das Baby vom Krankenhaus aus zu uns nach Hause zurück begleitet werden sollten. Es würde ein Festtag werden, genau wie damals bei meiner Geburt.
In der ganzen Vorbereitung wurde mir die Aufregung einmal doch zu viel, und ich lief raus aus dem Dorf in den Wald. Ich rannte einfach los, um meine Energie loszuwerden, weil ich es sonst gar nicht mehr aushielt vor Kribbeligkeit.
Und dabei fand ich etwas, das in dieser Situation wirklich sehr … unpassend kam:
In einem Waldstück hinter dem Felsplateau entdeckte ich sehr eigenartige Spuren, die für den Laien wie gewöhnliche Kampfspuren aussahen, aber für mich mit meinem Sharingan war deutlich, dass sich hier kein Mensch herumgetrieben hatte. Es war mindestens eine Kreatur hier gewesen, und es sah fast aus, als hätte sich hier … ja, ein sehr mächtiges Wesen herumgetrieben.
Es erinnerte mich an die Bilder von Bijuugeist-Spuren aus meinen Universitätsbüchern. Aber wer oder was auch immer hier gewesen war, es war ein intelligentes Wesen gewesen, das darauf geachtet hatte, keine groben Spuren zu hinterlassen. Oder … es gab noch etwas, das solche Spuren hinterließ: Es war keiner der neun Bijuu, sondern etwas, das mit ihnen verwandt war: Das Jubi, wobei es weniger ein „Es“ als eine Ansammlung von sehr besonderem Chakra war. Wenn man Chakra wie Blutgruppen klassifizierte und davon ausging, dass die meisten Wesen, die Chakra besaßen, entweder A, B, AB oder O hatten, dann war „Jubi“ quasi O Resus negativ, gewissermaßen ein Universal-Chakra.
Jubi war nicht „intelligent“, jedenfalls nicht im menschlichen Verständnis. Es war auch kein zehnter Bijuu, auch wenn sein Name dies vermuten ließ. Und weil es so einzigartig war, gab es so gut wie keine sicheren Informationen darüber, wie man dieses Chakra überhaupt nutzen konnte.
Dass es sich hier in der Nähe aufgehalten hatte, war kein gutes Zeichen. An sich war Jubi nicht gefährlich, es war sich seiner Macht nicht „bewusst“. Aber sein Auftauchen konnte auch das Auftauchen eines wirklichen Bijuu-Geistes bedeuten, und das war wirklich extrem gefährlich.
Ich lief ins Dorf zurück und in die Uni, suchte in der verschlossenen Abteilung der Bibliothek nach dem einzigen mir bekannten Buch, das überhaupt das wenige Wissen über Jubi-Chakra enthielt, ich wusste, es gab so ein Buch … Aber es war verschwunden. Und ich hatte irgendwie, ich wusste nicht warum, den Verdacht, dass Madara es vor seinem Verschwinden mitgenommen hatte.
Ich wusste nicht, ob und wem ich davon erzählen sollte. Jubi war für die meisten Leute nicht viel mehr als eine Legende, da kaum jemand es je gesehen und sein Aussehen bestätigt hatte. Aber dass auch ein echter Bijuu auftauchen würde, davor musste ich warnen, das war meldepflichtig und wirklich eine Gefahr.
Ich lief in die Polizeistation, Papas gleichrangiger Kollege Shinji war da und ich erzählte ihm unter vier Augen von meiner Entdeckung.
„Es ist richtig, dass du mir das erzählt hast, Itachi. Ich werde ein Spezialteam rausschicken, die werden sich das anschauen und feststellen, ob die Gefahr eines Bijuu-Angriffes besteht. Wir hatten das lange nicht, aber es ist nun mal bekannt, dass Konoha Gakure sich auf dem Grund und Boden befindet, der in früheren Zeiten dem Kyuubi als Territorium diente.“
„Ich hab keine Kyuubi-Spuren gesehen, nur Anzeichen von Jubi-Chakra.“
„Vielleicht haben wir auch noch etwas Zeit. Aber wir beobachten das. Kyuubi war lange nicht hier, und manchmal taucht er auf, um sein Land zurück zu fordern.“ Shinji schrieb etwas in eine Schriftrolle und verstaute diese vorn in seiner Uniform. Dann hob er die Hand und strich mir über den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, Itachi. Wir haben so viele starke Leute, und wir haben Kyuubi bisher immer wieder in die Flucht geschlagen. Denk jetzt an deine Familie, deine Mutter bekommt ein Baby und dort solltest du jetzt hingehen.“
Auf dem Weg zum Krankenhaus traf ich Kushina. Sie war in ihrer Schwangerschaft ja noch nicht so weit wie Mama, und hatte Blumen dabei, um sie ihr zu bringen.
Wir gingen zusammen hinein, und ich hatte das Gefühl, dass es Kushina irgendwie nicht so richtig gut ging. Vielleicht bereitete die Schwangerschaft ihr Probleme, oder es war die Sommerhitze, die ihr Kopfschmerzen machte …?
„Ikue hat wirklich Glück mit dir, Itachi, du bist so ein liebes Kind“, sagte Kushina, sie blieb stehen, kniete sich kurz vor mich hin und reichte mir eine von den Blumen. „Hier, du kannst doch nicht mit leeren Händen zu deiner Mama gehen …“
Wir gingen zusammen hinein, Mama lag im Bett, Papa saß daneben. Mama hatte Schweißperlen auf der Stirn und sah aus, als hätte sie wieder Schmerzen.
„Itachi …“, sprach sie mich an und lächelte matt. „Alles gut bei dir, Spatz?“
Ich nickte. „Wie geht’s dir, Mama?“
„Es geht langsam los. Ist ja auch schon über den Termin.“ Sie winkte mich zu sich, nahm meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Und ich spürte einen kräftigen Tritt gegen meine Handfläche. Es rührte mich, so sehr, dass mir die Tränen kamen.
„Sasuke …“, dachte ich. „Bald bist du da.“
„Ich will hier bleiben“, sagte ich laut. „Kann ich auch hier übernachten? Wenn es sein muss, schlaf ich auf dem Flur auf einer Bank!“
Papa lachte. „Klar kannst du das. Du kannst aber auch ein Zimmer haben.“
„Ich kann sowieso nicht schlafen“, sagte ich.
Und so blieb ich, als die Ärztin kam, Kushina wieder ging und Papa mich hinaus schickte, draußen auf dem Flur sitzen.
In dieser Nacht schlief ich tatsächlich nicht. Ich saß die halbe Nacht auf dieser Bank auf dem Flur, und als aus dem Zimmer Laute drangen, die sich anhörten, als hätte Mama furchtbare Schmerzen, lief ich hinaus auf den Platz vor dem Krankenhaus, setzte mich dort hin und schaute mir die Sterne an, es war eine klare, warme Sommernacht.
Das Fenster des Zimmers, in dem Mama lag, ging nach vorne raus, ich saß fast darunter, und irgendwann wurde es geöffnet und ich hörte Mama, wie sie schrie, und Papa, wie er ihr beistand, und eine andere Stimme, die der Hebamme.
Und als ich schon woanders hingehen wollte, weil mir Mamas Schreie immer wieder durch Mark und Bein gingen, beugte sich Papa oben aus dem Fenster und rief nach mir: „Itachi! Komm her, es ist da!“
Ich sprang auf und rannte los. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich rannte so schnell, dass ich völlig außer Atem nach vielen Fluren und zwei Treppen oben am Zimmer ankam und keuchend vor der Tür stehen blieb, die Papa in dem Moment öffnete, und ich stürzte ins Zimmer.
Mama lag auf dem Bett, sie sah völlig fertig aus, das Kopfteil des Bettes war hochgezogen, sie lag im Kissen und hatte ein weißes Bündel im Arm, das schrie. Ich rannte zum Bett, und Mama hob das Bündel ein wenig an, so dass ich es sehen konnte. Ich hatte kaum je ein neu geborenes Baby gesehen, und ich war so aufgeregt!
Eine winzig kleine Hand streckte sich mir entgegen, und ich hielt einfach meinen kleinen Finger hin, und als die Hand den Finger griff und fest hielt, sah ich zum ersten Mal das Gesicht meines kleinen Bruders: Er war noch ganz rot im Gesicht und hatte dichtes, tiefschwarzes Haar, das oben am Hinterkopf schon kleine Wirbel erkennen ließ.
„Er ist so … süß!“, brachte ich endlich ein paar Worte heraus. Langsam kam ich wieder zu Atem und beruhigte mich ein wenig, ich berührte mit der anderen Hand die winzigen, roten Wangen, und das Baby, das mein kleiner Bruder war, blinzelte, sah mich an und lächelte.
„Herzlich Willkommen, Sasuke!“, flüsterte ich. „Ich heiße Itachi, ich bin dein großer Bruder.“
Er wollte meinen Finger gar nicht mehr loslassen, und ich ließ ihn, weil es sich so schön anfühlte. Tatsächlich war ich noch viel glücklicher, als ich es mir die ganze Zeit hatte vorstellen können, und Mama und Papa sahen das natürlich.
„Er ist so glücklich …“, sagte Mama leise zu Papa. „So sehr hat er sich einen Bruder gewünscht …“
Ich sah die beiden nicht an, mein Blick klebte fest an dem kleinen Gesicht und den winzigen Händchen und tiefschwarzen Haaren meines kleinen Bruders, und am liebsten wollte ich ihn selbst mal halten, doch ich traute mich nicht, jetzt danach zu fragen, und die Gelegenheit dazu würde ich sicher genug zu Hause haben.
Sasuke hielt immer noch meinen Finger fest, und so hatte ich nur eine Hand frei, um ganz vorsichtig wieder seine winzigen Wangen zu berühren, und es übertraf einfach alles, was ich über die weiche Zartheit von Babyhaut gehört hatte.
„Ich hab dich jetzt schon total lieb, Sasuke“, sagte ich und blieb noch ein bisschen so, weil er meinen Finger einfach nicht loslassen wollte.
1986
Auf einem seiner Streifzüge durch das Regenland und dessen weitere Umgebung hatte Madara einen Ort gefunden, an dem es ihm so gut gefiel, dass er beschloss, mit den Kindern hierher umzuziehen und zu bleiben. Es war eine weite Hochebene, viel Platz und wenig Regen. Und am Rande dieser Ebene stand eine hübsche kleine Hütte, vor der, als Madara sie entdeckte, ein Schild stand mit den Worten „Zu verkaufen“, darunter die Adresse eines Bauern aus dem nächsten Dorf.
Madara suchte diesen Bauern auf, kaufte bei ihm Gemüse und Reis und fragte dann nach der Hütte.
„Die ist noch frei, Sie können sie haben“, sagte der alte Mann und kramte in seinen Taschen nach einem Geldbeutel. „Ich hatte dort oben Felder, aber da wächst nicht genug, deshalb lasse ich sie brach liegen. Ich bin froh, wenn jemand mir diese Hütte abnimmt.“
„Ich habe zwei Kinder dabei, ist die Hütte dafür geeignet?“, fragte Madara.
„Ja sicher. Ich war früher mit meinen eigenen Kindern dort“, antwortete der Bauer. „Ich mache Ihnen einen guten Preis, Kinder brauchen doch einen schönen Ort zum Aufwachsen.“
Und so hatte Madara nun ein kleines, aber feines Haus, einen neuen Ort zum Leben. Er machte sich auf den Weg zurück zur ersten Hütte, wo Nagato und Konan schon auf ihn warteten. Der Weg heute hatte lang gedauert und die beiden hatten Hunger.
„Packt alles zusammen, Kinder, ich hab ein schönes Haus für uns gefunden“, verkündete Madara und hatte im nächsten Moment eine hellauf begeisterte kleine Konan an sich hängen, die ihre Freude darüber gut kundzutun wusste. Nagato war weniger überschwänglich, doch er begann gleich, seine Sachen zusammen zu suchen.
„Wo? Wo? Wo?“, quietschte Konan. „Gibt’s da Sonne?“
„Ja, viel Sonne, so viel wie du willst.“
Als alles zusammengepackt war, verließen die drei die kleine Hütte. Es hatte gerade zu regnen begonnen, aber je weiter sie sich von der Hütte entfernten, umso mehr nahm der Regen ab und als sie das kleine Dorf erreichten, wo der Bauer lebte, schien die Abendsonne. Konan, obwohl noch so klein, lief vorweg, und die goldene Abendsonne ließ ihre braunen Augen ockergelb leuchten. Madara lächelte, er mochte das kleine Mädchen, sie hatte so viel Energie … Und Madara erinnerte sich, dass er selbst mit zwei, drei Jahren ähnlich fröhlich und energiegeladen gewesen war.
Sie kamen an dem Haus des Bauern vorbei, der ihnen die Hütte verkauft hatte. Der alte Mann stand in der Tür seines Hauses und winkte ihnen zu. Und Madara hatte eine ganz spontane Idee: Er ging zu dem Bauern noch mal hin und fragte: „Was würde das Land um die Hütte herum kosten?“
„Man kann dort nicht viel Reis oder Früchte anbauen“, wiederholte der Bauer. „Der Boden ist dort zu hart.“
„Aber Häuser gehen schon, oder?“, fragte Madara.
„Häuser? An sich schon, ja.“
„Dann will ich das Land auch haben.“
Nagato, der neben ihm stand, sah ihn fragend an. „Was willst du mit Häusern?“
Die Idee, das Land mit zu kaufen, war so spontan gewesen, doch mit einem Mal fügte sie sich perfekt in Madaras Pläne ein, es war genau das Richtige, genau das, was er brauchte. Es war ideal.
Wenn er schon Konoha verlassen hatte, um zwei Kinder zu retten und aufzuziehen, dann war der nächste Schritt doch logischerweise, diesen Kindern eine neue Heimat zu bauen. Ein eigenes kleines Dorf, einen Ort wie Konoha, wo es schön und sicher war … Und er, Madara Uchiha, würde somit in die Fußstapfen seines größten Idols treten, er würde genau wie Hashirama Senjuu ein neues Dorf gründen! Die Idee machte ihn augenblicklich euphorisch, er strahlte den Bauern an und fragte: „Was nun? Was kostet das Land?“
Der Bauer nannte einen ebenso guten Preis wie für das Haus allein, und Madara verhandelte nicht weiter, er bezahlte einfach.
Und so hatte er nun Kinder, Haus und Land. Es fühlte sich so richtig gut an, und während er seine Kinder hoch zu dem neu erworbenen Besitz führte, ratterten seine Gedanken, er entwickelte unzählige Ideen, es wurde ein richtiger Flow. Er war jetzt selbst ein Pionier, so wie der Hokage der Ersten Generation, und Madara liebte diesen Fluss seiner Ideen, tausendundeine Inspiration, die sein enthusiastisches Temperament beflügelten.
Als sie oben bei der Hütte waren, hatten sich die Dinge entwickelt. Konan war überschwappend glücklich, sie lief auf ihren kurzen Beinchen pausenlos um die kleine Hütte herum und sah sich alles genau an. Nagato legte seine Taschen ab, nahm sich ein Buch heraus und setzte sich damit vor die Hütte, um Lesen zu üben, und Madara hatte so viele Pläne und Ideen, dass er sich nach dem Auspacken sofort daran machte, diese aufzuschreiben und aufzuzeichnen.
Und während die drei so ihr neues Heim einrichteten, ratterte es in Madaras Kopf weiter, bis zu einem Punkt, an dem er plötzlich stockte:
„… ich könnte ja Izuna fragen, ob er mitmachen will …“
Für ein neues Dorf wurden neue Leute gebraucht. Starke Leute mit Fähigkeiten und Ideen. Und da die meisten der guten Kräfte schon zu einem der großen Reiche gehörten, würde Madara sich woanders auf die Suche nach diesen Leuten machen müssen.
Es gab schon auch eine Menge starke Kämpfer in verschiedenen Nischen im Untergrund, aber Madara, der immer in Konoha gelebt und nur in der Sicherheit des Feuerreiches gearbeitet hatte, kannte die Verbindungswege zum Untergrund noch nicht gut genug. Izuna dagegen lebte schon so lange außerhalb dieser Sicherheit, dass er, wenn Madara ihn denn fand, sicher wissen würde, wie man an diese Leute herankam.
Das einzige Problem dabei war: Madara hatte keine Ahnung, wo Izuna sich aufhielt, und auch nicht, ob sein Halbbruder denn überhaupt Lust haben würde, mit ihm zu reden. Als Kinder waren sie sich noch nah gestanden, aber Madara war immer Yonekos Liebling gewesen und Izuna hatte sich von Yoneko zu sehr unter Druck gesetzt und schlecht behandelt gefühlt, und hatte deshalb auch Konoha verlassen.
Seitdem lebte er irgendwo im Untergrund, unabhängig und für niemanden zu finden, von dem er nicht gefunden werden wollte. Und Madara wusste eben nicht, ob Izuna überhaupt zulassen würde, dass er ihn suchte und fand.
Während dieser Gedanken hatte Madara das Kochfeuer des Häuschens angefacht, und als er wieder aufblickte, stand Nagato vor ihm.
„Was denkst du?“, fragte der Junge.
„Willst du’s wissen?“
„Ja.“
„Ich habe einen Bruder, einen Halbbruder, der lebt schon lange irgendwo weit weg, und ich frage mich, ob ich ihn wohl finden könnte …“
Nagato sah ihn einen Moment lang stumm an, seine lilafarbenen Augen waren kaum zu lesen, und dann fragte er: „Will er denn?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Madara. „Ich könnte ihn jetzt brauchen, aber ich weiß wirklich nicht, ob er mit mir reden würde.“
Nagato sah ihn wieder nur stumm an, länger als zuvor, dann setzte er sich auf den Boden, blickte auf seine Hände und sagte: „Ich hab auch … so was wie nen Bruder.“
„So was wie? Was heißt das?“
„Er ist genau so alt wie ich und sieht auch aus wie ich, aber wir hatten nicht dieselben Eltern.“
„Wie heißt er?“
„Yahiko.“
„Und wo ist er geblieben?“
„Ich weiß es nicht. Ich hoffe, er ist entkommen.“ Zum ersten Mal sah man Nagato ein leises Gefühl an, während er sprach. Es war sichtbar, dass er fürchtete, Yahiko könnte umgekommen sein. Und es war zu sehen, dass er deswegen kaum Gefühle zeigte, weil er Angst vor ihnen hatte. „Wie heißt dein Bruder?“
„Izuna.“
„Und warum ist er weg?“
„Er hatte Ärger mit unserer Großmutter. Sie ist sehr streng und er brauchte seine Freiheit, deshalb ist er gegangen.“
Nagato blickte zur Seite, aus dem Fenster, wo Konan draußen in der Sonne saß und das Licht genoss.
„Ich hoffe, du findest ihn“, sagte er.
Madara lächelte. „Danke.“
Am nächsten Tag machte Madara sich wieder auf den Weg. Zuerst holte er Nahrungsmittel aus dem Dorf, brachte die nach Hause, und dann ging er wieder los.
Sein Ziel war eine Stadt in der Nähe, ein Postzentrum, wo viele Zivilisten lebten. Er hatte irgendwann mal gehört, dass diese Stadt einen gewissen Markt für Glücksspiel unterhielt und das zog sicher auch Untergrundpersonen an. Diese wollte er suchen, ansprechen, Informationen von ihnen sammeln. Für diesen Weg hatte er seine Rüstung zu Hause gelassen, und von seinen Waffen auch nur die Kunai und ein kleines Kurzschwert mitgenommen.
Als er die Stadt erreichte, fragte er sich bis zum Casino durch. Zur Sicherheit, um nicht gleich als Madara Uchiha dort erkennbar zu sein, kaufte er sich an einem Stand am Straßenrand eine bunte Tiermaske mit einem Vogelgesicht, die setzte er auf und betrat das Casino.
Drinnen bemerkte er, dass er nicht der einzige mit einer Maske war, er hatte hier offenbar tatsächlich den Treffpunkt der Untergrundszene erwischt, den darin saßen viele solcher maskierter Gestalten.
Die Luft hing voller Rauch, die Tische mit den Pokerspielern waren wie im Nebel. Es war relativ ruhig, Worte wurden mehr geflüstert denn gesprochen, und jeder achtete darauf, unauffällig und mit Pokerface da zu sitzen und sich nicht betrügen zu lassen.
Bis plötzlich einer der Männer aufsprang, krachend seinen Stuhl umwarf und seine Pokerchips auf en Tisch knallte. „Mir reichts! Du ziehst mich nicht noch mal ab!“
Der Mann ihm gegenüber saß im vollkommenen Nebel, war schon dadurch kaum zu erkennen, und als er sich langsam erhob, war zu sehen, dass er eine Maske aus Stoff trug, eine Kopfbedeckung und ein Tuch vor Mund und Nase, nur seine leeren, grünlichen Augen waren zu sehen. Er stellte einen metallenen Koffer auf den Tisch, sammelte in aller Ruhe das auf dem Tisch liegende Geld ein und sagte nichts weiter als: „Tja, ich bin die Bank, und die Bank hat keine Geduld.“ Der Koffer war prall gefüllt mit Unmengen an Geldscheinen, die höchsten Noten.
Madara ließ seine Spontanität entscheiden. Dieser Mann hatte offensichtlich Geld, Macht und Ahnung davon, und das war das, was Madara suchte. Er brauchte Geld, um Izuna zu suchen, denn viele Kämpfer im Untergrund ließen einen jede Information immer erst mal Geld kosten. Und Poker war zwar nicht gerade etwas, das er mochte, aber etwas, das er konnte. Allein schon durch die Sharingan und deren Fähigkeit, einen anderen Menschen nahezu vollständig zu durchschauen.
Madara trat auf den Tisch zu, an dem der Mann mit dem Geldkoffer saß, und sagte einfach: „Ich will ne Runde pokern.“
Der Mann sah ihn mit den grünlichen Augen an, zog die Brauen zusammen.
„Wenn du denkst, dass du gewinnen kannst?“
„Denke ich. Ja.“
„Da bin ich ja mal gespannt. Ich hab noch nie verloren.“
„Herausforderung angenommen.“ Madara lächelte hinter seiner Maske und wusste, dass man es an seiner Stimme hören konnte.
Der andere Mann legte die Chips auf den Tisch, und das Spiel begann. Und schon sehr bald musste Madara feststellen, dass dieser Mann ein echter Profi war. Zuerst hatte er gedacht, er würde seine Sharingan nur indirekt brauchen, doch sehr schnell wurde es notwendig, sie direkt einzusetzen, denn sein Gegner beherrschte ein für normale Augen und normale Intuition absolut überwindbares Pokerface.
Es war schon eine gewisse Entblößung, dass Madara die Sharingan einsetzen musste, denn damit machte er sich identifizierbar. Doch der Andere schien sich dafür kaum zu interessieren, der war voll fokussiert auf das Geld. Und so wurde aus dem Pokerspiel ein Kampf, bei dem Madara nach und nach herausfand, dass sein Gegner nicht nur „die Bank“, sondern ebenfalls ein guter Kämpfer war. Für die anderen im Raum war von diesem Kampf nicht viel zu sehen, es war ein Kampf am Tisch, ein Kräftemessen im Untergrund.
Zum Ende hin war es eine einzige Karte, die über den Ausgang des Spiels und des Kampfes entschied. Die Karten waren ein Spiel aus dem Feuerreich, und es gab die Karte „Mondlicht“, die so viel bedeutete wie ein vierfaches Ass. Dass gerade diese Karte über den Ausgang dieses Spiels entschied, war für den symbolisch denkenden Madara ein Zeichen des Schicksals, es war außerdem seine persönliche Lieblingskarte. Und als er sie mit einem triumphierenden „Bitte sehr!“ auf den Tisch legte, machte der andere auch wirklich überraschte Augen.
„Wie … wie hast du das gemacht?“, fragte er mit einem heiseren Ton in der Stimme.
„Das ist meine Glückskarte“, sagte Madara. „Und jetzt verrätst du mir deinen Namen.“
Sofort hatte der Andere seine Fassade wieder zurechtgerückt. „Du zuerst.“
„Was denkst du, wer ich bin?“, setzte Madara seine eigene Fassade als letztes Pfand ins Spiel ein.
Der Andere senkte die Stimme, beugte sich minimal vor und sagte: „Du bist Madara Uchiha.“ Dann stellte er seinen Koffer wieder auf den Tisch. „Du hast mich besiegt, Madara Uchiha.“
„Jetzt packst du aber aus, verstanden?!“
„Mein Name ist Kakuzu.“
Madara hob seine Maske am Kinn etwas an und lächelte.
„Komm mit“, sagte Kakuzu. „Ich zeig dir was.“ Er erhob sich und Madara folgte ihm in den Hinterhof des Casinos. Dort angekommen, zog Kakuzu einen Umschlag aus einer Tasche. „Weil du mich besiegt hast. Du suchst deinen Bruder, oder?“
„Kennst du Izuna?“ Madara nahm die Maske ab.
„Flüchtig, hin und wieder. Er hat mich auch mal besiegt.“
„Weißt du, wo er ist?“
Kakuzu antwortete nicht. Er hielt Madara nur den Umschlag hin, Madara nahm diesen entgegen, öffnete ihn. Darin befand sich eine kleine Aktenmappe mit verschiedenen Zetteln.
„Das ist alles, was ich über ihn weiß“, sagte Kakuzu dann. Er öffnete seinen Koffer, zählte Madaras Gewinn ab und drückt ihm diesen in die Hand. Madara rechnete schon damit, dass Kakuzu dann gehen und verschwinden würde, doch der andere Mann blieb stehen.
„Was hast du vor? Du bist doch sicher desertiert?“, fragte dieser.
„Ich will etwas Neues aufbauen.“
Und, ganz einfach, wie nichts Ungewöhnliches, sagte Kakuzu: „Ich mache mit. Du brauchst Leute, ich kenne genug. Melde dich wieder.“
„Wie finde ich dich?“
„Irgendwo nach Kakuzu fragen. Ich bin die Bank im Untergrund.“
„Alles klar.“
Nach diesem Gespräch war Kakuzu verschwunden, nach der Art eines Kämpfers. Er war also nicht nur im Pokern und im Geld stark, sondern hatte sicher auch besondere Fähigkeiten als Ninja.
Madara blieb noch einen Moment hier, in diesem Hinterhof eines Casinos, zählte das Geld kurz durch und dachte noch ein bisschen über diese Begegnung nach. Kakuzu war offensichtlich eine sehr zwielichtige Person, stark und gefährlich für die, die sich ihm in den Weg stellten. Madara war sich noch nicht ganz sicher, ob er mit so jemandem zusammen arbeiten wollte.
Er wollte erst einmal abwarten, erst Izuna suchen. Und vielleicht begegneten ihm auf dem Weg dahin noch andere Leute? Und wenn Izuna nicht mitmachen wollte, konnte er sich immer noch an Kakuzu wenden.
Auf dem Weg zurück in sein neues Zuhause hielt er noch einmal in einem kleinen Lokal am Wegesrand, kaufte noch Reisbällchen und Gemüse für die Kinder und setzte sich kurz, öffnete den Umschlag und sah sich die Zettel an, die er von Kakuzu bekommen hatte. Dort standen verschiedene Orte und Adressen, mit Datum versehen, an denen Izuna sich wohl immer wieder aufgehalten hatte. Die meisten dieser Orte waren sehr weit entfernt, nur ein oder zwei etwas mehr in der Nähe. Die nächstliegende Adresse befand sich im Wind-Reich, auf der anderen Seite der Berge. Und am Datum zu dieser Adresse war zu erkennen, dass Izuna diesen Ort nur selten nutzte. Es würde also ein Glückstreffer sein, sollte Madara ihn dort antreffen. Natürlich, denn er musste davon ausgehen, dass Izuna nicht gefunden werden wollte.
„Vielleicht halte ich mich doch an Kakuzu?“, dachte Madara. „Der hat mir zugesagt, und über ihn könnte ich an noch mehr Leute herankommen.“
Er stand auf, bezahlte und setzte seinen Heimweg fort. Zu Hause, in seinem neuen Heim, warteten schließlich zwei Kinder auf ihn, die es zu versorgen galt.
Als er das Haus betrat, fand er Nagato umringt von Büchern, der Junge lernte, er las Konan alles vor, was er schon lesen konnte. Konan hörte aber nur mit halbem Ohr zu, sie hatte eins der provisorischen Lesezeichen aus den Büchern in der einen Hand und eine Glasmurmel in der anderen, und spielte mit dem Regenbogenlicht, das durch die Murmel auf das Papier fiel. Als sie Madara bemerkte, sprang sie auf, lief auf ihn zu und strahlte ihn an.
„Ich hab Licht gemacht!“, verkündete sie. „Das Papier glitzert!“
Madara lachte. „Schön!“
Nagato stand jetzt ebenfalls auf, begrüßte Madara und zeigte ihm, wie weit er schon beim Lesenlernen war.
„Habt ihr Hunger?“
„Jaaa!“, quietschte Konan.
Madara packte die Reisbällchen aus, legte diese auf einen Teller und bot sie den Kindern, seinen Kindern, an. Und während die aßen, fand Madara die Glasmurmel auf dem Boden und daneben kleine Papierstücke, die mal Lesezeichen in den Büchern gewesen waren, meist Kassenbelege davon, wo er die Bücher gekauft hatte. Und eins davon war bearbeitet, gefaltet, zu einem einfachen, kleinen Origami-Herz.
„Nagato? Kannst du Origami?“, fragte er.
„Nee, wieso?“
Madara hielt das Papierherz hoch. „Hier.“
Nagato zog die Augenbrauen zusammen, sah erst Madara an, dann Konan, und die grinste wie ein Honigkuchenpferd.
„… Konan?“, fragte er ungläubig.
Sie strahlte. „Ich hab das gemacht!“ Mit einem Satz sprang sie auf, hob eins der offen herumliegenden Bücher auf und deutete darauf. „Da sind Bilder drin, so hab ich das gemacht.“
„Wirklich?“, fragte Madara. Ihm war sofort klar, dass er hier gerade ein ungewöhnliches Talent entdeckt hatte: Ein Kleinkind von kaum drei Jahren, offensichtlich hochintelligent und in der Lage, aus einer Bildanleitung, ohne lesen zu können, ein Origami zu falten. Dass Konan schon so klar sprach und genau wusste, was sie wollte, war schon an sich bemerkenswert, aber dass sie sich zudem so etwas selbst beigebracht hatte, musste bedeuten, dass sie wirklich begabt war. Madara fühlte sich an Itachi erinnert, der mit zwei, drei Jahren auch schon ähnliche Dinge gekonnt hatte.
„Konanchen, du bist echt unglaublich.“
Sie grinste. „Voll gut, ne?“
„Mach weiter damit. Immer schön üben“, sagte Madara. Er fühlte, wie Konans Begeisterung und ihr Talent sein Herz erwärmten. Kinder zu unterrichten und ihre Talente zu fördern war etwas, das er sehr liebte, und wenn er ein offensichtlich so hochbegabtes Kind wie Konan vor sich hatte, das seine Freude daran, sie zu fördern, freudig aufnahm wie ein Schwamm, machte ihn das sehr, sehr glücklich.
„Willst du auch Lesen lernen?“, fragte er sie.
„Ja! Ja! Ja!“
An diesem Abend begann Madara, noch gezielter mit den beiden Kindern zu lernen. Vor allem Konan war eine äußerst bereitwillige Schülerin, die alles, was man ihr zu lernen anbot, annahm und ausprobierte. Und so war es einfach, herauszufinden, was sie besonders gut konnte und was ihr gefiel. Als Madara sie fragte, wie sie darauf gekommen sei, das Papier zu falten, antwortete sie: „Ich fand das Licht so toll. Es war ein Regenbogen auf dem Papier, und der sollte größer werden. Ich habs geknickt, und dann wurde er mehr.“
Nagato war zurückhaltender, doch auch er lernte schnell. Madara hätte zu gern gewusst, was es mit den Augen des Jungen auf sich hatte, doch das fand er an diesem Abend noch nicht heraus.
Nachts, als die Kinder schliefen, dachte Madara noch mal über die Begegnung mit Kakuzu nach. Er konnte dessen Fähigkeiten an sich gebrauchen. Und weil Kakuzu so überraschend zugesagt hatte, mit ihm zusammen arbeiten zu wollen, fragte Madara sich, in welcher Form solche Geschäfte ablaufen könnten …
1986 - 1987
Über ein dreiviertel Jahr lang baute sich ein gewisser Alltag auf, ein täglicher Rhythmus, dem Madara und die beiden Kinder nachgingen. Nagato lernte in dieser Zeit gut lesen und schreiben, und nachdem klar war, dass auch Konan, obwohl viel jünger, auch schon vieles verstand, unterrichtete Madara die beiden gleichzeitig. Nachmittags ließ er die beiden Kinder dann öfter allein, um sich auf langen Streifzügen durch die Umgebung ein Bild des Landes und seiner Bewohner zu machen.
Die Gegend war bis auf einzelne Bauerndörfer recht dünn besiedelt und die nächste Stadt einen Weg von sechs Stunden entfernt. Madara lernte auf diesen Streifzügen einige Leute kennen, Bauern, Handwerker, Kaufleute, deren Dienste er in Anspruch nahm, um das Haus zu einem schönen Heim zu machen und darum herum einen kleinen Garten anzulegen.
Das weitere Land um das Haus herum war, wie der Vorbesitzer schon gesagt hatte, tatsächlich wenig fruchtbar, und so beschloss Madara, diesen Grund und Boden nach und nach mit Häusern zu bebauen. Dafür brauchte er Arbeitskräfte und Material, also nahm er wieder Kontakt mit dem Bauern auf, und dieser vermittelte ihm Zimmerleute, die ihm dabei halfen, die erste kleine Hütte auf das weite Feld zu stellen. Die Leute in den Bauerndörfern hier schienen sich kaum dafür zu interessieren, für wen genau sie arbeiteten, jedenfalls stellten sie kaum Fragen, auch nicht nach dem Grund, warum Madara hier oben Häuser bauen wollte.
Bei diesen Bauarbeiten stellte sich heraus, dass es hier oben doch einige fruchtbare Stellen im Boden gab, vor allem am Rand um die harten Flächen herum und in der Nähe der bereits bestehenden Hütte. Diese Bereiche wurden dann natürlich nicht bebaut, stattdessen probierte man aus, welche Früchte dort wuchsen.
Reisanbau stellte sich als schwierig heraus, doch der Bauer, bei dem Madara schon das Haus und das Land gekauft hatte, zeigte ihm eine Stelle etwas weiter unterhalb der Hochebene, wo sich Reis anbauen ließ und diese stellte er zur Verfügung.
Und als die räumlichen Grundlagen gelegt waren, machte Madara sich wieder auf die Suche nach Leuten, mit denen er das Dorf aufbauen konnte.
Diese Suche nach Mitbegründern des Dorfes war der Moment, in dem Madara sein Verlassen von Konoha bereute, denn so war er gezwungen, sich mit Leuten zu umgeben, die schon im Untergrund lebten. Das war eigentlich nicht der Typ von Kämpfer, den er für sein Projekt, ein Dorf nach den Regeln des Ersten Hokage aufzubauen, dabei haben wollte, denn schließlich ging es um Sicherheit für Kinder.
Schließlich, als das letzte der ersten Häuser fertig war, das erste Feld angelegt und bepflanzt, und Konan und Nagato gut genug darin, mal zwei Tage allein zu Hause zu bleiben, beschloss Madara, sich doch auf die Suche nach Izuna zu machen. Der erste Ort, den Kakuzu ihm genannt hatte, befand sich ja im Windreich, in der Wüste, und für diesen Weg brauchte Madara zwei Tage.
Er kaufte also großzügig Essen für die Kinder ein, bat eine Frau aus dem Bauerndorf, ein bisschen auf die beiden zu achten, und machte sich auf den Weg in Richtung Suna Gakure. Irgendwo dort in der Wüste gab es offenbar ein paar Höhlen, und deren Koordinaten standen auf dem Zettel, den er von Kakuzu bekommen hatte.
Der Weg durch die Wüste war lang und anstrengend. Und als auch noch ein Sandsturm aufkam, musste Madara sich dringend nach Schutz umsehen. Er fand tatsächlich, glücklicherweise, eine kleine Höhle in einem Felsen, ging hinein und wollte, musste hier den Sandsturm abwarten. Als dieser jedoch stärker wurde, lief er tiefer in die Höhle hinein. Er leuchtete sich den Weg mit einer kleinen Öllampe und stellte fest, dass sie viel größer war, als es von außen aussah. Sie ging in die Erde hinein, unter dem von oben her klein aussehenden Felsen befanden sich unterirdisch mehrere Kammern, ähnlich wie der untere Teil eines Eisbergs.
Madara ging eine der Treppen hinunter, die in den Stein gehauen waren, und als im Licht der Lampe dann plötzlich ein Gesicht vor ihm an der Wand hing, erschrak er so, dass ihm ein heiserer Laut entwich. Im nächsten Moment erkannte er aber, dass es sich nicht um einen Menschen handelte. Es war der hölzerne Kopf einer Marionette, wie man sie aus Suna Gakure kannte.
Und als er weiter leuchtete, sah er, dass die Wände der Höhle hier mit hunderten dieser Marionetten besetzt waren. Köpfe, Körper, Hände, Beine, und jede Menge Waffen.
Madara blickte sich um, verwundert und neugierig zugleich. War das hier ein geheimes Waffenlager der Marionettentruppe von Suna Gakure? Aber da war kein Schild gewesen, keine Warnung, keine Siegelbombe, nichts dergleichen.
„Hallo?“, fragte er leise in die Dunkelheit. „Ist da jemand?“ Er hatte schon ein Kunai in der Hand, aktivierte seine Sharingan und machte sich auf eine Antwort gefasst.
Doch statt einer fliegenden Waffe oder einem anderen Angriff waren nur leise Schritte zu hören, die aus dem Dunkel auf ihn zu kamen. Madara hielt die Lampe hoch, in die Richtung, aus der die Schritte kamen, und aus der Dunkelheit tauchte das Gesicht eines Jungen auf, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, mit rotem Haar, zarten Gesichtszügen und großen, dunkelbraunen Augen. Er trug ein einfaches, langes Gewand, so wie die meisten in Suna Gakure.
Der Junge blieb stehen, sah Madara mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Es war nicht zu erkennen, was er dachte, sein hübsches Gesicht wirkte ungerührt und distanziert, doch der Junge war in einer Art und Weise schön, um die zu bewundern Madara nicht herumkam. Er sah aus wie eine ewig milde, lächelnde Porzellanpuppe.
„Wer bist du?“, fragte der Junge, seine Stimme klang so ungerührt und neutral, dass Madara sich einen Moment lang fragte, ob dieser Junge nicht einfach nur eine äußerst gut gemachte Marionette war, und er den, der sie führte, im Dunkeln einfach noch nicht sehen konnte. Es konnte noch jemand hier sein …
„Ich bin allein hier“, sagte der Junge, als hätte er Madaras Gedanken gelesen.
„Und was tust du hier?“, fragte Madara.
Der Junge antwortete nicht sofort, sah Madara nur mit diesem ungerührten Gesicht an.
„Ich baue Marionetten“, sagte er dann.
„Bist du aus Suna Gakure?“
„Ja. Aber ich bin weg gegangen.“
„Warum?“
„Dort warten alle auf irgendwas. Ich kann Warten nicht ausstehen.“
Madara versuchte, zu verstehen, was der Junge meinte, doch der sagte nichts weiter dazu und wirkte so regungslos, dass es Antwort genug war, um zu wissen, dass dieses Thema des Wartens für diesen Jungen irgendeinen traumatischen Hintergrund haben musste.
„Wie heißt du?“, fragte Madara, vor allem um die Stille zu brechen.
„Ich bin Sasori“, antwortete der Junge. „Wie heißt du?“
Madara zögerte einen Moment, ob er gleich seinen Namen verraten sollte. Er ließ es erst mal sein und sagte: „Ich bin Dara.“
Wieder dieser ungerührte, undurchschaubare Blick. Dieser Junge hatte mehr Pokerface als Kakuzu!
Der kurze Gedanke an die Begegnung im Casino klappte die Izuna-Schublade in Madaras Innenleben auf, und er fragte ganz einfach:
„Kennst du einen Mann namens Izuna Uchiha?“
Sasori sah kurz so aus, als suchte er in seiner Erinnerung nach diesem Namen, dann sagte er: „Hab ihn mal gesehen, er war auch hier.“
„Wann?“
„Zwei oder drei Monate her …“ Wieder ein ungerührter Blick, dann leuchtete ein winziges bisschen sichtbares Interesse in den Augen des Jungen und er fragte: „Woher kennst du ihn?“
Madara war sich erst nicht sicher, ob er doch jetzt sagen sollte, wer er war, doch während er nachdachte, spürte er, dass der Junge ungeduldig wurde. Sasori sagte nichts, doch er strahlte diese Ungeduld aus.
„Er ist mein kleiner Bruder“, sagte Madara schließlich.
Ein winziges Lächeln huschte über Sasoris Gesicht. „Du heißt gar nicht nur ‚Dara‘, oder?“
„Nein.“
„Ich verrate nichts. Ich kenne niemanden mehr.“
„Du bist alleine?“
„Ja“, sagte Sasori.
Und wieder setzte sich in Madaras Innenleben etwas wie ein Puzzle zusammen. Dieser Junge war erstens heimatlos, zweitens in irgendeiner Weise traumatisiert und drittens offenbar ein guter Marionettenspieler und damit Kämpfer. Er war ideal dafür, ihn mitzunehmen.
„Mein Name ist Madara Uchiha. Ich bin gerade dabei, ein neues Dorf aufzubauen. Hättest du Interesse, mitzukommen? Ich brauche gute Kämpfer.“
„Wenn ich dir nicht zu jung bin …“
„Nein, das ist genau richtig.“
„Wo wäre das?“
„Wir sind im südlichen Regenland, gleich hinter den Bergen, ich habe dort Land und Häuser.“
„Wer ist ‚wir‘?“
„Ich und meine beiden Kinder. Er ist acht, sie ist fast drei.“
Sasori blinzelte, blickte kurz ins Leere, dann sagte er: „Okay. Ich komme mit.“
Als Madara etwa zwei Stunden später wieder aus der Höhle trat, hatte sich der Sandsturm gelegt. Sasori hatte seinen ganzen Besitz in zwei große Taschen verpackt, die Marionetten in ihren Schriftrollen verstaut und trat hinter Madara aus der Dunkelheit in den heißen Sonnenschein der Wüste.
Als sie schon ein gutes Stück weit gegangen waren, stellte Sasori eine zusammenhanglose Frage: „Was denkst du, was ist Kunst?“
„Kunst?“
„Ja. Wie definierst du sie?“
„Hm … Ich denke, das, was man schön findet?“
„Das, was für immer schön bleibt …“, sagte Sasori.
Madara dachte an die Dinge, die er selbst schön fand. Er hatte sich noch nie wirklich Gedanken um Kunst in dem Sinne gemacht. Kampfkunst, Jutsu, diese Art von „Kunst“. Aber bildende, dekorative Kunst war nicht gerade sein wichtigstes Interesse …
„Bist du denn ein Künstler?“, fragte er.
Sasori lächelte. „Ja. Ich kann schöne Dinge bauen, die für immer schön bleiben. Die nicht alt und hässlich werden …“
„Deine Marionetten?“
„Ja.“
Madara dachte an Konan, die inzwischen alle Origamiformen beherrschte, die in dem Buch, was er mitgebracht hatte, aufgeführt waren.
„Meine kleine Ziehtochter ist auch eine Künstlerin“, sagte er. „Sie macht Origami.“
„Wie alt ist sie?“
„Ungefähr drei, ich weiß es nicht genau. Ich hab sie und einen älteren Jungen in Ame Gakure aufgesammelt.“
Sasori lächelte. „Du sammelst Kinder?“
„Irgendwie schon.“ Madara musste ein wenig lachen über seine eigene Antwort. „Ich mag Kinder und möchte, dass sie gesund und glücklich aufwachsen.“
„Ich bin dreizehn. Zählt das noch als Kind?“, fragte Sasori.
„Ich denke schon. Aber egal ob du ein Kind bist oder nicht, du wirst zu uns passen.“
Wieder gingen sie ein ganzes Stück, ohne zu sprechen. Sasori war offenbar jemand, der vieles in sich zurückhielt, viel nachdachte und wenig reden musste. Madara ertappte sich selbst dabei, wie er die Stille unangenehm fand, denn er selbst war eher jemand, der Gespräch mochte und brauchte.
Doch hin und wieder stellte Sasori dann Fragen, die zeigten, dass er während er nach außen hin schwieg, innerlich über viele Dinge nachdachte. Madara fühlte sich dadurch ein wenig an Itachi erinnert, denn der war ähnlich gestrickt, dachte auch spürbar über vieles nach und sprach dann erst das aus, was in ihm innerlich schon durchgedacht war.
„Hast du noch eine Großmutter?“, fragte Sasori, wieder ähnlich zusammenhanglos, als sie die Berge schon erreicht hatten, welche die Wüste vom Regenland trennten.
„Ja. Sie lebt noch, in Konoha.“
„Wie heißt sie?“
„Yoneko. Hast du noch eine?“
„Ja. Ihr Name ist Chiyo.“
„Magst du sie?“
Sasori schwieg eine Weile, dann sagte er: „Ich hab nur sie. Bin bei ihr aufgewachsen.“ Er sagte das in einer Weise, die ganz deutlich machte, er wollte nicht weiter darauf eingehen, warum er bei seiner Großmutter aufgewachsen war. „Sie ist eigentlich ganz okay.“
„Aber …?“, hakte Madara nach.
„Ich hatte keine Lust mehr auf sie und das ganze Dorf. Dieses ständige Warten …“
„Du magst Warten nicht, oder?“
Sasoris Gesicht nahm einen harten, kalten Ausdruck an. „Nein. Überhaupt nicht. Ich hasse es.“
„Bist du denn selbst immer pünktlich?“
„Ja. Natürlich. Ich will auch niemanden warten lassen.“
„Das ist gut. Es ist wichtig, dass man sich selbst daran hält, das nicht zu tun, was man nicht leiden kann. Es anderen nicht auch zumutet, stimmts?“
Sasori nickte.
Nach einem langen Weg über die Berge und durch das Regenland, und während Madara Sasori immer mehr kennen lernte und feststellte, dass der Junge wirklich ganz gut in seinen Plan passte, kamen sie wieder am neuen Zuhause an.
Madara öffnete die Haustür und hatte wie so oft sofort eine vor Glück quietschende kleine Konan an sich hängen, die sich riesig freute, dass er wieder da war. „Du warst aber lange weg, Dara!“ Sie ließ ihn wieder los und bemerkte dann Sasori, der hinter Madara das Haus betrat.
„Wer ist das denn?“, fragte sie.
„Das ist Sasori. Er lebt jetzt auch hier mit uns.“
Konan stellte sich vor Sasori hin, schaute ihn an, von oben bis unten, und sagte dann: „Hallo Sasori. Woher kommst du?“
„Suna Gakure …“, sagte Sasori. „Das ist in der Wüste.“
„Was ist ne Wüste?“
„Sand, Wind und Sonne“, antwortete Sasori.
„Sonne? Wie schön! Ich mag Sonne!“
„Wirklich?“
„Ja! In Ame gabs immer nur Regen. Ich hasse Regen“, sagte Konan. „Was magst du nicht?“
„Warten“, sagte Sasori knapp.
„Warten?“
„Ja. Ich hasse es.“
„Dann kommst du auch nie irgendwo zu spät?“
„Nein.“
„Gut zu wissen“, sagte Konan.
„Du bist ganz schön schlau für drei“, stellte Sasori fest.
Konan grinste. „Ich weiß. Dara sagt, ich bin begabt.“
Madara beobachtete das Gespräch zwischen den beiden fasziniert. Und er lobte sich innerlich selbst dafür, dass er Sasori mitgenommen hatte, denn zumindest Konan schien sich mit ihm ziemlich gut zu verstehen.
Nagato, der bis eben am Herdfeuer gesessen und gelesen hatte, stand nun auch auf und begrüßte Sasori. „Ich bin Nagato.“
Die Stimmung zwischen den beiden war viel weniger elektrisiert als mit Konan, was ziemlich deutlich an Nagatos grundsätzlichem Misstrauen lag. Der jüngere Junge kehrte zum Feuer zurück und setzte einen mit Suppe gefüllten Topf darauf.
„Hast du Essen gekocht?“, fragte Madara.
„Ja.“
„Das ist gut. Dann können wir gleich essen, ich hab auch Hunger.“
„Das Gemüse hab ich gemacht“, sagte Konan stolz. „Ich kann mit dem Kunai Bambussprossen schneiden, hab ich gestern gelernt.“
„Wow, gut gemacht!“ Madara lächelte. „Bist ein gutes Mädchen.“
Während des gemeinsamen Essens wurde nicht viel gesprochen, alle waren hungrig und wollten essen.
Doch danach, als es Zeit fürs ebenfalls gemeinsame Lernen war, hängte Konan sich gleich an Sasori und stellte ihm weiter alle möglichen Fragen.
Der rothaarige Junge hatte gerade begonnen, seine Marionetten auszupacken und wollte an ihnen weiter bauen, und Konan war von dieser Arbeit sichtlich fasziniert. Sie nahm sich einfach einen Stapel Papier aus ihrem eigenen Schränkchen und setzte sich damit neben Sasori hin, und beide begannen mit ihrer Arbeit.
Konan faltete unermüdlich kleine Hasen, Katzen, Vögel, Blumen, und Sasori feilte an den Holzkugeln, die seine Puppen gelenkig machten. Beide schienen neben ihrer eigenen Arbeit auch interessiert an der Kunst des anderen und besonders Konan fragte unablässig alles, was sie an Sasoris Puppen interessierte: Welches Holz man benutzte, wie die Gelenke funktionierten, wie die Waffen derjenigen Marionetten hießen, die man im Kampf einsetzte, und so weiter …
Und schließlich fing das kleine Mädchen einfach so an, anstelle von Tieren und Blumen vielmehr die Waffen von Sasoris Marionetten aus Papier nachzubilden.
Madara beobachtete die beiden mit steigender Freude und Zufriedenheit. Konans offenes, fröhliches Temperament und Sasoris offensichtlicher Perfektionismus harmonierten in einer so ertragreichen Art und Weise, dass es für den begeisterungsfähigen Madara eine wahre Freude war, ihnen zuzuschauen. Die beiden waren so unterschiedlich und doch gleich, und Konan wirkte längst nicht mehr wie eine Dreijährige.
Aus dem hungrigen, unzufriedenen Kleinkind aus Ame Gakure war inzwischen eine selbstsichere, klare kleine Person geworden, und Madara dachte darüber nach, wie Konan das geschafft hatte … Ein Faktor dabei war sicherlich das Sonnenlicht, denn dass Konan Licht liebte, war mehr als offenbar. Aber es hatte, lobte Madara sich auch selbst, sicher auch mit guter Förderung zu tun. Und da war er genau in seinem Element, denn er liebte es, Kinder in ihren Talenten zu fördern, und Konan empfing diese Förderung mit Begeisterung.
Während Konan und Sasori ihre kleine Kunsthandwerker-Werkstatt gründeten, übte Nagato am anderen Ende des Raumes Schreiben und Lesen. Madara setzte sich zu ihm, der Junge blickte auf, doch es kam kaum ein Gespräch zustande. Nagato schien sich an irgendetwas zu stören, das war spürbar, doch er sagte von sich aus nichts.
„Was ist los?“, fragte Madara. „Ich merke doch, da ist was …“
Nagato schüttelte den Kopf.
„Sag schon.“
Der Junge stand auf, nahm sein Buch und das Heft zum Schreiben und verließ die Hütte, setzte sich draußen hin. Madara folgte ihm.
„Jetzt sag schon. Ist irgendwas mit Sasori?“
Der Blick der lila Augen sah wütend aus, wütend und verschlossen.
Madara wagte einen Stich ins Blaue: „Bist du eifersüchtig?“
Nagato biss die Lippen zusammen. „Ja …“, presste er schließlich knapp heraus.
„Das musst du nicht sein.“
„Konan ist … meine Schwester!“, sagte Nagato, und die Art, wie er „meine“ sagte, machte deutlich, er war wirklich eifersüchtig.
Madara setzte sich zu seinem Jungen ins Gras, sah ihn aufmerksam an und überlegte, wie er ihm erklären sollte, dass Eifersucht zwar normal, aber nicht unbedingt richtig war …
„Ich hab sie gerettet. Ich hab mich um sie gekümmert“, sagte Nagato. „Nicht Sasori.“
„Sasori ist einfach neu hier. Und Konan versteht sich gut mit ihm, weil sie Dinge gemeinsam haben. Aber ich bin mir sicher, dass Konan trotzdem weiß, dass du ihr Bruder bist. Sie hat dich gern, weil du ihr Bruder bist. Auch wenn sie gerade begeistert von Sasoris Kunst ist.“
„Ich kanns nicht leiden, wenn … jemand sie wegzieht.“
„Es zieht sie niemand weg“, widersprach Madara. „Aber wenn du möchtest, dass sie sich auch mit dir so unterhält wie mit Sasori gerade, dann musst du auf sie zu gehen und ihr das sagen. Sag ihr, dass du sie lieb hast und dass du dich zurückgesetzt fühlst. Konan ist ein liebes, kluges Mädchen, sie muss nur wissen, was los ist.“
Nagato biss wieder die Lippen zusammen.
„Nagato, hör mal, wir leben hier jetzt nun mal zu viert. Und Konan ist eine eigene Person. Wenn du willst, dass sie mit dir redet, musst du dich auch … dafür attraktiv machen. Und das kannst du. Du bist ihr Bruder, sie hat dich lieb, aber wenn du ihr nicht zeigst, was du dir wünschst, kann sie das nicht wissen.“
„Ich … kann so was nicht …“
„Wie Sasori?“
„Ja. Ich bin halt nicht so.“
„Aber du hast andere Dinge, die du zeigen kannst. Sag ihr einfach, dass du auch noch da bist, und dass du sie lieb hast. Das ist in Ordnung, man darf das. Es fühlt sich vielleicht komisch und beängstigend an, wenn du jetzt zu ihr gehst und sagst, wie du dich fühlst, aber nur so wird ein Schuh draus“, sagte Madara, streckte die Hand aus und legte sie Nagato auf die Schulter. „Komm, du schaffst das.“
Nagato stand auf, ging wieder hinein, und Madara folgte ihm. „Komm, das schaffst du“, flüsterte Madara ihm noch mal zu.
Nagato machte ein paar Schritte auf Konan und Sasori zu. Konan hatte sich umgedreht, sie hatte bemerkt, dass Nagato eben hinausgegangen war und konnte sich schon denken, was los war. Sasori sah etwas verlegen aus, schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte, seine Hände drehten einen hölzernen Marionettenfinger hin und her.
„Konan …“, begann Nagato leise … „Ich …“
Das kleine Mädchen sah ihn an, aufmerksam und wartend.
„… ich hab … dich gern und … ich … möchte, dass du …“ Nagato war sehr anzusehen, wie schwer ihm diese Worte fielen.
„Du willst mitmachen?“, fragte Konan.
„Ich will … nur so … dass du weißt … dass …“
„Komm, raus damit, Nagato“, flüsterte Madara hinter ihm.
„… ich … ich bin ein bisschen …“
Konan lächelte, stand auf, ging zu Nagato hin und nahm seine Hände in ihre. „Alles gut“, sagte sie.
„Ich bin ein bisschen … eifersüchtig …“, flüsterte Nagato, tonlos und mit roten Wangen.
„Musst du gar nicht sein“, sagte Konan, sie reckte sich auf die Zehenspitzen, Nagato senkte den Kopf ein wenig und Konan gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Musst du gar nicht sein.“
„Hast du … mich auch … gern?“
„Natürlich! Du bist doch mein großer Bruder!“
Nagato sah deutlich erleichtert aus, ihm war sehr anzusehen, wie viel Überwindung ihn das gerade gekostet hatte. Er schien in sich große Ängste zu haben, Verlustängste vor allem, logischerweise, denn er hatte seine Familie, seine Heimat und sicher noch vieles andere verloren, und so konzentrierte sich alles in ihm auf Konan.
„Gut gemacht, Nagato“, sagte Madara. „Wirklich.“
Am späteren Abend, als Konan und Nagato sich beide schon schlafen gelegt hatten, saß Madara mit Sasori noch ein wenig draußen vor dem Haus.
„Warum bist du weg aus Konoha?“, fragte Sasori. „Hat es dir dort nicht mehr gefallen?“
„Nein. Ich bin nicht gegangen, weil ich nicht mehr dort sein wollte. Ich liebe das Dorf und den Wald und das alles …“
„Warum bist du dann weg?“
„Weil ich etwas gefunden habe, was mir wichtiger ist, als dass ich in meiner Heimat bleibe. Ich liebe die Lehren des Hokage der Ersten Generation und ich will sie über das Dorf hinaus weitertragen. Ich möchte einfach, dass mehr Menschen so leben können, nicht nur in Konoha Gakure.“
„Du bist auf einer Mission“, sagte Sasori.
Madara nickte, lächelte. „Genau.“
„Was sind denn die Lehren des Hokage der Ersten Generation?“, wollte Sasori wissen.
„Wo soll ich da anfangen? Er hat so viele großartige Ideen entwickelt, und ich lese seine Bücher schon mein Leben lang, seit ich ganz klein war …“ Madara hob den Kopf, blickte zum Himmel, wo der Mond als exaktes Halb zwischen den Sternen leuchtete. „Ihm ging es um die Jugend, die Kinder im Dorf. Sie sollen in Sicherheit aufwachsen und jedes so gefördert werden, dass sie alle ihr Potenzial erleben und entfalten und glückliche, starke Menschen werden.“
„Hört sich gut an“, sagte Sasori nur.
„In dem Moment, wo ich Konan und Nagato in Ame Gakure gefunden und mitgenommen habe, war mir klar, dass ich diese Lehren an die beiden weiter geben möchte. Und gerade Konan nimmt schon jetzt so viel davon auf, das macht mich wirklich glücklich!“
Sasori sah nachdenklich aus, er biss sich auf die Lippen und blickte zu Boden. „Hm … ja, das stimmt.“
„Du hast sie ja erlebt heute, wie schnell sie lernt und wie viel Freude sie auch daran hat.“
„Hast du ihr das Papierfalten gezeigt?“, fragte Sasori.
„Nein.“ Madara lachte. „Das hat sie ganz alleine geschafft.“
„Wirklich?“
„Ja. Sie ist da wirklich gut, so schnell und eigenständig …“ Madara dachte wieder an Itachi. „Mein Patensohn in Konoha ist auch so, der konnte auch schon mit drei so viel und schnell lernen.“
„Vermisst du ihn?“, fragte Sasori.
„Manchmal. Aber er braucht mich nicht unbedingt, er hat seine Eltern und die ganze Förderung im Dorf. Er ist gut versorgt. Konan nicht, wenn ich sie nicht gerettet hätte. Und das ist eben meine Mission: Ich will, dass auch Kinder, die nicht das Glück hatten, in Konoha geboren worden zu sein, Zugang zu den Lehren des Ersten Hokage bekommen und auch diese individuelle Förderung …“
„Du bist ein Idealist“, sagte Sasori.
„So was von.“ Madara lachte wieder. „Es gibt Leute in Konoha, die mich ‚naiv‘ nennen deswegen. Aber ich steh dazu. Ich bin ein naiver, enthusiastischer Idealist.“
„Das kannst du, dazu stehen?“
„Ja. Ich war schon immer so.“
Eine Weile schwiegen sie, Madara sah wieder nach oben, der Mond schien zwischen den Blättern des Baumes hindurch, der neben der Hausecke stand, und dieses Bild des Mondlichtes und des Laubes war, abgesehen davon, dass es kein Vollmond war, das Sinnbild, das Madara in seiner Philosophie besonders liebte.
„Du magst den Mond, oder?“, fragte Sasori.
„Ja. Für meine Familie, den Uchiha-Clan, hat der Mond immer schon eine besondere Kraft und Bedeutung. Und weil wir in Konoha leben, Teil dieses Dorfes sind, ist es besonders schön, wenn das Mondlicht die Blätter der Bäume berührt. Am besten macht man dann ein Feuer an, besonders an Vollmond.“
„Es heißt ja auch Feuerreich?“, sagte Sasori.
„Genau. Und wir Uchiha haben eine besondere Bindung zum Feuer. Viele von uns, auch ich, haben Chakra vom Feuer-Element.“
Sasori lächelte. „Passt gut zusammen.“
„Genau. Und wir sollen die Menschen beschützen. Das können wir auch ziemlich gut.“
„Besonders die Kinder?“
„Ja. Von daher bin ich eigentlich auch nicht ‚desertiert‘. Ich bin nur auf einer geheimen Mission. Ich sehe das hier als meine Aufgabe an, wie ich schon gesagt habe, die Lehren von Konoha einfach anderen Menschen außerhalb auch zugänglich zu machen. Und wenn ich unser neues Dorf hier fertig gebaut habe, werde ich Konoha natürlich Beziehungsangebote machen.“ Madara sah Sasori an und lächelte. „Ich freue mich, dass du mitgekommen bist. Wir vier werden ein gutes Team.“
„Hm, ja …“, sagte Sasori. „Ich bin nur … nicht so ein Idealist wie du …“
„Das ist in Ordnung.“ Madara lächelte wieder. „Wir müssen nicht alle gleich sein.“
1988
Madara brauchte nicht nach Kakuzu zu suchen, musste ihn nicht selbst kontaktieren. Denn eines Tages tauchte dieser von selbst auf. Er stand auf einmal auf der Baustelle zwischen den neuen Häusern, mit seinem silbernen Geldkoffer und einem ganzen Arsenal an verschiedenen Waffen.
Sasori, der gerade einem der Handwerker aus dem Dorf eine Anweisung gab, bemerkte Kakuzu als Erster.
„Wer sind Sie denn?“, fragte er direkt.
„Wo ist Madara?“, fragte Kakuzu zurück.
Sasori sah sich um, Madara war gerade in einem der schon fertigen Häuser verschwunden.
„Dara? Da ist jemand für dich!“
Madara kam aus dem Haus, erkannte Kakuzu und sein erster Gedanke war: „Warum kommt er von sich aus?“ Er sprach diesen Gedanken jedoch nicht aus.
„Kakuzu“, begrüßte er den Ankommenden. „Was führt dich zu uns?“
„Du hast dich nicht gemeldet.“
„Ich hatte zu tun, wie du siehst.“
„Ich habe doch gesagt, ich mache mit.“ Kakuzu hob seinen Koffer kurz an. „Könnt ihr doch gebrauchen, oder?“
„Wo ist der Haken?“, fragte Madara, er traute Kakuzu nicht so recht.
„Ich hab noch jemanden, der mitmachen will.“
„Wen?“
Kakuzu drehte sich um. „Komm her!“
Und hinter der Ecke eines Hauses kam ein weiterer Ankömmling hervor, ein junger Mann, vielleicht 17 oder 18 Jahre alt. Er trug das Stirnband von Kiri Gakure, jedoch war es deutlich zerkratzt, wie bei einem Abtrünnigen. Der Junge hatte weiße, fast bläuliche Haut, spitze Zähne und ein Gesicht wie ein Haifisch, den man in einen Menschen verwandelt hatte. In Kiri Gakure gab es solche Menschen.
Auf dem Rücken trug er ein riesiges, in weiße Bandagen eingepacktes Schwert, und seine Kleidung war noch nach Art der Shinobi aus Kiri Gakure, sie trugen ein besonderes Material, das wenig Wasser aufnahm, weil sie oft Wasserversteck-Jutsus verwendeten und gut schwimmen und tauchen konnten.
„Wer ist denn das?“, fragte Madara.
„Kisame Hoshigaki“, stellte sich der Junge selbst vor. „Freut mich.“ Er zeigte seine Zähne.
„Wo hast du den denn her?“
„Weißt du, man sammelt hier und da manchmal talentierte Leute auf“, antwortete Kakuzu. Er sah Sasori an, der immer noch da stand und die Unterhaltung interessiert verfolgte. „Du tust das anscheinend auch, Madara Uchiha.“ Kakuzu deutete auf Sasori. „Das ist doch Suna Gakures Marionetten-Supertalent …“
Kisame grinste. „Madara Uchiha?“
„Japp, wenn das jetzt schon jeder weiß …“, sagte Madara.
„Was macht ein Uchiha ohne seine Leute hier im Regenland?“, fragte Kisame.
„Geheimnisse haben“, beendete Madara die Frage.
„Keine Angst, von uns erfährt Konoha nichts“, sagte Kakuzu.
Aus der Richtung des Hauses, in dem Madara immer noch mit Konan und Nagato wohnte, kam Nagato auf die Baustelle zu. Er war inzwischen 10 Jahre alt und ein ganzes Stück gewachsen, und war er schon mit 7 Jahren kaum ein richtiges Kind gewesen, so hatte er auch nun mehr kaum noch kindliche Züge an sich. Sein Gesicht wirkte mehr wie das eines Jungen von mindestens 15 Jahren.
„Madara? Hast du …?“, begann er, brach dann ab, als er die Situation verstand.
„Hab ich … was?“, hakte Madara nach.
„… den Sack mit der Blumenerde gesehen? Konan will die Hortensien umtopfen.“
Madara lachte. „Der Sack müsste hinterm Haus liegen, bei den Birkensetzlingen.“
Nagato sah Kakuzu und Kisame mit einem skeptischen Blick an.
„Von Kakuzu hab ich dir ja schon mal erzählt“, sagte Madara. „Der andere heißt Kisame, die beiden wollen hier auch mitmachen.“
„Hallo“, sagte Nagato nur, drehte sich dann wieder um und lief zum Haus zurück. Was er über die beiden Kämpfer dachte, war nicht zu erkennen.
Madara führte Kakuzu und Kisame zu einem der Häuser, das er als eine Art Teehaus vorgesehen hatte. Ein Mädchen aus dem Bauerndorf war gerade dort und machte Tee für die Zimmerleute.
„Machst du uns noch eine Kanne?“, fragte Madara sie.
Das Mädchen nickte, nahm eine zweite Kanne und verschwand damit in einen anderen Raum.
„Setzt euch“, bot Madara den beiden Neuen Plätze an.
Kisame legte sein Schwert ab und setzte sich auf den Boden, Kakuzu tat es ihm gleich.
„Du kannst doch sicher Leute brauchen, die das Ganze hier bewachen, oder?“, sagte Kisame.
„Wäre also dein Job?“, hakte Madara nach.
„Ja.“
„Gut. Mach das.“
„Auf dem Weg hierher sind uns ein paar Banden begegnet, Diebe und abgerissene Leute aus Ame Gakure“, sagte Kakuzu. „Sind die hier auch schon mal aufgetaucht?“
„Bisher noch nicht.“
„Kisame und ich würden den Schutz hier übernehmen.“ Kakuzu griff nach seinem Koffer, öffnete ihn und offenbarte, dass sich darin nicht nur Geld befand, sondern auch eine Menge verschiedener Briefbomben und Fallen.
„Gut“, sagte Madara.
Innerlich dachte er darüber nach, wie er seine Pläne mit der Mitarbeit von zwei Typen wie Kakuzu und Kisame vereinbaren konnte, ohne dass die beiden ihm dazwischenfunkten. Im Grunde musste er sicherstellen, dass er stärker war als die beiden und als Anführer seine Macht absichern. Macht war eigentlich nicht sein Ding, aber jemand wie Kakuzu würde wohl kaum von sich aus bereit sein, sich ihm unterzuordnen.
In dem Moment kam das Mädchen mit dem Tee zurück, stellte die Kanne und drei Becher auf den Tisch und verschwand wieder.
„Wie willst du das Ganze hier eigentlich nennen, Madara?“, fragte Kisame.
„Ich weiß noch nicht … Irgendeinen schönen Namen …“
Es klopfte an der Tür.
„Herein?“
„Dara?“ Nagato kam herein, setzte sich einfach und sagte: „Kann ich dabei sein? Ich will auch.“
„Wissen, was wir besprechen?“, hakte Madara nach.
„Mitmachen. Ich bin doch langsam alt genug. Ich will kämpfen lernen.“
„Kämpfen?“
Nagato sah erst Kakuzu an, dann Kisame, und dann Kisames Schwert. Und auf einmal veränderte sich etwas in seinem Blick, seinen Augen: Die beiden Ringe um die Pupille herum wurden enger, nahmen einen bläulichen Unterton an und die kleinen Punkte auf den Linien bewegten sich.
„Nagato, was machst du da?“, fragte Madara, und er spürte die Energie, die von dem Jungen ausging, sie war eindeutig, der Junge hatte ein Kekkei Genkai!
„Interessant“ Kisame grinste. „Was ist denn das?“
Nagato stand auf, seine Haltung strahlte Spannung aus, und er sagte nur: „Bringt mir Kämpfen bei!“
„Nagato …“, sprach Madara ihn wieder an. „Du sagst mir jetzt sofort, was du hier gerade machst!“
Der Junge sah ihn an, mit einem glühenden Blick, und die Energie, die von ihm ausging, ließ die Luft erzittern. Madara spürte, wie seine Sharingan herauskamen, wie von selbst, weil die Situation hier gerade zu eskalieren drohte.
