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Kapitel: | 6 | |
Sätze: | 1.269 | |
Wörter: | 22.865 | |
Zeichen: | 132.325 |
Ich erinnere mich nicht mehr an das genau Datum dieses einen Tages, aber sicher weiß meine Mutter das noch, denn sie hat damals, als ich klein war, über alles Buch geführt, was mich betraf.
Es war im Frühjahr 1985, ich glaube, so im April oder Mai. Mama, Papa und ich lebten damals schon nicht mehr im großen Hauptsitz des Uchiha-Clans, sondern in einem kleineren, zweigeschossigen Haus außerhalb davon, in dem Mama auch ihre Praxis hatte.
Meine Eltern hatten dieses Haus bezogen, während Mama schon schwanger mit mir war, denn sie wollte, dass ich mitten im Dorf aufwuchs, mit vielen verschiedenen Menschen um mich herum, und eben nicht im Hauptsitz, diesem eigenen Viertel unseres Clans hinter dem Fluss. Sie sorgte auch dafür, dass ich mit anderen Kindern zu tun hatte. Ich mochte dieses Haus mitten im Dorf, und auch die Kinder in unserer Nachbarschaft.
Mama ist Medizin-Kunoichi und spezialisiert als Augenärztin und Neurologin, vor allem auf die Behandlung des Sharingan, und sie war damals schon die beste Augenärztin und Neurochirurgin in ganz Konoha Gakure.
Ich wachte morgens auf und irgendwas war anders. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis ich ganz wach war, ich hatte sehr intensiv geträumt und der Traum hing noch in mir fest. Ich hatte von meinem Papa geträumt, davon, wie er und die anderen Shinobi draußen im Krieg kämpften. Papa war stark, und ich wusste, wie stark, doch trotzdem hatte ich Angst um ihn, das ist ganz natürlich und normal.
Ich hob den Kopf und versuchte, mich langsam aufzusetzen, und mein Blick streifte eins der Bücher in dem Regal über meinem Bett. „Shinobi-Grundausbildung, Klasse 1“ stand auf dem Rücken. Mein Schulbuch, schon durchgearbeitet. Daneben ein anderes Buch: „Illusionen schaffen und auflösen, ein Genjutsu-Grundkurs“. Ich musste lächeln. Dieses Buch war ein Geschenk gewesen. Papas Cousin, den ich „Dara“ nannte und der mein Pate und wie ein Onkel für mich war, hatte es mir zu meinem vierten Geburtstag geschenkt.
Ich sah sein lächelndes Gesicht vor mir, seine Stärke ausstrahlende Gestalt in der roten Rüstung, und seine unglaublich dichten, rückenlangen, schwarzen Haare. Selbst, wenn er nur in einem Buchladen stand und mir ein kleines Geschenk machte, Dara war einfach immer der große, starke Shinobi, eine beeindruckende Erscheinung, er war sehr extravertiert und mochte die Aufmerksamkeit.
„Dieses Buch, mein Junge, wird dir auf dem Weg zu großartigen Fähigkeiten die beste Unterstützung bieten, die ein Buch nur geben kann“, hatte er gesagt. „In dir steckt unglaubliches Talent, und wir werden alles tun, damit du es voll entfalten kannst.“
Auch Dara war nicht hier. Er war in derselben Truppeneinheit wie Papa und die beiden kämpften derzeit im Wasser-Reich gegen Shinobi aus Suna Gakure. Ich vermisste Dara. Papa war oft streng, aber Dara als mein Patenonkel war wie ein guter Freund für mich.
Die Gedanken an Dara hatten den Albtraum aus meinem Kopf vertrieben, aber als ich aufstehen wollte, wurde mir schwindlig und ich sank wieder ins Kissen zurück. Was war denn das? Hatte ich mir etwa eine Erkältung eingefangen?
Ich lauschte, ob ich Mama hören konnte, und tatsächlich hörte ich Geräusche aus der Küche unten.
„Mama?“, rief ich laut.
Schritte auf der Treppe, dann schob sie die Tür auf. „Itachi? Alles in Ordnung bei dir?“
„Ich weiß nicht …“, antwortete ich. „Mir ist auf einmal so schwindlig.“
Mama sah mich besorgt an, kam auf mich zu und setzte sich an mein Bett. Sie strich meinen Pony beiseite, berührte meine Stirn, fühlte, ob ich Fieber hatte, und sagte dann: „Deine Temperatur ist tatsächlich etwas erhöht.“
„Gestern Abend gings mir gut“, sagte ich.
Mama sah mich an, schien einen Moment lang nachzudenken, dann legte sie eine Hand auf meinen Kopf und ließ blau leuchtendes Chakra aus ihrer Hand fließen.
„Mach die Augen zu, mein Kind“, sagte sie und lächelte.
Ich schloss die Augen, spürte Mamas Chakra im Kontakt mit meinem, und auf einmal … tat sich in mir ein Loch auf, aber kein tiefes, dunkles, sondern ein helles Licht, in das ich hineinzufallen fühlte.
Ich riss die Augen wieder auf und blickte in Mamas Gesicht, und so, wie sie mich anschaute, schien sie zu wissen, was mit mir los war.
„Itachi …“, sagte sie leise, und dann: „Dass es jetzt schon so weit ist …“
„Was ist los mit mir, Mama? Fehlt mir was?“, fragte ich ängstlich, dieses Licht eben war doch ganz schön unheimlich gewesen.
„Nein, dir fehlt nichts, keine Angst. Es ist nur … nun ja, es sieht so aus, als ob du etwas bekommen hast … Ich bin noch nicht sicher, ob es das wirklich ist. Dara kennt sich auch gut damit aus, er müsste hier sein …“
„Aber Dara ist im Krieg …“, sagte ich.
„Er kommt ja bald wieder, in ein, zwei Wochen hat er Urlaub. Dann schauen wir uns das zusammen an. Und bis dahin … wenn es das ist, was ich vermute, dann musst du keine Angst davor haben. Es ist nichts Böses.“
„Da war so ein helles Licht …“
Mama strich mir durchs Haar, beugte sich vor und drückte einen Kuss auf meine Stirn. Als ich ihre Augen wieder sah, hatte sie ihre Sharingan aktiviert.
„Es sind deine Augen, Itachi. Deine Fähigkeiten wachsen, und manchmal macht einem so etwas Angst. Aber wir sind alle da und wir helfen dir.“
„Kann ich dann … auch so was wie du, Mama? Kann ich dann Menschen heilen?“, fragte ich.
„Vielleicht, ja. Du könntest ein guter Medizin-Ninja werden, wenn du das möchtest …“ Mama lächelte, und ich wusste, sie wünschte sich das für mich. Wir waren uns so nahe, dass wir einander kaum etwas erklären mussten, und wir wussten beide, dass wir die Freude daran, anderen zu helfen, gemeinsam hatten.
Eine Woche später kamen Papa und Dara tatsächlich von der Front zurück. Papa war leicht verletzt und ging erst einmal ins Krankenhaus, aber Dara kam danach gleich zu uns nach Hause.
„Hallo, Ikue!“, rief er laut, und Mama antwortete: „Madara! Ihr seid wieder da?“
„Yoshio ist noch im Krankenhaus, aber mir geht’s gut.“ Er legte klappernd seine Rüstung ab, dann setzte er sich an den Küchentisch, nahm sich eine Dose Limonade und trank sie in zwei Zügen leer. „Und? Wie ist die Lage hier?“, fragte er dann.
Ich saß oben an der Treppe und sah, wie Mama sich zu Dara an den Tisch setzte. Sie sprach leise, aber ich konnte jedes Wort verstehen: „Madara, wir brauchen deine Hilfe. Es geht um Itachi … Er entwickelt gerade etwas … und ich glaube, er hat das Tsukuyomi geerbt …“
„Tsukuyomi?!“, wiederholte Madara laut. „Echt jetzt?“
„Dara!“, zischte Mama, „Nicht so laut!“
Ich stand auf, ging die Treppe hinunter.
„Ich möchte nicht, dass Oma Yoneko gleich davon erfährt“, sagte Mama. „Madara, du weißt ja, wie sie ist. Sie wird Itachi ins schwere Training nehmen, wenn sie erfährt, dass er schon so weit ist.“
„Ikue …“ Madara seufzte. „Dein Sohn ist eines der begabtesten Kinder in der Geschichte Konohas! Du kannst ihn nicht vom Training fern halten.“
Mama stand auf, ging zum Fenster und schaute hinaus, während sie sagte: „Itachi kommt in seinem Wesen so sehr nach mir. Er ist nicht für ein Leben als Ninja gemacht. Wenn er Mediziner werden könnte, ja, aber ich will nicht, dass Yoneko versucht, aus ihm einen Kämpfer zu machen. Ich hab Yonekos Training doch selbst mitgemacht, als ich klein war, und ich will nicht, dass Itachi dasselbe durchmachen muss!“
„Wenn ich dir verspreche, dass ich mit Yoneko rede?“, fragte Dara. „Auf mich hört sie … manchmal.“
Mama drehte sich wieder um, sah mich an, und sagte dann: „Itachi, ich möchte, dass du mit Madara auf den Übungsplatz gehst. Fragt am besten jemanden vom Hyuuga-Clan, ob ihr deren Platz benutzen dürft, dann kriegt Yoneko das nicht gleich so mit.“
„Ist gut, Mama“, sagte ich und nickte.
Auf dem Weg zum Übungsplatz der Hyuuga-Familie fragte Madara: „Wie fühlt sich das denn so an? Also, dieses Neue in deinem Kopf?“
„Wie ein Licht … ein Licht, das ich vielleicht formen könnte … wenn ich wüsste, wie …“, versuchte ich, die seltsamen neuen Dinge in mir zu beschreiben.
„Spürst du darin Raum, Zeit und Masse?“, wollte Dara wissen.
„Ja. Aber es ist irgendwie anders als sonst. Nicht so … fest, irgendwie …“
Dara blieb stehen, lächelte mich an, richtig strahlend. „Itachi, du bist großartig!“
„Ist das dieses … Tsukuyomi?“, fragte ich und meine Stimme zitterte ein wenig.
„So, wie du das beschreibst, ja, das ist Tsukuyomi.“
„Und was ist das?“
Dara blieb stehen, wir hatten den Platz erreicht. „Das Erste, was du lernen musst, ist, dieses Jutsu in dir zu festigen. Zu lernen, wie du damit umgehst, und dazu brauchst du die Sharingan noch nicht. Tsukuyomi ist ein sehr persönliches Jutsu, und du wirst wohl der Einzige sein, der es beherrscht. Vor dir gab es andere, der letzte war dein Urgroßvater Fukuya. Er hat uns einiges an Aufzeichnungen dazu hinterlassen, und das sind mehr oder weniger die einzigen Informationen darüber, die wir haben. Derzeit bist du der einzige lebende Mensch damit. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis du es wirklich anwenden kannst, denn noch sind deine Sharingan nicht erwacht, aber du wirst die Zeit bis dahin gut nutzen können, denn um es sicher anwenden zu können, musst du dieses Jutsu und seine Ausgestaltung in dir selbst vollkommen kennen. Und ich weiß genug darüber, um dir dabei zu helfen.“
Ein persönliches Jutsu. Ich wusste ungefähr, was das war, ich kannte mehrere Shinobi, die solche Jutsus beherrschten, die sie selbst entwickelt hatten. Aber ein persönliches Jutsu, das auf Vererbung beruhte, das war noch mal etwas anderes, und so, wie Madara es sagte, ahnte ich schon, dass dieses Tsukuyomi etwas ganz Besonderes war.
Dara öffnete eine große Schriftrolle mit einem starken Siegel, schloss mehrere Fingerzeichen und aktivierte seine Kaleidoskop-Sharingan, dann schlug er mit der flachen Hand auf die geöffnete Rolle. Daraufhin entstanden aus der schwarzen Tinte winzige, pechschwarze Flammen. Ich kannte diese Flammen nur aus dem Jutsu-Verzeichnis unseres Clans, dieses Jutsu hieß Amaterasu und galt als eines der stärksten und gefährlichsten Jutsus überhaupt. Dass Dara es so einfach beherrschte, zeigte einmal mehr, wie unglaublich stark er war.
„Das ist Amaterasu, mein eigenes Erbjutsu“, sagte Dara. „Der Unterschied zum Tsukuyomi besteht allerdings darin, dass dieses Jutsu von mehr als nur einer Person angewandt werden kann. Wer über das Kaleidoskop-Sharingan verfügt, kann Amaterasu beherrschen lernen, also irgendwann auch du. Im Unterschied dazu wirst du vielleicht dein Leben lang der einzige Anwender des Tsukuyomi sein.“
„Wie kann mir denn dann jemand beibringen, wie ich das Tsukuyomi richtig anwende?“, fragte ich.
„Genau genommen kann das niemand. Obwohl beispielsweise deine Mutter ebenfalls die Anlagen dazu hat, kann sie es nicht anwenden. Tsukuyomi kommt nicht in jeder Generation vor, es ist, wie du siehst, selbst im Uchiha-Clan äußerst selten. Doch Fukuyas Aufzeichnungen zufolge muss es dir auch niemand beibringen. Wenn du dir Amaterasu genau anschaust, siehst du, dass diese Flammen ein eigenes Leben in sich haben, sie sind wie die Vertrauten Geister. Und so ist Tsukuyomi eine eigene Welt in dir, die du nur kennen lernen musst. Es ist nicht einfach nur ein Jutsu, es wird mit der Zeit immer mehr mit dir verwachsen und greift auch in deine Persönlichkeit und dein Seelenleben ein, es wird irgendwann so sehr eins mit dir sein, dass du es dann völlig intuitiv anwenden kannst.“
Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Dieses Jutsu sollte in meine Persönlichkeit eingreifen? Wie sollte ich das verstehen, war das gut oder schlecht?
Madara bemerkte, dass ich Angst hatte, er hockte sich hin, sah mir ins Gesicht und legte mir seine Hand auf die Schulter. „Du musst keine Angst davor haben, Itachi. Dieses besondere Jutsu ist eine so wunderbare Gabe, und das Beste ist, dass du selbst bestimmen kannst, wie du es nutzen willst. Es ist sehr viel mehr als nur eine Kampftechnik, und je besser und genauer du es kennen lernst, umso mehr Möglichkeiten wirst du damit haben.“
„Ich würde gerne Medizin-Ninja werden, wie Mama“, sagte ich.
„Auch dabei wird Tsukuyomi dir helfen können.“ Madara stand wieder auf, löste Amaterasu auf und rollte die Schriftrolle wieder zusammen. Dann begann er, seine Rüstung abzulegen.
„Wie wär’s, trainieren wir noch ein bisschen?“, fragte er.
Ich nickte.
Und während Madara mit mir dann über zwei Stunden lang Tai- und Nin-Jutsu übte, dachte ich zwischendurch ein bisschen darüber nach, dass ich wirklich gern Medizin-Ninja werden wollte, wie meine Mama. Kämpfen, auf einer Mission oder im Krieg, das wollte ich eigentlich nicht.
Lieber stellte ich mir vor, wie ich gemeinsam mit Mama in ihrer Praxis verletzte Shinobi versorgte. Oder, und das war für mich eigentlich der wichtigste Grund, überhaupt stark zu werden: Hokage werden, und dann mit diesem Amt für Frieden sorgen.
„Dara?“, sprach ich meinen Patenonkel später auf dem Heimweg an, „… sag mal, glaubst du, ich könnte irgendwann … Hokage werden?“
Madara blieb stehen, wandte sich zu mir um, und ich sah diesen Ausdruck in seinen dunklen Augen, ein eigenartiges Leuchten, das so aussah, als freute er sich sehr, dass ich das fragte. So sah er oft aus, wenn jemand das Wort „Hokage“ aussprach.
„Möchtest du das gern?“, fragte er und hockte sich runter, sah mich an.
„Ja.“ Ich nickte.
Madara lächelte strahlend, es schien ihn wirklich sehr zu freuen, und dann sagte er: „Wenn du hart trainierst und deine Fähigkeiten weiter ausbaust, dann kannst du ganz sicher Hokage werden, Itachi. Aus unserer Familie war noch nie jemand Hokage. Ich … muss ja gestehen, ich wäre es selbst gern. Und vielleicht schaffe ich das sogar. Und wenn nicht ich, dann wirst irgendwann du der erste Hokage aus dem Uchiha-Clan sein, da bin ich ganz sicher.“
„Du magst den Hokage der Ersten Generation sehr, oder?“, fragte ich, denn ich wusste, dass Madara die Kopien aller Schriften und Dokumente von Hashirama Senjuu sammelte und den Gründer unseres Dorfes glühend verehrte.
Dara nickte strahlend. „Ich hab ihn noch kennen gelernt, als ich ganz klein war. Er war der großartigste Shinobi, den man sich nur vorstellen kann.“
Er sah mich einen Moment lang an, dann fragte er: „Itachi, kennst du denn schon den Unterschied zwischen einem Ninja und einem Shinobi?“
„Ein Ninja befolgt bedingungslos die Befehle seiner Vorgesetzten. Ein Shinobi dagegen steht für seine Werte und seine Heimat ein!“, zitierte ich den Unterschied nach den Büchern, die ich dazu kannte.
„Und was ist dir wichtiger?“, fragte Madara.
Ich wusste erst nicht, wie ich es sagen sollte. Ninja und Shinobi … irgendwie sollte ich beides sein. Papa vertrat in seiner Arbeit als Anführer der Dorfpolizei von Konoha eher die Werte eines Ninja und versuchte, mir diese beizubringen, aber ich selbst fühlte mich dem Begriff des Shinobi bedeutend näher.
„Ich glaube … ich möchte lieber ein Shinobi sein …“, sagte ich leise.