„Komm mit!“, forderte er Nagato auf. „Wir gehen raus, verstanden?!“
Sie verließen das Haus und Madara führte den Jungen raus aus der Baustelle in Richtung der Berge, weg auch von dem Wohnhaus, in die entgegengesetzte Richtung. Nagato zitterte vor Spannung, und Madara bemerkte, wie Kisame hinter ihm interessiert beobachtete, was mit dem Jungen los war …
Kaum hatten sie den äußeren Zaun der Baustelle hinter sich gelassen, wandte Nagato sich um, blieb stehen und hatte plötzlich ein Kunai in der Hand, er musste es schon mitgebracht haben, als er ins Teehaus gekommen war.
„Bringt mir Kämpfen bei, oder ich mach es selbst!“, rief er.
Madara war noch zu überrascht von der Situation, und bevor er etwas sagen konnte, hatte Kisame schon das Schwert in der Hand. Kakuzu blieb stehen, doch Kisame rannte los, mit dem Schwert auf Nagato zu. Zuerst sah es nach einem absolut unfairen Kampf aus, ein junger Mann mit einem riesigen Schwert gegen einen zehn Jahre alten Jungen mit einem Kunai, doch als Kisame das Schwert hob und zum Schlag ausholte, hob Nagato beide Hände, und der Hieb prallte an ihnen ab, wie an einer steinernen Mauer. Das Schwert riss aus den Bandagen, es gab ein kreischendes Geräusch und Kisame verlor es beinahe aus der Hand.
„Was … ist das denn?“, entkam es ihm.
„Würde mich auch interessieren“, sagte Kakuzu.
Madaras Gedanken ratterten schnell, er suchte nach irgendeiner Information, die ihm erklären könnte, was Nagato hier gerade tat, was das für eine Kraft war, die der Junge gerade entfesselte.
„Mein Vater hat es ‚Rinnegan‘ genannt! Sie haben sich nicht gewehrt, deshalb sind sie weg! Aber ich habs noch, und ich werde überleben!“, schrie Nagato.
„Rinnegan?“, fragte Madara laut. Er hatte irgendwann, irgendwo, dieses Wort schon mal gehört. Es musste eines der versiegelten Kekkei Genkai sein, die kaum jemand noch kannte. Und egal, was es war, die Situation hier erforderte ein Eingreifen! Madara aktivierte sein Kaleidoskop-Sharingan, trat einen Schritt auf Nagato zu und sprach ihn an: „In Ordnung. Wir bringen dir Kämpfen bei. Aber du musst jetzt aufhören, hast du verstanden?“
Nagato reagierte erst nicht, doch dann ließ er die Hände sinken, seine Augen nahmen wieder das alltägliche Muster an und er löste die harte Barrikade um sich wieder auf.
„Gut. Morgen fangen wir mit dem Training an“, sagte Madara.
Sie gingen zur Baustelle zurück, überquerten diese und erreichten dann das Wohnhaus. Vor dem Haus standen einige Blumentöpfe und der aufgerissene Sack mit der Erde. Madara erinnerte sich wieder daran, dass Konan ja Blumen umtopfen wollte, doch sie war nicht zu sehen. Er ging ins Haus und da saß Konan mit Sasori auf dem Boden, umringt von Holzteilen und Papier. Als sie Madara bemerkte, blickte sie auf und er sah, dass sie unzufrieden aussah.
Konan war inzwischen fünf Jahre alt, entsprechend gewachsen, und ihr lilablaues Haar war glatter geworden, die Locken, die sie als Kleinkind gehabt hatte, waren nur noch an den gekräuselten Haarspitzen erkennbar.
Als Nagato hinter Madara ins Haus kam, schien auch Konan die veränderte Energie zu bemerken, sie wandte sich zu ihm um und fragte: „Nagato? Was ist los?“
Nagato sagte nichts, biss die Lippen zusammen und ihm war anzumerken, dass er wieder eifersüchtig war. Diese Eifersucht auf Sasori schien immer dann herauszukommen, wenn Nagato sich eigentlich vielleicht wünschte, dass Konan ihn und seinen eigenen inneren Prozess beachtete. Doch er schien das, was es für eine Veränderung dieser Situation brauchte, nicht erbringen zu können.
Konan stand auf, ging auf Nagato zu und fragte noch mal: „Was ist?“
„Ich werd‘ jetzt Kämpfer“, sagte er nur.
„Willst trainieren?“
Nagato nickte.
„Wir haben zwei neue Leute hier, Konan“, sagte Madara. Er wandte sich zur Tür um und Kakuzu und Kisame kamen nacheinander herein.
Konan musterte die beiden von oben bis unten, zog die Brauen zusammen und fragte: „Wer ist denn das, der sieht aus wie ‘n Fisch?“
„Das ist Kisame, er ist aus Kiri Gakure“, antwortetet Madara. „Der andere ist Kakuzu.“
Kisame grinste, zeigte seine Zähne und sagte: „Freut mich.“
Kakuzu sagte nichts.
„Ich bin Konan. Ich kann nur noch nicht kämpfen. Bringt Sasori mir aber bald bei …“, erwiderte Konan.
Sasori sah von dem Holzteil auf, welches er gerade bearbeitete, und sagte nur: „Sie hat Ahnung von Kunst.“
Zwischen ihm und Konan hatte sich eine wirkliche Freundschaft entwickelt, und sie schienen eine Art von Kommunikation zu haben, die von außen gesehen zusammenhanglos wirkte, aber die beide auf dieselbe Art verstanden. Sasoris Art, zusammenhanglos und ungerührt Worte in den Raum zu stellen, schien auf eine ganz bestimmte Weise zu Konans Denken zu passen, sie verstanden sich auch ohne viele Worte.
Madara ging dann mit Kakuzu und Kisame zur Baustelle zurück und wies den beiden ein Haus zu, in dem sie sich häuslich einrichten konnten. Anschließend nahm er sich noch mal Nagato auf die Seite und fing an, mit dem Jungen einen Trainingsplan auszuarbeiten. Und währenddessen hörte er, wie Konan und Sasori im Nebenraum ebenfalls anfingen, Trainingspläne zu schmieden. Abends aßen sie zu viert gemeinsam und dann ging jeder für sich ins Bett.
Am nächsten Morgen wachte Konan früh auf. Sie stand auf, zog sich an und ging mit ein paar Bögen Papier nach draußen vor die Hütte, um die Hortensien, die sie gestern umgetopft hatte, in die Erde einzupflanzen und dabei nebenher die Blüten in Origami nachzubilden. Die Sonne ging gerade auf und das erste Licht am Morgen war für Konan weiterhin der schönste Moment des Tages. Sie setzte sich auf die Bank, begann mit dem Falten, und während die Hortensien ihre Blüten öffneten und ebenso erwachten, ließ das kleine Mädchen sich von der Sonne wärmen.
Bis sie ein Geräusch hörte, das sie aufschrecken ließ. Oben aus dem Fenster, dort, wo sich Nagatos Zimmer befand, war ein eigenartiger Laut zu hören. Es klang wie ein unterdrückter Schmerzlaut.
Konan sprang von der Bank, lief ins Haus und die Treppe hoch, Nagatos Zimmertür war verschlossen und sie klopfte an.
„Nagato? Alles okay?“
Es dauerte einen Moment, bis von drinnen ein „Ja …“ kam.
Konan öffnete einfach die Tür, und da saß Nagato auf dem Boden, mit einem kleinen Spiegel, einer Kerze, einem Stück Draht und einem kleinen Ring aus Metall zwischen den Fingern. Sein rechtes Ohr war rot und blutete, er hatte sich mit dem heißen Draht zwei Löcher in die Muschel gestochen.
„Du machst dir Ohrringe?“, fragte Konan.
„Ja. Wenn ich jetzt ein Kämpfer werde …“
Konan lächelte, betrat das Zimmer und setzte sich neben Nagato auf den Boden. Während dieser sich dann einen Ring nach dem anderen ans Ohr machte, insgesamt vier, sah sie dabei aufmerksam zu.
„Ich will auch“, sagte sie schließlich. „Aber nur eins.“
Nagato sah sie überrascht an. „Wirklich?“
„Ja. Oder zwei, in jedes Ohr eins.“
Nagato lächelte, es schien ihn sehr zu freuen. Es kam selten vor, dass er so lächelte. Er wandte sich Konan zu, strich ihr Haar beiseite und machte den Draht noch mal über der Kerze heiß.
„Aber mach vorsichtig. Ich bin nicht so schmerzfrei wie du“, sagte sie.
„Klar.“ Nagato lächelte wieder.
Die Morgensonne schien ins Fenster und tauchte den Raum in goldenes Licht, als Nagato den heißen Draht nahm, Konans Ohrläppchen durchstach und das Loch dann mit einem kleinen Ring füllte. Konan biss die Lippen zusammen, doch sie sagte nichts, es tat nicht sehr weh.
Und auch der zweite Stich tat nicht so weh, dass es sie gestört hätte.
„Siehst du“, sagte sie dann und lächelte. „Ich bin doch deine kleine Schwester.“
„Tut mir leid … dass ich so eifersüchtig immer bin …“
„Musst du gar nicht sein, Nagato. Ich hab dich doch lieb.“
„Wirklich?“
„Ja, natürlich!“
Von unten aus dem Wohnraum war zu hören, dass Madara jetzt auch wach war. Konan stand auf, schaute sich ihre neuen Ohrringe kurz noch mal im Spiegel an, lächelte und lief dann die Treppe hinunter. „Dara! Guck mal!“
Nagato stand ebenfalls auf, löschte die Kerze, räumte die Sachen beiseite und folgte seiner Schwester.
„Was denn?“, fragte Madara und sah von dem Küchenbrett auf, wo er gerade Baumbussprossen zerteilte.
„Nagato hat mir Ohrringe gemacht!“, rief Konan. „Musst mal gucken, ist voll schick!“ Sie lief um Madara herum und fasste ihr Haar so zusammen, dass er es sehen konnte.
Madara sah es sich an, dann blickte er über Konan hinweg zu Nagato. Dessen vier Ringe waren sofort zu sehen, da er ja kurzes Haar hatte.
„Habt ihr das gerade eben gemacht?“, fragte er.
„Jaa! Nagato hat sich selber welche gemacht und dann wollte ich auch.“
„Tat nicht weh?“
„Nein, gar nicht.“ Konan lächelte stolz.
Als Sasori zum Frühstück erschien, zeigte Konan auch ihm ihre neuen Ohrringe, und Sasori schien es ebenfalls zu gefallen. „Siehst gut aus so“, sagte er.
Und während sie zu viert frühstückten, fragte Madara: „Sag mal, Nagato, wie bist du auf die Idee gekommen?“
„Weiß nicht, einfach so … In Ame gabs das manchmal, da hatten das einige Leute …“, antwortete der Junge. „Auch mehr als nur Ohrringe, auch in der Nase und am Mund …“
„Das hab ich auch schon mal gesehen“, sagte Sasori. „So ein Mädchen aus Ame Gakure, die hatte richtige Löcher auf der Nase.“
Nagato nickte. „… vielleicht mach ich das auch irgendwann …“
Madara stand auf, verschwand kurz im Bad und kam mit einem kleinen Fläschchen zurück. „Es ist wichtig, dass man Piercings gut versorgt“, sagte er. „Das müsst ihr so zwei Wochen lang jeden Morgen drauf tropfen.“
„Alles klar!“, rief Konan.
Nach dem Frühstück begab sich jeder wieder an seine tägliche Arbeit. Sasori kehrte in seine Werkstatt zurück, Konan ging raus vor das Haus und kümmerte sich um die Hortensien, hatte dabei auch immer Papier dabei, um jede freie Minute Origami zu üben, und Madara und Nagato verließen Haus und Baustelle, nahmen den Weg runter ins Tal, um im Wald mit dem Training anzufangen. ausHaus
„Wenn Kisame oder Kakuzu irgendwas will, sagst du ihnen, ich bin mit Nagato bis zum Mittag unterwegs“, sagte Madara zuvor noch zu Sasori. „Und du passt mir schön auf Konan auf.“
„Jawohl“, antwortetet Sasori.
Auf dem Weg ins Tal zog der Himmel zu, der Sonnenschein verschwand und es begann zu regnen.
In dieser Gegend, an den Hängen der Berge, die die Wüste und das Wind-Reich vor dem Regen abschirmten, regnete es immer noch recht oft, wenn schon auch weniger als in Ame Gakure selbst. Die Wolken kamen nicht über die Berge, also regneten sie sich hier ab oder zogen in Richtung des Meeres zurück.
Madara machte Regen nicht viel aus, er konnte bei fast jedem Wetter kämpfen, und er beobachtete, wie Nagato dieses Wetter geradezu zu lieben schien. In diesem Punkt waren er und Konan offensichtlich grundverschieden, sie war eine wahre kleine Sonnenanbeterin, während Nagato Regen und trübes Licht eindeutig bevorzugte.
„Bei Regen bin ich stark“, sagte Nagato. Er blieb stehen, sie hatten den Rand einer kleinen Lichtung erreicht, und anscheinend erschien ihm dieser Ort passend für das erste Training.
Madara aktivierte seine Sharingan, nahm Gunbai vom Rücken und brachte sich in Position, am gegenüberliegenden Ende der Lichtung. Er sah, wie Nagato den Regen regelrecht einatmete, und wieder war die bebende Energie zu spüren, die gestern schon so deutlich herausgekommen war.
„Greif mich an!“, rief er.
Und Nagato, ohne es je geübt zu haben, entfesselte mit einem Aufschlag seiner Augen eine derartige Druckwelle, dass Madara Gunbai als Schild benutzen musste und dennoch zurückwich.
„Wie machst du das?“, fragte er laut.
Nagato antwortete nicht, stattdessen hob er die Hände, so wie gestern gegen Kisame, und erschuf eine dickwandige, durchsichtige Kuppel um sich herum.
„Das wird ja richtig gefährlich hier …“, sagte Madara zu sich selbst, während er in Gunbais Schatten auf die nächste Welle wartete. Dass Nagato ohne jedes Training eine derartige Kraft entfesselte, konnte im Grunde nur bedeuten, dass der Junge diese Energie aus starken Emotionen bezog. Deshalb atmete er den Regen ein. Deshalb sagte er fast nie, was er in sich dachte und fühlte. Er hatte das Trauma, das ihm zweifellos passiert war, so sehr in sich hineingefressen und in eine solche Wut verwandelt, dass er jetzt diese Kraft hatte.
Die Kuppel bekam Risse, löste sich in viele kleine Splitter auf, und diese Splitter drehten sich, wurden zu Hunderten kleiner Speere, bereit zum Abschuss.
„Willst du sehen, was ich kann?“, rief Nagato. „Soll ichs dir zeigen?“
Madara wusste, gegen so einen Angriff, so eine Kraft, brauchte er schwereres Geschütz. Er aktivierte seine Kaleidoskop-Sharingan, zog in Gunbais Schatten die Rolle mit Amaterasu heraus, biss sich in den Daumen, dass es blutete, und beschwor die schwarzen Flammen.
Wenn Nagato so sehr unter Spannung stand, dann musste sich diese Spannung irgendwie entladen, abgebaut werden. Sonst würde er zu Hause gleich wieder eskalieren.
„Ja!“, rief er Nagato zu. „Zeig mir, was du kannst! Power dich mal richtig aus!“
Hinter dem Schutzwall aus Amaterasu, Gunbai und der Abschirmung durch das Kaleidoskop-Sharingan war er sicher genug, um einen solchen Angriff auszuhalten.
Und Nagato tat, was er ihm gesagt hatte: Mit einem lauten Schrei und wie elektrisiert leuchtenden Händen kam der Junge auf ihn zu gerannt, die Luft zitterte und Blitze zuckten um ihn herum, der Regen verwandelte sich in ebensolche Geschosse wie die gläsernen Speere und die ganze Energie entlud sich in einer unfassbar schnellen Folge von Schlägen gegen Madaras improvisierte Festung.
Amaterasu bekam die meisten Schläge ab und absorbierte diese, es war eine ihrer besonderen Kräfte, solche Energie aufzunehmen und auf Null zu setzen. Sie ließ die Geschosse abprallen und zu Boden fallen.
Brennen tat sie nur, wenn man es ihr direkt sagte, ansonsten war sie eher ein ultimativer Schutzwall. Ja, Madara erlebte Amaterasu als eine weibliche Kraft, einen weiblichen Geist, der im auf Bitte hin zu dienen bereit war.
Es dauerte einige unendliche Sekunden, bis Nagatos Kraft aufgebraucht, seine Wut verraucht und seine Energie erschöpft war. Er schlug unablässig auf Amaterasu und Gunbai ein, seine Hände waren schon blutig und seine Augen starr. Und als er dann wirklich keine Kraft mehr hatte, fiel er einfach um.
Madara kam sofort hinter seinem Schutz heraus und hob den Jungen auf seine Arme. Es vergingen mehrere Minuten, bis Nagato wieder die Augen öffnete und ansprechbar war.
„Wow …!“, sagte Madara. „Du hast echt Kraft, Junge.“
Nagato sagte nichts, er sah nur unendlich müde aus.
„Wir gehen nach Hause, okay?“, sagte Madara. „Das reicht für heute.“
Auf dem Heimweg riss die Wolkendecke wieder auf, der Regen hörte auf und die Sonne kam wieder durch. Nagato konnte nicht laufen, und so trug Madara ihn zurück. Als sie zu Hause ankamen, saß Konan neben der Haustür und beobachtete die Bienen, die sich um die Hortensien herum sammelten. Sowie sie sah, dass Madara Nagato trug, sprang sie auf.
„Was hat er?“, fragte sie besorgt.
„Er hat sich ausgepowert“, sagte Madara. „Ich bring ihn ins Bett, er muss sich ausruhen.“
Als Nagato dann in seinem Bett lag, kam Madara noch mal auf Konan zu. „Sag mal, kannst du dich erinnern, hat Nagato jemals vor dir irgendwas … mit seinen Augen gemacht, was Augen eigentlich nicht können?“, fragte er.
Konan dachte nach, suchte in ihrer Erinnerung nach einer solchen Begebenheit.
„Als Yahiko verschwunden ist … da war Nagato … sehr … hm, aufgeregt. Er hat total gezittert und irgendwie sah er anders aus, seine Augen haben sich … so bewegt irgendwie …“
"Yahiko?“, fragte Madara.
„Das war ein Junge in Ame. Er sah genau so aus wie Nagato, wie ein Zwilling, aber waren sie nicht, Yahiko hatte andere Eltern. Irgendwann war er weg, vielleicht ist er entkommen, war ja Kampf überall … Nagato und er mochten sich, weil sie halt gleich aussahen.“ Konan schwieg einen Moment, dann schien ihr noch etwas einzufallen: „Wenn es richtig doll regnet, dann kann er manchmal Sachen, die sind nicht so … normal irgendwie. Ich weiß nicht, er kann dann Sachen sehen, die ich gemacht habe, wo ich woanders war.“
„Wie so durch Wände schauen?“, hakte Madara nach.
Konan nickte.
„Wie heißt das, was er kann, weißt du das?“, fragte sie dann.
„Er nennt es Rinnegan.“
„Rinnegan … ja, das hat er mal gesagt …“
„Du weißt wahrscheinlich nicht viel über seine Eltern?“, fragte Madara.
Konan schüttelte den Kopf. „Nee, die waren schon weg, als er mich gefunden hat. Aber er hat gesagt, dass sie auch … so was konnten. Und dass sie sich nicht gewehrt haben, es nicht benutzt haben, als die angegriffen wurden … Hat er mal gesagt, da war er sehr aufgeregt. Dara, was bedeutet ‚Rinnegan‘ denn?“
„Ich weiß es auch nicht genau, dazu müsste Nagato mir mehr davon erzählen. Aber ich denke mal, es ist ein Kekkei Genkai im Dojutsu. Das bedeutet, es ist eine vererbte Fähigkeit der Augen, also so was wie mein Sharingan. In Konoha gibt es zwei davon, das Sharingan der Uchiha und das Byakugan des Hyuuga-Clans.“
„Gibt’s noch andere Sachen als nur für die Augen?“, fragte Konan.
„Ja. Kekkei Genkai bedeutet einfach, dass es sich um eine Gabe handelt, die man nur erben, nicht lernen kann. Wenn man sie hat, kann man sie lernen, aber sonst nicht. Es gibt alle möglichen Sachen dabei, alles, was irgendwie in den Genen veranlagt sein kann.“
Konan sah einen Moment lang nachdenklich zum Himmel, dann sagte sie: „Ich glaube, irgendwie hab ich auch so was. Nur ein kleines bisschen, ist komisch, aber … manchmal kribbelt mir die Haut, und dann reiß ich ein Stückchen ab und das ist wie Papier.“
Sie zeigte Madara ihre linke Hand, an den Fingern, um die Nägel herum, waren winzige Hautfetzen zu sehen, wie man sie hatte, wenn man sich oft die Hände wusch. „Ich hab mich mal beim Frühstück machen verletzt und dann ist die Haut an der Stelle einfach abgefallen und war ein Stück Papier.“
Madara sah sich die Haut an Konans Händen genauer an. Tatsächlich wirkten die kleinen Hautfetzen seltsam verändert, wie kleine Abrisse von Papier.
„Das ist tatsächlich interessant, Konanchen“, sagte er. „Wenn das noch mal passiert, kommst du mal zu mir, ich schau mir das an, okay?“
Konan nickte. „Vielleicht kann ich deshalb so gut falten?“
„Das könnte sein.“
„Ich weiß halt nicht, ob das auch so was Geerbtes ist, ich hab ja keine Ahnung, wer meine Eltern waren.“
„Gar nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Gar nicht. Ich bin einfach so da, ich hab keine Eltern. Ich brauch auch keine, ich weiß ja nicht, wie das ist, wenn man welche hat.“
„Aber geht’s dir gut damit?“
„Ja. Ich vermiss nichts. Ich hab ja dich und Nagato.“ Sie sah zum Himmel und lächelte ein bisschen, dann wurde ihr Ausdruck ernst: „Aber Nagato vermisst seine Eltern. Weil er ja weiß, dass er welche hatte.“
Madara konnte nicht umhin, dieses kleine Mädchen wirklich beeindruckend zu finden. Sie schien so klar und ruhig, ein kleines Mädchen von fünf Jahren, die schon so vieles wusste und verstand, und doch eine solche positive Stärke und Klarheit in sich hatte, das war schon etwas Besonderes. Madara fühlte sich wieder sehr an Itachi erinnert, und auch an sich selbst, wie er mit fünf Jahren gewesen war. In Konoha nannte man solche Kinder, die so klar und stark entwickelt waren, manchmal ‚Uchiha-Kinder‘, weil diese Wesenszüge im Uchiha-Clan besonders auffielen.
Konan lächelte wieder. „Ich hab dich lieb, Dara. Du bist jetzt mein Papa, dann hab ich einen.“
1991
Die darauf folgende Zeit war anstrengend, aber vor allem schön.
Nach dem Fest, das Oma Yoneko organisiert hatte, war Mama völlig erschöpft und Sasuke schrie die halbe Nacht, und ich bekam mit, wie Papa tatsächlich mit Oma Yoneko schimpfte und ihr vorwarf, wie unangemessen es sei, eine Frau, die gerade ein Kind entbunden hatte, mitsamt diesem Kind dann auf ein Fest zu zwingen, nur damit alle anderen das Baby sahen. Oma Yoneko verstand das nicht, und Papa redete ein paar Tage lang nicht mit ihr.
Ich hatte das Gefühl, dass er an Fürsorglichkeit zugelegt hatte, schon vor Sasukes Geburt, und vielleicht, so dachte ich, wollte er die Fehler, die ihm bei mir als seinem Erstgeborenen unterlaufen waren, jetzt bei seinem zweiten Kind korrigieren.
Meine Tagespläne sahen zuerst nicht viel anders aus als in der Zeit zuvor: Mama arbeitete nicht und ich teilte meinen Tag zwischen der Uni und meinem Helfen zu Hause auf. Zwar war mein eigentliches Studium schon fertig, aber ich hatte solche Freude am Lernen, dass ich trotzdem weiter hinging und arbeitete, aber den größten Teil der Zeit war ich zu Hause, und dort war ruhiges Lernen zu dieser Zeit unmöglich.
Sasuke schien nämlich in seinem Temperament etwas anders gestrickt zu sein als ich, er schrie viel und konnte kaum allein sein, und Mama hatte ihre liebe Not damit. Sie konnte ihre Erfahrungen mit mir als Baby nicht auf Sasuke übertragen, denn während ich als Baby sehr ruhig gewesen war, viel geschlafen und mich auch mal selbst beschäftigt hatte, verlangte Sasuke beständig nach Kontakt. Papa war in dieser Zeit auch viel zu Hause, und so wechselten wir uns ab, meinen kleinen Bruder zu unterhalten, weil Mama das nicht alleine schaffte. Vielleicht deswegen hatte Sasuke später mehr Verbindung zu Papa als ich?
In dieser Zeit hatte ich mehr als genug Gelegenheiten, meinen Bruder im Arm zu halten, denn ich schob ihn im Kinderwagen täglich durchs Dorf oder trug ihn in einem Babytragetuch herum, und das schien ihm zu gefallen. Er war offensichtlich extrovertierter als ich, brauchte Leben und viele Menschen um sich herum …
Nebenbei brachte er mir dadurch eine mir neue Art von Aufmerksamkeit ein, die mich weniger verlegen machte, weil es nicht mehr direkt um mich ging. Es war nicht mehr dieses „Da ist der hochbegabte Itachi Uchiha!“, sondern viel mehr ein „Oh, wie süß, Itachi trägt seinen Bruder im Dorf rum, Babys sind so niedlich!“ Und wieder waren es die Mädchen, für die ich nochmal attraktiver wurde, einfach weil ich Sasuke dabei hatte und sie ihn extrem süß fanden.
Einmal fragte mich eine von ihnen, ob ich eifersüchtig sei, weil alle meinen kleinen Bruder so liebten, und ich antwortete: „Nein, gar nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Nein. Ich mags so lieber.“
„Du bist eindeutig schüchterner als er“, sagte das Mädchen und lachte.
„Ja, das bin ich.“
„Passt doch. Dann ergänzt ihr euch gut.“
In dem Moment streckte Sasuke im Tragetuch die Hand aus und patschte mir ins Gesicht, verlangte nach Ansprache. Das Mädchen fand das ziemlich süß und streckte vorsichtig die Hand aus, um ihm über den Kopf zu streicheln.
Während dieser Zeit, in der ich meine Identität als großer Bruder weiter stärkte und sich unser Familienleben zu viert weiter entwickelte, hatte ich die Jubi-Spuren im Wald schon fast wieder vergessen. Beinahe dachte ich, ich hätte mich getäuscht, vielleicht waren es gar keine Spuren des Jubi-Chakras gewesen?
Doch dann geschah etwas, das mir die Gefahr eines Bijuu-Angriffes wieder deutlich präsenter werden ließ: Eines Abends, als ich eigentlich schon im Bett gewesen war, kam Kushina zu uns nach Hause und ich hörte sie und Mama unten leise miteinander reden. Kushina schien es nicht gut zu gehen, ihre Schwangerschaft bereitete ihr Probleme und sie klagte über starke Kopfschmerzen.
Und als ich schon überlegte, runter zu gehen und zu zeigen, dass ich wach war, fing Kushina an, etwas zu erzählen, das mich oben bleiben und erstarren ließ:
„Ikue … Ich muss dir was erzählen … Mir ist was sehr, sehr Blödes passiert.“
„Was denn?“, fragte Mama und klang schon deutlich besorgt.
„Du weißt ja, dass mein Chakra manchmal ganz komische Sachen macht … Und jetzt war ich gestern mit Minato im Wald, wir wollten nur spazieren gehen, und dann hab ich irgendwas gemacht, und es kam rotes Chakra aus dem Boden, einfach so …“
„Rotes Chakra?!“ Mama flüsterte, doch es hatte einen erschrockenen, scharfen Klang.
„Ja. Ganz dickes, rotes Zeug. Ich hab keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, echt nicht, aber du weißt, was rotes Chakra ist, Ikue …“
Es dauerte einen Moment, bis Mama leise antwortete: „Ja … Kyuubis Chakra …“
Ich blieb oben hinter dem Treppenansatz, ging nicht runter. Aber schlafen konnte ich jetzt nicht mehr, und so ging ich zwar in mein Zimmer zurück, doch ich öffnete das Fenster und verließ das Haus auf diesem Weg.
Ich musste noch mal in den Wald, zu der Stelle, wo ich die Jubi-Spuren entdeckt hatte. Jubi war zwar kein „denkendes Wesen“, aber so, wie es jetzt aussah, war sein Auftauchen ein Indikator für ein Auftauchen des neunschwänzigen Fuchses. Ich hatte vor, die Stelle noch mal zu untersuchen, und dann wollte ich das, was ich dann wusste, noch mal melden.
Als ich die Stelle im Wald erreichte, sah sie anders aus als beim letzten Mal: Offenbar war das, was Kushina erzählt hatte, hier passiert, der Erdboden war aufgerissen und die Spuren deuteten wirklich auf freies Chakra hin, das offenbar in der Erde gewesen war und herausgebrochen war, ähnlich wie Lava aus einem Vulkan.
Ich scannte die Umgebung mit meinen Sharingan ab, und auf diese Weise ergab sich mir ein detaillierteres Bild der Strukturen im Boden. Weit unten, zu tief um beispielsweise mit dem Byakugan hineinschauen zu können, befand sich eine riesige Kammer, gefüllt mit dem Chakra des Fuchsgeistes. Und wo auch immer dieser sich gerade aufhielt, er hatte hier offenbar vor langer Zeit eine Art von Vorrat aus dickflüssiger, extrem starker Energie angelegt.
Vielleicht war die Existenz dieser Kammer sogar den Sicherheitsleuten im Dorf bekannt, schließlich gehörten viele Verwandte von mir, die diese Kammer mit ihren eigenen Sharingan erkennen konnten, ebenfalls zu den Sicherheitsbehörden von Konoha. Für die Sicherheit im Dorf zu sorgen und entsprechend Gefahren zu minimieren, war seit der Gründung von Konoha Gakure immer schon die Aufgabe der Uchiha gewesen.
Dieser Gedanke führte mich zu der Frage, wie Kushina es wohl geschafft hatte, einen Teil dieses Chakras aus dem Boden zu locken. Kushina gehörte der Familie Uzumaki an, die wie ein abgeteilter Zweig vor allem verwandtschaftliche Beziehungen zu den Senjuu hatten. Und in der Familie Senjuu gab es schon immer Leute, allen voran Hashirama, den Hokage der Ersten Generation, die über besondere Fähigkeiten in Bezug auf Bijuu-Geister verfügten. Diese Fähigkeiten waren zwar auch dort selten, aber es konnte gut sein, dass Kushina einen Teil davon geerbt hatte.
Jubi war hier gewesen, und Kyuubi hatte an dieser Stelle eine riesige Kammer voll mit Chakra angelegt. Und diese Stelle war kaum einen Kilometer von der Dorfmauer entfernt. Kushina hatte es irgendwie geschafft, das Chakra im Boden aufzuwecken und einen Teil herauszulocken, und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Zu Papa und seinen Kollegen gehen und das Ganze melden? Ich wollte nicht, dass Kushina Probleme bekam, sie war hochschwanger und sollte gerade wirklich keinem Stress ausgesetzt werden. Doch zugleich dachte ich, dass sie diesen Stress ja nun sowieso hatte, sie wusste, was sie „getan“ hatte und hatte Mama ja gerade davon erzählt.
Nach einigem Überlegen und Abwägen beschloss ich, damit nicht zur Polizei, sondern direkt zum Hokage zu gehen.
Schon im Jahr zuvor war Sarutobi in Ruhestand gegangen und hatte Minato zu seinem Nachfolger ernannt. Sarutobi selbst arbeitete nun im Hintergrund als Teil des Ältestenrates, er war immer noch präsent, aber die aktiven Geschäfte führte nun Minato.
Nach Kushinas Aussage war er ja dabei gewesen, als das Chakra aus dem Boden gekommen war, und er als Hokage musste sich deswegen ja so oder so Gedanken machen.
Ich lief also ins Dorf zurück und zum Regierungsgebäude, und tatsächlich brannte oben im Hokage-Büro noch Licht. Der Wachmann am Tor fragte, was ich so spät noch wollte, und ich sagte nur, dass ich etwas Wichtiges mit dem Hokage zu besprechen hatte.
„Minato ist noch oben“, sagte der Wächter nur und ließ mich durch.
Oben angekommen klopfte ich an die Tür und wartete auf das „Herein, bitte“, ehe ich das Büro betrat. Minato saß hinter seinem Schreibtisch, aber er trug nicht das Hokage-Gewand, sondern einen einfachen Kampfanzug, und ich sah ihm gleich an, dass es ihm nicht gut ging.
„Itachi? Was machst du so spät noch hier?“, fragte er.
Ich wusste erst nicht recht, wie ich anfangen sollte. Das Thema war so schwer, und ich wusste ja auch nicht, ob Kushina ihrem Mann erzählt hatte, dass sie mit meiner Mama darüber sprechen wollte.
„Kushina war vorhin bei Mama …“, begann ich, „und sie hat erzählt, dass ihr im Wald … Kyuubi-Chakra gefunden habt … Ich war eben dort, an der Stelle, und ich hab riesige Mengen an Chakra unter der Erde gesehen.“
Minato reagierte nicht erschrocken oder so. Natürlich nicht, denn er wusste ganz sicher, was das alles zusammen bedeutete.
„Hast du sonst jemandem davon erzählt?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Ich werde morgen mit dem Sicherheitsrat darüber sprechen, ich habe schon eine Konferenz anberaumt. Sollte Kyuubi tatsächlich hier auftauchen, müssen wir vorbereitet sein.“
„Es war auch Jubi-Chakra an der Stelle …“, fügte ich noch hinzu.
„Das ist gut, dass du das sagst. Jubi-Chakra taucht manchmal auf, wenn ein echter Bijuu-Geist in der Nähe ist. Die Frage ist nur, ob es vielleicht hilft, den Bijuu fernzuhalten, wenn wir das offene Jubi-Chakra versiegeln.“
„Wie versiegelt man denn so ein Chakra wie das des Jubi?“
„Im Grunde genau wie jede andere Kraft, entweder in einer starken Barriere, oder in einem Menschen. Wobei Jubi tatsächlich … so anders ist als ein Bijuu, dass alle anderen Barrieren bisher dieses Chakra nicht halten konnten. Da bleibt möglicherweise wirklich nur die Versiegelung als Jinchu-Kraft.“
„Also … in einem Menschen …“, sagte ich fast tonlos.
Minato nickte. „Und am besten, das muss man leider so sagen, kann man so ein Chakra in einem kleinen Kind versiegeln.“
„Was passiert denn, wenn man Jubi versiegelt?“
„Vermutlich weniger, als wenn man einen echten Bijuu in einen Menschen einschließt. Jubi ist eben kein Bijuu, sondern ‚nur‘ ein universelles Chakra. Wir wissen nur wenig darüber, aber das, was wir wissen, ist, dass die einzige Person, in der man einmal Jubi-Chakra versiegelt hat, dadurch nicht zu einer ‚klassischen‘ Jinchu-Kraft wurde, sondern ‚nur‘ die Fähigkeit erhielt, im Grunde alle Chakra-Elemente zugleich zu nutzen. Also, wenn du dir vorstellst, dass jemand zum Beispiel Ninjutsu auf Basis des Feuerverstecks beherrscht, kann Jubi-Chakra dafür sorgen, dass dieser Mensch dann auch Windversteck und Wasserversteck nutzen kann, wenn es ihm gelingt, das Jubi-Chakra mit seinem eigenen zu kombinieren. Und bei diesem einen bekannten Fall kam es auch nicht zum ‚Bijuu-Gewand‘, das Chakra des Jubi verwandelt diese Person anscheinend nicht.“
„Also kann es sein, dass wir Kyuubis Angriff verhindern können, wenn es gelingt, Jubi in einem Menschen zu versiegeln?“
Minato nickte. „Genau.“
„Und … wie findet man heraus, in wem?“
„Wir brauchen ein kleines Kind, am besten eines, das noch kein halbes Jahr alt ist. Und … nun ja, es sollte ein Kind sein, das später mal ein Ninja werden kann. Wir können also keines aus einer Zivilistenfamilie nehmen …“ Minato sah auf seine Hände, sagte eine Weile nichts mehr, aber ich spürte auch ohne, dass er es aussprach, was er dachte: Dass es ja so ein Kind gerade gab, noch kein halbes Jahr alt und mit der Aussicht, später ein starker Ninja zu werden: Sasuke.
Ein paar Augenblicke lang hing dieser Gedanke zwischen dem Hokage und mir in der Luft, und ich spürte, wie meine Augen heiß wurden, als müsste ich gleich weinen. Es stand im Raum, dass wir einen Angriff des Kyuubi vielleicht würden verhindern können, wenn wir das Jubi-Chakra im Körper meines kleinen Bruders versiegelten, und auch wenn Jubi kein echter Bijuu mit den entsprechenden Folgen war, tat es mir weh.
„Ich werde mit deinen Eltern darüber sprechen, Itachi. Wir finden zusammen einen Weg“, sagte Minato und lächelte ein klein wenig.
Ich fragte mich, wie er das in sich drin aushielt, die Sorge um Kushina und wegen des Kyuubi, und zugleich die Gedanken, die er sich nun wegen Sasuke machte. Aber er war eben der Hokage, er konnte das irgendwie. Und ich wusste, wenn ich selbst irgendwann Hokage werden wollte, musste ich das auch lernen. Nur wusste ich noch nicht, wie.
Am nächsten Morgen weckte mich Papa. Ich hatte tatsächlich ein bisschen verschlafen, es war halb sechs. Papa sah ernst aus und während ich aufstand und mich anzog, blieb er im Zimmer und erzählte mir, dass er schon mit Minato gesprochen hatte.
„… wir als Uchiha-Clan werden Jubi übernehmen. Das ist unsere Aufgabe als Sicherheitsbeauftragte des Dorfes. Und vielleicht lässt sich ein Angriff durch Kyuubi ja dadurch abwenden. Aber auch so sollte Jubi wieder versiegelt werden, und wir haben entschieden, dass Sasuke ihn bekommt. Aber du musst dir keine Sorgen um deinen Bruder machen, Itachi, denn Jubi macht einen Menschen nicht zur Jinchu-Kraft.“ Papa sah mich direkt an und lächelte ein wenig, als er sagte: „Stell es dir so ähnlich vor wie dein Tsukuyomi, also als etwas, das Sasuke dazu befähigen wird, etwas Außergewöhnliches zu können. Und weil wir die Versiegelung äußerst geheim halten werden, wird auch niemand ihn behandeln wie eine Jinchu-Kraft. Du brauchst also keine Angst zu haben, Itachi.“
„Wer weiß denn davon?“, fragte ich.
„Nur Minato, Yoneko, Mama, ich und du. Yoneko und ich werden das Jubi-Chakra einfangen und Minato wird es versiegeln. Sasuke selbst wird davon erfahren, sobald er alt genug ist.“
Als ich an diesem Tag zur Uni ging und mich dort wie immer zum Arbeiten in die Bibliothek setzte, fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren.
Meine Gedanken kreisten um Sasuke und Jubi, und trotz, dass Papa und Minato versucht hatten, mir die Sorge zu nehmen, hatte ich Angst. Eben erst hatte ich meinen lang ersehnten Bruder bekommen, und nun sollte er, noch als Baby, schon dem Schutz des Dorfes dienen. Es machte mich traurig, auch wenn ich selbst versuchte, mir zu sagen, dass Jubi ja kein Bijuu war und nichts wirklich Schlimmes geschehen würde.
Das Einzige, was mir in diesem Moment half, war, mir meinen inneren Schwur, der beste große Bruder zu sein und Sasuke zu beschützen, bewusst zu machen, und ihn zu erweitern: Sollte jemand meinen kleinen Bruder wegen Jubi ablehnen oder angreifen, würde ich dazwischen gehen, ihn auch dann mit meinem Leben beschützen und für ihn da sein.
Ich weiß heute nicht mehr genau, wie ich an diesem Tag auf die Idee kam, dafür ein eigenes Jutsu zu erlernen. Vielleicht las ich etwas darüber, weil ich den Gedanken, Sasuke mit all meiner Kraft zu beschützen, weiter führte und nach Möglichkeiten suchte?
Irgendwie jedenfalls landete ich bei einem Buch aus der geheimen Abteilung der Bibliothek und fand darin eine lose, lückenhafte Anleitung für ein Jutsu, das eine Verbindung aus Liebe und Kraft herstellen sollte, aber noch keinen Namen hatte und keine Verbindung zu den Fingerzeichen.
Die Beschreibung dieses Jutsu gab mir ein Gefühl von Selbsterkennen und es schien wie für mich gemacht. Dort stand, dass es eine Möglichkeit darstellen sollte, wie man seine Kraft als Ninja in den Dienst einer Sache stellen und sich darauf vollkommen konzentrieren konnte. Und ich, der ich immer mit meinem Wunderkind-Dasein gekämpft hatte und innerlich schon lange nach einem Weg suchte, mein ungeheures Talent daran zu hindern, mir selbst zu Kopf zu steigen, fühlte mich mit dieser Beschreibung so sehr gesehen!
Alles, was dort stand, passte zu mir: „Ein Shinobi mit großem Talent und außergewöhnlichen Fähigkeiten kann das Bedürfnis verspüren, diese Fähigkeiten in den Dienst einer guten Sache zu stellen, und die Sorge darum, zu überzeugt von der eigenen Kraft zu werden, kann den Wunsch nach einer Methode wecken, die diese Kraft beschränkt.“
Ich dachte an die immer gleichen Besuche in Oma Yonekos Teehaus, die mir so unangenehm waren, weil ich dort immer in den höchsten Tönen gelobt wurde, und an meine Zeit auf der Akademie, wo ich immer anders gewesen war als die anderen, und auch an die unheimlichen Momente, die mir manche Aspekte des Tsukuyomi so verursachten.
Wenn ich diese Dinge unter eine so starke Kontrolle bringen konnte, dass es mir leichter fallen würde, mit meinem Talent umzugehen, und ich damit die Menschen, die ich liebte, beschützen und für sie da sein konnte, würde meine Angst davor, viel zu stark zu werden, bestimmt weniger.
Allerdings war die Beschreibung der Anwendung dieses Jutsu äußerst unvollständig. Es schien eine noch sehr unerforschte Idee zu sein, nur lose aufgeschrieben … Doch das schreckte mich nicht ab. Im Gegenteil, es weckte eine Lust in mir, selbst herauszufinden, wie man dieses Jutsu anwenden konnte. Ich hatte ja nun mal die intellektuellen Fähigkeiten, um an so etwas zu forschen und zu arbeiten, und dieses Jutsu irgendwann dann schlussendlich auch zu lernen.
Ich suchte auch noch nach Informationen zum Jubi-Chakra, doch ich fand kaum etwas. Es schien wirklich nur ein einziges Buch dazu zu geben, doch jenes Buch war immer noch unauffindbar und ich dachte wieder, dass Madara es vielleicht hatte.
Doch Madara war nicht mehr da und auch bei den Sachen, die er zurückgelassen hatte, war dieses Buch nicht dabei gewesen. Alle Bücher aus seiner Wohnung waren nach seinem Verschwinden zurück in die Bibliothek einsortiert worden, und ich fand seinen Namen in sehr vielen der Ausleihungsstempel, die in jedem Buch hier anzeigten, wer sich das Buch mal mit nach Hause genommen hatte.
Oft stand zuerst sein Name darin, und an späterer Stelle dann auch meiner. Wir lasen beide gern und viel, und einen Moment lang hatte ich ein Bild im Kopf, wie er jetzt, falls er noch lebte, irgendwo an einem weit entfernten Ort zwischen vielen Schriften saß und las und arbeitete, so wie wir es oft zusammen getan hatten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er tot war.
Als ich am Abend nach Hause kam, saß Mama mit Sasuke auf dem Arm am Küchentisch, sie fütterte ihn und auf den ersten Blick wirkte alles normal, doch als ich näher kam, sah ich, dass es ihr nicht gut ging.
„Kann ich dir helfen, Mama?“, fragte ich.
Mama schüttelte den Kopf und hatte auf einmal Tränen in den Augen. Sie drückte Sasuke an sich und küsste ihn, und ich ging zu ihr hin und umarmte sie und meinen Bruder.
„Soll ich ihn nehmen?“, fragte ich leise.
Mama nickte, und ich nahm meinen Bruder an mich. Wenn Mama weinte und Angst hatte, so dachte ich, war es für Sasuke vielleicht sicherer, wenn ich ihn hielt. Babys bekamen unterschwellig so viel mit, und er sollte Mamas Sorge nicht so sehr spüren müssen.
Tatsächlich lebte Sasuke geradezu auf, als ich ihn auf den Arm nahm, er lächelte und streckte mir seine Hände ins Gesicht entgegen. Auf dem Tisch lag der grüne Plüschdrache, den ich ihm zur Geburt geschenkt hatte, er griff danach und ich ließ es zu, setzte ihn mit dem Stofftier zusammen in seinen Kinderstuhl am Tisch und kümmerte mich dann um Mama.
„Du hast Angst um Kushina, oder?“, fragte ich.
Sie nickte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. Ich umarmte sie wieder, sie weinte und küsste mich auf die Stirn. „Danke, Spatz …“, flüsterte sie. Und ich musste fast auch noch weinen, weil es mich so rührte, wenn sie mich Spatz nannte.
„Itachi … sag mal, ist dir das alles nicht … manchmal zu viel?“, fragte sie nach einer Weile.
„Was, zu viel?“
„Du machst so viel, du lernst und arbeitest und versorgst deinen Bruder, und bist dann noch für mich da … Du bist doch immer noch ein Kind, kaum zehn Jahre alt … Ich habe manchmal Sorge, dass du dich überforderst.“
„Aber ich mach das doch gern!“, sagte ich laut. „Ich bin einfach so, ich war nie anders als das!“
„Wirklich?“
„Ja. Du musst dir keine Sorgen machen, Mama. Solange ich das alles darf, studieren und dir helfen und für Sasuke sorgen, geht’s mir gut.“ Ich dachte einen Moment über meine nächsten Worte nach, entschied dann aber, sie doch auszusprechen: „Ich will nur nicht zur Anbu oder so was …“
Das Thema „Anbu“ war kurz zuvor wieder konkreter geworden, Papa und Yoneko hatten darüber gesprochen, wann ich dort einsteigen und mitmachen sollte.
Mama sah mich an, lächelte, noch mit Tränen in den Augen, und sagte: „Dann ist gut. Und selbst wenn du irgendwann zur Anbu gehst … dann sorge ich hier zu Hause dafür, dass du dich davon auch ausruhen und erholen kannst.“ Sie umarmte mich und sagte noch: „Ich hab dich lieb, Itachi-Spatz.“
„Ich hab dich auch lieb, Mami.“
Am Morgen darauf wurde ich wieder von Papa geweckt. Es war viertel nach vier Uhr am Morgen, also die Zeit, zu der ich normalerweise von selbst aufwachte, aber Papa war dem zuvor gekommen. Er hatte seine Uniform an und trug seine Ausrüstung, mehrere verschiedene Waffen und Schriftrollen, am Körper, es sah aus, als wollte er auf eine Mission gehen.
Ich sprang aus dem Bett und fing an, mich anzuziehen, noch ehe er etwas gesagt hatte. Fertig angezogen lief ich aus dem Zimmer, über den Flur ins Bad, machte mich so schnell ich konnte fertig und stand dann wieder vor Papa, der sich seitdem weder bewegt, noch etwas gesagt hatte.
„Wir warten noch auf Oma Yoneko und dann zeigst du uns die Stelle im Wald, wo du die Spuren von Jubi und Kyuubi gefunden hast“, sagte er, während ich meine Waffen zusammenpackte und meine Chuunin-Uniform über die Alltagskleider anzog.
Als wir aus dem Haus gingen, fragte ich, wo Mama sei, und Papa antwortete, dass wir sie noch schlafen lassen sollten. „… Sie sollte ausgeruht sein, wenn wir nachher das Chakra einfangen und mitnehmen, immerhin geht es um Sasuke …“, sagte er, und ich sah in seinen Augen, dass ihm die ganze Sache mehr zusetzte, als er zeigen wollte.
Wir betraten das Uchiha-Viertel und sahen Yoneko schon am Tor vor ihrem Haus stehen, sie trug ebenfalls eine Uniform und wirkte darin überhaupt nicht mehr wie eine Urgroßmutter, sondern wie eine kleine, alte, aber sehr starke und selbstbewusste Person. Das war sie zwar auch, wenn sie im Alltag ihren Kimono trug, doch die Uniform machte ihre Stärke als Matriarchin unseres Clans deutlicher sichtbar. Sie trug sämtliche Abzeichen, sowohl das der Polizei, als auch die von Chuunin, Jonin und der Anbu, und auf der Stirn ihrer Anbu-Katzenmaske, die sie an der Kopfseite trug, stand unübersehbar das Wappen unseres Clans.
„Guten Morgen“, sagte sie. „Na dann, holen wir uns das Jubi.“
„Ikue schläft noch“, erwiderte Papa.
„Wir werden einige Zeit brauchen. Bis dahin ist sie wach. Sie wird Sasuke vorbereiten.“ Wie Yoneko das sagte …! Ich kannte sie, wusste, wie sie war und dass sie es nicht „böse“ meinte, doch ihre Worte wirkten so gefühlsbereinigt und geradezu kalt, dass ich spürte, wie sich in mir eine Gegenwehr dagegen regte. „Sasuke vorbereiten“, aus ihren Worten und ihrer Stimme war kaum zu hören, dass es dabei um ein Kind, ein kleines Baby ging. Und dass sie von Mama verlangte, dass die ihr neugeborenes Kind einer Versiegelung von fremdem Chakra aussetzte.
„Oma Yoneko …“, sprach ich sie an. „Sasuke ist mein kleiner Bruder. Ich …“
„Wir wissen das, Itachi“, unterbrach sie mich mit einem Ton, der mich verstummen ließ. „Aber es ist unsere Aufgabe, also tun wir es.“
Papa sah mich an und legte ohne ein Wort seine Hand auf meine Schulter.
Wir verließen das Dorf, nahmen den Weg durch die Baumkronen und fanden schnell die Stelle wieder, an der ich die Jubi-Spuren gefunden hatte. Es sah anders aus als beim letzten Mal, offenbar war „es“ wieder hier gewesen. Papa und Yoneko benutzten die Sharingan, um die Spuren zu lesen und die Umgebung abzuscannen, und ich stand irgendwie nur da und fühlte mich seltsam, es fiel mir schwer, die Situation emotional zu erfassen, ohne dass es mir weh tat, denn das tat es.
Ich dachte an Sasuke, der gerade noch in seinem Bettchen lag und schlief, und an Mama, die wusste, dass heute der Tag war, an dem sie ihr neu geborenes Baby für das Dorf und die Sicherheit einsetzen sollte.
Und egal, wie sehr ich wegen Yoneko und dem übergeordneten Regelwerk des Ninja versuchte, meine Gefühle runter zu regeln und zu verbergen, in diesem Moment gelang es mir nicht.
Immer dann, wenn ich auf Missionen mitkam und dort mit Ninjas aus anderen Ländern zu tun bekam, die ich nicht persönlich kannte, konnte ich das, meine Gefühle außen vor lassen, ein Ninja sein, einer vom Uchiha-Clan, stark und talentiert und professionell.
Aber in dieser Situation, wo es um mich und mein Leben ging, und das tat es, denn Sasuke war mein lang ersehnter Traum eines kleinen Bruders, war ich nicht imstande, ein professioneller Ninja zu sein, und ich wollte das auch nicht sein. Ich dachte an Mama, daran, wie sehr ich so war wie sie, hochsensibel und voll mit Gefühlen, und dass mir das wichtig war, mir so viel bedeutete!
Yoneko und Papa verließen die Lichtung, sie hatten weiter gehenden Spuren entdeckt, und ich folgte ihnen, während in meinem Innern schon die Tränen hochkamen.
Ich dachte an das, was Papa über Jubi gesagt hatte, dass es kein Bijuu war und Sasuke nicht leiden würde. Aber darum ging es mir nicht. Es ging nicht um die konkreten Folgen, nicht um Jubi oder Chakra oder die Möglichkeit, einen Angriff des Kyuubi zu verhindern, das war nicht der Punkt, an dem ich mich störte. Es ging mir um Oma Yoneko, um die Art, wie sie dachte und plante und wie sie sich das vorstellte!
Ich blieb stehen, spürte schon, wie mir die heißen Tränen aus den Augen liefen, und es dauerte einen Moment, bis Papa es bemerkte.
„Was ist?“, fragte er, und ich spürte, dass auch er zerrissen war, zwischen seiner Pflicht und seinen Gefühlen, denn immerhin war Sasuke auch sein Kind. Ich war nicht in erster Linie wütend auf Papa, nicht mehr, denn er versuchte wenigstens, seine Pflicht zumindest ansatzweise mit seinen Gefühlen in Einklang zu bringen. Ich sah und spürte es, und es war zumindest ein bisschen okay.
„Ich … will das nicht …!“, antwortete ich, meine Stimme klang schon nach Weinen. „Es kann doch nicht … sein … wir suchen hier das Jubi, um … es zu versiegeln, in … in …“ Ich konnte nicht mehr weiter sprechen, sah in dem Moment, wie Yoneko stehen blieb, sich umwandte und mich ansah, und sie sah so ungerührt aus, dass in mir etwas aufriss, und ich sie anschrie: „In … in meinem kleinen Bruder?!“
„Itachi …“, sagte Papa und kam auf mich zu.
„Denkst du ein Mal, ein einziges Mal, an Mama, Oma Yoneko?! Denkst du daran, dass Sasuke ihr Baby ist?! Denkst du dran, dass sie Angst um ihn hat und um Kushina, und dass es sie dazwischen fast zerreißt?! Und was ist, wenn wir Jubi finden und versiegeln und der Neunschwänzige Fuchs trotzdem ins Dorf kommt? Habt ihr dafür auch schon ne Idee?!“
Es kam wirklich selten vor, dass ich so wütend und laut wurde, doch ich konnte in diesem Moment einfach nicht anders. Ich wusste, dass ich Yonekos Art und ihre Meinung nicht wirklich ändern konnte, aber ich wollte wenigstens meine eigene Position beziehen und sagen, dass es mich wütend machte. Es ging hier um meinen Bruder und darum, dass ich meinem Schwur, ein guter großer Bruder zu sein, treu blieb. Wenn ich jetzt nicht wütend wurde und zeigte, was es mit mir machte, wann dann?
„Krieg dich wieder ein, Itachi.“ Yonekos Stimme war laut, aber so kalt. „Wir haben dir doch erklärt, Jubi macht ein Kind nicht zur Jinchu-Kraft.“
„Darum geht es mir nicht!!“, schrie ich.
„Dann verstehe ich nicht, was du willst“, sagte sie. „Wir sind der Uchiha-Clan, unsere Aufgabe ist die Sicherheit des Dorfes.“
„Und Sasuke ist mein kleiner Bruder!!“
„Was willst du tun? Krieg dich wieder ein.“
„Ich mache das nicht mit! Und wenn ihr schon meinen Bruder dafür benutzen wollt, dann geh ich jetzt nach Hause und bin für Mama und ihn da. Da werde ich mehr gebraucht, als hier.“
Yoneko sagte nichts darauf. Und Papa stand immer noch da, deutlich spürbar zwischen den Stühlen sitzend.
Ich drehte mich um und lief den Weg zurück, den ganzen Weg bis ins Dorf, wo ich nach Hause ging, die Tür öffnete und Mama im Wohnzimmer sitzen sah. Sie hatte Sasuke im Arm und ihr Kleid vorne geöffnet und stillte ihn.
„Wo kommst du jetzt her?“, fragte sie leise.
„Ich war bei Papa und Yoneko, sie wollten mich dabei haben. Aber ich mache das nicht mit.“ Ich setzte mich zu ihr aufs Sofa und sah sie an. „Ich will lieber hier sein, du bist doch sonst so allein.“
Mama lächelte. „Das ist lieb, Spatz.“
Ich lehnte mich an sie und schloss für einen Moment die Augen, hörte Mamas Herzschlag und das leise Geräusch von Sasuke, wie er die Milch schluckte. Es fühlte sich schön an, ihm und Mama so nah zu sein und ich wusste, ich hatte mich richtig entschieden, hier zu sein, und dass ich Yoneko Widerworte gegeben hatte, war auch richtig gewesen.
Wir sprachen nicht viel, doch das mussten wir auch nicht. Mama und ich verstanden einander auch so, wir mussten nicht laut sprechen, um zu wissen und zu fühlen, was wir voneinander brauchten. Das war schon immer so, und seit Sasuke da war, war es eher noch mehr geworden.
Und während Mama da saß und meinen Bruder stillte, und ich mich an sie anlehnte, verging einige Zeit, es wurde hell draußen und irgendwann, als Sasuke satt war, stand Mama auf, schloss ihr Kleid und setzte ihn in seinen Kinderstuhl, und fing dann an, Frühstück zu machen.
Ich half ihr und kochte eine Kanne Tee, von der Sorte, die Mama und ich am liebsten tranken, einen süßen Früchtetee ohne Koffein, weil wir beide Koffein nicht gut vertrugen.
Der Morgen ging herum, und Mama und ich konnten kaum etwas anderes tun als zu warten, bis Papa und Yoneko wieder zurück kamen. Es dauerte lange, so etwas wie Jubi zu finden und einzufangen, und ich fragte mich, wer von unserem Clan noch dabei sein würde. Man brauchte ganz sicher mehr als zwei Leute, und Minato sollte ja auch dabei sein.
Kurz vor ein Uhr mittags hörten wir die Haustür klappen und Mamas Bruder Haimaru kam herein. Er sah aus, als hätte er an einem Kampf teilgenommen, und war ganz außer Atem. Kurz nach ihm kam auch Shisui dazu.
„Ikue, es geht los. Wir haben Jubi gefunden und der Hokage hat schon mit dem Einfangen begonnen“, sagte Haimaru. „Itachi, du gehst mit Shisui.“
Mama wurde ein wenig blass, sie nahm Sasuke aus dem Kinderstuhl, drückte ihn an sich und nickte.
„Bist du okay, Ikue?“, fragte Haimaru.
„Ja. Es geht schon.“
Ich wollte zu ihr, sie umarmen, am liebsten ihre Hand nehmen und nicht mehr loslassen, weil ich so sehr spürte, dass sie Angst hatte. Aber ehe ich mich bewegen konnte, stand Shisui schon neben mir und hielt mich an den Schultern fest.
„Bleib bei mir, Itachi“, sagte er. „Ist besser so.“
Mama ging mit Sasuke auf dem Arm mit Haimaru mit, und ich blieb mit Shisui zurück. Mein Cousin hatte offenbar die Aufgabe, auf mich aufzupassen, damit ich die Versiegelung nicht störte. Er war inzwischen sechzehn Jahre alt und mir körperlich überlegen, und er kannte mich gut genug, dass er mich davon abhalten konnte.
„Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie das für dich ist“, sagte er und lächelte leicht.
„Kannst du das?“, fragte ich leise und spürte schon wieder Tränen in mir aufsteigen.
„Vielleicht auch nicht. Ich habe ja keinen wirklichen kleinen Bruder. Aber ich kenne dich, Itachi, ich weiß, wie viel Sasuke dir bedeutet und wie schwer es für dich ist, ihn nicht beschützen zu können.“
„Es tut mir weh …“, sagte ich, meine Stimme hatte kaum noch Ton.
„Wir sind Ninjas …“, erwiderte Shisui.
„Wenn ich hätte wählen können, wäre ich gar kein Ninja geworden.“
„Ich weiß … Aber wir sind nun mal Ninjas, und wir gehören zum Uchiha-Clan.“
Ich nickte, und dann liefen mir wieder die Tränen. „Aber … das Einzige, was ich am Ninja-Dasein und an meinen Fähigkeiten überhaupt mag … ist doch, dass ich damit andere beschützen könnte …! Und wenn ich dann dastehen und zusehen muss, wie meine Mama und mein Bruder leiden und zu Schaden kommen, dann … ist doch alles Trainieren sinnlos …!“
Shisui sagte nichts dazu, er sah mich nur an und dann umarmte er mich.
Ich wusste, dass er anders war als ich, der Beruf des Ninja fiel ihm deutlich leichter als mir, er hatte kaum Probleme mit dem Kämpfen, stand schon kurz vor seiner Prüfung zum Jo-Nin und hatte auch schon einige Missionen für die Anbu absolviert.
Wir gingen aus dem Haus, und Shisui versuchte, mich ein wenig abzulenken und dafür zu sorgen, dass ich meine Ängste ein wenig vergaß. Wir gingen zum Süßigkeitenladen und er kaufte mir eine Packung Dango, die wir dann in dem runden Baumhaus aßen, welches sich auf dem großen Baum an der Hauptstraße befand.
Doch von diesem Baumhaus aus konnte man über die Dorfmauer hinwegsehen, und ich konnte sehen, wie draußen im Wald eine Wolke aus Rauch und Chakra aufstieg, genau in der Richtung, wo sich die Stelle befand, an der Jubi und Kyuubi aufeinandergetroffen sein mussten.
Shisui hatte es auch gesehen, versuchte noch, mich am Arm festzuhalten, doch ich war schneller, sprang auf und nahm den Weg über die Dächer des Dorfes, hin zur Mauer, ich konnte mich selbst nicht mehr aufhalten. Mein über die ganze Zeit, in der ich mir einen kleinen Bruder gewünscht hatte, gewachsener, emotionaler Instinkt ließ sich nicht mehr unterdrücken, und ich folgte ihm, es fühlte sich richtig an.
„Itachi! Warte!“, rief Shisui hinter mir.
„Ich muss da hin!“
„Dann lass mich wenigstens mitkommen!“
„Hol mich ein, wenn du kannst!“
Ich aktivierte meine Sharingan und fand die Stelle sehr schnell, und das Erste, was ich sah, war gerade, wie Minato, der mit dem Rücken zu mir stand, eine große Schriftrolle öffnete und das Jutsu des Vertrauten Geistes anwandte. Ich wusste, dass er ein Schüler des Sannin Jiraiya gewesen war, und so wunderte es mich nicht, dass zwei große, alt aussehende Kröten erschienen.
Und im nächsten Moment hatte Minato mich bemerkt.
„Was tust du hier, Itachi? Wo ist Shisui?“, fragte er.
„Ich bin hier!“, rief Shisui hinter mir.
Haimaru, der etwas entfernt auf einem hohen Ast eines Baumes stand, antwortete: „Ihr habt hier nichts zu suchen!“
Die anderen, Papa, Yoneko und Mama, standen im Kreis um eine Art Tisch herum, einen Zeremonientisch mit aufgemalten und eingeritzten Symbolen und Zeichen, und auf dem Tisch lag Sasuke mit nichts als seiner Windel bekleidet und schrie.
Minato wandte sich zu mir um. „Ihr könnt bleiben“, sagte er. „Aber haltet euch heraus.“
Die beiden alten Kröten hielten je eine Schriftrolle im Maul, rollten diese dann auf und schmiedeten Chakra, das zum Himmel aufstieg und dabei viele kleine, hoch oben schwebende Bläschen und Kugeln aus silbrig glänzendem Chakra zu einem großen Ganzen zusammen sammelten.
Das silbrige Chakra war das des Jubi, es schwebte offen in der Luft und nahm keine Tiergestalt an, es war nur freies Chakra. Unter dem Boden befand sich an dieser Stelle das Chakra des Fuchsgeistes, doch die Austrittsstellen, die ich heute Morgen noch gesehen hatte, waren provisorisch versiegelt worden.
Minato machte zwei Schritte auf den Tisch zu, die beiden Kröten sammelten nach und nach das ganze herumschwebende Chakra ein, dann schloss er eine ganze Reihe von Fingerzeichen, bis sich an seiner Hand auf jedem Finger je ein Siegelzeichen zeigte.
Ich sah zu Mama, sie war ganz blass und Papa stand nah neben ihr, hielt ihre Hand. Ich spürte Shisui neben mir, seine Hand auf meiner Schulter, und Yoneko trat einen Schritt vor, schloss ebenso einige Fingerzeichen und erschuf damit eine Art Kuppel oder Schild über dem Tisch. Diese Barriere senkte sich nieder und schloss meinen Bruder ein, sodass wir ihn nur noch sehen und nicht mehr hören konnten.
Ich spürte, wie ich zitterte, mein Herz tat weh und ich hatte Tränen in den Augen, konnte meine Sharingan nicht länger halten. Da lag mein geliebter kleiner Bruder ganz allein auf diesem Tisch und schrie, und dass wir ihn nicht hören konnten, machte es eher schlimmer, als erträglicher.
„Ich mache schnell“, sagte Minato und ich wusste, dass er mich damit ansprach. „Es wird nicht lange dauern.“
Er trat an den Tisch, die beiden Kröten reichten ihm die Schriftrollen, in denen sie das Jubi-Chakra gesammelt hatten, und Minato nahm es an, ließ es über seiner Hand schweben, schloss es mit den Siegeln an seinen Fingern nochmals ein und stieß dann mit der Hand durch die Barriere.
Ich hielt den Atem an, wollte nicht hinsehen und konnte doch nicht anders, doch es ging wirklich sehr schnell, so schnell, dass ich nicht sehen konnte, was genau geschah. Nur Sekunden später war die Barriere aufgelöst, das Jubi-Chakra nicht mehr zu sehen, und wir konnten Sasuke wieder hören, er schrie immer noch.
Minato trat einen Schritt zurück, schloss die Schriftrollen wieder und nahm meinen Bruder vorsichtig vom Tisch, ging zu Mama und gab ihn ihr in die Arme zurück. In dem Moment wurde sie noch blasser, und Papa konnte sie und Sasuke gerade noch halten, ehe Mama ohnmächtig zu Boden sank.
Meine Starre löste sich augenblicklich, im nächsten Moment war ich bei ihr, nahm ihr meinen Bruder aus den Armen und drückte ihn fest an mich.
„Bist du okay, Sasuke?“, fragte ich und presste meine Lippen auf seine Stirn. Augenblicklich hörte er auf zu weinen, sah mich nur an, ich hielt ihm eine Hand hin und er griff meinen Finger, hielt ihn ganz fest.
Auf dem Weg nach Hause hielt ich Sasuke die ganze Zeit im Arm, Mama wurde von Papa gestützt und Minato und Yoneko gingen dahinter. Shisui und Haimaru liefen vorweg, und mein Cousin sah sich immer wieder nach mir um, schaute nach, ob es mir gut ging.
Zu Hause angekommen legte Mama sich im Wohnzimmer aufs Sofa, Papa und ich holten Sasukes Kinderbettchen ins Wohnzimmer, und ich legte meinen Bruder darin schlafen, so dass er in Mamas Nähe war.
Mama war für den Rest des Tages zu nichts mehr zu gebrauchen und schlief nur noch, und so ging ich nach nebenan in ihre Praxis und erledigte so viel, wie ich konnte, von ihrer Arbeit für sie. Durch mein Medizinstudium hatte ich einiges gelernt, und die einzige Patientin, die an diesem Tag kam, hatte nur einen Splitter am Auge, den ich einfach zu entfernen wusste, ohne dass Mama dabei sein musste.
Am Abend war Mama wenigstens wieder wach und ich schloss die Praxis für heute, ging zu ihr und kochte uns ein Abendessen. Während ich in der Küche stand und Salat schnitt, dabei den Herd im Blick hatte, wo für Mama und mich eine Gemüsesuppe und für Papa eine Pfanne mit einem Stück Fleisch standen, kam Mama dazu, legte von hinten ihre Arme um mich und drückte einen Kuss auf mein Haar.
„Das ist lieb, Spatz, dass du uns Essen machst“, sagte sie.
„Ist doch klar“, antwortete ich.
„Geht’s dir gut, Itachi?“
Ich nickte. „M-hm.“
„War ein harter Tag heute …“
„Geht’s dir auch gut, Mama?“
„Mir ist ein bisschen schwindlig, aber sonst alles gut.“
Ich drehte mich zu Mama um und umarmte sie meinerseits. Sie fühlte sich warm und lieb an, aber ich spürte auch, wie erschöpft sie war.
Und so legte sie sich nach dem Abendessen gleich wieder hin, oben im Schlafzimmer, und ich übernahm es, Sasuke zu versorgen, ihn zu baden und zu wickeln und danach ins Bett zu bringen.
Papa hatte in seinem Büro zu tun, und ich ging dann auch bald schlafen. Ich war so müde, dass ich mich nur noch auszog, unter die Decke kroch und sofort einschlief.
1989
Madaras Pläne für ein neues Dorf gerieten zum Ende des Jahres 1988 etwas ins Stocken. Nicht in der Form, dass er weniger motiviert war, doch einfach darin, dass er erkannte, zu wenige künftige Bewohner dieses neuen Ortes zur Hand zu haben.
Die Bauern in den umliegenden Orten waren zufrieden mit dem, was sie hatten. Zwar gab es immer wieder Probleme mit Bandenkriminalität aus der Richtung von Ame Gakure, und sie bemerkten auch, dass Kakuzu und Madara diese Überfälle wirksam zu verringern wussten, doch das bewog sie nicht, das neue Dorf zu besiedeln.
Am liebsten hätte Madara für das neue Dorf erst einmal starke Familien angeworben, Clans mit Kekkei Genkai und Zusammenhalt, eben solche, wie jene, aus denen auch Konoha Gakure einst entstanden war. Doch solche Clans zu dieser Zeit zu finden, war enorm schwer, weil die meisten von ihnen schon in anderen Dörfern fest eingebunden waren.
Madara hatte zwar die Bücher, die er in Konoha über die Gründung des Dorfes gelesen hatte, nun nicht mehr praktisch zur Hand, doch er hatte das allermeiste davon so oft und intensiv gelesen, dass er die Inhalte aus dem Gedächtnis abrufen konnte.
Er wusste, was und wie Hashirama Senjuu gedacht und gearbeitet hatte, was seine Pläne gewesen waren, und wie er die Familien Uchiha und Hyuuga angeworben und eingebunden hatte. Der Hokage der Ersten Generation war ein sehr charismatischer, freundlicher und begeisterungsfähiger Mensch gewesen, einer, dem es überaus leicht gefallen war, seine Ideale an andere Menschen weiter zu geben. Und Madara hatte dessen Schriften schon als Kind begeistert gelesen und tief in sich aufgenommen, so tief, dass er sich selbst für den Hashirama seiner eigenen Generation halten konnte. Er betrachtete sich ganz genau so, als einen Botschafter dieser Ideale für die Zukunft.
Doch auch ein Idealist brauchte Kraft und ein Stück Macht, um das zu verwirklichen. Und das, obwohl Macht als solche nicht unbedingt zu Madaras bevorzugten Dingen gehörte. Er befürchtete, durch zu viel Macht den Kopf und die Klarheit zu verlieren. Diese Gedanken waren recht typisch für einen Uchiha, denn die Macht, die das Sharingan mit sich brachte, verursachte, dass man sich vor dieser Kraft fürchtete und sie zu binden versuchte.
Eines Abends, es war Anfang des Jahres 1989, saß Madara mit Sasori und Kisame draußen vor dem Haus, in dem er immer noch mit Konan und Nagato lebte, und sie sprachen über ihre Pläne.
Sasori war inzwischen aus diesem Haus in ein anderes, eigenes Haus umgezogen, da seine Werkstatt mehr Platz benötigte, und er hatte zudem eine Art von Arbeitsverhältnis und Trainingsbeziehung zu Kisame aufgebaut. Dieser hielt sich abseits davon weiterhin an Kakuzu.
„… Wir brauchen irgendwas, was starke Familien anzieht. Irgendeine Kraft, einen Faktor, dem sie nicht widerstehen können“, sagte Madara.
„Du meinst, dann verlässt vielleicht eine das Dorf, wo sie bisher gelebt haben, und kommt hier zu uns?“ Sasori schien nicht wirklich daran zu glauben.
„In Kiri Gakure gibt’s so einen Clan. Die gehen immer dorthin, wo sie die meiste Kraft sehen“, sagte Kisame. „Die wollten auch schon mal nach Konoha, vor langer Zeit. Aber der Hokage der Zweiten Generation wollte sie nicht haben.“
„Und womit würde man sie anlocken?“, fragte Madara.
„Mit so viel Macht und Energie, dass sie nicht widerstehen können.“ Kisame grinste.
„Und woher kriegen wir die?“, fragte Sasori.
„Fangt einen Bijuu-Geist.“ Das war Kakuzus Stimme. Er kam gerade den Weg vor dem Haus entlang, nachdem er den ganzen Tag irgendwo unterwegs gewesen war.
Madara musste einen Moment überlegen, ob er das gerade wirklich so gehört hatte. Kakuzu sagte das so ungerührt daher, als würde er auf die Frage nach dem heutigen Abendessen antworten. Einen Bijuu-Geist fangen?! Das war eine ähnlich große Hausnummer wie den Mond vom Himmel zu holen, in ein Tuch einzuwickeln und dann wieder am Firmament aufzuhängen.
„Wie bitte?“, fragte Madara.
„Sag mir nicht, du weißt nicht, was ein Bijuu ist, Madara?“, erwiderte Kakuzu.
„Meine Güte, natürlich weiß ich das!“ Madara stand auf. „Aber wie soll das bitte gehen?“
„Du hast das Sharingan, du müsstest das wissen“, sagte Kakuzu. „Und jetzt sag mir nicht, dass du zu feige bist.“
„Das hat nichts mit Feigheit zu tun. Ein Bijuu ist ne verdammt große Hausnummer!“
„Na und?“ Kakuzu legte seine Taschen ab, setzte sich neben Kisame und sah Madara nur an.
„Könnte man schon …“, sagte Sasori.
„Könnte man was?“
„In Suna Gakure gibts den Ichibi. Er ist in einer Frau versiegelt, die gut beschützt und bewacht wird. Kommst du nicht ran. Aber gibt ja noch andere. Man kann sicher rausfinden, welche noch frei sind, und dann sehen wir weiter.“
„Frei oder versiegelt, ist doch egal“, sagte Kisame.
„Nein, ist es nicht!“ Madara stand auf, sah die anderen drei nacheinander an. „Ich werde keinem lebenden Menschen einen Bijuu austreiben, das wäre Mord! Könnt ihr vergessen, kapiert?!“
„Dann musst du nehmen, was übrig bleibt“, sagte Kakuzu.
„Ist mir egal“, sagte Madara. „Und jetzt lasst mich damit in Ruhe.“
Damit war das Thema fürs erste erledigt, zumindest für Madara.
Allerdings hatte keiner der vier mitbekommen, dass drinnen, hinter dem geöffneten Fenster, Nagato alles mit angehört hatte. Der Junge war inzwischen elf Jahre alt und hatte durch das Training einiges an Veränderungen durchgemacht. Er fühlte sich nun stärker, und von außen gesehen war er ruhiger geworden. Doch, was niemand wirklich sah, in seinem Inneren hatte er eine destruktive Motivation entwickelt. Kakuzus Idee mit den Bijuu löste in ihm einen Strudel an Gedanken aus.
Am nächsten Morgen wachte Konan davon auf, dass Nagato aus seinem Zimmer lief, die Tür zuschlug und die Treppe hinunter rannte. Sie stand auf, lief zum Fenster ihres Zimmers und sah nach draußen. Unten vor der Tür stand Kisame, und als Nagato aus dem Haus kam, gingen die beiden los, in Richtung Tal. Konan fragte sich, was die beiden vorhatten, denn normalerweise war Madara dabei, wenn Nagato zum Training ging. Aber sie traute sich irgendwie nicht, zu rufen. In letzter Zeit war Nagato irgendwie sehr merkwürdig, und Konan wusste das nicht einzuordnen. Es fiel ihr auf, dass er nicht darüber sprach, was er im Training lernte, er schien keine Ambition zu haben, seine Fortschritte mit ihr zu teilen.
„Na egal“, dachte sich das kleine Mädchen in diesem Moment. „Dann geh ich halt zu Sasori.“
Sie zog sich also an, nahm ein bisschen Papier mit und ging hinunter. In der Küche stand eine Schüssel mit Salat, da stoppte sie noch mal, füllte sich etwas davon in ein Schälchen, frühstückte ein wenig und ging dann raus. Es war noch dämmrig draußen, die Sonne war noch nicht zu sehen, und trotzdem setzte Konan sich ein wenig auf die Bank vor dem Haus und fühlte das Licht.
Sie liebte Sonnenlicht nach wie vor, und konnte daraus auch viel Energie für sich ziehen. Und obwohl sie so viel und gern im Sonnenlicht badete, war ihre Haut noch immer weiß wie Schnee. Inzwischen wusste sie, das kam vom Papier, auch wenn sie nur raten konnte, ob sie das geerbt hatte oder nicht. Sie hatte weiterhin keinerlei Erinnerungen an ihre Wurzeln, aber das störte sie nicht. Sie konzentrierte sich voll auf das, was sie jetzt hatte.
Das Einzige, was ihr manchmal fehlte, war ein anderes Mädchen, eine Freundin in ihrem Alter. Aber das hatte Zeit, irgendwann würden hier in das neue Dorf auch neue Menschen einziehen und dabei war sicher auch das eine oder andere kleine Mädchen.
Konan sprang wieder von der Bank, nahm das Papier mit und lief zu Sasoris Haus. Von draußen sah sie, dass er schon den Ofen angemacht hatte, es kam Rauch oben aus dem Kamin. Sie lief zur Tür und klopfte. Als dann jedoch nicht aufgemacht wurde, klopfte sie nochmals und fragte laut: „Sasori? Bist du da?“
„Moment …“, kam es von drinnen. „Ich komm gleich.“
„Alles okay?“, fragte Konan draußen.
Es dauerte ungewöhnlich lange, länger, als es für Sasori typisch war, bis er schließlich die Tür öffnete. Er trug ein langes, weites Gewand statt Hemd und Hose, und Konan fiel sofort auf, dass irgendwas mit seinem Körper nicht stimmte, seine Haltung war anders als sonst.
„Was ist?“, fragte Konan.
„Nichts.“
Das kleine Mädchen verdrehte die Augen. „Nichts gibt’s nicht.“ Sie dachte an Nagato, daran, wie dieser immer „Nichts“ sagte. „Komm mir nicht wie Nagato, das mag ich nicht.“
Sasori lächelte. „Okay.“ Er streckte sich ein wenig, und dabei gab es ein hölzernes Geräusch.
Konan sah ihn irritiert an, und Sasori lächelte wieder. „Ich arbeite nur gerade.“
„Woran?“
Wieder lächelte der Puppenspieler. „An mir.“ Er hob die Hand, der Ärmel seines Gewands rutschte bis zum Ellbogen herunter und enthüllte ein hölzernes Kugelgelenk anstelle von Haut und Knochen.
„Wie bitte?“ Konan starrte ihn an.
„Hab ich dir noch nicht erzählt, tut mir leid … Ich hab diese Idee schon sehr lange, und jetzt, wo ich sechzehn bin und am schönsten aussehe, ist der beste Zeitpunkt, sie umzusetzen.“
„Du … machst dich selber zu einer Puppe? Wie geht denn das?“
„Es gibt spezielle Jutsus, mit denen man das machen kann. In Suna Gakure gibt’s jede Menge davon, und meine Großmutter hatte Bücher darüber.“
„Weiß sie das hier?“
„Natürlich nicht. Ich werde sie damit überraschen, sollte ich … sie noch mal sehen.“
Konan musste das einen Moment sacken lassen. Es war unheimlich und gruselig, aber auch irgendwie interessant, und es passte auch zu Sasori. Er war perfektionistisch, ungeduldig und eben auch ein Künstler, jemand, dem Schönheit alles bedeutete. Dass er selbst auch ewig schön sein wollte, wie eine Puppe, war da nur logisch.
„Was ist, Konanchen? Wollen wir ein bisschen üben?“, fragte Sasori.
Konan kniff die Augen zu, riss sie wieder auf, dann nickte sie. „Ich hab Papier dabei.“
„Schön.“
Inzwischen konnte das Mädchen jede Waffe, die sich aus Papier nachbilden ließ, herstellen, sie beherrschte das Falten längst wie im Schlaf.
Sasori ließ sie ins Haus und Konan entdeckte eine Vase mit frischen Blumen, Rosen und Kamelien. „Ich hab lang keine Blumen mehr gemacht“, sagte sie.
„Dann wärs ja wieder Zeit.“ Sasori nahm die Vase vom Regal und stellte sie auf den Tisch, an dem Konan für gewöhnlich arbeitete. Das Mädchen nahm ein weißblaues Blatt Papier, fing an, es für das Falten weich zu machen, rollte es in alle Richtungen. Auf dem Tisch lag noch ein Papier-Shuriken herum vom letzten Mal, als sie hier mit Sasori gearbeitet hatte, und intuitiv griff sie danach, berührte vorsichtig die scharfen Kanten und schnitt ein winziges Stück Haut an ihrem Finger ab. Dann ließ sie ein wenig loses Chakra über das Papier laufen und der kleine Hautfetzen schmolz quasi in die Klinge hinein, machte sie blitzscharf und hart.
Sasori sah ihr fasziniert zu. „Wolltest du nicht Blümchen falten?“, fragte er.
„Warte ab, ich bin noch nicht fertig.“ Konan grinste.
„Ich mag nicht warten.“
„Dann mach in der Zeit was anderes.“
Und so griff Sasori sich ein Holzteil und Schleifpapier, während Konan entdeckte, dass sich ihre Haut an der Stelle, wo sie etwas abgeschnitten hatte, schnell wieder regenerierte und neues Papier hervorbrachte.
„Wie auch immer ich das mache, es klappt“, sagte sie leise, mehr zu sich, doch Sasori antwortete darauf: „So ist das bei mir auch.“
„Madara sagt, das nennt man Naturtalent.“
Eine halbe Stunde später hatte Sasori einen ganzen Arm aus Holz gebaut und Konan eine hübsche weiße Rose gefaltet. Sie nahm die kleine Spange, mit der sie ihren Pony beiseite hielt, aus ihrem Haar und befestigte sie an der Rose, drehte einen Teil ihres lilablauen Haars zu einer Kugel und steckte diese mit der Rose fest.
„Wie seh ich aus?“, fragte sie und lächelte.
Sasori sah von seiner Arbeit auf. „Sehr schön.“
„Ich bin auch ne Puppe.“ Konan grinste wieder. „Nur halt aus Papier, nicht aus Holz. Und weißt du, was die Blume Tolles kann?“
„Was denn?“
Konan hob die Hand, griff an die papierne Rose und als sie eins der Blätter herauszog, flogen viele kleine, harte Papiersplitter aus der Blüte, wie Kunai in alle Richtungen.
Sasori machte große Augen.
„Du bist eine ganz beeindruckende kleine Künstlerin“, sagte er.
„Danke gleichfalls.“
Es klopfte an Sasoris Haustür. „Sasori? Ist Konan bei dir?“, ertönte Madaras Stimme.
„Jaa“, antwortete Konan. „Ich bin hier.“
Sie sprang auf, lief zur Tür und öffnete sie.
„Na, seid ihr fleißig?“ Madara lächelte. Er hatte eine große Tasche dabei, kam herein und stellte sie ab. „Ich war eben unten im Dorf, hab ein bisschen eingekauft. Und ich hab ein Geschenk für dich, Konanchen.“
„Ein Geschenk!“ Das kleine Mädchen strahlte. Sie stürzte sich geradezu auf die Tasche und öffnete diese, es kam ein großer Karton zum Vorschein.
„Was ist da drin?“
„Mach es auf, dann siehst du’s.“
Konan fragte sich, während sie den Karton öffnete, was darin sein könnte. Sie erinnerte sich nicht, einen Wunsch nach einem so großen Gegenstand, wie ihn dieser Karton enthalten musste, geäußert zu haben.
„Ich dachte, du hast vielleicht Lust, etwas Neues zu lernen“, sagte Madara. „Und eine Bäuerin aus dem Dorf wollte die verkaufen. War nicht teuer.“
Konan hatte den letzten Verschluss des Kartons aufgerissen und als sie den Deckel abnahm, war endlich zu sehen, was Madara ihr da gekauft hatte: Eine Nähmaschine!
„Was ist denn das?“
„Das ist eine Nähmaschine. Die schließt du an eine Steckdose an, bei uns im Haus, und dann kannst du damit Kleider nähen, oder Kissen und Decken, was du magst. Du bist ein kluges Mädchen, du lernst das bestimmt.“ Madara lächelte und zog eine weitere, etwas kleinere Kiste aus seiner Tasche. „Hier ist auch Garn und ein bisschen Stoff und was du sonst noch brauchst.“
Konan sah sich alles genau an, dann blickte sie hoch zu Madara. „Dankeschön, Dara. Dann kann ich ja auch Kleider wieder heil machen, wenn was kaputt geht.“
„Genau. Und ich freu mich einfach, wenn du neue Dinge lernst.“
„Ich weiß.“ Konan grinste. „Deshalb magst du ja Kinder.“
Konan unterbrach also erst einmal ihre Origami-Arbeit und begab sich mit der Nähmaschine in ihr Zimmer im Wohnhaus. Madara erklärte ihr kurz, wie man die Maschine anschaltete und ein wenig der Bedienung, dann ließ er das kleine Mädchen alleine. Er wusste, dass sie am besten lernte, wenn man sie ließ und sie sich ungestört dem Ausprobieren widmen konnte.
Am Abend, als Madara mit seinen eigenen Aufgaben fertig war und Abendessen für sich und die Kinder machte, kam Sasori ins Haus. Er trug wieder Hemd und Hose statt des Gewands vom Morgen, und so war seine neue ewige Puppengestalt erkennbar. Madara hatte längst bemerkt, dass Sasori zu dieser Entscheidung tendiert hatte, und so wunderte es ihn nicht zu sehr, dass der Junge von sechzehn Jahren bei jeder Bewegung wie eine Kampfmarionette klapperte.
„Bist fertig?“, fragte er.
„Noch nicht ganz“, sagte Sasori. „Aber bald.“
Auf der Treppe waren schnelle Schritte zu hören, Konans Schritte. „Dara, hast du Essen gemacht? Ich hab Hunger.“
„Ist fast fertig“, antwortete Madara und stellte den Topf mit der Suppe noch mal aufs Herdfeuer. Dabei fiel sein Blick aus dem Küchenfenster und er sah den fast vollen Mond über den Wäldern, er war gerade aufgegangen und schimmerte satt bernsteingelb.
„Der Mond!“, rief Konan freudig. „So eine tolle Farbe!“
„Das ist ja fast orange!“, bemerkte Sasori.
„Morgen ist Vollmond“, sagte Madara. „Ich muss die Bonsais vorbereiten, nach dem Abendessen.“
Nagato tauchte ebenfalls zum Essen auf, aß schnell und konzentriert und verschwand dann wieder nach draußen. Er hatte den Tag mit Kisame verbracht und dieser aß in der Regel später mit Kakuzu zusammen. Konan bemerkte, wie Nagato sich während des Essens kaum umsah und er stellte auch keine Fragen oder beteiligte sich sonst wie am Gespräch. Sie fand das blöd, sagte aber nichts.
Nach dem Abendessen ging Madara raus zu seinen Bonsais, die vor dem Vollmond mit besonders geladenem Wasser gepflegt und mit bestimmten Mineralien und Steinen versehen wurden, damit sie das Licht des Vollmonds bestmöglich aufnehmen konnten.
Diese Maßnahmen waren nicht rein wissenschaftlich begründbar, sondern bedienten sich einer gewissen Mythologie und Philosophie, einer Mischung aus der Symbolik von Konoha Gakure, den Symbolen des Uchiha-Clans und der mythischen Kraft der Natur.
Als er nach dem Pflegen der Pflanzen wieder zum Himmel hinauf blickte, war aus dem satten Gelborange des Mondes eine beinahe rote Farbe geworden, die sich mit dem Sonnenuntergang weiter über die Rundung des Himmelskörpers ausbreitete. Und in diesem Moment, am Abend vor diesem Maivollmond, der von allen Monden übers Jahr die meiste Kraft hatte, fiel dieses Wort von irgendwoher in Madaras Geist, er wusste nun einen Namen für das neue Dorf:
Akatsuki-hikari Gakure, das Dorf versteckt im Licht des roten Mondes.
Konoha hatte das Laub, dieses Dorf den Mond dazu. Beides gehörte zusammen.
Madara Uchiha lächelte, blickte zum Mond hinauf und sah zu, wie dieser sich tiefrot verfärbte, so rot wie Madaras Sharingan.
„Es ist so perfekt“, sprach er seinen Gedanken aus. „Jetzt fehlt nur noch der Geist der Menschen für dieses Dorf.“
Und dann fiel ihm Kakuzus schräge Idee mit den Bijuu wieder ein. Wenn es ihm also gelänge, einen freien Bijuu zu bekommen, um die Kraft des Mondes mit der Energie dieser Wesen zusammen zu bringen, denn die Bijuu stammten wirklich ursprünglich vom Mond, ehe sie vor tausenden Jahren die Erde betreten hatten, dann hätte er die Macht, die es brauchte, ein neues Land mit glücklichen Bewohnern zu begründen.
Madara räumte die Bonsai-Werkzeuge zusammen und weg, ging ins Haus und in sein Schlafzimmer und holte ein bestimmtes Buch aus dem Regal: Es war ein Buch, das er aus Konoha mitgenommen hatte, weil er, als er damals wieder nach Ame an die Front gemusst hatte, noch nicht fertig damit gewesen war, es zu lesen.
In diesem Buch gab es zwei, drei Kapitel, die sich mit den Bijuu beschäftigten und auch mit dem legendären universellen Chakra des „Jubi“ genannten Energiewesens, das zwar selbst kein Bijuu war, doch eine große Macht hatte.
Die meisten Bijuu waren in festen Händen der Dörfer, wurden, wie Sasori schon erzählt hatte, von einer Jinchu-Kraft zur nächsten weiter versiegelt. Doch einige wenige der neun waren frei, lebten in ihren eigenen Zwischendimensionen und tauchten nur hin und wieder auf. Jedoch war es schwer, einen freien Bijuu zu finden und zu fangen, denn diese Wesen waren wirklich extrem stark und mächtig, und sie hassten die Menschen.
Doch Madara hatte einen ganz entscheidenden Vorteil, der ihm den Gedanken zuließ, dass es gelingen könnte, einen Bijuu für sich zu gewinnen:
Bijuu wurden von den Menschen meist nach der Anzahl ihrer Schwänze benannt. Ichibi, Nibi, Sanbi, und so weiter, bis zum Kyuubi. Doch das waren nicht ihre wirklichen Namen. Jeder Bijuu hatte einen eigenen Namen, einen eigenen Charakter, sie waren denkende, fühlende Wesen mit Persönlichkeit, und sie waren meist deshalb so wütend und gefährlich, weil die Menschen ihnen diese Gefühle seit Urzeiten nicht zugestanden. Sie fühlten sich von den Menschen nicht als Persönlichkeit gesehen und einen Bijuu nur mit seiner Nummer anzusprechen, bedeutete genau das, sie fühlten sich dadurch schwer missachtet.
Aber Madara hatte vor vielen, vielen Jahren mal mehr oder weniger zufällig eine versiegelte Schrift des Ersten Hokage in die Hände bekommen, die sich ihm von selbst geöffnet hatte, und in der der eigentliche, wirklich persönliche Name jedes Bijuu aufgeschrieben gewesen war. Und er hatte sich diese Liste gut gemerkt, das Wissen in seinen Sharingan gespeichert.
Er aktivierte die Sharingan und las das Buch, das er in der Hand hatte, noch einmal. Und tatsächlich war das Wissen über die Namen der Bijuu in den Seiten dieses Buches ebenso versiegelt, die Liste der Namen aller Bijuu schimmerte durch die Seiten wie ein Wasserzeichen im Papier.
Madara wusste nicht, warum es sich ihm hier und jetzt gerade offenbarte, er fühlte aber, dass längst nicht jeder, auch nicht jeder, der ein Sharingan hatte, diesen Effekt in diesem Buch erwecken konnte. Es war wie Schicksal, ein Wissen nur für ihn allein. Vielleicht war es der rote Mond, der ihm einen Blick gewährte?
Und neben jedem Namen im Papier standen andere Worte, die Kräfte und Elementstärken jedes einzelnen Bijuu und, am Wichtigsten: Ob sie frei waren, und wenn ja, wo sie lebten.
Madara sah diese Liste von Anfang bis Ende durch, von Ichibi, der eigentlich Shukaku hieß, bis zum Kyuubi, dessen wahrer Name Kurama lautete. Und Kurama war frei, hielt sich in seiner eigenen Welt auf, war dort aktiv und hatte möglicherweise Pläne, bald wieder in diese Dimension zu wechseln. Das Dorf Konoha war auf seinem Territorium erbaut worden, nachdem Hashirama Senjuu ihm dieses Land dereinst durch viele harte Verhandlungen so gesehen abgekauft hatte. Doch das war nun so lange her, dass Kurama offenbar die Idee hatte, sich wieder in Konoha blicken zu lassen. Doch wann genau, das stand hier nicht.
„Du meine Güte …!“, flüsterte Madara erschrocken. „Das wäre … eine Katastrophe!“
Er las das Buch weiter, mit aktiven Sharingan, und dabei entdeckte er eine weitere Geheimnisseite, auf der ein Jutsu beschrieben war, das dieser Beschreibung nach ursprünglich zu den geheimsten Jutsus der Familie Senjuu gehörte.
Ein Jutsu, mit dem man durch eine Drachengestalt einen Bijuu herbeilocken, bändigen und für sich gewinnen konnte. In der Shinobi-Welt gab es keine Drachen, doch es gab schon, wenn auch sehr, sehr verborgen, das Wissen, dass woanders, auf anderen Dimensionen, Drachenwesen lebten. Und die Einzigen, die dahin eine Chance auf einen Zugang dorthin hatten, waren von jeher die Senjuu und die Uchiha. Da die Senjuu sich jedoch in Konoha mit den anderen Familien vermischt hatten, blieben im Grunde nur noch die Uchiha als reine Hüter dieser Fähigkeit, und Madara hatte hier das einzige Buch in der Hand, mit dem sich dieses Jutsu erlernen ließ.
Das Jutsu hieß „Jutsu des neunköpfigen Phantomdrachens“, und die Beschreibung ließ erahnen, dass es nie vollständig fertig entwickelt werden konnte. Zur Anwendung war Jubi-Chakra notwendig, das universellste Chakra, mit allen fünf Elementen. Und nur mit einer größeren Menge dieses Chakras würde dieses Jutsu stark und sicher genug sein, um einen Bijuu überhaupt zu kontaktieren. Aber Jubi-Chakra war ungefähr so schwer zu finden wie die Bijuu selbst. Es tauchte nur auf, wenn sich schon ein Bijuu irgendwie in der Nähe befand.
Es gab auch eine zweite Version des Jutsus, die jedoch als „äußerst verboten und sehr gefährlich“ beschrieben wurde, eine Version, mit der man ohne Jubi-Chakra einen in einem Menschen versiegelten Bijuu herausziehen konnte.
Dieses Jutsu oder ein ihm sehr ähnliches war sogar bekannt, es wurde schon verwendet, wenn man einen Bijuu von einer Jinchu-Kraft zur nächsten weiter transferieren wollte. Doch dieses Jutsu bedeutete in jedem Fall, dass der Mensch, dem man den Bijuu entzog, dabei starb, und allein deshalb schon kam es für Madara absolut nicht infrage.
„Na dann …“, sagte Madara zu sich, während er sich die erste Beschreibung des Jutsus noch mal ansah, „dann gibt’s erstmal nur die Theorie …“
Er klappte das Buch zu und setzte ein besonderes, nur auf sein Sharingan reaktives Sicherheitssiegel darauf. Schließlich lebte er hier mit Kakuzu und Kisame, und die beiden sollten sicherlich nicht wissen, dass es dieses Jutsu gab und woher es kam.
Auf der anderen Seite von Madaras verschlossener Zimmertür stand Nagato. Madara hatte sich zu sehr auf das Buch konzentriert, um den Jungen zu bemerken, doch Nagato hatte sein Rinnegan aktiviert und konnte durch die Tür schauen. Er hatte Madara dabei beobachtet, wie dieser das Buch gelesen hatte, hatte die Energie bemerkt und daraus geschlossen, dass es wieder um Bijuu ging. Und auch wenn er keinen direkten Blick auf den Inhalt des Buches hatte erlangen können, war nun jedenfalls sein Interesse daran geweckt.
Madara machte einen Schritt auf die Tür zu und Nagato lief schnell über den Flur in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich ab.
Auf der Treppe nach unten kam Madara Konan entgegen, sie hatte die Blüte, die sie am Morgen hergestellt hatte, immer noch im Haar, und fragte: „Dara, hast du Nagato gesehen?“
„Ist er nicht bei Kisame?“
„Nee, Kisame ist bei Sasori.“
„Dann ist er wohl in seinem Zimmer, oder?“
Konan blieb auf der Treppe stehen, sah Madara einen Moment lang einfach an und sagte: „Er ist so komisch irgendwie …“
„Willst du drüber reden?“, fragte Madara.
„M-hm“, machte Konan. „Ich mach mir … ein bisschen Sorgen …“
Madara nahm seine Ziehtochter an der Hand, ging mit ihr durch den Wohnraum unten nach draußen und sagte: „Komm, wir machen einen kleinen Spaziergang.“
Sie nahmen den Weg in den Wald, der unterhalb der Baustelle begann, und kaum waren sie außer Hörweite des Hauses, sagte Konan: „Du hast doch mit ihm trainiert. Was hat er?“
„Dass er schwer traumatisiert ist, weißt du wahrscheinlich. Wie du schon sagtest, du selbst vermisst deine Eltern nicht, weil du dich nicht erinnern kannst, wer sie waren. Aber Nagato kannte seine Eltern. Und er hat von ihnen etwas geerbt, das, was er Rinnegan nennt. Es ist tatsächlich vergleichbar mit meinem Sharingan. Und er weiß, dass es stark ist. Er weiß, dass er so stark sein kann, und er ist so wütend auf die Welt, weil er genau weiß, dass die Welt und der Krieg ihm die Eltern genommen haben.“
„Aber warum hängt er dann mit Kisame rum? Kisame interessiert sich doch null für ihn, der denkt doch immer nur an sein Schwert.“
„Weil Kisame stark ist. Und vielleicht ist diese Oberflächlichkeit für Nagato auch etwas, wo er sich … nun ja, wo er eben Raum für seine Wut innerlich hat. Verstehst du? Dir gegenüber hat Nagato eine Menge Gefühl, das merkst du daran, dass er eifersüchtig ist, und vielleicht findet er Kisame deswegen gut, weil der eben völlig desinteressiert an Verbindung ist.“
„Aber ich kanns nicht leiden, wenn er eifersüchtig ist.“ Konans Ausdruck war eine Mischung aus Sorge, Abneigung und Frage. „Früher hab ich gedacht, wenn ich ihm das immer sage, dass er gar nicht eifersüchtig sein muss, dann wird er damit irgendwann aufhören. Aber er hört nicht auf. Er will mich immer für sich allein haben, ich merke das, er würde Sasori am liebsten wegjagen. Ich hab ihm so oft gesagt, dass ich ihn doch ganz anders gern habe als Sasori, aber er hört mir gar nicht zu.“
„Vielleicht kann er das einfach nicht.“
„Aber …“, Konans Blick wurde eindeutig wütend, „… ich kanns halt echt nicht leiden. Ich kanns nicht ausstehen, wenn jemand … so klammert, ich bin doch meine eigene Person! Ich hab Nagato gern, er ist doch mein Bruder, aber wenn er gar nicht versteht, dass ich …“ Jetzt hatte das Mädchen Tränen in den Augen, „… es nicht leiden kann, wenn er denkt, ich bin nur sein Besitz … dann weiß ich gar nicht … ob ich ihn überhaupt so lieb haben will.“
Madara fühlte, dass ihn die Situation doch ein klein wenig … überforderte. Er war eigentlich wirklich gern Ziehvater und fühlte für Konan auch ziemlich genau das, was ein Vater für seine kleine Tochter empfand. Konan war ihm zufällig in vielem ähnlich, er war stolz auf sie und hatte sie sehr lieb. Doch diese emotionalen Komplikationen zwischen Konan und Nagato wären vielleicht auch für einen wirklichen Vater von zwei so unterschiedlichen Kindern schwer zu händeln gewesen.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander, und Madara spürte, dass Konan Gedanken hatte, das Denken war ihr anzusehen. Und dann fragte das kleine Mädchen: „Madara? Sag mal … wäre es möglich … dass ich irgendwie … in eine Schule gehen kann?“
„In eine Schule?“
Konan nickte. „Irgendwo, wo ich lernen kann und wo andere Mädchen sind …“
„Möchtest du eine Freundin?“
„M-hm. Und ich will noch mehr lernen.“
„Wie lange denkst du da schon drüber nach?“
„Noch nicht lange.“
Madara sah seine Tochter an, und wieder fühlte er Stolz. Dieses Mädchen war so klug und neugierig, und sie wusste schon so genau, was sie wollte und wohin es sie zog, was sie sich wünschte und was nicht.
„Gibt’s hier in der Gegend eine Schule?“, fragte sie.
„Ich hab noch nicht danach gesucht. Ame Gakure hat vielleicht eine Akademie …?“
„Aber nach Ame geh ich nicht!!“ Konans Stimme wurde eindeutig scharf und kalt. „Ich geh überall hin, aber nicht nach Ame!“
„Warum nicht?“, fragte Madara mit einer gewissen Vorsicht.
„Da regnet es doch immerzu, und ich hasse Regen!“
„Okay, dann suchen wir woanders.“
„Wär das denn okay für dich, wenn ich woanders hin gehe?“, fragte Konan. „Es wär ja weit weg, ich müsste da auch übernachten und so …“
„Wenn es eine gute Schule ist, an einem Ort, wo du dich wohl fühlst, wär das für mich natürlich okay. Es gibt bestimmt irgendwo Internate, wo du eine Zeit bleibst und lernst, und wir besuchen dich dort.“
Konan lächelte. „Ich hab dich lieb, Dara.“
„Du brauchst deinen Freiraum, ne? Ich bin wirklich stolz auf dich, Konanchen. Wie du immer lernst und arbeitest und weißt, was du möchtest und was nicht, das ist richtig gut.“
Das kleine Mädchen sah zu ihm hoch, lächelte strahlend. „Ich bin halt meine eigene Person. Und … was ich zum Beispiel an Sasori mag, ist, dass er mich das sein lässt. Sasori tut nicht so, als müsste ich dies oder das für ihn machen, er fragt mich, und wenn ich Nein sage, macht er es selbst.“
„Deswegen seid ihr so ein gutes Team, stimmts?“
Konan nickte.
„Und wenn Sasori mit Kisame Sachen arbeitet, wie ist das für dich?“
„Ich mag Kisame nicht. Aber ich kann doch nicht hergehen und Sasori sagen, was er zu tun hat, nur weil ich diesen Fisch nicht leiden kann. Sasori ist ja auch seine eigene Person.“
„Unabhängigkeit ist dir sehr wichtig, ne?“
„Ja. Ich mag das halt nicht, wenn einer mir sagt, ich soll nur für ihn da sein. Verlange ich dann auch nicht von anderen.“
„Du wirst sicher mal eine ganz starke Frau, wenn du groß bist.“ Madara lächelte.
„Möchte ich auch. Ich weiß schon, was ich mal werden will. Ich möchte Kunoichi werden und die Welt sehen und so viel lernen, wie ich kann.“
„Ich werde mich mal informieren, wo es eine gute Schule für dich gibt“, sagte Madara.
Sie gingen zum Haus zurück, und als sie dort ankamen, saß Nagato auf der Bank vor der Tür. Er hatte ein Buch in der Hand und ein Heft und einen Stift daneben liegen, lernte irgendwas.
„Da bist du ja“, sagte Konan und setzte sich neben ihn. „Ich hatte dich gesucht.“
„Ich war in meinem Zimmer. Das Training mit Kisame war anstrengend, ich hab geschlafen.“
„Was trainiert ihr denn gerade?“
„Taijutsu.“
„Und jetzt lernst du?“
„Ja. Kisame hat was von Ballistik erzählt, und ich wollte wissen, was das ist und so …“
Madara stand nur da und sah seine beiden Kinder, wie sie miteinander sprachen. Konan schien tatsächlich zwiegespalten, was Nagato anging, denn in diesem Moment nahm sie einfach seine Hand in ihre und sagte: „Nagato … Du weißt, dass ich dich lieb hab, oder? Das ist ganz, ganz wichtig, dass du das weißt. Du bist mein Bruder, und egal wie gerne ich Sasori oder sonst wen mag, ich mag dich auch. Ein Bruder ist nicht dasselbe wie ein Freund.“
Nagato sah sie überrascht an.
„Ich mags nur nicht leiden, wenn du so eifersüchtig bist. Aber ich mag dich. Schau mal … ich geh doch auch nicht her und sag, du sollst nur für mich irgendwas sein. Du kannst mit Kisame rumhängen, obwohl ich so nen Fisch echt nicht mag. Ich lass es dir. Also lass mir auch meins. Sasori ist keine Gefahr dafür, dass du mein Bruder bist. Verstehst du das?“
Nagato schien es ein wenig die Sprache verschlagen zu haben, es dauerte einen Moment, bis er etwas dazu sagte: „Ja … Ich hab nur …“
„Angst?“
Er nickte.
„Kann ich auch verstehen. Ich weiß, dass du Angst hast. Deswegen sag ich dir ja, was ich denke. Du kannst dich drauf verlassen, dass ich dir die Wahrheit sage, Nagato. Wenn irgendwas ist, wenn ich wirklich ein Problem habe oder so … Ich sag dir, was Sache ist.“
In diesem Moment hatte Madara den Eindruck, dass Konan dabei war, ihren älteren Bruder in Sachen Reife und Entwicklung zu überholen. Sie war die Jüngere, fünf Jahre jünger, doch die Art, wie sie sich ausdrückte und das, was sie demnach dachte und wie sie ihre Worte wählte, sprach von einer Reife, die Nagato offenbar fehlte. Und wieder fühlte Madara sich durch Konan an Itachi erinnert.
Er ging ins Haus und begann, das Mittagessen zuzubereiten, während Konan bei Nagato draußen sitzen blieb und ihm beim Lernen zusah. Wenn er sich erinnerte, wie die beiden waren, als er sie gefunden hatte, fühlte er Stolz, sowohl auf die beiden, als auch auf sich selbst. Und er fragte sich, ob Konan von selbst diese Klarheit hatte, oder ob sie diese von ihm übernommen hatte. Genau gewusst, was sie wollte, hatte sie damals schon, vielleicht war sie einfach so. Aber so ein Talent wurde natürlich mehr, wenn so ein Kind in eine Umgebung kam, wo sie das entfalten konnte, und Madara bot ihr das. Ebenso wie Sasori, mit dem sie die Freude an der Kunst teilte.
Abseits von den Gedanken an seine Kinder dachte ein Teil von Madaras Gedanken immer noch über die Sache mit den Bijuu nach. Er wollte es nicht so machen wie die anderen Dörfer, nicht nur einen Bijuu einfangen, versiegeln und zur Mitarbeit zwingen.
Es wäre auf lange Sicht doch deutlich ertragreicher, wenn er den Bijuu auch mental und moralisch für sich gewinnen würde. Und er hatte eine Möglichkeit, das zu erreichen, da er die wahren Namen der Geister kannte. Vielleicht würde das genügen, um einen Bijuu zu überzeugen, sich dem neuen Dorf Akatsuki-hikari Gakure zuzuwenden und anzuschließen?
Sollte also Kurama planen, sich wieder in Konoha blicken zu lassen, musste Madara das unbedingt vorher wissen und dort sein, um das Dorf zu retten und Kurama für sich zu gewinnen. Dieser Gedanke ließ ihn lächeln, denn vom vermeintlichen Deserteur zum Retter von Konoha zu werden und damit gleich eine positive Verbindung zu seinem neuen Dorf hier zu schaffen, stimmte ihn vorfreudig. Wenn Akatsuki-hikari somit zum Retter von Konoha wurde, dann wäre das die stärkste mögliche Allianz, die Madara sich nur wünschen konnte. Und Oma Yoneko wäre unfassbar stolz auf ihn.
Am Nachmittag, nach dem gemeinsamen Mittagessen, zog Madara sich wieder auf sein Zimmer zurück und begann mit einer anderen Sache, die für das neue Dorf unerlässlich wichtig war:
Er schrieb einen formalen, allgemeinen Brief, mit dem er sich an jene Familien und Clans wandte, die noch in keinem Dorf fest eingebunden waren.
Es gab immer wieder Familien, auch in den kleinen Bauerndörfern, die ihre Kekkei Genkai versiegelt hatten, um sich vor dem Misstrauen der einfachen Bauern zu schützen. Oft bekamen zivile Bauern Angst, wenn sie in ihrer Mitte Menschen entdeckten, die solche Fähigkeiten hatten. In Ninjadörfern wurden solche Familien verehrt, doch in den zivilen Orten gab es viel Angst und Misstrauen gegenüber Kekkei Genkai Familien. Diese Familien waren also so weit benachteiligt, dass es sinnvoll und nebenbei ein gutes Werk war, sie für ein neues Dorf anzuwerben, in dem ihre Fähigkeiten gewürdigt werden würden.
Madara vervielfältigte den Brief ein paar Mal und würde nun, wenn er unterwegs Hinweise auf solche Clans finden sollte, ihnen ein Exemplar dieses Briefes ähnlich wie ein Flugblatt zukommen lassen.
1991
Am sechsten August hatte ich Geburtstag, wurde zehn Jahre alt.
Und obwohl ich auf dem Papier ja bereits Chuunin war, markierte mein zehnter Geburtstag den Zeitpunkt, an dem ich offiziell berechtigt wurde, diesen Rang auch bei Missionen zu vertreten und ein eigenes Team zu leiten. Ich hatte die Chuunin-Prüfung damals für einen bestimmten Teil meines Studiums gebraucht und diesen Rang darum schon erhalten, und nun wurde er sozusagen „aktiv geschaltet“, ich sollte nun anfangen, richtig zu arbeiten.
Und darum stand ich, zwei Wochen nach meinem zehnten Geburtstag, dann in Minatos Büro und erwartete meine erste aktive Mission als Chuunin.
Die erste Mission, an der ich als Chuunin teilnahm, war ein Auftrag zur Bewachung einer Prinzessin und Tochter eines Feudalherrn, die von Taki Gakure nach Suna Gakure reisen wollte und dabei durch das Regenland von Ame Gakure musste. Da das Regenland sehr arm war und es dort große soziale Probleme gab, befürchtete man Überfälle auf die Reisenden und hatte darum Konoha angefragt, ein kleines Team zu schicken.
Minato wählte dafür Shisui und mich aus, dazu einen maskierten Anbu, den wir nicht erkannten, und eine junge Kunoichi namens Mie, die sich mit den Zuständen in Ame Gakure gut auskannte.
„Ist eine solche Mission denn nicht zu einfach für Itachi und mich?“, fragte Shisui, nachdem Minato die Informationen übergeben hatte.
Der Hokage schüttelte den Kopf. „Ich denke, nicht. Für dich mag sie einfach sein, Shisui, aber Itachi hat so viele andere Aufgaben, dass ich ihm gerade keine kompliziertere Mission geben werde, und du gehst mit, um ihm den Rücken frei zu halten. Außerdem ist es seine erste Mission als aktiver Chuunin.“
„Verstanden.“ Shisui nickte und verbeugte sich dann. „Meister Hokage.“
„Wer leitet denn dieses Mal das Team?“, fragte Mie.
„Formal hat Itachi die Führung. Es ist aber seine erste Mission als aktiver Chuunin, daher erwarte ich, dass alle im Team ihn dabei unterstützen“, antwortete Minato und sah mich dabei an.
Ich war ziemlich aufgeregt, spürte mein Herzklopfen und meine Hände zitterten ein wenig. Aber ich streckte meinen Rücken, machte mich gerade und nickte. Dann sah ich zu Shisui, er lächelte und sagte: „Alles klar, dann bist du jetzt der Boss und wir halten dir den Rücken frei.“
Vom Regierungsgebäude ging ich dann direkt nach Hause und hoch in mein Zimmer, öffnete meinen Waffenschrank und suchte diejenigen Waffen aus, die ich brauchen würde. Ich hatte zwar schon an mehreren Missionen teilgenommen, aber diese fühlte sich dennoch irgendwie wie ein erstes Mal an, es war ja auch das erste Mal, dass ich aktiv ein Team leiten sollte.
Es klopfte an meiner Tür, ich rief „Ja?“ und Mama kam herein.
„Alles gut, Spatz?“, fragte sie.
„M-hm.“ Ich nickte. „Bin nur ein bisschen … aufgeregt. Ich hab ja noch nie ein Team geleitet.“
„Shisui ist ja auch dabei, dann hast du jemanden da, den du kennst. Und er ist ja auch echt stark“, sagt Mama.
Ich nahm die Rolle mit den Kunai aus dem Schrank und nahm drei Stück heraus, die noch mit Schnüren präpariert werden mussten, um sie am Körper griffbereit zu haben.
In dem Moment hörte ich, wie Sasuke unten in seinem Bettchen im Wohnzimmer zu weinen anfing, und ich legte sofort die Messer aus der Hand, lief raus und die Treppe hinunter und sah, dass mein Bruder mit den Händchen nach dem Mobile über seinem Bettchen griff und versuchte, es herunter zu reißen. Ich lief zu ihm, nahm ihn aus dem Bettchen und griff mit der anderen Hand nach dem Plüschdrachen, der auf dem Sofa lag.
„Hier, spiel lieber damit.“
Sasuke sah mich mit großen Augen fragend an und als ich sein Gesicht berühren wollte, griff er meinen kleinen Finger, hielt ihn fest.
Mama war hinter mir ebenfalls herunter gekommen, sie sah mich an und lächelte.
„Du bist wirklich ein ganz toller großer Bruder, Itachi“, sagte sie.
„Ich lieb ihn ja auch“, erwiderte ich und drückte meine Lippen auf Sasukes Stirn. „Mein Sasuke …“
Mama nahm mir Sasuke dann ab und ich ging wieder hoch, um weiter meine Waffen für die Mission vorzubereiten.
Ich suchte ein graues Oberteil mit langen Ärmeln aus meinem Kleiderschrank und drehte es auf links, um die Riemen, mit denen man die Kunai im Ärmel versteckte, innen fest zu machen. Dann fuhr ich mit der knielangen, ebenfalls grauen Hose fort, wo rechts am Bein die Tasche für die Shuriken befestigt werden musste. Ich kontrollierte alle Klingen darauf, ob sie auch glatt und scharf waren, und sortierte zwei Shuriken aus, die beschädigt waren.
Mein kleines Schwert sollte auch mitkommen, also kontrollierte ich, ob es in gutem Zustand war, und entdeckte dabei einen kleinen Schaden am Griff, der beim letzten Training entstanden sein musste. Ich legte es also erst mal beiseite, mit dem Plan, es gleich zur Waffenschmiede zu bringen, damit die es reparieren konnten, ehe wir morgen aufbrachen.
Nachdem ich alle Sachen, die ich mitnehmen wollte, zusammen hingelegt hatte, ging ich also noch mal aus dem Haus, lief durchs Dorf zur Waffenschmiede der Familie Ama und brachte mein Schwert dorthin. Als ich den Laden betrat, saß die Frau der Familie hinter dem Tresen.
„Guten Morgen, Itachi. Willst du eine Waffe vorbeibringen?“, fragte sie.
Ich zeigte ihr mein Schwert und die kleine Beschädigung. „Ich muss morgen früh auf Mission, können Sie das bis dahin reparieren?“
„Sicher. Ich bringe es gleich zu meinem Mann in die Werkstatt.“
In einer Ecke hinter dem Tisch klapperte etwas, Frau Ama sah hin und sagte in die Richtung: „Tenten, mein Schatz, lass die Schranktür zu, da darfst du nicht dran.“
Auf einer Spieldecke auf dem Boden saß ein Kleinkind, ein Mädchen von vielleicht einem dreiviertel Jahr. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass es in der Familie Ama auch ein Baby gab …
„Wie geht’s deiner Mama, Itachi? Kommt sie gut mit dem Baby zurecht?“, fragte die Mutter.
„Mama geht’s gut, und Sasuke auch.“
„Du kannst dein Schwert heute Abend abholen, oder morgen früh. Einfach klingeln, mein Mann ist ab vier Uhr da.“
Ich verbrachte den Vormittag an der Uni, und nachmittags arbeitete ich zu Hause in meinem Zimmer weiter. In den letzten zwei Wochen hatte ich die Uni wegen Sasuke vernachlässigt und so gab es einiges zu tun. Zwischendurch half ich Mama in der Küche und einmal ging ich ein bisschen ins Dorf, weil Sasuke seinen täglichen Spaziergang mit mir einforderte.
Am nächsten Morgen war ich schon um halb drei Uhr wach. Das war sogar für mich recht früh, normalerweise wachte ich immer gegen vier auf, aber ich war ziemlich aufgeregt, deshalb war es vielleicht kein Wunder. Ich hatte sogar irgendwas geträumt, was mit Missionen zu tun gehabt hatte.
Ich stand gleich auf und zog mich an, öffnete das Fenster und ließ die frische Morgenluft herein. Ich war so ein früher Morgenmensch, seit ich denken konnte, ich liebte die kühle Luft und den Sonnenaufgang über dem Wald, und ich konnte zu dieser Tageszeit auch am besten arbeiten.
Bis wir aufbrechen sollten, war noch Zeit, und so setzte ich mich erst mal auf den Teppich vor meinem Bett und meditierte eine Weile, öffnete meinen Ruheraum im Tsukuyomi und ging da hinein, um mich in einen Zustand zu versetzen, in dem ich gut arbeiten konnte.
Dieser Ruheraum war inzwischen ein fester Teil meines Lebensrhythmus, den ich so gestaltete, dass er mir nichts als gutes Gefühl machte, und ich konnte darin Stunden verbringen, während in der Welt draußen nur fünf Minuten vergingen.
Ich wusste nicht, ob mein Urgroßvater Fukuya so etwas auch getan hatte, hatte ihn ja nie kennen lernen können, aber für mich funktionierte Tsukuyomi als Ruheort sogar besser als wenn ich es im Kampf als Waffe einsetzte. Vielleicht war das auch einfach meine Art, meine Persönlichkeit? Ich hatte noch Madaras Worte im Ohr, wie er gesagt hatte, dass dieses Jutsu mit meinem Wesen verwachsen und eins mit mir sein würde.
Nach dem Meditieren stand ich wieder auf, ging rüber ins Bad und band mir dort vor dem Spiegel mein Stirnband um.
Das Konoha-Zeichen war unter meinem Pony kaum zu sehen, und ich dachte, dass ich etwas an meinem Haar anders haben wollte, damit das Zeichen auch gut zu sehen war, wenn ich außerhalb des Dorfes arbeitete.
Ich teilte meinen Pony also in der Mitte und strich mein Haar so zurecht, dass es wie bei Mama aussah. Wenn ich die vorderen Haare wachsen ließ, würden sie von selbst so fallen, dass man das Zeichen besser sah. Ich strich dann alle Haare, die lang genug dafür waren, hinter meine Ohren und versuchte, sie im Nacken zusammen fassen, aber dafür waren sie noch nicht lang genug. Also beschloss ich, dass ich sie ebenfalls lang wachsen lassen wollte, so wie Mama sie trug, und zur Arbeit würde ich dann einen Pferdeschwanz oder einen Zopf machen können. Die Idee gefiel mir.
Bevor ich das Bad wieder verließ, nahm ich zwei einfache Haarklemmen aus Mamas Vorrat mit, um irgendwann auszuprobieren, ob das vielleicht mit dem Stirnband zusammen gut aussah.
Ich packte meine Sachen fertig zusammen, setzte den Rucksack auf und ging runter in die Küche. Auf dem Tisch stand eine Lunchbox mit Reis, Gemüse und Salat darin und ein Dreierpack dreifarbiger Dango, dazu ein kleiner Zettel: „Guten Morgen, Spatz, ich hab dir Proviant gemacht. Pass auf dich auf und gib dein Bestes auf der Mission! Hab dich lieb. Deine Mama.“
Ich packte die Box, die Packung und den Zettel also noch in meinen Rucksack, ging dann raus und schloss die Tür von außen ab.
„Hey, da bist du ja!“
Ich drehte mich um und sah Shisui auf mich zu kommen, ebenfalls in voller Missionsmontur und mit einem Sandwich in der Hand.
„Ich muss noch mein Schwert aus der Schmiede holen“, sagte ich.
„Mie und der Anbu sind schon am Tor, die waren zu früh auf.“ Shisui grinste schief und fügte noch hinzu: „Gibt’s selten, dass du mal der Letzte bist, Itachi.“
Das stimmte. Ich war oft schon so früh wach, dass ich meistens überall der Erste war. Auch schon in der Akademie, es war öfter vorgekommen, dass die Lehrer mir als Erstes aufschließen mussten und ich zuvor schon gewartet und mir die Zeit mit Lesen vertrieben hatte.
Wir holten also noch mein Schwert beim Waffenschmied ab, der war auch schon auf und ein ähnlich früher Vogel wie ich, der schon arbeitete und nebenbei Tee trank.
„Gebt euer Bestes!“, rief er uns noch nach, als wir gingen, und ich hatte ein Gefühl von Stolz und realisierte ein Stückchen mehr, dass ich jetzt wirklich Chuunin war. Der jüngste Chuunin im ganzen Dorf Konoha.
Immer der Jüngste zu sein und zugleich der Beste in so vielem, war schon auch ein Teil meiner Identität, wie sollte es anders sein, ich war ja so aufgewachsen. Aber ich gab mir weiterhin alle Mühe, dennoch „auf dem Boden“ zu bleiben. Ich wollte auf keinen Fall auch nur irgendwie eingebildet wirken, und wieder dachte ich an das lose entworfene „Shiawase-no-Jutsu“, mit dem ich das, was mich zum „Wunderkind“ machte, besser würde regulieren können.
Als wir am Tor ankamen, standen Mie und der Anbu offenbar schon länger dort. Aber keiner von beiden sagte etwas dazu, dass ich zu spät war. Vielleicht, weil man mich, den Uchiha-Erben, nicht beleidigen wollte, oder vielleicht auch einfach, weil die beiden zu früh waren und ich eigentlich nur pünktlich, denn es war fünf vor vier.
„Ich heiße für diese Mission Yuta“, sagte der Anbu und verbeugte sich leicht. Er trug auf seiner Anbu-Uniform zusätzlich das Abzeichen der Polizei und ich fragte mich, ob ich ihn kannte, ob er unter der Maske und mit seinem echten Namen einer von Papas direkten Untergebenen war?
Wir waren also ein Team aus zwei Uchiha-Jungen, einer Kunoichi mit Auslandserfahrung und einem maskierten Anbu, und es war sowohl eine echte Mission als auch nebenbei eine Art Testlauf für mich, ob ich mich als aktiver Chuunin und Teamleiter eignete.
Alle drei sahen mich erwartungsvoll an, und ich fühlte, wie sich in mir ein Gefühl von Ernsthaftigkeit und Verantwortung breit machte. Es war wie so ein Schalter in meinem Inneren, den ich umlegte und mich von einem gerade zehn Jahre alten Jungen mit sensiblem Temperament und einer Neigung zur Schüchternheit in einen arbeitenden, starken Chuunin verwandelte.
„Geht’s los?“ fragte Shisui.
Ich nickte, befand mich dabei innerlich noch im Wandel, doch ich spürte, wie ich nach außen hin die Führung der Gruppe übernahm und das Signal zum Aufbruch in einer Weise gab, die ernst und erwachsen aussah.
Wir nahmen den Weg durch die Baumkronen, das ging schneller, und ich sprang voraus, Shisui war direkt hinter mir.
„Itachi?“
„Mh?“
„Alles gut?“
„Ja. Wieso?“
„Nur so.“
Ich drehte mich kurz zu ihm um, fragte noch mal: „Wieso?“
„Du leitest zum ersten Mal ein Team.“
„Ich krieg das schon hin. Hab ja dich.“
Shisui lachte. „Stimmt.“
Eine Weile bewegten wir uns ohne weitere Worte fort, dann kam Shisui wiederum näher und fragte: „Itachi? Darf ich dich mal was … Persönliches fragen?“
„Klar.“
„Ist … ein bisschen peinlich …“
„Egal. Frag schon“, sagte ich. „Wir sind doch Freunde.“
„Also … na ja, vielleicht ist das bei dir auch noch gar kein Thema … aber irgendwie würd ich’s gern wissen, was du darüber denkst …: Machst du dir schon Gedanken um so was wie … Männlichkeit und so?“ Shisui errötete ein wenig und sagte schnell: „Wahrscheinlich denkst du da gar nicht dran, oder? Ich meine, du bist erst zehn …“
„Ich hab darüber nachgedacht“, antwortete ich. „Als ich auf der Akademie war und die Jungs in der Klasse mich ‚kleines Mädchen‘ genannt haben, hab ich darüber nachgedacht, was sie meinen und ob mich das stört.“
„Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“
„Ich bin Mamas Sohn, ich hab sie lieb und sie hat mich lieb. Und ich will lieber so werden wie sie, statt mir irgendwelche blöden Gedanken über Männlichkeit zu machen, die ich selber gar nicht wichtig finde. Ich seh mich nicht als mehr oder weniger „männlich“ oder „mädchenhafter Junge“ oder so, ich versteh mich einfach nun mal gut mit Mädchen und da seh ich nichts Schlechtes dran. Irgendwann verlieb ich mich in eine, und vielleicht denk ich dann was anderes. Aber ich will mich nicht verrückt machen lassen von irgendwelchem Männlichkeitsstress.“
„Wow, das ist mal ne Einstellung!“ Shisui lachte. „Aber ist irgendwie typisch für dich, Itachi. Du denkst so über Sachen nach, und du fühlst auch genau, was du selber dazu meinst, ne?“
Ich griff im Flug in meine Shurikentasche am Bein und zog eine von Mamas Haarnadeln heraus, die ich mir kurzerhand ins Haar schob, um meinen Pony beiseite zu halten. „Und wenn ich Mädchensachen benutze, ist mir das auch egal. Ich mags.“
Wir erreichten den Treffpunkt, an dem die Reisenden auf uns warten sollten, vor der vereinbarten Zeit, und mussten dort eine Weile warten, ehe die Leute auftauchten.
Sie hatten einen von einem Ochsen gezogenen Karren und eine Kutsche mit einem Pferd davor, und in dieser Kutsche saß eine junge Frau in sehr vornehmer Kleidung, die Prinzessin, die wir beschützen sollten. Insgesamt bestand die Gruppe aus acht Personen, und da war auch ein Kind dabei, ein Mädchen von ungefähr sechs oder sieben Jahren, das auf dem Karren saß und uns, als die Gruppe uns erreichte, zuwinkte.
„Das sind die Ninjas aus Konoha Gakure, oder?“, fragte das Mädchen.
„Ja, das werden sie sein“, antwortete eine alte Frau, die neben dem Kind auf dem Karren saß. Sie musterte uns von oben bis unten, und ihr Blick blieb an den Familienwappen hängen, die Shisui und ich auf der Kleidung hatten: „Du meine Güte, die haben uns zwei vom Uchiha-Clan geschickt!“
Shisui, Mie und Yuta traten hinter mich zurück und ich wusste, ich sollte uns jetzt vorstellen und den Auftrag übernehmen. Wieder legte ich diesen Schalter in mir um und handelte ganz professionell und selbstsicher, obwohl ich innerlich ziemlich aufgeregt war.
„Wir sind euer Beschützerteam. Mein Name ist Itachi Uchiha, ich leite das Team.“
Shisui stellte sich ebenfalls vor, genau wie Mie und Yuta.
Die alte Frau musterte uns ein wenig, aber keineswegs geringschätzig, und fragte dann: „Habt ihr auch einen Mediziner dabei?“
„Wieso?“, fragte Mie.
Die Frau deutete auf die dritte Person auf dem Wagen, einen Jungen von etwa fünfzehn, der tatsächlich einen Verband am Bein trug. „Er hat eine Verletzung am Schienbein, nicht groß, aber schwer genug, dass er nicht laufen kann.“
Shisui sah mich an, und ich hob die Hand. „Ich hab eine medizinische Grundausbildung, ich kann mir das mal ansehen.“
Wir blieben also noch ein wenig an diesem Treffpunkt und ich sah mir die Verletzung des Jungen an. Es war ein Wespenstich, der sich entzündet hatte. Ich kramte innerlich mein medizinisches Wissen heraus und suchte in meiner Tasche nach meinem Verbandszeug. Die Wunde musste gereinigt werden, und als ich sie desinfiziert hatte, ließ ich ein wenig Chakra hindurchlaufen, das die Entzündung reduzierte und die Haut wieder zusammenwachsen ließ. Da es nur eine kleine Verletzung war, brauchte ich dazu nicht viel Chakra und hatte den Stich bald nahezu geheilt.
„Du bist doch echt jünger als ich, oder?“, fragte der Junge.
„Ich bin gerade zehn geworden“, sagte ich.
„Und da bist du schon Teamleiter und kannst solche Sachen?“
Die Art, wie er das fragte, machte mich innerlich verlegen, und Shisui, der neben mir stand, rettete für mich die Situation: „Itachi ist in unserem Dorf der Rekordhalter für die besten Abschlüsse als jüngster Teilnehmer. Er ist richtig gut, auch wenn er erst zehn ist.“
Die alte Frau wandte sich zu uns um und sagte: „Das ist eben der Uchiha-Clan … Ich habe gehört, Yoneko Uchiha führt den Clan immer noch?“
„Ja“, sagte ich.
„Bist du ihr direkter Nachkomme?“
„Sie ist meine Urgroßmutter.“
Die Frau sah mich einen Moment lang an, so als kramte sie in ihrer Erinnerung. „Wie bist du mit Madara Uchiha verwandt?“
„Er ist ein Cousin meiner Eltern und mein Pate. Aber … Madara ist nicht mehr da, er ist nach dem Krieg verschwunden und wir wissen nicht, wohin.“
„Das ist traurig. Wo Yoneko doch so stolz auf ihn war …“
„Sie ist jetzt stolz auf Itachi“, sagte Shisui.
Die alte Frau lächelte. „Sollte sie auch sein, wenn er mit zehn Jahren schon Mediziner ist.“
„Meine Mama ist auch Ärztin“, sagte ich. „Ikue Uchiha.“
„Du bist Ikue Uchihas Sohn? Dann ist es ja wirklich kein Wunder, dass du schon Medizinisches Ninjutsu beherrschst“, sagte der Mann, der das Pferd führte.
Diese Aufmerksamkeit wurde mir schon wieder unangenehm, auch wenn ich andererseits sehr stolz war, Mamas Kind zu sein, der Sohn der berühmten Ikue Uchiha, die dafür bekannt war, ihr Sharingan in ein starkes medizinisches Werkzeug verwandelt zu haben.
Ich sah zu Shisui, der bemerkte, was los war, und rettete mich wieder: „Lasst uns mal los gehen, sonst wird Itachi hier noch rot bei so viel Komplimenten.“
Wir brachen also gemeinsam auf, und Shisui übernahm seinem Temperament entsprechend die meiste Konversation. Er war nun mal extrovertierter als ich und zog damit auch eher die Aufmerksamkeit auf sich.
Ich dagegen ging einfach nur mit, machte mich quasi unsichtbar und hatte nach außen hin meine nachdenkliche Fassade, wie so ein „Bitte nicht stören“-Schild, hinter dem ich mich gut verstecken konnte. Es fiel mir nicht schwer, ich mochte das, nur zuzuhören und dabei unauffällig und still zu sein. Nach der vielen Aufmerksamkeit eben tat es mir gut, dass Shisui das Reden übernahm und ich mich wieder zurückziehen durfte. Das Einzige, was ich tun musste, war, zu zeigen, dass ich zuhörte und nachdachte, sonst nichts.
„Was denkst du, Itachi?“, fragte Shisui mich, als wir eine ganze Weile später an einem kleinen Gasthaus vorbei kamen und der Junge, dem ich das Bein versorgt hatte, fragte, ob er etwas zu Essen kaufen durfte.
Ich war sofort wieder auf Sendung und antwortete: „Einer kann rein gehen und für alle Essen rausholen.“
„Besser nicht zu lang bleiben?“, fragte Shisui.
Ich nickte, wandte mich dann zu Mie um. „Was sagst du?“
Sie zog ihre Landkarte hervor und sah hinein. „Wir sind schon ziemlich nah am Regengebiet“, sagte sie. „Ab hier müssen wir damit rechnen, dass mögliche Angreifer ihren Heimvorteil nutzen. Die Leute hier nutzen Jutsus, die sehr gut an den Regen angepasst sind.“
Der Junge ging dann in das Gasthaus und holte Lunchboxen für alle heraus, Shisui hatte ihn dabei genau im Blick. Ich sah zu, wie Mie in ihrer Landkarte las und die Umgebung analysierte, und bemerkte, dass die Spannung stieg. Die Grenze zum Regenland war zwar noch recht weit entfernt, doch wenn der Regen bis hierher zog, dann konnte das auch bedeuten, dass mögliche Angreifer, die den Regen zu nutzen wussten, schon hier waren.
„Ich kenne diese Leute“, sagte Mie. „Sie folgen dem Regen, so weit wie sie können. Je größer das momentane Regengebiet ist, desto mehr Möglichkeiten haben sie.“
„Was sollten wir tun?“
„Kein Feuer machen. Feuer ist ihnen hoffnungslos unterlegen, und das wissen sie.“
„Bedeutet, dass wir keine Feuerversteck-Jutsus anwenden können.“
„Genau.“
„Shisui!“, rief ich nach meinem Cousin. „Wir müssen die Lage besprechen!“
Shisui stand eine Sekunde später neben mir. „Alles klar, was gibt’s?“
„Unsere Gegner sind Leute aus dem Regenland“, sagte Mie. „Feuerversteck könnt ihr vergessen.“
„Na klasse.“ Shisui seufzte. „Und was dann?“
„Genjutsu und Taijutsu.“
„Oder Kopieren …“, sagte Shisui noch. „Bin zwar nicht Kakashi Hatake, aber passt schon.“
Mie wandte sich wieder zu mir um. „Du bleibst bei Genjutsu, stimmt’s?“
Ich nickte. „Ja.“
Yuta kam dazu, er hatte unsere Besprechung mit ein wenig Entfernung angehört und sagte nur: „Genjutsu dürfte kein Problem sein, oder?“
„Ich denke, nicht“, sagte Mie.
Wir nahmen das gekaufte Essen mit und setzten den Weg fort. Und je näher wir dem Regengebiet kamen, desto angespannter wurde die Stimmung. Mie hatte die ganze Zeit ein Gerät in der Hand, mit dem sie das Wetter analysierte, und Shisui aktivierte irgendwann seine Sharingan, um die Umgebung besser lesen zu können.
„Eigentlich ist das Regenland viel kleiner. Aber wenn sowieso vom Meer aus mehr Regen übers Land zieht, dann dehnt sich auch der Aktionsradius der Regenleute aus. Ihre Jutsus sind abhängig vom Regen und angepasst an dieses Land“, erzählte Mie.
„Wie sind diese Leute denn?“, fragte Shisui.
„Die Menschen in Ame Gakure sind pessimistischer als wir. Sie kennen nur Regen, Kälte und Dunkelheit. Und sie sind arm.“
„Es geht ihnen also nicht gut?“
„Nein. Und wegen der Schäden der letzten Kämpfe und des Kriegs sind die Menschen sehr bitter und glauben nicht an dieselben Dinge wie wir.“
Irgendwas an dem, wie Mie das sagte, ließ mich auf einmal an Madara denken. Vielleicht nicht mal verwunderlich, denn Ame Gakure war der Ort, wo man ihn zuletzt gesehen hatte, nach der finalen Schlacht am Ende des Krieges.
Und auf einmal hatte ich eine Idee, eine Ahnung, einen Gedanken, warum Madara vielleicht damals weg gegangen war: Wenn die Menschen in Ame Gakure so bitter, traurig und arm waren, nur Kälte und Dunkelheit kannten, und er das gesehen hatte … Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass diese traurige, kalte Umgebung seine hilfsbereite Fürsorglichkeit wecken würde. Madara glaubte zutiefst an das Gute, er war jemand, der so etwas wie Dunkelheit und Kälte nicht einfach so stehen lassen konnte. Er würde sich irgendetwas ausdenken, irgendetwas tun, um zu helfen.
Ich hatte keine Hinweise, kein konkretes Wissen, aber in diesem Moment war ich mir sicher: Madara war noch irgendwo da draußen, er hatte irgendeine Mission, und die hatte ganz sicher etwas damit zu tun, dass er in Ame Gakure gewesen war und das Elend dort gesehen hatte. Er wollte nicht gefunden werden, weil er noch nicht fertig war mit dieser Mission, und er würde irgendwann zurück kommen nach Konoha, und uns allen strahlend verkünden, dass er irgendwo die Welt ein bisschen besser gemacht hatte. Er hatte seinen Traum, Hokage zu werden, sicher nur aufgeschoben oder gegen etwas eingetauscht, was ihm dieselbe Erfüllung gab, irgendeine Arbeit, die vielleicht mit Hilfe, Kindern und positiven Lehren zu tun hatte.