Madara lächelte wieder. „Deine Mama hat Recht, du kommst wirklich sehr nach ihr.“
„Ist das gut?“
„Das ist sehr gut. Du denkst mit Kopf und Herz zusammen, und das ist wichtig, um ein guter Shinobi zu sein. Natürlich ist dein Papa auch ein guter Shinobi. Aber es kann sein, dass er dich manchmal nicht versteht. Dann ist es gut, dass du deine Mama hast.“
Madara blieb drei Wochen im Dorf, ehe er und Papa wieder an die Front mussten. In dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit mit ihm, er unterstützte mich beim Training und zeigte mir auch einige Bücher und Schriftrollen des Ersten Hokage. Ich hatte das Gefühl, dass es ihn sehr stolz machte, zu sehen, dass ich auch diesen Wunsch hatte, irgendwann Hokage zu werden.
Während dieser Zeit hatte ich immer wieder Momente, in denen diese Kraft in mir, aus der mein Tsukuyomi wachsen sollte, immer ein bisschen stärker wurde. Es fühlte sich nicht wirklich an wie ein Jutsu, sondern ganz anders, fast so wie eine kleine zweite Welt, die in meinem Innenleben wuchs und meinen Geist weiter und stärker machte.
Einmal, ich saß allein in meinem Zimmer und lernte für die Schule, da spürte ich es wieder. Mama war einkaufen gegangen und ich also allein im Haus, und so musste ich es in diesem Moment alleine aushalten. Es fühlte sich ein bisschen einsam an, weil ich wusste, dass ich der Einzige war mit diesem Jutsu, dieser neuen, seltsamen Welt in mir. Und so musste ich ein bisschen weinen, einfach so, weil es so stark war …
Als Mama wieder kam und mich in die Küche rief, hatte ich noch gerötete Augen und sie fragte mich ganz besorgt, ob mit mir alles okay war.
„Alles gut, Mama“, sagte ich und versuchte zu lächeln. „War nur das Tsukuyomi …“
Mama stellte ihren Korb auf den Tisch, dann kniete sie sich zu mir herunter und sah mich aufmerksam an. „Itachi … manchmal frage ich mich, ob das alles nicht zu viel für dich ist …“
Ich dachte daran, wie es mir manchmal ging, wenn ich von Dingen viel zu stark berührt war oder mir manchmal etwas zu viel wurde und ich weinen musste, und dass Papa und Oma Yoneko mich dann nicht verstanden und sagten, dass ich „viel zu sensibel“ sei.
Ich wusste, was dieses „sensibel“ bedeutete, Mama hatte es mir schon oft gesagt und erklärt, dass sie so war und ich auch, weil ich ihr ähnlich war und so weiter …
„Ich krieg das schon hin, Mama“, sagte ich und lächelte, versuchte, es so zu sagen, dass es wie bei Madara klang: „Ich will doch Hokage werden!“
Ich sah, wie Mamas Augen sich mit Tränen füllten, und auf einmal umarmte sie mich ganz fest.
„Mein kleiner Itachi …!“
…
Es war ungefähr ein halbes Jahr danach, dass Papa auf einmal ohne Madara von der Front heim kam. Er erzählte, dass sie nach der Schlacht von Ame Gakure vor zwei Wochen noch zusammen gewesen waren, und dann war Madara ohne ein Wort einfach weggegangen und nicht mehr wieder aufgetaucht. Papa hatte ihn noch weg gehen sehen und gedacht, er käme gleich zurück, doch seitdem hatte niemand mehr etwas von Dara gesehen oder gehört.
Hokage Sarutobi hatte sehr überrascht reagiert, und nun überlegten alle, ob man Madara als „Deserteur“ bezeichnen sollte oder nicht, wobei die meisten, die ihn kannten, sich absolut keinen Reim darauf machen konnten, wie ein so glühender, treuer Konoha-Shinobi wie Madara Uchiha auf die Idee gekommen sein könnte, zu desertieren. Genau so wenig konnte sich jemand vorstellen, dass er gefallen sein könnte, denn er war so immens stark, dass ihn eigentlich niemand unbemerkt hätte besiegen können.
Ich war inzwischen fünf Jahre alt geworden, und ich vermisste Madara sehr. Ich verstand genau so wenig wie alle anderen, warum er einfach verschwunden war. Zwar kannte ich ihn als jemanden mit einer gewissen impulsiven Ader und einer Art von Eigenwilligkeit, aber dass er Konoha Gakure einfach so verließ, konnte ich mir nicht vorstellen.
Das einzige, was ich mir vielleicht denken konnte, war, dass dort an der Front irgendwas passiert war, was ihm ähnlich wichtig gewesen sein könnte wie unser Dorf. Aber was konnte ihm so extrem wichtig gewesen sein? Ich wusste es nicht, aber diese Vorstellung, dass dort draußen in Ame Gakure irgendwas gewesen war, das für ihn Priorität gehabt hatte, war alles, was wir an Ideen über seinen Verbleib hatten.
Tatsächlich kam Hokage Hiruzen Sarutobi eines Tages auf dem Schulhof auf mich zu, sprach mich an und fragte, ob er mit mir über Madara sprechen könnte. Er ging mit mir zur Schaukel am Rand des Schulhofes und ich setzte mich darauf, während Sarutobi vor mir stand und mich fragte: „Itachi, ich weiß, dass Madara dich sehr gern hat und ihr beiden viel Zeit zusammen verbracht habt. Also frage ich mich, hat er jemals dir gegenüber irgendetwas erwähnt, was uns helfen könnte, herauszufinden, warum er gegangen ist und wohin?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein … ich hab keine Ahnung …“
„Denk bitte ganz genau nach. Wenn wir nicht herausfinden, was passiert ist, muss ich Madara als Deserteur eintragen lassen, und das würde ich nur äußerst ungern tun. Wir wissen beide, was für ein stolzer Konoha-Shinobi er ist … oder war … Selbst die Anbu haben keine Spur von ihm, er hat sein Amaterasu und all seine Waffen mitgenommen und ist seitdem wie vom Erdboden verschluckt.“
„Ich weiß es wirklich nicht …“, sagte ich leise und blickte auf meine Beine, die von der Schaukel nicht mal bis zum Boden reichten. „Er wollte doch Hokage werden …“
Sarutobi nahm einen Zug von seiner Pfeife und blies den Rauch ins dicht belaubte Geäst des Baumes, an dem die Schaukel hing. „Das ist wirklich schade. Dann habe ich wohl keine andere Wahl, dann muss ich ihn als Deserteur eintragen lassen. Auch, wenn es mir das Herz zerreißt, denn ich hätte ihn selbst gern als meinen Nachfolger gesehen …“
„Und wenn er … doch einfach in einem Kampf gefallen ist?“, fragte ich, denn die Vorstellung, dass ausgerechnet Madara, der ein solch glühender Verehrer des Ersten Hokage war, „desertiert“ sein sollte, war doch zu unglaublich. Und die Idee, dass irgendwas passiert war, was für ihn wichtiger gewesen sein könnte … wir wussten ja alle nicht, was ihn dazu bewegt haben konnte, zu gehen …
„Es ist zwar schwer vorstellbar, aber genauso möglich.“ Sarutobi zog wieder an seiner Pfeife. „Aber, da hast du Recht, Itachi, es wäre für Madaras Ehre wesentlich erträglicher. Nun gut … dann tragen wir ihn doch als Gefallenen ein. Sollte er irgendwann doch noch wieder auftauchen, wird er uns ja aufklären können darüber, was wirklich passiert ist.“
Der Hokage verabschiedete sich von mir und ich kehrte ins Schulgebäude zurück, wo die nächste Unterrichtsstunde schon begonnen hatte.
Der Krieg war mit der Schlacht von Ame Gakure entschieden worden und nun vorbei, und das bedeutete, dass Papa wieder öfter zu Hause war.
Entsprechend ging nun meine praktische Ausbildung zum Ninja richtig los. Und weil Madara nicht mehr da war, um sie daran zu hindern, fing nun meine Urgroßmutter Yoneko an, mich in ihr spezielles Trainingsprogramm aufzunehmen, bei dem Papa auch mitmachte.
Mama sprach sich mehrmals dagegen aus und achtete darauf, dass Oma Yoneko, die sehr streng sein konnte, mich nicht überforderte, aber ab und zu kam es doch vor, dass es mir einfach zu viel wurde. Es gab deshalb hin und wieder Streit zwischen Mama und ihr.
Yoneko sprach vor mir offen darüber, dass sie die Ehe meiner Eltern ja arrangiert hatte, damit ein so begabtes Kind wie ich dabei herauskam, und das setzte mich doch ganz schön unter Druck.
Ich war nicht nur einfach ein kleiner Junge von gerade mal fünf Jahren, nein, denn das, was Oma Yoneko über mich und vor mir sagte, wenn sie mich in ihr sehr exklusives Teehaus mitnahm, war immer „Itachi, das hochbegabte Wunderkind“ und „Itachi, der Clan-Erbe“ und so weiter …
Ich wusste, dass ich geplant war, dass meine Uroma die Ehe meiner Eltern, die Cousin und Cousine waren, eben genau dafür arrangiert hatte, dass ihre guten Gene mich zu einem solchen Wunderkind machen sollten, wie ich es nun war, und mir war klar, dass Yoneko sich schon ganz genau vorstellte, was ich alles zu erreichen hatte. Diesen hohen Erwartungsdruck, den spürte ich jetzt.
Mama tat alles, um mir zwischendurch so viele Ruhezeiten wie möglich zu schaffen, und war ich zuvor schon ein echtes „Mamakind“ gewesen und hatte mich bei ihr immer wohler gefühlt als bei Papa, wurde sie in dieser Zeit noch mehr zu meinem Ruhepol.
Die hohe Sensibilität, die ich mit ihr gemeinsam hatte und die Papa oft nicht verstehen konnte, band Mama und mich eng zusammen, und je mehr sich meine Fähigkeiten als Shinobi entwickelten und mehrten, umso mehr hing ich an Mama, erst recht, als ich mit sechs Jahren als mit Abstand jüngster Absolvent die Grundausbildung an der Akademie abschloss, Genin wurde, und mein Training damit noch mal intensiviert wurde.
Meine Ruhezeiten bei Mama waren etwas, das unser Verhältnis noch inniger machte, nach jedem harten Training und jedem meiner „Auftritte“ in Omas Teehaus, vor denen ich meistens beinahe Lampenfieber hatte und hinterher ziemlich erschöpft war. Weil Mamas Praxis sich ja bei uns im Haus befand und sie deshalb meistens zu Hause war, empfing sie mich nach den Teehausbesuchen mit einer Kanne Beruhigungstee und oft ließ sie mir dann ein heißes Bad mit duftendem Badesalz ein, kochte uns schönes Essen und umsorgte mich, ließ mich einfach ihr Kind sein.
Meine Eltern waren eigentlich ein gutes Team und ein harmonisches Ehepaar, obwohl sie so verschieden waren, verstanden sie sich meistens gut. Aber damals, als ich sechs Jahre alt war, hörte ich sie manchmal nachts streiten. Und meistens ging es dabei um mich.
„Er ist noch ein Kind, Yoshio! Und auch, wenn er jetzt ein Genin ist: Du kannst ihn nicht wie einen Chuunin von vierzehn oder fünfzehn Jahren behandeln, er ist erst sechs!“
„Itachi ist eine riesige Chance für Konoha! Was meinst du, was er mal alles können wird!“
„Und weißt du, was er noch ist?! Er ist ein Kind, und er ist mein Sohn! Und was bin ich? Ich hab meine Shinobi-Karriere damals an den Nagel gehängt, weil ich einen Sohn habe, der mich braucht! Yoshio, du weißt, ich liebe dich, aber du kannst aus MEINEM Sohn keine Kampfmaschine machen, denn das ist Itachi nun mal einfach nicht!“
„Ikue …“
„Ich werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie du unseren Sohn krank machst, Yoshio! Und jetzt geh bitte, hau ab, ich mag dich gerade nicht mehr sehen.“
Die Tür knallte, Papa lief aus dem Haus und ich hörte Mama in der Küche weinen.
Ich lag oben in meinem Zimmer im Bett und wusste nicht, was tun. Dass Mama so wütend wurde, kam sehr selten vor, sie war sonst ein ruhiger Mensch, und ich fühlte mich schlecht deswegen. Ich war der Grund, warum meine Eltern sich so stritten, und so dachte ich, wie schon öfter mal, an etwas, das ich mir schon lange sehr wünschte: Ich wollte nicht mehr allein sein in meiner Familie. Klar, ich hatte meine Cousins und Cousinen, und dann gab es da ein paar Mädchen und Jungen aus dem Dorf, mit denen ich manchmal zusammen war. Aber mit meinen Eltern war ich immer allein, und deshalb ging es immer um mich.
Was ich mir wünschte, war ein Geschwisterkind. Einen kleinen Bruder oder eine Schwester, jemanden, mit dem ich immer zusammen sein konnte, und durch dessen Existenz der Fokus dann eben nicht immer nur auf mir lag.
Ich mochte es nie, so im Mittelpunkt zu stehen, bei Oma Yoneko im Teehaus nicht, wenn sie mich ihren Freundinnen als „den ganzen Stolz des Uchiha-Clans“ präsentierte, und auch sonst nicht. Ich konnte ja nicht mal einfach im Dorf herumlaufen und spielen, ohne dass von irgendjemandem ein „Da ist ja der Uchiha-Erbe“ oder ähnliche Aufmerksamkeit kam. Es war zwar meistens positiv gemeinte Aufmerksamkeit, doch mir war das immer sehr unangenehm.
Und dann gab es da noch die „Gegenpartei“ zu Uroma Yonekos Teehaus: Koharu Utatane-Hyuuga und deren Anhänger. Soweit ich damals wusste, konnten diese beiden Cliquen einander schon seit ihrer Jugend in der Gründungszeit von Konoha Gakure nicht ausstehen und führten eine Art dorf-internen Krieg gegeneinander.
Und ich, beziehungsweise meine Fähigkeiten und meine Ausbildung, wurden zu einem Teil dieses Kampfes: Yoneko berichtete stolz von jedem Fortschritt, den ich machte, und Koharu schimpfte dagegen an, beschwerte sich laufend, dass es im Uchiha-Clan viel zu viel Talent gab und zu viel Macht ... Als Madara noch da gewesen war, hatte sich Koharus Hass hauptsächlich gegen ihn gerichtet, denn er war Yonekos Liebling gewesen, doch nun regte sie sich über mich auf.
Ich hatte selten persönlich mit ihr zu tun, aber jedes Mal, wenn beispielsweise Papa für mich im Dorfrat eine Ausnahmeregelung durchsetzen wollte, waren es Koharu und ihr Vasall Homura, die dagegen stimmten und stetig behaupteten, dass der Uchiha-Clan viel zu viel zu sagen hatte. Die beiden bildeten außerdem eine lose Allianz mit einem gleichaltrigen Mann namens Danzo, der allerdings oft ziemlich außen vor war, weil er sich auch mit dem Hokage meistens nur stritt.
Mit der Zeit wurde der Umstand, dass ich zu viel Aufmerksamkeit und Auffallen nicht mochte, immer mehr zu einem bewussten Teil von mir. Und ich entdeckte, dass dieser Wesenszug von mir doch ganz gut zum Beruf des Ninja und Shinobi passte: Nicht auffallen, sondern sich verstecken und fast unsichtbar werden.
Ich mochte einfache Kleidung in gedeckten Farben, und ich bemerkte, dass es mir gefiel, schnell und unauffällig zu kämpfen. Zum einen, weil Kämpfen etwas war, was ich immer schnell hinter mich bringen wollte, und zum anderen eben, weil ich nicht auffallen wollte.
Und so fühlte ich mich schon intuitiv mit all jenen Jutsus wohl, die mir ein Agieren im Unsichtbaren und ein indirektes Einwirken auf den Kampf ermöglichten: Genjutsu. Ninjutsu gefielen mir je nach ihrer Art. Und am wenigsten mochte ich Taijutsu, obwohl ich diese ebenfalls gut beherrschte.
Das war auch etwas, was ich über mich herausfand: Ich konnte sehr vieles, es gelang mir einfach, aber ich wollte bestimmte Dinge einfach nicht. Meine Begabungen ermöglichten mir, dass ich fast alles lernte, was es an der Akademie und im Training zu lernen gab, doch wenn ich etwas nicht richtig fand oder es sich für mich nicht gut anfühlte, dann tat ich es entweder sehr ungern, oder manchmal auch einfach gar nicht.
In der Akademie war das Fußballspielen der anderen Jungen so etwas gewesen: Ich hatte es damit versucht, es auch hinbekommen, und dann aber sehr bald gemerkt, dass ich es einfach nicht mochte. Ich war nicht nur immer der Jüngste in der Klasse, ich war auch noch anders als die anderen Jungen. Manche von ihnen nannten mich „Mädchen“, weil ich längeres Haar und zartere Gesichtszüge hatte, und weil ich meistens lieber mit einem Buch auf der Schaukel saß und las, statt eben mit ihnen Fußball oder ähnliches zu spielen.
Und als die Mädchen in der Klasse sich für mich interessierten, weil ich als mit Abstand jüngstes Kind der Klasse ihre Fürsorglichkeit weckte, verstand ich mich mit ihnen deutlich besser. Ich wusste bei Mädchen immer genauer, was sie dachten und wollten, als bei Jungen, auch wenn ich mich selbst eindeutig als Junge identifizierte. Wenn mich jemand fragte, warum ich lieber bei den Mädchen saß als bei den Jungen, sagte ich, dass ich mich wegen meiner engen Bindung zu Mama einfach bei weiblichen Wesen wohl fühlte.
Wenn ich in dieser Zeit aber über meinen Wunsch nach einem Geschwisterkind nachdachte, dann wurde mir immer klarer, dass ich mir am liebsten einen Bruder wünschte, einen Jungen, von dem ich hoffte, dass er, weil er ja mit mir verwandt sein würde, mir vielleicht ähnlicher war als die Jungs in der Schule.
Eigentlich gab es damals nämlich nur einen einzigen Jungen, mit dem ich mich von Anfang an gut verstand, und das war mein Cousin Shisui. Er war zwar ganz anders als ich, lebhafter und lauter, und auch sechs Jahre älter, aber irgendwie fühlte ich mich bei ihm wohl. Vielleicht, weil er der Sohn von Mamas Bruder war, oder einfach, weil er mich nie „Mädchen“ oder dergleichen nannte. Er nahm mich immer ernst, obwohl ich so viel jünger war als er, und mit ihm konnte ich über Bücher reden, weil er selbst gern und viel las.