„Itachi?“, riss mich Shisui aus meinen Gedanken. „Was denkst du gerade?“
„Ich hab an Madara gedacht … Weil er ja zuletzt in Ame Gakure gesehen wurde …“
„Es weiß immer noch niemand, wo er ist, oder?“
„Nein. Aber ich habe … eine Ahnung. Ich weiß, er ist noch da draußen, und er ist nicht desertiert.“
„Was denkst du, wo er sein könnte?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Wo, keine Ahnung. Aber ich weiß irgendwie, dass er irgendeine Sache macht, die … ihm eben wichtig ist.“
„Wichtiger als unser Dorf?“
„Weiß ich nicht. Aber jemand wie er … kann auch Konoha-Ninja sein, ohne das Stirnband zu tragen.“
Shisui nickte. „Das stimmt, das würde zu ihm passen.“
Über diesem Gespräch hatten wir eine Gegend mit dichterem Wald erreicht, der Weg wurde schmaler und hatte viele Löcher, in denen sich Wasser gesammelt hatte. Dieser Wald war schon erkennbar ein Teil des Regenlandes, die Bäume hingen voll mit Moos und anderen Pflanzen, die sich in so feuchter Umgebung gern ausbreiteten.
Wir hielten kurz an, um die Lage zu überblicken, und tatsächlich fühlte ich winzige Wassertröpfchen in der Luft, wie einen leichten Sprühregen. Wir hatten das Regengebiet erreicht.
„Ab jetzt müssen wir aufpassen“, sagte Mie. „Wer keine Waffen hat, bleibt ab jetzt auf dem Wagen. Und wer Waffen hat, hält sie griffbereit.“ Sie sah mich an, und die anderen auch. Ich war der Chuunin, der diese Mission leitete, und jetzt warteten alle auf meine Anweisungen. Irgendwo spürte ich innerlich eine Aufregung, weil ich jetzt verantwortlich war, aber diese Aufregung durfte ich nicht zeigen, nicht danach handeln.
Ich aktivierte meine Sharingan, Shisui tat es mir sofort gleich, und dann legte ich dar, was zu tun war:
„Yuta, du passt auf die Prinzessin auf. Mie, du meldest mir jede Veränderung sofort. Ich scanne alles andere ab, und Shisui, du hältst auch die Augen offen und, wenn irgendwas passiert, mir den Rücken frei.“
„Alles klar, Boss.“ Shisui salutierte und grinste.
Wir betraten den Wald, und jetzt war die Spannung so deutlich, dass ich ein Kribbeln spürte. Ich ging in Gedanken alle möglichen Szenarien durch, die passieren konnten. Unsere Gegner konnten einfache Straßenräuber sein, oder aber auch Leute, die einer größeren Gruppe angehörten. Und vielleicht, im schlimmsten Fall, sogar abtrünnige Ame-Ninjas. Ich suchte schon innerlich nach Jutsus, die ich würde anwenden können. Genjutsu, denn das Feuerversteck fiel in dieser Umgebung und, wie auch schon gesagt, bei solchen Gegnern, aus. Wir durften auch in keine längere Kampfhandlung verwickelt werden, denn wir hatten Zivilisten dabei. Ich entschied, auch Tsukuyomi einzusetzen, wenn es sein musste, um einen etwaigen Kampf schnell zu beenden.
Ein winziges Geräusch, ein Rascheln, das ein anderer wahrscheinlich nicht mal bemerkt hätte, ließ mich aufhorchen. Es klang nur ein winziges bisschen anders als das Rascheln der Blätter im Wald, und ich war binnen Sekundenbruchteilen wachsam, wusste intuitiv, dass ich jetzt aufpassen musste.
Ich hatte von klein auf, seit meinem zweiten Lebensjahr, mit einer Kerze meditiert und trainiert, sie zu beobachten und jegliche, noch so winzige Veränderung ihrer Flamme wahrzunehmen, und dieses Training zeigte sich nun, ich hatte wie auf Knopfdruck alle Sinne aktiv und wusste, dass die Gegner da waren, sie hatten uns im Blick.
„Sie sind hinter uns“, flüsterte Shisui neben mir, er hatte sie ebenfalls bemerkt. Natürlich. „Der Boden ist trocken, wo sie stehen.“
Ich schaute nach rechts und links, nur mit den Augen, ohne den Kopf zu drehen, und tatsächlich fehlte einer Pfütze auf dem Weg das Wasser. Wie ich das nicht hatte bemerken können, wusste ich nicht, und Shisui hatte sich dasselbe gefragt, er flüsterte: „Als wir an der Stelle waren, war das noch nicht so.“
„Was denkst du?“
„Irgendein Jutsu.“
„Wo sind sie?“
„Im Gebüsch neben dem Weg.“
„Soll ich?“
Ich nickte, und Shisui war verschwunden. Er war extrem schnell, noch schneller als ich. Wenn es um extreme Geschwindigkeit ging, konnte Shisuis Technik es beinahe mit dem Highspeed-Jutsu des vierten Hokage aufnehmen. Er war zu einer solchen Geschwindigkeit fähig, dass er bei der Anbu, wenn er dort unter Maske und Anonymität arbeitete, der „Teleporter“ genannt wurde.
Nur einen Moment später knallte es hinter uns und es gab eine dichte Rauchwolke. Yuta wandte sofort ein Schutzschild-Jutsu für unsere Zivilisten an, und ich versuchte, in den Rauch hinein zu blicken. Shisuis Name lag mir auf der Zunge, doch bevor ich irgendwas sagen konnte, stand er schon wieder neben mir.
„Pseudoninjas“, sagte er und grinste. „Das Wasser war für ein einfaches Bombenjutsu, und verstecken konnten sie sich gut. Mehr aber auch nicht.“
Ich drehte mich wieder um und da lagen sie hinter uns, zwei Männer mit Schals vor den Gesichtern, die ziemlich eindeutig nicht damit gerechnet hatten, dass jemand wie Shisui ihr Gegner sein würde.
„Was hast du gemacht?“, fragte ich.
„Taijutsu. Mehr brauchten die auch nicht.“
Wir setzten unseren Weg durch den Wald fort, weiter wachsam und genau auf jede Veränderung achtend. Die nächsten Gegner konnten durchaus gefährlicher sein …
Die nächste verdächtige Sache, die ich wahrnahm, war dann auch noch mal deutlich subtiler. Irgendwo hörte man entfernt einen Vogel pfeifen, und dann geschah nichts weiter, als dass dieser Vogel verstummte. Aber meine Intuition hatte daran irgendetwas bemerkt. Ich wusste selbst nicht mal, was genau.
„Shisui“, flüsterte ich, „Da ist noch was.“
„Der Vogel?“, fragte er zurück.
Ich nickte, blickte in den Wald hinein, konnte aber nichts erkennen, auch mit Sharingan nicht.
„Andere Seite …“, flüsterte Shisui. „Zwei …“ er kam nicht dazu, weiter zu sprechen, ein surrendes Geräusch unterbrach ihn und er packte mich am Arm, zog mich zu sich heran, und Sekunden später steckte da, wo ich eben noch gestanden hatte, ein Kunai im Boden, mit einem Netz daran, wie man es verwendete, um einen Gegner am nächsten Baum festzumachen.
„Yuta!“, hörte ich Mie rufen, „Schutzschild!“
Ich sah nicht hin, denn in dem Moment kam direkt aus dem Dickicht des Waldes eine schwarz vermummte Gestalt auf mich zu. Shisui war hinter mir, wieder war dieses Surren zu hören und im nächsten Moment standen wir Rücken an Rücken, weil von der anderen Seite ein zweiter Gegner angriff.
„Kein Feuer“, dachte ich nur, denn mein erster Reflex wäre das Jutsu der Phönixblume gewesen.
Shisui wandte Schattendoppelgänger an, blieb bei mir und ließ den Doppelgänger angreifen, binnen Sekunden war er mitten im Kampf.
Mein Gegner dagegen stand ein Stück vor mir, ohne anzugreifen, und ich wunderte mich schon, das war nicht normal. Er hatte mich als erster angegriffen, aber nun stand er da und tat nichts, sah mich nur an.
Shisuis Kampf entwickelte sich dagegen schnell, und er konnte nicht mehr so nah hinter mir bleiben. Das war nicht gut, ich konnte meinen Gegner nicht einschätzen und brauchte die Sicherheit im Rücken.
Statt Shisui stand dann aber auf einmal Mie hinter mir, während Yuta unsere Reisenden beschützte.
„Was ist?“, fragte ich meinen vermummten Gegner.
„Seit wann schickt Konoha Gakure kleine Kinder auf Missionen?“, fragte er zurück.
Und ich verstand, dass meinem Gegner das, was ich selbst schon gar nicht mehr im Bewusstsein hatte, verwunderlich erschien: Ich war ja kleiner als er und erst zehn Jahre alt.
Seine Überraschung war unübersehbar, als ich mein Schwert griff und mich in Position brachte, ihn anzugreifen. Erst als ich meine Sharingan wieder aktivierte, schien ihm ein Licht aufzugehen. Aber da war es schon zu spät für ihn, ich hatte Tsukuyomi innerlich greifbar und ließ es kommen, den Kampfraum mit hunderten Doppelgängern darin, die ihn dort wie in einem Kristallkaleidoskop aus allen Richtungen mit meinem immer gleichen Schwert angriffen.
Und kurz, bevor er das Bewusstsein verlor und vor mir zusammensank, sah er mich noch mal an, und ich sagte nur: „Ich leite diese Mission. Ich bin kein kleines Kind.“
„Alles gut, Itachi?“, fragte Shisui hinter mir. Er hatte seinen Kampf ebenfalls gewonnen.
Ich nickte.
„Dem hast du’s gegeben.“
„Ich bin kein kleines Kind“, sagte ich nur.
„Nee, bist du nicht.“ Er grinste. „Du bist große Klasse, Bruder.“
Als er „Bruder“ sagte, musste ich auf einmal an zu Hause denken, an Sasuke und Mama. Und auch wenn ich diese Mission gewissenhaft führen wollte, ich sehnte mich einen Moment lang nach zu Hause. Ich fühlte eine Teilung in mir, den teamleitenden Chuunin einerseits und den zehnjährigen, hochsensiblen Jungen andererseits.
Shisui las mich wie ein offenes Buch, er lächelte, legte mir seinen Arm um die Schultern und hatte die andere Hand in seiner Tasche, zog eine Packung der Dango heraus, die wir vorhin gekauft hatten.
„Hier, nimm“, sagte er und riss die Packung auf, ich zog einen der Spieße heraus und biss in den ersten, rosafarbenen Knödel, er schmeckte süß.
Wir setzten unseren Weg durch den Wald fort, eine Weile passierte nichts. Ich fühlte, wie mich der Junge, dessen Wespenstich ich versorgt hatte, beobachtete, und musste dadurch daran denken, wie ich war und wie ich wirkte, gerade auch auf Zivilisten.
Für die Zivilisten in Konoha war ich der Clanerbe der Uchiha, fast wie eine Art Prinz, und dazu eben auch noch das hochbegabte Wunderkind. Menschen außerhalb des Dorfes kannten auch oft meinen Namen, und es passierte nicht gerade selten, dass ich auf Leute traf, die mich, wenn ich mich vorstellte und zu erkennen gab, genauso anschauten wie die Zivilisten im Dorf, mit diesem bewundernden, fast ehrfürchtigen Blick. Und auch wenn ich zugeben musste, dass es mir auch manchmal schmeichelte, meistens war es mir eher unangenehm.
Ich mochte vieles von dem, was ich konnte, ich mochte meine Familie und mein Dorf, und ich kannte es ja auch nicht anders. Aber wenn man mich gefragt hätte, wo und wie ich leben wollte und mich am wohlsten fühlte, dann würde meine Antwort sein, dass ich am liebsten zu Hause war, bei Mama und meinem kleinen Bruder, und dass ich mich schon auch danach sehnte, nicht aufzufallen. Einfach irgendwie „normal“ zu sein, auch wenn ich zugleich nicht wusste, was dieses Wort eigentlich bedeuten sollte.
Während wir weiter unserem Weg durch den dunklen Wald folgten, hatte ich nach außen hin alle Sinne aktiv, wir rechneten mit weiteren Angriffen, und ich wusste, Shisui hielt für mich mit die Augen offen, während ich den weiteren Verlauf der Mission gedanklich durchspielte.
Und dann, irgendwann, als wir aus dem dunkelsten Teil des Waldes herauskamen, hatte ich auf einmal … ein Gefühl, einen Gedanken, den ich mir selbst nicht erklären konnte:
Was, wenn Madara das Regenland nie verlassen hatte? Wenn er immer noch hier war? Ich hatte dieses bestimmte Gefühl, er war hier irgendwo, nicht in der Nähe, aber auch nicht allzu weit entfernt. Und falls diese Mission uns zu dem Ort führen sollte, wo er war, was würden wir tun? Ich war mir sicher, dass Madara es bemerken würde, wenn sich unsere Wege kreuzen könnten.
„Itachi?“, sprach Shisui mich an, „Was denkst du gerade?“
„Madara …“, sagte ich. „Es könnte ja sein, dass er immer noch hier ist …“
„Wenn er nicht gefunden werden will, werden wir ihn nicht finden.“
„Ich will ihn nicht suchen. Er wird seine Gründe haben, dass er seine Spuren verwischt.“
Wir erreichten ein Dorf, einen kleinen Ort mit Feldern darum herum, und auf den ersten Blick wirkte es wie ein ganz normales Bauerndorf. Doch dann, als wir um eine Kurve herum kamen, bemerkten wir den Geruch von Rauch und sahen auch eine Rauchsäule über den Häusern.
„Ein Überfall?“, fragte Shisui. „Von einer der Ame-Banden?“
„Wir sehen uns das an“, sagte Yuta. „Kommst du mit mir, Shisui? Itachi, du bleibst bei unserer Gruppe.“
„Ich kann doch auch nen Schattendoppelgänger mitschicken.“
„Okay.“
Und so blieb ich bei den Zivilisten, Mie saß auf dem Wagen und las die Wettergeräte aus, und mein Schattendoppelgänger begleitete Shisui und Yuta.
Als die beiden wieder kamen und ich meinen Doppelgänger auflöste, erfuhr ich, dass es in dem Dorf einen schweren Unfall mit seltsamen Schäden gegeben hatte, die sehr danach aussahen, als lebte in diesem Ort eine der unbekannt und versteckt lebenden Kekkei Genkai Familien.
Drei Bauern waren umgekommen, zwei Häuser abgebrannt und die Überlebenden sprachen von schwarzer Hexerei.
Yuta hatte in den Ruinen etwas gefunden, eine geheimnisvolle, versiegelte Kiste, die wir vorsichtig öffneten. Darin befanden sich mehrere Schriftrollen und obenauf ein Umschlag mit einem roten Siegel darauf. Das Siegel zeigte eine stilisierte Wolke und einen dahinter halb verborgenen Vollmond. Und irgendwas daran, ich wusste nicht was, kam mir vertraut vor.
Als ich den Umschlag in die Hand nahm, spürte ich eine feine Vibration im Papier, und das, was darin geschrieben stand, bestätigte den Verdacht, dass es hier eine Familie mit Kekkei Genkai gab. Es handelte sich um einen in Dogo verfassten Brief an solche Familien, in dem sie aufgefordert wurden, sich erkennbar zu machen, und sich in einem bestimmten Dorf weiter westlich, ganz in der Nähe der Berge, zu melden. Es war die Rede von einem neuen Ort, an dem sie als begabte Clans akzeptiert und gefördert werden würden. Unterschrieben war der Brief nur mit einem rätselhaften Pseudonym: „Der Schatten des tiefroten Mondlichts“
Die Handschrift war sehr ordentlich und absolut neutral. Wer auch immer diesen Brief geschrieben hatte, wusste seine Identität darin vollständig zu verbergen.
Doch der Namen „Schatten des tiefroten Mondlichts“ … ich konnte nicht umhin, dass ich das Gefühl hatte, diese Worte sollten mir etwas sagen.
„Da sucht jemand nach Kekkei Genkai Clans“, sagte ich.
„Wir nehmen die Kiste mit. Vielleicht kann unsere Spurenabteilung in Konoha was damit anfangen“, erwiderte Yuta.
„Und was ist mit unserer Mission?“, fragte die alte Frau auf dem Wagen.
„Wir gehen weiter“, sagte ich.
Während wir unseren Weg also fortsetzten, dachte ich noch über diesen Brief nach. Die Vibration im Papier, die betont neutrale Handschrift, der eigenartige Deckname des Verfassers … Der Brief war in Dogo verfasst worden, und ich übersetzte ihn gedanklich in Senningo. Akatsuki-hikari no Kage. Kage? Jemand schrieb einen Brief, suchte nach begabten Clans, bot ihnen an, sich an einem Ort einzufinden, wo ihre Fähigkeiten gebraucht wurden, und bezeichnete sich als „Kage“?
In meinem Kopf sprang eine Klappe auf, ich dachte an das, was ich über die Gründung von Konoha Gakure wusste: Der Hokage der Ersten Generation hatte es ähnlich getan: Er hatte begabte, mit den Senjuu befreundete Familien und Clans zusammen gesucht und eingeladen, hatte dem neunschwänzigen Fuchs das Land abgekauft, auf dem er das Dorf errichten wollte, und so war Konoha entstanden.
Irgendwo war jetzt also jemand, der dasselbe versuchte. Jemand, der Clans anschrieb, um ein neues Dorf zu gründen, und der vielleicht sogar die Gründungsgeschichte von Konoha Gakure kannte. Die anderen Dörfer waren auf andere Weisen entstanden. Konoha war das einzige der fünf Versteckten Dörfer, das durch eine einzelne Person aktiv gegründet worden war.
Ich sah zu Shisui, der ein Stück weiter neben mir ging, und er bemerkte meinen Blick und erwiderte ihn. Mit einer subtilen Bewegung meiner Hand bedeutete ich ihm, näher heran zu kommen, und wir gingen beide langsamer, bis die anderen ein Stückchen entfernt von uns waren.
„Was denkst du, Itachi?“, fragte Shisui. „Noch der Brief?“
Ich nickte. „Ich glaube, ich weiß, wer ihn geschrieben hat.“
Einen Moment lang hing der Verdacht zwischen uns in der Luft, und Shisui kannte mich gut genug, um zu erkennen, was ich dachte:
„Madara?“, fragte er flüsternd.
Ich nickte.
„Wie kommst du auf ihn?“
„Jemand gründet ein Dorf, als einzelne Person, und bezeichnet sich selbst als Kage des tiefroten Mondlichts. Jemand sucht dafür nach begabten, marginalisierten Clans, so als würde er zugleich Kräfte suchen und ein gutes Werk tun wollen. Und dieser Jemand ist hier, im Regenland. Er sieht hier eine Aufgabe.“
„Kann doch auch jeder andere sein, die Gründungsgeschichte von Konoha ist schließlich bekannt.“
„Aber wer ist denn schon so idealistisch? Die Leute hier in Ame selbst sicherlich nicht. Nein, ich bin mir sicher, es ist jemand von außerhalb. Und es ist jemand, der Hashirama Senjuus Geschichte sehr genau kennt. Ein enthusiastischer Idealist, der die Welt verbessern will, und der Konohas Gründungsgeschichte nachstellt, um selbst Kage zu sein, weil er das als seine Mission ansieht. Weil er das Elend in Ame Gakure gesehen hat. Ich sag dir, wir reden hier über Madara.“
„Und wo ist er?“
„Das weiß ich auch nicht. Am ehesten wohl in den Bergen zum Windreich hin, so wie es in dem Brief steht. Aber die liegen völlig abseits unserer Route, da müssten wir direkt durch Ame Gakure. Das schaffen wir nicht. Und selbst wenn, ich würde ihn jetzt nicht suchen. Wenn er wirklich derjenige ist, der das geschrieben hat und gerade ein neues Dorf aufbaut, dann wird er von sich aus Kontakt aufnehmen, weil er Verbindungen zu Konoha sucht. Er ist nie desertiert, er hat nur seine Mission, und wenn die geschafft ist, wird er wieder kommen. Madara ist mein Pate, ich kenn ihn gut genug.“
„Ich behalte das für mich“, sagte Shisui. „So lange, bis es Beweise gibt.“
„Ja. Oder so lange, bis er sich wirklich von sich aus wieder meldet.“
Wir holten wieder zur Reisegruppe auf und das Thema war fürs erste erledigt. Ich legte es innerlich im Tsukuyomi ab, damit ich nicht weiter darüber nachdachte, und wir setzten die aktuelle Mission mehr oder weniger einfach fort.
Mie hatte eine neue Route berechnet, da der Regen wieder deutlich zunahm und somit auch die Gefahr von Überfällen wieder stieg. Wir mussten das Regenland so schnell wie es ging, wieder verlassen.
Zwischen dem Regenland und der Wüste des Windreiches befanden sich hohe Berge, die überhaupt der Grund waren, warum es hier so stark regnete und in der Wüste direkt dahinter eben nicht mehr. Die Berge waren so hoch, dass der Regen an ihnen hängen blieb und durch den Wind über den Gipfeln wieder zurück in Richtung der Wälder des Feuerreiches getrieben wurde. Und so waren diese Berge eben auch zu hoch, als dass wir sie mit einer Gruppe Zivilisten und einem Ochsenwagen schaffen würden, wir mussten sie umgehen und das Regenland wieder verlassen.
Es gab ein weiteres Land, einen dünn besiedelten Streifen zwischen Feuerreich und Windreich, der ebenso an hohe Berge grenzte, doch dort gab es einen einzigen Punkt, an dem man diese Berge relativ gut überqueren konnte. An diesem Punkt würden Ninjas aus Suna Gakure unsere Reisenden übernehmen und sicher in ihr Dorf begleiten können.
Mie hatte einige mechanische Brieftauben dabei, und eine davon schickte sie uns voraus, damit Suna Gakure informiert war, dass wir auf dem Weg zu dieser Stelle waren.
Als der Regen noch mal stärker wurde, hielten wir Ausschau nach einem Unterstand, doch das Einzige, was wir fanden, war ein kleiner, verfallener Schuppen, hinter dem direkt ein weiterer Regenwald begann. Es wurde kalt und dunkel, und ich dachte an die Menschen, die hier lebten. Mie hatte gesagt, die Menschen von Ame Gakure waren pessimistische, bittere Charaktere, die nicht an dieselben Dinge glaubten wie wir aus Konoha. Und angesichts dieser Umgebung konnte ich mir das gut vorstellen.
Ich sah zu Yuta, der gerade mit Shisui sprach, und bemerkte einen Schatten, nur einen Bruchteil einer Sekunde, bevor Shisui ihn ebenfalls bemerkte: Jemand war über uns, versteckt im dichten Regen, wie eins geworden mit dem Wasser. Kein einfacher Bandit, sondern ein Shinobi, einer der Ame-Ninjas, die völlig vereint mit dem Regen waren.
Yuta hatte sofort sein Schwert in der Hand und Shisui war so schnell verschwunden, dass ich erst nicht wusste, wo er war. Und der Ame-Ninja über uns hatte mich im Visier. Vermutlich, weil er mich nicht kannte oder nicht erkannte.
„Yuta!“, hörte ich Mie rufen, und sah, wie der Anbu wieder einen Schutzschild um unsere Reisenden aufbaute. Das alles geschah innerhalb weniger Sekunden, und als ich meine Sharingan aktivierte, sah ich besser, was wirklich geschah, die Sharingan ermöglichten mir, dass ich wie durch eine Zeitlupe das sehen konnte, was für normale Augen zu schnell war.
Shisui war in einen Kampf mit einem zweiten Kämpfer verwickelt, der zu dem ersten Angreifer offenbar dazu gehörte. Ich sah meinen Cousin, wie er nur hin und wieder aufblitzend zu erkennen war, er nutzte seine Teleporter-Technik, doch sein Gegner schien so sehr mit dem Regen vereint, dass selbst Shisuis unglaubliche Geschwindigkeit den Kampf nicht sofort beenden konnte.
Ich hatte jedoch keine Zeit mehr, das zu beobachten, denn nun griff der erste Ninja mich an, und er hatte jede Menge Shuriken, die anders aussahen als jene, die ich selbst benutzte und kannte. Sie waren flacher und runder, perfekt an den strömenden Regen angepasst. Und ich fühlte, dass ich ihm in Sachen Elemente völlig unterlegen war. Mie hatte Recht, mit reinen Feuerelement-Angriffen hätte ich hier überhaupt keine Chance.
Zuerst konnte ich nichts anderes tun, als auszuweichen, ihn auf Abstand zu halten. Ich versuchte mehrmals, Genjutsu zu verwenden, doch durch den starken Regen fehlte mir die Ruhe, die ich dafür brauchte. Ich war das Kämpfen in einem derart starken Regen einfach nicht gewohnt, dieser Regen war etwas völlig anderes als der, unter dem ich in Konoha trainiert hatte.
Mein Gegner drängte mich in Richtung des kalten, dichten Regenwaldes, und es war klar, dass ich ihm auch darin unterlegen war. Auch wenn Kämpfe im Wald mir eigentlich vollkommen vertraut waren, zu den absoluten Grundlagen meiner Ausbildung gehört hatten, wie für jeden Shinobi aus Konoha, dieser Wald war anders. Der Ame-Gakure-Regen veränderte alle Bedingungen.
Ich versuchte, hoch zu kommen, über den Wald, auf die Baumkronen. Nur nicht in das dichte, triefnasse Unterholz geraten …! Und um genug Kraft zu haben, ließ ich mein Feuer-Element nach innen wirken, es wärmte mich, bis ich die Kälte des Regens nicht mehr so sehr spürte.
„Itachi! Alles okay?“, hörte ich Shisui rufen.
„Geht so“, antwortete ich laut.
„Bin gleich … da! Der hier …“, er wurde von metallischem Kreischen unterbrochen, „… der ist ganz schön hartnäckig!“
Das Tsukuyomi hatte im Laufe der Jahre bewirkt, dass ich irgendwie die Fähigkeit zu höherer Körpertemperatur hatte, es wärmte mich bis zu einem Grad, der bei anderen Menschen schon leichtes Fieber bedeutete. Und diese Fähigkeit nutzte ich jetzt, um beweglich zu bleiben, trotz des kalten Regens.
Ich wich wieder einem Hieb aus, lockte meinen Gegner weiter nach oben, erwischte mit meinen Füßen einen Ast, ließ Chakra laufen, um darauf stehen zu können, und hatte dann eine Sekunde, mehr brauchte ich nicht, um Tsukuyomi kommen zu lassen. Ich konnte meinen Gegner kaum sehen, seine Angriffe waren mehr hör- als sichtbar, weil er so sehr mit dem Regen verschmolz. Er hatte noch nicht ein einziges Wort gesprochen.
Doch auf einmal blieb er in der Luft stehen, zwar nur für einen Moment, aber lang genug, damit ich ihn endlich sah. Er war voll maskiert, ich hatte nur einen kurzen Augenblick, in dem ich seine Augen sah, und er schien sich, wie so viele, doch irgendwie zu wundern, dass er in mir einen Gegner hatte, der aussah wie ein Kind.
Und diesen Moment konnte ich endlich nutzen, um zuerst ein einfacheres Genjutsu zu bilden und auf ihn anzuwenden, und dann seine Verwirrung ebenfalls zu benutzen: Ich öffnete Tsukuyomi, nahm ihn unter dem ersten Genjutsu mit hinein und fühlte, wie überrascht er war. Der Raum, in den ich ihn holte, war eine zeitreduzierte Dimension, mit der ich innerhalb weniger Augenblicke das Zeitgefühl des Gegners vollständig desorientieren konnte.
„Wer … wie …?“ Zum ersten Mal sagte er etwas. Seine Stimme machte seine Angst deutlich.
„Tut mir leid“, erwiderte ich.
Er sagte nichts, sah mich nur an. Es tat mir irgendwie wirklich leid, aber ich durfte es nicht zeigen.
„Wer bist du?“, fragte er dann. „Du siehst aus … wie ein Kind.“
„Tut mir wirklich leid für dich, dir das sagen zu müssen: Ich bin Itachi Uchiha, und du bist in meiner Welt. Wenn du aufwachst, wirst es eine ganze Weile dauern, bis du wieder kämpfen kannst.“
Mit diesen Worten ließ ich die ganze Kraft des Tsukuyomi über ihn kommen, und als ich ihn wieder heraus ließ, hing er bewusstlos über dem Ast, wo er mich angegriffen hatte.
Im nächsten Moment stand Shisui neben mir. „Alles okay?“
„Er war stark.“
„Aber du hast ihn besiegt.“
„Ich konnte ihn … nicht umbringen.“
„Wolltest du nicht?“
„Ich kann das nicht.“
„Du hast ihn besiegt, das reicht.“
„Hast du deinen besiegt?“
Shisui nickte. „Vollständig.“
„Ich kann so was nicht.“
„Ist doch okay.“ Shisui lächelte. „Du bist schließlich Mediziner, Itachi. Jemanden wirklich zu töten widerspricht deinem Kodex.“
Wir blieben noch etwa eine halbe Stunde bei dem Unterstand, so lange, bis der schlimmste Regen wieder vorbei war.
Ich nutzte die Zeit, um diesen Regen zu analysieren, das war wichtig, falls uns in diesem Wetter noch mal jemand angriff. Der Regen von Ame Gakure war besonders dicht und hatte eine Energie in sich, eine Reibung und Verschmelzung aus größeren und kleineren Tropfen zugleich, wie eine zeitgleiche Vermischung aus Starkregen und Nebel, und die Ninja hier kannten diese Eigenschaften genau so gut wie wir aus Konoha unseren Wald kannten.
Als wir unseren Weg vor dem Regenwald entlang fortsetzten, immer achtsam, nicht in den Wald selbst zu geraten, weil dieser so unfassbar dicht und nass war, kam mir ein Gedanke, der die These, dass Madara noch hier im Regenland war, weiter bekräftigte:
Ich kam darauf, weil ich mich fragte, wie stark ein Feuerversteck-Jutsu vielleicht sein musste, um nicht vom Regen ausgelöscht zu werden, sondern den Regen auszutrocknen.
Und dabei fiel mir ein, dass es da wirklich ein Jutsu gab, das so etwas konnte: Amaterasu. Ihre Flammen trockneten und verbrannten auf Anweisung alles, auch Wasser. Ich selbst hatte noch keinen direkten Zugang zu Amaterasu, doch Madara beherrschte diese Flammen sehr gut. Und er als Idealist war sicher längst auf die Idee gekommen, mit diesem Jutsu für Wärme im kalten, dichten Regen zu sorgen.
Die Erbjutsu unseres Clans, Amaterasu, Tsukuyomi und Susanoo, waren nicht einfach nur starke Jutsu. Es waren Kräfte mit einem eigenen Wesen, und sie nur im Kampf zu nutzen wäre die reinste Verschwendung gewesen. Tsukuyomi war mein Ruheort, Susanoo der Schutzpatron der Kämpfer (wenngleich er auf mich nicht wirklich hörte, mehr auf Shisui) und Amaterasu stand nicht nur für zerstörerische, unbesiegbare Flammen, sondern auch für große Wärme und Schutz.
Shisui sah, dass ich nachdachte, und sprach mich an: „Worüber denkst du nach, Itachi?“
„Amaterasu und Madara. Amaterasu ist das einzige Feuer, das dieser Regen nicht zu löschen vermag. Ich glaube, Madara nutzt es jetzt für seine Mission hier.“
„Falls er die Person ist, die den Brief geschrieben hat …“
„Da bin ich mir inzwischen sicher“, sagte ich.
„Man müsste das Feuer befragen können“, sagte Shisui. „Ich kann es ja auch beschwören.“
„Aber es wird dir nicht antworten. Nicht, wenn Madara es um Stillschweigen gebeten hat.“
„Hm, ja …“ Shisui blieb kurz stehen, schaute zum Himmel, wo die Sonne als erkennbarer, blasser Kreis hinter den Wolken zu sehen war. „Ich frag mich nur, wann er wieder kommt, wenn er wiederkommen will. Es sind jetzt sechs Jahre.“
„Wenn er wirklich ein neues Dorf gründet, wird das Zeit brauchen. Aber ich bin mir sicher, irgendwann kommt er wieder.“
Am Abend dieses Tages erreichten wir die südliche Grenze des Regenlandes. Hier wurden die Berge steiler, der Ochsenwagen bekam Probleme, aber der Regen hörte endlich auf. Das Land südlich von Ame gehörte einem Feudalherrn, der mit seinen Samurai genug Streitkraft hatte und nur wenige Ninja brauchte. Deshalb gab es in diesem Land auch kein Verstecktes Dorf. An der Grenze wurden wir kontrolliert, doch als wir erstens den Auftragsbrief von Minato und zweitens den Ausweis der Prinzessin vorlegten, ließ man uns passieren.
Wir übernachteten auf einer Lichtung im Bergwald, und am nächsten Morgen standen die Suna-Ninjas da, die die Reisegruppe übernehmen wollten.
„Wie lief die Reise?“, fragte einer.
Ich erstattete Bericht über die beiden Angriffe und erwähnte nebenher auch den Unfall in dem Dorf. Dass wir Zeuge eines Brandunfalls geworden waren, aber nicht hatten helfen können. Natürlich sagte ich ihnen nicht, dass der Unfall durch Kekkei Genkai verursacht worden war, und schon gar kein Wort über Madaras Brief. Das ging nur Konoha etwas an, zählte schon als staatsrelevantes Geheimnis.
Die Suna-Ninjas übernahmen die Gruppe dann und Shisui, Mie, Yuta und ich machten uns auf den Heimweg. Wir nahmen den direkten Weg durch das Feudalland, verließen es noch am selben Tag und waren am nächsten Tag wieder in Konoha, da wir ohne die Gruppe viel schneller waren.
Mie und ich besprachen noch eine Zusammenfassung der Mission und ich ging dann allein zum Hokage, um ihm Bericht zu erstatten. Den Brief nahm ich mit.
Minato war gerade mit einer großen Schriftrolle beschäftigt, als ich in sein Büro kam. Ich klopfte an die offene Tür, er sah auf.
„Ich will nur Bericht erstatten“, sagte ich.
„Komm rein, Itachi.“ Er rollte die Schrift zusammen und stellte sie beiseite.
„Wir haben die Reisegruppe sicher bis zum Windreich begleitet und sie dann den Suna-Ninjas übergeben. Es gab zwei Angriffe auf dem Weg, aber niemand ist zu Schaden gekommen.“
Ich schloss die Tür hinter mir und fügte noch leise hinzu: „Und wir haben … noch etwas anderes entdeckt. Es ist … wichtig, denke ich.“
Minato verstand sofort, dass es um ein wichtiges Geheimnis ging. Er winkte mich an den Schreibtisch heran und ich trat nah davor, holte den Brief heraus und öffnete ihn.
„Was ist das?“
„Es gab einen Brandunfall in einem Dorf auf dem Weg, ein Unfall, der stark danach aussieht, als lebte dort eine verborgene Clan-Familie, eine mit Kekkei Genkai. Und wir haben in den Ruinen eines der Häuser diesen Brief gefunden.“
„Gib mir das“, sagte Minato, und ich reichte ihm den Brief. Er las ihn und ich sah, wie es dabei hinter seinen Augen arbeitete. „Das ist wirklich … interessant. Gut, dass du mir das zeigst.“
„Shisui und ich, wir glauben, dass wir auch wissen, wer diesen Brief geschrieben hat“, sagte ich.
Minato sah mich an, und ich wusste, er hatte denselben Verdacht. Er und Madara hatten sich ja auch gut gekannt.
„Madara?“, sprach er den Gedanken aus.
Ich nickte.
„Es würde tatsächlich zu ihm passen“, sagte Minato. „Ich werden den Brief an unsere Spurenabteilung weitergeben, die werden sich das anschauen.“
„Würde dann noch mal nach ihm gesucht werden?“, fragte ich. „Ich denke nämlich, er wird, wenn er das geschafft hat, was er wollte, sich von sich aus melden.“
„Du meinst, wir sollen ihm Zeit geben?“
„Ja. Ich bin mir sicher, er hat uns nicht vergessen.“
„In Ordnung. Wenn es sich ergibt, werde ich demnächst noch mal ein Team losschicken, das sich das alles genauer ansieht. Vielleicht auch eine Anbu-Gruppe …“
„Ich denke, wenn er wirklich ein neues Dorf aufbaut, dann wird er sich ohnehin von sich aus melden, er wird ja diplomatische Allianzen brauchen und so weiter.“
Minato dachte einen Moment nach, dann nahm er ein Buch von seinem Schreibtisch zur Hand und schrieb etwas hinein. „Ich schicke Ende nächsten Monats noch mal ein Team ins Regenland. Einfach damit wir ein klareres Bild bekommen, was dort los ist.“
1989 – 1990
Das Anwerben neuer Familien für das neue Dorf, das jetzt den Namen Akatsuki-hikari trug, verlief nicht annähernd so flüssig, wie Madara es sich gewünscht hätte. Er hatte alle Briefe inzwischen verteilt, und zwei Mal waren auch Vertreter von Familien hier aufgetaucht, doch aus verschiedenen Gründen hatten sie sich alle dagegen entschieden, umzusiedeln. Der einen Familie war die Entfernung zu ihrer Heimat zu groß, die andere sah Akatsuki nicht als stark und sicher genug an.
An der Entfernung konnte Madara nichts ändern, doch für die Stärke und Sicherheit konnte er etwas tun.
Aus der Idee mit den Bijuu-Geistern war inzwischen ein Konzept mit mehreren Möglichkeiten geworden, hauptsächlich den Neunschwänzigen Fuchs betreffend. Dieser war erstens frei, zweitens der stärkste aller Bijuu und drittens wusste Madara durch die Schriften des Ersten Hokage am meisten über ihn. Wenn es ihm gelang, diesen Bijuu durch Überzeugung für sich zu gewinnen und an seiner Seite zu haben, dann hätte er genug Macht, Energie und Kraft, um sowohl Clans anzulocken, als auch mit einer sicheren Position in Verhandlungen zu den anderen Dörfern zu treten. Außerdem, sollte der Fuchs sich in Konoha blicken lassen und Madara könnte diesen Angriff stoppen, dann wäre dadurch ein starkes Band zwischen Akatsuki und Konoha gesichert.
Um diese Pläne umzusetzen, brauchte Madara ein wirklich starkes Jutsu. Eines, mit dem man einem Bijuu, und dem Mächtigsten von ihnen, entgegentreten konnte … Er begann, die tieferen Schichten des Phantomdrachen-Jutsus zu erkunden, zuerst, indem er viel las und erkundete, wie dieses Jutsu in seinen Grundlagen aufgebaut war. Es baute auf der Idee auf, dass man durch extrem viel Chakra und genaues Wissen über die Eigenschaften des Bijuu einen künstlichen Drachen erschuf, der stark genug war, einen Bijuu in seiner Art grundlegend zu verändern und gewissermaßen zu zähmen.
Madara wusste, dass es in anderen Welten, auf anderen Dimensionen, wirkliche Drachen gab, doch diese waren für ihn als Einzelperson unerreichbar. Um eine Tür zu einer solchen anderen Dimension zu öffnen, brauchte es von dieser Welt aus ein extrem starkes Tor, oder die andere Dimension musste die Shinobiwelt von sich aus kontaktieren. Ein solches Tor war zum Beispiel durch das Sharingan zwar möglich, doch man brauchte mindestens zehn Sharingan-Anwender, die zugleich dieses Tor öffneten.
Wenn sich also kein echter Drache aus einer dieser anderen Welten von sich aus meldete, brauchte es eine möglichst nahe Imitation. Diese Imitation erforderte ebenso ein dimensionales Auge wie das Sharingan, aber dafür genügte die Kraft eines einzelnen Anwenders.
Für seine täglichen Trainingseinheiten verließ Madara jetzt oft den Ort, ging weiter in die Berge und fand dort zwischen den Gipfeln ein Tal, das sich gut für das Trainieren eines solchen Jutsus eignete. Die hohen Felswände gaben ein gutes Echo ab, schützten jedoch auch die Geheimnisse dieses Trainings, und es waren genug Bäume dort, dass Madara sich fast ein bisschen wie zu Hause im Feuerreich fühlte.
Er hatte früher einmal an einem ähnlichen Ort trainiert, einem Tal mit Bäumen, einem Fluss und einem großen Wasserfall, welches sich im Norden des Feuerreiches befand. Diesen Ort hatte er aus den Schriften des Ersten Hokage gekannt und dort zu trainieren hatte sich immer so angefühlt, als sei er wirklich der Hashirama Senjuu seiner eigenen Generation.
Doch jetzt, wo er im Regenland lebte, wollte er einen ähnlichen Ort auch hier haben. Und so verbrachte er die Zeit in diesem Tal mit dem Training und dem Umbau dieses Ortes nach dem Vorbild jenes Tals im Feuerreich. Weil jenes Tal dort tatsächlich der Familie Senjuu gehört hatte, gab es dort verschiedene Zeichen, die Madara hier nachbildete. Das auffälligste dieser Zeichen war eine riesige Statue des Hashirama aus Fels, zwischen Erde und Wasser, die ja Komponenten des Holzverstecks waren. Mit verschiedenen Techniken baute er diese Statue hier ebenfalls nach und hatte nun den idealen Ort, um ein starkes, idealistisches Jutsu zu entwickeln und zu lernen, mit dem er Kurama gegenübertreten wollte.
Wenn er nach diesem Training dann wieder zurück nach Akatsuki kam, wartete dort Konan auf ihn, die sich nun auf verschiedene Aufnahmeprüfungen an Ninja-Akademien vorbereitete. Sie hatten gemeinsam schon einen Brief an die Akademie von Kumo Gakure geschickt, doch die Antwort ließ auf sich warten und so lernte Konan jetzt schon mal alles, was sie bis dahin können wollte. Madara ging mit ihr das durch, was er über den Lehrplan der Akademie von Konoha wusste, und unterrichtete sie in allem, was nach den pädagogischen Idealen des Ersten Hokage wichtig war, um ein guter Shinobi zu werden. Die Ausbildung in Kumo war mehr oder weniger als Übergang gedacht, und weil Madara es auch für gesund und wichtig hielt, dass seine Ziehtochter mit anderen Kindern zusammen lernte.
Hin und wieder gesellte sich auch Nagato zum Lernen dazu, und Madara fragte ihn auch, ob er ebenso nach Kumo Gakure gehen und dort lernen wollte. Doch Nagato lehnte das ab. Er sagte, ihm sei der Umgang mit den anderen Kindern auf einer Akademie zu viel, und er wollte lieber hier bleiben, im Regenland. Er hatte durch sein Training inzwischen seine ganze Kampfkraft dem Regen verschrieben, genau wie ein Ninja aus Ame Gakure, und wollte nirgendwo anders leben.
Was Madara und Konan nicht wussten, war: Neben Kisame hatte nun auch Kakuzu begonnen, Nagato Dinge beizubringen. Und Kakuzus Techniken, die allesamt dunkle, verbotene Jutsus waren, hatten ihre Wirkung auf Nagato. Er begab sich da in etwas, das dunkel war, dunkel und süchtig nach Macht und Rache. Und Kakuzu achtete darauf, dass Madara nicht zu viel davon mitbekam.
Kisame unterhielt daneben noch weitere Kontakte in den Untergrund. Er wusste, dass es in Konoha vor einer Weile Probleme mit einem Abtrünnigen gegeben hatte: Einer der legendären Sannin, Orochimaru, ein ehemaliger Schüler des Dritten Hokage, hatte im Dorf für große Probleme gesorgt und war dann verschwunden und abgetaucht. Kisame hatte ihn irgendwo kennen gelernt und ihn Kakuzu vorgestellt.
Während Madara voll auf das neue Jutsu und Konans Unterricht konzentriert war, spannen Kakuzu, Kisame und Nagato ihr eigenes Netz. Zuerst versuchte Sasori noch, sich da herauszuhalten, doch dieses neue Netz reizte seine dunkle Seite. Er stieg nicht voll mit ein, dazu hatte er zu viel Respekt vor Madara und mochte auch Konan zu gern, doch hin und wieder beteiligte er sich daran.
Dass Madara gerade an einem Jutsu arbeitete, mit dem sich ein Bijuu-Geist würde einfangen lassen, erfuhr zunächst niemand der anderen. Madara hielt es so geheim wie möglich, baute eine mentale Mauer aus Ausreden darum herum und drückte es, wenn er zum Training in jenes Tal verschwand, immer so aus, dass Kakuzu ihn ironisch belächelte und als „naiv“ bezeichnete.
Er war an dieses Wort gewöhnt, schon in Konoha hatten manche Leute ihn so bezeichnet, weil er die idealistischen, positiven Ideale des Ersten Hokage so hoch hielt. Doch ähnlich wie dieser selbst nahm auch Madara die Aussage „Du bist so naiv“ als Kompliment. Und jetzt nutzte er das ganz gezielt aus, dass man ihn für „naiv“ hielt und ihm ein solches Jutsu und das Geheimnis darum nicht zutraute.
Doch zu Beginn des Jahres 1990 fand Sasori dann heraus, was Madara im Geheimen trieb, und fragte ihn eines Tages danach: Madara und Konan saßen nach dem Abendessen zum Lernen zusammen, als Sasori hereinkam, die Tür hinter sich schloss und geradeheraus fragte: „Und? Bist du bald fertig mit dem Jutsu für den Bijuu, Madara?“
Madara sah ihn an, als hätte ihn eine Wespe gestochen.
„Keine Angst, ich habs alleine rausgefunden. Kakuzu weiß von nichts“, sagte Sasori.
„Wie …?“
„Du hast es nicht mehr erwähnt“, sagte Sasori. „Das passt nicht zu dir.“
Sasori hatte also daran, dass Madara über die Idee, einen Bijuu einzufangen, nicht mehr gesprochen hatte, erkannt, dass es da ein Geheimnis gab. Er kannte Madara gut genug, um dieses Fehlen eines Themas als Zeichen zu deuten, dass etwas im Busch war.
Konan sah Madara fragend an. „Ein Bijuu? Was ist das?“
Madara seufzte. „Kann man hier denn gar nichts mehr für sich behalten?“
„Nein“, sagte Sasori ungerührt. „Vor mir nicht.“
„Was ist ein Bijuu, Dara?“, fragte Konan.
„Ein Bijuu ist ein sehr mächtiges Tierwesen“, sagte Madara. „Es besteht aus sehr, sehr starkem, hochkonzentriertem Chakra und wenn man es einfängt oder für sich gewinnt, hat man eine sehr mächtige Kraft an seiner Seite. Es gibt insgesamt neun davon, und ich lerne gerade, wie man diese Kraft für sich gewinnen kann.“
„Wie macht man das?“, fragte Konan weiter.
„Das ist geheim.“
„Aber du kannst das?“
„Ich lerne es gerade. Der Hokage der Ersten Generation konnte es, und ich versuche, etwas ähnliches zu lernen.“
„Du hast gesagt, du willst niemanden ermorden“, sagte Sasori.
„Deshalb suche ich ja nach einem Bijuu, der noch frei ist.“
„Und hast du einen im Blick?“
Madara nickte.
„Welchen?“
„Den, der sich als erstes zeigt“, sagte Madara. „Ich habe Informationen, dass sich demnächst einer bewegen und zeigen wird.“
„Welcher?“, wiederholte Sasori.
„Sag ich nicht.“
„Madara, ich kenne dich“, sagte Sasori.
„Ich dich auch.“
„Als wenn ich Kakuzu davon erzählen würde …“
Konan sah Sasori an, ihr Blick verriet, dass es ihr nicht gefiel, wie Sasori sich Kakuzu zuwandte.
„Sasori, du weißt hoffentlich, dass Kakuzu dich ausnutzt, oder?“, sagte sie und klang tatsächlich wütend. Dass Sasori sich hin und wieder mit Kisame und Kakuzu abgab, tolerierte sie, doch sollte er deswegen Madara hintergehen, überschritt das eindeutig Konans moralische Grenze.
„Jaa …“, sagte Sasori.
Konan sah ihn sehr bestimmt an.
„Von mir erfährt Kakuzu nichts“, sagt Sasori. „Aber … ihr erfahrt von mir.“
„Über Kakuzu?“, fragte Madara.
Sasori nickte.
„Du spionierst?“, fragte Konan.
„Ja. Kakuzu hat weiter Kontakte in den Untergrund, und Kisame auch. Ich weiß noch nicht genau, um wen es geht, aber sie haben irgendwas vor.“
„Und Nagato?“, fragte Madara.
„Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Nagato mit Kisame trainiert und Kakuzu da mitmacht.“
„Ganz ehrlich: Verbotene Jutsus?“ Madara war alarmiert.
„Ist kein Maßstab. Meine Jutsus sind auch verboten.“
„Bist du beim Training da dabei?“
„Nein.“ Sasori schüttelte den Kopf. „Ich weiß nur, was sie reden.“
„Kann ich mich auf dich verlassen, Sasori?“, fragte Madara und sah ihn direkt an.
Sasori nickte wieder. „Ja.“ Er sah Konan an und sagte: „Konan zerreißt mich doch in der Luft, wenn ich euch verrate.“
„Darauf kannst du dich verlassen“, sagte Konan, und es war deutlich, dass sie das ernst meinte.
„Welchen Bijuu hast du im Blick, Madara?“, wiederholte Sasori seine Frage.
Madara sah sich kurz um, vom Fenster zur Tür und wieder zum anderen Fenster. Dann senkte er ein wenig den Kopf, dass sein Haar so fiel, dass es von beiden Seiten sein Gesicht verdeckte.
„Den Neunschwänzigen Fuchs“, sagte er leise.
„Wow.“
„Der wird sich als nächstes zeigen. Es wird noch eine Weile dauern, und ich hoffe, dass mein Jutsu bis dahin fertig ist.“
„Er ist der Stärkste aller Bijuu. Woher weißt du, was du für so einen Bijuu können musst?“, fragte Sasori.
„Der Hokage der Ersten Generation hat dem Neunschwänzigen Fuchs einst das Land abgehandelt, auf dem heute Konoha steht. Und ich kenne alle seine Schriften, besser als sonst irgendwer. Er hat dieses Wissen, wie er das gemacht hat, aufgezeichnet, und eines Tages hat mir der Mond einen Blick auf diese Schrift gewährt.“
„Der Mond?“ Sasori zog die Augenbrauen hoch.
Madara nickte. „Wenn sich der Vollmond rot färbt, passiert so etwas manchmal.“
„Deswegen lebst du nach den Mondphasen, stimmt’s?“
„Ja. Der Mond ist die Verbindung zwischen den Uchiha und den Senjuu. Der Hokage der Ersten Generation hat die Verbindung seines Clans zu meinem Clan nicht grundlos geschaffen. Und außerdem hat der Mond auch sehr starken Einfluss auf die Bijuu.“
„Du willst also diesen Fuchs einfangen und mitbringen?“, fragte Konan.
„Um es kurz zu fassen, ja.“
„Und wo soll der dann wohnen?“
„Ich werde einen Raum für ihn schaffen. Mein Ziel ist nicht, ihn zu versiegeln. Ich will ihn überzeugen, sich uns anzuschließen. Er wird also ein eigenes Haus bekommen.“
„Und was machst du, wenn er nicht will?“, fragte Sasori.
„Dann suchen wir nach einem anderen.“
„Er ist extrem stark.“
Madara lächelte. „Ich auch.“
Ein paar Tage später erschienen neue Leute im fertig gebauten Teil des Dorfes. Eine Zivilistenfamilie, zwei Elternpaare mit insgesamt vier Kindern. Sie sagten, sie kämen von weiter her und suchten nach einem Ort, wo sie eine Weile bleiben konnten. Unten im Bauerndorf hatte man ihnen erzählt, dass auf dem Hochplateau ein neues Dorf entstand, und nun waren sie gekommen, um sich das anzusehen. Madara empfing sie und führte sie über die Baustelle und durch die fertigen Gebäude.
Eins der Kinder war ein kleines Mädchen, sechs oder sieben Jahre alt, und während Madara und Sasori den Erwachsenen das Dorf zeigten, warteten die Kinder am ersten Haus. Konan hatte den Vormittag an der Nähmaschine verbracht, sie arbeitete nun fast täglich daran, und als sie Kinderstimmen hörte, lief sie raus, um nachzusehen, wer die Kinder waren.
Das andere Mädchen war ganz einfach gekleidet, hatte dunkles Haar und braune Augen und bewunderte gerade die blühenden Sträucher auf der Terrasse.
„Hallo“, sagte Konan. „Wer seid denn ihr?“
„Wir haben gehört, hier gibt’s ein neues Dorf?“, fragte ein etwas älterer Junge.
„Japp.“ Konan grinste.
Das andere Mädchen sah von den Blumen auf und fragte: „Wie heißt du?“
„Ich bin Konan.“
„Mari“, stellte sich das Mädchen vor.
Konan sah sie sich von oben bis unten an, lächelte und fragte dann: „Wo seid ihr her?“
„Aus dem Windreich. Aber wir wollen nicht mehr in der Wüste leben. Regnet es hier oft?“, antwortete Mari.
„Manchmal“, sagte Konan. „Zum Glück nicht so viel. Ich mag keinen Regen.“
„Wieso nicht?“
„Ich bin aus Ame Gakure. Aber da kriegen mich keine zehn Pferde mehr wieder hin. Die Leute da sind nur so Regen hier, Regen da, und ich hasse das. Ich mag Sonne.“
„Und wo gehst du dann zur Schule?“
„Gar nicht. Dara bringt mir alles bei. Vielleich geh ich auch noch mal weg, woanders hin, wo es eine gute Schule gibt. Was für ne Schule hast du?“
„Ich geh auf die Schule unten im Dorf.“
„Dann willst du kein Ninja werden?“
„Nein“, sagte Mari. „Du?“
„Ich schon“ Konan grinste. „Ich bin auch schon ganz gut.“
„Was kannst du denn?“
„Kunai werfen, Shuriken auch, ich kann alles aus Papier machen, und mit Marionetten kann ich auch umgehen.“
„Wie die Ninjas aus Suna Gakure?“, fragte Mari.
„Ja. Mein Freund Sasori ist aus Suna, der bringt mir das bei.“
Konan fühlte, wie sich in ihr etwas sehr freute, endlich ein Mädchen in ihrem Alter kennen zu lernen. Sie hatte gar nicht richtig gewusst, dass ihr eine Freundin so gefehlt hatte. Seit sie denken konnte, war sie nur von Jungen und Männern umgeben gewesen, und es überraschte sie ein wenig, dass ihr der Kontakt zu einem anderen kleinen Mädchen solche Gefühle machte.
In dem Moment kamen die Eltern mit Madara zurück. Aus dem Gespräch ging dann hervor, dass die beiden Elternpaare doch einen Wohnort unten im Bauerndorf bevorzugten, und Konan befürchtete schon, dass sie ihre erste Freundin gleich wieder verloren hatte.
Aber Mari schien tatsächlich Interesse an ihr zu haben, denn sie bat ihre Eltern, dass sie noch ein bisschen bleiben durfte, um mit Konan zu spielen.
„Spielen kann ich nicht gut“, sagte Konan. „Aber ich kann dir zeigen, was ich mache.“
„Au ja!“ Mari lächelte strahlend.
„Sie kann noch ein bisschen bleiben“, sagte Madara. „Ich bringe sie dann nachher wieder runter ins Dorf.“
Als die beiden Mädchen dann oben in Konans Zimmer saßen, fragte Mari: „Wieso kannst du nicht gut spielen?“
Konan zuckte mit den Schultern. „Ist nicht mein Ding. Ich mache lieber Kunst.“
„Zeig her!“
Konan öffnete ihren Werkschrank, nahm einen Stapel Papier und eine kleine Marionette heraus und legte beides vor sich hin. Und je mehr sie von dem zeigte, was sie konnte, umso größer wurden Maris Augen. „Das ist ja toll!“
„Das mit dem Falten hab ich alleine gelernt.“
„Ganz alleine?“
„Mit einem Buch. Ich konnte noch gar nicht lesen, aber es waren Bilder drin.“
Mari sah sich im Zimmer um und entdeckte die Nähmaschine. „Kannst du die auch benutzen?“
„Ja klar.“
„Wer bringt dir das denn alles bei?“
„Madara und Sasori. Und ich selber.“
„Wenn ich so was alles könnte, würde ich auch nicht mehr spielen“, sagte Mari. „Das ist ja viel spannender so.“
„Und man wird echt gut. Spielen ist ja nur so tun als ob, aber wenn du was lernst, dann kommst du richtig voran.“
„Du bist voll schlau, Konan“, sagte Mari.
„Ich hab noch nen großen Bruder, der ist auch schlau, der kämpft auch schon richtig. Aber … er ist nicht so aufgeschlossen, ist lieber so für sich.“
„Wie heißt der denn?“
„Nagato. Ist auch nicht mein richtiger Bruder.“
„Wieso nicht?“
„Er hatte andere Eltern. Aber die sind weg. Meine auch, wir leben beide bei Madara.“
„Oh, dann hast du gar keine Mama und keinen Papa?“
„Madara ist mein Papa.“
„Aber man braucht doch eine Mama.“
„Wenn man nicht weiß, wie das ist, dann nicht. Madara kann Essen kochen und mit mir lernen und mir helfen, wenn ich irgendwas brauche.“
Mari sah einen Moment lang nachdenklich aus dem Fenster. Dann fragte sie: „Wohnst du schon lange hier?“
„Seit ich drei war.“
„Aber hier sind ja keine anderen Kinder. Nur dein Bruder und du?“
Konan nickte. „Ich hab noch nie so mit einem anderen Mädchen geredet.“
Mari machte große Augen. „Noch nie?“
„Nur mal so mit den Kindern aus dem Dorf unten. Aber hier oben noch nie.“
„Macht dir nichts aus?“
„Ich hab schon manchmal gedacht, ich hätte gern ‘ne Freundin. Deshalb geh ich auch irgendwann bald in ein anderes Dorf zum Studieren.“
„Damit du noch mehr lernst?“
„Ja. Hab ja schon gesagt, Lernen mag ich lieber als Spielen.“
Mari blieb noch zum Abendessen, dann begleitete Madara sie zurück ins Bauerndorf. Und Konan verbrachte den Abend dann damit, weiter für die Akademie in Kumo Gakure zu lernen. Das Gespräch mit Mari hatte sie motiviert und ihr viel Schwung gegeben.
„Na, lernst du schön?“, fragte Madara, als er später zu ihr ins Zimmer kam. „Das hat dir gut gefallen, mal mit einem anderen Mädchen zu reden, oder?“
Konan nickte. „Ja. Das hat mir … schon irgendwie gefehlt. Aber nicht schlimm, nur ein bisschen.“
„Wenn du auf die Akademie kommst, wirst du ganz viele andere Mädchen um dich haben. Freust du dich darauf?“
„Ja. Aber noch mehr aufs Lernen.“
„Weiß du, Konanchen, wenn du das so sagst und hier sitzt und lernst, du erinnerst mich sehr an jemanden.“
„An wen?“
„Meinen Patensohn in Konoha, Itachi.“
„Lernt der auch so gern?“
„Ja. Er ist ein bisschen älter als du, aber als ich ihn zuletzt sah, war er fünf und hatte die Akademie schon fast durch. Er gilt im Dorf als Wunderkind, weil er sehr, sehr begabt ist. Du erinnerst mich oft an ihn, auch so wie du bist und wie du redest.“
„Dann bin ich auch ein … Wunderkind?“
„Wenn du in Konoha leben würdest, würde man dich vielleicht auch so bezeichnen. Immerhin hast du Origami gelernt, bevor du lesen konntest. Und auch, wie du schon weißt, wer du bist und wie du leben willst … Ihr würdet euch gut verstehen.“
In diesem Moment, wo Madara sich so an Itachi erinnerte, fühlte er Neugierde darauf, zu wissen, wie der Junge sich inzwischen entwickelt hatte. Sicher hatte er die Akademie längst abgeschlossen, vielleicht auch schon seine Sharingan erweckt … Madara beschloss, nach Informationen dazu zu suchen. Irgendwo gab es immer eine Stelle, wo solche Informationen aus Konoha durchsickerten.
Am nächsten Morgen machte Madara sich auf den Weg. Er hatte auf vorherigen Streifzügen einen Mann kennen gelernt, der früher Mönch im Feuertempel gewesen war und jetzt im Regenland eine Art spiritueller Missionsstation betrieb, um den Menschen hier den buddhistischen Glauben näher zu bringen. Dieser Mann hatte noch Verbindungen ins Feuerreich und zum Tempel und war eine sichere Quelle für Fragen, die Konoha betrafen.
Madara erreichte diese Missionsstation gegen Mittag und wurde von dem ehemaligen Mönch zum Essen eingeladen.
„Ich habe ein paar Fragen, dazu, was gerade der Stand in Konoha Gakure ist“, sagte Madara. „Ich würde gerne wissen, was es Neues gibt.“
Der Mann stand auf, ging in einen anderen Raum und kam mit einigen Schriften zurück.
„Es gibt einen neuen Hokage. Sarutobi lebt noch, ist aber im Ruhestand, und der neue Hokage heißt Minato Namikaze.“
Minato also. Madara fühlte ein wenig Wehmut. Minato wäre sein Konkurrent gewesen, wenn er im Dorf geblieben wäre, und nun war er wirklich Hokage geworden. Aber zugleich freute er sich auch darüber. Minato war wirklich gut und eine so warmherzige Persönlichkeit, er verdiente dieses Amt. Und er, Madara, war nun mal gegangen. Es war gut, so wie es war.
„Wie geht es Yoneko Uchiha?“, fragte Madara weiter.
„Sie führt den Clan immer noch.“
„Und Itachi Uchiha?“
Der ehemalige Mönch musste ein wenig länger in seinen Schriften suchen, um die Information zu finden, dann sagte er: „Er hat die Akademie im Alter von sieben Jahren abgeschlossen und studiert jetzt Medizin.“
„Steht da auch, ob er seine Sharingan schon erweckt hat?“
„Ja. Kurz nach seinem Abschluss.“
Ein Medizinstudium. Das passte zu Itachi. Er war Ikues Sohn, und dass er seinen Altruismus, den Pazifismus und seine Freude am Lernen zu einem solchen Studium verband, würde sicher einen hervorragenden Feldmediziner aus ihm machen. Madara sah es schon vor sich, wie der Junge sein Sharingan in ähnlicher Art und Weise verwendete, wie seine Mutter es tat. Als ein Werkzeug zum Helfen und Heilen.
„Was gibt es sonst noch?“, fragte Madara weiter.
„Ein paar unerfreuliche Dinge. Die legendären Sannin haben sich getrennt, Orochimaru hat das Dorf als Abtrünniger verlassen und die anderen beiden sind ebenfalls verschwunden. Jiraiya vermutlich, um Orochimaru zu suchen, Tsunade wahrscheinlich mehr aus Frustration. Niemand hat bisher wieder von einem von ihnen gehört.“
„Oh … Das klingt nicht gut.“
Madara erinnerte sich an Tsunade. Sie war in seiner Jugend immer das unerreichbare Mädchen gewesen, für das er sehr geschwärmt hatte. Nicht nur, weil sie schön war, sondern viel mehr, weil sie die Enkelin des Ersten Hokage war, sie trug dessen heilige Halskette und Madara hatte davon geträumt, dass sie ihm eines Tages mehr über ihren Großvater erzählen würde. Doch dazu war es nie gekommen. Tsunade war nicht der Typ Mädchen gewesen, die sich leicht auf ein Gespräch mit Jungs eingelassen hätte. Und irgendwann hatte sie dann einen festen Freund namens Dan gehabt.
„Und noch eine Frage: Wird nach mir noch gesucht?“, fragte Madara.
Der ehemalige Mönch sah in seinen Schriften nach, dann sagte er: „Nein. Mir ist jedenfalls nichts bekannt. Aber ich habe natürlich keine Informationen, was die geheimen Aufträge an die Anbu betrifft.“
„Verstehe“, sagte Madara. „Vielen Dank.“
Er blieb noch, aß zu Mittag und besuchte danach noch einen Buchladen in der Nähe. Mehr aus einer Lust am Stöbern heraus, fand er dort aber zufällig eine gebrauchte Ausgabe eines Schulbuches aus Konoha aus der Zeit des Ersten Hokage.
Er kannte dieses Buch schon, doch er kaufte es trotzdem, als Geschenk für Konan. Es enthielt die pädagogischen Ideale des Ersten Hokage in einer für Kinder verständlich verfassten Form und war somit ideal, um Konan diese Ideen noch näher zu bringen.
Auf dem Heimweg dachte er noch über die Sannin nach.
Er erinnerte sich an Orochimaru als einen wirklich äußerst zielstrebigen Charakter, der immer schon nah an den Grenzen des Erlaubten gehandelt hatte, schon in der Ausbildungszeit.
Die Sannin waren älter, einen Jahrgang über Madara gewesen, und er hatte Tsunade eben immer bewundert. Sie sah wirklich gut aus und war eben eine Senjuu.
Jiraiya mit seinem offensichtlichen Interesse an hübschen Frauen hatte auf Madara einen eher unreifen Eindruck gemacht, in dem Sinne, dass er dazu immer den Gedanken gehabt hatte: „So findest du nie eine Freundin, Jiraiya!“ Zwar hatte Madara selbst auch keine feste Freundin gehabt, aber eben auch keine Ohrfeigen von Mädchen bekommen für Spannen, wie Jiraiya es betrieb.
Madara war zudem in dem Gedankengut der Uchiha aufgewachsen, in den adels-ähnlichen Vorstellungen seiner Großmutter Yoneko, die pflegte ihren Enkeln die Ehen zu arrangieren. Und zudem waren ihm Weisheit und Idealismus immer wichtiger gewesen als eine Frau zu haben.
Er dachte an seine Kinder, an Nagato und Konan, besonders an Konan. Sollte er mit den beiden doch nach Konoha zurückgehen oder wenigstens eine Beziehung zwischen Konoha und Akatsuki herstellen, würden sich Konan und Itachi begegnen und kennen lernen, und so, wie er beide kannte, würden sie sich gut verstehen.
Als er am Abend wieder in Akatsuki ankam, waren die Kinder schon im Bett. Madara machte sich noch Abendessen, wollte danach auch schlafen gehen, doch dann tauchte Sasori auf und sagte, er müsse mit Madara sprechen.
„Was gibt es?“
Sasori betrat das Haus, schloss die Tür hinter sich ab und setzte sich zu Madara ans Herdfeuer.
„Ich hab dir ja gesagt, Kakuzu und Kisame haben noch Kontakte im Untergrund“, sagte Sasori leise.
„Und?“
„Ich weiß jetzt, um wen es geht. Möglicherweise kennst du ihn.“
„Sag schon!“, flüsterte Madara scharf.
„Er heißt Orochimaru. Kennst du den?“
Madara nickte. Dachte an das, was ihm der Mönch erzählt hatte. Dass Kakuzu Orochimaru kannte, wunderte ihn an sich nicht mal. Aber es stellte natürlich eine Gefahr dar.
„Du musst was machen. Kakuzu spinnt seine Fäden, zu vielen Leuten. Ich weiß noch jemanden.“
„Wen?“
„Ein Typ namens Zetsu, sehr gruselig und gefährlich …“
„Und was denkst du, sollte ich tun, Sasori?“
„Wir brauchen etwas, womit du Kakuzu überlegen bist. Er nimmt dich nicht ernst genug.“
„Meinst du, wenn ich den Neunschwänzigen Fuchs an meine Seite bekomme, wird er mit unterlegen sein?“
Sasori lächelte leicht. „Dann ganz sicher.“
„Ich hab das Jutsu in Arbeit.“
„Gut. Aber wir müssen uns etwas beeilen. Ich kann gut den Doppelagenten spielen, das macht mir nichts aus. Aber … ich hab noch mehr zu tun.“
„Noch mehr?“
„Du bist nicht der Einzige hier, der ein starkes Jutsu entwickelt.“ Sasori lächelte wieder.
An diesem Abend brauchte Madara lange, bis er einschlafen konnte.
1991
Anfang des Jahres 1991 schlich sich in Madaras Gedanken ein Gefühl von Bestimmung. Er konnte nicht genau erklären, worum es dabei ging, doch er hatte dieses bestimmte Gefühl, dass sich gerade eine schicksalhafte Kette bildete, in der er seine Rolle spielen sollte.
Besonders stark wurde dieses Gefühl an einem Vollmondabend im dritten Monat, als er wieder in dem Tal in den Bergen trainierte und fast aus dem Nichts ein Bild des Fuchsgeistes in seinen Gedanken erschien, eine kleine Sequenz dessen, wie es gewesen sein musste, als der Hokage der Ersten Generation sich mit dem Fuchsgeist auseinandersetzte und ihm das Land abkaufte, auf dem heute Konoha stand. Madara sah diese Szene innerlich sehr klar vor sich, und sie prägte sich tief ein. Ihm kam der Gedanke, dass er hier gerade erfuhr, wie er es anstellen sollte, Kurama anzusprechen, ohne sofort angegriffen und besiegt zu werden. Sicher erinnerte sich der Fuchsgeist noch an Hashirama.
„Und wenn ich mich kurz verwandle?“, dachte Madara bei sich. „Der Fuchs wäre sicherlich überrascht, Hashirama wieder zu sehen … Wenn ich diesen Moment nutze, und dann mein Jutsu anwende, habe ich vielleicht eine gute Chance.“
Auf dieser Idee begann er, seine Strategie aufzubauen. Ein Verwandlungsjutsu, ein großes Genjutsu, Amaterasu als Schutz und den wahren Namen des Fuchsgeistes als Ass im Ärmel, und er hatte noch ein paar Monate Zeit, das Ganze fertig zu stellen.
Denn inzwischen war erkennbar, dass sich der Fuchsgeist gegen Ende des Jahres tatsächlich wieder in der Dimension der Menschen zeigen würde. Madara hatte mehrere Visionen diesbezüglich gehabt und das geheimnisvolle Buch, welches sich ihm im Mondlicht offenbarte, sagte dasselbe.
Madara verbrachte den gesamten vierten Monat mit täglichem Training. Und wenn er nicht gerade selbst trainierte, bildete er Konan weiter aus, sowohl in der Theorie, als auch in Teilen der Praxis. Sasori beteiligte sich daran ebenfalls, Konan auf ihre Zeit an der Akademie von Kumo Gakure vorzubereiten, und so beherrschte das kleine Mädchen bald nicht nur ihr eigenes Kekkei Genkai, sondern auch die Marionettenkunst von Suna Gakure und einzelne Aspekte von Madaras Genjutsu. Es stellte sich außerdem heraus, dass sie das Wind-Element hatte.
Im Mai kam dann der Brief aus Kumo Gakure, der Konans Aufnahme an der Akademie bestätigte. Sie sollte im August dort ihre Ausbildung beginnen.
In dieser Zeit versuchte Madara, auch wieder mehr an Nagato heran zu kommen. Dass der Junge sich immer mehr an Kakuzus und Kisames Aufgaben und offenbar, wie Sasori gesagt hatte, auch an ihren Plänen beteiligte, machte Madara natürlich Sorgen, und so versuchte er, seinem Ziehsohn wieder näher zu kommen.
An einem Abend waren sie beide nach dem Abendessen übrig geblieben, Konan hatte sich schon in ihr Zimmer zurückgezogen und das Feuer im Herd war noch nicht ganz herunter gebrannt.
Nagato saß nur still da, und Madara beschloss, hier und jetzt mit ihn darüber zu sprechen.
„Nagato, ich muss dich das wirklich mal fragen: Was machst du, wenn du mit Kakuzu und Kisame Zeit verbringst? Was genau trainiert ihr?“
Nagato antwortete nicht, starrte nur in das Herdfeuer.
„Was ist los mit dir? Sag schon!“
Nagato sah kurz auf, dann wieder ins Feuer, dann sagte er: „Mein Rinnegan.“
„Mehr nicht?“
„Ist dir das nicht genug?“
„Nein. Weil ich mir sicher bin, dass ihr noch mehr macht als nur dein Kekkei Genkai zu stärken.“
„Und wenn? Kann dir das nicht egal sein?“
„Nein, kann es nicht! Nagato, ich mache mir Sorgen.“
„Worum?“
„Darum, dass du dich in Dinge begibst, die nicht gut sind. Ich bin nicht blind, Junge, ich sehe doch, was hier abgeht. Aber Kakuzu wird dein Trauma nicht heilen.“
„Als wenn ich das will …“ Nagatos Stimme klang kalt und tonlos.
„Was willst du denn? Du hast gesagt, du willst kämpfen, aber statt das von mir zu lernen, wie Konan auch, hängst du dich an Kakuzu?“
„Kakuzu hat mir mehr zu bieten.“
„Was genau?“
„Mehr eben.“
„Verbotene Jutsus, oder was?!“ Madara wurde langsam ungeduldig und laut.
Nagato war jetzt noch verschlossener als damals, als er ihn und Konan in Ame Gakure aufgesammelt hatte. Er hatte das Gefühl, dass der Junge ihm entglitten war, und das hier war einer der Momente, in denen sich Madara über seine eigene Naivität ärgerte. Die meiste Zeit über war er stolz, ein solcher Idealist zu sein, immer auf dem Weg des Guten, aber anscheinend war ihm Nagato genau dadurch entglitten und er hatte es viel zu spät bemerkt.
„Und wenn schon“, sagte Nagato. „Bei ihm darf ich wenigstens wirklich stark werden.“ Mit diesen Worten stand der Junge auf, ging zur Haustür und nach draußen.
Madara blieb ein wenig perplex zurück. Er erinnerte sich, dass er Kakuzu, bevor dieser von selbst aufgetaucht war, eigentlich schon aus seinen Plänen gestrichen hatte, eigentlich war es ihm ja damals um Izuna gegangen. Den hatte er auch immer noch nicht gefunden. Aber Izuna wollte ja sowieso nicht gefunden werden, und Madara hatte inzwischen auch keine Pläne mehr, seinen Halbbruder in Akatsuki einzubinden.
Er machte das Feuer aus, ging dann nach oben in sein Zimmer und setzte sich dort auf sein Bett. Es ärgerte ihn, dass er nicht mehr auf Nagato geachtet hatte, sich nicht stärker bemüht hatte, und die einzige Erklärung, die er selbst für sein eigenes Verhalten hatte, war, dass er zu beschäftigt mit dem Aufbau von Akatsuki gewesen war und sich mehr auf Konan konzentriert hatte. Natürlich, denn die war nun mal deutlich einfacher zu trainieren und auch klarer orientiert in ihren Werten.
Madara hörte, wie aus Konans Zimmer das Rattern der Nähmaschine vernehmbar war, das kleine Mädchen schlief noch nicht, sie arbeitete. Und so stolz er auf sie war und darauf, wie ähnlich sie ihm war, so sehr ärgerte es ihn, dass er diesen Zugang bei Nagato offenbar verpasst hatte. Vielleicht war dieser Zugang aber auch nie da gewesen, Nagato war vielleicht einfach so verschlossen, ob nun durch das Trauma oder weil er einfach so war.
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, beschloss Madara dann, mit Kakuzu zu reden. Obwohl er ahnte, dass dieser ihm gegenüber sowieso nicht ehrlich war, musste er es wenigstens versucht haben. Als er zu dessen Haus ging, kam ihm Sasori entgegen.
„Ist Kakuzu da?“, fragte Madara.
„Ja, ich war gerade bei ihm“, antwortete Sasori. „Kisame ist auch da.“
Madara klopfte also an Kakuzus Haustür, und von drinnen war ein „Komm rein“ zu hören. Er betrat das Haus und traf Kakuzu und Kisame beim Frühstück an.
„Ich muss mit euch reden“, sagte Madara.
„Was gibt’s?“ Kisame grinste.
„Es geht um Nagato. Ich will, dass ihr die Finger von ihm lasst.“
Kakuzus Maske, die er immer trug, ließ keinen Einblick in seinen Ausdruck zu, doch man hörte, dass er auflachte. „Ach Madara, seid ihr Uchiha alle so naiv?“, fragte er.
„Ihr lasst Nagato in Ruhe, verstanden?“
Kisame lachte ebenfalls. „Er kommt von selbst zu uns.“
„Nagato ist traumatisiert, und ihr nutzt das aus!“
„Wofür sollten wir ihn ausnutzen?“, fragte Kakuzu.
„Sein Rinnegan ist für euch sicher sehr praktisch.“ Am liebsten hätte Madara den beiden alles an den Kopf geknallt, was er von Sasori wusste, doch um diesen nicht zu verraten, musste er darüber schweigen. Sasori war wenigstens halbwegs loyal, Kakuzu und Kisame offensichtlich gar nicht.
Kakuzu lachte wieder. „Schon, ja. Es ist eine interessante Fähigkeit. Vielleicht sogar interessanter als dein Sharingan, Madara Uchiha.“
Madara dachte an seine eigenen Pläne, an den Fuchsgeist, die Verbindung nach Konoha, das, was er mit Akatsuki eigentlich vorhatte. Kakuzu und Kisame standen dem jetzt vollkommen im Weg, vor allem, wenn sie wirklich Kontakt zu Orochimaru hatten.
„Wisst ihr was?“, begann er, und aktivierte dabei seine Sharingan. „Ihr könnt auch gerne gehen, wenn ihr hierauf sowieso keine Lust habt. Ich werde demnächst Kontakt zu Konoha aufnehmen, und dann seid ihr hier raus, verstanden?“
„Konoha?“, fragte Kisame. „Ist das ne Drohung?“
„Falls ihr es vergessen habt, das hier ist kein kriminelles Untergrundunternehmen. Ich will ein neues Dorf gründen, und das im Kontakt mit Konoha.“
„Die werden dich nicht wieder aufnehmen“, sagte Kakuzu.
„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Madara. „Jedenfalls lasst ihr Nagato in Ruhe. Ab sofort.“
Mit diesen Worten wandte er sich um, verließ das Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
Als er wieder am Stammhaus ankam, saß Konan vorne vor dem Haus zwischen den Hortensien, sie hatte ein Buch dabei und lernte. Sie bemerkte ihn und blickte auf.
„Ich hab das Buch fast durch“, sagte sie. „Hast du noch eins?“
Madara fiel das Buch aus Konoha wieder ein, das er vor einer Weile gekauft hatte. Er hatte noch nicht den Zeitpunkt gefunden, es Konan zu geben, weil es alte Lehrmethoden aus Konoha enthielt und er sie nicht, wenn sie in Kumo Gakure lernen würde, damit verwirren hatte wollen.
„Ja, ich hab noch ein Buch. Ein Lehrbuch von der Akademie in Konoha“, sagte er. „Ich geh es holen.“
Er ging ins Haus, die Treppe rauf in sein Zimmer, und suchte das Buch heraus.
Als er wieder aus seinem Zimmer kam, hörte er ein seltsames Geräusch aus Nagatos Zimmer. Kurzentschlossen klopfte er an dessen Tür. „Nagato? Alles in Ordnung?“
„Geh weg, Madara.“
„Was machst du denn?“
„Geht dich nichts an.“
In dem Moment kam Konan die Treppe hoch. Sie verstand die Situation sichtlich besser als Madara und flüsterte: „Nagato sticht sich wieder Piercings.“
„Noch mehr?“, fragte Madara leise zurück.
Konan nickte. „Er hat mir heute Morgen versprochen, dass ich auch noch eins kriege.“
Sie gingen zusammen die Treppe wieder runter und Madara gab Konan das Buch.
„Das sieht aber alt aus“, sagte das kleine Mädchen.
„Es ist ein altes Lehrbuch von der Konoha-Akademie, noch aus den Zeiten der ersten beiden Hokage.“
„Wo hast du das denn her?“
„Von einem ehemaligen Mönch aus dem Feuertempel.“
„Steht da dann noch was vom Ersten Hokage drin?“, fragte Konan.
„Ja, manches hat er selbst verfasst. Ich kenne das Buch in- und auswendig, und du wirst damit gut lernen können.“
Danach packte Madara Gunbai und ein paar andere Waffen ein und begab sich auf den Weg zu seinem Trainingsort, dem Tal in den Bergen.
Und auf dem Weg dahin kam ihm eine Idee, ein Gedanke, der wichtig war, wenn er sich auf die Begegnung mit dem Fuchsgeist vorbereitete:
Sollte seine Strategie nicht aufgehen und der Fuchsgeist ihn doch besiegen, dann brauchte es ein Sicherheitsnetz, ein Jutsu, mit dem Madara den Schaden, sollte er in diesem Kampf umkommen, begrenzen würde können.
Er dachte an Konan, die sicher sehr, sehr traurig sein würde, wenn er nicht wiederkam. Und so dachte er an diesem Tag vor allem darüber nach, wie sich die Erinnerung an ihn reduzieren ließ, sollte er den Kampf nicht überleben. Er wollte nicht, dass Konan um ihn trauern musste, sie war so ein fröhliches, klares Kind, und er wollte die Bitterkeit, die Nagato hatte erleben müssen, nicht auch Konan zumuten. Er war ihr Papa, und sie würde dann zur trauernden Waise werden, vielleicht genau so krank wie Nagato. Und das musste Madara verhindern.
An diesem Tag hielt er sich lange in diesem Tal auf. Er wechselte zwischen Trainingseinheiten und theoretischer Arbeit, probierte verschiedene Arten von Jutsus aus, mit denen sich Erinnerungen löschen oder versiegeln ließen, und kam dabei auch tatsächlich gut voran.
Das Jutsu, für das er sich letztendlich entschied, war eines, mit dem man die Erinnerungen an etwas Bestimmtes zwischen den Chakraströmen des Gehirns versiegeln konnte. Es war ein Jutsu, das er vor vielen Jahren von Ikue gelernt hatte, eine medizinisch-psychologische Technik, die Ikue vor allem zur Anästhesie verwendete, und auch wenn Madaras eigenes Sharingan nicht so stark auf medizinische Jutsus ausgerichtet war wie Ikues, es funktionierte dennoch.
Als er an diesem Abend wieder nach Hause kam, traf er Konan und Nagato unten in der Küche an. In selten gewordener Nähe saß Konan auf der Arbeitsfläche der Küche, Nagato stand vor ihr und tat etwas in ihrem Gesicht. Als die beiden Madara bemerkten, sagte Nagato „Hallo“. Konan sagte nichts, denn Nagato war gerade dabei, mit einem Wattestäbchen ihre Lippe mit einer Flüssigkeit zu betupfen.
„Na, was macht ihr?“, fragte Madara.
Nagato trat beiseite, und jetzt war auch zu sehen, was er getan hatte: Konan hatte ein kleines, kugelförmiges Piercing mittig unter der Unterlippe.
„Gut, ne?“ Sie grinste. „Jetzt bin ich voll schick!“
Madara lächelte. „Ja, sieht schön aus.“
Er sah Nagato an, der hatte sich auch verändert. Zu den Ohrringen und den beiden Lippenpiercings, die er schon länger hatte, waren drei neue in den Ohren dazu gekommen, und eines durch den Nasenrücken. Das war noch sehr gerötet und vermutlich das, was der Junge sich gestern gestochen hatte, als Madara ihn gehört hatte.
Beim gemeinsamen Abendessen setzte sich die Einheit zwischen Konan und Nagato fort, der Junge schien heute offener als sonst. Konan plapperte fröhlich über das, was sie heute alles gemacht und gelernt hatte, und Nagato wandte sich wenigstens nicht ab, wirkte sogar wieder interessierter an dem, was Konan erzählte.
Als später auch Sasori dazu kam, schien das Nagato auch weniger zu kümmern als sonst, er wirkte wirklich ruhiger und weniger eifersüchtig, ging dann aber bald schlafen. Konan fragte Sasori, was er gerade arbeitete, und nun war es überraschenderweise er, der sich über die Details seiner Arbeit ausschwieg.
Madara wusste, dass Sasori auch an Jutsus arbeitete, die sich an der Grenze der Legalität bewegten oder auch weiter darüber hinausgingen, was erlaubt war. Aber solange Sasori sich loyal verhielt und sich an Konan hielt, sah Madara noch keinen ernsthaften Grund, sich da einzumischen.
Die Freundschaft zwischen Konan und Sasori war, so schätzte Madara es ein, stark genug, um Sasoris Experimente und seine grenzwertigen Ideen zu regulieren. Man merkte, dass der Marionettenspieler sich im Klaren darüber war, dass Konan inzwischen stark genug war, ihn in der Luft zu zerreißen, sollte ihr das, was er tat, ernsthaft nicht gefallen. Und ihm schien auch viel an dieser Freundschaft zu liegen, genug, um sie nicht zu riskieren.
Konan schien auch zu bemerken, dass Sasori weniger über seine Arbeit sprach als sonst, und direkt und klar, wie das kleine Mädchen eben war, konfrontierte sie ihn umgehend damit: „Baust du an dir selber weiter?“
Sasori schien wenig überrascht, dass Konan ihn so fragte. Er kannte sie immerhin.
„Ja“, sagte er. „Und an ein paar anderen … Marionetten.“
Konan sagte erst nichts darauf, aber ihr Blick sprach Bände. Sie sah Sasori mit einer Strenge an, die man einem Mädchen von acht Jahren nicht unbedingt zutraute.
Sasori seufzte. „Vor dir kann man aber auch nichts geheim halten, Konanchen …“
„Nee“, antwortete sie. „Kann man nicht, und du am wenigsten, Sasori.“
„Also gut …“, lenkte der Marionettenspieler schließlich ein. „Ich habe ein paar Marionetten, die nicht einfach nur … aus Holz sind. Und an denen arbeite ich, bringe ihnen neue Jutsus bei.“
„Wie bringt man denn einer Marionette ein Jutsu bei?!“, fragte Konan.
Madara konnte es sich schon denken. Auch wenn er Sasori vor ihrer ersten Begegnung nicht direkt gekannt hatte, er hatte dennoch gewusst, dass es in Suna Gakure dunkle, verbotene Techniken gab, mit denen man Marionetten nicht nur aus Holz, sondern auch aus Menschen herstellen konnte. Und diese Menschenmarionetten verfügten dann über abgewandelte Formen der Jutsus, die sie als lebender Mensch beherrscht hatten. Dass Sasori das auch tat, wunderte Madara auch nicht, denn immerhin war der Junge auch imstande, sich selbst in eine Marionette zu verwandeln.
„Wenn man einen Gegner im Kampf besiegt hat, kann man ihn, wenn man weiß, wie es geht, in eine Marionette verwandeln und mitnehmen“, sagte Sasori. „Ich mache das eigentlich jedes Mal, wenn ich jemanden besiege. Es wäre doch schade, einen starken Gegner dann einfach liegen zu lassen.“
Konan zog die Brauen zusammen. „Du spinnst doch!“, sagte sie.
„Das ist Kunst. Kunst ist nicht immer moralisch korrekt.“
„Du machst tote Leute zu Marionetten. Wo ist das Kunst?!“
„Wie gesagt, es wäre doch schade und Verschwendung, wenn ich gegen jemanden kämpfe, der stark ist und tolle Jutsus kann, ihn besiege, und ihn dann nach dem Kampf einfach herumliegen lasse, bis die Natur ihn zerfrisst. Ich nehme ihn lieber mit und mache ihn zu einer Marionette, dann bleibt seine Kraft der Welt erhalten.“
„Hm …“, machte Konan und sah Sasori nachdenklich an, als versuchte sie, doch zu verstehen, was er meinte. „Ist schon … sehr verrückt. Aber irgendwie macht es auch ein bisschen Sinn.“
„Wenn ich mich selbst zu einer Marionette machen kann, dann natürlich auch andere. Es ist dieselbe Technik.“
„Und wie viele hast du?“, fragte Konan.
„Bis jetzt sind es 40 Stück“, sagte Sasori. „Aber es werden immer mehr. Ich werde demnächst eine Reise unternehmen, da werden einige dazukommen.“
„Wo willst du hin?“, wollte Konan wissen.
Sasori lächelte geheimnisvoll. Und Konan sah ihn wieder mit diesem strikten Blick an.
„Ins Wind-Reich …“, gab Sasori schließlich zu. „Nach Suna Gakure.“
„Schmeißen die dich nicht einfach wieder raus, wenn sie dich da sehen?“
„Ich weiß, wie ich mich tarnen kann.“
„Und was willst du da?“
Sasori lächelte wieder. „Ich will wissen, was meine Großmutter so macht. Und ich brauche Informationen über ein paar Dinge.“
„Wann gehst du los?“
„Sobald du in Kumo Gakure bist, Konan. Dann hab ich immerhin Zeit.“
Am nächsten Morgen kam Konan mit einem anderen Kleid als sonst zum Frühstück: Es war ein zweigeteiltes Teil aus einem kurzen Wickelrock mit längs gestreiften Bahnen und einem dunkelgrünen Kimono-Oberteil, darunter das übliche Netz, das zu jedem Shinobi-Outfit gehörte. Ihre kurzen Sandalen hatte sie mit mehrlagigem Stoff in eine Art Stiefel verwandelt, und am Rock war eine lederne Tasche befestigt, aus der ihre Papierwaffen heraus schauten. Und auf ihrem lilablauen Haar saß die papierne Blüte, die auch als Waffe dienen konnte.
„Wow, ist das neu?“, fragte Madara.
„Hab ich heute Nacht genäht.“ Konan strahlte. „Ich konnte nicht schlafen.“
„Bist du aufgeregt wegen Kumo Gakure?“
„Ja … Also hab ich mir gleich Kleider genäht, die ich dort anziehen kann.“
Madara lachte. „Das ist gut, du weißt dir zu helfen.“
Konan holte ein kleines Heft aus ihrer Tasche. „Ich hab auch gezeichnet, alles, was ich schon nähen kann und noch nähen will.“ Sie klappte das Heft auf und hielt es ihm hin.
Madara blätterte durch die Seiten, die aussahen wie die Entwürfe eines Modelabels. Woher Konan sich diese Zeichenfähigkeiten angeeignet hatte, wusste er nicht, das musste so nebenbei zu ihrem Können dazugekommen sein.
Besonders fiel ihm ein langer, schwarzer Mantel auf, mit einem hohen, weiten Stehkragen, auf dem als großes Muster der Vollmond mit den roten Wolken, den Madara als persönliches Siegel verwendete, zu erkennen war. Daneben war ein runder, spitzer Bambus-Hut zu sehen und ein Paar Schuhe, die wie eine Mischung aus Ninja-Stiefeln und Gamaschenschuhen aussahen.
„Was ist das denn?“, fragte er und deutete auf die Zeichnung.
„Das ist für Regenwetter. Damit man den Regen nicht so merkt, wenn es mal regnet. Ich mag das ja nicht, also hab ich was gezeichnet, was vielleicht hilft“, erklärte Konan.
Madara lächelte. „Du bist ein wirklich sehr patentes kleines Mädchen.“
Und Konan grinste zurück. „Hab ich doch von dir, Dara!“
„Sollen wir deine neuen Kleider gleich mal ausprobieren?“, fragte Madara. „Wir könnten heute zusammen trainieren.“
„Au ja!“
Nach dem Frühstück kam Nagato mit dem Pflegefläschchen an, versorgte Konans Piercing und verschwand dann wieder, und Konan und Madara machten sich auf den Weg. Madara wollte Konan endlich mal seinen neuen Trainingsort zeigen, er hatte sie bisher noch nicht dorthin mitgenommen. Konan hatte sonst ihren eigenen Übungsplatz hinterm Haus.
Auf dem Weg in die Berge plapperte Konan fast ununterbrochen, sie hatte heute fast noch mehr Energie als sonst, denn die Sonne schien, der Himmel war klar, und obwohl sie, wie sie sagte, kaum geschlafen hatte, war sie sehr aufmerksam und wach.
Als sie das Tal erreicht hatten, staunte das kleine Mädchen nicht schlecht über das, was Madara hier alles eingebaut und errichtet hatte. Die Statue des Ersten Hokage war natürlich das Auffälligste, doch auch die riesigen Bäume und der genau nach den Mondphasen ausgerichtete Turm beeindruckten sie. Madaras neueste Errungenschaft waren zwei riesige steinerne Hände links und rechts dieses Turms, jeder Finger mit einem anderen Symbol, einem eigenen Schriftzeichen.
„Was ist das denn?“, fragte Konan.
„Die Hände?“
„Ja. Was bedeuten die?“
„Das ist eine alte Überlieferung. Jeder Finger steht für einen Bijuu, und jedes Zeichen hat mit einer Geschichte zu tun, die mit jedem einzelnen verbunden ist. Das rote Zeichen zum Beispiel steht für den Fuchsgeist, aber es bedeutet „Phönix“, weil es da eine alte Geschichte gibt, dass sich der Phönix und der Fuchsgeist einmal begegnet sind und zusammen gearbeitet haben.“
„Und das weiße Zeichen?“, fragte Konan.
„Das weiße Zeichen steht für eine starke, gute Fee, die vor vielen hundert Jahren den Jubi für sich genutzt hat und damit alle anderen Bijuu für eine Zeit vereinen und zur Freundlichkeit zähmen konnte.“
„Gibt’s die wirklich?“
„Man weiß es nicht. Es sind eben Legenden“, sagte Madara. „Aber Legenden haben meistens irgendwo auch eine Wahrheit in sich.“
„Also gut“, sagte Konan und holte eins ihrer Papier-Kunai aus der Tasche an ihrem Rock. „Dann fangen wir an!“
Es wurde eine lange Trainingseinheit. Konan hatte mit Sasori zusammen und auch alleine so fleißig und kontinuierlich trainiert, dass Madara sich mehr als einmal wunderte, wie stark das Mädchen geworden war.
Wieder dachte er an die Kinder in Konoha, besonders die im Uchiha-Clan, und war sich inzwischen sicher, dass Konan auch so ein Wunderkind war. Ihre schnelle Auffassungsgabe und ihr klarer, positiver Geist machten sie schon jetzt, vor der eigentlichen Ausbildung, zu einer zwar noch kleinen, aber technisch sehr fähigen Kunoichi. Madara war stolz darauf, denn immerhin war die Förderung und volle Entfaltung dieses Talents sein Verdienst. Ob Konan von Geburt an diese Begabungen hatte oder Madara diese durch seinen eigenen Enthusiasmus und seine Förderung erzielt hatte, war im Grunde auch egal. Was zählte, war, dass das kleine Mädchen im Leben zurechtkam, und das tat sie.
In einer kurzen Pause zum Mittagessen dachte Madara darüber nach, was ‚Wunderkind‘ eigentlich bedeutete.
Er dachte an Itachi, dessen Fähigkeiten von Geburt an geplant und früh erkennbar gewesen waren, auch weil Ikue und Yoshio ja von Oma Yoneko genau deswegen verheiratet worden waren, um gezielt ein Kind mit solchen Begabungen zu bekommen. Itachi war von seiner Geburt an als Wunderkind bekannt gemacht und dann natürlich sehr früh entsprechend gefördert worden. Da ließ sich kaum mehr unterscheiden, ob er Dinge aus seiner Hochbegabung her konnte oder weil man ihn so früh und intensiv darin bestärkt und gefördert hatte.
Bei Konan war es aufgrund ihres unbekannten Hintergrundes gar nicht möglich, ihre Intelligenz einer bestimmten Quelle zuzuordnen. Ihre Fähigkeiten mit dem Papier waren ein Kekkei Genkai, das war deutlich, aber woher sie ihren klaren Geist hatte, ließ sich nicht feststellen. Das konnte sie von Geburt an haben, oder Madara hatte es, weil Förderung begabter Kinder nun mal seine Passion war, so sehr gefördert, dass sie nun genau wusste, wie sie ihren Geist nutzen konnte.
Letztendlich war es Madara auch gleich, woher seine Ziehtochter diese Fähigkeiten hatte. Sie war einfach so, und das zählte. Nun ging es darum, dass sie weiter lernte, und das würde sie in Kumo Gakure tun, in der Gemeinschaft mit anderen Kindern, denn das fehlte hier.
Nach der Mittagspause setzten sie das Training fort, und Konan überraschte Madara mit einer weiteren Fähigkeit: Sie hatte eine komplette Marionette aus Papier geschaffen, ganz nach dem Vorbild von Sasoris Kampfmarionetten! Das allein wunderte Madara im Grunde nicht, schließlich waren Konan und Sasori Freunde und Partner und da war es logisch, dass sie von ihm lernte. Aber diese Marionette, die sie jetzt verwendete, war schon etwas Besonderes, denn sie beherrschte Konans Origamitechnik selbst, wie ein Avatar, der ebenso papierne Shuriken und Kunai herstellen konnte, so wie Konan selbst.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du so eine tolle Waffe hast!“, sagte Madara.
„Ich wollte dich damit überraschen.“ Konan grinste.
„Du wirst Sasori ähnlich“, erwiderte Madara.
„Klar. Wir sind doch Partner.“
Madara beobachtete Konans Hände, die mit feinen Fäden aus Chakra die Marionette führten, und wie die Bewegungen ihrer Finger dabei auch das Falten des Papiers erkennbar machten. Diese Bewegungen des Papierfaltens waren längst in ihr Muskelgedächtnis eingegangen, sie beherrschte sie wie im Schlaf.
„Dann zeig doch mal, was deine Marionette drauf hat!“, sagte Madara, hatte schon seine Hand an Gunbais Griff und sprang zwei Schritte rückwärts.
Und Konan reagierte sofort, ließ die Marionette fliegen, es gab ein eigenartiges Geräusch, nicht das typisch hölzerne Klappern, sondern eine Art Rascheln, denn die Marionette war aus nichts als Papier gemacht. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus normalem Papier und dem, was Konan selbst aus ihrer Haut gewann, und zweiteres verfügte über eigenes Chakra.
Mit einer einzigen Bewegung ihres kleinen Fingers ließ sie die Marionette ein papiernes Kunai in die Hand nehmen, und damit griff sie Gunbai an, das Kunai traf den Kampffächer in der Mitte.
„Sehr gut!“, rief Madara ihr zu.
Konan grinste, hob die andere Hand, löste den Mechanismus der Blüte in ihrem Haar und ließ die harten, weißen Splitter herausfliegen, sie stoben aus in alle Richtungen und einige bohrten sich in Gunbais Oberfläche.
„Komm, Mädchen, greif mich mal richtig an!“
„Du bist doch eh zu stark“, erwiderte Konan.
„Ich tu mal so, als wär ich es nicht, okay?“
„Okay!“ Mit einem Satz und einem weiten Schwung ihrer rechten Hand ließ sie die Marionette ausholen, nach einem weiteren Kunai greifen und dieses zielte auf Madaras Arm, mit dem er Gunbais Kette hielt. Das papierne Messer flog durch die Luft, fast als hätte sie es verloren, doch das war ein Trick, denn das Kunai hatte einen eigenen Chakrafaden, und mit einer weiteren Bewegung ihrer Hand kam es hinter Madara zurück und riss im Vorbeifliegen den Ärmel seines Hemdes auf.
„Wann hast du das alles gelernt, Konan?!“, rief Madara laut.
„Ich war doch jeden Tag bei Sasori!“
„Hat er dich richtig unterrichtet?“
„Ich hab ihm zugesehen.“
„Wunderkind“, schoss es durch Madaras Kopf. Und dieses Wort, dieser Gedanke, erfüllte ihn mit Stolz. Er hatte ein großartiges neues, junges Talent entdeckt und dieses Talent dazu befähigt, selbst zu lernen, und auch wenn es Fähigkeiten eines anderen waren, wie Sasori, die grundlegende Arbeit hatte Madara selbst getan.
Er dachte an die Akademie in Konoha, an die vielen jungen Menschen im Dorf, und an die Pädagogik des Ersten Hokage, diesen Idealismus und die Freude am Lehren, die aus den Texten des Hashirama Senjuu sprach. Madara hatte diese Ideale von klein auf verinnerlicht und vollkommen internalisiert, und nun erfüllte sich sein ganz persönlicher Traum, ein solches empfängliches und vielversprechendes Talent selbst entdeckt und gefördert zu haben. Konan war die Verkörperung und der Beweis dessen, dass diese Ideale des Ersten Hokage funktionierten.
„Du machst mich echt stolz, Konanchen!“, rief er ihr zu.
Konan bewegte ihre Hand, den kleinen Finger rechts und den Zeigefinger links, und rief zurück: „Pass lieber auf, Madara!“
Er sah sich gerade noch rechtzeitig um, da sausten zwei papierne Shuriken von hinten direkt auf ihn zu und er schaffte es nur eben gerade, sie mit Gunbais Sense abzuwehren.
„Sehr gut!“, rief er. „Wirklich, sehr gut!“
Konan grinste. „Ich weiß.“
Sie trainierten noch bis Sonnenuntergang, dann machten sie sich auf den Weg zurück nach Hause. Der Mond war heute exakt halb und leuchtete hell, und auf halber Strecke wurde Konan dann so müde, dass Madara sie auf seine Arme nahm und den Weg nach Hause trug.
„Du hast heute hart gearbeitet, Konanchen“, sagte er.
Konan schlief schon fast, nickte nur.
„Ich bin wirklich, wirklich stolz auf dich.“
Juli bis September 1991
Zur Mitte des Jahres hin besuchte Madara noch einmal den alten Mönch aus dem Feuertempel. Er brauchte weitere Informationen über das Problem mit Orochimaru, und wollte zudem wissen, ob Konoha schon bemerkt hatte, dass sich der Fuchsgeist bald wieder zeigen würde. Natürlich waren das sensible Informationen, die ihm auch dieser Mönch nicht genau beantworten konnte, doch Madara war froh um jeden Ansatz von Wissen, er kannte Konoha immerhin gut und konnte sich dann den Rest zusammenreimen.
Der Mönch war tatsächlich in der Zwischenzeit wieder im Feuerreich gewesen und hatte interessante Dinge erfahren: An der nördlichen Grenze des Landes, in einem der kleineren Feudalländer, hatte es eine aggressive Übernahme gegeben und ein kleiner Ort namens „Oto Gakure“ war entstanden, das Dorf hinter dem Klang. Niemand wusste sicher, wer dahinter steckte, doch der Verdacht fiel stark auf Orochimaru.
Außerdem erfuhr Madara, dass es in Konoha ein Fest gegeben hatte, weil Ikue und Yoshio Uchiha einen zweiten Sohn bekommen hatten. Er war Sasuke genannt worden.
Madara fragte, ob es auch Informationen zum Fuchsgeist gab, doch diese Frage konnte der Mönch ihm nicht beantworten, darüber wusste er nichts.
Auf dem Heimweg vom Haus des Mönches wurde der Regen stärker, und anders als sonst nahm er auf dem Weg nach Akatsuki nicht wieder ab. Normalerweise regnete es dort deutlich weniger als im übrigen Regenland, deswegen hatte Madara ja dieses Land dort oben damals überhaupt gekauft. Doch an diesem Tag hörte der Regen nicht auf, begleitete ihn bis zum Haus. Drinnen traf er eine diesem Wetter entsprechend schlecht gelaunte Konan an.
„Es regnet seit drei Stunden!“, schimpfte sie. „Wieso? Wieso regnet das dermaßen?! Ich wollte trainieren gehen, und auf einmal fängt es an wie blöd zu pladdern! Ich hasse Regen!!“
„Ich weiß nicht, warum, Konanchen“, sagte Madara. „Wirklich nicht.“
Er ging rauf in sein Zimmer, legte dort die Informationen, die er bekommen hatte, in seinem Bücherregal ab und setzte ein Sicherheitssiegel darauf.
Dann sah er in einem anderen Buch nach, ob es irgendwelche Bedingungen gab, die den Regen beeinflussten und vielleicht der Grund waren, warum es hier plötzlich so stark regnete.
Und als Madara las, was dort stand, fiel er aus allen Wolken:
Dieser außergewöhnliche Regen bedeutete die Aktivität eines Bijuu! Denn der Regen kam ja vom Meer, zog über die weiten Wälder des Feuerreiches, regnete sich im Regenland ab und blieb an den Bergen zum Windreich hängen, weshalb das Regenland eben das Regenland war. Wenn sich im Feuerreich ein mächtiger Bijuu zeigte und bewegte und die Natur mit seiner Energie beeinflusste, verschob das den Rhythmus des Regens und dieser staute sich im Regenland, sodass auch regenärmere Orte wie diese Hochebene, auf der sich Akatsuki befand, plötzlich mehr Regen abbekamen.
Und die Stärke dieser Veränderung, die Energie, die der Regen in sich hatte, sprach dafür, dass es sich bei diesem Bijuu um keinen anderen als den Neunschwänzigen Fuchs handelte.
Madara schlug das Buch zu, lief die Treppe hinunter und aus der Haustür. Mit aktivierten Sharingan ging er in den Regen hinaus und versuchte, die Energien zu erkennen und zu lesen. Heute war Vollmond, das wusste er, und tatsächlich enthielt der Regen energetische Informationen, die den Verdacht, dass der Fuchsgeist damit zu tun hatte, bestätigten.
Als er wieder ins Haus trat, kam gerade Nagato die Treppe herunter. Er wirkte ruhig und fast schon entspannt, was sicher am Regen lag, während Konan, die gerade in der Küche das Geschirr spülte, sehr angespannt und ungehalten war.
Der Regen war das, woran sich die Geister der beiden am deutlichsten erkennbar trennten. Nagato wurde im Regen stärker und selbstbewusster, Konan dagegen wurde sehr unzufrieden und wütend.
„Ich geh raus“, sagte Nagato. „Zum Training.“
„Du hast doch ne Meise!“, schimpfte Konan. „Bei dem Wetter trainieren zu gehen …!“
„Was hab ich?“
„Eine Meise. Einen Vogel.“
„Ich weiß, was eine Meise ist.“
„Klar, du hast sie ja.“
„Regen macht mich stark“, sagte Nagato.
„Ich sag ja, Meise.“
„Ruhig, Kinder …“, versuchte Madara, die Situation zu beruhigen.
Aber Konan hatte sich längst in Rage gedacht und geredet, sie war wirklich sauer, auf den Regen und auch auf Nagato.
„Wieso hasst du den Regen, Konan?“, fragte Nagato.
Konan knallte den Spülschwamm auf die Arbeitsfläche, dass es spritzte, drehte sich um und antwortete: „Weil ich ihn nun mal hasse! Es ist dunkel und kalt und nass! Und Ame Gakure ist doof, die ganzen Leute da! Keiner von denen kommt auf die Idee, dass ihr Leben besser werden könnte, wenn sie weggehen und sich einen anderen Ort suchen würden, wo es warm und hell und schön ist!“
„Ame Gakure ist unsere Heimat“, sagte Nagato.
„Deine vielleicht, wenn du so auf mieses Wetter stehst! Aber meine sicher nicht!! Ich werd‘ im Leben keinen Fuß mehr nach Ame Gakure setzen, da kannst du dich drauf verlassen!!“ Mit diesen Worten rannte sie die Treppe rauf und in ihr Zimmer und schlug die Tür laut hinter sich zu.
Nagato blieb verwundert stehen.
„Warum ist sie so?“, fragte er, mehr zu sich selbst.
Madara setzte sich an die Feuerstelle, wollte die Kohlen anzünden fürs Abendessen und bedeutete Nagato, sich ebenfalls hinzusetzen.
„Sie hat andere Schlüsse aus der Situation gezogen als du, Nagato“, sagte er. „Für sie ist der Regen ein Inbegriff der Stagnation. Verstehst du? Sie hat andere Vorlieben und Ideen und Pläne.“
„Ich hab doch auch Pläne …“, sagte Nagato.
„Ja, aber deine Pläne sind nun mal einfach grundverschieden zu ihren. Konan ist eine Person, die raus in die Welt muss, die lernen will und möglichst viel Lebensfreude erleben möchte.“
„Ich kann das nun mal nicht …“, erwiderte Nagato. „Ich hab auch keine Ahnung, wie sie das macht.“
„Sie ist eine ganz durchweg eigene Person“, sagte Madara. „Vielleicht, weil sie keinerlei Erinnerungen an ihre Eltern hat, im Unterschied zu dir. Sie ist nicht traumatisiert davon, dass sie keine Familie hat.“
„Sie geht weg, oder?“, fragte Nagato, seine Stimme zitterte.
„Die Akademie in Kumo Gakure hat sie angenommen, ja“, antwortete Madara. „Und das ist gut so. Konan braucht andere Kinder um sich, Freundinnen und Sonnenlicht und vor allem diese Ausbildung. Sie hat so ein großes Bedürfnis nach Lernen und Freiheit. Aber sie wird ganz sicher zurück kommen.“
Nagato stand auf, nahm seine Waffentasche und ging aus dem Haus, er hatte ja im Regen trainieren wollen. Madara entschied, erst mal den Abwasch fertig zu machen und Essen zu kochen. Und als er mit dem Abwasch fertig war, kam Konan wieder.
„Tschuldigung …“, sagte sie leise. „Aber Regen macht mich einfach so wahnsinnig …“
„Ist gut“, antwortete Madara. „Ich habs Nagato erklärt.“
„Sag mal, Dara … Wie ist das Wetter in Kumo?“, fragte das kleine Mädchen dann.
„Es liegt ja in den Bergen, in einer felsigen Gegend, es sind viele Wolken da, und manchmal donnert es. Deswegen heißt es Kumo Gakure, und der Kage des Dorfes ist der Raikage, der Donnerschatten.“
„Aber es scheint auch die Sonne, oder?“
„Ja. Mehr als hier.“
Konans Gesicht hellte sich auf. „Das ist gut!“
Am nächsten Morgen war der Regen schwächer geworden. Immer noch da, aber nicht mehr so stark. Madara nutzte das, lief ins Tal zum Bauerndorf und besorgte einige Meter schwarzen, grauen und roten Stoff, sowie zwei Paar Schuhe und zwei runde, spitze Hüte aus Bambus, gemäß den Entwürfen für Regenkleidung, die Konan gezeichnet hatte.
Als er zurückkam, war Sasori gerade bei Konan, sie arbeiteten im Wohnzimmer unten an Konans Papiermarionette weiter. Sasori hatte alle möglichen Waffen und Anhängsel für Marionetten dabei und Konan kopierte diese mit Papier.
„Soll ich dir mal zeigen, wie man eine Marionette aus einer Schrift beschwört?“, fragte Sasori, als Madara gerade hereinkam.
„Brauchst du nicht.“ Konan grinste, nahm eine kleine Rolle zur Hand und öffnete diese. Das Zeichen für Weiß war groß darin zu lesen, es zischte und mit einer kleinen Dampfwolke verschwand die Papiermarionette in der Rolle.
„Woher kannst du das?“, fragte Sasori.
„Ich seh das doch bei dir immer“, antwortete Konan.
„Ja, stimmt …“, erwiderte Sasori.
„Konan lernt Dinge durchs Nachmachen“, mischte sich Madara ins Gespräch. „Sie sieht genau zu, was du machst, und macht es so oft nach, bis sie es kann.“
Konan grinste stolz. „Gut, ne?“
„Das wird dir in Kumo Gakure gute Dienste leisten“, sagte Madara. Dann stellte er seine Einkäufe vor Konan ab und sie entdeckte die Stoffe und alles andere, was sie zum Nähen der Regenkleider brauchte.
„Hast du das alles gekauft?“
„Ja. Ich dachte, wenn es schon mal regnet, dann brauchen wir Regensachen, und deine Entwürfe sehen echt gut aus.“
Nach dem Mittagessen verschwand Konan samt der Materialien zum Nähen sofort in ihrem Zimmer, hängte das „Nicht stören, ich arbeite“-Schild an die Tür und fing an zu arbeiten.
Das Einzige, was Madara und Sasori zwischendurch von ihr und der Arbeit sahen, war, als sie beide darum bat, ihr als Modelle für die Größen der Mäntel und Hosen zu dienen. Sasori war eher klein und Madara eher groß, und Konan nahm ihre Maße als Rahmen für eine kleine Tabelle. Schließlich war sie ja selbst noch klein und wollte, während sie wuchs, auch immer wieder in die Sachen hineinpassen.
Ansonsten arbeitete sie alleine, hochkonzentriert und unermüdlich. Nähen war für sie eine Arbeit, die sie am liebsten alleine machte, während Origami und die Marionetten etwas waren, was sie lieber in Gesellschaft tat.
Am Abend war der erste Mantel fertig. Sasori kam, um ihn anzuprobieren, und er passte ihm genau. Es war ein schwarzer, weiter Mantel mit rotem Innenfutter und einem hohen, weiten Kragen, so wie sie ihn in ihrem Heft gezeichnet hatte. Nur das rote Muster auf dem Mantel hatte sie verändert, der rote Vollmond hatte irgendwie nicht richtig gepasst und so hatte sie nur ein paar große rote Wolken auf den schwarzen Stoff appliziert.
„Passt zu deinen Haaren, Sasori“, stellte Konan zufrieden fest.
Für heute war sie also fertig, sie aßen gemeinsam zu Abend, und dann tauchte auch Nagato wieder auf. Er war komplett durchweicht vom Regen, wirkte jedoch völlig entspannt. Vermutlich genau deswegen.
Nach dem Essen versorgte er Konans Piercing und verschwand dann oben ins Bad. Konan wartete, bis er wieder herauskam, und ging dann selbst baden. Sie hörte, wie Madara und Sasori unten noch miteinander sprachen und vermutete, dass Sasori weitere Informationen zu Kakuzus Aktivitäten hatte und diese mit Madara teilte. Oder dass es wieder um Bijuu-Geister ging.
Der Zeitpunkt, nach Kumo Gakure zu gehen, rückte näher, und Konan verbrachte die Zeit bis dahin mit sehr viel Training und Lernen. Sie wollte zu Beginn gleich als gute Schülerin einsteigen, um so viel wie möglich aus dem Unterricht schnell zu verstehen, weil sie ja mit einem Buch aus Konoha lernte und Kumo Gakure wahrscheinlich andere Lehrpläne mit abweichender Reihenfolge hatte, die sie erst kennen lernen würde, wenn sie dort war.
Wenn sie trainierte, dann mit Madara zusammen, er nahm sie jetzt oft mit in das Tal in den Bergen, und manchmal kam auch Sasori mit.
Konan wusste jetzt schon, dass sie Mittel- bis Fernstreckenkämpferin war, Nahkampf war nicht ihr Ding. Obwohl sie körperlich fit war, schlagen und treten war nicht ihre Art, und so konzentrierten sich Madara und Sasori darauf, sie in dem, was sie besser konnte, so stark wie nur möglich zu machen.
Anfang August war es dann soweit: Madara buchte zwei Plätze im Reisewagen einer Händlergruppe, die von Suna Gakure nach Taki Gakure wollte. Von da aus wollten sie ein Schiff über die nördliche Meeresbucht ins Donner-Reich nehmen. Der reine Landweg vom Regenland nach Kumo Gakure war versperrt, da lag nun Oto Gakure dazwischen, und da hindurch zu reisen war viel zu gefährlich.
Konan packte ihre Sachen, jedenfalls das, was sie mitnehmen konnte. Die Nähmaschine und das weitere Nähzeug blieben in Akatsuki, die waren viel zu schwer, doch alle ihre Kleider und Bücher und was sie sonst noch für die Ausbildung brauchte, nahm sie mit.
Am Tag vor der Abreise kam Mari aus dem unteren Dorf noch mal vorbei, sie wollte Konan „Auf Wiedersehen“ sagen und die neue Adresse wissen, damit sie sich Briefe schreiben konnten.
Sasori packte ebenfalls Sachen zusammen. Er hatte ja schon angekündigt, dass er mal wieder in Suna Gakure vorbeischauen und sich irgendwelche Informationen beschaffen wollte, und Konans Abreise war für ihn natürlich der beste Zeitpunkt dafür. Er hatte jede Menge Pläne und außerdem gab es in Suna Gakure ein ganz bestimmtes Ziel für ihn. Ein Ziel, von dem er nicht mal Madara erzählt hatte.
Am nächsten Morgen war Konan schon früh wach. Sie wusste, heute war der Tag der Abreise, und fühlte eine kribbelige, schwirrende Aufregung. Sie stand auf und zog ihr neues Kleid an, das mit dem gewickelten Rock und dem blaugrünen Oberteil.
Dann lief sie ins Bad, machte sich fertig, drehte ihr Haar zu einer hübschen Kugel und setzte wie immer die Papierblüte darauf, die, die auch als Waffe dienen konnte. Gestern hatte Mari ihr ein kleines Döschen geschenkt, in dem sich Wimperntusche, Kajalstift und vier Farben Lidschatten befanden, und Konan probierte diese Sachen gleich aus. Das Ergebnis gefiel ihr.
Fertig geschminkt und schön gemacht, packte sie auch im Bad alles, was sie brauchte, zusammen, und lief dann runter in die Küche. Madara war schon auf und machte Frühstück.
„Schön siehst du aus, Konanchen“, sagte er, als er sah, dass sie sich geschminkt hatte.
Konan grinste. „Danke. Ist gut, ne?“
Während Konan schon auf ihren Koffern saß, ging Madara noch mal zu Kakuzu, um diesem ganz genaue Anweisungen zu geben, was in seiner Abwesenheit getan werden musste und durfte und was nicht. Und Madara hatte, um da auch sicher zu gehen, verschiedene Barrikaden und Fallen aufgestellt, die ihn informierten, sollte Kakuzu irgendwo zu falsch laufen.
Da Sasoris geplanter Ausflug nach Suna nicht lang dauern sollte, machte Madara ihn jetzt zu seinem Stellvertreter, der in seiner Abwesenheit, während er Konan nach Kumo begleitete, auf Akatsuki aufpassen und den Laden am Laufen halten sollte.
Nagato war den ganzen Tag über nicht zu sehen. Konan wollte ihm „Auf Wiedersehen“ sagen, doch er war weder auf seinem Zimmer, noch irgendwo anders im Dorf. Vermutlich war er dem Regen in die westlicheren Berge gefolgt, und Konan konnte sich auch denken, dass Nagato einem direkten Abschied aus dem Weg ging. Und dafür hatte sie in diesem Moment auch Verständnis.
Die Reise nach Kumo Gakure war lang, meistens ging man von einem Zeitraum von einer ganzen Woche aus. Ein durchtrainierter Jonin schaffte es vielleicht in vier oder fünf Tagen, aber Madara hatte auch keine Lust, zu hetzen. Und Konan war eben noch lange nicht so stark und fit, in einer derartigen Zeit so einen Weg zu schaffen.
Sie fanden die Reisegruppe, es waren Händler aus der Wüste, kein erkennbarer Shinobi dabei. Nur zwei Männer mit Schwertern, vielleicht feudale Samurai.
Madara hielt sich sehr zurück, zeigte nicht, was er war. Er wusste zwar nicht, inwiefern Händler aus dem Wind-Reich ihn würden erkennen können, doch vorsichtshalber zeigte er nichts von dem, was ihn als Shinobi und schon gar nicht als den, der er war, erkenntlich machen könnte.
Der Wagen war eine große Kutsche mit Dach, die Reisenden saßen einander gegenüber, und Konan kam ins Gespräch mit einem Jungen, der etwa so alt war wie sie. Er fragte sie, wo sie hin wollte, und sie sagte: „Ins Donner-Reich, zur Schule.“
„Was für eine Schule?“, fragte der Junge weiter.
„Ich will auf die Akademie, Kunoichi werden.“
„Und geht das hier nicht?“
„Nein. Aber die Akademie in Kumo Gakure hat mich angenommen, ich gehe also dort hin.“
Der Junge machte große Augen. „Und der da?“, fragte er und wies auf Madara.
„Das ist Dara, er ist so was wie mein Papa“, sagte Konan. „Er hat mir alles beigebracht, und jetzt soll ich den Rest auf einer Akademie lernen.“
„Was kannst du denn so?“, fragte der Junge.
„Alles mit Origami“, antwortete Konan. „Und von jemand anderem hab ich auch gelernt, wie man mit Marionetten spielt.“
„Solche wie in Suna?“
„Genau.“
Wieder riss der Junge die Augen auf, er war sichtlich beeindruckt.
„Aber jetzt entschuldige mich bitte“, sagte Konan und nahm ihr Buch wieder zur Hand. „Ich muss weiter lernen.“
Die Reise verlief gleichförmig, ohne große Unterbrechungen. Sie durchquerten das Land von Kusa Gakure in relativ kurzer Zeit, und erst an der Grenze zum Land von Taki gab es Komplikationen, weil wegen der Geschehnisse um Oto Gakure die Kontrollen verstärkt worden waren.
Einer der Grenzposten musterte Madara ein wenig zu lange, so als glaubte er, ihn zu erkennen, doch letztendlich ließ er alle passieren und erklärte nur, dass sie hier wegen Oto Gakure alle Reisenden kontrollierten.
Als sie auch das Land von Taki fast durchquert hatten, erreichte Madara zum ersten Mal ein Alarm aus Akatsuki. Sasori war anscheinend schon wieder aus Suna Gakure zurück und schrieb nun, dass der Regen wieder stärker geworden sei und Nagato sich drei Tage lang draußen im Regen herumgetrieben hatte. Und dass Nagatos Augen sich noch mal verändert hatten, es seien mehr Kreise geworden, mit neuen Punkten auf den Linien.
Madara schickte eine Antwort zurück, dass er die Nachricht erhalten hatte und wo er und Konan gerade waren.
Am Tag, als sie das Meer erreichten, trafen sie auf eine andere Gruppe, die aus dem Feuerreich nach Iwa Gakure wollte, und Konan traf zum ersten Mal Leute, deren Muttersprache nicht Dogo, sondern Nigo, die Ursprache des Senningo war. In Iwa Gakure wurde mehr Nigo gesprochen, was auch der Grund war, warum die Akademie dort nichts für Konan gewesen wäre. Senningo beherrschte sie, wenn auch nicht gut, aber Nigo verstand sie kaum.
Madara sprach zwar Nigo, aber mit einem so starken Akzent, dass sein Gegenüber sofort erkannte, dass er aus Konoha Gakure kam. Also hielt er sich ebenfalls zurück, damit er nicht enttarnt wurde.
Danach, während sie auf das Schiff warteten, fragte Konan: „Sag mal, Dara, wieso heißt Senningo eigentlich so? Und Nigo, woher kommt das?“
„Wir wissen nicht genau, warum wir diese Sprachen so haben. Nigo ist eine sehr alte Sprache, die auch weit über unsere Welt hinausgeht. Ebenso wie Dogo, das wird auch in sehr weit entfernten Welten gesprochen. Und Senningo ist nach einem Mann benannt, der vor vielen hundert Jahren gelebt hat und Nigo und Dogo miteinander verbunden hat. Er beherrschte sowohl eben diese Sprachen, als auch war er der Erste, der lernte und lehrte, wie man Chakra schmiedet. Deshalb nennen wir diese Version des Nigo eben ‚Senningo‘. ‚Go‘ bedeutet ‚Sprache‘ in Nigo.“
„Und was heißt ‚Ni‘?“
„Ni ist der Name des Landes, wo diese Sprache herkommt. So wie Do das Land ist, aus dem Dogo stammt. Nur Sennin ist der Name einer Person. Sein Vorname war Rikudo.“
Sie nahmen das Schiff ins Donner-Reich und kamen am nächsten Tag dort an. Ein Lehrer von der Kumo-Akademie wartete schon am Hafen, er begrüßte Konan und Madara und sagte, dass er das Mädchen bis in sein Dorf begleiten würde. Madara könne sich schon wieder auf den Heimweg machen.
„Also dann …“ Madara war jetzt doch ein wenig traurig. „Gib dein Bestes, Konanchen. Mach uns stolz, Sasori und Nagato und mich. Du kannst das.“
Konan hatte auch Tränen in den Augen. Sie hatte, obwohl es ja nur um ein Jahr auf dieser Akademie ging, das bestimmte Gefühl, Madara für eine lange Zeit nicht mehr wieder sehen zu können. Und so umarmte sie ihn ganz fest, schnupperte noch einmal an seinem Haar, so wie sie es als Kleinkind getan hatte, und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Nicht traurig sein, Konanchen …“
„Bin ich nicht.“ Sie schniefte und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. Dann lächelte sie und streckte sich. „Ja, ich mach dich ganz stolz, Dara!“
Und so verabschiedete Madara seine Tochter und nahm das nächste Schiff zurück. Als er wieder in Taki ankam, kam ihm eine Idee:
Wo er jetzt schon mal unterwegs war, konnte er auch gleich etwas anderes erledigen, was er schon lange vor hatte. Er wollte ins Feuerreich, in das echte Tal der Senjuu, das, nach dessen Vorbild er seinen Trainingsort im Regenland geschaffen hatte. Dort wollte er den Anker der Jutsus setzen, die er im Kampf gegen Kurama benutzen wollte. Einen Speicher, in dem dann auch die Erinnerungen an ihn lagern konnten, falls er den Kampf gegen den Fuchsgeist verlor.
Das Tal der Senjuu, das der Erste Hokage in seinen eigenen Schriften selbst als „Tal des Schicksals von Laub und Feuer“ bezeichnet hatte, befand sich im Norden des Feuerreiches, nahe des Weges, der nun auch nach Oto Gakure führte.
Madara musste sich also gut tarnen, wenn er unerkannt dorthin gelangen wollte. Und so kaufte er in einem Laden am Wegesrand eine Maske, ein orangenes Teil aus Holz, mit einem einzigen Loch darin. Er band sein Haar so zusammen, dass man nicht mehr sah, wie lang es war, und setzte diese Maske auf. Und als einer der Grenzkontrolleure nach seinem Namen fragte, nannte er den erstbesten Namen, der ihm einfiel: „Tobi Darama.“
„Woher kommen Sie und wo wollen Sie hin?“
„Ich komme aus Iwa und will nach Kiri“, log er auf Nigo, und dieses Mal bekam er es ohne Akzent hin.
Und als ihm der Grenzer das nicht zu glauben schien, ließ Madara ihn mit einem kleinen Genjutsu einfach einschlafen.
Der Weg zum Tal der Senjuu war lang, und für Madara fühlte es sich seltsam an, wieder im Feuerreich zu sein, er wagte den ganzen Weg über nicht, die Maske abzusetzen. Zwar wusste er nicht, ob die Anbu noch nach ihm suchte, aber auch so war die Gefahr, dass ihn jemand sah und erkannte, recht hoch. Im Feuerreich wusste man nun mal gut, woran man ein Mitglied des Uchiha-Clans erkannte.
Einmal dachte er an Izuna, der vielleicht auch zwischendurch mal wieder im Feuerreich gewesen war und sich aber wahrscheinlich noch besser zu verstecken wusste als Madara selbst. Izuna war ein zurückhaltender, stiller Typ, der im Gegensatz zu Madara nie die Aufmerksamkeit der Menschen genossen oder auch nur gemocht hatte, und so fiel es ihm sicher mehr als leicht, unsichtbar im Untergrund zu leben.
Als Madara das Tal der Senjuu dann erreichte, überkam ihn tatsächlich Heimweh nach Konoha. Er hatte in den Jahren im Regenland schon auch Heimweh empfunden, aber seine Mission dort war ihm so wichtig, dass er es so weit wie möglich verdrängt hatte. Hier in diesem Tal, das den Geist von Konoha geradezu atmete, fühlte er auf einmal wieder, wie sehr er seine Heimat doch vermisste.
Zuerst sah er sich im Tal genau um, ob noch jemand hier war. Kurz hatte er den Gedanken, dass Tsunade sich hier vielleicht aufhalten könnte, doch er stellte bald fest, dass sie nicht hier gewesen war, er war allein. Allein mit sich und der riesigen Statue des Ersten Hokage neben dem Wasserfall. Also konnte er mit der Arbeit beginnen.
Und er hatte viel zu tun. Es ging auf Vollmond zu, und auf das Erscheinen des Fuchsgeistes, er hatte nicht viel Zeit und musste sofort anfangen.
Zuerst untersuchte Madara den Boden hier, sah sich mit aktivierten Sharingan genau an, wie das Chakra und der Fluss in diesem Tal unter der Erde zusammenwirkten. Und er fand tatsächlich Strukturen im Boden, die darauf hinwiesen, dass sich auch hier ein Energiedepot des Fuchsgeistes befand. Wenn er an etwas davon herankommen könnte, wäre das eine gute Vorbereitung für die Jutsus, die er gegen Kurama anwenden wollte.
Und so begann er, mit einfachen Erdversteck-Jutsus, nach diesem Energiedepot zu graben. Er brauchte nicht viel von dem lagernden Chakra, nur genug, damit es auf seine Jutsus reagierte und er erkennen konnte, welche Kräfte darin steckten. Und er fand mehr als die Menge, die er brauchte.
Während dieser Arbeit beschlich ihn wieder dieses Gefühl von Schicksal, passend zu diesem Ort. Er hatte das Gefühl, an der Quelle des Schicksals und des Feuerwillens zu graben, an einem geradezu heiligen Ort, der einen Kreis des Schicksals wieder verband und zu einer Vollkommenheit führte. Es gab angesichts dessen zwei Möglichkeiten: Entweder verlor er den Kampf gegen Kurama und dieses Schicksalsrad lief ohne ihn weiter, oder er veränderte alles, indem er den Neunschwänzigen Fuchsgeist, den Stärksten aller Bijuu, für sich und Akatsuki gewann, und das Schicksal von Konoha Gakure damit auch wieder in seine Art und dem Weg des Uchiha-Clans führte. Und vielleicht würden sich Akatsuki und Konoha sogar damit zusammenführen lassen und er wurde doch noch irgendwie selbst Hokage?
Irgendwo im Hintergrund seines Bewusstseins warnte ihn ein winziges Gefühl, dass er gerade etwas übersah und nicht mitbedachte. Doch selbst als er, nur der Vollständigkeit halber, sich diesen Punkt genauer ansehen wollte, erkannte er ihn nicht. Sollte er den Kampf gegen Kurama verlieren und umkommen, würde Konan in Kumo Gakure bleiben, Sasori würde Akatsuki übernehmen und Kakuzu und Kisame würden weiterziehen, sich etwas Neues suchen. Nagato würde wahrscheinlich im Regenland bleiben, vielleicht sogar nach Ame Gakure zurückgehen.
Aber Madara wollte nicht darüber nachdenken, diesen Kampf zu verlieren. Er war stark genug und hatte den wahren Namen des Fuchsgeistes als Ass im Ärmel, dazu Amaterasu und jede Menge äußerst starker Jutsus, darunter das Jutsu des Phantomdrachens, mit dem man einen Bijuu zähmen würde können.
Am nächsten Tag fand er beim Graben ein weiteres Energiedepot, und es bedeutete einen weiteren starken Durchbruch, da es tatsächlich Jubi-Chakra enthielt. Denn Jubi-Chakra bedeutete eine enorme Verstärkung des Phantomdrachen-Jutsus! Es bildete als universellstes Chakra der Welt einen neutralisierenden Gegensatz zur sehr spezifischen und eigenen Struktur jedes einzelnen Bijuu-Chakras und stellte eine Verbindung zum Mond her, dem Ursprungsort der Bijuu, sodass sie dadurch gezähmt werden konnten.
Nachdem er nun alle Faktoren für das Phantomdrachen-Jutsu zusammen hatte, begann die eigentliche harte Arbeit: Dieses Jutsu zu beherrschen und sicher anzuwenden. So etwas dauerte lange und er hatte nicht viel Zeit.
Und so versuchte er etwas ziemlich Ungewöhnliches, einen Trick, mit dem sich die Zeit verkürzen ließ: Er erschuf mehrere Schattendoppelgänger, die gleichzeitig an dem Jutsu arbeiteten, und deren neues Können sich bei ihrer Auflösung dann auf ihn übertrug. Diese Technik erforderte extrem viel Chakra, mehr als Madara selbst hatte, und er versuchte, etwas von dem Jubi-Chakra zu benutzen, indem er eine winzige Menge davon in sich aufnahm.
Er hatte keinerlei Wissen, ob das funktionierte, aber Madara war jemand, der Dinge einfach ausprobierte und durch Erfahrung lernte. Diese Wesensart, die er auch an Konan weitergegeben hatte, entstammte seinem Glauben an das Gute, das, was andere an ihm als „naiv“ bezeichneten.
Und hier und heute hatte er dabei großen Erfolg: Das Jubi-Chakra passte sich seinem eigenen Chakra so weit an, dass er es nutzen konnte, und so schuf er aus ihm einige Dutzend Schattendoppelgänger, die alle zugleich mit dem Training begannen.
„Was für ein Glück!“, sprach er zu sich und sah dann auf zu der Statue des Ersten Hokage, der diesen besonderen Ort mit derselben „Naivität“ und diesem Idealismus heiligte, die Madara von Kindheit an aus dessen Schriften verinnerlicht hatte. „Das hab ich von dir gelernt, Erste Generation“, fügte er hinzu und verbeugte sich.
Mithilfe des Jubi-Chakras und der vielen Schattendoppelgänger kam Madara dann gut voran. Zuerst stimmte er sich und die Doppelgänger mit einigen starken Feuerversteck-Jutsus auf die Energie ein, testete, wie weit sich das Jubi-Chakra dem anpasste und stellte fest, dass es im Feuer-Element am besten funktionierte.
Er fand auch heraus, dass dieses Chakra, obwohl so universell, sich am liebsten wohl in Form eines Greifvogels zeigte, fast wie ein Phönix, die Verbindung zwischen Feuer und einem Vogel. Und das, obwohl es, im Gegensatz zur Suggestion seines Namens Jubi, keine eigenen Absichten wie andere Bijuu hatte. Es gehörte zwar zu ihnen, war aber doch ganz anders.
Madara fühlte sich ein wenig an die Wanderfalken erinnert, die er als Jugendlicher gehabt und trainiert hatte. Er gab dem Jubi-Chakra also diese Form, und hatte somit einen Unterstützer für den bevorstehenden Kampf. Dass dieses Chakra mit ihm kooperierte, bedeutete ja, dass es nicht unbedingt loyal gegenüber dem Fuchsgeist war.
Mit fünfzig Schattendoppelgängern, dem Jubi-Chakra in Form eines Falken, und Amaterasu und Gunbai als Waffen verbrachte Madara hier eine ganze Woche mit hartem Training. Am 20. September begann das Jutsu des Phantomdrachens dann, das im Boden unter dem Tal befindliche Kurama-Chakra zu beeinflussen und es ein wenig zu verwandeln, und da wusste Madara, er hatte es geschafft. Es gab nun ein neues Jutsu, mit dem sich ein Bijuu beeinflussen und in eine weniger gefährliche Form bringen ließ, und er, Madara Uchiha, beherrschte es.
Er feierte diesen Erfolg mit einer Zeremonie, für die er Laub eines Baumes hier mit Sake vermischte und sich oben an den Wasserfall setzte, gegenüber des Gesichts der großen Statue. Er sah seinem größten Idol ins Gesicht, trank den Sake und hatte dabei diese eine Idee:
Er wollte sich hier ebenfalls verewigen. Immerhin sah er sich als denjenigen, der die Ideale des Hokage der Ersten Generation für seine eigene Generation und die Zukunft weitertrug. Auch wenn er ein Uchiha und kein Senjuu war. Aber schließlich hatte Hashirama ja von sich aus dieses Band zwischen den Senjuu und den Uchiha hergestellt, und dabei die Uchiha zu Beschützern des Dorfes und seiner Ideale ernannt.
Und so errichtete Madara innerhalb der nächsten beiden Tage hier eine zweite Statue, genau wie in seinem Trainingstal im Regenland. Auch diese Arbeit feierte er danach mit derselben Zeremonie, und er versiegelte einen Teil von sich und Kopien seiner sämtlichen Erinnerungen in dieser Statue von sich als Sicherheit.
Am 25. September verließ er das Schicksalstal wieder und machte sich auf den Rückweg ins Regenland.
September 1991
Die Probleme, die durch die Trennung der Sannin und Orochimarus Weggang aus Konoha passiert waren, hatte ich nur am Rande mitbekommen. Ich war nach der Mission im Regenland wieder mehr an der Uni als auf Missionen gewesen, und das Einzige, was ich genauer verfolgt hatte, war die Untersuchung des Briefes aus dem Regenland und die These, dass Madara ihn geschrieben hatte. Wenn ich von der Uni aus die Gelegenheit hatte, ging ich zu Minato und sprach mit ihm über das, was wir dahingehend vermuteten. Ansonsten beschäftigte ich mich mehr mit Sasuke als mit derartiger Arbeit.
Mitte September kam dann der Abschlussbericht der Spurenabteilung, die den Brief genauestens untersucht hatte, und Minato beorderte mich und Shisui zu dieser Besprechung dazu.
Das Labor hatte sämtliche Eigenschaften, das Papier, die Schrift, die inneren Energien und den gesamten Text analysiert, und auch mit Madaras noch hier befindlichen Nachlässen abgeglichen, um entweder auszuschließen, dass er den Brief verfasst hatte, oder selbiges zu beweisen.
Und sie waren fündig geworden. Abgesehen von dem Pseudonym am Ende des Briefes war auch im Papier etwas entdeckt worden: Und zwar feinster Staub von grüner Jade, die unverkennbar aus dem Vorkommen von Jade im Felsmassiv von Konoha stammte. Die heilige Halskette des Ersten Hokage, die sich im Besitz von Tsunade befand, bestand aus derselben Jade, und jeder im Dorf wusste, dass Madara ebenfalls ein großes Stück dieser Art von Jade besaß, das er immer bei sich trug. Der Staub war so fein, dass er vermutlich dadurch ins Papier gelangt war, dass Madara beim Schreiben des Briefes diesen Jadestein als Papierbeschwerer benutzt hatte.
„Und was machen wir jetzt damit? Sollen wir Madara zurückholen?“, fragte der Laborbeamte.
„Nein“, sagte Minato und sah dabei mich an. „Er wird von selbst zurückkommen.“
„Warum sollte er? Warum ist er überhaupt gegangen?“, fragte der Beamte weiter.
„Er kommt wieder“, sagte ich. „Er ist doch nur gegangen, um dort zu helfen. Diese Dorf, was er gründen will, zielt auf eine Entwicklungshilfe für das Regenland ab. Er ist kein Deserteur.“
„Aber wir schicken demnächst ein Team, um herauszufinden, was dort im Regenland eigentlich los ist“, sprach Minato. „Vielleicht kann Konoha auch helfen. Und wir sind diesem Land eine Entschuldigung schuldig. Im letzten Krieg ist dort zu viel Zerstörung passiert.“
Nach dieser Besprechung ging ich gleich nach Hause. Ich wollte noch mit Sasuke raus, und es gab in Mamas Praxis auch sicher genug für mich zu tun.