Für die meisten anderen war ich entweder „der Jüngste“, in der Klasse, im Team, in so ziemlich allem, oder eben „das hochbegabte Wunderkind“. Dass ich mich eigentlich nie wie ein „Kind“ gefühlt hatte, weil ich so früh begonnen hatte, über die großen Dinge in der Welt nachzudenken, und dass ich durch meine Fähigkeiten trotz meiner sehr jungen sechs Jahre meistens schon fühlte und dachte wie ein Erwachsener … bei Shisui konnte ich das zeigen und einfach sein, ohne dafür zu hören zu bekommen, wie „besonders“ ich doch sei. Er behandelte mich einfach … normal.
Shisui war selbst schon ziemlich reif, und auch wenn er längst nicht solche hochpotenzierten Fähigkeiten hatte wie ich, er war ein Uchiha und verstand, was das bedeutete.
Shisui war es dann auch, der mich quasi aufklärte, was Dinge betraf, die so zwischen Männern und Frauen abliefen. Er hatte mit fast dreizehn seine erste feste Freundin, Izumi, die er mir vorstellte und von der ich dann zum ersten Mal hörte, wie das mit den … Bienen und Blumen so funktionierte. Ja, so erklärte sie mir das, und Shisui, der dabei war, sagte dann zu ihr: „Hey, behandele Itachi nicht wie ein kleines Kind! Er ist immerhin Genin! Bienchen und Blümchen, also echt!“
Izumi wurde knallrot und erwiderte: „Wie soll ich das denn sonst sagen? Dass die Erwachsenen diese … Dinge machen, die irgendwie … na ja, komisch sind?“
Woraufhin Shisui ein Buch aus seinem Rucksack holte, auf dem ein rotes Verbotsschildchen klebte und das er einfach vor sich auf den Tisch legte. „Da steht alles drin.“
„Was ist das denn?“, fragte Izumi.
„Hab ich von meinem Paps aus dem Nachttisch geklaut“, sagte Shisui und grinste. „Das ist das hochmysteriöse Flirtparadies, Band 1!“
Was er dann mit gesenkter Stimme aus diesem Buch vorlas, ließ Izumi wiederum erröten. Ich saß einfach da und fragte mich, ob das, was da beschrieben wurde, wirklich so schön und aufregend war, wie es dort stand. Mit meinen sechs Jahren hatte ich noch keine rechte Vorstellung davon, auch wenn ich sonst so viel wusste …
Aber etwas später, ich weiß heute nicht mehr genau, wann, da erfuhr ich dann etwas genauer, worum es dabei ging, bei solcher Liebe …
Ich wachte mitten in der Nacht auf und hörte etwas: Mamas Stimme, aber sie klang ganz anders als sonst. Einen solchen Laut hatte ich noch nie gehört, und zuerst dachte ich, vielleicht weinte sie. Ich setzte mich auf und lauschte. Papas Stimme war auch da, aber nur ganz leise.
Ich stand auf und schlich barfuß bis zu meiner Zimmertür, die ich leise aufschob.
Da, wieder Mama. Aber nicht in der Küche unten, sondern oben, im Schlafzimmer am Ende des Ganges. Und jetzt war deutlich zu hören, dass sie nicht weinte.
Mein Gefühl sagte mir, dass ich ganz leise sein musste, dass sie mich nicht bemerken durften. Und so näherte ich mich, schon intuitiv nach Art eines Ninja, dem Schlafzimmer meiner Eltern. Je näher ich kam, umso klarer wurde mir, dass es Mama gut ging und Papa auch, ich hörte Mama kichern und auch andere Laute sprachen davon, dass meine Eltern da gerade irgendetwas taten, was ihnen hörbare Freude bereitete.
Das Schlafzimmer meiner Eltern lag auf der anderen Seite des Flures und ich wusste, dass eine der Wände von Papas Büro, das sich direkt daneben befand, nur aus einer Holz-und-Reispapier-Wand bestand. Die Tür vom Büro war nicht ganz geschlossen, ich schob sie vorsichtig auf und huschte hinein.
Kaum war ich drinnen, hörte ich Mama im Raum daneben wieder kichern. „Yoshiii … ahh, lass das!“ Und dann: „Wenn du so weiter machst …. hihihihi … dann wecken wir noch Itachi auf …“
„Ich bin schon wach“, dachte ich und kroch unter Papas Schreibtisch, denn dahinter, unten in der Ecke, war das Reispapier etwas lose. Ich feuchtete meinen Finger mit Spucke an und löste das Papier ein wenig von dem hölzernen Rahmen ab, und dann blickte ich durch das entstandene, winzige Fenster:
Viel sah ich nicht, es war ganz dunkel, nicht mal der Mond schien, denn es war Neumond. Aber ich hörte das Rascheln von Bettzeug, Mama kicherte und seufzte genießerisch, und Papa atmete laut. Und irgendwie wusste ich in diesem Moment, dass das, was Shisui mir erzählt hatte und das, was er aus diesem geheimnisvollen Buch vorgelesen hatte, genau das war, was meine Eltern hier gerade taten. Und weil Izumi es so erklärt hatte: „Erwachsene machen das und dann kommen manchmal später Babys zur Welt“, freute ich mich sehr darüber. Denn wenn meine Eltern das auch taten, dann bedeutete das, dass ich möglicherweise ein Geschwisterchen bekommen konnte.
Ich schlich zurück in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und betete zu allen mir bekannten Gottheiten, dass ich mir so, so, so sehr einen kleinen Bruder wünschte. Und ich schwor, schon in dieser Nacht, dass ich der allerbeste große Bruder sein wollte, den man sich nur vorstellen konnte.
Damals war ich sechs. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sich mein Wunsch erfüllte, doch es passierte tatsächlich, ich bekam einen kleinen Bruder.
Ame Gakure, 1986
Der Regen fiel fast lautlos auf die Straße. Es war ein Regen aus winzigen Tropfen, Wasser in der Luft, die stetig diesen Regen in sich hatte. Obwohl es wohl später Nachmittag war, war es fast so dunkel wie in der Nacht. Nur das Licht von ein paar wenigen Laternen warf seinen blauen Schein auf den ehemals recht städtischen, verregneten und nun schwer zerstörten Ort.
Obwohl Ame Gakure seinem Namen - Dorf des Regens - alle Ehre machte und es auf nur wenige Sonnenstunden brachte, konnte man hier eigentlich einigermaßen gut leben. In friedlichen, normalen Zeiten.
Aber es war Krieg. Schon seit fünf Jahren herrschte dieser Krieg in der Shinobi-Welt, der dritte große Krieg seit der Gründung des Dörfer-Machtsystems. Die Großmächte Konoha Gakure, Suna Gakure, Kumo Gakure und Kiri Gakure bekämpften sich um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Vor vier Wochen hatten die Kämpfe der großen Ninja-Armeen dann das kleine, verregnete und recht unbedeutende Ame Gakure erreicht. Für die großen Reiche war Ame nur das graue, dunkle Dorf, das eben in einer unvorteilhaften Lage war, zwischen den mächtigen Ninja-Dörfern. Nach vier sehr langen Wochen, die Ame noch versucht hatte, sich gegen Konoha, Kumo und Kiri zu wehren, war das Dorf geschlagen und nur noch eine Ruinenstadt.
Auf dem von Trümmersteinen übersäten, löchrigen Dorfplatz, inmitten eines Kreises leerer, zerstörter Häuser, hatten sich etwa vierzig Ninjakrieger aus dem siegreichen Konoha-Gakure um ein schwarzes Feuer versammelt, das in einer großen Schriftrolle brannte. Die Schriftrolle gehörte dem Uchiha-Clan und die schwarten Flammen hatten einen Namen: Amaterasu. Es war eine sehr starke Waffe, doch in diesem Moment diente es der Wärme und dem Schärfen und Härten der metallenen Waffen, die darin lagen wie Holzscheite in einem gewöhnlichen Feuer.
Die Ninjakrieger waren müde vom Kämpfen, freuten sich aber auch, denn der Krieg war so gut wie gewonnen. Zwar kämpften vor den eingestürzten Mauern von Ame immer noch Kumo und Kiri gegeneinander, aber Konoha hatte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits gesiegt. Der Krieg war fast vorbei. Nach langen fünf Jahren waren die Machtverhältnisse geklärt.
Zehn der etwa vierzig Konoha-Ninjas standen etwas abseits der anderen, die um das Feuer saßen, in einem Außenbogen nebeneinander. Sie suchten mit ihren Augen wachsam die dunklen Ruinen nach Sprengfallen und feindlichen Ninjas ab. Diese zehn Ninjas hatten alle besondere Suchfähigkeiten: Augen, die durch alles hindurchsehen konnten, ein besonderes Gespür für Chakra oder sie konnten mit ihren scharfen Sinnen Spuren nachverfolgen. Einige von ihnen konnten sogar versiegelte Dinge ausfindig machen.
Die Bewohner von Ame waren längst geflohen, vielleicht bis auf einige wenige, für die Konoha-Ninjas unbedeutende Ausnahmen. Das Dorf schien menschenleer, zumindest von Bewohnern. Die, die geflohen waren, hatten zum Teil auch ihre eigenen Kriegstoten mitgenommen und niemand, keiner von ihnen, leistete mehr Widerstand. Die letzten Bewohner von Ame Gakure waren ein paar Waisenkinder, die vergessen worden waren, die sich versteckten und unter allen möglichen Verletzungen und durch den jahrelangen Dauerregen bedingten Erkältungen litten.
Das bläuliche Licht der Laternen fiel auf einen leuchtend orangen Farbfleck im offenen Türrahmen eines Hauses, das mehr eine Ruine war und früher wohl einmal drei Stockwerke gehabt hatte. Der Farbfleck war das orangene, kurze, stachlig vom Kopf abstehende Haar eines etwa sieben Jahre alten Jungen mit auffallend blasser, ja fast weißer Haut. Er trug eine zerschlissene, graue Regenjacke, eine angerissene Hose und abgenutzte Sandalen. Der schwarze Regenschirm, den er unsicher mit seinem Kinn an seine linke Schulter geklemmt hielt, war ebenfalls angerissen und löchrig und bot kaum Schutz vor dem endlosen Nieselregen.
Der Junge wirkte weit älter als sieben, sein blasses Gesicht mit den weißlosen, lila Augen sah viel älter aus, reifer und hungrig. Es war das Gesicht eines Jungen, der statt zu spielen und zur Schule zu gehen, ohne fremde Hilfe ums Überleben kämpfte und bereits große Verantwortung trug. Nicht nur für sich selbst.
Denn seine Arme stützten, statt des Regenschirmes oder eines Rucksacks, zwei kleine, schneeweiße Beinchen in zerrissenen Socken und alten, etwas zu kleinen, mit winzigen Blümchen bestickten Kleinkinderschuhen. Eine ebenso kleine, schneeweiße Hand tastete unter dem schwarzen Schirm hervor und patschte auf die Wange des Jungen. Der drehte seinen Kopf vorsichtig nach rechts, versuchte dabei, den Schirm festzuhalten und lächelte dem Kleinkind, das er auf dem Rücken trug, ermutigend zu.
„Ha-ha-hatschiii!“ Das kleinere Kind nieste.
Der Schirm verlor durch die ruckartige Kopfbewegung des Kleinkindes den Halt und fiel neben dem Jungen in den Bogen des Türrahmens. Jetzt war auch der Kopf des kleinen Kindes zu sehen. Es war ein Mädchen, etwa zwei oder drei Jahre alt und ebenso blass wie der Junge. sein kleines, weißes Gesicht war recht hübsch, von helllila Locken umrahmt und mit ausdrucksvollen, ockergelben Augen, die jedoch in diesem Moment vom Niesen zugekniffen waren.
Das kleine Mädchen hatte Schnupfen und hätte sich längst mal die Nase putzen müssen, was aber nicht ging, denn weder sie, noch der Junge besaß ein Taschentuch.
„I-ich frier, Nagato!“ Das kleine Mädchen schniefte, „hab Hunger!“ Es beugte sich weit vor, so dass die fast kinnlangen, lila Locken hübsch um ihr weißes Gesicht fielen.
„Ich weiß ja, Konanchen. Aber ich kann nichts machen. Ich hab auch nichts zu essen und kalt ist es hier überall“, erwiderte Nagato traurig.
Die Kleine hörte zwar, was Nagato sagte und sie verstand ihn auch. Aber sie hatte seit über zwei Tagen nichts Rechtes gegessen, fror und hatte Schnupfen. Konan war kein nachgiebiges, einsichtiges Kind. Sie war eigensinnig und wenn etwas nicht so lief, wie sie wollte, konnte sie sehr wütend werden. Jetzt hatte sie allgemein schlechte Laune und fand, dass sie damit vollkommen im Recht war. Das Wetter war wie immer furchtbar, und die fremden Männer auf dem Platz und der Kampflärm vor dem Dorf machten ihr Angst.
Was tut ein Mädchen von zwei Jahren, wenn es schlecht gelaunt ist, Angst hat und friert, außerdem einen riesigen Hunger hat? Wenn sie nicht mehr den Mund halten kann, weil ihr besorgter Beschützer ihr diesen in den letzten Tagen immer wieder zugehalten hatte, damit sie still war und niemand sie beide bemerkte?
„Neeeee! Soll nich mehr regnen! Soll aufhören! Will was essen haben! Ich friert! Konanchen is k-k-kalt!“, schrie sie.
„Konan! Scht, sei bitte leise“, ermahnte Nagato das kleine Mädchen.
„Nein! Will was zum Essen haben! Konanchen hat großen Hu-Hu-Hunger!“ weinte sie und schniefte laut. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die leicht rosa verfärbte Nase, was aber so gut wie nichts brachte.
„Konan, sei bitte still! Sonst bemerken uns die Konoha-Ninjas noch. Das ist gefährlich!“, versuchte Nagato erneut, die Kleine auf seinem Rücken, die die anderen Waisenkinder fälschlicherweise für seine kleine Schwester hielten, zu beruhigen. Sie war nicht mit ihm verwandt, sondern das Kind seiner Nachbarn. Die waren vor einem halben Jahr wie so viele andere einfach spurlos verschwunden und hatten ihre Tochter ohne Erinnerung an ihre Eltern im Haus zurückgelassen. Nagato hatte Konan gefunden, in seinem Zimmer aufgenommen und kümmerte sich seitdem um sie. Seine Eltern waren genau wie ihre längst weg.
Jetzt hatten Nagatos Beruhigungsversuche keinen Erfolg. Konan war sauer. Sie sah nicht ein, warum sie ihrem Unmut über die furchtbare Situation nicht Luft machen sollte und schrie immer lauter.
In der Mitte der Reihe der Konoha-Ninjas, die das Dorf beobachteten, standen zwei der stärksten Ninjas ihres Clans: Madara und Yoshio Uchiha.
Beide hatten endgültig genug von diesem Krieg. Und Madara, der fünfundzwanzig Jahre alt, etwas jünger als Yoshio, war, hatte als einziger das laute Weinen des kleinen Mädchens in der Hausruine registriert. Yoshio hatte Frau und Kind zuhause, er blendete die Kriegskinder aus sehr verständlichen Gründen aus, schließlich konnte sich ein Ninja im Weltkrieg keine Sentimentalitäten erlauben und Yoshio war seine Ninja-Ehre sehr wichtig. Und auch sonst achtete niemand auf den blassen Jungen mit dem kreischenden kleinen Mädchen auf seinem Rücken. Außer Madara.
Und Madara hatte längst begriffen, dass dieser Krieg nichts als Tod und Schmerz brachte. Die Kinder hier in Ame Gakure waren der beste Beweis dafür. Irgendjemand musste irgendwas dagegen tun. Jemand, der der das Schicksal dieser Kinder irgendwie in die Hand nahm.
Madara hatte selbst keine Kinder, nur Yoshios Sohn Itachi, dessen Pate er war. Doch er hatte schon ein paar Mal als Hilfslehrer an der Akademie gearbeitet und liebte es, Kinder um sich zu haben, sie zu unterrichten und in ihren Talenten zu fördern.
In diesem Moment begann es in Madaras Gehirn zu arbeiten. Es dachte nach, entwickelte einen Plan. Madara wusste, dass er derjenige war, der etwas tun musste. Er galt als der talentierteste und stärkste aktive Ninja des Uchiha-Clans, der Familie in Konoha Gakure.
In diesem Clan war so ziemlich jeder irgendwie begabt und die meisten sahen mit ihren dunklen Haaren und schön geschnittenen Gesichtern auch gut aus. Talent und Aussehen vererbten sich im Uchiha-Clan besonders auffällig, genau wie die Blutgruppe AB negativ, die bei ihnen besonders oft vorkam. Diese sonst recht seltene Blutgruppe war in den Genen an das Kekkei Genkai gebunden. Im Uchiha-Clan war es das Sharingan: Die rote Iris mit einem schwarzen, gleichmäßigen Muster um die Pupille herum. Wenn man es aktivierte, verbrauchte es viel Chakra, aber es war sehr stark, eines der stärksten bekannten Kekkei Genkai überhaupt.
Madara hatte seinen Sharingan viele Fähigkeiten angeeignet, sodass seine sonst schwarzen Augen mit den dunklen Wimpern fast immer die rote, schwarz gemusterte Färbung hatten. Es gelang ihm fast immer, genug Chakra aufzubauen. Yoshio, der neben Madara stand, hatte dagegen schwarze Augen. Er aktivierte seine Sharingan nur im Kampf.
Madara war mit Yoshio über die gemeinsame Großmutter Yoneko Uchiha verwandt, ebenso wie Yoshios Frau Ikue. Meist wurde innerhalb des Clans geheiratet, um die Blutlinie zu erhalten und neue, starke Talente hervorzubringen.
Bei Ikues und Yoshios Sohn Itachi war das offensichtlich gelungen, dieser zeigte bereits viele der ersten Anzeichen von ungeheuer vielversprechendem Talent. Das war zu erwarten, denn Ikue hatte viel vom Talent ihrer Großmutter Yoneko geerbt. Yoneko Uchiha, deren Name Freudige Katze bedeutete, war die Matriarchin des Clans, und ihr Talent schien über ihr Tochter Mino und deren Tochter Ikue an Itachi weitervererbt worden zu sein. Der Fünfjährige konnte schon perfekt lesen und schreiben, beherrschte Kunai und Shuriken, hatte sein Chakra bereits voll unter Kontrolle, und zudem zeigte er schon Anzeichen für eins der seltensten und stärksten Jutsus des Clans: Tsukuyomi.
Madara hatte mit fünf Jahren ähnliche Fähigkeiten gehabt. In der Hauptfamilie, die von Yoneko und ihrem Mann Fukuya abstammte, war die Talentdichte an höchsten und brachte Fähigkeiten hervor, die bisher bekannte Ausmaße fast mit Sicherheit überschreiten würden. Niemand konnte genau vorhersagen, welche unglaublichen Fähigkeiten Itachi entwickeln würde, wenn er jetzt mit fünf schon so weit war. Der ganze Clan, sogar das ganze Dorf, beobachtete schon jetzt gespannt und hoffnungsvoll die Entwicklung des Jungen.
Madaras Blick wanderte zu dem Jungen mit den leuchtend orangen Haaren hinüber. Das kleine Mädchen mit den lila Locken schrie noch immer. Es war erkältet, das war ja kein Wunder bei diesem Wetter. Madara fragte sich, ob er so etwas wie ein Taschentuch dabei hatte, und in seinem Kopf ratterten unzählige Gedanken. Er konnte diese Situation nicht auf sich beruhen lassen, er musste irgendetwas tun.
Er hatte Schriftstücke auswendig im Kopf, die er vor seinem inneren Auge lesen konnte und die er immer wieder für seine Entscheidungen heranzog: Schriften des Hokage der Ersten Generation, Hashirama Senjuu, den Gründer des Dorfes, den Madara wie ein Idol glühend verehrte. Madara sah sich selbst als eine Art „Vertretung“ der Ideale des Ersten Hokage für seine eigene Generation. Und diese Ideale beinhalteten, da Hashirama selbst ein enthusiastischer Lehrer gewesen war, der viel Freude an der Förderung der Jugend gehabt hatte, nun eben auch für Madara viele Ideen, die sich um Kinder und deren Förderung und Stärkung drehten.
„Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen und diese Kinder hier ihrem Schicksal überlassen! Der Junge ist noch keine zehn und das Mädchen fast noch ein Baby. Die beiden werden hier nicht überleben, nicht an diesem Ort. Ich muss irgendwas unternehmen.“
Er wandte sich zu Amaterasu um, ging hin und sah nach, ob die Waffen darin schon fertig waren. Nachdem er festgestellt hatte, dass sie Amaterasu nicht mehr brauchten, nahm er die Waffen heraus, die Flammen verschwanden in der Schriftrolle und Madara rollte diese wieder zusammen, nahm sie mit zu dem Punkt, wo Yoshio noch stand.
„Sind wir hier fertig?“, fragte Yoshio.
„Der Kampf ist vorbei“, antwortete Madara.
Konan schniefte. Sie war immer noch hungrig, fror, und das ständige Hochziehen-müssen vom Schnupfen störte sie gewaltig. Es schien ihr völlig unmöglich, auf Nagato oder ihre gemeinsame Sicherheit Rücksicht zu nehmen.
Man hätte vermuten können, dass sie ihre Eltern vermisste. Aber Konan hatte ihre Eltern schon so früh verloren, dass sie sich nicht an sie erinnern konnte. Sie vermisste sie nicht, wusste nicht einmal, dass es für andere Kinder ihres Alters ganz selbstverständlich war, welche zu haben.
„Konan, sei jetzt bitte, bitte still!“ bat Nagato mit einer Mischung aus Sorge und Überforderung. Ihm taten schon die Ohren weh von Konans Geschrei.
Und Konan wurde still. Allerdings nicht, weil Nagato sie so darum gebeten hatte, sondern weil sie auf einmal bemerkte, dass einer der Ninjas sie beide bemerkt hatte und sie seinen Blick spürte. Es war einer derjenigen, die das Dorf beobachteten, ein Mann mit langen, dichten, schwarzen Haaren, einer roten Rüstung und einem großen Fächer mit einer Sensei daran als Waffe. Eben hatte er das schwarze Feuer wieder in eine Schriftrolle zurückgeholt und jetzt stand er da und beobachtete die beiden Kinder.
Den Anblick des schwarzen Feuers waren Konan und Nagato inzwischen gewöhnt, denn in den letzten drei Wochen hatten sie es oft gesehen. Die stärksten Ninjas verwendeten es, um ihre Schwerter darin zu schärfen. Nagato hatte beobachtet, wie der Krieger, der sie jetzt anschaute, dieses Feuer aus er Schriftrolle beschworen hatte. Ein Zweck dieses seltsamen Feuers schien die Herstellung und Härtung von Schwertern, Kunai und Shuriken zu sein, die nach dem Schärfungsprozess eine schwarze, glänzende Farbe annahmen.
Dass Konan auf einmal still war, wunderte Nagato, denn normalerweise brauchte das kleine Mädchen recht lange, um sich nach einem solchen Wutanfall wieder zu beruhigen und meistens fing sie kurz danach wieder an zu schreien. Er folgte dem Blick ihrer erschrocken und erstaunt geweiteten Augen und blickte direkt in die tiefroten Augen dieses Kriegers in glänzender, tiefroter, aus mehreren, aneinandergehängten Platten bestehender Rüstung. Das schwarze Haar des Shinobis war rückenlang und sehr voll und dicht. Nagato hatte noch nie jemanden mit so langem, dichtem Haar gesehen. Aber er sah ihn nicht zum ersten Mal, denn dieser Mann, der am Rande der wachhabenden Ninja stand, war derjenige Shinobi in der Armee, der das Amaterasu-Feuer verwendete und auch der, der es wie einen vertrauten Geist beschwören konnte. Nagato wusste nicht, wie der Mann hieß, aber es war vollkommen klar, dass es sich bei ihm um einen der stärksten Konoha-Ninjas handelte.
Und es war ebenso klar, worauf in diesem Moment der Blick seiner roten Augen lag. Nicht auf dem Haus, in dessen Tür Nagato stand, sondern auf Nagato selbst und auf Konan. Der fast mitleidige Blick des Mannes galt Konans weißem Gesichtchen, das ihn verschnupft und verweint anstarrte.
„Siehst du, Konanchen, jetzt hat er uns bemerkt!“ flüsterte Nagato panisch. Er hatte sich immer verzweifelte Mühe gegeben, den Ninjas nicht aufzufallen. Doch jetzt sah es so aus, als hätte Konans unvernünftiges Geschrei sie beide in Lebensgefahr gebracht.
Ein Blick in die großen, ockergelben Augen des hungrigen, kleinen Mädchens hatte ausgereicht. In diesem Moment brachte dieses Kind das Fass für Madara zum Überlaufen. Der Plan in seinem Kopf nahm mit wahnsinniger, kühner und äußerst wagemutiger Geschwindigkeit feste Formen an. Innerhalb weniger Augenblicke stand es für ihn fest.
Madara Uchiha hatte sich entschieden. Es gab keinen anderen Weg, auch wenn dieser Weg ein aufgebender, schwieriger Weg war. Er musste es tun. Er musste sich dieser beiden Kinder annehmen, sie retten, mitnehmen, in Sicherheit bringen.
Mit ins Dorf nehmen konnte er sie jedoch nicht. Konoha hatte gesiegt und sollte Madara mit zwei Kindern aus Ame Gakure ins Dorf kommen, würden die Anbu die beiden wie Kriegsgefangene behandeln, verhören und dann ins Heim stecken. Menschen wie Homura oder Danzo würden es nicht zulassen, dass zwei Waisenkinder aus Ame in Konoha ausgebildet wurden.
Madara brauchte eine andere Idee, und die nahm in seinem Kopf schon Gestalt an. Er galt zu Recht als begeisterungsfähig, impulsiv und manchmal einzelgängerisch, wenn es um seine Ideale ging, und diese Zusammensetzung seines Wesens zeichnete in diesem Moment seinen Weg vor.
Eigentlich hatte er Hokage werden wollen. Eigentlich hatte er sogar schon mit Sarutobi, dem Hokage der dritten Generation, Absprachen getroffen, das umzusetzen. Eigentlich war Konoha Gakure der einzige Ort, an dem er leben wollte. Und er hätte auch gern zugesehen, wie sein Patensohn Itachi seine großen Talente entfaltete.
Aber er wurde nicht unbedingt gebraucht in Konoha. Es gab im Dorf genug andere starke Kämpfer und auch Menschen, die Hashirama Senjuus Ideale hoch hielten.
Gebraucht wurde er hier. Diese beiden blassen, frierenden Kinder brauchten Hilfe. Und Madara spürte eine seltsame Vertrautheit zu den beiden. Er würde hier und jetzt nicht noch einmal wegsehen und zulassen, dass Kinder litten. Er würde ihnen helfen. Und zwar jetzt und sofort. Bevor er sich zu einem schnellen und möglichst undefinierten Abschied zu Yoshio umwandte, atmete er noch einmal tief durch.
„Yoshio, ich hab da drüben etwas entdeckt. Das haben die aber gut versteckt. Ich geh mal eben da rüber und überprüfe das.“ Es waren keine wirklichen Abschiedsworte. Yoshio sollte schließlich nicht merken, dass Madara nur ein paar Schritte vor der Desertation stand. Ein paar Schritte zwischen dem Punkt, wo er stand, und dem zerstörten Haus, in dessen Tür die Kinder standen.
„In Ordnung. Wenn es Sprengfallen sind, entschärfst du sie. Das dürfte doch kein Problem für dich sein, Madara“, erwiderte Yoshio.
Dann drehte Madara sich um und ging zu dem halbzerstörten Haus hinüber. Er achtete sorgfältig darauf, unauffällig zwischen Yoshios Blickfeld und den Kindern zu gehen, damit Yoshio die beiden nicht als sein wahres Ziel erkannte.
In seiner Gürteltasche suchte Madara schon nach dem Tuch, das er immer dann benutzte, wenn seine Augen nach der häufigen Benutzung der Sharingan tränten.
Am Rand des Lagers stand noch Madaras Armeerucksack. Es fiel wohl nicht auf, wenn er seine Ausrüstung zu einer vermeintlichen Bombenentschärfung mitnahm. Er griff den Rucksack, schulterte den Kampffächer Gunbai und schritt mit dem Tuch in der linken Hand auf die verängstigt erstarrten Kinder zu.
Als der rotäugige Ninja auf sie zukam, tat Konan ihr wütendes Geschrei leid. Sie merkte jetzt doch, dass sie Nagato und sich selbst in Gefahr gebracht hatte. Aber jetzt war es zu spät. Der Mann mit dem dichten, langen, schwarzen Haar kam zielstrebig auf sie zu. Konan war viel zu erschrocken, um zu schreien oder etwas zu sagen. Und auch Nagato schien wie am Boden festgewachsen zu sein. An Flucht war gar nicht zu denken.
„Ich lass nicht zu, dass jemand Konan etwas tut!“, dachte Nagato nur, „ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“
Der Ninja blieb genau einen Schritt vor Nagato und Konan stehen. Erst blickte er sie nur an, dann lächelte er.
„Habt keine Angst. Ich will euch nichts tun“, sagte er und streckte seine linke Hand aus, „Hier, kleines Mädchen, das ist für dich. Du siehst ganz verschnupft aus.“
Konan starrte ihn nur stumm an. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte: Ein feindlicher Ninjakrieger lächelte sie an und bot ihr sein Taschentuch an.
„Ich tu euch nichts“, wiederholte der Ninja. „Ihr könnt mir vertrauen. Und du, Kleine, du siehst doch mit sauberer Nase viel hübscher aus.“
Endlich fand Nagato seine Sprach wieder.
„Was wollen Sie?“ fragte er misstrauisch.
Der Ninja sah sich kurz um, zu einem anderen Kämpfer, der, neben dem er zuvor gestanden hatte. Er hob die Hand, winkte diesem zu und rief: „Alles klar, ich habs gefunden.“ Der andere Kämpfer hob ebenso die Hand und nickte.
„Alles klar, ich habs gefunden“, dachte Madara seine Abschiedsworte noch einmal. Für Yoshio bedeuteten sie in diesem Moment nur, dass er seine Arbeit machte, doch Madara selbst fühlte dabei ein „Ich habe gefunden, was ich tun kann, um das hier zu beenden.“
„Komm“, wandte er sich leise an die beiden Kinder. „Gehen wir hier ins Haus, ihr müsst von dem Platz hier weg.“
Der Junge mit den orangenen Haaren sah ihn skeptisch an, folgte aber der Anweisung.
„Ihr könnt nicht hier bleiben. Das ist viel zu gefährlich und wenn ihr weiter in diesem endlosen Regen lebt, bekommt ihr noch beide eine Lungenentzündung. Außerdem habt ihr doch kaum noch was zum Essen, hab ich Recht?“, sagte Madara, als Yoshio sie nicht mehr sehen konnte.
„Sie wollen uns … helfen?“ fragte Nagato. Er konnte es nicht glauben. Ein feindlicher Ninja aus Konoha Gakure bot ihm und Konan seine Hilfe an?! War das eine Falle?
Der Ninja lächelte wieder. Er hielt Konan das Tuch direkt vor die Nase. Konan sah direkt in seine Augen. Sie wirkten schon etwas unheimlich mit dem seltsamen, schwarzen Muster, aber sie lächelten. Und Konan, das kleine Mädchen von zwei Jahren, war schon überzeugt. Sie griff nach dem weißen Tuch.
„Danke chön.“ flüsterte sie und wischte mit dem Tuch über ihre Augen. Es war so schön weiß, mit einem aufgestickten, rotweißen Blattfächer in einer Ecke. Zum Naseputzen nahm Konan lieber den Ärmel ihres ohnehin schon schmutzigen Kleidchens.
„So, und jetzt müsst ihr hier weg. Nehmt eure Sachen und dann bring ich euch an einen sicheren Ort.“ sagte der Ninja.
„Wissen Sie denn einen?“ wollte Nagato wissen. Er traute dem Fremden noch immer nicht ganz.
„Ja, ich weiß einen Ort. Aber wir müssen schnell weggehen.“ Der Ninja sah sich kurz in der Hausruine um. Auf dem kalten Boden, unter den Resten einer Treppe, dem einzigen Platz im zerstörten Haus, wo es nicht reinregnete, lagen der Futon, den Nagato sich mit Konan teilte und zwei mittelgroße Taschen, die den gesamten Besitz der beiden enthielten.
„Sie haben uns noch nicht mal gesagt, wie Sie heißen“, sagte Nagato, während er Konan auf dem Boden absetzte, um die Taschen und den Futon zu verpacken.
„Mein Name ist Madara Uchiha“, antwortete der Ninjakrieger. „Ihr zwei könnt gern Du zu mir sagen.“
„Hm… du heißt Dara?“ fragte Konan, du inzwischen auf dem Boden saß, und schaute zu Madara auf. Der musste lächeln.
„Ma-da-ra, Konanchen, nicht Dara.“ berichtigte Nagato das kleine Mädchen.
Madara lächelte wieder. „Das ist schon in Ordnung. Dara nennen mich viele.“
„Und du, wie heißt du?“, fragte er dann.
„Ich bin Nagato, und sie heißt Konan.“
Madara half Nagato, den Futon zu verpacken. Jetzt musste alles möglichst schnell gehen. Das Haus hatte einen hinteren Ausgang und von da führte ein Weg durch mehrere Hinterhöfe. Jetzt kam es darauf an, dass niemand sie bemerkte.
Nagato hatte sich die beiden schweren Taschen umgehängt und trug dazu noch den Regenschirm. Wenn er jetzt noch Konan auf seinen Rücken nahm, würde das vielleicht zu schwer für ihn werden.
„Da tu ich aber nich mehr zwischenpassen“, bemerkte Konan wahrheitsgemäß und zeigte auf Nagatos Rücken und die schweren Taschen. Sie hatte sich schnell mit dem Gedanken angefreundet, von hier wegzukommen. Vielleicht schien ja da, wo Madara mit ihr und Nagato hinwollte, die Sonne? Sie hatte in ihrem Leben bisher kaum Sonnenschein erlebt, nur ein paar Mal, und das hatte ihr gefallen. Den ganzen Tag Sonne, das musste herrlich sein!
„Das stimmt. Das wäre wirklich zu schwer. Du kannst ja kaum die beiden Taschen tragen“, sagte Madara und befestigte den Futon an seinem Armeerucksack.
„Du kannst mich doch tragen, Dara.“ Konans Augen leuchten bei dem Gedanken, auf Madaras Schultern sitzen zu dürfen und dieses lange, dichte Haar fühlen zu dürfen.
Madara lächelte, schob sein Haar beiseite, hob Konan vorsichtig hoch und setzte sie auf seine Schultern. Er spürte die Verantwortung, die er jetzt mit dem kleinen Mädchen trug und war sich jetzt ganz sicher, das richtige zu tun und sich richtig entschieden zu haben.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Von diesem Moment an war er, Madara Uchiha, aus Konohas Sicht abtrünnig und trug die ganze Verantwortung für die Kinder. Vielleicht hatte er überstützt gehandelt, nicht genug darüber nachgedacht.
Nein, denn er hatte ja schon lange vorher genug vom Kämpfen in diesem Krieg gehabt. Spätestens, als Kumo Gakure einen Bijuu-Geist, die Zweischwänzige Katze, in den Kampf geschickt hatte, war Madara der Krieg endgültig zuwider gewesen. Denn die Zweischwänzige Katze, Nibi genannt, war in einem Menschen versiegelt, der damit zur Jinchu-Kraft gemacht worden war, und diesen Menschen hatte Kumo gezwungen, sich unter größtem eigenen Risiko und Schmerzen immer wieder in Nibi zu verwandeln. Madara hatte alles nach Informationen abgesucht, die helfen könnten, dieses Geschehen zu verhindern und war fündig geworden. An der Idee, die er mithilfe dieser Informationen bekommen hatte, musste er allerdings noch arbeiten. Vielleicht, so hoffte Madara, ließ sich mit dieser Idee die Welt verbessern. Einen kurzen Moment dachte er an seinen jüngeren Halbbruder Izuna, der Konoha vor Jahren im Alter von fünfzehn verlassen hatte und der seitdem irgendwo war, wo ihn bisher niemand gefunden hatte.