Als ich die Haustür hinter mir zuschob, hörte ich Stimmen in der Küche. Es waren Mama und Kushina. Kushina war inzwischen so hochschwanger, dass sie zwei- oder dreimal pro Woche zu Mama kam und sie um Rat fragte, weil ihr die Schwangerschaft immer mehr Probleme machte.
Ich klopfte an den Türrahmen der offenen Küchentür, Mama bat mich herein und Kushina drehte sich zu mir um. Sie sah müde aus, fast als wäre sie krank. Auf den Tisch stand eine Kanne mit selbstgemachtem Tee, der Sorte, die Mama die ganze Schwangerschaft mit Sasuke hindurch getrunken hatte.
„Warum ist das nur so unterschiedlich, Ikue?“, sagte Kushina. „Du hast zwei Kinder und beide Male war es für dich kein Problem, und bei mir geht alles schief …“
„Es geht nicht ‚schief‘, Kushina“, sagte Mama. „Dein Baby ist nur wilder als meine.“ Sie stand auf und umarmte ihre sitzende Freundin, die fing daraufhin an zu weinen.
„Ist vielleicht … nur klar, so wie ich bin“, schluchzte sie und lachte zugleich. „Jemand wie ich kann nur ein wildes Baby bekommen …“
Ich stand in der Tür und fühlte mich ein wenig befangen. Meine hochsensible Natur reagierte auf Kushinas Schmerz und zugleich konnte ich als Junge nicht viel dazu sagen, weil es um ein Thema ging, was ich niemals selbst erleben würde. Was ich mir aber wieder, wie so oft, sehr bewusst machte, war die große Hochachtung, die ich vor Frauen und Mädchen empfand. Weiblichkeit löste in mir, egal ob es um so etwas wie Schwangerschaft oder einfach nur um weibliche Energien ging, immer so eine Bewunderung und Ehrfurcht aus, und ich schwor mir, dass ich, wenn ich irgendwann selbst eine Ehefrau hatte, sie mit genau dieser Ehrfurcht und Liebe überschütten würde.
Ich ging zu Sasukes Bettchen, er lag darin und spielte mit seinem Kissen, und ich zog mir das Babytragetuch an, nahm meinen Bruder aus dem Bett und legte ihn in das Tuch.
„Wir gehen ein bisschen raus“, sagte ich.
Mama nickte, küsste mich und Sasuke und kümmerte sich dann weiter um Kushina, während ich wieder hinaus ging.
Ich nahm den Weg mitten durchs Dorf, und dort traf ich auf eins der Mädchen aus meiner Akademieklasse, die mich, als ich fünf gewesen war, so ein bisschen ‚umsorgt‘ hatte. Sie war inzwischen auch Chuunin, aber ja älter und auch immer noch größer als ich.
„Na, wir haben uns ja lang nicht gesehen, Itachi-chan“, begrüßte sie mich. „Wie geht’s dir?“
„Uni läuft gut“, sagte ich. „Und ich bin jetzt auch Chuunin.“
Das Mädchen lachte. „Alles klar, ich bin nur Chuunin, und du gehst zur Uni?!“
Ich zuckte mit den Schultern, es machte mich immer etwas verlegen.
„Und du babysittest deinen kleinen Bruder, ja?“, fragte sie dann und sah Sasuke an. „Er ist aber auch wirklich süß!“ Sasuke reagierte auf sie, streckte seine Hände aus.
„Was studierst du denn?“, fragte sie weiter.
„Medizin und Psychologie.“
Sie lachte wieder. „Passt zu dir. Auch wenn es echt krass ist, dass du das mit zehn machst, aber als Genjutsu-Supergenie ist Psychologie und Medizin sicher nützlich, ne?“
„Ich mags einfach.“
„Wenn du kein Ninja wärst, würdest du damit auch Arzt werden können, oder?“
„Ja …“ sagte ich. „Vielleicht werde ich Feldarzt …“
Sie musste dann weiter, und ich setzte meinen Weg fort. Ich hatte Lust auf ein paar Süßigkeiten und nahm darum den Weg zu Oma Yonekos Teehaus. Als ich dort ankam, kam gerade Minato aus der Tür. Er hatte sich offenbar mit Yoneko besprochen, was Madara betraf, und vielleicht auch wegen der unklaren Situation bezüglich des Fuchsgeist-Chakras, das immer wieder in der Umgebung des Dorfes an die Oberfläche trat und langsam wirklich für Befürchtungen sorgte.
Ich ging nur in den Vorflur des Teehauses, wo Urushi, eine entfernte Tante von mir, ihre Süßigkeiten zum Tee anbot, und holte mir eine Packung Dango.
„Na, ihr zwei?“, sprach Urushi mich an. „Geht ihr spazieren?“
Ich nickte, lächelte, und Sasuke streckte sich im Tuch, um Urushi auch anzuschauen.
Sie lachte. „Du bist jetzt schon als ‚Konoha Nii-san‘ bekannt, Itachi. So wie Ikue ‚Konoha-Mama‘ ist.“
Ich wurde rot. Natürlich wusste ich, dass man im Dorf über mich redete, ich war immerhin der Clanerbe der Uchiha und mit diesem Gerede aufgewachsen, aber dennoch ließ mich die Begegnung damit immer wieder verlegen werden. Auch wenn ich wirklich sehr stolz darauf war, ein toller großer Bruder zu sein, ich konnte mich nicht erwehren, dass mich die Aufmerksamkeit einfach erröten ließ.
Auch gerade eben hier im Teehaus, wo ich von frühester Kindheit an immer wieder stolz von Oma Yoneko als Wunderkind präsentiert worden war. Ich würde nicht sagen, dass es mich beschädigt oder gar traumatisiert hatte, aber diese rühmende Aufmerksamkeit war etwas, das ich nicht gut aushalten konnte und lieber vermied. Ich war einfach so, eben der, der sich still und unauffällig verhielt und lieber anderen zuhörte als selbst zu reden. Diese Zurückhaltung war etwas an mir, was ich mochte und ich sah Schüchternheit als einen positiven Charakterzug an mir an, war damit im Reinen, weil ich mich damit wohler fühlte.
„Heute Abend haben wir einen Auftritt einer Tänzerin hier im Teehaus. Vielleicht mögt ihr dazu kommen, Ikue und du?“, fragte Urushi.
„Was für eine Tänzerin?“
„Ein junges Mädchen aus der Stadt, mit einem bunten Kimono und traditioneller Ausbildung.“
„Ich frag Mama mal. Vielleicht kommen wir.“
Ich nahm die Dango mit und setzte mich mit Sasuke auf eine Bank am Fluss, in der Nähe der Dorfmauer. Dort verbrachten wir ungefähr eine halbe Stunde, dann wurde er ungeduldig, vielleicht hungrig, und so kehrten wir nach Hause zurück, wo Mama ihn gleich zum Stillen übernahm. Ich erzählte ihr von der Tänzerin, die Urushi erwähnt hatte, und Mama sagte, dass sie keine Zeit hätte, es gab zu viel in der Praxis zu tun.
Also beschloss ich, alleine hin zu gehen. Eine Tänzerin aus der Stadt, die nach der Tradition des Landes „Ni“ ausgebildet war, hatten wir nicht oft im Dorf und ich wusste, dass es mir gefallen würde, so einen Auftritt anzuschauen. Solche Tänzerinnen waren berühmt für ihre subtile, zurückhaltende Ausdrucksweise und ihre hübschen Kimonos.
Ich zog mir also am Abend meine festlichen Kleider an, einen schwarzen Hakama und dunkelblauen Haori, beides natürlich mit unserem Wappen geschmückt. Ich hatte auch einen kleinen Netsuke in Form eines Wiesels, das jedoch leicht für eine Katze gehalten werden konnte. Und als ich so edel gekleidet vor dem Spiegel stand, beschloss ich spontan, meine Haare zu flechten und mit Mamas Haarnadeln hochzustecken. Ich machte vorn zwei kleine Zöpfe, die ich dann mit den Nadeln festmachte, und band mein Haar hinten zusammen, so gut es ging. Es war noch nicht lang genug für einen richtigen Zopf, und ich würde es weiter wachsen lassen.
Als ich die Treppe herunter kam, war Shisui da. Er hatte offenbar denselben Plan wie ich, war ähnlich festlich gekleidet und wollte mich abholen.
„Wow, Itachi!“, rief er aus, als er mich sah. „Du wirst die Tänzerin ja in Schönheit ausstechen!“ Er lachte.
„Eher nicht“, sagte ich.
„Steht dir aber.“
Ich lächelte.
Wir machten uns also zu zweit auf den Weg ins Teehaus und ernteten jede Menge bewundernder Blicke. „Im Uchiha-Teehaus ist wohl eine Feier …“, hörte ich jemanden sagen. „Aber natürlich geht nur der Adel hin.“
Oma Yonekos Teehaus war sehr, sehr exklusiv, und viele Leute bezeichneten es als den Ort, wo die wahre Politik des Dorfes gemacht wurde. Homura und Danzo sagten das mit deutlich verächtlichem Tonfall, Koharu mit offener Ablehnung, aber die meisten Leute im Dorf sprachen darüber eher mit Ehrfurcht. So, wie sie mich auch ansahen.
Als wir das Teehaus erreichten, sahen wir auch Minato wieder, er trug tatsächlich das Hokage-Gewand samt Hut. „Eine Tänzerin aus der Stadt, das muss man sich anschauen“, sagte er und lächelte, doch er sah müde aus. Kushina ging es nicht gut und es gab derzeit zu viele Dinge, die ihn beunruhigten. Da war eine Feier im Teehaus sicher eine schöne Ablenkung für ihn.
Wir gingen hinein, drinnen war es dunkel, es brannten nur Kerzen und eine kleine elektrische Lampe, aber der Raum war festlich geschmückt und vor der kleinen Bühne war der Vorhang herunter gelassen. Hinter dem Vorhang war schon hin und wieder eine Shamisen zu hören, und eine halbe Stunde später, als alle Gäste da waren, wurde deren Spiel lauter, und schließlich hob sich der Vorhang und die Tänzerin war zu sehen. Sie trug einen roten Kimono mit prächtigem Muster aus Blumen, Blättern und einem großen Phönix, und ich erkannte ihren Obi, er gehörte zu Oma Yonekos Jugendkimono, unverkennbar und mehrfach mit dem Wappen unseres Clans geschmückt. Dass die Tänzerin sich genau so für diesen Auftritt gekleidet hatte, war ein deutliches Zeichen für die Bedeutung ihres Auftrittes in unserem Dorf. Blättermuster, einen Phönix, der ja irgendwie schon das Symbol unseres Clans war, und dazu Oma Yonekos Obi, das bedeutete, dass sie sicher nicht zum letzten Mal hier auftreten würde.
„Sie ist wirklich, wirklich hübsch“, flüsterte Shisui neben mir. „Aber ganz sicher nicht erreichbar.“
„Magst du sie?“, fragte ich.
„Wer mag so eine Tänzerin nicht? Aber ich glaube, ich brauche nicht mal dran zu denken, ob sie mich kennen lernen würde …“, antwortete er. „Du hättest vielleicht Chancen, so als Clanerbe. Wenn du älter wärst.“
„Ich will aber nicht.“
„Warum nicht?“
„Du sagst ja schon, ich bin zu jung“, sagte ich. „Und ich hab genug anderes zu tun, ich will jetzt noch keine Freundin.“
„Vielleicht bekommt sie ja einen Vertrag? Dann tritt sie öfter auf …“
„Frag du sie doch.“
Aber Shisui hatte Recht: Diese Tänzerin war wirklich sehr hübsch. Wie sie lächelte, mit ihrem weiß geschminkten Gesicht und den roten Lippen, und wie sanft und elegant sie sich zur Musik bewegte … Ich fühlte wieder diese Ehrfurcht vor dem Weiblichen.
Nach dem Auftritt kam sie von der Bühne, bedankte sich sehr förmlich bei Yoneko für die Ehre des Auftritts hier und das Ausleihen des Obi, und dann kam sie auf mich und Shisui zu.
„Guten Abend“, sagte sie auf Nigo, wechselte dann aber zu Dogo: „Sie sind Itachi, stimmts? Der Clanerbe?“ Sie verbeugte sich leicht.
Ich wurde wieder einmal rot, verbeugte mich ebenso. Und Shisui neben mir konnte seine Bewunderung für sie kaum verbergen.
„Sie haben schön getanzt“, sagte ich. „Sehr schön.“
Sie lächelte. „Vielen Dank.“
„Maiko-san!“, rief Yoneko hinter ihr, „Kommen Sie, der Hokage möchte sich bedanken!“
Sie lächelte noch einmal, verbeugte sich vor mir und wandte sich dann um, ging zu Yoneko und Minato hin.
„Wow, ist die süß“, flüsterte Shisui.
„Sprich sie doch an“, sagte ich. „Du bist mein Cousin, du darfst das.“
„Meinst du?“
„Ja. Und wenn es nur für eine Tasse Tee ist. Wenn du sie süß findest, lade sie ein.“
„Als wenn ich sie aufreißen würde …!“
„Das hab ich auch gar nicht gemeint.“
Wir beobachteten also, wie sich die Tänzerin, die man auf Nigo „Maiko“ nannte, förmlich mit Minato unterhielt, und als sie dann wieder kam, bedeutete ich Shisui mit einem Stups in die Seite, sie noch mal anzusprechen. Aber er war wie paralysiert von ihrem Makeup und brachte kein Wort heraus.
„Maiko-san?“, sprach ich sie also an. „Darf ich Ihnen meinen Cousin Shisui vorstellen?“
Sie lächelte, nickte. „Gern.“
Shisui riss sich zusammen, verbeugte sich, um das zu überspielen, und sagte dann: „Würden Sie mir die Ehre einer Tasse Tee erweisen?“
Die Tänzerin lächelte strahlend, lachte fast. „Sehr gern.“
„Siehst du“, flüsterte ich Shisui zu. „Und jetzt sei nett zu ihr, ja?“
„Alles klar, Bruder“, flüsterte er zurück und begab sich dann mit der Tänzerin gemeinsam zu einem Tisch, wo schon eine Kanne Tee stand.
Während Shisui sich also mit der Maiko unterhielt, machte ich meinen Anstandsauftritt bei Oma Yoneko. Minato war gerade gegangen und Yoneko hatte sich mit ihrer Gruppe an Freundinnen an den Stammtisch hinten im Raum gesetzt. Ich ging hin und wie immer leuchtete Yonekos Gesicht vor Stolz, als ich mich dazu setzte.
„Itachi, wie hat dir der Auftritt der Tänzerin gefallen?“, fragte sie.
„Sie ist sehr gut und sehr hübsch“, antwortete ich. „Shisui lernt sie gerade näher kennen.“
„Wäre sie nicht etwas für dich?“, fragte eine von Omas Freundinnen.
„Ich bin doch erst zehn“, sagte ich nur. „Und Shisui findet sie wirklich gut.“
„Also lässt du ihm den Vortritt, ja? Sehr edel von dir.“ Yoneko grinste ein wenig, nicht zu sehr, doch wer sie gut kannte, wusste, dass sie das lustig fand.
„Ich bin doch viel zu beschäftigt mit Sasuke und der Uni“, erklärte ich.
„Und du bist ja auch jetzt aktiver Chuunin“, sagte Yoneko.
In dem Moment kam vorn jemand herein, Yoneko drehte sich um und ich sah, dass es Oma Mino war, meine Großmutter mütterlicherseits.
„Mino, Schatz“, begrüßte Yoneko ihre Tochter. „Lässt du dich auch mal wieder sehen …“
„Ich war bei Neko draußen im Wald“, sagte Mino und lächelte.
Neko war ein altes Tantchen in Yonekos Alter, das deswegen „Neko“ genannt wurde, weil sie unglaublich viele Katzen besaß. Sie lebte außerhalb des Dorfes im Wald und Mino ging manchmal zu ihr und verbrachte dort eine Zeit.
Mino war deutlich mehr eine liebevolle Großmutter, als es Yoneko für mich war. Sie war ebenso hochsensibel wie Mama, aber auch genau so stark, und sie hatte Mama als ihrer Tochter dieselbe sanfte Kraft vererbt und gelehrt, mit der Mama dann auch mich erzogen hatte.
Wenn man Yoneko kannte und erlebte und dann Mino kennen lernte, wurde ganz klar, dass Mino in ihrer Jugend schwer hatte kämpfen müssen, weil ihre sensible, sanfte Art von ihrer Mutter nicht besonders wertgeschätzt wurde. Yoneko war eben eine offen starke, dominante Person, die ja auch für mich mit meiner sensiblen Art oft wenig Verständnis hatte.
Dass Mino oft zu Neko in den Wald ging, wirkte auf mich so, als sei Neko, die deutlich herzlicher war als Yoneko, so etwas wie Minos Mutterfigur.
Mino hatte eine große Tasche dabei, und als sie sich setzte, zog sie einen Pullover aus dieser Tasche, dem man sofort ansah, dass sie ihn nach allen Regeln der Kunst selbst gestrickt hatte. Sie strickte gern und viel, und auf diesem Pullover hatte sie zudem das Wappen unseres Clans auf den Rücken und beide Ärmel aufgenäht.
„Hier, der ist für dich, Itachi“, sagte sie. „Falls du mal in einem kalten Land eine Mission hast, kannst du den anziehen.“
„Vielen Dank, Oma Mino!“ Ich lächelte und umarmte sie dann.
„Wo ist Ikue heute Abend?“, fragte Yoneko.
„Sie hat zu viel in der Praxis zu tun“, sagte ich. „Und Sasuke ist ja auch noch zu klein, um ihn hier her mitzunehmen.“
Während Mino, Yoneko und die anderen Alten sich dann weiter unterhielten, beobachtete ich Shisui, wie er mit der Tänzerin Tee trank. Er war sichtlich angetan von ihr, doch sich auch erkennbar bewusst darüber, dass eine Maiko eine ganz andere Hausnummer war als ein Mädchen wie Izumi oder andere Freundinnen, die er sonst so gehabt hatte.
Eine Maiko erforderte sehr viel Fingerspitzengefühl und Etikette, und ich sah meinem Cousin an, wie er versuchte, mich und meine Zurückhaltung zu imitieren und gleichzeitig sein Interesse an ihr zu zeigen. Als Sharingan-Nutzer war er gut darin, andere nachzuahmen, auch ohne es direkt zu aktivieren. Und ich beherrschte das ebenfalls so gut, dass ich genau sah, wie er meine Körpersprache kopierte, um seine Aufregung zu überdecken und nicht aufdringlich zu wirken.
Und er hatte damit offenbar Erfolg, denn sie ließ allmählich ihre Etikette etwas fallen und einmal lachte sie über irgendetwas, was er sagte, so befreit auf, dass es das Eis zwischen den beiden wirksam brach.
Ich entschuldigte mich bei Yoneko und ging zu den beiden hinüber, setzte mich dazu. Zum einen, weil ich als Clanerbe in dieser Situation quasi über Shisui stand und von mir erwartet wurde, dass ich auf sein Benehmen achtete, aber auch deshalb, weil ich gern dabei sein wollte.
Die Maiko lächelte, als ich herüber kam, und bot mir einen Sitzplatz an. Ich setzte mich und schenkte ihr einen Tee ein.
„Ihr Cousin ist wirklich nett, Itachi-san“, sagte sie zu mir. „Danke für Ihre Vorstellung.“
„Du, bitte“, sagte ich. „Ich bin erst zehn.“
„Alles klar.“ Sie lachte. „Dann sind wir jetzt per Du.“
„Du wirst sicher wieder hier auftreten, oder?“, fragte ich.
Sie lächelte. „Ja, sicher. Yoneko-sama hat mir einen Vertrag angeboten und ich habe ihn schon unterschrieben.“ Sie sprach Dogo mit einem leichten Nigo-Akzent und benutzte die förmlichen Sprachelemente des Landes Ni, was sie besonders vornehm wirken ließ. Für uns Konoha-Ninjas, die meist nur Dogo oder Senningo sprachen und hörten, war eine Nigo-sprechende Maiko-Tänzerin eine wirklich besondere, edle Angelegenheit. Es war noch mal eine andere Vornehmheit als die, die selbst dieses edle, sehr exklusive Teehaus kannte.
Ich fragte mich, wie es in anderen Ländern war, wo mehr Nigo gesprochen wurde, so wie in Iwa Gakure.
„Warst du schon mal im Erdreich?“, fragte ich.
Die Maiko nickte. „Ja. Dort bin ich auch schon aufgetreten. Aber hier im Feuerreich gefällt es mir besser.“
„Warum?“, wollte Shisui wissen.
„Es ist wärmer hier, und mir gefällt der Wald. Und die Menschen in Iwa Gakure sprechen zwar Nigo, aber mit einem anderen Akzent, der irgendwie so … rau klingt. Da mag ich Senningo ehrlich gesagt sogar lieber“, antwortete die Maiko. „Und euer Wald ist wirklich schön.“
Ich lächelte. „Ja. Und wir lieben unseren Wald.“
„Das sieht man. Ihr habt überall Bilder von Blättern, selbst auf eurem Dorfwappen, oder? Das sieht auch aus wie ein Blatt.“
„Das stimmt, das soll ein Blatt darstellen“, antwortete ich. „Ein Blatt und eine spiralförmige Flamme.“
„Warum eine Flamme?“, fragte sie weiter. „Feuer ist doch nicht gut für einen Wald …“
„Es ist aber nun mal da, weißt du?“, sagte Shisui. „Unser Clan arbeitet mit Feuer und wir sind eine der Gründungsfamilien des Dorfes. Es gehört dazu und wir kontrollieren es. Damit beschützen wir das Dorf, das ist von jeher unsere Aufgabe.“
„Ach, so ist das.“ Die Maiko lächelte wieder. „Deswegen seid ihr so mächtig?“
Shisui nickte stolz und ich sah, wie er unbewusst kurz mit der Hand an seinem Oberarm war, wo unter dem Haori das Flammensymbol der Anbu in seine Haut tätowiert war.
Es wurde spät an diesem Abend, jedenfalls für Shisui. Für mich nicht, ich verabschiedete mich nach diesem Gespräch bald und ging nach Hause. Ich hatte eine lange Liste mit Aufgaben für morgen und würde wie üblich um vier aufstehen und zur Uni gehen. Als ich nach Hause kam, schlief Mama schon, ich hörte nur noch Papa in seinem Büro, es klang nach seiner Schreibmaschine. Ich zog mich aus, öffnete meine Haare und wusch mich, und dann ging ich ins Bett.
Aber es dauerte eine Weile, bis ich einschlief. Ich dachte an die Maiko und an Shisui, und weil ich meinen Cousin gut kannte, wusste ich, er war romantisch interessiert an ihr. Und zum ersten Mal dachte ich jetzt daran, dass ich auch nicht mehr allzu weit von der Pubertät entfernt war, in der sich Shisui schon längst befand. Ich dachte über meinen Körper nach, und wie es für mich sein würde, wenn dieser sich entwickelte und ich langsam zum Mann werden würde.
Es war ein wenig unheimlich, weil ich zum ersten Mal wirklich darüber nachdachte. Bisher hatte ich mich mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass in meinen Gedanken wenig Platz für dieses Thema gewesen war.
Ich war immer so auf meine geistige, mentale Reife konzentriert, dass ich bisher nicht genauer darüber nachgedacht hatte, was so etwas wie Pubertät und Körperentwicklung eigentlich bedeuteten. Mein Geist fühlte sich schon so erwachsen an, und wenn ich dem ein Alter geben müsste, hätte ich gesagt, er sei mindestens 20 Jahre alt. Aber meinen Körper beachtete ich im Grunde meist nur dann mehr, wenn ich ihn trainierte, weil ich nun mal ein Shinobi war. Über meine kommende Entwicklung zum Mann hatte ich nur damals einmal nachgedacht, als Shisui mich über Sexualität aufgeklärt hatte.
Und jetzt, auf einmal, war dieses Thema in meinem Kopf. Vielleicht, weil ich Shisui und die Maiko beobachtet hatte, aber vielleicht auch, weil ich jetzt alt genug war. Mit zehn Jahren konnte das ja schon langsam beginnen, und es konnte ja gut sein, dass mein Körper jetzt gerade begann, die ersten Hormone loszuschicken.
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, zog mich an und ging gleich zur Uni. Ich hatte eine Verabredung mit einem Professor für medizinisches Ninjutsu und vorher noch ein wenig Zeit, die ich nutzen wollte, um weiter an dem Jutsu zu arbeiten, mit dem man seine Macht in den Dienst einer guten Sache stellen und so beherrschen konnte.
Ich hatte beschlossen, den Namen „Shiawase no Jutsu“ beizubehalten, und weil die Vorlage und die Beschreibungen sehr lose waren, musste ich erst mal herausfinden, wie man dieses Jutsu überhaupt anwandte. Es hatte keinerlei Bezug zu den Fingerzeichen und ich fand auch keinen Ansatz dafür. Das Einzige, was ich sicher sagen konnte, war, dass es sich um eine entfernte Unterart des Medizinischen Ninjutsu handelte, ein wenig ähnlich dem bekannten „Ewige Jugend“-Jutsu von Tsunade Senjuu.
Ich fand nur wenige brauchbare Quellen darüber, wie man Shiawase-no-Jutsu, das Jutsu des Glücks, überhaupt startete und es gab keine Informationen, wie man es wieder brach oder beendete. Alles, was ich hatte, war das, was es bewirkte, wenn es aktiv war: Es setzte sowohl Chakra als auch Lebensenergie des Anwenders unter die Kontrolle von bestimmten Kriterien, die man quasi in das Chakra-Netz hineinschrieb und an den Inneren Toren befestigte.
Diese Kriterien bezogen sich auf das Verhalten des Anwenders, wenn er sich also entsprechend verhielt und die Resonanz der Umgebung positiv und passend war, entstand daraus Energie und Chakra, das ihn sehr stark machte. Wenn er jedoch die Kriterien brach, würde sich das Jutsu gegen ihn wenden, sein Chakra blockieren und seine Energie reduzieren.
Es war ein radikales System, und ich fühlte, wie es mich zugleich ängstigte und andererseits aber entspannte. Der Gedanke von gestern Abend mischte sich hinein, ich würde ja auch durch meine Entwicklung zum Mann stärker und mächtiger werden und das machte mir genug Angst, damit mir die Aussicht auf ein Jutsu, das diese Macht beschränkte, gefiel.
Ich vergaß die Zeit und der Medizin-Professor fand mich in der Bibliothek, wie ich beinahe fieberhaft alles aufschrieb, was ich über dieses Jutsu bisher herausgefunden hatte.
„Itachi?“, sprach er mich an und ich schreckte hoch. „Wir waren verabredet?“
Ich sprang auf. „Entschuldigung, ich …“
Er lächelte. „Alles gut. Forschst du gerade so sehr?“
„Ja …“
„An was arbeitest du?“, fragte er und setzte sich mit an den Tisch, auf dem ich die ganzen Unterlagen ausgebreitet hatte.
„Ich hab ein Jutsu gefunden, das ich gern lernen möchte“, sagte ich und setzte mich wieder. „Es heißt Shiawase-no-Jutsu.“
Der Professor sah sich meine Aufschriebe an. „Hm … das scheint ein wenig erforschtes Jutsu zu sein. Wo hast du es gefunden?“
Ich deutete auf das Buch, in dem ich die erste Beschreibung entdeckt hatte.
„Willst du es lernen?“
„Vielleicht …“, sagte ich.
Er sah es sich noch mal genauer an und sagte dann: „Ist das nicht ein bisschen … radikal?“
Ich nickte. „Ja, schon. Aber … es interessiert mich. Ich möchte etwas haben, was meine Fähigkeiten kontrolliert. Ich habe sonst immer Angst, dass … ich verrückt werde.“
„Zu mächtig?“
„Ja …“, sagte ich.
„Das ist typisch für dich, Itachi“, sagte er. „Also … ja, wenn du magst, helfe ich dir. Wenigstens dabei, dieses Jutsu zu erforschen.“ Wieder sah er sich die ausgebreiteten Bücher an. „Es scheint ja noch keine Informationen zu geben, wie man es anwendet.“
„Vielleicht ist es ein Programmjutsu …“, sagte ich. „So wie das von Tsunade …“
Der Professor wusste natürlich, was ich meinte, was ein Programmjutsu war. Es war diese Art von Jutsu, die man einmal ansetzte und installierte, und die dann im Hintergrund immer aktiv war. Man brauchte keine Fingerzeichen zu machen und nicht immer dran zu denken, konnte es aber auch nicht ohne weiteres wieder deaktivieren, wenn es einmal lief.
Mich erinnerte das an Tsukuyomi, zumindest so, wie es für mich war. Auch Tsukuyomi existierte permanent und lief mit meinem Leben mit, nur für jemanden, den ich mit hineinnahm, sah es dann aus, als sei es einfach ein angewandtes Genjutsu. Ich selbst erlebte Tsukuyomi als etwas, das ständig wach war und nur wartete, dass ich hineinging.
Nachdem der Professor sich alles genau angesehen hatte, sagte er: „Das wird eine ganze Weile dauern, bis du dieses Jutsu aktivieren kannst. Es ist direkt im Chakranetz angebunden, und du bist noch zu jung, um es zu nutzen.“
„Wie lange wird es ungefähr dauern?“, fragte ich.
„Fünf Jahre vielleicht“, antwortete er. „Und vorher musst du dein Chakra wirklich komplett unter Kontrolle haben, in allen Bereichen, allein dafür brauchst du die Zeit. Und außerdem musst du auch deinem Körper Zeit geben. Du bist jetzt zehn Jahre alt, und bevor du dieses Jutsu anwenden kannst, muss erst mal deine körperliche Entwicklung passieren, dass du wächst und reifer wirst.“
„Ich muss erst mal in die Pubertät kommen, richtig?“
Er nickte. „Genau. Da wird sich ja nicht nur dein Geschlechtliches entwickeln, du wirst auch wachsen und an Kraft zulegen. Und für dieses Jutsu brauchst du mehr als nur einen reifen Geist, den du schon hast.“ Er sah mich an, mit einem kleinen Lächeln, das ich als Anerkennung für meine geistige Reife erkannte. „Ich würde sagen, wenn du so alt bist wie Shisui jetzt, dann wirst du soweit sein.“
„Also fünfzehn oder sechzehn Jahre …“, sagte ich. „Das ist noch lange hin …“ Ich dachte an die Anbu, dass ich in dem Alter dann dort arbeiten würde. Und genau für so eine Arbeit würde ich dieses Jutsu brauchen. Ein Jutsu, mit dem sich mein moralischer Kompass über meine Macht stellte, in einer Arbeit, die eigentlich zu kriegerisch für mein Wesen war …
„Gut. Wenn du dazu im Laufe der Zeit Fragen hast, kannst du immer zu mir kommen, Itachi. Aber jetzt gehen wir runter in den Hörsaal, ich hab dort etwas für dich vorbereitet.“
„Alles klar.“
Wir brachten die Bücher gemeinsam zurück an ihre Plätze und gingen dann aus der Bibliothek in den Hörsaal. Es war halb sechs und der Saal war für die ganze nächste Stunde frei. Unten vor der Tafel lagen auf einem großen Tisch jede Menge Präparate aus dem Labor, und ich freute mich, es sah nach viel zum Lernen aus. Ich liebte Lernen einfach.
Eine Woche später, ich war wieder auf dem Weg zur Uni, wurde ich auf der Straße von einem Anbu angesprochen und in Minatos Büro beordert. Es ging um Madara, die Anbu sollte jetzt im Regenland nach Hinweisen suchen, was genau Madara dort tat und ob Konoha ihn vielleicht sogar unterstützen konnte.
Minato glaubte auch, dass Madara nicht einfach desertiert war, und hatte auch die „Gefallen“-Meldung, die Sarutobi damals vermerkt hatte, wieder aufgehoben. Das Labor hatte den Brief und die Jadespuren noch einmal abgeglichen und es galt nun als bewiesen, dass dieser Brief von Madara stammte und er somit nicht im Kampf um Ame Gakure gefallen sein konnte. Und weil das Feuerreich dem Regenland sowieso noch eine Menge Entschädigung schuldig war, wurde jetzt eine Anbu-Einheit losgeschickt, um die Lage zu sondieren und herauszufinden, wie Konoha Ame würde helfen können, und wo Madara sich genau herumtrieb.
Oktober 1991
Auf dem Heimweg vom Schicksalstal zurück ins Regenland schlugen plötzlich Madaras Fallensysteme, die er in Akatsuki installiert hatte, um Kakuzu zu überwachen, deutlichen Alarm. Er war noch weit entfernt von der Grenze zwischen Feuerreich und Regenland, als ihm diese Fallen meldeten, Kakuzu habe das Haus, in dem er mit Kisame lebte, begonnen deutlich umzubauen, und die Energie im Boden unter dem Dorf beeinflusst, in eine Richtung, die dafür sprach, dass er plante, selbst nach Bijuu zu suchen und einen einzufangen.
Madara saß gerade in einem der Straßenlokale auf dem Weg und aß zu Mittag, als ihn diese Meldungen erreichten, und sie erschreckten ihn so, dass ihm ein lauter Fluch entwich. Zwei andere Reisende sahen sich irritiert zu ihm um und er entschuldigte sich sofort, aber diese Nachricht war alles andere als gut und passte wirklich nicht in seinen Plan.
Die Zeit war knapp, er hatte nicht die Möglichkeit, Kakuzu jetzt auch noch zurecht zu stutzen und diesen an dessen mehr als unpassenden Plänen zu hindern. Der Neunschwänzige Fuchs war schon auf dem Weg nach Konoha und Madara musste dann dort sein, daran führte kein Weg vorbei. Er war sowieso im Verzug. Eigentlich hatte er nur kurz ins Regenland gewollt, um dort nach dem Rechten zu sehen, und dann gleich wieder los nach Konoha, um das Dorf zu retten und den Fuchsgeist für sich zu gewinnen. Es war wirklich keine Zeit da, um sich noch mit Kakuzu zu befassen.
Er beeilte sich also, setzte seinen Weg fort und nahm dann nicht mehr die Straße, sondern den Weg quer durch den Wald, über die Bäume. Zwar hatte ihn das harte Training im Schicksalstal erschöpft, aber jetzt, wo es um Zeit ging, musste er einfach schnell sein.
Als er am nächsten Tag die Grenze des Regenlandes erreichte, bekam er eine weitere Nachricht, eine Meldung von Sasori: Nagato hatte begonnen, sich an den Veränderungen, die Kakuzu und Kisame unternahmen, anzuschließen. Sasori hatte versucht, das zu unterbinden, doch Nagato war so wütend auf Sasori wegen Konans Weggang, dass er überhaupt nicht zugehört hatte, er hatte Sasori sogar angegriffen.
Madara stoppte sofort und aktivierte jetzt eine Technik, die er nur äußerst selten benutzte, weil sie sehr viel Kraft erforderte: Er benutzte das „Teleporter-Jutsu“, ein Jutsu mit extremer Geschwindigkeit, das im Uchiha-Clan entwickelt worden war, aber nur von wenigen stabil beherrscht wurde. Mit diesem Jutsu war er drei Mal so schnell, und so erreichte er Akatsuki am Abend diesen Tages, war dann jedoch wirklich völlig fertig.
Sasori empfing ihn und bemerkte sofort, dass Madara sich erst einmal ausruhen musste. Er begleitete ihn ins Haus und während Sasori Essen kochte, brachten beide sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Madara berichtete, dass Konan gut in Kumo Gakure angekommen war, und was er im Schicksalstal der Senjuu geschafft hatte, und dann erzählte Sasori, was inzwischen hier passiert war. Aus dem zweigeschossigen Haus, in dem Kakuzu lebte, war ein hoher Turm geworden, und Nagato war aus dem kleinen Haus in diesen Turm umgezogen.
„… er ist mit einem Messer auf mich los“, sagte Sasori. „Ich hab ihm nur gesagt, er solle warten, bis du wieder da bist. Er sagte, ich hätte Konan überredet, nach Kumo zu gehen, und hätte sie ihm immer schon weggenommen.“
Madara war darüber mehr als erschrocken. Dass Nagato eifersüchtig auf Sasori war, war immer relativ klar gewesen, aber bisher war diese latente Eifersucht nie handgreiflich geworden.
„Wo ist Nagato jetzt?“, fragte Madara.
„Vorhin war er in dem Turm.“
„Ich muss mit ihm reden. Das geht so nicht, und er ist mein Sohn, ich bin verantwortlich für seine Erziehung.“
Sasori sah ihn an, mit einer Mischung aus seiner üblichen Ungerührtheit und einem schwer zu lesenden Ausdruck in den Augen. „Madara … ich sag dir das nicht gern, du weißt, ich bin dir loyal und so … aber Nagato ist dir längst komplett entglitten. Ich weiß nicht, ob er überhaupt noch wirklich versteht, was du sagst. Er ist in eine Dunkelheit eingetaucht, aus der er gar nicht mehr selbst heraus will.“
„Meinst du?“, fragte Madara.
Sasori nickte. „Leider, ja. Selbst ich verstehe ihn nicht, auch wenn ich selbst …“ er brach ab.
„Wenn du selbst was?“
Sasori schwieg eine ganze Weile, dann sagte er: „Ich hab meine Eltern auch durch den Krieg verloren. Deswegen … bin ich bei meiner Großmutter aufgewachsen. Deswegen hasse ich es, zu warten. Ich hab immer auf meine Eltern gewartet, verstehst du?“ Ihm war deutlich anzusehen, dass ihn dieses offene Geständnis sehr, sehr viel Überwindung kostete. „Aber ich habe nur in Sicherheit gewartet. Nagato hat seine Eltern sterben sehen, denke ich. Er sagt es nicht, aber es ist klar.“
Madara sah Sasori an. „Danke, dass du mir … das erzählst. Ich sehe dir an, dass das schwer für dich ist.“
„Ich bin lieber einer, der ungerührt aussieht“, sagte Sasori. „Ist für mich einfacher.“
„Das kann ich verstehen.“
„Wie sind denn jetzt deine Pläne?“, fragte Sasori dann.
„Ich muss nach Konoha. Der Neunschwänzige Fuchs wird dort demnächst auftauchen und ich bin möglicherweise der Einzige, der ihn aufhalten kann. Wenn alles klappt, werde ich ihn versiegeln und mitbringen.“
„Und wenn nicht?“
„Ich habe Sicherheitsvorkehrungen getroffen und diese an einem bestimmten Ort deponiert. Falls ich falle … würdest du den Laden hier übernehmen?“
„Du meinst, ich trete dann an deine Stelle?“
Madara nickte.
Und Sasori lächelte. „Alles klar. Ich kümmere mich dann um Konan und das hier. Vielleicht wird Kakuzu dann weiterziehen, und Kisame auch … Ich habe zumindest von ihnen gehört, dass sie es hier langweilig finden. Und Nagato … na ja, er will ja sowieso am liebsten zurück nach Ame Gakure …“
„Hast du … noch mehr gehört?“, fragte Madara leise.
„Nichts genaues mehr. Ich wollte eigentlich was erfahren, aber dann kam Nagato mit dem Messer, das hat es unterbrochen. Aber … es fiel wieder der Name Orochimaru.“
„Der hat inzwischen angeblich ein eigenes Dorf gegründet, Oto Gakure.“
„Kisame sagte nur, dass er und Kakuzu da Kontakte haben. Kannst du mir mehr über Orochimaru erzählen?“
„Er ist einer der legendären Sannin, zusammen mit Jiraiya vom Krötenberg und Tsunade Senjuu, alle drei waren Schüler des Hokage der dritten Generation. Seine Obsession sind Jutsus, er versucht auf allen möglichen und unmöglichen Wegen, egal ob sie erlaubt sind oder nicht, so ziemlich jedes Jutsu zu beherrschen, was es gibt. Er ist äußerst ehrgeizig und schreckt auch vor Experimenten an Menschen nicht zurück.“
„Was für Experimente?“, fragte Sasori, zwar wachsam, aber auch ein klein wenig interessiert.
„Experimente zu Jutsus und zur Unsterblichkeit“, sagte Madara. „Ewige Jugend und so was. Aber er geht damit grundsätzlich über die Grenzen des Erlaubten. Tsunade arbeitet auch an Jutsu zur ewigen Jugend, aber sie bleibt dabei im legalen Rahmen. Orochimaru nicht. Nie.“
Sasoris Gesicht hatte den Ausdruck einer ungerührten Puppe, als er fragte: „Wo ordnest du da meine Kunst ein?“
Madara sah ihn überrascht an. „Willst du mir gerade sagen, dass du das spannend findest, Sasori?!“
„Nicht direkt. Ich denke nur … falls er hier auftauchen sollte, um mit Kakuzu zusammen zu arbeiten, wäre es doch passend, wenn ich so tun könnte, als interessierte mich das, was er tut.“
„Du willst weiter den Agenten spielen?“
Sasori nickte. „Mir gefällt das.“ Er schwieg wieder einen Moment, dann sagte er: „Konan wird ja wieder kommen. Und ich weiß ja, sollte ich … über die Stränge schlagen, wird sie mich in der Luft zerreißen. Sie kennt inzwischen jedes Geheimnis meiner Kunst, ich hätte keine Chance gegen sie.“
Madara lächelte. „Ich finde das mit euch beiden echt gut.“
Und Sasori erwiderte dieses Lächeln, mit einer für ihn seltenen Offenheit. „Ich auch. Ich mag Konan ehrlich gern.“
„Sie mag dich auch“, sagte Madara. „Du bist wahrscheinlich ihr bester Freund. Ich fand es bemerkenswert, wie ihr euch vom ersten Moment an so gut verstanden habt. Sie ist eine ganz erstaunliche kleine Person.“
„Ihr Uchihas habt doch viel mit Hochbegabung zu tun, oder?“, fragte Sasori.
Madara nickte. „Ja.“
„Wo würdest du sie da einordnen?“
„Sie ist definitiv oberhalb der durchschnittlichen Auffassungsgabe. Du erinnerst dich sicher noch, wie sie mit drei Jahren schon war. In Konoha würde man sie vermutlich als Wunderkind bezeichnen. Sie erinnert mich manchmal stark an meinen Patensohn.“
„Ist der auch so schnell?“
„Ja. Er hat mit zwei Jahren mit dem Training begonnen, wurde mit drei Jahren eingeschult und beherrschte mit vier, als ich Konoha verlassen habe, bereits den Ansatz eines der stärksten Genjutsu unseres Clans. Das letzte, was ich über ihn gehört habe, war, dass er inzwischen Medizin studiert hat und gleich mit Psychologie weiter macht. Er ist jetzt etwa zehn Jahre alt.“
„Wow“, erwiderte Sasori nur, sah tatsächlich beeindruckt aus. „Wie heißt er?“
„Itachi. Und manchmal denke ich, er und Konan würden sich sicher gut miteinander verstehen.“
„Ich habe seinen Namen gehört, als ich jetzt in Suna Gakure war. Man spricht über ihn.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Madara fühlte den Stolz auf seine Familie und besonders auf ein Kind wie Itachi in diesem Moment sehr.
Sasori lächelte wieder. „Vielleicht lerne ich ihn ja auch mal kennen … Man weiß nie.“
Über diesem Gespräch war das Essen fertig geworden, Sasori deckte den Tisch und die beiden aßen zusammen. Danach zog Madara sich auf sein Zimmer zurück, um sich auszuruhen, und Sasori kehrte in sein eigenes Haus zurück.
Auf dem Weg begegnete er Kisame.
„Wo ist Nagato?“, fragte Sasori ihn.
„Bei uns oben“, antwortete Kisame. „Ist Madara wieder da?“
Sasori nickte. „Er weiß Bescheid mit Nagato.“
Kisame grinste. „Er wird nichts machen können. Nagato hat sich anders entschieden.“
„Das habe ich ihm gesagt“, sagte Sasori. „Will Nagato denn … zurück nach Ame Gakure?“
Kisame grinste, und Sasori wusste selbst so genau, wie man log, dass er erkannte, dass Kisame nicht die Wahrheit sagte, als dieser antwortete: „Hat er gesagt.“
Sasori ging in diesem Moment aber nicht weiter darauf ein. Er zog sich lieber in sein eigenes Haus zurück und bemerkte, dass ihm Konan nun doch sehr fehlte. Sie war immer da gewesen, hatte sein stilles Haus und sein ernstes Wesen mit einer Offenheit und Lebendigkeit erfüllt, die Sasori davor nie so erlebt hatte.
Er wusste genau, dass es gut für Konan war, in Kumo Gakure diese Ausbildung zu machen, sie brauchte das und hatte es sich so sehr gewünscht. Er konnte ihr nicht böse sein, dass sie dorthin gegangen war, und er gönnte ihr das wirklich. Er hätte ihre Pläne niemals sabotieren wollen, nur weil er sie bei sich behalten wollte, doch in diesem Moment wünschte er sich, sie wäre noch hier. Und der Gedanke, jetzt ein Jahr lang auf ihre Rückkehr warten zu müssen, war wirklich schmerzhaft für ihn.
Der einzige Trost in diesem Augenblick war, dass er wusste, dass Konan seine Angst und seinen Schmerz des Wartens kannte. Sie wusste es, und er konnte so wenigstens ein klein wenig darauf vertrauen, dass ihrer beider Freundschaft ihr wertvoll genug war, dass sie auf jeden Fall zurückkehren würde.
Aber Sasori musste mit diesem schrecklichen Gefühl des Wartens irgendwie umgehen, er brauchte eine Ablenkung, ein anderes Ziel, damit er so auf Konan warten würde können, dass sie beide, wenn das Mädchen zurückkam, wieder an ihre gute, enge Freundschaft anschließen würden können.
Und so setzte er sich an seine Werkbank und begann damit, seine gesamte Sammlung an Marionetten systematisch durchzusehen, auf etwaige Schäden und Schwächen zu kontrollieren und die Schäden auszubessern. Er hatte so viele, dass diese Arbeit einige Tage in Anspruch nehmen würde, es war also eine gute Aufgabe, um den Gedanken an das quälende Warten zu vertreiben. Sasori war jemand, der schmerzhafte Gefühle mit Aktivität bekämpfte, und er vermutete, dass Konan das entweder von sich aus selbst auch tat, oder es von ihm gelernt hatte. Sie waren sich da jedenfalls ähnlich.
Nach drei Tagen war er fertig damit, hatte diese Arbeit nur unterbrochen, um sich bei Madara sehen zu lassen und mit diesem über die anstehenden Dinge zu sprechen. Madara war schon mitten in den Vorbereitungen für den Weg nach Konoha und für den Kampf gegen den neunschwänzigen Fuchsgeist, und Sasori unterstützte ihn dabei mit dem Wissen, dass er über den einschwänzigen Tanukigeist aus Suna Gakure hatte. Zwar waren der Tanuki und der Fuchs von derselben Art, doch sie standen einander an den beiden äußersten Enden der Reihe der neun Bijuu gegenüber, der Fuchsgeist war der Stärkste und der Tanukigeist der Schwächste von ihnen. Doch eines hatten sie gemeinsam: Bijuu hatten eine starke Verbindung zum Mond, und Madara erklärte Sasori, dass auch der Uchiha-Clan sich gut mit der Macht des Mondes auskannte. Zudem kannte Madara den geheimen wahren Namen des Fuchsgeistes. Er verriet ihn Sasori jedoch nicht.
Es wurde Oktober. Madara bereitete sich intensiv auf den Fuchsgeist vor und Sasori fasste einen eigenen Plan: Er wollte wieder nach Suna Gakure und dieses Mal hatte er dort ein konkretes Ziel. Bisher hatte er vor allem zufällige Gegner im Kampf dann in Marionetten verwandelt, um sie nicht zu verschwenden.
Er hatte bisher keinen Gegner explizit nur dafür ausgewählt, ihn dann zu einer Marionette zu machen. Das war nun anders. Er wollte nun jemanden gezielt angreifen, besiegen und zu einer Menschenmarionette machen. Ein wenig hatte dieser Plan auch mit Sasoris Vermissen von Konan zu tun, er hatte sich deswegen einfach sehr stark ablenken müssen und dabei war er auf die Idee gekommen, seine Kunst auf eine nächste Stufe zu heben. Er wollte eine Menschenmarionette mit einem ultimativen Jutsu erschaffen, eine unbesiegbare Lieblingswaffe, ähnlich wie Madaras Amaterasu. Und in Suna Gakure lebte eine ganz bestimmte Person, die dafür perfekt geeignet war und zudem eine solche Herausforderung darstellte, dass dieser Reiz Sasoris Vermissen von Konan und die quälende Aussicht des Wartens wirksam übertönte. Ein ultimativer Gegner als ultimative Ablenkung und zum Erschaffen einer ultimativen Lieblingswaffe …
Schnell würde er diese Waffe nicht bekommen. Es bedurfte für diesen Gegner einer großen Menge an Vorbereitung, viel Zeit und viel Übung, doch das war Sasori nur recht. Je größer die künstlerische Herausforderung war, desto besser war er beschäftigt.
Madara verbrachte die Zeit damit, seine sämtlichen Bücher, Schriften und Geheimnisse sorgfältig und gründlich zu sichern und packte alles zusammen, um es im Feuerreich im Tal der Senjuu zu deponieren. Dann ging er in sein kleines Bergtal und teilte es in zwei Hälften: Die zwei großen Hände wanderten ein Stück den Berg hinauf in Richtung der Akatsuki-Hochebene, die Statue des Ersten Hokage verschloss er in eine abschüssige Höhle am anderen Ende. Und das Modell für die Behausung, die er für den Fuchsgeist gebaut hatte, folgte den beiden Händen den Berg hinauf.
Ein letztes Mal probte er den Angriff, ging noch mal genauestens alles durch, was er für den Kampf gegen Kurama vorbereitet hatte. Danach kehrte er nach Akatsuki zurück und besprach alles, was es noch zu besprechen gab, mit Sasori. Sie gingen beide Möglichkeiten durch: Einen Erfolg des Kampfes, der bedeutete, dass er Kurama mit hierher brachte. Aber auch die Möglichkeit, dass er den Kampf nicht überlebte und Sasori hier übernehmen musste.
„Konan wird sich, falls ich falle, nur noch schwach an mich erinnern können. Ich habe ein dahin gehendes Jutsu vorbereitet“, sagte Madara. „Ich möchte dich bitten, dass du in dem Fall nicht von dir aus mit ihr über mich sprichst. Kannst du das?“
Sasori nickte. „Ja. Und ich werde gut für sie sorgen.“
„Danke, Sasori.“ Madara lächelte. „Ich verlass mich auf dich.“
Und Sasori erwiderte das Lächeln. „Ich weiß. Und das kannst du.“
Dann machte Madara sich auf den Weg. Ein eigenartiges Gefühl ergriff ihn, er konnte es jedoch nicht einordnen. War es Angst vor der Begegnung mit dem Fuchsgeist, ein Gefühl von Schicksal oder einfach nur Heimweh nach Konoha? Er dachte noch eine Weile darüber nach, doch das brachte ihm keine Antwort, also ließ er es sein. Er konzentrierte sich vollkommen darauf, seinen Plan immer wieder durchzugehen, zwang sich, an nichts anderes mehr zu denken.
An der Grenze zum Feuerreich gab es immer noch Grenzkontrollen und Madara vermutete zuerst, dass das mit Oto Gakure und Orochimaru zusammenhing.
Doch die beiden Anbu, die zusätzlich zur Grenzpolizei in dem Grenzposten saßen, musterten ihn auffällig. Er trug zwar wieder die orangene Maske und eine völlig neutrale Kleidung, doch in diesem Moment hatte er das bestimmte Gefühl, als suchten die Anbu nicht mehr nach Orochimaru, sondern ihn, Madara Uchiha.
Konnte es sein, dass Konoha nun doch wieder nach ihm suchte? War er irgendwo nachlässig gewesen und hatte eine Spur hinterlassen, die Konoha in die Hände geraten war? Hatten sie vielleicht einen seiner Flugbriefe gefunden, oder war er auf der Reise mit Konan doch irgendwo aufgefallen?
„… unterzeichnen, hier bitte“, riss ihn der Grenzer aus seinen Gedanken. „Wenn Sie keinen Stempel haben, mindestens mit ihrem Namen.“
Madara nahm den Stift, den der Mann ihm reichte, und schrieb in derselben neutralen Schrift, die er für die Flugbriefe benutzt hatte, denselben Namen hin, den er sich mal spontan in der gleichen Situation ausgedacht hatte: Tobi Darama.
„Und dann bräuchte ich noch einen Fingerabdruck“, sagte der Grenzer.
„Wie bitte?“, fragte Madara, tonlos vor Überraschung.
„Seit der Sache mit Oto Gakure müssen wir von jedem, der keinen Stempel hat, einen Fingerabdruck nehmen. Anweisung des Feudalherrn.“
Madara spürte die Blicke der beiden Anbu, die am anderen Ende des Raumes saßen und ihn unablässig beobachteten. Er versuchte, nicht zu überrascht zu wirken und keinerlei Widerwillen zu zeigen, zog seinen linken Handschuh aus. Der Grenzer kam mit Tinte und Madara färbte seinen linken Ringfinger mit der Tinte ein und drückte ihn dann auf das Blatt, neben seinen falschen Namen.
„Danke.“
„Ich war lang nicht unterwegs, es hat mich überrascht“, sagte Madara.
„Jaja, das mit Oto Gakure hat einiges durcheinander gebracht.“
Madara spürte, wie einer der Anbu ihn anstarrte. Er konnte es nicht sehen, waren doch er und der Anbu beide gleichermaßen voll maskiert, doch er spürte den Blick eindeutig. Und einen Augenblick später wusste er, dass er erkannt worden war. Keiner sagte oder tat etwas, keine Bewegung verriet es, doch Madara hatte solche Dinge sehr klar im Gefühl. Er wunderte sich, keiner der beiden stand auf oder versuchte, ihn festzunehmen. Vielleicht hatten sie nur den Auftrag, ihn zu beobachten. Madara dachte an Minato, der ja nun Hokage war, und irgendwie passte das zusammen. Er und Minato hatten einander ja gut gekannt und gemocht. Und wenn Minato einen Grund hatte, anzunehmen, dass es richtig war, jetzt doch noch nach ihm, Madara, zu suchen, passte das ja auch irgendwie in den Plan. Wenn es Madara gelang, den Fuchsgeist einzufangen und Konoha zu retten, wäre es nur sinnvoll, dass Minato sowieso nach ihm gesucht hatte.
Madara verließ die Grenzstation, spürte, dass die Anbu-Männer ihm hinterher schauten, und er wusste, sie würden ihm irgendwie folgen.
Ein zuerst leichter, dann langsam stärker werdender Wind kam auf. Madara nahm den Weg durch die Baumkronen, dort war er schneller als auf dem Boden, doch irgendwann wurde der Wind so stark, dass er doch zurück auf den Erdboden gehen musste. Er war sicher, dass dieser Wind mit dem Fuchsgeist zusammen hing. Die Böen zerrten an seinen Kleidern und seinem Haar, ließen seine Rüstung unter dem Umhang klappern und die Kette mit dem kleinen Glöckchen, die Konan ihm mal gemacht hatte, klingelte ununterbrochen. Immer wieder drehte der Wind, kam mal von vorn und mal seitlich oder im Rücken, und das laute Rauschen der Bäume im Sturm hatte zugleich etwas Heimatliches, aber auch Bedrohliches an sich.
Ob die Anbu ihm noch folgte? Er wusste es nicht, der Wind verzerrte alle Spuren. Madara war selbst in seiner eigenen Zeit bei der Anbu nie wirklich gut darin gewesen, seine Spuren völlig zu verwischen, das hatte er im Grunde erst nach seiner „Desertation“ gelernt. Er war niemand, der sich gern versteckte, sondern einer, der stark und präsent seinem Gegner direkt gegenüber trat. Und in diesem Sturm hier gerade konnte ihm das fast egal sein, ob ihm jemand folgte. Er hatte vor, sich dem stärksten aller Bijuu zu stellen und ihn einzufangen, da waren ein paar Anbu, die ihm folgten, nichts dagegen.
Und so konzentrierte er sich voll darauf, den Wind zu lesen, mit aktiven Sharingan, und als diese in ihrer Tiefe nicht mehr ausreichten, beschloss er, die Kaleidoskop-Sharingan zu benutzen. Die waren zwar mit Risiko verbunden, machten ihn aber noch mal sehr deutlich stärker und mit ihnen sah er genau, wo sich der Fuchsgeist aufhielt und wie dessen Energie das Wetter beeinflusste.
Mit diesen Augen konnte er den gesamten Wald so vollständig durchblicken, jede noch so kleine Regung der Energie erkennen, und den Sturm so genau lesen, dass er innerhalb weniger Minuten genau wusste, wo der Fuchsgeist gerade war. Es war nicht mehr weit bis dahin.
„Gleich hab ich dich“, flüsterte er und schickte die Jutsus, die er zuerst brauchte, schon mal „in die Startlöcher“, brachte in sich alles in Position.
In diesem Moment erreichte er eine Lichtung, und sah, wie der Vollmond an diesem 11. Oktober in vollem Glanz zwischen den jagenden Wolken leuchtete. Durch die Kaleidoskop-Sharingan hatte die Welt einen roten Schimmer, und als Madara einen Moment lang dastand und den Mond betrachtete, sah es für ihn aus, als hätte sich das Muster seines Sharingan über das Rund des Mondes gelegt. Es passte perfekt darauf, ein rotes Mandala auf dem weißen, vollen Mond, wie die Projektion eines Bildes auf einer strukturierten Leinwand.
War es ein Zeichen? Es fühlte sich so an. Der Mond, der heilige Himmelskörper des Uchiha-Clans, leuchtete rot auf ihn hinab, und in der Ferne war ein wildes Brüllen zu hören, der fauchende Sturm im Duett mit dem wütenden Fuchsgeist. Konoha Gakure war nicht mehr weit entfernt, schon so nah, dass Madara wahrnehmen konnte, wie das Dorf sich gegen den Bijuu zu verteidigen versuchte. Es war so, wie Madara es von Anfang an gedacht hatte: Kurama forderte sein Land zurück.
Er sprang hoch in die Bäume und folgte dem Lärm, hörte das wütende Brüllen des Fuchses immer näher kommen, er bewegte sich darauf zu und der Fuchs bewegte sich seinerseits. Und dann erreichte Madara einen tiefen, weiten Riss im Wald, eine Schneise der zerbrochenen Bäume und zersprengten Felsen. Der Lärm wurde immer lauter, und schließlich brauchte Madara sich nur noch umzudrehen, um ihn zu sehen.
Am Ende dieser gewaltigen Spur stand er, zu voller Größe aufgebaut, größer als das riesige Felsmassiv hinter dem Dorf.
Madara konnte es sehen, den Fuchs, das Dorf mit dem Felsen, und die vom Boden aus aufblitzenden Jutsus, mit denen Konoha sich zu wehren versuchte. Die neun Schwänze peitschten durch die Luft, sie waren der Grund für den Sturm. Und es war so laut, dass Madara seine eigene Stimme nicht mehr hören konnte. Eigentlich hatte er vorgehabt, den Fuchsgeist direkt mit seinem wahren Namen anzusprechen, doch in diesem Sturm würde niemand es hören, er selbst nicht und Kurama erst recht nicht.
Der Sturm war so stark, dass Madara sich wirklich konzentrieren musste, sich an seinen Schlachtplan zu erinnern. Er schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, und aktivierte als ersten Schritt das Sicherheits-Jutsu, mit dem er Konan schützen und den Teil seiner Selbst, der sich im Tal der Senjuu befand, versiegeln wollte. Es funktionierte. Für diesen Kampf war er anonym und unerkennbar, und er würde, wenn er überlebte, danach das Jutsu wieder lösen und es wäre alles gut.
Er griff in seine Hosentasche, tastete nach dem Stück Jade, das er immer bei sich trug, und als er es herausnahm, sah er, dass es schwach aber sichtbar leuchtete.
„Ich mache Ihnen jetzt alle Ehre, Hokage der Ersten Generation“, flüsterte Madara, dann steckte er die Jade wieder ein und verwandelte sich, nahm die äußere Gestalt seines ewigen Idols an, wurde zu seiner eigenen Version von Hashirama Senjuu.
Der Fuchsgeist hatte ihn noch nicht bemerkt, und um das zu ändern, ließ Madara mit dem Jutsu des Erdwalls eine gewaltige Mauer aus Erde aus dem Boden wachsen, genau zwischen dem Fuchs und dem Dorf. Und es funktionierte. Der Fuchsgeist drehte den Kopf, wandte sich halb um, und fauchte wütend.
Mit einem alten Klassiker seines Clans, dem Jutsu der Flammenden Feuerkugel, machte Madara sich bemerkbar, so dass der Fuchs wusste, wo er war. Er schien irritiert, sah ihn einen Moment lang einfach nur an. Er war tatsächlich so verwundert, dass seine Schwänze ein wenig still hielten und der Sturm ruhiger wurde, genug, damit Madara wieder sprechen konnte.
Madara ging innerlich alle Texte des Ersten Hokage durch, kopierte dessen Sprachmuster und erschuf ein offenes Genjutsu, in dem es ihm gelang, so zu tun, als beherrschte er das Holzversteck. Doch das Chakra des Fuchsgeistes war so stark, dass selbst Madaras mitgebrachtes Jubi-Chakra es nicht zu greifen vermochte. Das war ein schlechtes Zeichen. Denn das Jutsu des Phantomdrachens baute ebenso auf Jubi auf und das Chakra des Fuchses war viel, viel schwerer zu greifen, als Madara es sich je hatte vorstellen können. Doch er spielte sein Spiel weiter.
„Wir haben uns lange nicht gesehen“, rief er mit Hashiramas Stimme dem Fuchs entgegen. „Erinnerst du dich noch an mich?“
Kurama sah erst jetzt wirklich hin, er kniff die riesigen Augen zusammen und riss sie dann wieder auf. Wusste er, dass der Erste Hokage schon lange nicht mehr lebte? War er verwirrt, ihn zu sehen? Madara konnte es nicht erkennen, selbst mit dem Sharingan nicht.
„Du willst dein Land zurückfordern, stimmt’s?“, rief er ihm zu. „Das Land, das ich dir abgekauft habe. Ich habe dir damals einen guten Preis bezahlt, warum bist du also wieder hier?“
Madara wusste nicht einmal, ob Kurama in dieser Form überhaupt sprach. Und Konoha schien jetzt auch bemerkt zu haben, dass der Fuchsgeist sich umgewandt hatte. Sie würden versuchen, nachzusehen, warum. Die Situation wurde immer komplizierter und Madara fragte sich nun zum ersten Mal, ob sein Plan überhaupt so lückenlos war, wie er gedacht hatte.
Er dachte an Kakuzu, der „Fangt einen Bijuu“ damals so lapidar daher gesagt hatte, und fragte sich, ob Kakuzu diese Situation hier anders, erfolgreicher angegangen wäre. Jedoch vermutlich deutlich brutaler.
Madara scannte noch einmal die Situation, und er sah, dass eine Gruppe der Konoha-Nins, die eben noch gegen den Fuchsgeist ihre Jutsus losgeschickt hatten, sich nun in einem großen Bogen um das Kampffeld herum bewegten. Sie suchten nach dem Verursacher des Erdwall-Jutsus, dem, zu dem sich Kurama umgewandt hatte. Madara wusste, wenn sie ihn in seiner Verwandlung als Hashirama sahen, würde er auch dem Fuchsgeist gegenüber auffliegen. Er musste also schnellstmöglich verhindern, dass er erstens von ihnen erwischt wurde und zweitens ebenso schnell den Fuchsgeist in einen Zweimannkampf verwickeln.
„Wartet auf den Vierten Hokage!“, hörte er einen der Männer rufen.
„Ist er das nicht?“
„Der Angriff kam von Norden, das kann nicht Minato gewesen sein!“
„Wer ist es dann?“
Kurama schien diese Stimmen ebenso zu bemerken. Er starrte Madara an, mit einem Blick, der sofort deutlich machte, dass die Tarnung keinen Sinn mehr machte. Denn auch wenn sich der Fuchsgeist lange Zeit in seiner eigenen Dimension aufgehalten hatte, er konnte zählen, und „Vierter Hokage“ hieß logischerweise, dass der Erste Hokage vor ihm hier eine Fälschung war.
Und zum ersten Mal sprach Kurama jetzt: „Du bist nicht der Erste Hokage!!“
„Nein“, gab Madara zu. „Du hast Recht, das bin ich nicht.“ Seine Gedanken rasten, und ehe er die Verwandlung vollends fallen ließ, zog er den Jadekristall aus seiner Tasche, drückte ihn fest in seiner Hand und ließ ihn dann wieder in die Tasche hinein fallen. Dann löste er die Verwandlung, öffnete seinen Umhang, nahm die Maske ab und öffnete das Band, mit dem er sein Haar zusammen gefasst hatte.
Kurama starrte ihn an, seine neun Schwänze peitschten wieder wilder durch die Luft, der Sturm nahm wieder zu. „Wer bist du dann?!“, brüllte er.
„Ich bin Madara Uchiha! Und ich werde jetzt das tun, was die Aufgabe meines Clans ist: Ich werde Konoha vor dir beschützen, dich einfangen und mitnehmen! Dies hier ist nicht mehr dein Land, du hast es dem Ersten Hokage damals übergeben und man hält sich an seine Versprechen, verstanden?!“
Der Fuchsgeist fauchte wütend und drehte sich nun ganz zu ihm um, machte einen Sprung in seine Richtung. Madara wich zurück, schleuderte ihm eine Flammende Feuerkugel entgegen und bereitete sich auf das nächste Jutsu vor, das Drachenflammengeschoss. Er ließ beide Jutsus über das Kaleidoskop-Sharingan laufen, um sie zu verstärken, und das bemerkte der Fuchsgeist.
„Wieso bist du nicht bei deinem Dorf, Madara Uchiha?“, brüllte er.
„Ich hatte Wichtigeres zu tun!“
„Wichtigeres als deinen Clan?!“
Madara wollte antworten, doch in diesem Moment kam ihm einer der Konoha-Nins viel zu nah. Er wusste, der andere sah ihn, und er hörte durch den Sturm: „Madara?! Wo kommst du denn jetzt so plötzlich her?“
„Jetzt bin ich ja hier!!“, schrie er gegen das Brüllen des Windes an. „Geht beiseite, Leute, ich regele das!“ Er schloss die Fingerzeichen des Drachenflammengeschosses und schleuderte es dem Fuchs entgegen.
Doch der Fuchsgeist riss einfach das Maul auf und schluckte das Jutsu mit einem Biss. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, er war noch viel, viel stärker, als Madara es geahnt hatte. Wahrscheinlich hatte er sich seit dem letzten Kontakt mit der Dimension der Menschen zusätzliche neue Kräfte angeeignet. Und es war Vollmond. Der Vollmond stärkte nicht nur das Sharingan, sondern ebenso und noch mehr die Kräfte aller Bijuu, und Kurama war nun mal der Stärkste unter ihnen.
„Verflucht noch eins“, flüsterte Madara zu sich selbst, „Er ist noch viel stärker geworden!“ Er wusste, einen langen Kampf konnte er sich hier nicht leisten. Er musste das hier schnell lösen, und zwar so, dass das Dorf so wenig Schaden nahm wie möglich.
Madara blickte rüber nach Konoha. Jeden Moment musste Minato auftauchen. Madara war sich nicht sicher, ob Minato irgendein Jutsu drauf hatte, mit dem sich der Fuchsgeist einfangen ließ, aber vielleicht hatten sie zu zweit eine Chance?
„Hör zu, Fuchsgeist!!“, schrie er dem Bijuu entgegen. „Egal, ob ich es schaffe, dich zu fangen, wir gehen jetzt woanders hin, du lässt das Dorf in Ruhe!“
Kurama hörte ihn, doch er riss nur das Maul auf und brüllte ihm entgegen.
„Ich kenne deinen Vertrag mit dem Hokage der Ersten Generation!“
„Der ist hinfällig, der Erste Hokage ist nicht mehr hier!!“, fauchte der Fuchs, und unter seinem Maul sammelte sich dabei eine Kugel aus purem, tiefrotem Chakra.
Er ging zum Angriff über, wenigstens nicht in Richtung des Dorfes, doch nun brauchte Madara zwei der stärksten Jutsus, die er überhaupt beherrschte. Er zog die Rolle für Amaterasu heraus, biss sich auf die Lippen und ließ Blut auf das Siegel tropfen. Amaterasu gehorchte, kam heraus und bildete einen schützenden Ring um Madara herum. Er griff hinein, nahm sich eine der schwarzen Flammen und bildete aus ihr sein nächstes Jutsu, das Jutsu der Großen Flammensphäre.