„Das ist auch für dich, Izuna. Die Welt muss ein Stück besser werden“, dachte Madara.
Nagato kletterte hinter Madara über Trümmer und Gräben, die sich durch ganz Ame zogen. Die Trageriemen der beiden vollgepackten Taschen schmerzten auf seinen Schultern. Aber sowas machte Nagato schon lange nichts mehr aus. Er wusste zwar, dass er sieben Jahre alt war, aber der Krieg hatte seine Spuren in Nagatos Seele und auf Gesicht und Körper hinterlassen. Seine Züge waren ernst, sein Körper sehnig und ausgehungert, seine Seele hatte die Farbe einer fast sternlosen Nacht. Die Sterne hießen alle Konan.
Er hob den Kopf und warf einen Blick auf Konan, die noch immer auf Madaras Schultern saß und sich müde in dessen dichtes, volles Haar kuschelte, das wie ein langes Fell um sie herumwehte.
Nagato war immer noch misstrauisch, aber solange Madara gut zu Konan war, würde er dem Ninja keine Widerworte geben.
„Wenn Madara sich mein Vertrauen verdient hat“, dachte Nagato, „... dann werde ich ihn vielleicht bitten, mir etwas beizubringen. Dann werde ich auch ein Ninja. Möglicherweise habe ich ja Talent.“
Meine Mama hatte eine beste Freundin: Kushina Uzumaki. Mit ihr war sie bereits seit ihrer beider Schulzeit befreundet, die beiden hatten die Ausbildung zusammen gemacht, Mama als Medizinerin und Kushina als Kämpferin, und beide hatten in einem Team mit einem anderen Mädchen namens Maiya Hatake, die eine entfernte Verwandte von Kakashi Hatake war, gearbeitet. Kushina war entfernt mit der Senjuu-Familie verwandt und war eine Mittelstreckenkämpferin, und ich wusste, dass ihre Teamarbeit daraus bestanden hatte, dass Mama ihr im Kampf meist dann aus der hinteren Reihe den Rücken frei gehalten hatte.
Manchmal trafen die beiden sich noch zum Training, aber eher selten, weil Mama sich eben gegen den Kampf entschieden hatte, als ich unterwegs gewesen war.
Kushina war eine lebhafte, strahlende, unübersehbare Erscheinung mit ihren langen, leuchtend roten Haaren, ihrer lauten, hellen Stimme und ihrem überschwappenden Temperament. Mama war ganz anders, ruhiger und weniger lebhaft, aber dennoch war ihre Freundschaft harmonisch, und ich freute mich immer, wenn Kushina uns besuchte. Sie hatte einfach diese mitreißende Fröhlichkeit, mit der sie sogar ein so stilles Kind, wie ich es war, aus dem Schneckenhaus locken und zu ausgelassenen Spielen ermutigen konnte.
Oft, wenn Kushina uns besuchte, brachte sie jemanden mit, einen Mann, den ich auch kannte: Minato Namikaze. Minato war etwas älter, und auch ruhiger und gelassener als die sprudelnde, laute Kushina, aber die beiden wirkten trotzdem wie ein sehr harmonisches Paar. Ich musste oft an einen leuchtenden Regenbogen denken, weil Kushinas rotes und Minatos blondes Haar und ihrer beider blaue Augen im Vergleich zu den eher gedeckten Farben meiner Eltern so lebendig und bunt aussahen.
Ob ich mich damals schon fragte, wie ein Kind der beiden wohl aussehen und sein würde, weiß ich heute nicht mehr. Aber rückblickend ist Naruto, obwohl er seine Eltern ja nie kennen gelernt hat, so sehr Minatos und Kushinas Sohn, besonders seiner Mama ist er in seinem Wesen so ähnlich!
Im Unterschied zu meiner Mama, die seit meiner Geburt nicht mehr aktiv als Shinobi arbeitete, war Kushina noch im aktiven Dienst.
Und Minato, der sich im Krieg als „Konohas gelber Blitz“ einen Namen gemacht hatte, weil er wirklich unglaublich schnell war, arbeitete zu dieser Zeit schon daran, Hokage zu werden. Als er mitbekam, dass ich später auch gern Hokage werden wollte, sprach er mich darauf an, und in diesem Gespräch erfuhr ich dann, dass Minato auch von Madaras Hokage-Wunsch wusste.
„… Er kommt aber wohl nicht mehr wieder …“, sagte er dann.
Der Gedanke, dass Madara fort war, machte mich immer noch traurig, und ich blickte zu Boden.
Minato hockte sich vor mich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. „Vermisst du Madara?“
Ich nickte nur.
„Es ist seltsam, wenn so jemand wie er einfach verschwindet. Aber … ich muss gestehen, dass es so für mich natürlich einfacher ist … Ich meine, Hokage zu werden. Ich hätte ungern einen Konkurrenzkampf gegen Madara geführt …“
„M-hm …“, machte ich leise. Ja, für Minato war es so sicher einfacher. Er war wirklich richtig, richtig gut, und ich konnte ihn mir auch gut als Hokage vorstellen. Ein Konkurrenzkampf zwischen ihm und Madara um das Amt des Hokage hätte unangenehm werden können, und so war ich da fast ein bisschen froh, dass Dara nicht mehr hier war.
Manchmal fragte ich mich, was Madara wohl gerade machte und ob es ihm wohl gut ging. Auch wenn er nun offiziell als gefallen und tot galt, so richtig glauben konnte ich das nicht. Allein deshalb schon, weil er so enorm stark war. Ich hatte, ohne es erklären zu können, so ein ganz bestimmtes Gefühl, dass er noch am Leben war …
Er war noch irgendwo da draußen, tat irgendwas, was ihm wichtig gewesen sein musste, aber was genau, auf diese Frage hatte niemand in Konoha Gakure eine Antwort.
Ungefähr ein Jahr ging das so, ich ging zum Training mit Papa, begleitete Yoneko ins Teehaus, und zwischendrin half ich Mama in der Praxis mit kleinen Tätigkeiten aus.
Damals hatte ich eine gewisse Scheu vor Spinnen, Spritzen und Hohlnadeln, die mir diese Aufgaben etwas erschwerten, fast so etwas wie eine Phobie. Mama vermutete, dass sich darin meine seelische Überforderung ausdrückte und versuchte, zwischen mir und Yoneko einen Abstand herzustellen. Da sich das als schwierig erwies, passte Mama dann in den Zeiten, in denen ich mit ihr alleine war, umso mehr auf, dass ich mich ausruhen und erholen konnte.
Ich war immer noch dasselbe „Mamakind“, und je stärker ich wurde und je mehr damit auch zum Ninja, umso mehr brauchte ich zum Ausgleich die Nähe zu Mama, das normale, ruhige und vor allem kampffreie Dasein bei ihr. Wenn ich Mama bei der Arbeit im Haus oder in der Praxis zusah, stellte ich mir manchmal vor, dass ich genau so wurde wie sie, und diese Vorstellung gefiel mir sehr.
Im Sommer 1988 war es dann so weit, dass Yoneko und Papa öfter darüber sprachen, dass meine Sharingan „immer noch nicht“ erwacht waren und es dafür nun Zeit wurde.
Es war Mitte August, ich war gerade sieben Jahre alt geworden und damit eigentlich, gemessen an anderen Kindern meines Alters, noch viel zu jung dafür. Aber ich war meinen Altersgenossen schon so weit voraus, dass fast niemand mehr danach fragte, wie jung ich war. Es gab inzwischen eine ganze Menge ‚Sonderregeln‘ für mich, die auch den Kinderschutz in Bezug auf Training und Jutsus in meinem Fall teilweise außer Kraft setzten, sodass ich nun wirklich kaum mehr das Gefühl hatte, ein Kind zu sein. Ich war immer noch Genin, trainierte und arbeitete aber längst wie ein Chuunin, und meine Gedankenwelt hatte kaum noch etwas gemeinsam mit einem Kind.
Das Tsukuyomi war inzwischen ein fester, nicht wegdenkbarer Teil meines Wesens geworden, und ich hatte gelernt, es in mir zu öffnen und hinein zu gehen. Es war wie ein großer Raum in meiner Innenwelt, den ich nicht nur im Training, sondern auch im alltäglichen Leben benutzte, um mich zurück zu ziehen. Dort drinnen war ich allein, hatte meine Ruhe und konnte mich vom Training und von den Missionen, auf die ich inzwischen mitgenommen wurde, erholen.
Ich war inzwischen öfter mit anderen Ninjas unterwegs, in wechselnden Teams mit anderen Ge- und Chuunin, auf Missionen, bei denen ich dem jeweiligen Team meist als Stratege diente. Manchmal musste ich auch mitkämpfen, wobei ich als Langstrecken-Distanzkämpfer meistens Feuerversteck-Ninjutsu und natürlich Genjutsu benutzte. Taijutsu blieben das, was ich am wenigsten mochte, und weil ich aufgrund meines jungen Alters ja kleiner war als meine Teamkameraden, schützten diese mich auch davor, in der ersten Reihe kämpfen zu müssen.
Da meine Sharingan noch nicht erwacht waren, konnte ich, obwohl ich Genjutsu inzwischen intuitiv beherrschte, diese noch nicht in dem Maße anwenden, wie es sein sollte, und so beschloss Papa, dass es nun Zeit wurde, sie zu wecken, damit ich meine Fähigkeiten weiter potenzieren konnte.
Am Abend vorher hatten er und Mama wieder Streit, ich hörte es von meinem Zimmer aus. Mama war nicht dagegen, dass ich meine Sharingan erweckte, aber die Umstände und die Art, wie man für gewöhnlich bei jemandem die Sharingan aktivierte, beunruhigten sie.
„Natürlich braucht Itachi die Sharingan, das weiß ich! Aber wenn du ihn im Training so hart ran nimmst, dass er sie aus Not aktiviert, dann geht in ihm vielleicht was kaputt! Yoshio, unser Sohn ist kein Kämpfertyp, und das weißt du auch!“
„Du packst ihn viel zu sehr in Watte, Ikue!“
„In Watte packen? Falls du es mal wieder vergessen hast, Itachi ist hochsensibel, das ist seine Natur! Du kannst aus ihm nicht auf Biegen und Brechen einen Ninja machen!“
„Aber wir leben nun mal in einer Welt, in der man kämpfen muss! Und besser, er lernt das! Mediziner kann er immer noch werden, aber er hat auch eine Aufgabe für Konoha, und ich werde ihm beibringen, wie er sie erfüllen kann.“
Einen Moment herrschte Stille, dann hörte ich Mama antworten, ihre Stimme klang nach Weinen: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken, oder?!“
Wieder Stille. Dann hörte ich Schritte, die Küchentür wurde mit einem Ruck zugezogen, Mama kam die Treppe rauf. Ich hörte, dass sie weinte, und wagte doch nicht, aufzustehen und zu ihr zu gehen.
Am nächsten Morgen kam Papa in mein Zimmer. Ich saß an meinem Schreibtisch und lernte mit einem Buch über Feuerversteck-Jutsu, und als er die Tür öffnete, drehte ich mich zu ihm um.
„Komm, zieh dir Trainingssachen an, pack deine Waffen zusammen, wir gehen zwei Tage auf Trainingsreise“, sagte er.
Ich dachte an Mama, daran, was ich gestern gehört hatte, und fragte: „Wohin?“
„In den Wald, in Richtung der Berge“, antwortete Papa. „Mama weiß Bescheid, sie hat sich wieder beruhigt.“
Ich stand auf, ging an Papa vorbei die Treppe hinunter in die Küche. Mama saß am Küchentisch und las etwas. Als ich hereinkam, sah sie auf.
„Geh mit deinem Vater mit, Itachi. Und wenn ihr wieder zurück seid, mache ich einen schönen Ausflug mit dir, okay?“, sagte sie.
Ich ging zu ihr hin und sie umarmte mich, strich mir durchs Haar und drückte einen Kuss auf meine Stirn.
„Mama, geht’s dir gut?“, fragte ich.
„Ja, Spatz, es ist alles gut.“ Mama lächelte. „Pass schön auf dich auf, ja?“
Und so packte ich alles Notwendige zusammen, und Papa und ich verließen das Dorf durch das große Haupttor. Der Wächter am Tor begrüßte uns und fragte, wohin wir wollten, und Papa antwortete: „Wir gehen in die Berge zum Training.“
„Viel Erfolg!“, erwiderte der Wächter. „Gebt alles!“
Wir nahmen zuerst die Straße, die rund um das Dorf führte, und am Felsmassiv mit den Hokage-Gesichtern bogen wir in den Wald ab, nahmen den Weg durch die Baumkronen.
Papa voraus, ich hinterher, und während der Wind durch mein Haar fuhr und ich von einem Ast zum nächsten sprang, dachte ich an Mama und hoffte, dass sie sich nicht zu große Sorgen um mich machte. Und wieder kam ich mit den Gedanken darauf, dass ich mir einen kleinen Bruder wünschte, damit ich nicht mehr so allein war.
Nach etwa eineinhalb Stunden kamen wir an ein kleines Gasthaus, in dem wir uns ein Zimmer mieteten. Es gab auch etwas zu essen, Papa aß Reisbällchen und ich ein paar süße Dango mit Sauce.
Nach dem Essen gingen wir wieder ein Stück in den Wald hinein, zu einer Lichtung, die Papa schon kannte. Wir hatten das Reisegepäck im Gasthaus gelassen und nur Waffen mit zu dieser Lichtung genommen, mehrere Kunai, viele Shuriken und zwei Paar Tonfa, und Papa hatte sein Schwert dabei. Aus einer langen, schmalen Tasche an seinem Gürtel zog Papa außerdem ein gerades Kurzschwert, und ich erkannte meinen Namen auf dem Griff.
„Du bist jetzt alt genug für ein kleines Schwert, mein Sohn“, sagte er und reichte es mir.
Ich nahm es mit beiden Händen an. Auf dem Griff war neben meinem Namen auch unser Familienwappen, der rot-weiße Blattfächer, eingraviert, und als ich das Schwert aus der Ummantelung zog, sah ich, dass die Klinge zwar ganz gerade war, aber dennoch das typische Wellenmuster eines edlen Katana-Schwertes hatte.
„Vielen Dank, Papa“, sagte ich und verbeugte mich leicht.
„Fangen wir an!“, gab Papa das Signal, dass ich mein neues Schwert gleich ausprobieren sollte. Er ging in Kampfhaltung, ich ebenso, und im nächsten Moment hatte er seine Sharingan aktiviert und lief auf mich zu.
Ich sprang rückwärts zurück und entschloss mich binnen Millisekunden für das Jutsu der Phönixblume, das ich von allen Feuerversteck-Jutsus am liebsten benutzte. Papa wich den Flammen aus, kaum dass ich sie erschaffen hatte, er hatte das Jutsu längst mit seinen Sharingan vorausgesehen. Ich warf ein Shuriken, auch dem wich er schon im Voraus aus, und als ich versuchte, ihm näher zu kommen, um mein neues Schwert einzusetzen, verschwand er im dicht belaubten Geäst eines Baumes.
Noch war dieses Training genau so, wie wir es schon immer machten, doch ich wusste, das würde nicht so bleiben. Papa wollte, dass meine Sharingan erwachten, und das bedeutete, dass er mich, jetzt oder später, ernsthafter angreifen würde. Einen Moment lang dachte ich an Mama, daran, dass ich sehr froh war, dass es nicht ihre Aufgabe war, mich zu trainieren, sondern Papas. Bei Mama würde ich mich später erholen können.
Zu lange durfte ich dem Gedanken an Zuhause nicht nachgehen, ich musste mich konzentrieren. Ich lauschte auf das Rauschen der Blätter, auf den Wind und jedes Geräusch in meiner Umgebung, wachsam und immer mit der Frage, wo und wann Papa wieder auftauchen und mich angreifen würde. Ich wusste, dass er mich beobachtete und auf einen Schwachpunkt meinerseits wartete.
Meine Hände warteten aufmerksam auf einen Befehl meines Geistes: Shuriken greifen? Fingerzeichen schließen? Und meine Beine waren bereit zum Sprung.
Einen Moment später hörte ich ein ganz leichtes Rascheln über mir, ich sah blitzartig nach oben und sprang gleichzeitig zurück, und eine Sekunde später steckten drei Kunai an dem Punkt, wo ich eben noch gestanden hatte. Ich hatte Papa nicht gesehen, nur gehört, und nach dem Angriff war er wieder verschwunden, nicht auszumachen. Wieder raschelte es irgendwo, und ich sprang zurück, noch einmal und noch einmal, und zum ersten Mal dachte ich: „Gleich bräuchte ich Sharingan. Ich weiß nicht, wo ist er, wann greift er wieder an?“
Ein Gedanke zu viel, zu lang, auf einmal stand er hinter mir und ich spürte ein Kunai unten an meinem Hals, bei meiner Schulter.
Ich spürte mein Herz klopfen, das Adrenalin rauschte durch meinen Körper.
„Was machst du jetzt?“, fragte Papa hinter mir.
Und auf einmal sah ich Mama vor mir stehen. Es konnte nicht sein, es war ein Genjutsu, Mama war zu Hause und wartete auf mich. Und als auch Shisui vor mir auftauchte, wusste ich, was Papa vorhatte.
Papas Schattendoppelgänger griff Shisui an. Mama war wieder verschwunden, ihre Erscheinung sollte mich nur ablenken, und so sah ich zu, wie Shisui vor Papa zurückwich. Shisui war zwar schon dreizehn, aber er sah nicht fit aus, und obwohl ich wusste, dass es ein Genjutsu war, bekam ich Angst um ihn, so direkt und deutlich, wie Papa ihn immer wieder angriff.