Kurama feuerte das Chakra ab, es traf auf die Flammensphäre und tatsächlich war diese stark genug, um es aufzunehmen und abzuwehren. Es gab ein riesiges Feuerwerk am Himmel, und Madara nutzte diesen Moment, aktivierte das Jubi-Chakra und das Jutsu des Phantomdrachens.
„Du wirst jetzt mit mir kommen, Fuchsgeist!!!“, schrie er und ließ das Drachenjutsu kommen. Es bildete eine dichte Wand aus reinem, beinahe weißem Chakra, senkte sich über den Kopf des Fuchsgeistes und machte ihn für einen Moment bewegungsunfähig.
„Wa-was ist das?!“, fauchte der Bijuu, nun zum ersten Mal so etwas wie erschrocken.
„Damit verwandle ich dich!“
Doch es war schwer, dieses Jutsu zu halten. Madara spürte, dass er nicht genug Chakra hatte. Und selbst das Jubi-Chakra würde nicht lange halten. Das Kaleidoskop-Sharingan verschlang zu viel Kraft, und drei Jutsus zugleich zu halten, Amaterasu, den Phantomdrachen und die Bereitschaft, noch eine Flammensphäre anzuwenden, war selbst für jemanden wie Madara zu viel.
Jetzt dachte er an Konan, und an das Jutsu, mit dem er sie schützen wollte. Er vertraute Sasori, dass er gut für das Mädchen sorgen würde, und dennoch, es tat weh.
„War ich zu naiv?“, fragte er sich. „Ein naiver Idealist … Ich war nie anders. Ich wollte immer so sein, genau wie der Erste Hokage. Aber … ich würde alles genauso noch einmal machen.“
Er sammelte noch einmal all seine Kraft, aktivierte sämtliche Jutsus neu und schleuderte alles dem Fuchs entgegen. Die Wand aus weißem Jubi-Chakra in Form des Drachens senkte sich über den Fuchsgeist, dieser war tatsächlich für einen Moment bewegungsunfähig und Madara zog in diesem Augenblick sein letztes Ass aus dem Ärmel:
„Ich kenne deinen Namen, Fuchsgeist!“, rief er.
Der Fuchs riss die Augen auf, sah tatsächlich ernsthaft getroffen aus.
„Dein Name ist Kurama, stimmt’s?“
Kurama antwortete nichts. Doch für einen Moment nahm sein Ausdruck einen Zug an, den Madara als einen Funken Schmerz und Schwäche deuten konnte. Er hatte ihn getroffen, emotional erreicht. Die Frage war nur, ob sich Kurama diesen Moment der Schwäche eingestand.
Doch das tat er nicht. Vielleicht, weil es das erste Mal seit langer, langer Zeit war, dass er seinen wahren Namen von einem Menschen zu hören bekam. Er war eine Persönlichkeit, ein fühlendes Wesen voller Wut, und auch wenn es ihn berührte, dass Madara ihn „Kurama“ nannte, er war einfach viel zu wütend.
„Seit tausenden Jahren als Waffe missbraucht, sind die Bijuu natürlich wütend auf uns Menschen. Sie werden erst Ruhe geben, wenn wir sie vollends als fühlende Wesen anerkennen.“ Es war ein Zitat des Ersten Hokage, das Madara durch den Kopf schoss. Er blickte zum Himmel, wo der Vollmond zwischen den im Sturm jagenden Wolken leuchtete, und für einen Augenblick projizierte sich sein Kaleidoskop-Sharingan wieder auf den weißen Himmelskörper. Dem Ort, von dem die Bijuu einst auf die Erde gekommen waren.
Doch Madara ging die Kraft aus. Er konnte das Jutsu des Phantomdrachens, mit dem er Kurama gefesselt hatte, nicht mehr lange halten, es nicht über den ganzen Körper des Bijuu ziehen. Und für eine weitere Flammensphäre reichte sein Chakra nicht mehr aus. Er versuchte ein anderes Jutsu, das der Aschetarnung, um sich einen Moment zu verstecken und wieder Kraft zu sammeln. Doch es war zwecklos. Kurama konnte einfach hindurchsehen, und der Sturm war viel zu stark.
Und als sich der Staub verzog, hatte der Fuchsgeist einen Felsen in einem seiner Schwänze, wie umklammert mit einer Hand.
Madara sah sich nach den Konoha-Nins von vorhin um, doch die waren längst wieder zurück bei den Verteidigungsmauern des Dorfes. Er war allein, und Minato war immer noch nicht da.
„Kurama!!“, schrie Madara dem Fuchsgeist entgegen, „Komm schon, wir gehen woanders hin! Der Vierte Hokage ist gleich hier und der wird dich auch nicht entkommen lassen!“
Der Fuchsgeist sagte nichts, fauchte und brüllte nur. Und dann machte er einen Satz auf Madara zu, einen riesigen Sprung, mit dem er schließlich direkt vor ihm stand. Madara zog Amaterasu hoch, so weit er nur konnte, doch Kurama war jetzt nicht mehr einfach nur wütend, er war in sich berührt und in einer Weise getroffen und verunsichert in seinem Plan, dass er blindlings angriff.
Madara machte noch einen Versuch, Amaterasu durch ein Körperteil von Susanoo zu verstärken, doch Kurama fegte auch das einfach beiseite. Das Ass im Ärmel, das sein wahrer Name hätte sein können, stellte sich als Verschlimmerung der Situation heraus, es hatte aus einfacher Wut andere Gefühle gemacht, mit denen Kurama selbst nicht umgehen konnte.
Madara versuchte noch, zurück zu weichen, doch Kurama war einfach viel zu schnell. Das Jutsu des Phantomdrachens ließ den Fuchs wieder frei und er schleuderte den Felsen durch die Luft wie Madara es mit Gunbais Sense getan hätte.
Das Einzige, was er noch tun konnte, war, das letzte Sicherheits-Jutsu zu aktivieren. Er schickte sein sämtliches verbliebenes Chakra auf direktem Wege ins Schicksalstal, ließ es dort alles versiegeln, und aktivierte dann sein von Ikue gelerntes Amnesie-Jutsu, das von selbst einen Anker im Boden unter ihm setzte. Es drang tief in den Waldboden ein und setzte sich dort fest.
„Ich habe es nicht geschafft“, dachte Madara. „Ich habe das Regenland versucht zu retten, Konoha zu retten, Konan und Nagato zu retten … Und nur bei Konan ist es mir gelungen. Dafür aber gut. Sasori wird gut auf sie achtgeben.“ Für einen Moment fühlte er Reue und auch Wut auf sich selbst. „… Aber ich habe immer nur getan, was ich für richtig hielt. Ich bin ein naiver Idealist, aber ich bin mir selbst treu gewesen. Ich würde es alles noch einmal so machen.“
Der Felsen flog durch die Luft, Madara sah ihn kommen, doch er schloss nicht die Augen. Er empfing den Schlag mit aktivierten Sharingan und fühlte, wie sich sein Bewusstsein löste. Und als er auf dem Waldboden aufschlug, versenkte sich sein Ich-Gefühl in das Siegel im Boden.
…
Kurama war viel zu wütend, um sich weiter um seinen besiegten Gegner zu kümmern. Er wandte sich um und sprang wieder auf das Dorf zu, versuchte, es direkt anzugreifen.
Doch in diesem Moment stellte sich ihm ein neuer Gegner in den Weg, ein Mann im weiß-roten Mantel auf dem Kopf der Riesenkröte Gamabunta.
…
Der Körper, der vor wenigen Minuten noch Madara Uchiha gewesen war, richtete sich taumelnd wieder auf. Er hatte den Schlag überlebt, doch sein Selbst und die meisten seiner Erinnerungen waren aus dem Körper verschwunden, versiegelt tief im Erdboden. Ein neues Bewusstsein ohne Namen war entstanden, eine blanke Persönlichkeit, die sich verwirrt umschaute und sich dann ungelenk aus der zerbrochenen Rüstung befreite. Auf dem Boden lag die orangene Maske mit dem einzelnen Loch, und er setzte sie sich auf.
Der Lärm des Kampfes zwischen dem Fuchsgeist und dem Vierten Hokage machte dieser neuen Persönlichkeit Angst, auch wenn er keine Ahnung hatte, was passierte. Und so machte er sich schnellstmöglich davon, weit weg.
Als er sich halbwegs in Sicherheit wähnte, begann er, in seinen Kleidern wahllos nach Hinweisen auf etwas zu suchen, was ihm sagen konnte, wo er war. Dass er seinen eigenen Namen nicht kannte, bemerkte er erst, als er versuchte, sich selbst anzusprechen. Und er fand etwas, die Kopie des Grenzposten-Scheins mit dem Fingerabdruck und dem Namen „Tobi Darama“.
„Tobi Darama?“, fragte er laut in den Wald hinein. „Wer ist das? Ich?“
Er erhielt keine Antwort.
„Okay. Ich bin Tobi. Keine Ahnung, wer Tobi ist. Tobi? Na egal. Bin ich eben Tobi, ne?“
Er lief ein Stück, blieb dann wieder stehen, schaute auf den Zettel. Dort stand auch der Name der Grenzstation. „Muss ich da hin?“, fragte er sich laut.
Auf dem Weg durch den Wald versuchte er, sich zu orientieren, und entdeckte dabei einen kleinen Schrein am Wegesrand. Es war ein Jizo-Schrein mit einer hübschen kleinen Figur darin. Jizo-Figuren sahen oft aus wie Kinder, und Tobi bemerkte dabei, dass da etwas nicht zusammen passte. Er bemerkte, dass sein Körper viel größer und stärker war, als er sich fühlte.
„Wie alt bin ich überhaupt?“, fragte er laut. Es kam keine Antwort. Und so beschloss er, es selbst zu bestimmen. „Ich bin acht. Acht hört sich gut an.“
Er schaute wieder auf den Zettel mit dem Namen. Aber da er keine Ahnung hatte, wo er war und wie er zu diesem Ort, der dort stand, hin kommen konnte, setzte er sich erst einmal auf die Stufen des Schreins und wartete.
Einige Stunden vergingen so, in denen Tobi genug Zeit hatte, den Wald zu beobachten und sich zu fragen, wer er war und woher er kam. Je länger er still dasaß, umso näher kamen ihm die Vögel des Waldes, und auch ein kleines Flughörnchen näherte sich. Er bemerkte, dass ihm das gefiel, und je mehr er sich damit beschäftigte, umso egaler wurde ihm, dass er keine Ahnung hatte, woher er eigentlich kam und wohin er gehen sollte. Es zog ihn dahin, sich an diesen Wald anzupassen, und je näher ihm die Tiere kamen, umso wohler fühlte er sich. Und weil er einfach keine Ahnung hatte, wo er hingehen sollte, beschloss er, eine Weile hier zu bleiben.
Er verbrachte die Nacht im Wald, schlief auf dem Boden, im Moos. Und als er am nächsten Morgen aufwachte, war sein Haar voller Gras, Moos und Blätter. Es störte ihn und so suchte er nach irgendetwas, womit er es auskämmen konnte. Doch hier, mitten im Wald gab es keinen Kamm. Das Einzige, was er fand, war ein abgenutztes Kunai in einem Baumstamm, und so schnitt er sein Haar damit auf Schulterlänge ab und band es mit einem Stofffetzen zusammen. So war es pflegeleichter.
Gegen Mittag, er erkannte es am Stand der Sonne, wurde es ihm zu einsam hier, und er machte sich auf dem Weg, nach Menschen zu suchen. Es dauerte lange, bis er welche fand, genauer gesagt eine kleine Raststation, wo es etwas zu Essen gab. Erst jetzt bemerkte Tobi, dass er sehr hungrig war, und auch, dass er, um Essen zu bekommen, Geld brauchte.
Die grundlegenden Informationen des Lebens waren noch in ihm vorhanden, auch wenn er keine Ahnung hatte, woher sie kamen. Er konnte lesen, wusste, dass er Geld brauchte um zu essen, und als er nun zum ersten Mal in seinem Bewusstsein auf andere Menschen traf, wusste er halbwegs, sich unauffällig zu verhalten. Er hatte das Gefühl, dass es sicherer war, sich anzupassen.
„Entschuldigung, kann mir bitte jemand Geld leihen? Ich war im Wald und habe Hunger.“ Mit diesen Worten sprach er die Menschen an, die an dieser Raststation saßen und Pause machten.
Eine junge Frau mit einem etwa vier Jahre alten Kind war schließlich bereit, ihm einen Teller mit Reisbällchen und eine Suppe zu bezahlen. Das Kind schaute Tobi neugierig an, und er bemerkte bei sich, dass er sich mehr mit dem Kind identifizierte als mit der Mutter.
Am Tag darauf fand er nach langem Wandern und Suchen endlich die Grenzstation, die auf dem Zettel in seiner Tasche vermerkt war. Hier erfuhr er, dass jemand mit seinem Namen vor kurzem tatsächlich hier gewesen sein musste, denn der Grenzposten konnte sich erinnern.
„… und Sie haben keine Ahnung, ob Sie das waren?“, fragte dieser ihn.
Tobi schüttelte den Kopf.
„Wissen Sie irgendetwas anderes?“
„Nee“, sagte Tobi.
„Eigenartig …“, antwortete der Grenzer. „Ich kann mich genau an Ihre Maske erinnern. Aber Sie hatten längeres Haar.“
„War Gras und Moos drin, hab ich abgeschnitten“, sagte Tobi. „Wo kam ich denn her?“
„Sie denken auch, dass Sie das waren?“
„Weiß nicht.“
„Also, der Mann, der diesen Zettel unterschrieben hat, kam aus dem Regenland. Wissen Sie, dass hier die Grenze zwischen Feuerreich und Regenland ist?“
Tobi zuckte mit den Schultern.
„Ziehen Sie mal ihren Handschuh aus. Dann können wir nachsehen, ob das hier auf dem Zettel auch Ihr Fingerabdruck ist.“
Tobi zog beide Handschuhe aus und sah sich seine Hände an. Am linken Ringfinger war noch ein wenig Stempeltinte zu erkennen. Der Grenzer verglich diesen mit dem Fingerabdruck auf dem Zettel und stellte eine Übereinstimmung fest.
„Und Sie haben wirklich gar keine Ahnung, wer Sie sind?“
„Ich bin Tobi. Also … anscheinend.“
„Haben Sie Erinnerungen an irgendwas? Ihre Heimat, ihre Familie?“
Tobi schüttelte wieder den Kopf, und erst jetzt realisierte er, dass der Grenzer das vielleicht traurig fand. Er selbst fühlte dabei nichts. Er hatte einfach keine Ahnung.
„Ich habe leider auch keine Informationen, woher dieser Mann wirklich kam. Nicht mal, ob Tobi Darama sein wirklicher Name war. Es waren zwei Anbu hier, als ich ihn habe durchreisen lassen, und die schienen mehr über ihn zu wissen. Aber mir haben sie nichts gesagt“, erzählte der Grenzer.
Tobi legte den Kopf schief und suchte in sich nach irgendeinem Fixpunkt, irgendeiner Erinnerung. Doch er fand nichts, nur zusammenhanglose Informationen über das Leben selbst, ohne jede Verbindung zu sich als Person.
„Bleiben Sie gern ein paar Tage hier. Vielleicht kehrt Ihre Erinnerung zurück oder jemand sucht nach Ihnen und findet Sie hier“, sagte der Beamte.
Tobi freute sich so sehr darüber, dass er freudig aufsprang. „Cool!“
Und so blieb er erst einmal hier. Bis dann wirklich jemand auftauchte, der nach ihm gesucht hatte …
Während Madara gegen seinen härtesten Gegner angetreten war, hatte sich Sasori in Suna Gakure erfolgreicher Informationen zu seinem eigenen Ziel beschafft. Er hatte dabei bemerkt, wie von einem Moment auf den anderen auch in seinem Denken die Jutsus, die Madara zur Versiegelung der Erinnerungen aufgestellt hatte, ihre Wirkung hatten, doch Sasori war durch seine Verwandlung zur Menschenmarionette schon weit genug vom Menschlichen entfernt, dass ein tragbares Stück Erinnerung an Madara verblieben war.
Er hatte Madara ja versprochen, dies vor Konan geheim zu halten und er würde dieses Versprechen auch wahren. Konan sollte nicht um Madara trauern, nichts von ihrer natürlichen Fröhlichkeit und Klarheit verlieren. Und Sasori selbst war dieses Wesen seiner jungen Freundin so wertvoll, dass er es von selbst so erhalten wollte.
Sasori hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch in Suna Gakure auf, doch er machte sich dann bald wieder auf den Weg zurück ins Regenland. Die Wetterbedingungen durch das Auftauchen des Fuchsgeistes hatten sich zwar wieder beruhigt, doch es hing immer noch so viel Regen an den Bergen, dass Sasori lieber einen Umweg nahm, und dieser Umweg führte auch ein Stück weit durchs Feuerreich.
Offenbar hatte Konoha es irgendwie geschafft, den Fuchsgeist doch zu bannen, und Sasori konnte sich denken, dass man mit ihm eine Jinchu-Kraft erschaffen hatte. Aus Suna Gakure wusste er ungefähr, wie das gemacht wurde, es erforderte ein Opfer und außerdem ein im besten Fall noch sehr kleines Kind. Und er hörte auf diesem Umweg durchs Feuerreich tatsächlich, dass offenbar der Hokage der Vierten Generation sich selbst für dieses Jutsu geopfert hatte und es nun ein Kind im Dorf gab, das zur Jinchu-Kraft geworden war. Der Hokage der Dritten Generation war noch am Leben und würde sein Amt nun wieder aufnehmen.
Und als Sasori wieder in die Nähe der Grenze kam, um ins Regenland zu gelangen, traf er dort auf jemanden, dessen Präsenz ihn sehr erstaunte. Er betrat den Grenzposten mit einem aus Holz gefälschten Gesicht, wollte seine natürlich falschen Papiere vorlegen, und bemerkte dann, dass der Grenzbeamte hier nicht allein war. An einem Tisch weiter hinten im Raum saß eine voll maskierte Gestalt und betrachtete eingehend einen auf dem Tisch stehenden Blumentopf.
Sasori wusste zuerst nicht einmal, was an dieser Gestalt ihm so vertraut erschien, nur, dass er sich auf den ersten Blick sicher war, ihn zu kennen.
„Hmmm …“, murmelte der Maskierte, mehr zu sich selbst, „Wie kommt es, dass die Blume hier drin überhaupt lebt?“
„Wer ist denn das?“, fragte Sasori den Grenzbeamten.
„Das ist Tobi. Jedenfalls nennt er sich so. Er lebt seit einer Woche hier, hat keine Ahnung, wer er ist und woher er kommt, und ich suche nach jemandem, der ihn vielleicht identifizieren kann.“
„Ja, Tobi bin ich!“, kommentierte der Maskierte. „Tobiii, ja genau …“
„Hat er ne Meise?“, fragte Sasori.
„Er benimmt sich wie ein kleiner Junge und sagt, er sei acht Jahre alt. Vielleicht ist er mal auf den Kopf gefallen.“
„Auf den Kopf gefallen?“
Der Beamte zuckte nur mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung, er weiß das vielleicht nicht mal selbst.“
„Auf den Kopf gefallen“ … Mit einem Mal fiel es Sasori wie Schuppen von den Augen. Er kannte niemanden, der sich so verhielt wie dieser Tobi, und doch kam er ihm so vertraut vor, dass es keine andere Möglichkeit gab: Madara musste im Kampf gegen den Fuchsgeist seine letzten Sicherheiten aktiviert haben und dieser Tobi hier war das Ergebnis.
Sasori stand auf, ging zu Tobi hinüber und setzte sich ihm gegenüber hin.
„Hallo Tobi.“
Tobi legte den Kopf schief und Sasori sah durch das eine Loch in der Maske, dass er ihn anschaute.
Sasori erinnerte sich daran, wie es damals gewesen war, als Madara ihn für Akatsuki angeworben hatte. Und diesen Plan hatte er nun selbst. Er wollte Tobi mitnehmen.
„Hättest du Lust, mit mir mit zu kommen?“, fragte Sasori.
„Wohin?“, fragte Tobi zurück. Er hatte ein eigenartig hohe Stimme, die nichts mehr mit Madaras Stimme gemein hatte, und doch war Sasori sich immer sicherer, dass es sich um Madaras Körper mit einer neuen Seele handelte.
„Es gibt einen schönen Ort in den Bergen, da könntest du mit mir und ein paar anderen leben.“
Tobi kicherte. „Au ja!“
„Sie würden ihn mitnehmen?“, fragte der Grenzer von seinem Tisch aus.
„Ja. Ich weiß einen Ort, wo er gut aufgenommen werden würde“, sagte Sasori.
„Haben Sie denn eine Ahnung, wer er ist?“
„Nein“, log Sasori. „Aber dort könnte er leben, bis sich vielleicht doch noch jemand findet, der ihn kennt. Bei Ihnen hier kann er doch nicht bleiben, oder?“
Der Beamte nickte. „Ja, da haben Sie Recht. Nehmen Sie ihn mit.“
Sasori lächelte höflich. Dann sah er Tobi an. „Was ist, gehen wir?“
Währenddessen hatte es draußen zu regnen begonnen. Sasori zog den von Konan genähten Mantel an, setzte den Bambushut dazu auf und bot Tobi ebenso Regenkleidung an. Doch Tobi lehnte ab und begann stattdessen, im Regen zu tanzen und versuchte, die Tropfen mit seiner Maske aufzufangen.
„Scht, Tobi“, ermahnte Sasori ihn. „Wir dürfen hier nicht auffallen.“
„Wieso nicht?“ Tobi kicherte wieder. „Ist doch schön, der Regen und der Wald und so, richtig schön!“
Er schien ein äußerst sonniges Gemüt zu haben, und Sasori fühlte sich doch ein wenig an Madaras definitiven Enthusiasmus erinnert. Offenbar war diese Fröhlichkeit ihm erhalten geblieben, auch wenn Madara selbst dabei meist doch ruhiger gewesen war.
„Wenn wir bei mir zu Hause sind, kannst du wieder herumhüpfen“, sagte Sasori. „Aber bis dahin sind wir auf einer geheimen Mission, okay? Es ist ein Spiel, und wir müssen ganz geheim bleiben.“
„Ein Spiel?“
„Genau. Wir spielen jetzt Geheime Mäuschen, da muss man ganz still sein. Wer zuerst laut ist, hat verloren.“
Tobi schien begriffen zu haben, er streckte sich, salutierte und flüsterte: „Alles klar, ich bin still.“
„Sehr gut, bist ein braver Junge.“ Sasori kam sich etwas seltsam vor bei diesem Spiel, aber es schien zu funktionieren, Tobi blieb jetzt still und verhielt sich unauffälliger.
Irgendwann fragte er aber: „Wie lange noch? Ich hab Hunger …“
„Sollen wir Rast machen?“
Tobi nickte begeistert.
Sie fanden einen kleinen Unterstand und setzten sich. Sasori selbst musste kaum mehr essen, als Marionette aß er nur noch zu gesellschaftlichen Zwecken oder selten für zusätzliche Energie. Aber Tobi brauchte natürlich etwas, und so überließ Sasori ihm seinen gesamten Proviant.
„Musst du nichts essen?“, fragte Tobi.
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich bin eine Menschenmarionette“, erklärte Sasori. „Mein Körper besteht zu drei Vierteln aus Holz und konserviertem Material.“ Er zog den Ärmel seines Mantels bis zum Ellbogengelenk zurück und Tobi machte ein sehr erstauntes Geräusch.
„Wie geht so was?“
„Das ist mein Geheimnis.“
„Geheimnis …? Tobi legte den Kopf schief. „Also sagst du es nicht?“
„Genau. Es ist eine geheime Kunst.“
Tobi kicherte. „Kunst?“
„Ja. Ich bin Künstler.“
„Kannst du auch malen?“, fragte Tobi.
Sasori lächelte ein wenig. „Schon. Aber ich baue lieber Marionetten.“
Nach vier Tagen erreichten sie schließlich die Hochebene, auf der sich Akatsuki befand. Schon von weitem sah Sasori die Spitzen des neuen Turms, in dem Kakuzu, Kisame und Nagato jetzt zu dritt lebten. Er überlegte sich, wie er Tobi am besten vorstellte und unterbrachte. Bei sich im Haus wollte er ihn nicht gern haben, da er befürchtete, dass Tobi seine Werkstatt durcheinander brachte.
Und offenbar hatten die anderen drei in der Zwischenzeit eine Mauer um Akatsuki gebaut und einiges an Fallen aufgestellt.
Als Sasori durch das Tor dieser neuen Mauer trat, sah er dann auch, dass nicht nur der eine Turm neu war. Im hinteren Teil des Ortes befand sich nun ein riesiges neues Gebäude, eine Art Kathedrale mit vielen Türmen und einem gewaltigen, dämonisch aussehenden Kopf darauf, der weit die Zunge herausstreckte. Um dieses neue Gebäude herum hingen dichte, dunkle Wolken, vermutlich ein Jutsu, und es regnete dort.
„Was ist denn das?“, fragte Tobi.
„Ich hab keine Ahnung“, sagte Sasori. „Das war vor zwei Wochen noch nicht da.“
Auf dem Weg zu Sasoris Haus kam ihnen Kakuzu entgegen.
„Da bist du ja wieder. Hast uns warten lassen“, sagte er.
Sasori biss die Lippen zusammen, auch wenn er wusste, dass Kakuzu ihn absichtlich provozierte.
„Hab ich nicht. Ich hatte zu tun.“
„Und wer ist das da?“ Kakuzu deutete auf Tobi, der sich gerade auf den Boden kniete, um sich eine in einer Mauer wachsende Pflanze genauer anzusehen.
„Das ist Tobi. Ich hab ihn unterwegs aufgesammelt. Er wird hier bei uns bleiben.“
„Was sollen wir mit so einem?“
„Ich will sehen, ob ich ihn ausbilden kann“, sagte Sasori. „Und ihr? Was soll dieses Ding da hinten?“
„Das ist Nagatos neues Haus“, antwortete Kakuzu. „Er hatte Stress mit Kisame und hat sich deswegen was Eigenes gebaut. Wenn du zu ihm willst, er ist da drin.“
„Später“, sagte Sasori. „Und nur, damit ihr es wisst: Ich übernehme das hier ab jetzt.“
„Das musst du mit Nagato klären“, sagte Kakuzu und man hörte, dass er hinter seiner Maske eindeutig grinste. „Aber pass lieber auf, Sasori, er ist nicht gut auf dich zu sprechen.“
Und so parkte Sasori Tobi erst einmal in seinem Haus, ehe er sich auf die Suche erstens nach einem Haus für Tobi und zweitens nach Nagato machte. Ein Häuschen für Tobi war schnell gefunden, direkt neben Sasoris, es musste nur noch wohnfertig gemacht werden. Also machte Sasori sich auf den Weg zu Nagato. Als er in den Regen hinein ging, sah er Nagato oben auf der Zunge des Dämons sitzen.
„Nagato!“, rief er hinauf, „Sasori hier, ich bin wieder da!“
Mit einem Satz stand der Junge vor ihm. So schnell, dass Sasori der Bewegung mit den Augen nicht hatte folgen können.
„Was willst du?“, fragte Nagato.
„Mich zurückmelden, ich bin wieder da. Und ich hab jemanden Neues dabei, er heißt Tobi und ich will ihn ausbilden.“
Nagato antwortete nichts, doch sein Blick sprach von Wut und Verstocktheit.
„Ich weiß, du bist sauer auf mich wegen Konan“, sagte Sasori.
„Allerdings“, presste Nagato zwischen den Zähnen heraus.
„Deswegen will ich dir sagen, dass ich sie genau so vermisse wie du. Es macht auch mit mir was, dass sie nicht da ist. Aber sie wird ja wieder kommen.“
„Du hast ihr gesagt, sie könne gehen.“
„Hab ich nicht. Ich hab sie nur nicht festgehalten. Nagato, du kennst mich, ich hab dasselbe Problem. Aber wir können beide dieses Problem nicht damit lösen, dass wir Konan hier festhalten. Sie ist doch eine eigene Person.“
Nagato biss die Lippen zusammen, und wandte sich zum Gehen um.
„Ich übernehme das hier ab jetzt“, sagte Sasori.
„Dafür musst du an mir vorbei.“ Nagatos Gesicht sprach von einer derartigen dunklen Entschlossenheit, dass es selbst dem gefühlsarmen Sasori eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
„Was hast du vor?“, fragte Sasori.
„Geht dich nichts an.“
„Dann mach du dein Ding und ich meins. Aber ich bleibe hier.“
Nagato schwieg einen Moment, schien an irgendetwas bestimmtes zu denken und sagte dann: „Ich hab dich im Auge, Sasori. Und Kakuzu und ich, wir hätten auch Ersatz für dich.“
Sasori wagte einen Schuss ins Blaue und fragte: „Orochimaru, oder?“
Für den Bruchteil einer Sekunde huschte Überraschung über Nagatos Züge. „Woher …?“
„Ich bin nicht blind.“
„Meinetwegen. Ja.“
„Stell ihn mir vor. Ich hab schon von ihm gehört und seine Künste interessieren mich“, begann Sasori, wieder den Agenten zu spielen. Auch wenn Madara nicht mehr da war.
„Wirklich?“
„Ja.“
„Er wird bald hier auftauchen, dann kannst du ihn selber fragen.“
Sasori lächelte, sein ungerührtes Puppenlächeln. „Schön.“ Er fragte sich, wie viel Erinnerung Nagato wohl noch an Madara hatte, durfte aber natürlich nicht danach fragen.
Jetzt galt es, zu beobachten, was Nagato und Kakuzu vorhatten. Kisame zwar auch, doch der war derartig pragmatisch, dass Sasori ihm keine rätselhafteren Pläne unterstellte. Kisame ging es immer nur darum, genug Gelegenheiten zum Kämpfen zu haben, er war niemand, der sich viele Gedanken um irgendetwas anderes machte. Kakuzu dagegen hatte große kriminelle Energie, und Nagato war vollkommen besessen von seinen negativen Gefühlen und zog aus ihnen seine Motivation. Die beiden waren somit weitaus gefährlicher als ein Kisame, der einfach nur möglichst viel und ohne Regeln kämpfen wollte.
Sasori kehrte in sein Haus zurück und fand Tobi an der Werkbank vor, wo er saß und sich erkennbar neugierig und fasziniert Sasoris Arbeitswerkzeuge ansah.
„Was machst du damit?“, fragte Tobi.
„Marionetten bauen“, sagte Sasori. „Und ein bisschen Kunsthandwerk, wenn ich Lust habe.“ Er dachte an Konan, an die Stunden und Tage, die sie hier gemeinsam Kunst geschaffen hatten. Der Gedanke gab ihm einen Stich, und er nahm sich vor, Konan bald einen Brief nach Kumo Gakure zu schicken und sie wissen zu lassen, dass er sie mochte und vermisste.
„Das ist voll cool!“, antwortete Tobi.
„Willst du nicht die Maske mal abnehmen?“
„Nö. Mein Gesicht ist total zerdeppert, ich mag nicht.“ Tobi schüttelte lebhaft den Kopf.
„Weißt du, wovon?“
Wieder lebhaftes Kopfschütteln.
„Du weißt gar nichts, oder?“
Tobi legte den Kopf schief, schwieg einen Moment und sagte dann: „Ich weiß, wie man … so lebt halt, also Essen kauft und so.“
„Aber du hast keine Ahnung, wer du vorher warst?“, präzisierte Sasori.
„War ich vorher was anderes?“, fragte Tobi.
„Das wüsste ich auch gern“, log Sasori und beschloss, Tobi auf absehbare Zeit nicht zu verraten, dass er vorher jemand anderes gewesen war.
Aber Tobis deutliche Fröhlichkeit erinnerte schon sehr an Madara, wenn man diesen gut gekannt hatte. Sasori erinnerte sich daran, wie sehr er Madara für dessen überraschend unbekümmertes, begeisterungsfähiges Wesen bewundert hatte. Er hatte, noch bevor er Madara begegnet war, dessen Namen schon gehört, denn die Geschichten über den starken Uchiha-Clan kannte so ziemlich jeder. In der gesellschaftlichen Ansicht galt dieser Clan als geheimnisvoll, äußerst stark und mysteriös, doch Madara in Person war ganz anders, sein Temperament so offenherzig, freundlich und beinahe schon naiv, dass es diese Außenansichten über seinen Clan fast schon in Frage stellte. Sasori fragte sich, ob dieses äußere Bild des Clans mehr Schutzschild als Wahrheit war und es noch mehr Uchihas gab, die gar nicht so geheimnisvoll und unheimlich waren, wie man über sie sagte. Er konnte sich das nun, da er Madara gekannt hatte, gut vorstellen.
„Kannst du eigentlich lesen und schreiben, Tobi?“, fragte Sasori.
Tobi legte den Kopf schief und schien kurz darüber nachdenken zu müssen.
„Lesen“, sagte er dann.
„Schreiben nicht?“
„Weiß nicht.“
„Wollen wir das mal ausprobieren? Ich könnte es dir beibringen.“ Sasori holte ein Blatt Papier und einen Bleistift aus seinem Schreibtisch und legte beides vor Tobi hin.
„Schreib mal auf Dogo“, sagte er.
Tobi nahm den Stift in die Hand, sah ihn sich erst nur an, als hätte er noch nie einen Bleistift gesehen, doch dann schien er sich irgendwoher zu erinnern und schrieb drei Worte: „Ich bin Tobi.“ Seine Schrift sah aus wie die eines Erstklässlers, kantig und ungleichmäßig. Von Madaras großzügig geschwungener Handschrift war darin nichts mehr zu erkennen.
Sasori erinnerte sich an Madara und auf einmal fühlte er so etwas wie Vermissen. Er hatte Madara ehrlich gesagt schon vergleichsweise gern gehabt, immerhin hatte dieser ihm dieses neue Leben hier außerhalb von Suna Gakure ermöglicht und war auch immer ehrlich zu ihm gewesen, anders als Großmutter Chiyo. Und in diesem Moment fragte Sasori sich auch ganz kurz, ob es vielleicht irgendwann möglich sein konnte, Madara wieder herzustellen. Als jemand, der sich für Reinkarnationen und künstliche Körper interessierte und auch einiges darüber wusste, was da alles möglich war, konnte Sasori sich ungefähr ausdenken, dass es da Mittel und Wege gab oder wenigstens irgendwann geben würde. Madara hatte immer wieder von Tsunade Senjuu gesprochen, und die kannte sich damit sicherlich auch aus, war immerhin berühmt für ihre außergewöhnlichen Lebenskraft-Jutsus.
Sasori nahm Tobi mit rüber in das für diesen vorgesehene Häuschen und es dauerte bis zum Mittag des nächsten Tages, dieses einzurichten.
Und während Tobi sich in seinem Häuschen einlebte, schrieb Sasori einen Brief an Konan. Er erkundigte sich nach ihren Fortschritten beim Lernen, fragte, ob sie in Kumo Gakure schon Freundinnen gefunden hatte, und erzählte ihr von Tobi und den Umbauten in Akatsuki. Lang wurde der Brief aber nicht, da Sasori beim Schreiben merkte, wie sehr er Konan doch vermisste, und ihm beinahe sogar Tränen kamen.
Er fragte sich, warum dieses kleine Mädchen, halb so alt wie er selbst, ihm so viel bedeutete, und die Antwort war ihm dabei sofort klar: Sie war seine verwandte Seele, die erste und nun auch einzige Person in seinem Leben, zu der er sich auch überhaupt mal eingestehen konnte, sich zu binden. Vielleicht, weil sie so überaus ehrlich war und trotz ihres jungen Alters schon so klar und definiert in ihrer Persönlichkeit.
Um den Brief abzuschicken musste Sasori nach unten ins Bauerndorf zur Post. Er ging also den Berg hinab und weil es wieder regnete, trug er die von Konan entworfene schwarz-rote Regenkleidung und den Hut. Er war bisher erst ein einziges Mal in dem kleinen Ort gewesen, die Leute kannten ihn nicht und er spürte die Blicke.
Um erkennbar zu sein, nahm er den Hut ab und betrat dann das Postbüro.
„Ich hab einen Brief nach Kumo Gakure“, sagte er.
Die Frau hinter dem Schalter nahm den Brief entgegen, sagte erst nichts und fragte dann leise: „Was ist eigentlich los oben auf dem Berg? Wir merken hier, dass wir nicht mehr in die hinteren Berge kommen, es sind viele Fallen im Wald aufgestellt worden.“
„Meine Mitbewohner haben oben einiges umgebaut“, sagte Sasori. „Es ist sicherer für Sie hier, wenn niemand mehr in die hinteren Berge geht. Das Land dort gehört sowieso uns.“
„In Ordnung“, sagte die Frau, „Ich gebe es an die anderen weiter. Keiner von uns wird mehr in die Berge gehen.“
Als Sasori wieder den Berg hinauf nach Akatsuki ging, regnete es noch stärker. Und er konnte erkennen, dass es nicht der gewöhnliche Regen dieser Gegend war, der immer an den Bergen hängen blieb und wieder zurückkehrte. Es war ein Jutsu, und höchstwahrscheinlich gehörte es Nagato.
Sasori dachte an Konan, daran, wie sehr das Mädchen den Regen hasste. Und er fragte sich, wie Konan reagieren würde, wenn sie zurückkam und es hier noch mehr regnete als zuvor, weil Nagato den Regen so verstärkte. Es würde der Beziehung zwischen den beiden sicherlich nicht gut tun. Und Sasori fragte sich, ob Nagato eigentlich überhaupt noch wusste und verstand, was Konan für ein Mensch war und dass er sie mit noch mehr Regen hier sicherlich nicht für sich gewinnen würde.
Ab Oktober 1991
Die Zeit um den 10. Oktober 1991 war schwierig, und ich erinnere mich nicht mehr an alles. Es war eine einschneidende Zeit, gerade auch für meine Familie, aber auch für das ganze Dorf. Wir wussten, dass der Neunschwänzige Fuchs einen Angriff auf Konoha plante, immerhin konnten wir das von ihm veränderte Wetter lesen und die Kammern tief im Erdboden, wo der Fuchsgeist sein Chakra gelagert hatte, wurden auch immer aktiver. Wir bereiteten uns darauf vor, dass er auftauchen würde.
Am 8. Oktober kam Kushina ins Krankenhaus und ich bekam es sehr mit, da Mama sich wirklich große Sorgen um sie machte. Es wurde erwogen, ob man die Geburt des Babys einleiten sollte, weil es Kushina wirklich nicht gut ging und man schon Sorge hatte, dass sie bleibende Schäden von der Schwangerschaft zurückbehalten würde.
Bei einer Untersuchung am 9. Oktober, wo Mama auch dabei war, wurde dann zudem festgestellt, dass etwas mit Kushinas Chakra nicht in Ordnung war, und dass es womöglich sogar mit ihrer ererbten Fähigkeit bezüglich des Fuchsgeist-Chakras zu tun hatte.
Als Mama nach diesem Termin wieder nach Hause kam, hörte ich, wie sie in der Küche mit Papa darüber sprach.
„Kushina ist eine Uzumaki, eine halbe Senjuu. Der Fuchsgeist ist in der Nähe, und er wirkt jetzt schon auf sie“, hörte ich Mama sagen, ihre Stimme klang nach Weinen.
„Es tut mir wirklich leid, Ikue“, sagte Papa. „Für Kushina und Minato und für dich.“
„Manchmal frage ich mich, ob das Kekkei Genkai der Uzumaki nicht sogar schlimmer ist als unseres …“, flüsterte Mama.
„Es ist ein anderes“, sagte Papa.
„Und ich kann nichts machen …! Ich habe Fähigkeiten, aber die nützen Kushina nichts …!“ Mama weinte. „Ich fühl mich so hilflos … Mein Leben lang konnte ich immer irgendwas tun, irgendwie helfen, aber hier kann ich … nichts machen …!“
Es war hörbar, dass Papa sie in den Arm nahm.
Und dann hörte ich, wie Sasuke in seinem Bettchen im Wohnzimmer zu weinen anfing. Mama hörte es auch, aber ich war schneller bei ihm als sie, nahm ihn aus dem Bettchen und beruhigte ihn selbst.
„Itachi …“, sagte Mama leise.
Ich sah sie an. „Ist gut, Mama. Ich kümmere mich um Sasuke.“
„Du bist lieb, Spatz.“ Sie kam zu mir, umarmte mich und drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Sasuke quietschte, griff nach Mamas Haar und sie gab auch ihm einen Kuss.
„Ich hab euch lieb, euch alle beide“, flüsterte Mama und ihr tropfen die Tränen runter.
In dieser Nacht schlief ich kaum. Ich fand keine Ruhe, also stand ich gegen eins wieder auf, nahm mir Lernsachen mit runter in die Küche und setzte mich dort zum Arbeiten hin. Sasuke schlief in seinem Bettchen und ich sah ihn zwischendurch immer wieder an. Er hatte den kleinen grünen Drachen mit im Bett und seine Händchen griffen im Schlaf immer wieder nach diesem Stofftier.
Ich dachte an meinen Schwur, der beste große Bruder in der Geschichte von Konoha sein zu wollen, und fand, dass ich das doch ganz gut erfüllte. Ich gab jedenfalls alles, was ich konnte.
Als ich mit dem Lernen schon fast durch war, wurde es auf der Straße draußen plötzlich unruhig. Leute liefen vorbei, und ich hörte, wie jemand „… Vierter Hokage“ sagte. Ich sprang auf, schob die Tür auf und lief raus.
„Was ist?“, fragte ich laut.
Einer der Männer drehte sich um. „Wo ist der Hokage?“
„Was ist denn passiert?“
„Eine der Chakra-Kammern im Boden ist geplatzt.“
„Minato ist doch sicher bei Kushina“, sagte ich.
„Danke, Itachi.“
Ich ging wieder hinein und da kam Mama gerade die Treppe runter, gefolgt von Papa.
„Was ist, Itachi?“
„Eine der Chakra-Kammern des Fuchsgeistes ist geplatzt. Sie suchen jetzt Minato.“
„Er ist im Krankenhaus bei Kushina“, sagte Mama.
„Sollen wir hin?“, fragte ich.
Mama zögerte, aber Papa fällte die Entscheidung.
„Wir ziehen uns jetzt an und gehen hin“, sagte er. „Itachi, du nimmst Sasuke mit, er kann nicht allein hier bleiben.“
Mama fing an zu weinen.
„Ikue, komm“, sagte Papa.
Wir machten uns also fertig und Papa zog sogar seine Kampfuniform an. Ich nahm Sasuke aus dem Bett, zog mir das Tragetuch an und legte ihn hinein.
Als wir aus dem Haus traten, war es nicht nur unruhig, es war stürmisch. Der Wind trieb durch die Straßen und Papa aktivierte seine Sharingan, um ihn besser zu lesen.
„Das ist Fuchsgeistwetter!“, rief er gegen den Sturm an. „Er ist ganz in der Nähe!“
Mama wurde blass, Papa nahm ihre Hand und wir liefen los. Ich hielt Sasuke ganz fest und drückte sein Köpfchen sanft gegen meine Brust, damit er sich möglichst sicher fühlte.
Vor dem Krankenhaus standen schon viele Leute. Minato war nicht zu sehen.
„Er ist oben“, antwortete ein Kollege von Papa, als wir fragten. „Kushina ist in den Wehen.“ Er deutete auf ein hell erleuchtetes Fenster im ersten Stock, es war das Fenster des Kreißsaals, dort wo auch Sasuke geboren worden war.
„Yoshi …“, sagte Mama leise, „Ich kann nicht …“
„Setz dich hin, Ikue“, sagte Papa und führte sie zu einer Bank am Straßenrand. Mama ließ sich darauf nieder und ich setzte mich neben sie.
„Was sollen wir machen, Yoshio?“, fragte der Kollege, als der Sturm noch mal zulegte.
„Ihr schickt alle Truppen raus vor die Mauer!“, rief Papa. „Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass der Fuchs zu nah ans Dorf kommt!“
„Wann kommt Minato?!“
„Wir müssen ihm Zeit verschaffen. Seine Frau bekommt das Baby, er kann da jetzt nicht weg. Also, was ist?! Alle verfügbaren Kräfte raus zum Fuchsgeist, er darf das Dorf nicht berühren!!“
„Alles klar, Yoshio!“
Die Truppe machte sich also auf, direkt in den stärker werdenden Sturm.
„Ich geh zu Minato rein“, sagte Papa.
Mama stand auf. „Ich komme mit.“
„Ikue …“
„Kushina braucht mich, Yoshi.“
„Und Itachi?“
Ich stand auf, streckte meinen Rücken und drückte Sasuke an mich. „Ich passe auf Sasuke auf.“
„Wenn es hier gefährlich wird, kommst du uns nach, mit rein, verstanden?“, sagte Papa.
„Natürlich.“
Ich blieb also draußen und versuchte alles, damit Sasuke ruhig blieb und sich sicher fühlte. Das war schon schwer, denn ich hatte selbst Angst. Das Einzige, was mir einfiel, war ein Schlaflied, dass ich in sein Ohr summte, immer wieder.
Ich blicke immer wieder hoch zu dem Fenster, und irgendwann war Minato dort zu sehen. Ich konnte von hier unten nicht sehen, wie es ihm ging, doch ich konnte es mir vorstellen.
Das Fenster war geschlossen, nichts zu hören außer dem Sturm und dem Lärm an der Dorfmauer. Der Fuchsgeist war wirklich da, er brüllte gegen die Jutsus der Truppen an.
Schließlich kam Papa wieder aus dem Krankenhausgebäude und auf mich zu.
„Wo ist Mama?“, fragte ich.
„Oben bei Kushina.“
„Was ist mit Kushina?“
„Sie ist sehr geschwächt, es geht ihr nicht gut.“
„Und das Baby?“
„Das Baby ist okay. Es ist ein Junge, sie haben ihn Naruto genannt. Naruto Uzumaki.“
„Wie geschrieben?“
„Wie Gesang und Tor.“ Papa malte die Zeichen mit dem Finger in seine Hand. „Itachi, wir müssen auch zur Dorfmauer. Minato kommt nach.“
„Und Mama?“
Papa sah mich ernst an, und ich sah Tränen in seinen Augen. „Mama muss gerade noch bei Kushina sein. Es kann … sein, dass Kushina das hier nicht überlebt.“
Und so machten wir uns auf den Weg, raus aus dem Dorf, dem wütenden Bijuu entgegen. Ich sollte mich im Hintergrund halten und dafür sorgen, dass Sasuke keinen Schaden nahm, und Papa ging zu seiner Truppe, die schon seine Befehle erwartete.
Als wir ankamen, hatte sich der Fuchsgeist vom Dorf abgewandt, blickte in die andere Richtung.
„Was hat er vor?“, hörte ich einen Mann in der Nähe fragen.
„Jemand hatte versucht, ihn zu bannen“, sagte ein anderer. „Wir konnten aber nicht sehen, wer. Und der Fuchsgeist hat ihn besiegt, ohne dass wir mehr erkennen konnten. Wir hatten einen kleinen Trupp dorthin geschickt, aber die sind nicht zurückgekehrt.“
„Wie?!“, fragte Papa laut und wandte sich um. „Jemand hat einfach versucht, das Viech zu bannen, und ihr kriegt nicht heraus, wer das war?!“
„Tut mir leid, Yoshio, wir wissen es wirklich nicht.“
Ich sah Papa an und las seine Lippen. Ganz kurz, ohne dass jemand anders es bemerkte, und ohne dass wir uns sicher sein konnten, dachten wir beide an Madara.
„Keine Spuren?!“, fragte Papa seinen Untergebenen.
„Nichts.“
Auf einmal stand Shisui neben mir.
„Itachi, wo kommst du denn jetzt her?“
„Mama ist bei Kushina, und Papa sagte, ich solle hierher mitkommen.“
„Wo ist Minato? Auch bei Kushina?“
„Ja.“
„Was ist mit dem Baby?“
„Das Baby ist okay. Er heißt Naruto.“
Shisui lächelte. „Schöner Name.“
„Wo bleibt der Hokage?“, fragte der Mann wieder. „Wir halten hier nicht mehr lange durch!“
„Er ist gerade Vater geworden und seiner Frau geht’s gar nicht gut!“, antwortete ich. „Wir müssen ihm den Rücken frei halten!“
Doch nur einen Moment später waren plötzlich alle da. Mama, Minato und auch Kushina. Sie schwankte, konnte kaum laufen und sah wirklich nicht gut aus, Mama stützte sie und Minato hatte das Baby auf dem Arm.
Papa kam auch dazu und Shisui blieb bei mir.
„Meister Hokage“, sprach Papa Minato an. „Wie ist der Plan?“
„Ich kümmere mich um den Fuchsgeist“, sagte Minato, und der Kampf darum, ruhig und stark zu wirken, war ihm nur allzu deutlich anzusehen. „Yoshio, du kümmerst dich um die Kinder, meins und deine. Ikue, du bleibst auch hier.“ Dann sah er Kushina an. „Kushina … kannst du mit mir kommen?“
Kushina streckte sich ein wenig und nickte.
Minato zog eine Schriftrolle aus seiner Uniform und rollte sie aus, biss sich in den Daumen und beschwor die Schrift. Es gab eine riesige Rauchwolke und die Riesenkröte Gamabunta erschien in voller Größe. Ich wusste, dass Gamabunta eigentlich zu Jiraiya gehörte, und dass Minato bei diesem gelernt hatte. Jiraiya war nicht hier, doch die Krötengeister gehorchten jedem, der mit ihnen in Vertrag stand.
Minato lächelte. „Bereit, mir zu helfen, Gamabunta?“
Die hausgroße Kröte nahm ihre gewaltige Pfeife aus dem Maul und nickte. „Alles klar, Hokage!“
Papa, Mama und ich blieben hier, in der Nähe der Mauer, während Minato und Kushina mit Gamabunta in den Kampf zogen. Kushina wandte sich noch einmal um und lächelte Mama zu. Mama wurde noch blasser, und Papa hielt sie fest. Shisui blieb auch hier, er übernahm Naruto und ich hielt Sasuke weiter im Arm.
Der Fuchsgeist brüllte, der Sturm heulte und ich fühlte alles und nichts. Ich hatte Angst wegen Mama, und zugleich wusste ich, dass Sasuke das nicht zu sehr mitbekommen durfte, also tat ich für ihn mit aller Kraft so, als sei ich stark. Ich versuchte, in mir das Gefühl zu aktivieren, dass ich Chuunin war und stark war und vieles konnte …
Und dann verlor Mama die Nerven. Sie sprang auf, riss sich von Papa los und machte Anstalten, sich dem Kampffeld zu nähern.
„Ikue! Was willst du?!“
„Ich muss zu Kushina, Yoshi! Sie braucht mich!“
Papa machte einen Satz, stand plötzlich vor ihr und hielt sie fest. „Ikue, du kannst da nicht hin. Du kannst Kushina nicht helfen. Und du musst hier bleiben, du hast zwei Kinder, und Sasuke braucht dich mehr als Kushina. Du wirst sie nicht retten können.“
„Aber …!“
„Ikue, es tut mir genau so leid wie dir“, sagte Papa und packte Mama dabei an den Schultern, sah sie direkt an. „Minato ist auch mein Freund, und ich habe auch Angst. Aber wir können nichts tun.“
Mama bleib stehen, ich sah wie sehr sie in sich kämpfte, und dann brach sie vollkommen in Tränen aus. „Und was ist mit Naruto?!“, schrie sie. „Er ist kaum auf der Welt und verliert schon seine Mama?!“
„Um Naruto kümmern wir uns dann“, sagte Papa, auch er kämpfte um Fassung. „Erst mal müssen wir das Dorf schützen. Wir sind die Uchiha, das ist unsere Aufgabe.“
In dem Moment war Minatos Stimme laut durch den Sturm zu hören: „Yoshio! Komm her, und bring Naruto mit!!“
„Was hat Minato vor?“, fragte Mama mit tonloser, zitternder Stimme.
Ich ahnte, was es war. Weil ich Sasuke im Arm hatte und mich erinnerte, wie es gewesen war, als er das Jubi-Chakra bekommen hatte. Und ich sah Mama an, sah, wie sich das Verstehen in ihrem Gesicht zeigte. Papa nahm Shisui Naruto ab, und ich konnte sehen, dass das Baby Minato wie aus dem Gesicht geschnitten war, leuchtend gelbblondes Haar und dieselben strahlend blauen Augen hatte.
„Yoshi …“, begann Mama und ihr liefen die Tränen übers Gesicht.
Papa sah sie an und schüttelte den Kopf. „Es geht nicht anders.“ Dann sah er mich an. „Itachi, kümmere dich jetzt um deine Mutter und deinen Bruder. Ich gehe jetzt zu Minato.“ Und dann lief er in den Sturm hinein.
Ich lief zu Mama, sie war auf den Boden gesunken und weinte nur noch. Ich legte ihr Sasuke in die Arme und umarmte beide ganz fest.
„Is gut, Mama …“ Mehr wusste ich nicht zu sagen. Ich konnte ja auch nichts anderes tun.
In diesem Moment war ich kein Kind, aber das fühlte sich okay an. Ich musste jetzt für Mama da sein, und das würde sich später, wenn es ihr wieder besser ging, ja auch wieder ausgleichen. Mama und ich waren immer schon mehr gewesen als nur einfach Mutter und Sohn, sie war auch meine engste Freundin und ich hatte mich ja sowieso kaum je wie ein wirkliches Kind empfunden.
„Itachi …“, flüsterte Mama. „Bist du okay?“
„Mir geht’s gut, Mama. Mach dir keine Sorgen um mich.“
Mama drückte Sasuke an sich, und der fing auch an zu weinen. Er spürte sicher die Dramatik dieser Situation, auch wenn er nichts davon verstand. Ich betete, dass er davon nicht zu viel bekam, und schwor mir, für ihn da zu sein, falls er in nächster Zeit hiervon noch Angst haben sollte. Und ich dachte an Naruto, daran, dass sich der Plan meiner und seiner Eltern, ihn und Sasuke wie Brüder gemeinsam zu erziehen, jetzt endgültig verflüchtigte und wir eine neue Lösung finden mussten. Dieser Gedanke fühlte sich an als hätte ich zwei kleine Brüder, einen direkten und einen in einer Art zweiten Reihe, und ich wollte für beide da sein.
Während ich da mit Mama und Sasuke auf dem Boden kniete und die beiden mit meiner Liebe zu versorgen versuchte, beobachtete Shisui ein paar Schritte weiter den Kampf, von dem ich nur den Lärm hörte und den Sturm spürte.
„Minato hat den Fuchs mit einem Jutsu gebannt, das Vieh kann sich nicht mehr bewegen“, hörte ich Shisui sagen. „Es ist das Shiki-Fujin!“
Shiki-Fujin, also hatte er das wirklich vor. Ich kannte dieses Jutsu vom Namen her, es war ein Vertrag mit einem Totengott, der für das Opfer des eigenen Lebens ein Siegel ermöglichte, das stark genug war, einen Bijuu zu bannen und eine Jinchu-Kraft zu schaffen. Es war wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, den Fuchsgeist, den stärksten aller Bijuu, überhaupt zu bannen.
Ich wandte mich um, sah den Kopf des Fuchsgeistes über den Bäumen und konnte wahrnehmen, wie wütend er war. Es war nicht nur einfach so, dass er sein Land zurück wollte, ich hatte das Gefühl, dass da noch mehr war. Aber was genau, konnte ich natürlich nicht wissen.
Mama hatte Shisuis Worte auch gehört und fing wieder an zu weinen. Shiki-Fujin würde Minatos Tod bedeuten, und Kushina war sowieso so stark geschwächt. Die beiden würden das hier nicht überleben.
„Wir nehmen Naruto auf, Mama“, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, ob das überhaupt möglich sein würde. „Du bist stark genug, um für ihn mit zu sorgen.“
Mama sah mich an, mit vom Weinen geröteten Augen und einem solchen Schmerz im Blick, und sagte leise, fast tonlos: „Ja … Wenn das alles ist, was ich tun kann …“
In dem Moment kam Papa zurück. „Wir haben es fast geschafft“, sagte er.
„Yoshi … Ich möchte das Baby aufnehmen … Naruto … Kushina ist … war … meine beste Freundin, ich muss mich um Naruto kümmern …!“
„Denkst du, du schaffst das?“
Mama nickte, schluckte, blinzelte Tränen weg. „Ja.“
Papa blickte nachdenklich in die Richtung, aus der er gerade gekommen war. „Okay. Wir können es ja versuchen. Mutter genug bist du allemal, Ikue.“ Er wandte sich wieder um, kniete sich zu Mama und mir hin und küsste sie. „Wird schon werden, meine Liebe.“
Ich saß daneben und fühlte mit. Papa war nicht oft so emotional zugänglich, doch in diesem Moment fühlte ich, wie sehr er Mama liebte und sie ihn. Die beiden waren so verschieden und liebten sich dennoch sehr. Ihre Ehe war ja von Oma Yoneko arrangiert worden, doch sie hatten einander vorher schon gemocht.
Und mit einem Mal wurde es hell, von einem starken Licht. Der Sturm stoppte plötzlich und es wurde vollkommen still. Zuerst hörte man noch Stimmen, Worte, Fragen, doch auch das verstummte und der Fuchsgeist verschwand in dem Licht. Sekunden vergingen, wurden Minuten, und dann erlosch das Licht wieder, der Fuchsgeist war weg und der Sturm still. Ich sah Mama an, sie weinte wieder, und wurde so blass, dass ich ihr Sasuke wieder aus den Armen nahm. Papa war schnell genug, Mama zu halten, denn nun war ihr alles wirklich zu viel geworden und sie wurde ohnmächtig.
„Shisui, komm“, sagte Papa. „Wir holen Naruto da raus.“
Ich blieb bei Mama, hielt Sasuke im Arm und versuchte zugleich, Mama wieder zu wecken. Sie öffnete die Augen, sah furchtbar müde aus und lehnte sich nur noch an mich.
„Ist gut, Mama …“, sagte ich wieder, streichelte sie, fühlte mich hilflos.
„Itachi … kann ich … ein Genjutsu haben?“, fragte sie tonlos. „Ich halte das sonst nicht aus …“
Es war das erste Mal, dass sie mich so etwas fragte. Aber in diesem Moment war es vielleicht wirklich das Einzige, womit ich helfen konnte.
„Was für eines?“
„Eins, in dem Naruto bei uns lebt.“
Ich lächelte leicht. Zwar nutzte ich Genjutsu selbst schon lange auch als Beruhigungsort für mich, gerade auch Tsukuyomi, aber ich hatte so etwas noch nie für jemand anderen getan. Fast seltsam eigentlich, dass mir diese Idee nicht schon viel früher gekommen war. Aber so war jetzt der Moment, in dem ich zum ersten Mal ein Genjutsu als positive, auf gute Gefühle ausgelegte Hilfemaßnahme für jemand anderen anwandte.
Mama aktivierte ihre Sharingan, ich die meinen, und für einen Moment verbanden wir sie miteinander und ich schenkte Mama einen schönen Traum. Und auch, wenn es nur ein Traum war, ein Genjutsu, eine Illusion, es half ihr, ihr überfordertes Nervensystem einmal weit herunter zu fahren, es quasi neu zu starten, und einen Moment der Ruhe und Liebe zu erleben.
Danach sah sie besser aus, und ich hatte wieder das Gefühl, nicht mehr so hilflos zu sein. Wenn ein Genjutsu das Einzige war, was ich tun konnte, dann tat ich es, es war ja nun mal auch das, was ich am besten konnte.
Papa und Shisui kamen zurück, Papa hielt den schreienden kleinen Naruto im Arm und übergab ihn an Mama. Ich hielt Sasuke fest und stand jetzt langsam wieder auf.
„Lass uns nach Hause gehen, Ikue. Wir brauchen jetzt alle Ruhe“, sagte Papa.
Der Rest dieser Nacht ließ sich kaum als wirkliche Nacht bezeichnen. Wir nahmen Naruto mit zu uns nach Hause und Mama versorgte ihn, während ich Sasuke übernahm. Shisui blieb auch bei uns, gegen Morgen kam außerdem Haimaru vorbei. Die beiden besprachen mit Papa, was jetzt werden sollte, und gingen dann zu Sarutobi, der sofort aus seinem Ruhestand zurückkehrte und wieder sein Amt als Hokage aufnahm.
Als ich zu Mama ins Zimmer kam, lag sie mit Naruto auf dem Bett, hatte ihn im Arm, er schlief, sie hatte die Augen offen und schaute geistesabwesend aus dem Fenster. Ich legte mich mit Sasuke dazu, er hielt sich an mir fest.
„Geht’s, Mama?“, fragte ich leise.
Mama lächelte müde. „Ja … irgendwie. Danke, Spatz.“
Ich nahm ihr Naruto ab und sie übernahm Sasuke zum Stillen.
Während die Sonne aufging, lag ich hier mit Mama auf dem Bett, sie stillte Sasuke und ich hielt Naruto im Arm, und es fühlte sich wirklich so an, als hätte ich einen weiteren kleinen Bruder bekommen. Zuerst schlief er, wachte dann aber auf, und sofort wurde sein Temperament deutlich, er schrie und wollte sich bewegen. Er sah nicht nur genau so aus wie sein Vater, er hatte auch definitiv die Lebhaftigkeit seiner Mutter geerbt.
Mama legte Sasuke ab, schloss ihre Bluse wieder und übernahm Naruto. Und ich fragte mich, wie es werden würde, zwei Babys zugleich groß zu ziehen. Vielleicht würde Mama doch Unterstützung von einer anderen Frau dazu brauchen.
Sasoris Brief erreichte Konan an einem Tag, als sie gerade eine Zwischenprüfung an der Kumo-Akademie mit Bestnote bestanden hatte. Sie lief gut gelaunt von der Schule zurück zu dem Haus, in dem sie ein Zimmer hatte, und dort hatte ihre Vermieterin den Brief in der Hand.
„Post für dich“, sagte die Frau und lächelte. „Aus dem Regenland.“
Konan bedankte sich, nahm den Brief und verschwand schnell auf ihr Zimmer, dort öffnete sie ihn und erkannte sofort Sasoris Schrift. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und las, es war kein langer Brief, nur eine eng beschriebene halbe Seite.
„Liebes Konanchen, wie geht es dir in Kumo Gakure? Hast du dich gut eingelebt, schon Freundinnen gefunden? Wie läuft es auf der Akademie? Ich hoffe, du gibst dein Allerbestes und bist genau so fleißig und wissbegierig, wie ich dich kenne. Hast du dich gut eingelebt und schon Freundinnen gefunden? Ich denke oft an dich und hoffe, dass du ganz viel Freude am Lernen hast, denn dafür bist du ja dort. Ich vermisse dich sehr, aber es ist mir genau so wichtig, dass du diese Ausbildung machst, also mach mich stolz, Konanchen, verstanden?
Hier bei uns hat sich ein bisschen was verändert, Nagato hat jetzt ein eigenes Haus und das Dorf eine anständige Mauer. Es regnet aber leider ziemlich viel, weil Nagato ein Jutsu dafür entwickelt hat. Außerdem haben wir jemanden Neues bei uns, er heißt Tobi und ist zwar etwas zurückgeblieben, aber lustig und fröhlich.
Ich würde dich ja auch gern mal in Kumo besuchen, aber ich habe sehr viel zu tun. Also müssen wir uns gedulden, bis du deine Ausbildung fertig hast und wieder kommst. Du weißt, ich mag Warten gar nicht gern, aber da müssen wir zwei jetzt durch. Für dich kann ich damit umgehen. Ich hab dich lieb, ehrlich gesagt. Dein Freund Sasori.“
Am Ende des Lesens hatte Konan Tränen in den Augen. Zum einen, weil sie Sasori auch vermisste, zum anderen aber vor allem, weil es sie sehr rührte, dass er ihr so ehrlich schrieb, wie gern er sie hatte. Sie kannte Sasori definitiv gut genug, um zu wissen, dass dieses „Ich hab dich lieb“ so zu schreiben ihn einiges an Überwindung gekostet haben musste. Und auch, dass er schrieb, dass ihre Ausbildung hier ihm so wichtig war, dass er dafür das für ihn so schlimme Warten ertrug, rührte sie sehr.
Dass Nagato ein Regen-Jutsu geschaffen hatte und es jetzt in Akatsuki auch regnete, darüber dachte Konan in diesem Moment noch nicht weiter nach. Es war ja noch eine ganze Weile hin, bis sie zurückkehren würde, und hier in Kumo regnete es kaum. Es waren zwar, namensgebend, oft Wolken zu sehen, aber die Akademie lag auf einem hohen Berg über dieser Wolkendecke, dort war es allermeistens sonnig und warm.
„Ja, wenigstens regnet es hier nicht“, sagte sie leise zu sich, steckte den Brief wieder in den Umschlag und ließ ihn fürs Erste auf ihrem Tisch liegen. Sie würde später darauf antworten.
Ihre Erinnerungen an Madara waren versiegelt, das Einzige, was Konan noch davon hatte, war ein hintergründig vorhandenes Gefühl, dass da mal jemand gewesen war. Durch die Ausbildung hatte sie tatsächlich kaum Zeit, überhaupt an ihr Zuhause zu denken, und wenn, dann dachte sie an Sasori. Selbst Nagato war ihr gedanklich nur wenig präsent.
Es klopfte an ihrer Tür. „Konan? Bist du schon zu Hause?“
„Jaa, ich komme gleich!“
Sie stellte ihre Schultasche neben der Tür ab und öffnete diese dann. Dort stand ein Mädchen aus ihrer Klasse mit zwei Packungen Takoyaki.
„Als Belohnung, weil wir beide heute bestanden haben!“, grinste das Mädchen, sie hieß Ako.
Konan warf noch einen Blick zum Schreibtisch, wo Sasoris Brief lag, und ging dann mit Ako hinaus.
„Ich hab nen Brief von zu Hause bekommen“, sagte sie auf der Treppe zu ihrer Freundin.
„Wer hat dir geschrieben?“
„Mein bester Freund.“
„Und was schreibt er so?“
Konan wollte nicht direkt auf Sasoris Geschriebenes eingehen, es war ihr zu privat. „Dass mein bescheuerter Bruder immer noch total auf Regenwetter steht“, sagte sie also.
„Na ja, du kommst ja auch aus dem Regenland …“
„Ako! Du weißt doch, dass ich Regen hasse!“
„Aber warum eigentlich?“
„Weil die Leute im Regenland immer so miese Laune haben. Und jetzt will ich nicht mehr über Regen reden.“
Sie setzten sich auf eine Bank am Wegesrand und aßen dort die Takoyaki, und Konan dachte angestrengt an die heutige geschaffte Prüfung, um sich wieder zu beruhigen. Auch wenn sie Sasori vermisste, den Regen vermisste sie absolut nicht. Und zum ersten Mal störte es sie auch, dass Sasori ein Nukenin war und deswegen so verborgen leben musste, dass er sie nicht einfach mal besuchen konnte. Das war wirklich schade, aber Konan tat sich dennoch nicht besonders schwer darin, das zu akzeptieren.
Nach dem Essen mit Ako kehrte Konan allein in ihr Zimmerchen zurück und setzte sich daran, Sasori eine Antwort zu schreiben.
Sie schrieb über die bestandene Prüfung, über ihre Freundinnen und Bekanntschaften, über das Wetter, und vieles über das, was sie sonst schon alles gelernt hatte. Und auch, dass sie sich sicher war, vor allem deshalb so gut in der Ausbildung zu sein, weil Sasori ihr so viel beigebracht hatte.
Sie war innerhalb weniger Wochen zu einer der besten Schülerinnen ihrer Klasse geworden und da sie sich nicht mehr direkt an Madara erinnerte, ging sie davon aus, dass Sasori ihr alles beigebracht hatte. In der heute bestandenen Prüfung war es auch um Ballistik gegangen, und dabei hatte ihr das Wissen über Marionettenspiel wirklich sehr weitergeholfen.
„… mein Lehrer findet es sehr spannend, dass ich schon mit Marionetten umgehen kann. Er hat mich gefragt, woher ich das kann. Aber ich hab dich nicht verraten, keine Sorge. Ich hab nur gesagt, dass ich mal bei einem Künstler aus Suna Gakure gelebt habe.“
Aber an diesem Abend sollte der Brief noch nicht fertig werden. Denn in diesem Moment knallte es unten auf der Straße und eine dichte Rauchwolke stieg auf, die Konan aufspringen und schnell das offene Fenster schließen ließ.
Sie schaute nach unten und sah, wie ein kleines Mädchen von etwa vier oder fünf Jahren unten auf der Straße mit einem leuchtend blauen Chakra-Wirbel um sich herum zwei Männer angriff, die offenbar versucht hatten, sie mitzunehmen.
Konan lief zur Tür, riss sie auf und lief die Treppe hinunter. Sie wollte dem kleinen Mädchen helfen.
„Bleib hier, Konan!“, rief ihre Vermieterin unten an der Treppe. „Das ist zu gefährlich!“
„Was ist denn da los? Wer ist dieses Mädchen?“, fragte Konan und blieb stehen.