Und während Papas Doppelgänger gegen Shisui kämpfte, verwickelte Papa mich wieder selbst in einem Kampf. Oder war es anders herum? Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass Shisui doch wirklich hier war, und dann kam er auf mich zu, griff mich auf einmal an!
Im nächsten Augenblick sah ich mich zwei Gegnern gegenüber, Papa und Shisui! Ich wich zurück, warf zwei Shuriken, Papa kam immer näher, ich sah seine Sharingan und schleuderte ihm noch eine Phönixblume entgegen, doch als ich noch einen Sprung rückwärts machte, prallte ich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
Shisui war schneller als Papa und warf ein Shuriken, dem ich nur geradeso ausweichen konnte, und ich spürte, wie in meiner Innenwelt das Tsukuyomi erwachte und seine Tür öffnete. Ein Teil von mir wollte darin versinken, da hinein fliehen, ein anderer Teil fand einen Punkt darin, wie einen Schalter, an den ich bisher nicht heran gekommen war. War das der Punkt, an dem ich meine Sharingan erwecken sollte?
Eine Sekunde später musste ich wieder ins Außen zurück, denn Papa kam mit gezogenem Schwert auf mich zu, neben ihm Shisui, von dem ich nun wirklich nicht mehr wusste, ob er echt hier war oder nicht, mit je einem Kunai in jeder Hand. Und hinter mir, ich wusste nicht, ob durch den Baumstamm hindurch oder über mir mit Chakra am Stamm stehend, spürte ich zwei Doppelgänger von Papa, keine Schattendoppelgänger, sondern wohl welche aus festem Material, ein Tausch- und Verwandlungsjutsu auf hohem Niveau …!
Ich blickte schnell hinter mich, nur eine Millisekunde zu lange, die Shisui nutzte, um mich anzugreifen, die beiden Kunai landeten links und rechts neben meinem Kopf und mit einem dritten Kunai griff er meinen Kopf direkt an.
„Er ist nicht echt“, versuchte ich mir innerlich zu sagen, aber das Genjutsu und Papas Doppelgänger hinter mir waren so stark, und dann kam Papa von oben, während Shisui mit dem Kunai meine Aufmerksamkeit beanspruchte, einen ganz kurzen und zugleich ewig lang scheinenden Augenblick sah ich alles wie in Zeitlupe und wusste, ich konnte jetzt nicht einfach so ausweichen, ich saß in der Falle!
Intuitiv schloss ich die Augen, spürte eine gewaltige Welle aus Adrenalin und Chakra in mir, und wusste, wenn das hier so weiter ging, würden gleich meine Sharingan erwachen, ich spürte schon ein Kribbeln hinter meinen Augen.
Es war seltsam, wie schaffte Papa es, mich mit diesem einfachen Genjutsu so weit zu bringen? Es war doch nur ein Genjutsu! Oder?
Ich spannte meinen ganzen Körper an, versuchte, das Genjutsu zu lösen, eigentlich konnte ich das doch! Tatsächlich verschwand Shisui endlich, er war wirklich doch nur eine Illusion gewesen, aber Papa blieb, und auch die Doppelgänger hinter meinem Rücken waren noch da.
„Sehr gut“, hörte ich seine Stimme, und dachte, vielleicht machten wir jetzt eine kleine Pause?
Doch einen Moment später war da wieder ein Rascheln über mir, obwohl Papa vor mir stand. Ich spürte und erkannte Papas Chakra, sodass ich wusste, er stand vor mir, ohne dass ich die Augen öffnen musste. Doch das Chakra über mir war nicht Papa. Es gehörte zu jemand anderem, jemandem, den ich nicht kannte!
„Papa?“, fragte ich leise, atemlos.
Er antwortete nicht. Und ich wusste, die andere Person über mir war echt, kein Genjutsu und kein Doppelgänger.
Ich hörte das Zischen von drei wirbelnden Shuriken, wich ihnen blind aus, und griff dann nach meinem neuen Schwert, zog es und versuchte einen ersten Schlag damit in Richtung des Gegners über mir, sah ihn nun auch. Es war jemand in der Uniform der Anbu-Einheit, und er trug eine Tiermaske, wie die meisten Anbu-Mitglieder, die ja meist anonym arbeiteten. Und er hatte ein langes Schwert, eines, gegen das meines wie ein Kinderspielzeug aussah.
Ich wich aus, doch sofort kam der nächste Schlag, den ich parierte und dachte nur, ganz kurz: „Das hier ist verabredet. Der Typ da ist ein Anbu, der kennt uns.“
Es blieb nur ein Schluss: Papa hatte diesen Ninja dazu bestellt, er war in den Plan dieses Trainings eingeweiht. Es war ein Anbu mit dem zusätzlichen Abzeichen der Konoha-Polizei auf der Uniform, also einer von Papas Untergebenen und aus unserem Clan.
Wieder griff der Mann mich an, und er drängte mich tiefer in den Wald, weg von der Lichtung. Vorhin hatte ich gesehen, dass die Lichtung von sehr dichtem Unterholz umgeben war, und in diesem dichten Gestrüpp würde es schwierig werden, Angriffen auszuweichen.
Ich musste nun wirklich aufpassen, denn zwar wusste ich, dass Papa da war und aufpasste, dass ich nicht umkam, aber wenn ich gegen jemanden aus der Polizeiabteilung der Anbu kämpfen sollte, musste ich von diesem auf alles gefasst sein. Anbu-Ninja taten ohne jede Frage nicht mehr und nicht weniger als das, was ihnen befohlen wurde, und dieser Mann hatte offensichtlich den Auftrag, mich an den Rand meiner Kräfte zu bringen, damit am Ende meine Sharingan erwachten.
Ich sprach nicht, rief nicht nach Papa, und auch der Anbu sprach kein einziges Wort. Papa war irgendwo über uns, aber so weit entfernt, dass ich wusste, er würde das jetzt nur noch beobachten, weder eingreifen, noch das Ganze selbst steigern.
Die Schwerthiebe kamen immer schneller, und das Kribbeln hinter meinen Augen würde stärker und stärker, je schneller mein Gegner mich immer wieder angriff und es für meine Augen bald unmöglich wurde, die Bewegungen überhaupt zu erkennen. Ich parierte und wich aus, und es wurde immer klarer, dass ich den Anbu meinerseits angreifen musste.
Ich sah auf seine Beine, versuchte daraus seine Bewegungen zu lesen, und als er mit dem Schwert über mich hinweg rauschte, griff ich sein rechtes Knie an und hoffte, dass er als Rechtshänder auf der rechten Seite seine Kraft hatte.
Doch er zog ein Kunai aus seiner Waffentasche am Gürtel und griff mich nun mit diesem und seinem Schwert an, sodass es für mich langsam aber sicher unmöglich wurde, überhaupt wirklich an ihn heran zu kommen!
Dadurch, dass er nicht sprach, wirkten seine Angriffe bedrohlicher als alles, was ich bisher aus Trainingskämpfen kannte, und ich konnte Papa nicht mehr in meiner Nähe erkennen, ich war jetzt alleine mit diesem Anbu.
Das Kribbeln in meinem Kopf, hinter meinen Augen und durch mein ganzes Gehirn, wurde so stark, dass ich mich zuerst kaum noch auf den Kampf konzentrieren konnte, es sammelte sich Druck, und ich fragte mich einen Augenblick lang, ob es nur diese Situation war, die meine Sharingan weckte, oder ob ich jetzt vielleicht einfach nur alt genug dafür war? Tsukuyomi war ja auch einfach aufgetaucht in mir, ohne dass ich viel dafür getan hatte.
Ich wusste es nicht, da mein körperliches Alter, sieben Jahre, schon lange nichts mehr mit meinem geistigen und seelischen Alter zu tun hatte. Ich war schon lange kein Kind mehr und wusste auch nicht mehr, wie sich so ein echtes Kindsein für mich angefühlt hatte, ja ob ich denn jemals eines gewesen war …
Ich schloss die Augen, wich wieder einem Hieb aus, und in diesem kurzen Augenblick, der sich auf einmal unendlich lang anfühlte, überrollte mich das kribbelnde Gefühl, ich versank in meiner Innenwelt, im Tsukuyomi, das mich aufnahm und dann wieder losließ, und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich das Chakra meines Gegners, seine Kraft und seine Bewegungen, in einer Weise, die ich noch nie erlebt hatte, alle seine Bewegungen, irgendwie langsamer, wie in Zeitlupe, so als läge über jeder Bewegung, die er machte, eine Art Filterbild, das mir zeigte, was er gleich tun würde.
Ich spürte eine unglaubliche Kraft in mir, mit einem Mal waren die Ketten, in denen meine Fähigkeiten gelegen hatten und darin gewachsen waren, gesprengt und zerrissen, und innerhalb eines unendlichen Moments entfalteten sie sich, ich sah mir selbst zu, wie ich sprang, den Kopf des Anbu angriff, seinen Bewegungen jetzt so leicht ausweichen konnte, weil ich sie nun voraussah, und als ich nah genug war, trafen sich mein und sein Blick, und in mir öffnete sich intuitiv mein Tsukuyomi, das viele Üben in meiner Innenwelt zeigte sein Ergebnis und ich nahm meinen Gegner mit hinein, griff ihn dort, in meiner inneren Heimat, in der ich mich auskannte wie nirgends sonst, endlich an, brach seine Verteidigung und hörte ihn überrascht aufkeuchen, ehe ich ihn an der Schulter erwischte und mein neues Schwert auf sein Schlüsselbein niedersausen ließ.
Der Anbu schrie nicht, doch ich sah, dass ich ihn getroffen und verletzt hatte, und im nächsten Moment schloss sich Tsukuyomi und wir waren wieder im Wald. Doch nun war die Situation eine andere, er stand vornübergebeugt vor mir und ich sah Blut aus der Wunde an seiner Schulter in seine Kleider sickern. Ich hatte erst gedacht, ich hätte ihn nur mit dem Rücken der Klinge geschlagen, doch nun hatte ich das Schwert anders herum in der Hand, hatte ihn also mit der Klinge direkt erwischt.
Ich hatte ihn noch nicht besiegt, doch er hatte sein Ziel erreicht, seinen Auftrag erfüllt, und ich wusste, der Kampf war vorbei.
Papa kam von einem der Bäume herunter, stand mit einem Sprung wieder vor mir. Er hatte immer noch seine Sharingan aktiviert, doch er lächelte, schien stolz zu sein.
Ich konnte noch nicht sprechen, atmete schwer und meine Augen fühlten sich ganz seltsam an, irgendwie fremd und sehr erschöpft und müde …
„Gut gemacht, mein Sohn“, sagte Papa und trat vor mich, kniete sich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. Dann zog er ein Tuch aus seiner Tasche, reichte es mir, und ich fuhr mir damit über die Augen, und erst dann bemerkte ich, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Und als ich das Tuch dann ansah, waren meine Tränen darin von Blut durchzogen.
„Keine Angst, das ist normal“, sagte Papa. „Das passiert oft beim ersten Mal.“
Dann wandte er sich zu dem Anbu um. „Danke, du kannst gehen.“
Der Ninja verbeugte sich und verschwand augenblicklich.
„Das hast du sehr gut gemacht“, sagte Papa dann zu mir. „Hast du ein Genjutsu benutzt?“
„Ich hab … Tsukuyomi … benutzt …“, antwortete ich leise.
Papa sah mich überrascht an. „Wirklich?“
Ich nickte. „Es kam irgendwie einfach so …“
„Itachi, du bist wirklich unglaublich! Ich glaube, selbst dein Urgroßvater Fukuya hat das Tsukuyomi nicht so früh und so gut beherrscht wie du!“ Papa erhob sich und wir gingen zu der Lichtung zurück, und als wir wieder dort waren, spürte ich, wie meine Sharingan sich wieder zurückzogen in meine Innenwelt, wo sie von nun an mit dem Tsukuyomi eine Einheit bildeten.
Auf dem Weg zurück zur Gaststätte beruhigten sich meine Augen wieder, ich weinte nicht mehr und es kam auch kein Blut mehr. Papa hielt mich an der Hand und führte mich, und im Zimmer angekommen sagte er mir, ich sollte mich ein wenig hinlegen, während er sich mit dem mobilen Funkgerät zu Hause meldete. Ich lag also auf dem Futon und hörte, wie Papa im Nebenraum zuerst mit Mama sprach, und dann, wie er danach auch Yoneko Bericht erstattete: „Itachi hat jetzt seine Sharingan erweckt, und er hat sogar gleich Tsukuyomi benutzt!“
Ich hörte nicht, was Yoneko antwortete, aber ich konnte mir ihre Reaktion vorstellen. Und ich wusste, dass jetzt noch mehr Training auf mich zu kam. Ich war, wie Papa immer sagte, eine „Riesenchance für Konoha“, und diese Chance durfte nicht ungenutzt sein.
Mir fiel ein, was Mama gestern Abend gesagt hatte, im Streit mit Papa: „Du hast aber nicht ernsthaft vor, ihn zur Anbu zu schicken?!“ Mama wollte mich davor schützen, und ich wusste genug über die Anbu, um zu wissen, dass diese Arbeit eigentlich nicht zu mir und meinem Wesen, passte. Aber wenn ich so wichtig für das Dorf war, dann musste ich wohl auch das mitmachen?
Mein eigentlicher Wunsch, mit Mama zusammen in ihrer Praxis zu arbeiten und Menschen zu heilen, statt zu kämpfen, rückte vor diesen Plänen so sehr in den Hintergrund, dass ich dachte, es war vielleicht besser, nicht daran zu glauben … Es tat weh, und als Papa wieder ins Zimmer kam, saß ich auf dem Futon und weinte wieder.
„Was ist los, mein Sohn?“, fragte Papa.
Ich wusste nicht, ob ich ehrlich sein durfte, sagen durfte, dass mich die Aussicht, Anbu-Kämpfer anstatt Medizin-Ninja werden zu müssen, so traurig machte.
„Sag schon.“ Papa setzte sich zu mir.
„Ich will nicht zur Anbu …“, antwortete ich leise. „Ich möchte Medizin studieren.“
Papa sah mich an, und ich spürte, dass er nachdachte. „Du hast Mama gestern gehört?“
Ich nickte.
„Mit sieben Jahren geht niemand zur Anbu, Itachi. Auch Madara hat dort erst mit vierzehn angefangen. Irgendwann wird die Zeit für dich kommen, aber bis dahin ist es noch lange hin.“ Er sah mich wieder einen Moment lang an, dann sagte er: „Wenn du inzwischen eine Ausbildung zum Medizin-Ninja machen möchtest, kannst du das gern tun. Und auch die Anbu kann einen guten Mediziner gebrauchen.“
Ich war erleichtert, dass Papa das so sagte, so sehr, dass ich lächeln musste. Papa erwiderte es, und dann sagte er: „Ich will doch auch nur dein Bestes, Itachi. Weißt du … das ist auch für mich nicht immer einfach. Du bist mein Sohn und ich hab dich lieb, aber zugleich bist du so begabt, ich kann deine Fähigkeiten nicht ungenutzt lassen …“
Es kam selten vor, dass Papa mir so etwas so offen sagte. Er war eben ein echter Ninja, für den Kämpfe und Stärke Priorität hatten, und ich wusste, dass er sich schwer tat damit, über Gefühle zu sprechen. Die einzige Person, von der ich wusste, dass sie sein Innenleben wirklich kannte, war Mama.
Wir packten unsere Sachen wieder zusammen und verließen das Gasthaus, allerdings nicht, um gleich wieder nach Konoha zurück zu gehen.
Stattdessen gingen wir weiter in die Berge, kamen dann in einem weiter entfernten Gasthaus unter, und Papa führte mich zu einem Ort, einem Trainingsplatz, an dem ich eindeutige Spuren von Jutsus erkannte, die zu unserem Clan gehörten.
„Das ist unser Außenposten“, sagte Papa. „Wir sind hier, damit du deine Sharingan noch weiter entdecken und festigen kannst, bevor wir ins Dorf zurück gehen.“
Ich nickte, hatte die Hand schon an meinem neuen Schwert.
Papa aktivierte seine Sharingan und ich tat es ihm gleich, es ging ganz leicht. Zuerst übten wir ganz einfach nur Taijutsu, damit ich Sicherheit darin gewann, die Bewegungen voraus zu sehen. Wir sprachen dabei kein hörbares Wort, doch Papa bewegte die Lippen und ich konnte mit meinen Sharingan die Worte lesen, er gab mir tonlose Anweisungen, die ich sofort umsetzte.
Auf einmal, ich hatte gerade einen Tritt abgewehrt, spürte ich hinter mir etwas, eine Präsenz, eine Person … Ich sprang hoch, sah mich dabei kurz um, und sah jemanden hinter einem Gebüsch am Rand des Platzes stehen.
Papa ließ den nächsten Angriff sein, ich landete wieder auf dem Boden und wandte mich um.
Über dem Gebüsch schaute ein Kopf heraus, ein Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren, er hatte leuchtend orangenes Haar und seine Augen waren von einem etwas eigenartigen Lila. Seine Kleidung war schlicht und ziemlich zerschlissen, sah ärmlich aus.
Ich sah ihn an, er erwiderte den Blick, und in dem Moment spürte ich eine eigenartige Energie, die ich sonst nur bei anderen Kindern meines Clans und bei denen vom Hyuuga-Clan bemerkte.
„Komm raus!“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch der blieb stumm hinter dem Gebüsch stehen.
Papa sah mich an, ich wandte mich wieder zu ihm um, und seine Lippen sagten mir, ohne einen Ton: „Kekkei Genkai, Dojutsu.“
Im Kopf ging ich alle Kekkei Genkai für Dojutsu, die ich kannte, durch, aber ich fand keines, was zu dieser Energie, die der Junge ausstrahlte, passte. Es musste also ein sehr seltenes Erbe sein, eines, das noch niemand aus Konoha Gakure kannte oder erfasst hatte.
„Wie heißt du?“, rief Papa dem Jungen zu.