„Das ist Yugito Nii! Sie ist von einem mächtigen Geist besessen, einer zweischwänzigen Katze. Wenn sie wütend wird, rastet sie komplett aus und keiner darf ihr dann zu nah kommen!“
Ein Geist? Konan hatte ein merkwürdiges Gefühl bei diesem Wort. Etwas in ihr erinnerte sich daran, was Madara ihr über die Bijuu erzählt hatte, doch in diesem Moment ging sie davon aus, dieses Wissen von Sasori zu haben.
„Ein Bijuu-Geist?“, entkam es ihr, bevor sie daran denken konnte, dass das vielleicht geheimes Wissen war.
Die Frau starrte sie überrascht an. „Woher … kennst du dieses Wort?“
„Oh Mist, das ist geheim“, dachte Konan bei sich und sagte laut: „Ich hab doch mal in Suna gelebt, da gibt’s auch einen, ich habs gesehen.“
Das Mädchen, das Yugito hieß, war inzwischen davongelaufen, die beiden Männer rappelten sich wieder auf und einer der beiden sagte: „Sie wird noch ein Problem werden.“
„Ist sie doch jetzt schon“, sagte der andere.
Konan lief zurück in ihr Zimmer, wollte den Brief zu Ende schreiben, doch ihre Gedanken kreisten nur noch um dieses Mädchen Yugito. Sie hatte das merkwürdige Gefühl einer Verbindung zu diesem Mädchen, wenn auch sie sich überhaupt nicht erklären konnte, warum. Am liebsten hätte sie Sasori danach gefragt, doch wenn das Wissen um Bijuu geheim war, sollte sie es nicht einfach in einen Brief schreiben. Sie musste also selbst damit umgehen, vielleicht versuchen, etwas heraus zu finden.
Am nächsten Morgen stand sie früh auf. Zuerst schrieb sie den Brief an Sasori fertig, berichtete ihm noch Kleinigkeiten aus ihrem Schulalltag und bedankte sich auch ehrlich dafür, dass Sasori ihr so offen über seine Gefühle geschrieben hatte. Dann steckte sie den Brief in einen Umschlag und lief die Treppe hinunter, um ihn an der Straßenecke in de Briefkasten zu werfen. Somit war das erledigt und sie machte sich auf den Weg zur Akademie, sie wollte in die Bibliothek.
Zwar war es unwahrscheinlich, dass die öffentliche Bibliothek über Schriften zu Bijuu verfügte, aber Konan war lange genug von Sasori ausgebildet worden, um die Idee ins Auge zu fassen, dass ein Blick in die verschlossenen, geschützten Bücher sich lohnen würde und auch zu wissen, wie sie dort herankam.
Zuerst betrat sie den offenen Teil der Räumlichkeiten, die Bibliothekarin hatte gerade erst die Tür geöffnet und es war noch sehr still, Konan war die erste Besucherin an diesem Morgen. Damit hatte sie gerechnet, und sie hatte einen konkreten Plan.
Hinter einer dichten Reihe von Regalen zog sie leise die Beschwörungsrolle ihrer Papiermarionette hervor, ließ diese herauskommen und machte mit einem kleinen Jutsu eine Doppelgängerin von sich daraus. Diese Technik hatte sie sich erst vor kurzem selbst beigebracht und das hier war die Generalprobe.
Die Marionette sah sie fragend und abwartend an, und Konan flüsterte: „Du bist jetzt ich. Du musst ganz leise sein und dich hinsetzen und so tun, als ob du liest, okay? Ich gehe derweil etwas suchen. Und wenn jemand kommt, warnst du mich, verstanden?“
Die Puppe nickte, erhob sich und Konan drückte ihr ein beliebiges Buch in die Hand, mit dem ihre Doppelgängerin sich an den nächsten Tisch setzte und zu lesen begann. Konan sah, wie die Bibliothekarin diese bemerkte, kurz aufsah und sich dann wieder ihren eigenen Tätigkeiten zuwandte.
Zuerst musste Konan also nach dem Eingang der verschlossenen Abteilung suchen, doch das ging schnell, es stand sogar ein Schild über der Tür. Ein „Betreten verboten“-Schild natürlich, doch das war genau der Hinweis, den sie brauchte. Die Tür hatte ein Fenster aus Milchglas, und dahinter sah Konan einen Schatten, als säße dort jemand an einem Tisch.
„Mist, wie kommt da jemand rein?“, dachte sie. „Und wie soll ich da rein, wenn jemand drin ist?“
Sie warf einen kurzen Blick zu ihrer Marionette, die wirklich gut „lesen und lernen“ spielte, und suchte in Gedanken nach einem Weg, an der unerkennbaren Person in der geschlossenen Abteilung vorbeizukommen. Vielleicht war dieser Schatten ja auch nur ein Jutsu, damit sich niemand widersinnig in diese Abteilung hinein traute?
Ein lauter Ausruf hinter der geschlossenen Tür ließ Konan herumfahren.
„Wow, so was Inspirierendes hatte ich ja noch nie!“
Der Schatten war aufgesprungen und hielt das Buch in seinen Händen hoch. Es war ein Junge, der Stimme nach, und ein Blick in Richtung der Bibliothekarin sagte Konan sofort, dass sie offenbar nicht die Einzige an diesem Morgen war, die sich unerlaubterweise mit der geschlossenen Abteilung der Bibliothek beschäftigt hatte.
Die Frau stand auf und lief quer durch den Raum. Konan fühlte den Alarm der Marionette und huschte schnell hinter eine Regalwand, damit die Aufsicht sie hier nicht zweimal zu sehen bekam und somit ihr Plan aufflog. Sie hörte, wie die Tür der geschlossenen Abteilung geöffnet wurde und wie die Aufsicht laut fragte: „Baru, was zur Hölle machst du schon wieder hier?“
Konan zog ihren Kosmetikspiegel aus der Tasche und schaute mit seiner Hilfe um die Ecke. Der mit „Baru“ angesprochene Schatten kam aus der Tür und grinste die Aufsicht an.
„Ich hab nen neuen Text geschrieben.“
„Wozu gehst du da in die geschlossene Abteilung?“
„Da sind krassere Reime drin.“
Konan sah sich den Jungen genauer an: Er war ungefähr acht, hatte braun gebrannte Haut und weiß gebleichtes Haar, das in gefilzten Rastazöpfen über seine Ohren hing. Seine Kleidung war nicht die eines Shinobi, er trug Sachen wie ein Zivilist aus der Stadt, weite blaue Hosen und ein buntes, viel zu großes Shirt, nur das Stirnband um seinen Bauch wies ihn als Kumo-Nin aus.
„Mit Schimpfworten, oder was?“, fragte die Aufsicht ironisch.
Baru grinste. „Exactly.“
„Was ein komischer Vogel“, dachte Konan. „Und wieso hab ich den noch nie auf der Schule gesehen?“
Baru stolzierte davon, und als er die Bibliothek verließ, fiel ein Zettel aus seiner Tasche. Konans Marionette hob ihn sofort auf, schlich von der Aufsicht unbemerkt zurück zu Konan und gab ihr diesen Zettel.
„Danke“, sagte Konan. „Ich glaube, wir können die Abteilung für heute vergessen. Aber vielleicht lernen wir was anderes.“
Sie löste das Jutsu, ging zu dem Tisch, wo ihre Doppelgängerin vermeintlich gelernt hatte und räumte alles wieder weg, dann verließ sie die Bibliothek wieder, gesehen von der Aufsicht.
Wieder draußen, sah Konan sich den Zettel an. Es war eine Mischung aus Zeichnungen, Text und Noten, sah aus wie der kreative Erguss eines Möchtegern-Musikers.
„Ich bin voll cool, ich hab eine Kuh …“, las Konan die erste Zeile, es war alles Dogo. „Und weil ich die Kuh hab, geht die Katze krass ab. Aus meiner Kuh macht keiner Takoyaki, aber ich bin voll der Rap-Monkey.“ Es folgten eine Reihe von äußerst kreativen Schimpfworten und darum herum gezeichneten Karikaturen von Katzen, Rindern und Oktopussen.
„Wenn ich jemals dachte, Nagato hat ne kapitale Vollmeise, der hier toppt es“, dachte Konan. Sie nahm den Zettel mit, einfach weil sie ihn unterhaltsam fand. Und vielleicht, um eins der wirklich interessanten Schimpfworte aus dem Text mal mit zu Nagato zu nehmen und ihm bei Gelegenheit vor den Latz zu knallen.
Am nächsten Morgen holte Ako sie zur Schule ab, und Konan fragte, einfach aus Interesse, ob Ako diesen schrägen Baru kannte.
Ako sah sie mit großen Augen an. „Baru? Woher kennst du ihn?“ Die Art, wie sie Konan ansah, machte deutlich, dass Konan mit der Frage wieder ein Wespennest erwischt hatte.
„Ich war gestern in der Bibliothek zum Lernen, und er war auch da. Beziehungsweise ist er von der Aufsicht hochkantig rausgeschmissen worden, weil er in der verschlossenen Abteilung war“, antwortete Konan, sie hatte noch nicht den Eindruck, dass das großartig geheimnisvoll gewesen sein konnte.
Das, was Ako dann mit gedämpfter Stimme antwortete, machte aber schnell das Gegenteil daraus:
„Baru ist von einem gefährlichen Geist besessen, er geht nicht zur Schule, sondern ist in Sonderbewachung von einem spezialisierten Jonin.“
„Ein Geist?“, fragte Konan. „Was für einer?“ Die Begegnung mit Yugito schoss ihr durch den Kopf.
„Keine Ahnung, wir sollen darüber auch eigentlich gar nicht reden“, flüsterte Ako. „Und wir reden auch nicht mit Baru. Er ist zu gefährlich.“
Konan fragte nicht weiter nach. Sie hatte das bestimmte Gefühl, dass sie nicht zu offensichtlich an dieses Thema herangehen durfte, wenngleich es sie dennoch sehr interessierte. Sie dachte an das, was sie glaubte von Sasori gelernt zu haben, und wusste jetzt auch, dass schon das Wort „Bijuu“ wirklich nicht gern gehört wurde.
In der ersten Schulpause hatte sie einen Moment Ruhe und zog den Zettel von Baru noch mal aus der Tasche, las diesen seltsamen Rap-Text und auf einmal passte alles zusammen: Wahrscheinlich nahm der Geist von Baru die Form einer Kuh an und er bezog sich auch auf Yugitos Katzengeist. Die beiden kannten sich vielleicht, möglicherweise war der spezialisierte Jonin, den Ako erwähnt hatte, auch für Yugito zuständig. Nur die Zeile mit den Takoyaki verwirrte noch, denn Takoyaki wurden, allein schon ihrem Namen wegen, nur aus Oktopus hergestellt, nie aus Rindfleisch.
Konan steckte den Zettel wieder weg, doch sie dachte noch lange darüber nach. Auch wenn sie nicht mehr wusste, dass sie dieses ganze Wissen von Madara hatte, sondern glaubte, Sasori hätte ihr das alles erzählt, war ihr klar, dass sie gerade auf ein länderübergreifendes Geheimnis höchster Kategorie gestoßen war. Sie erinnerte sich auch an die beiden riesigen Hände aus den Bergen hinter Akatsuki und an die Legenden, die ihr dazu erzählt worden waren.
„Und was mache ich jetzt damit?“, fragte sie sich und vermisste Sasori, hätte wirklich gern mit ihm darüber gesprochen.
November 1991
Naruto verbrachte seinen ersten Lebensmonat bei uns, und Mama bekam dafür Hilfe von Papas jüngerer Schwester Yuka, die dann auch übergangsweise aus dem Hauptsitz unseres Clans hinter dem Fluss zu uns ins Haus im Dorfzentrum umzog.
Ich half ebenfalls, wo ich konnte, aber zugleich hatte ich viel mit einer Prüfung im Medizinstudium zu tun, zu der ich mich schon vor Monaten angemeldet hatte. Es ging um die Arbeit der Feldärzte innerhalb der Anbu, ich wollte mich darauf schon mal vorbereiten. Wenn ich dann in die Anbu eintrat, wollte ich von vorneherein klarstellen, dass ich das als Arzt tat. Und außerdem lernte ich weiter am Shiawase-no-Jutsu, versuchte so weit zu kommen wie es ging, auch wenn ich es noch lange nicht anwenden konnte.
Wenn ich nicht gerade mit Lernen beschäftigt war, verbrachte ich meine Zeit zwischen Training mit Yoneko und Shisui auf dem Platz und der Versorgung von Sasuke und Naruto zu Hause. Yuka hatte keine eigenen Kinder, mochte Babys aber gern und übernahm für diese Zeit meistens Naruto, damit Mama mehr Zeit für Sasuke hatte. Alles, was nicht eine Frau zu tun hatte, machte dann ich, saß dann auf der offenen Veranda und wechselte zwischen einem Buch und der Beschäftigung mit den beiden Kleinen. Beide waren deutlich extravertierter als ich und besonders Naruto verlangte beständig nach Kontakt, sodass ich dann kaum zum Lesen und Lernen kam. Aber es war schön, ich mochte es sehr, zwei kleine Brüder zu haben.
Ende November gab es dann eine große Sitzung im Dorfrat, wo es darum ging, ob Mama Naruto adoptieren durfte. Es waren alle da, die mit der Situation in Berührung standen, Mama, Papa, Yuka und ich, Shisui und Yoneko, einige Sicherheitsbeamte, Homura und Koharu, und außerdem Danzo. Hokage Sarutobi und zwei hohe Würdenträger ebenso.
Schon zu Beginn wurde klar, dass diese Sitzung sich im Grunde nicht darum drehte, was für Naruto das Beste war. Es ging nicht um ihn als Waisenkind, es ging um den Fuchsgeist. Mama und ich versuchten zwar, klar zu machen, dass es uns nur um Naruto als verwaistes Baby, das eine Heimat brauchte, ging, aber das ging im Streit zwischen Yoneko und dem Ältestenrat ziemlich unter.
Ich kannte Oma Yoneko gut genug, um zu wissen, dass sie im Grunde dasselbe dachte wie Mama und ich, aber sie drückte sich nun mal anders aus und Koharu und Danzo warfen ihr so beständig vor, dass es ihr nur um den Fuchsgeist ging, dass Yoneko nicht mal die Chance hatte, auf ihre wirklichen Gedanken selbst einzugehen.
Ich saß neben Mama und spürte deutlich, wie wütend sie wurde, je mehr Homura in seiner Stellungnahme ausließ, dass Naruto ein Mensch, ein verwaistes Baby war. Es ging wirklich immer nur um den Fuchsgeist in ihm, um dessen Macht und die Frage, ob man dem Uchiha-Clan erlauben sollte, ein so mächtiges Wesen zu besitzen. Und die Sicherheitsbeamten schienen ebenfalls nur das zu denken.
„… deswegen fragen wir uns alle, ob es gut wäre, einem Clan mit einem so mächtigen Kekkei Genkai zu erlauben, dass sie den Neunschwänzigen Fuchs in ihre Reihen aufnehmen“, schloss Homura seine Rede, und ich spürte, wie neben mir Mamas Geduldsfaden riss. Sie sprang auf, hatte Tränen in den Augen.
„Fuchsgeist, Fuchsgeist, Fuchsgeist?! Habt ihr nichts anderes im Kopf?!“
„Ikue …“, hörte ich Yoneko sagen.
Aber Mama war wütend. Das kam selten vor, doch Homura hatte sie wirklich stark gereizt, sie wurde von der sanften, harmonieschaffenden Ärztin hier gerade zur Löwenmama.
„Als wenn es mir um den verdammten Fuchs ginge?! Ich sehe Naruto, er ist gerade mal einen Monat alt und hat schon keine Eltern mehr, er ist ganz allein!! Und Kushina war meine beste Freundin!“
„Du hast das Sharingan, Ikue Uchiha“, sagte Danzo. „Du müsstest wissen, wie mächtig du bist.“
„Mächtig??!!“, schrie Mama quer durch den Raum, Danzo saß am gegenüberliegenden Teil des Tisches. „Ich bin eine Mutter!! Ich muss dieses Kind versorgen, es hat sonst niemanden!! Und was hat mein Sharingan damit zu schaffen?! Gar nichts! Ich kämpfe nicht mehr, seid ich Kinder habe!!“ Sie war so wütend, dass ihr Sharingan von selbst herauskam. „Ja, ich bin eine Uchiha. Wir beschützen das Dorf. Und wir beschützen die Kinder dieses Dorfes. Und das ist Naruto auch, er ist ein Baby ohne Eltern, er verdient den meisten Schutz!“
„Er ist der Neunschwänzige Fuchs“, sagte Homura.
Koharu, die neben ihm saß, stand auf. „Wie Danzo gerade sagte, ihr Uchihas seid schon stark genug.“
Ich sah zu Oma Yoneko, die offenbar gerade darüber nachdachte, Koharu direkt anzugreifen, wahlweise auch Danzo gleich mit, und zugleich angestrengt versuchte, ruhig zu bleiben, um Sarutobi nicht in Bedrängnis zu bringen.
„Es geht hier nicht um den Fuchsgeist“, presste sie zwischen den Zähnen heraus. „Es geht um Ikue als die Person, die Kushina und Minato versprochen hatte, sich um Naruto zu kümmern.“
„Musst du gerade sagen, Yoneko“, fauchte Koharu. „Immerhin sitzt dein wohltrainiertes Wunderkind auch hier im Raum.“ Sie sah mich mit blitzenden Augen an. „Wer garantiert uns, dass du Naruto Uzumaki nicht auch in dein Training nimmst und dann den Neunschwänzigen Fuchs kontrollierst?“
„Hört mir bitte einfach auf mit dem verfluchten Fuchs …“, flüsterte Mama erschöpft und setzte sich wieder, weil sie keine Kraft mehr zum Stehen hatte. „Der Fuchs hat Narutos Eltern umgebracht und steckt jetzt in seinem Körper … Ist das nicht grausam genug?“ Ich nahm ihre Hand, um sie spüren zu lassen, dass ich da war und ihr Kraft zu geben.
„Ihr bekommt den Fuchsgeist nicht, fertig aus“, sagte Danzo. „Die Jinchu-Kraft wandert ins Waisenhaus und wir wahren den Frieden im Dorf.“
Wenn Blicke hätten töten können, wäre Danzo in diesem Moment von Yoneko tödlich durch die nächstbeste Wand geschlagen worden. Sie blitzte ihn überaus wütend an, mit aktivem Kaleidoskop-Sharingan und vor Spannung weißen, zu Fäusten geballten Händen auf dem Tisch.
„Ruhe, bitte!“, kam es von Hokage Sarutobi. „Ich will hier keinen Kampf!“
„Du sprichst von Frieden, Danzo?!“, fragte Yoneko mit eiskalter Stimme. „Gerade du?! Glaub ja nicht, dass wir deinen miesen kleinen Putschversuch vor ein paar Jahren vergessen hätten!! Und wer hat dann wieder für Frieden gesorgt?! Das waren wir, ich und mein Clan. Weil der Schutz dieses Dorfes seit jeher unsere Aufgabe ist. Der Uchiha-Clan wurde damals vom Ersten Hokage auserwählt, diesen Schutz zu leisten, und das tun wir. Ich und auch Ikue. Also hör du auf, die Tatsachen zu verdrehen!! Meinetwegen, lassen wir Naruto. Aber tu DU verdammt noch mal nicht so, als wärst du der Gute in diesem Spiel!!“
Mama neben mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich las ihre Lippen, sie sagte nur immer wieder „Naruto …“, und ich spürte ihre Wut und Verzweiflung so sehr! Und auch ich war berührt davon, immerhin war Naruto für mich wie ein zweiter kleiner Bruder.
Sarutobi hatte jetzt auch genug, von beiden Seiten. Er stand auf und ich sah ihm an, dass er zugleich sehr um Diplomatie bemüht war und ihm aber ebenso leid tat, was er sagen musste: „Wir brauchen hier ein Ergebnis. Einen offenen Streit im Dorf können wir uns in dieser Lage nicht erlauben. Ikue, es tut mir wirklich leid, aber angesichts dieser Situation hier kann ich dir Naruto nicht übergeben. Wir werden sicherstellen, dass er im Kinderheim gut versorgt wird, und niemand wird mehr darüber sprechen, dass er den Neunschwänzigen Fuchs in sich trägt. Das ist mein Befehl, wir wahren ab jetzt allesamt Stillschweigen darüber. Yoneko und Koharu, ihr beide haltet euch aus diesem Thema heraus, euer grundsätzlicher Streit hat damit nichts zu tun zu haben, verstanden?“
Er wandte sich direkt an Danzo und bedachte diesen mit einem sehr mahnenden Blick, sagte dann: „Und du lässt die Uchiha in Frieden, verstanden? Sie tun ihre Arbeit, und das tun sie gut.“
„Das Sharingan …“, begann Danzo wieder und fing sich dafür einen letzten wütenden Blick von Mama ein, ehe sie aufsprang, meine Hand ergriff und mich hinter sich her zur Tür mitnahm.
„Komm, Spatz, wir gehen jetzt“, sagte sie zu mir, nach einem sehr eindeutigen Blick in Richtung Koharu. „Ich ertrage diese Betonköpfe nicht länger!“
Sie riss die Tür auf, wir liefen raus und ich sah im Augenwinkel, dass Papa und Yuka uns folgten.
Draußen fiel dann, weil sie es einfach nicht mehr zurückhalten konnte, die ganze Beherrschung von ihr ab. Sie schaffte es gerade noch zu einer Bank am Straßenrand und ließ sich darauf fallen, wütend und traurig zugleich, weinte und zitterte vor Wut. Papa setzte sich neben sie und versuchte, sie wieder zu beruhigen, doch das dauerte lange. Ich stand etwas hilflos daneben, Yuka ebenso, und als Mama sich wieder halbwegs gefangen hatte, gingen wir nach Hause, wo Oma Mino wartete, sie hatte auf Naruto und Sasuke aufgepasst.
Kaum war die Haustür hinter uns zu, fing Mama wieder an zu schimpfen, und Mino brauchte gar nicht zu fragen, wie es gelaufen war.
„Naruto kommt ins Kinderheim?“, fragte Mino leise.
Papa nickte. „Der Ältestenrat war zu stark dagegen, dass wir ihn behalten.“
„Ich könnte Danzo vierteilen!“, zischte Mama. „Keine Sorge, ich tu es nicht. Ich bin ‘ne verdammte Ärztin, ich morde nicht. Aber ich hätte gerade nicht übel Lust darauf, ihn zu sezieren. Lebendig und ohne Narkose.“
„Was … hat er denn gesagt?“, fragte Mino vorsichtig.
„Fuchsgeist, Fuchsgeist, Fuchsgeist …!“, wiederholte Mama sarkastisch.
Mino stand auf und umarmte sie. „Beruhige dich, mein Kind …“
„Das ist so unfair! Ich hab noch nie so was Ungerechtes erlebt! Die reden nur von Macht und Fuchs und Sharingan, als sei Naruto ein Gegenstand, eine lebendige Waffe, ein verdammtes Pfand! Kushina wird sich im Grab herumdrehen, wenn ich ihr das erzähle!! Ich hasse diese Betonköpfe, ich hasse sie so sehr!“
Um Mama zu entlasten, übernahm ich Sasuke für den Rest des Tages. Ich machte ihm Milch in dem Gerät, das Yuka für Naruto verwendete, breitete eine Babydecke und Spielsachen auf der Veranda aus und setzte mich dort mit ihm hin. Dass Naruto von der Leiterin des Kinderheims abgeholt wurde, bekam ich nur durch die geschlossene Tür mit, und ich hatte das Gefühl, dass Sasuke sich wunderte, warum er jetzt wieder allein auf der Spieldecke lag. Sofern man das bei einem Baby diesen Alters erkennen konnte …
„Es ist schon echt unfair“, sagte ich leise zu ihm. „Ihr beiden hättet wie beste Freunde oder Brüder zusammen aufwachsen können … Und ich hätte ihn genau so geliebt wie dich.“
Sasuke sah mich mit großen Augen an, ich nahm ihn auf den Arm und küsste ihn auf die Stirn. „Ich hab dich lieb, kleiner Bruder“, flüsterte ich in sein Ohr.
Als es Zeit für seinen Mittagschlaf war, sah ich dann nach Mama, sie war oben im Schlafzimmer, lag auf dem Bett und sah wirklich fertig aus. Ich legte mich neben sie und meinen Arm um ihren Bauch.
„Schläft Sasuke?“, fragte sie.
„Ja, ich hab ihn gefüttert und ins Bett gebracht, er ist gleich eingeschlafen.“
„Ich kanns nicht fassen …“, sagte Mama und sah dabei aus dem Fenster. „Es ist so gemein.“
„Ich auch nicht, Mama“, antwortete ich und streichelte sie ein wenig.
Aber dann lächelte sie und drehte sich zu mir um. „Aber was ich auch nicht fassen kann, ist, was für ein liebes Kind du bist, Itachi.“ Sie hatte Tränen in den Augen, lächelte zugleich und umarmte mich dann ganz fest.
„Ich hab dich auch lieb, Mami“, antwortete ich und kuschelte mich an sie. „Bin ja wie du.“
„Ja, das bist du. Du kommst so sehr nach mir …“
„Ich bin da stolz drauf, Mama. Shisui hat mich mal gefragt, ob es mich stört, wenn mich Leute mädchenhaft finden, und ich hab gesagt, ich bin eben Mamas Sohn und ich mag mich so.“
Mama strahlte mich an, ihr liefen wieder die Tränen übers Gesicht, und sie drückte mich an sich. „Mein süßer Itachi-Spatz …!“
„Ich hab übermorgen die Prüfung an der Uni“, sagte ich, um ein neues Thema zu haben.
„Hast du gut dafür gelernt?“
„Natürlich“, antwortete ich.
Ich dachte an Oma Yoneko, daran, dass sie mich morgen zur Uni begleiten wollte, so wie sie es immer tat, wenn ich eine Prüfung abzulegen hatte. Schon die Vorstellung war unangenehm, denn es bedeutete auch, dass sie mit meinen Leistungen angeben und sich damit selbst auch als erfolgreich präsentieren wollte.
Ich wusste, dass ihr unbedingter Wunsch, mich stark zu machen, aus ihrer eigenen Geschichte mit ihrem Mann Fukuya her rührte, und dass sie ihn in mir sah, weil ich ihm ähnlich war. Ich kannte die Fotos von meinem Urgroßvater und wusste, dass ich ihm in Aussehen und Temperament ähnelte, ich hatte das Tsukuyomi ja von ihm geerbt und er hatte dieselben auffälligen Kanten links und rechts der Nase gehabt wie ich auch. Auch er war Feldarzt bei der Anbu gewesen und letztendlich dort im Einsatz umgekommen. Und ich wusste, dass Yoneko ihn sehr geliebt hatte, auch wenn sie keine war, die diese Gefühle oft zeigte. Sie sah ihn in mir und wünschte sich deshalb, dass ich stark wurde, um zu überleben.
„Was denkst du gerade, Itachi?“, fragte Mama.
„Ich denke an Oma Yoneko. Und an Opa Fukuya, an das Foto von ihm.“
„Wie kommst du drauf?“
„Weil Oma mich doch morgen sicher zur Prüfung begleiten wird …“
„Ja, das wird sie. Ist dir das immer noch unangenehm?“
Ich nickte.
„Du weißt, sie hat dich lieb. Auf ihre Weise … Sie kann so etwas wie Zuneigung nicht gut zeigen, aber sie sieht Fukuya in dir und deshalb wünscht sie sich so sehr, dass du stark wirst.“ Mama schwieg einen Moment, sah mich etwas nachdenklich an und fuhr dann fort: „Ihr Streit mit Koharu hatte am Anfang auch viel mit Fukuya zu tun. Homura und Koharu haben sich oft über ihn lustig gemacht, weil er so sensibel war. Ich weiß das von meiner Mama. Yonekos Hass auf Koharu rührt im Grunde daher, dass sie alle zusammen in der allerersten Klasse der Akademie waren und Koharu sich oft einen Spaß daraus machte, Fukuya zum Weinen zu bringen, weil das schnell passierte.“
„Das wusste ich noch gar nicht …“, sagte ich.
„Yoneko redet nicht gern darüber. Sie schämt sich irgendwie dafür, denke ich. Jedenfalls sind Koharu und sie seitdem Erzfeindinnen.“
„Bis zum Ende …?“
„Yoneko hat eine Idee, um diesen Streit zu gewinnen. Sie wünscht sich, dass irgendwann mal jemand aus unserer Familie Hokage wird, und am liebsten wäre es ihr, wenn du das schaffst.“ Mama sah mich an und ich las in ihren Augen, dass sie unsicher war, ob mir das Druck machte.
Aber ich lächelte sie an. „Vielleicht schaffe ich das. Vielleicht werde ich mal Hokage. Wäre eine schöne Arbeit, dann könnte ich den ganzen Tag im Büro oben sitzen und lesen und schreiben und für das Dorf sorgen.“
„Magst du diese Vorstellung?“ Mama lächelte zurück.
„Ja.“
„Passt auch gut zu dir, Spatz.“
Den Tag vor der Prüfung verbrachte ich mit Shisui auf dem Trainingsplatz, und an diesem Tag spürte ich zum ersten Mal, dass ich ihn an Körperkraft langsam einholte. In Sachen Genjutsu war ich schon lange viel weiter als er, doch im Taijutsu hatte er bisher deutlich Vorteile gehabt, weil er einfach eben auch älter und größer war als ich. Wir trainierten beide seit dem zweiten Lebensjahr, doch seine Fähigkeiten waren anders ausgeprägt und mit anderem Fokus gefördert worden, und ihm lag das Körperliche, Direkte in der Kampfkunst auch von Natur aus mehr, während ich ein definitiver Kopfmensch und Fernstreckenkämpfer war.
Wir hatten zwei Glöckchen dabei, die wir uns gegenseitig abzujagen versuchten, und bisher hatte diese Übung immer darin geendet, dass Shisui sich, sobald ich in die Nähe seines Glöckchens kam, schnell mit dem Teleporter-Jutsu verschwunden war und ich dann versucht hatte, ihn durch ein Genjutsu zuvor daran zu hindern. Aber an diesem Tag war ich endlich schnell genug, ihn knapp vor seinem Jutsu zu erwischen und das Glöckchen abzureißen, und das auch bevor er meines zu fassen bekam.
Er grätschte rückwärts ins Gras, grinste mich dabei an. „Sehr gut, Chi! Langsam wirst du schneller als ich!“
Ich wusste, er war noch nicht fertig, fühlte seinen Schattendoppelgänger hinter mir und wusste, dieser zielte auf mein Glöckchen. Ich wandte mich halb um, nur so weit, dass der Doppelgänger meine Augen sah, schickte ihn in ein Genjutsu und sprang hoch, wusste, dass Shisui erst aufgeben würde, wenn er seinerseits mein Glöckchen hatte. Er legte bei mir Wert auf Unentschieden.
Seine zweite Anwendung des Teleporter-Jutsu war erfolgreicher, auf einmal hatte er mein Glöckchen in der Hand und landete hinter mir wieder auf den Füßen.
Ich drehte mich zu ihm um und lächelte. „Du bist immer noch stärker, Shi.“
„Chi und Shi“, sagte er und lachte. „Das könnten schöne Decknamen werden, wenn du auch in meine Einheit bei der Anbu kommst.“
Wir ruhten uns ein wenig aus, gingen dann zurück ins Dorf und zusammen in die Gemeinschaftsdusche der Akademie. Ich sah Shisui von der Seite an, während wir duschten, und dann mich selbst, stellte mir vor, wie mein noch relativ kindlicher Körper sich langsam entwickeln würde und ich dann so aussehen würde wie mein Cousin, durchtrainiert und stark. Wenn ich so weiter machte wie in dem Training heute, mein Körper meinen Geist einholte, würde es dann vielleicht besser zusammenpassen. Ich dachte an das Jutsu Shiawase, das diese körperliche Entwicklung erforderte, und an das, was der Professor zu mir gesagt hatte, dass ich dieses Jutsu erst beherrschen würde, wenn ich sechzehn war, so alt wie Shisui jetzt.
Am nächsten Morgen, als ich wie immer um vier Uhr von meinem Wecker geweckt wurde, stand ich sofort auf, zog mich an und machte mich fertig zum Morgentraining.
Ich dachte an das, was Mama mir vorgestern über Opa Fukuya erzählt hatte, und dass Yoneko mich nachher zur Prüfung begleiten würde. Um Mama nicht zu wecken, stieg ich aus dem Fenster und nahm den Weg über die Dächer des Dorfes hin zum Trainingsplatz Nummer drei. Dort befand sich ein Gedenkstein für im Kampf gefallene Shinobi und auch Fukuyas Name war dort eingraviert.
„Fukuya Uchiha, im Einsatz als Feldarzt der Anbu-Einheit selbstlos aufgeopfert“, las ich es mir selbst leise vor. Ich kannte die genaue Geschichte nicht, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass dieses „selbstlos“ nicht einfach so da stand. Wenn er mir so ähnlich gewesen war, wie mir erzählt wurde, genauso altruistisch, dann hatte er sich sicher für einen guten Grund geopfert.
Auf dem Stein standen noch mehr Mitglieder meines Clans, weiter unten auch Obito. Er gehörte zwar nicht direkt zum Familienstamm, dessen Erbe ich war, sondern war weitläufiger mit mir verwandt, aber ich kannte natürlich seine Geschichte. Er war ja auch Minatos Schüler gewesen. Manchmal sah ich Kakashi Hatake im Dorf, und ich wusste, dass dieser nur deshalb auf einem Auge ein Sharingan besaß, weil Obito es war, der es ihm vor seinem Tod gespendet hatte.
Ich führte mein Morgentraining durch, und spürte, dass mich die Übungseinheit mit Shisui gestern tatsächlich wirksam voran gebracht hatte. Als ich mit meinen Einzelübungen fertig war, stand auf einmal Oma Yoneko vor mir.
„Guten Morgen, Itachi. Was machst du denn gerade hier?“, begrüßte sie mich.
Ich verbeugte mich kurz, wie es jeder bei ihr tat, und antwortete dann: „Ich wollte … hier mal trainieren.“ Kurz überlegte ich, ob ich ihr den Grund nennen sollte, und sie schien mich sowieso zu lesen, sah mich erwartend an.
„Opa Fukuyas Name steht hier auf dem Stein“, sagte ich also.
Für eine Sekunde huschte so etwas wie Berührung über Yonekos Gesicht. „Ja. Und deshalb trainierst du heute hier?“
„Genau. Ich wollte … ihn irgendwie fühlen. Es heißt doch immer, wie ähnlich ich ihm sei.“
Yoneko lächelte, mit einer Sanftheit, die man wirklich selten an ihr sah. „Das bist du, Itachi. Mehr als du denkst.“
„Magst du … über ihn reden, Oma Yoneko?“, fragte ich vorsichtig.
Und sah tatsächlich, wie sie Tränen in den Augen hatte. Das gab es wirklich, wirklich selten, und ich wusste, dass das hier einer der äußerst seltenen und besonderen Momente war, in denen sich meine sonst so überaus starke, selbstbeherrschte Urgroßmutter gefühlvoll und verletzlich zeigte.
Sie setzte sich auf den Sockel des Steins und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen.
„Allein dass du das so fragst, Itachi“, sagte sie. „Genau so war er. Als du geboren wurdest und … so schnell klar wurde, wie begabt du bist … habe ich schon … gefühlt, dass du sehr nach Fukuya kommst. Deine Mutter auch, aber du noch mehr.“ Sie schwieg eine Weile, blickte hoch zum blauen Himmel und sagte dann, mit Blick in die Baumkronen: „Ich möchte, dass du das weißt, Itachi: Ich will dich nicht quälen, indem ich so fordernd zu dir bin. Ich weiß, wie unangenehm dir das oft ist. Ich weiß das. Aber … Fukuya war auch so, genau wie du, und ich habe immer … gewollt, dass er …“ sie brach ab, ich spürte, wie unglaublich schwer ihr dieser seltene Moment der gefühlvollen Offenheit fiel.
„… dass er was?“, flüsterte ich.
„Dass er stark wird. Dass er sich wehren kann, wenn jemand …“, ich wusste, dass sie an Koharu und Homura dachte, doch sie sprach die Namen der beiden nicht aus, „… ihn angreift. Er war so ein liebevoller Mensch, aber auch so verletzlich. Ich musste ihn immer beschützen, und habe es dennoch nicht geschafft.“
Wieder schwieg sie eine ganze Weile und ich ließ ihr diese Zeit.
„Diese Konferenz wegen Naruto …“, sagte sie dann, „das hat mich ehrlich gesagt auch gründlich mitgenommen. Ich musste auch da an Fukuya denken. Er hätte sich mit all seiner Kraft auf die Seite deiner Mutter gestellt. Ein elternloses Baby wie Naruto zu beschützen, das wäre ihm so wichtig gewesen! Das, was Danzo gesagt hat …“
„Ich habe es dir angesehen, du hättest ihn am liebsten erschlagen“, sagte ich.
Oma Yoneko nickte, biss selbst in der Erinnerung daran die Zähne zusammen.
„Lassen wir das“, sagte sie und sah mich wieder an. „Heute hast du ne Prüfung, du studierst Medizin, genau wie Fukuya. Er wäre wirklich stolz auf dich. Deshalb lasse ich dich studieren.“ Sie drehte sich zu dem Stein um, neben dem wir saßen, und strich mit den Fingern sanft über seinen eingravierten Namen.
„Danke, Oma Yoneko. Dass du mir das so erzählt hast, ich weiß das wirklich zu schätzen“, sagte ich.
Sie lächelte mich an, straffte ihre Haltung, blinzelte die letzten Tränen weg und stand auf. „Gehen wir, Itachi. Du hast was zu tun.“
Die Prüfung begann um halb neun und wir standen um acht vor der Uni, warteten dort eine halbe Stunde auf Einlass und dieses Mal fiel es mir deutlich leichter, wie Yoneko mich vorstellte und präsentierte. Sie schritt würdevoll und stolz neben mir her und weil ich jetzt besser wusste, was sie dachte, nahm ich einen emotionalen Aspekt ihrer Art dieses Mal deutlicher wahr, denn ich wusste, wir dachten hier gerade beide an Fukuya. Ich dachte an die Fotos von ihm und seinen Namen auf dem Gedenkstein, und Yoneko sicher an ihre Erinnerungen an ihn.
Der mündliche Teil der Prüfung fand vor Publikum statt, andere Studenten saßen in den hinteren Reihen und schrieben Dinge mit, die sie von mir und den anderen Prüflingen lernen wollten. Ich war wieder einmal der Jüngste, und als ich nach vorn trat und meine Antworten gab, sah ich Oma in der Loge sitzen und wusste, sie war stolz auf mich. Als ich meine letzte Antwort gegeben hatte und der Prüfer meine Punktzahl verkündete, stand Yoneko als Erste auf und applaudierte, andere fielen mit ein, und ich wurde rot.
Mit berührtem Herzen ging ich danach nach Hause, wo Mama schon mit Tee und Mittagessen auf mich wartete.
„Hast du bestanden?“, fragte sie und küsste mich auf die Stirn.
„Ja, ich denke schon. Die schriftlichen Ergebnisse bekomme ich morgen.“
„Natürlich hat er bestanden, er ist mein Sohn!“, ertönte Papas Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Danke Papa, hab dich auch lieb“, antwortete ich und war selbst überrascht, dass ich so ironisch sein konnte.
Den Nachmittag verbrachte ich mit Mama und Sasuke, wir gingen raus in den Wald, weil Mama bestimmte Kräuter für ihre Arbeit brauchte, und als wir dort waren, wo diese Kräuter wuchsen, fragte sie mich: „War es okay, dass Yoneko heute dabei war?“
„Ja“, sagte ich. „Sie hat sich mir … heute Morgen … sehr geöffnet, was Fukuya und das alles angeht, und ich verstehe sie jetzt besser.“
Mama sah mich überrascht an. „Wie hast du denn das geschafft?“
„Ich war auf Trainingsplatz drei, wo der Gedenkstein ist.“
„Und sie hat was erzählt?“
„Warum sie so unbedingt will, dass ich stark werde.“
Mama lächelte.
„Oma ist eigentlich ganz okay …“, sagte ich.
Mama sah mich einen Moment lang einfach an, dann sagte sie: „Mit mir und Yoshi ist es wie anders herum. Er ist quasi Yonekos Part und ich bin wie Fukuya.“
„War ihre Ehe auch arrangiert?“, fragte ich.
Mama nickte. „Das wurde damals nur so gemacht. Ich denke auch, Yoneko hat mich und Yoshi deswegen verheiratet, weil wir sie an sie selbst und Fukuya erinnert haben. Es war wirklich ähnlich, die beiden waren auch vor ihrer Ehe schon zusammen, genau wie Yoshi und ich. Aber heute wird so was nicht mehr gemacht, du wirst die Frau, die du heiraten willst, nicht von jemandem absegnen lassen müssen.“ Sie sah mich wieder an und fragte dann: „Wenn es ein Mädchen gibt, das du magst, würdest du es mir erzählen?“
„Ja, natürlich“, sagte ich. „Aber gerade ist da noch keine.“
„Du vermittelst die Mädchen lieber an Shisui, habe ich gehört?“ Mama lachte.
„Die Maiko?“
„Ja. Yoneko hat mir erzählt, wie du die beiden einander näher gebracht hast.“
„Shisui fand sie so toll, und ohne mich hätte er sich nicht getraut. Er sagt immer, ich hätte ein Händchen für den ersten Schritt bei Mädchen.“
„Hast du vielleicht auch …“ Mama lächelte. „Immerhin bist du mein Spatz.“
Die Pläne, die Sasori bezüglich der bestimmten Marionette hatte, die er herstellen wollte, um gut beschäftigt auf Konan warten zu können, zogen sich lange hin und gerieten schließlich für eine Weile in den Hintergrund. Denn im Dezember 1991, an einem trüben, regnerischen Morgen, tauchte dann tatsächlich eine Gruppe von vier Oto-Nins auf, die eine Nachricht für Kakuzu hatten.
Sasori bekam das nur mit, weil er gerade draußen vor seinem Haus die Holzreste einer arbeitsintensiven Nacht entsorgte, doch er wusste sofort, was das bedeutete. Orochimaru hatte tatsächlich vor, Akatsuki beizutreten, und offenbar hatte Nagato das abgesegnet, denn Kakuzu begleitete die Gruppe zu Nagatos Anwesen, um alles Weitere dort zu besprechen.
Sasori folgte ihnen einfach, und als Kakuzu ihn ansprach und fragte, was er wollte, sagte er: „Ich hab euch doch gesagt, Orochimaru interessiert mich.“
Im Stillen fragte Sasori sich, wie er Konan diese vielen Wandlungen hier erklären sollte, doch da das meiste davon auf Nagatos Rechnung ging, würde es mehr eine Sache zwischen den beiden als zwischen ihm selbst und Konan sein. Sie würde wütend werden, sich gründlich aufregen, doch sicherlich mehr über Nagato als über Sasori selbst.
„Ich werde Konans Geheimagent“, dachte er. „Oder mein eigener.“
Nagato empfing die Gruppe in der riesigen Halle seines neuen Hauses, und Sasori sah, dass die beiden riesigen Hände, die Madara gebaut hatte, irgendwie hier hinein gelangt waren und jetzt mit einem vieläugigen Kopf zusammen eine Einheit bildeten. Das ganze Setting verdeutlichte, dass Nagato eine Art Größenwahn entwickelt haben musste, es war alles dunkel und riesig, wie eine finstere Kathedrale.
„Wo ist er?“, fragte Nagato.
„Wer?“
„Orochimaru.“
„Er kommt bald nach. Es war wieder Zeit für seine Reinkarnation, danach braucht er immer einige Tage Ruhe“, sagte einer der Oto-Nins.
Nagato sah Sasori an. „Und was tust du hier?“
Sasori setzte sein ungerührtes Lächeln auf. „Er interessiert mich, wie gesagt. Seine Arbeiten sind meiner Kunst doch ähnlich …“
„Lüg mich nicht an, Sasori.“
„Tu ich nicht. Ich bin eine Menschenmarionette, er strebt Unsterblichkeit an, im Grunde tun wir dasselbe.“
Nagato sagte nichts darauf, sah Sasori nur noch einmal vielsagend an, dann wandte er sich an Kakuzu: „Du und Kisame, ihr bereitet alles vor, verstanden? Und ich werde das hier …“ er deutete in einer ausschweifenden Bewegung einmal durch die ganze Halle, „endlich mal fertig stellen.“
„Was wird das hier denn?“, fragte Sasori.
Nagato antwortete nichts, doch Sasori kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das Ganze absolut nichts mehr mit Madaras ursprünglichen Plänen gemein hatte. Madara hätte ja auch niemals zugelassen, dass Orochimaru sich mit einklinkte.
Sasori fragte sich, ob Madara überhaupt wirklich geahnt oder verstanden hatte, was passieren würde, wenn er den Kampf gegen den Fuchsgeist verlor. Es war doch eigenartig, dass er das offenbar nicht oder nur geringfügig mit einberechnet hatte. Madara war ein so starker, kluger Mensch gewesen, und dennoch schien er nicht wirklich mit bedacht zu haben, was aus Akatsuki werden würde, wenn er nicht mehr da war. Sasori erinnerte sich an ein Gespräch mit ihm vom Anfang ihrer Bekanntschaft, in dem Madara von Naivität gesprochen hatte, und davon, dass jeder im Uchiha-Clan nach einem persönlichen Gegengewicht zu der überwältigenden Macht, die das Sharingan inne hatte, suchte. Madaras eigenes Gegengewicht zu dieser Macht schien genau diese Naivität gewesen zu sein. Er hatte die möglicherweise katastrophalen Folgen für Akatsuki, wenn er im Kampf gegen den Fuchsgeist fiel, offenbar völlig ausgeblendet.
Auf dem Weg zurück in sein Haus dachte Sasori an Konan. Das Mädchen würde sich, je dunkler es hier wurde, ganz sicher nicht mit verdunkeln. Sie war eine so eindeutig helle, positiv starke Person, und Sasori liebte ja auch genau das an ihr. Es ging nun also darum, ihr gegenüber absolut loyal zu sein, und er erinnerte sich auch an das Versprechen, welches er Madara gegeben hatte.
„Ich bin keine besonders lichte, helle Person …“, dachte Sasori. „Aber Konan ist es. Und ich muss dafür sorgen, dass sie so bleibt.“
Am nächsten Morgen gab es noch ein Treffen in der Halle, geleitet von Nagato, mit Kakuzu, Kisame, Sasori und Tobi. Einer der Oto-Nins war auch dabei. Nagato eröffnete, dass Orochimaru nicht der Einzige war, der sich ihnen anschließen wollte, es war noch eine Anfrage gekommen. Ein Mann namens Hidan hatte sich per Brief ebenfalls interessiert gezeigt, hier bald einzusteigen. Und dann gab es da ja noch Zetsu.
„Ich habe mich dazu entschieden, dass wir Zweier-Teams bilden. Dann muss nicht jeder immer alles wissen“, sagte Nagato laut und sah dabei kurz und direkt Sasori an. „Und die Aufteilung wäre wie folgt: Kakuzu, du wartest auf Hidan, er wird dein Partner. Sasori, du wirst mit Orochimaru zusammen arbeiten. Kisame, du übernimmst Tobi, und ich warte auf Konan.“
Sasori dachte bei sich: „Konan und du? Das kannst du vergessen, Nagato.“ Aber natürlich sagte er es nicht. Er war sich sicher, dass die ganze Situation hier die Beziehung der beiden noch schwieriger machen würde, und er hatte sich Konan gegenüber zur Loyalität verpflichtet.
Nagato sah Sasori noch mal an und sagte: „Du bist doch der Künstler hier und kannst zeichnen, oder? Ich will eine Uniform für uns. Mach du eine.“
„Ich kann nicht nähen, das ist Konans Fachgebiet“, erwiderte Sasori.
Nagato blitzte ihn verärgert an, biss die Zähne zusammen und sagte dann: „Okay, dann warten wir damit auf sie.“ Mit einem Blick in die Runde verkündete er: „Sobald Orochimaru, Hidan und Zetsu hier sind, treffen wir uns hier noch mal, um die Gründung offiziell zu machen.“
„Gründung von was?“, fragte Kisame.
„Genau, was denn?“, kam es von Tobi, der bisher erstaunlich still gewesen war.
„Die Gründung der Gruppe Akatsuki Morgendämmerung“, sagte Nagato laut. „Einer Organisation gegen die fünf Großreiche.“
Sasori kehrte gleich nach diesem Gespräch in sein Haus zurück und überlegte erst, Konan einen weiteren Brief zu schreiben, um sie über diese großen Veränderungen zu informieren. Doch er entschied sich vorerst dagegen. Es war besser, erst mal die Entwicklung abzuwarten und auszuloten, wie es weiter gehen würde, bevor er Konan in Aufregung versetzte. Und sie würde sich ganz sicher aufregen.
Ein paar Tage später tauchte dann als erstes neues Mitglied Orochimaru auf, in Begleitung zweier weitere Oto-Nins. Sasori war bei dessen Begrüßung anwesend, ebenso Nagato und Kakuzu. Kisame war irgendwo beim Training und Tobi trieb sich ebenfalls irgendwo anders herum.
„Schlepp nicht dein ganzes Dorf mit an“, kommentierte Kakuzu das anstelle einer Begrüßung.
Orochimaru antwortete darauf nichts, sah nur Nagato an, der den Blick mit voll aktiviertem Rinnegan erwiderte.
„Wie interessant, solche Augen habe ich noch nie gesehen!“ Orochimaru grinste.
„Danke“, antwortete Nagato.
„Zeigst du mir irgendwann, was sie können?“
„Vielleicht.“ Nagato wandte sich zu Sasori um. „Das ist Sasori, mit ihm wirst du zusammen arbeiten.“
Orochimaru grinste wieder. „Sasori Akasuna also.“
„Du kennst mich?“, fragte Sasori rhetorisch.
„Wer kennt ihn nicht, den berühmten Puppenkünstler, besessen von ewiger Schönheit?“
„Spar dir die Komplimente“, sagte Sasori.
Orochimarus Grinsen wurde breiter. „Das war keins.“
In Gedanken kreuzte Sasori die Finger, als er Orochimaru anlächelte und sagte: „Also dann, auf gute Zusammenarbeit.“ Und dachte bei sich: „Es wird mir eine Freude sein, mein eigener Geheimagent zu werden.“
„Ihr werdet demnächst beginnen, in diesen Zweierteams in allen Ländern nach Informationen zu suchen. Wir suchen nach starken Jutsus, nach geheimen Schriften und verborgenem Wissen, und wenn ihr irgendwas über Geister und Dämonen herausfindet, hat das Priorität“, verkündete Nagato.
„Geister und Dämonen?“, fragte Sasori, obwohl er wusste, was Nagato meinte.
„Letztendlich brauchen wir Bijuu. Aber die sind so schwer zu finden und zu bekommen, dass wir zuerst einmal nach anderen Dingen suchen müssen.“
„Wann kommt Hidan dazu?“, fragte Kakuzu.
„Ich weiß es noch nicht, das hat er nicht präzisiert“, antwortete Nagato. „Er gehört einer Sekte an, die ihre Mitglieder nicht einfach so gehen lässt.“
„Was für ‘ne Sekte?“
„Sie nennen sich Jashinisten und ihr Glaube verleiht ihnen sehr besondere Fähigkeiten. Hidan wird da nicht ganz aussteigen, aber eben bei uns mitmachen“, sagte Nagato.
Sasori hatte noch nie von dieser Sekte gehört, doch die Art, wie Nagato es sagte und vor allem wie Orochimaru ihn dabei ansah, sagte ihm, dass die beiden mehr darüber wussten. Nun gut, als dessen neuer Partner würde es wahrscheinlich möglich sein, dass Orochimaru sein Wissen irgendwann doch mit ihm teilte.
„Sasori?“, sprach Nagato ihn an. „Weißt du, wann Konan wieder kommt?“
„Wenn sie das Schuljahr fertig hat“, antwortete Sasori. „Keinesfalls vorher.“
„Was für ein Schuljahr?“, fragte Orochimaru.
„Sie geht in Kumo Gakure für ein Jahr auf die Akademie.“
„Wie alt ist sie denn?!“ Orochimaru zeigte sich irritiert.
„Acht Jahre“, sagte Nagato. „Aber unterschätze sie nicht. Sie ist wirklich stark.“
Sasori wunderte sich ein wenig über die Art, wie Nagato das sagte. Es klang, als hätte Nagato sie selbst gefördert und ausgebildet. Dabei war er doch derjenige, der sich an Konans Förderung mit am wenigsten beteiligt hatte. Vermutlich versuchte er jetzt, so zu tun, als sei ihre Kraft und ihr Talent sein Verdienst, damit die anderen dachten, er und Konan stünden einander näher als sie es tatsächlich taten. Es schien ihm mehr um Kontrolle als um sie als Person zu gehen.
Am nächsten Tag hatte Sasori vor, mit Tobi in die Berge zu gehen. Er wollte sehen, wie stark Tobi war und wie weit Madaras Fähigkeiten in ihm noch erhalten waren. Und weil er wusste, dass Madara einen Trainingsort in den Bergen gehabt hatte, wollte er Tobi als Test dorthin mitnehmen.
Auf dem Weg musste er jedoch durch das Bauerndorf, und als er und Tobi dieses wieder verließen, bemerkte Sasori, dass jemand sie beide beobachtete. Es regnete ausnahmsweise mal nicht, also trug Sasori anstelle der von Konan entworfenen Regenkleider einen schlicht schwarzen Trainingsanzug und Tobi dasselbe in dunklem Grün. Unauffällige Kleider, die keinen Schluss auf Sasoris Identität oder Tobis Herkunft zuließen.
Und dennoch, Sasori hatte das bestimmte Gefühl, dass der, der sie gerade beobachtete, eine Ahnung hatte, wer Sasori war.
„Tobi?“, flüsterte er, „Wir spielen wieder Geheime Mäuse, verstanden? Kein Wort. Wer als erster spricht, hat verloren.“
„Alles klar“, sagte Tobi und machte mit der Hand vor seiner Maske eine Mund-verschließen-Geste.
Doch das Gefühl der Beobachtung blieb. Auch als sie tiefer in die Berge kamen. Kein Rascheln im Laub, keine knacksenden Äste oder aufgescheuchten Vögel. Und Sasori erkannte den Hintergrund dieser Beobachter, es musste sich definitiv um Mitglieder einer Anbu-Einheit handeln. Und aufgrund ihrer besonderen Unsichtbarkeit im Wald tippte Sasori auf die Anbu des Feuerreiches.
„Was tut die Anbu des Feuerreiches hier?“, fragte er sich. „Und warum folgen sie gerade mir und Tobi?“ Er sah sich kurz zu Tobi um, der stumm und brav hinter ihm her ging und sich wirklich wie ein Kind beim Versteckspiel verhielt. Nichts an ihm wies noch auf Madara hin. Es sei denn … ja, es sei denn dass die Anbu jemanden dabei hatten, der hinter Tobis Maske schauen konnte. In Konoha gab es immerhin gleich zwei Familien mit entsprechenden Fähigkeiten.
Nach einer halben Stunde Weg konnte Sasori erkennen, dass es zwei Personen waren, die ihm und Tobi folgten. Und dass es sich tatsächlich um Anbu aus Konoha handelte. Sasori hatte Madara gut genug gekannt, und auch so viel von diesem über Konoha erfahren, dass er sich sicher war.
Kurz bevor Sasori den Eingang des Bergtals erreichte, in dem Madara trainiert hatte, wurde Tobi ungeduldig. „Wann sind wir fertig mit Geheime Mäuse?“, quengelte er laut.
„Scht, Klappe halten, Tobi“, zischte Sasori. „Wir werden immer noch beobachtet!“
„Beobachtet?“, fragte Tobi, viel zu laut.
„Bist du dumm oder was? Halt die Klappe!“, zischte Sasori mit deutlicher Schärfe im Ton.
„Aber wieso?“, fragte Tobi.
„Egal. Und jetzt bist du still, kapiert?!“
Aber es war zu spät. Die Beobachter hatten es natürlich gehört, und Sasori spürte schon die Spannung in der Luft.
„Sasoriii … Tobi mag nicht mehr …“
Sasori blieb stehen, wandte sich zu Tobi um und wollte diesen gerade mit einem Schlag zurechtweisen, da schoss ein Shuriken durch die Luft und blieb direkt neben Sasori im nächsten Baum stecken. Es genügte, damit Tobi endlich verstand, dass er still sein musste, doch er hatte zuvor ihrer beiden Namen laut ausgesprochen und Sasori damit geoutet.
Einen Moment später standen die beiden Anbu direkt vor ihm.
„Sasori Akasuna?“, fragte der eine, er trug eine Katzenmaske.
„Du bist erledigt, Tobi …“, zischte Sasori. „Wie kann man so dumm sein?!“
„Ich bin nicht dumm“, antwortete Tobi.
„Und wer ist das?“, fragte der Anbu.
„Das ist nur Tobi“, sagte Sasori. „Ein dämlicher Vollidiot, der Ninja werden will.“
„Was tust du hier, Sasori?“, fragte der Anbu.
„Ich bin nur auf der Durchreise.“
„Du wirst von Suna Gakure gesucht, seit Jahren.“
„Ich weiß.“ Sasori lächelte aufgesetzt. „Grüße an meine Großmutter, wenn ihr sie seht. Aber was wollt ihr von mir, ihr seid doch aus Konoha.“
„Wir suchen Madara Uchiha“, schaltete sich der zweite Anbu ein, der Stimme nach eine Frau.
„Ist er euch abhandengekommen?“
„Er wurde zuletzt hier im Regenland lokalisiert.“
„Ich hab keine Ahnung. Mir ist noch kein Uchiha begegnet, seit ich aus Suna weg bin.“
„Lüg uns nicht an, Akasuna.“
Sasoris Gedanken rasten. Er sah Tobi an, der offensichtlich gerade einen umnachteten Moment hatte und gar nichts mehr verstand, und dann fiel ihm etwas anderes ein: Orochimaru.
„Über Madara Uchiha kann ich euch wirklich nichts sagen. Aber ich hab was anderes.“
„Raus mit der Sprache!“
Sasori lächelte, so künstlich, wie er nur konnte, und sagte: „Orochimaru. Ich kenne ihn, über ihn kann ich euch was verraten.“
Die mühsam verhaltene Körpersprache der beiden war eindeutig, sie waren überrascht.
„Ich habe ihn vor kurzem getroffen. Er plant, einer Organisation beizutreten, die sich Akatsuki nennt. Ich weiß nicht viel darüber, aber das wäre doch interessant für euch, oder?“
„Akatsuki?“
„Geschrieben mit dem Zeichen für Morgendämmerung.“
„Nicht mit dem für Rot und Mond?“, fragte die Anbu-Frau.
„Nein. Warum?“
„Wir haben Hinweise, dass Madara eine ähnlich benannte Gruppe gegründet hat.“
„Keine Ahnung, ich hab ihn nie gesehen. Ich weiß nur von dieser einen Gruppe, und dass Orochimaru da mitmachen wird.“
Sasori konnte sich denken, was die beiden Anbu sich zusammenreimten. Madara war so absolut und offensichtlich überhaupt nicht der Typ Mensch gewesen, der sich mit jemandem wie Orochimaru zusammen tat, dass es jetzt für die beiden offensichtlich sein musste, dass Akatsuki nicht mit Madara zusammen hing. Wenn sie ihn gekannt hatten, musste ihnen sein unbestechlicher Idealismus ja bekannt sein. Und da Orochimaru ja ebenfalls aus Konoha stammte, hatten sich die beiden vielleicht auch gekannt. Dann müsste klar sein, dass Madara jemanden wie Orochimaru sicherlich nicht mochte.
„Wir lassen dich dieses Mal gehen, Sasori“, sagte die Anbu-Frau. „Deine Abtrünnigkeit von Suna Gakure ist deren Sache. Aber wir werden die Suna-Anbu wissen lassen, dass wir dich gesehen haben.“
„Selbst wenn, ich bin stark genug.“
„Danke für die Informationen über Orochimaru.“
„Bitte sehr“, lächelte Sasori.
Die Anbu verschwanden wieder, und Tobi fragte: „Was war denn das?“
„Das Ergebnis dessen, dass du unser Spiel verloren hast, du Vollpfosten“, zischte Sasori wütend. „Und das, was hier gerade gesagt wurde, ist so dermaßen topsecret, dass ich dich sehr brutal erschlagen und in eine meiner Puppen mumifizieren werde, wenn du irgendwem irgendwann irgendetwas davon erzählst, hast du mich verstanden, Tobi?“
Tobi schluckte sichtbar. „Verstanden …“
Am Ziel angekommen, stellte Sasori fest, dass das Tal quasi verschwunden war. Die Felsen drum herum hatten sich zu einer sehr engen Schlucht zusammen geschoben und die hintere Hälfte des Tales, wo Madara die Statuen gehabt hatte, war so gründlich und vielschichtig versiegelt, dass Sasori keine Chance hatte, da hinein zu kommen.
„Kennst du das hier?“ fragte er zu Tobi.
Tobi schüttelte lebhaft den Kopf. „Nö, wieso?“
„Egal.“ Er holte eine Beschwörungsrolle heraus, ließ aus dieser drei Marionetten herauskommen und schickte diese los, um neue Siegel darauf zu setzen und Madaras sämtlichen noch vorhandenen Spuren darum herum zu vernichten. Sasori kannte die Methoden der Anbu gut genug, um dies so gründlich zu tun, dass sie nichts mehr finden würden. Und in die Siegel würde auch niemand hineinkommen.
Als Sasori jedoch den Weg weiter ging, fand er hinter der versiegelten Schlucht doch eine aufgerissene Öffnung im Gestein, die sehr danach aussah, als hätten die beiden Hände, die Nagato jetzt in seinem Gebäude hatte, ursprünglich mal hier gestanden. Sasori wusste, dass Madara sie geschaffen hatte, denn die Legenden zu den einzelnen Symbolen auf jedem der Finger hatte Konan ihm gegenüber einmal erwähnt.
„Akatsuki …“, dachte Sasori und sprach das Wort leise aus. „Definitiv nicht mehr das, was es mal hätte sein sollen …“ Er sah zu Tobi hinüber, der sich wieder Blumen am Wegesrand anschaute, und dachte an Konan, der diese Veränderungen überhaupt nicht gefallen würden.
Auf dem Weg zurück erinnerte sich Sasori an das, was er am Anfang gedacht hatte, als Madara ihn angeworben hatte, und als er hier Konan kennen gelernt hatte.
Konan war so eine überaus klare, ehrliche kleine Person, die immer nur das tat, wo sie auch dahinter stand, und Sasori war von genau dieser Art so beeindruckt gewesen, er hatte nie zuvor jemanden erlebt, der so war wie sie. Und die Arbeit mit ihr hatte ihm zum ersten Mal in seinem Leben wirklich echte Freude geschenkt, eben genau deswegen, weil Konan so ehrlich war.
Großmutter Chiyo hatte zu vieles vor ihm verborgen, andere in Suna Gakure hatten ihn bewundert und zugleich gefürchtet, und er hatte immer warten müssen. Im Vergleich dazu war Konan wie eine Quelle frischen, klaren Wassers, die verlässlich ehrlich zu ihm war und auf deren Wesen er sich verlassen konnte. Und dafür mochte er sie sehr.
Er dachte an das, was sie zu ihm sagte, wenn sie fand, dass er etwas Falsches tat, und die Art, wie sie ihn ansah, wenn er ihrer Meinung nach seine Kunst übertrieb. Dass sie ihn zurechtweisen würde, wenn er über die Stränge schlug, und fast fühlte Sasori so etwas wie Freude bei dem Gedanken, dass sie ihn und seine Marionetten gut genug kannte, um ihn im Ernstfall zu stoppen und vielleicht sogar zu besiegen.
Er hatte sich nie zuvor so sehr auf einen anderen Menschen eingelassen, hatte sich immer reserviert gehalten und war nur sich selbst gefolgt. Sasori wusste, dass seine Kunst sich an den Grenzen der Ethik und darüber hinaus bewegte, und er liebte das auch. Etwas als schön zu erhalten, machte ihm Freude, und das galt nicht nur für die Marionetten.
Er wollte auch Konan so erhalten, wie sie war, denn es gab nur eine Sache, die er mehr liebte als seine Kunst, und das war Konans klarer, frischer Geist und ihr ehrliches Wesen. Diese erfrischende Lebendigkeit zu erhalten war, das wusste Sasori, weitaus schwieriger als ein hübsches Objekt schön zu halten. Es war schon eine Herausforderung, denn Lebendigkeit erforderte für ihren Erhalt Risiko und Bewegung. Aber es war auch die einzige Beweglichkeit, die ihm wirklich wichtig war.
Zurück in seinem Haus hatte er eigentlich vorgehabt, ein paar der Menschenmarionetten zu reinigen und auszubessern, da er zwischenzeitlich so hart mit ihnen trainiert hatte, dass sie einige Schäden erlitten hatten. Doch als er sich an die Werkbank setzen wollte, klopfte es an seiner Tür.
Er stand auf, öffnete die Tür und dort stand Orochimaru.
„Was willst du?“, fragte Sasori.
„Lass mich deine Kunst sehen“, antwortete Orochimaru.
„Als wenn ich dir die einfach so zeigen würde …“
Orochimaru grinste.
„Du brauchst gar nicht so zu gucken“, blockte Sasori ihn ab. „Und ich glaube nicht, dass du einfach nur vorbei kommst, um meine Marionetten zu sehen.“
„Du sollst zum Hauptgebäude kommen.“
„Will Nagato mich sehen?“, fragte Sasori rhetorisch. „Wie interessant, wo er mich doch sonst nicht leiden kann …“
Sasori ging also mit Orochimaru zusammen zum Hauptgebäude, über dem es in Strömen regnete. Nagato wartete an der Tür.
„Sasori“, begrüßte er ihn.
„Was ist?“
„Ab sofort bin ich für euch nicht mehr Nagato.“
„Und warum?“
„Egal. Ab sofort nennt ihr mich Pain. Die Einzige, die mich noch Nagato nennen darf, ist Konan.“
„Okay …?“
„Das gilt ganz besonders für dich, Sasori“, zischte Pain.
Sasori unterdrückte nur gerade so ein zynisches Lachen. „Meinetwegen, dann halt Pain. Aber denkst du wirklich, dass es Konan gefallen wird, was du hier machst?“
„Was geht dich das eigentlich an?“
„Im Unterschied zu dir interessiert mich, was sie denkt“, zischte Sasori.
Orochimaru stand grinsend daneben, hatte bisher nichts dazu gesagt, doch nun fragte er: „Ist das euer Ernst, ihr streitet euch um ein kleines Mädchen?“
„Ich hab damit nicht angefangen“, sagte Sasori. „Und sie ist zu mir gekommen. Aus eigenem Willen.“
„Weil du sie manipulierst“, fauchte Pain.
„Als wenn ich das nötig hätte.“
Er sah keinen Sinn mehr in dieser Situation, also wandte er sich zum Gehen. Orochimaru blieb bei Pain stehen und Sasori wusste, dass die beiden sicher noch über ihn sprechen würden. Aber das war ihm egal. Dass Pain ihm vorwarf, Konan zu manipulieren, machte den sonst so ungerührt wirkenden Sasori wütender, als er es selbst gut regulieren konnte, und so ging er in sein Haus zurück, schloss die Tür ab und vertiefte sich endlich in seine Arbeit an den Menschenmarionetten.
Doch es war schwer an diesem Abend, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Konan war überall in seinen Gedanken, und er fragte sich schon, ob es überhaupt möglich war, sie so zu beschützen, dass sie blieb, wie sie war, und gleichzeitig nichts von ihrer Beweglichkeit, die er an ihr so liebte, zu stören. Sasori kannte sich bestens mit Objekten aus, mit toten Marionetten, doch die waren, er wusste es selbst, eben nur noch Gegenstände. Etwas Lebendiges in ebendieser Lebendigkeit zu erhalten, erforderte für Sasori weit mehr Mut und Mühe als seine Kunst. Er wusste, dass es ihn mit seinen eigenen Ängsten konfrontierte. Und dass Konan gerade nicht hier war und somit ihm nicht hier und jetzt erklären und vor Augen führen konnte, dass er vor ihr und der Bindung zu ihr keine Angst haben musste, machte es nicht einfacher.
Und so ließ er die Puppen für heute sein und schrieb noch einen Brief an Konan. Einen so ehrlichen, langen Brief, wie er ihn noch nie zuvor verfasst hatte. Er schrieb ihr alles, was er über sie dachte, für sie empfand und ihr wünschte. Es fiel ihm schwer, aber leichter als wenn er es hätte aussprechen müssen. Und am Ende fühlte er, dass seine Wangen nass waren, hatte kurz den Gedanken, den Brief zu vernichten, doch er überging diesen Impuls, steckte ihn stattdessen in einen Umschlag und schrieb Konans Namen und Adresse drauf.
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Kapitel: | 23 | |
Sätze: | 6.806 | |
Wörter: | 105.963 | |
Zeichen: | 610.949 |
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