Doch dieser antwortete nicht. Er stand einfach nur da und sah zu uns herüber. Ein paar Sekunden verstrichen, dann sagte er doch etwas, aber nur ein einziges Wort: „Sharingan?“
Papa sah mich nur an, sein Blick sagte: „Kein Wort, Itachi.“
Wieder vergingen ein paar Sekunden, in denen ich mich fragte, woher dieser fremde Junge mit dem fremden Kekkei Genkai wissen konnte, dass unseres „Sharingan“ hieß. War er vielleicht ähnlich belesen wie ich und hatte auf diese Weise davon erfahren? Aber er sah so ärmlich und allein aus, dass ich das nicht so recht glauben konnte. Oder kannte er einfach jemanden aus unserem Dorf?
Auf einmal fiel mir jemand ein: Madaras Halbbruder Izuna. Der hatte das Dorf vor langer Zeit schon verlassen und lebte seither irgendwo, niemand aus Konoha hatte ihn je wieder gesehen. War es möglich, dass dieser Junge vielleicht Izuna kannte?
Ich sah Papa an, der blickte fragend zurück, und ich entschloss mich, den Jungen einfach zu fragen: „Izuna Uchiha? Kennst du ihn?“
Doch ich bekam keine Antwort, nur ein Kopfschütteln. Und einen Moment später war der Junge einfach verschwunden. Und erst, als er weg war, dachte ich: „Und Madara? Wenn Madara noch irgendwo ist und lebt, kennt dieser Junge ihn vielleicht?“
Aber wir bekamen auf diese Frage keine Antwort mehr.
Papa fragte, nachdem wir sicher waren, dass der Junge nicht zurückkommen würde: „Wie kamst du eben auf Izuna?“
„Weiß nicht, es fiel mir so ein“, antwortete ich.
„Denkst du manchmal noch an Madara?“
Ich nickte. „Manchmal vermisse ich ihn noch.“
„Ich auch …“, gestand Papa. Es kam selten vor, dass er so etwas sagte, aber in diesem Moment sah ich diese Frage, was wohl mit Madara passiert war, in Papas Augen stehen, und auch, dass es ihn frustrierte, nicht zu wissen, ob Madara noch lebte oder nicht. Was wir beide wussten, war, dass Madara stark war und dass er, wenn er wollte, alle seine Spuren gut zu verwischen verstand. Da blieb nur das „Warum?“.
„Man kennt eben niemanden so ganz von Innen“, sagte Papa leise und sein Blick ging dabei in die Ferne. „Auch wenn wir als Nutzer des Sharingan weiter in die Menschen hineinsehen können als andere, so bleibt dennoch immer etwas, wo auch wir nicht weiter wissen. Ich frage mich auch immer wieder, warum er gegangen ist. Vielleicht wollte er Izuna suchen? Ich habe damals, als er gegangen ist, nichts gesehen oder gehört, wir standen einfach in Ame Gakure auf dem Dorfplatz und auf einmal ist Madara weggegangen.“
„Und wenn Izuna dort gewesen ist?“, fragte ich.
„Vielleicht … Ich dachte erst, das wäre mir doch aufgefallen, den hätte ich bemerkt. Aber, ja, vielleicht war es so …“
„Wirst du … Nachforschungen anstellen?“, fragte ich leise.
„Habe ich schon. Ich habe schon damals, als Izuna gegangen ist, versucht, herauszufinden, wo er sein könnte, aber auch er ist spurlos verschwunden. Nun ja, als Uchiha wissen Izuna und Madara ja beide, wie man unsere Fähigkeiten austrickst, und auch, wie man den Anbu aus dem Weg geht.“
Wir blieben dann doch nicht lange auf diesem Platz. Papa wirkte nachdenklich und ich hatte das Gefühl, dass er über Madara und Izuna nachdachte, und über die Gründe, warum Izuna unser Dorf verlassen hatte. Und so kehrten wir ins Gasthaus zurück.
Izuna war schon als Jugendlicher gegangen, lange vor meiner Geburt, und so hatte ich weder ihn kennen gelernt, noch kannte ich die genauen Gründe, die dazu geführt hatten, das er Konoha verlassen hatte. Ich wusste nur, Izuna hatte sich mit Yoneko nicht gut verstanden und war nach einem Streit mit ihr über Nacht aus dem Dorf verschwunden, hatte nur einen kurzen Brief zurück gelassen, in dem er Yoneko als Grund für sein Weggehen benannte.
Zurück im Gasthaus ging ich auf mein Zimmer, ich war ziemlich erschöpft und wollte mich ein bisschen hinlegen. Aber ich konnte nicht einschlafen, in mir vibrierte eine starke Energie und es fiel mir schwer, die Augen zu schließen.
Und so blieb ich wach liegen, und dachte an den seltsamen Jungen, durchforstete mein Gedächtnis nach Informationen über Dojutsu-Bluterbe aus anderen Dörfern, aber ich fand nichts, das zu diesen seltsamen lila Augen gepasst hätte. Es war schon seltsam, denn eigentlich war es kaum möglich, dass eine Familie über so etwas verfügte und das geheim halten konnte … Es sei denn … ja, es sei denn jemand hatte es versiegelt. Manchmal wurden Kekkei Genkai aus verschiedenen Gründen versiegelt, und so war es dann auch möglich, dass sie in Vergessenheit gerieten.
Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein, denn Papa weckte mich und wir verließen das Gasthaus, machten uns auf den Weg zurück ins Dorf.
Ich hatte das Gefühl, dass Papa irgendwie unzufrieden war, und als wir schließlich durchs Tor gingen und der Wächter uns fragte, ob unsere Mission erfolgreich gewesen war, kam von Papa nur eine knappe Antwort.
„Du siehst müde aus, Itachi“, sagte der Wächter dann.
„Mir geht’s gut“, antwortete ich.
Auf dem Weg zu unserem Haus kamen wir an einem Laden mit Schaufenster vorbei, und ich sah mich im Vorbeigehen im Spiegel. Der Wächter hatte Recht, ich sah wirklich müde aus. Meine Augen waren gerötet, hatten dunkle Schatten und es sah so aus, als seien die beiden Kanten, die von meiner Nasenwurzel aus über meine Wangen verliefen, etwas länger und tiefer geworden.
Zu Hause empfing uns Mama mit dem Mittagessen, aber sie sah auch irgendwie müde aus.
„Alles gut, Ikue?“, fragte Papa.
Mama schüttelte den Kopf. „Ich war mit Kushina frühstücken und irgendwas war im Essen drin, was ich nicht vertragen habe …“
Ich ging zu Mama hin und umarmte sie.
„Du siehst auch nicht gut aus, mein Kind“, sagte sie zu mir und drückte mich an sich.
„Vielleicht hat der Koch mit Bonito gekocht statt mit Kombu?“, vermutete ich. Mama ernährte sich schon seit vielen Jahren vegetarisch, weil sie manche tierischen Eiweiße nicht vertrug, sie bekam immer furchtbare Bauchschmerzen, wenn sie Fleisch oder Fisch gegessen hatte. Und weil sie mich von Anfang an mit hauptsächlich pflanzlicher Nahrung großgezogen hatte, zog ich selbst auch vegetarisches Essen vor, Fleisch und auch Fisch war mir so ungewohnt, dass ich viel lieber Gemüse und Salat aß. Papa dagegen war Fleischesser und so kochte Mama nur für ihn ganz ‚normal‘.
Beim Essen war es still, und als ob ich erst jetzt, zu Hause, mich wirklich fallen lassen konnte, war ich nach dem Essen so müde, dass ich rauf in mein Zimmer ging, mich einfach angezogen auf mein Bett legte und sofort einschlief.
Als ich wieder aufwachte, war es dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. Ich hörte Stimmen von unten, Mama und Papa, und noch andere, ich erkannte Yonekos Stimme und die eines Kollegen von Papa.
„… ihn auf Missionen zu schicken, wo er jedes Mal der Jüngste im Team ist … aber ich denke schon, dass er das kann …“
„Als Mediziner … ich weiß nicht …“
„… hätte den Vorteil, dass andere Länder ihn nicht so wahrnehmen …“
Papas Kollege und Oma Yoneko sprachen über mich, und ab und zu hörte ich Papas Stimme, wie er zustimmende Laute vernehmen ließ.
Und dann Mama: „Ihr wisst doch, dass ich mir Sorgen um ihn mache.“
„Ja, natürlich, immerhin ist er dein Sohn“, sagte Oma Yoneko.
„Vor allem ist er noch ein Kind!“
„Ikue, du müsstest doch am besten wissen, dass Itachi kein gewöhnliches Kind ist! Er ist doch schon so lange viel, viel weiter als alle anderen Kinder seines Alters!“ Das war wieder Yoneko.
Ein Geräusch war zu hören, wie ein Stuhl, der umfiel, weil Mama aufgesprungen war. „Genau deshalb hat er ein Recht auf eine Kindheit! Er ist nicht nur euer Wunderkind, er ist außerdem hochsensibel, und ich lasse nicht zu, dass ihr ihn kaputt macht!“
Ich stand auf, verließ mein Zimmer und ging rüber ins Bad, schaute mich im Spiegel an und stellte fest, dass ich etwas ausgeruhter aussah. Dann ging ich die Treppe hinunter, durch die Küche ins Wohnzimmer, und sah Papa, Oma und einen von Papas Kollegen dort sitzen. Mama stand, und der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, lag hinter ihr.
„Itachi …“ Mama sah mich an.
„Nicht streiten …“, sagte ich, meine Stimme klang leise und kindlich.
Mama kam auf mich zu, kniete sich vor mich hin und legte ihre Hände auf meine Schultern. „Haben wir dich geweckt, Spatz?“
Ich schüttelte den Kopf.
Oma Yoneko sah mich an und fragte: „Itachi, willst du Mediziner werden?“
Ich nickte. „… Lieber als zur Anbu …“
„Du kannst nächste Woche mit dem Studium anfangen“, sagte Yoneko. Einfach so.
Ich sah Mama an, sie lächelte, und dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.
Das Thema Anbu war damit fürs Erste vom Tisch.
Am nächsten Tag ging ich mit Mama in die Bibliothek der Akademie, in die Abteilung der Konoha-Universität, und sie suchte mir Bücher für verschiedene Grundlagen der medizinischen Ninjutsu aus, die wir mit nach Hause nahmen und mit denen ich mich die folgende Woche beschäftigen und so ein Thema für mein Studium finden sollte. Ich freute mich sehr darauf, denn für mich gab es kaum etwas Schöneres, als etwas Neues zu lernen, die Weite meines Geistes weiter zu entdecken und ihn mit Wissen zu füllen.
Medizinische Ninjutsu hatten einiges mit Genjutsu gemeinsam, und genau diese Gemeinsamkeiten waren es, die mir an beidem besonders gut gefielen. Beides erforderte, dass man sich bildete und sehr viel über die Hintergründe von Körper, Geist und Chakra lernte, und man konnte Tage und Wochen lang da sitzen und lesen, es war also wie für mich gemacht!
Wenn ich in dieser Woche nicht gerade lernte oder mich ins Tsukuyomi zurückzog, ging ich mit der Tochter der Familie, die neben uns wohnte, in dem kleinen Wäldchen am Fluss zum Spielen.
Sie hieß Yuki und ihren Eltern gehörte die Apotheke, von der Mama die Medizin für ihre Praxis bezog. Yuki war genau so alt wie ich, sie besuchte die Grundschule der Zivilisten und war im Unterschied zu mir wirklich noch ein Kind, aber sie war eher ruhig und ich hatte das Gefühl, dass wir uns, trotz dass ich im Kopf so viel weiter war als sie, gut verstanden.
Wenn ich am Nachmittag mit ihr zusammen war, kam es mir so vor, als ob ich, wenn ich den ganzen Vormittag gelernt und meine Fähigkeiten ausgelebt hatte, dann bei ihr meine andere Seite, die einem Kind einfach ähnlicher war, einfacher herausholen und leben konnte. Die Einfachheit des Kindseins ließ mich dann entspannen, und wenn ich am Abend mit Mama in der Küche saß und ihr erzählte, was Yuki und ich zusammen erlebt hatten, wusste ich, dass ich auch Mama damit glücklich machte.
Der Beginn meines Studiums des Medizinischen Ninjutsu erschien mir so, wie anderen Kindern ihre Einschulung. Ich war fast acht Jahre alt, hatte die Akademie längst hinter mir, und das Gefühl von „Ich bin jetzt groß“ überraschte mich selbst, weil ich ja eigentlich nie das Gefühl gehabt hatte, wirklich ‚klein‘ zu sein. Ich freute mich sehr auf das Lernen und Arbeiten, auf die Bücher und die Übungen, und ich war glücklich, etwas tun zu dürfen, das wirklich zu mir passte.
Neben dem Studium fing ich an, meine Übungen im Taijutsu immer früh am Morgen zu machen, eine halbe Stunde körperliches Training, dann war ich wach und ging schon bei Sonnenaufgang in die Uni, setzte mich in die Bibliothek und begann mit dem Lernen. Mittags aß ich mit Mama zu Hause, dann folgte wieder eine Einheit Tai- und Ninjutsu mit Shisui, und danach traf ich mich manchmal noch mit Yuki oder ging zu Papa in die Polizeiwache, um ihm dort von meinem Tag zu berichten.
Diesen Rhythmus hielt ich, mit gelegentlichen Abweichungen und auch etwas Abwechslung zwischendurch, fast eineinhalb Jahre lang aufrecht.
Zum Ende hin wurden die Teehaus-Sitzungen mit Oma Yoneko wieder häufiger, sie zeigte mich voller Stolz ihren Anhängern und ich erzählte dann auch ganz gern von meinem Studium, weil es mir einfach sehr viel Freude bereitete.
Wenn ich in dieser Zeit an meinen Traum dachte, irgendwann Hokage zu werden, dann stellte ich mir jetzt vor, dieses Amt mit demselben Rhythmus und derselben Freude wie in meinem Studium zu gestalten. Hokage sein bedeutete für mich eine Arbeit, bei der ich viel lesen können und wenig auf Missionen würde gehen müssen, denn der Hokage blieb im Dorf, saß an seinem Schreibtisch und kümmerte sich darum, dass es friedlich blieb. Ich fing an, mich für Diplomatie zu interessieren, führte mit Shisui lange Gespräche darüber und beschäftigte mich im Studium auch mit Psychologie, zum einen, weil das für mich als Genjutsu-Anwender sehr wichtig war, und auch, weil ich an einen Zusammenhang zwischen Diplomatie und Psychologie glaubte.
Das ging so, bis ich neun Jahre alt wurde. Ich machte meinen Abschluss an der Universität mit Bestnoten (und als jüngster Absolvent in der Geschichte Konohas), und dann hatte ich drei Monate frei, die ich meist zu Hause verbrachte, unterbrochen von gelegentlichen Missionen, bei denen ich verschiedene Teams als Medizin-Ninja und Stratege unterstützte.
Während des Studiums machte ich im Alter von achteinhalb Jahren parallel meine Prüfung zum Chuunin, als ebenfalls jüngster Teilnehmer.
Oma Yoneko setzte im Rat durch, dass ich die Prüfung als einzelner Teilnehmer machte, ohne ein Team, wie es sonst eigentlich übliche Pflicht war, einfach deshalb, weil ich durch mein Studium zu keinem festen Team gehörte. Koharu und Homura waren zwar dagegen, doch der Hokage entschied, dass ich aufgrund meiner Fähigkeiten schon ein Recht auf den Rang des Chuunin hatte, und so nahm ich alleine teil.
Die Aufgaben waren kaum ein Problem für mich, ich bekam das meiste gut hin, konnte mich auf meine Fähigkeiten einigermaßen verlassen. Mein Problem bei dieser Prüfung war eher, dass ich sie unter den aufmerksamen Augen des Dorfrates machen musste, mit den Sonderrechten, die mir unangenehm waren, und der Art, wie Yoneko mich präsentierte. Ich für meinen Teil hätte die Prüfung zum Chuunin lieber später gemacht und unter denselben Voraussetzungen wie alle anderen auch.
Es war mir sehr unangenehm und störte mich, dass ich am ersten Tag der Prüfung von Yoneko dorthin begleitet wurde und sie mich vor allen Leuten überaus stolz als „Wunderkind des Uchiha-Clans“ bezeichnete. Mehr denn je sehnte ich mich in diesem Moment nach Unauffälligkeit.
Am Ende dieser weitgehend ruhigen Zeit geschah dann etwas, an das ich während des Studiums kaum noch gedacht hatte:
Ich war zu Hause, wachte morgens auf, zog mich an, ging zu Mama runter und fand sie im Bad neben der Küche, sie kniete vor dem Becken im Boden und erbrach sich.
„Mama? Was ist los, hast du was falsches gegessen?“, fragte ich und kniete mich neben sie.
„Nein … eigentlich nicht … Mir war gestern schon mal schlecht, und gegessen hab ich nicht viel.“
Ich half ihr, bis sie wieder aufstehen konnte, sie setzte sich auf einen Stuhl in der Küche und ich machte ihr einen Tee.
„Itachi, geh mal in die Wache zu Papa und sag ihm, er soll herkommen“, sagte Mama und nahm einen vorsichtigen, kleinen Schluck Tee.
„Ist gut.“ Ich zog mir meine Jacke an und lief raus, rannte durchs Dorf zur Polizeiwache.
„Hallo, Itachi“, begrüßte mich einer von Papas Kollegen.
„Ist Yoshio da?“
In dem Moment kam Papa aus seinem Büro.
„Was ist los, Itachi?“
Ich war ganz außer Atem, musste erst wieder Luft bekommen, und antwortete dann: „Mama geht’s schlecht, sie hat sich erbrochen!“
Papas Gesichtsausdruck überraschte mich etwas: Er sah nicht erschrocken aus, sondern lächelte.
„Ich bin gleich fertig, dann komm ich nach Hause“, sagte er.
„Was ist denn mit Mama?“, fragte ich besorgt.
„Ich glaube, du musst dir keine Sorgen machen, mein Sohn …“ Papa lächelte immer noch. „Mama geht’s bald wieder gut.“
Ich lief zurück nach Hause, kümmerte mich weiter um Mama, ihr war immer noch schlecht, und als Papa nach Hause kam, hatte er eine Tüte aus der Apotheke dabei.
„Na, meine Liebe, wie geht’s dir?“, fragte er Mama.
Mama lächelte. „Geht schon …“
Papa ging zur ihr, umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann zog er eine Schachtel aus der Tüte, und ich sah, was darauf stand: Es war ein Schwangerschaftstest!
1986
Je weiter sie sich von Ame Gakure entfernten, desto weniger regnete es. Madara schien genau zu wissen, wohin er wollte, und spät abends hielt er vor einer kleinen Hütte am Waldrand an. Es regnete immer noch, wenn auch weniger als in Ame, und Nagato musste zugeben, dass er wirklich müde war.
„Hier übernachten wir und hier bleiben wir auch ein paar Tage“, sagte Madara und öffnete die Tür der kleinen, unscheinbaren Hütte.
Vorsichtig hob er die längst schlafende Konan von seinen Schultern. Die wachte davon auf.
„Dara, wasnlos? Wosinwi?“ murmelte sie mit halb geöffneten Augen.
„Wir haben Ame Gakure verlassen, Konanchen. Bald siehst du die Sonne und vielleicht gibt es morgen was zum Essen“, antwortete Nagato und stellte die schweren Taschen ab.
„Sonne? Essen? Echt?“, fragte Konan. „Nagato, du bist lieb!“ Und schon war sie wieder eingeschlafen. Sie war einfach zu müde. Nagato legte sie vorsichtig auf das größte Kissen, das sie besaßen.
„Und wie lange bleiben wir hier?“, fragte er Madara.
„Ein paar Wochen vielleicht. Bis ich ein richtiges Haus gefunden habe, wo wir alle zusammen bleiben können“, antwortete der.
„Heißt das, dass du bei uns bleibst, Madara?“ Nagato konnte es kaum glauben.
„Ja. Aber ich möchte natürlich zuerst mal wissen, wie ihr zwei eigentlich richtig heißt.“ sagte Madara und lächelte wieder.
„Ich heiße Nagato Amekawa. Und die Kleine heißt Konan. Wir haben Glück, dass ich meinen Namen und ihren kenne. Ihren Nachnamen weiß ich aber nicht. Konan ist ungefähr zwei und ich bin sieben. Aber ich weiß nur meinen Geburtstag“, sagte Nagato.
Madara schrieb die Namen kurz auf und sagte dann: „Ich bleibe bei euch. Nach Konoha kann ich jetzt nicht mehr zurück. Ihr könnt gut einen Beschützer gebrauchen und die kleine Konan kannst du nicht allein großziehen.“
Dann begann Madara, die Taschen auszupacken und ein Nachtlager herzurichten.
Mitten in der Nacht wachte Konan auf. Sie wusste nicht, wo sie war und das ständige leise Rauschen des Regens war verstummt. Irgendwann vor Stunden war Konan auf Madaras Rücken eingeschlafen und als sie in der Hütte kurz aufgewacht war, hatte sie ihr neues Zuhause auf Zeit noch nicht wirklich wahrgenommen.
Es war dunkel, draußen verhüllten Wolken die Sterne, obwohl es vor einer Weile wohl aufgehört hatte zu regnen. Das kleine bisschen Licht, das von irgendwo draußen kam, ließ Nagatos oranges Haar schwach leuchten. Konan blinzelte zu ihm hinüber. Dann merkte sie, wie hungrig sie war und dass sie das ziemlich aufregte. Und das einzige, was der Zweijährigen einfiel, war Schreien.
„Waaaah! Ich hab Hu-hu-hu-huuuungeeeer!!! Will was eeeesseeen!“ Sie schrie, obwohl sie zum ersten Mal im Leben ohne das Geräusch des immerwährenden Ame Gakure-Regens in den Ohren aufgewacht war. Oft hatte sie sich gewünscht, dass dieses Regenrauschen aufhörte. Aber jetzt hatte sie Hunger.
Madara wachte von ihrem Geschrei auf. Schon im Halbschlaf hatte er Konans Schreien gehört und sie tat ihm leid. Was mussten so ein Krieg und ein Wohnungswechsel für so ein kleines Mädchen wie Konan bedeuten? Sie war bestimmt völlig durcheinander.
„Konanchen …“ Madara übernahm wie selbstverständlich die von Nagato verwendete Kinderform des Namens, „Warum weinst du denn?“
„Dara! Ich will was essen! Ha-ha-hab Huuuuunger!“
„Du musst ja schrecklichen Hunger haben, wenn du so schreist. Kannst du gar nicht mehr schlafen vor Hunger?“ fragte Madara.
„H-hm!“ Konan hörte auf zu schreien und sah Madara mit großen, nassen Augen an.
„Ich seh mal nach, ob ich vielleicht noch was zu essen habe.“ Madara begann, seinen Rucksack nach etwas Essbarem zu durchsuchen. Er fand ein paar Scheiben dunkles Brot, mehr nicht. Morgen würde er losziehen müssen, um im nächsten Ort Essen zu besorgen.
„Hier, Kleine, iss!“, forderte Madara das kleine Mädchen lächelnd auf.
Konan strahlte ihn an. Ihre kleinen, weißen Hände griffen nach dem trockenen Brot. Seit eineinhalb Tagen hatte sie kein größeres Stück Brot, Reis oder etwas anderes zu essen gesehen. Gierig biss sie hinein. Es war ihr egal, wie es schmeckte.
„Dankche, Dara“, sagte sie kauend und strahlte.
Madara hätte nie gedacht, dass ihn das dankbare Leuchten in den Augen eines kleinen Mädchens so glücklich machen würde. Aber so, wie Konanchen ihn jetzt mit vollen Backen anstrahlte, das machte ihn so glücklich wie schon lange nicht mehr. Madara wusste jetzt, dass es sich gelohnt hatte, Konan und Nagato zu retten.
„Mmmmmh!“, seufzte Konan schließlich, „Jetzt nich mehr Hunger. Jetzt satt.“ Und ein voller Magen machte müde. Konan streckte sich und gähnte.
„Darf ich auf dein´ Futon mit schlafen?“ fragte sie und kuschelte sich an Madaras dichtes Haar.
„Sie ist jetzt mein Kind“, dachte er und ließ zu, dass sie unter seine Decke kroch und sich an ihn schmiegte.
Fühlte es sich so an, eigene Kinder zu haben? Madara wusste es nicht genau. Er war schließlich noch keine dreißig. Doch er musste an seinen Patensohn denken. Itachi war fünf, also jünger als Nagato, und hatte schon längst mit dem Ninja-Training begonnen. Nagato hatte ganz offenbar noch nie sein Chakra trainiert.
Und während Madara seinen Blick von Konans lila Lockenköpfchen zu Nagatos orangenem Haarschopf wandern ließ, nahm er sich vor, den beiden alles beizubringen, was sie brauchten. Er wäre in Konoha Sensei geworden, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Jetzt würde er Lehrer für Nagato werden und dann für Konan. Die beiden waren offensichtlich mit recht vielversprechenden Talenten gesegnet. Konan war für eine Zweijährige bemerkenswert selbstständig und sprach schon ziemlich deutlich aus, was sie meinte. Und Nagatos Augen waren außergewöhnlich, das hatte Madara sofort erkannt.
Am nächsten Morgen zog Madara schon früh los, um sich nach einer besseren Behausung umzusehen. Die kleine Hütte war zwar besser als die Ruine, in der er die Kinder gefunden hatte, aber Madara wollte Nagato und Konan ein wirklich schönes Zuhause bieten. Er wurde richtig euphorisch beim Gedanken daran, mit den Kindern zusammen in einem kleinen Haus zu leben und ihnen alles beizubringen.
Nagato versprach, den ganzen Tag mit Konan im Haus zu bleiben. Noch war der Krieg nicht zu Ende, in vielen Orten um Ame Gakure herum wurde noch gekämpft. Deshalb war es sicherer für die Kinder, wenn sie im Haus blieben, bis Madara wieder da war.
Als Konan aufwachte, schien die Sonne durch das kleine Fenster über Madaras Reisefuton.
„Nagato? Wo ist Dara?“, fragte sie verwirrt. Madara war nicht da, obwohl sie doch auf seinem Haar geschlafen hatte, und die Sonne schien so hell herein, wie sie es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
„Er ist losgegangen, um etwas zu essen zu holen“, antwortete Nagato und begann, in den Taschen nach Konans wenigen Spielsachen zu suchen. Es war wirklich nicht viel: Ein kleines, knisterndes Kissen, ein Beutel mit großen Glasmurmeln und ein paar bestickte Haarbänder. Aber es musste reichen, um Konan den ganzen Tag zu beschäftigen.
Als Nagato sich aber zu Konan umsah, bemerkte er, dass sie längst eine eigene Beschäftigung gefunden hatte: mit hochzufriedenem Gesicht und geschlossenen Augen saß sie unter dem Fenster und ließ sich von der Sonne bescheinen. Für jemanden, der seine ersten Lebensjahre nicht im Regen von Ame Gakure verbracht hatte, wurde so ein einfaches In-der-Sonne-sitzen vielleicht bald langweilig, aber Konan kannte nichts als den Regen und deshalb war das Gefühl von Sonnenstrahlen auf der Haut etwas unbeschreiblich Schönes.
„Komm, Nagato! Setz dich auch hin, die Sonne scheint!“, seufzte sie glücklich.
Und weil er gerade nichts anderes zu tun hatte, setzte er sich neben sie auf den Holzboden, der von der Sonne schön warm war. Bis kurz vor Mittag schien die Sonne, dann zog eine fluffige, weiße Wolke vor die Sonne. Aber das machte Konan nichts aus. Sie hatte schon so viel vom Sonnenlicht und der Wärme aufgesogen, dass es für die nächsten Tage ausreichen würde, falls dann nicht die Sonne schien. Auf jeden Fall mehr Sonne als in ihrem ganzen, bisherigen Leben. Konan war glücklich. Und die kleine Wolke würde weiterziehen. Außerdem schimmerten Konans Glasmurmeln schön im Licht und warfen runde Regenbögen auf den Holzboden. Wenn die Sonne schien, war sie leicht zu beschäftigen.
Madara hatte seinen Rucksack dagelassen. Wahrscheinlich hatte er heute nur eine kleinere Tasche mitgenommen. Nagato sah den Rucksack in einer Ecke stehen und plötzlich wollte er unbedingt wissen, was darin war. Konan sah von ihren Murmeln auf, als Nagato den Rucksack öffnete.
„Was machst du da?“ fragte sie.
„Ich will wissen, was er da drin hat. Wir wissen ja noch gar nicht, wer er eigentlich ist“, antwortete Nagato.
„Er heißt Madara Uchiha, er ist aus Konoha und er ist lieb. Heute Nacht hat er mir was zu essen gegeben“, sagte Konan. „Du musst ihn fragen, bevor du seine Sachen durchwühlst, Nagato. Weißt du noch, wie du dich aufgeregt hast, als Yahiko an deiner Tasche war?“
„Das war was anderes“, erwiderte Nagato. „Yahiko war ein Kind, so wie wir. Aber Madara ist ein Krieger aus einem fremden Land und die Konoha-Ninjas haben Ame zerstört.“
„Yahiko sieht genauso aus wie du. Er hat nur andere Augen. Wo ist er überhaupt hingegangen? Er war auf einmal weg“, sagte Konan.
„Ich vermute mal, er ist davongekommen.“ Nagato wollte nicht an diesen Jungen aus Ame Gakure denken, der ihm wirklich wie ein Zwilling ähnelte. Er hatte sich nicht getraut, mit Yahiko richtig Freundschaft zu schließen, aus Angst, dass der Krieg sie wieder trennen und ihm damit noch mehr Schmerz auslösen würde.
Er begann, Madaras Rucksack auszuräumen. Einfach so konnte er ihm nicht vertrauen. Auch, wenn Madara gut zu Konanchen war.
„Da ist ja überall so ein Fächer drauf“, stellte Konan fest, als Nagato den Inhalt von Madaras Rucksack auf dem Boden der Hütte ausbreitete. Tatsächlich, nahezu jeder Gegenstand war mit einem rotweißen Blattfächer-Symbol verziert.
„Das ist wohl das Wappen seiner Familie“, sagte Nagato. Er hatte nicht das kleinste bisschen Schuldgefühle, weil er so in Madaras Sachen wühlte. Er war einfach davon überzeugt, dass es sein Recht war, Madara erst einmal nicht zu vertrauen. Es war ja immer noch Krieg. Da musste man sicher gehen.
Neben Kleidung, Essgeschirr und Wurfmessern fand Nagato auch eine Dose mit Halstabletten, zwei Scheiben Brot, ein Paket Reis und eine ganze Reihe Bücher. Außerdem war da eine kleine Flasche aus braunem Glas, die irgendeine flüssige Medizin enthielt.
„Von dem Brot hat er mir was abgegeben“, sagte Konan. „Obwohl er nur so wenig davon hat, hat er´s mit mir geteilt.“ Sie war voll davon überzeugt, dass Madara absolut vertrauenswürdig war. Er hatte sein Essen mit ihr geteilt, sie auf seinem Futon und in seinem Haar schlafen lassen und ihr sein Taschentuch geschenkt. Konan zog das Tuch aus der Tasche ihres Kleides. Es zeigte denselben rotweißen Blattfächer wie alle Sachen, die Madara gehörten.
Nagato blätterte in einem der Bücher. Es war ein Buch über die Behandlung von Augenverletzungen, die durch Kekkei Genkai verursacht wurden, das war dem Bild auf dem Titelbild zu entnehmen. Nagato konnte kaum lesen und schreiben. Bevor er das Buch aufschlagen konnte, wurde die Tür der Hütte geöffnet. Nagato schrak zusammen.
„Ich bin es, Kinder“, kam Madaras Stimme von draußen, dann öffnete er die Tür und kam herein. Seine Taschen waren voll mit Essen und Kinderkleidung. Er stellte die Taschen ab und entdeckte erst jetzt das Chaos auf dem Hüttenboden.
„Gefallen euch meine Sachen?“, fragte er lächelnd, obwohl er eindeutig wusste, dass Nagato die Sachen durchsucht hatte.
Jetzt bekam Nagato doch Gewissensbisse. Madara war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um Essen und Kleider für sie zu besorgen, und er misstraute ihm immer noch?
„Ich hab´s dir doch gesagt.“ Konan strahlte, als sie eine Schachtel mit Reisbällchen aus Madaras Tasche herausschauen sah.
„Ich wollte nur wissen …“, begann Nagato verlegen, senkte den Kopf und fuhr sich nervös durch das leuchtend orangene Haar.
„… ob du mir vertrauen kannst?“, fragte Madara. „Ja. Das kannst du.“
„Er hat nur für uns was gekauft!“, strahlte Konan. „Nur für uns!“
Nagato konnte Madara immer noch nicht ganz vertrauen. Der Krieg hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Und Madara trug auch immer noch das Stirnband mit dem Zeichen von Konoha Gakure. Er sah noch aus wie ein Feind.
„Ich will was essen! Konanchen hat einen Riesenhunger!“, kreischte Konan ungeduldig.
„Du bekommst ja schon was.“ Madara nahm die ziemlich große Reisbällchen-Schachtel und hielt sie Konan entgegen. Das kleine Mädchen riss die Schachtel auf, griff sich ein Reisbällchen und hatte es innerhalb weniger Augenblicke aufgegessen und sich noch eines genommen. Sie war kaum noch zu halten.
„Nimm ausch einch! Chmeckt gut!“, forderte sie Nagato kauend auf. Aber Nagato traute sich nicht so recht.
„Du hast doch auch Hunger“, sagte Madara. „Komm schon, iss!“
Als Nagato sich nach zehn Minuten (in denen Konan dreiviertel des Schachtelinhaltes aufaß) immer noch nichts genommen hatte, wusste Madara, wie er das Vertrauen des Jungen gewinnen würde. Es fiel ihm schwer, innerlich, denn er liebte sein Stirnband. Aber dennoch … Er griff unter sein Haar, löste den Knoten des Stirnbands und nahm es ab. Dann zog er ein Kunai hervor und fuhr kratzend über das Symbol, bis es drei nicht sehr tiefe, aber doch deutlich sichtbare Kratzer hatte, die das Laubblatt durchstrichen.
„Ich werde das Stirnband nicht mehr tragen. Du kannst mir vertrauen, Nagato. Ab jetzt bin ich nur für euch beide da“, versprach Madara.
„Du … du gibst deine … Heimat für uns auf?“, stotterte Nagato ungläubig.
„Ich gehöre jetzt nicht mehr zu Konoha Gakure. Ich gehöre zu euch.“
In diesem Moment, als Madara das so offen aussprach, wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Vielleicht sah er Yoneko, Yoshio, Ikue und Itachi nie wieder. Der ganze Clan war davon ausgegangen, dass Madara unbesiegbar war und auf jeden Fall heimkommen würde.
Und da war noch … Tsunade. Sie war zwar sechs Jahre älter als Madara und richtig verlobt mit einem Ninja namens Dan, aber Madara schwärmte seit seiner Schulzeit für sie. Doch jetzt, wo er abtrünnig war, war es das Beste, wenn er Tsunade endgültig vergaß. Sie war nur die Enkelin des Ersten Hokage und er würde sie nicht bekommen. Es war jetzt wichtiger, die Lehren des Hashirama Senjuu über das Dorf Konoha hinaus in die Welt zu tragen.
Was Yoneko betraf, wusste Madara, dass sie immer zu ihm halten würde. Egal, was die beiden Dorfältesten (die den Uchiha-Clan nicht mochten) sagen würden, Yoneko würde ihn verteidigen und vermissen.
Yoshio würde vielleicht glauben, Madara sei auf dem Weg zu der Bombenentschärfung zwischen die Fronten geraten. Schließlich kämpften Nibi und Yonbi immer noch um Ame Gakure herum.
Egal, wie Madara es drehte und wendete, es gab kein Zurück mehr. Er musste das jetzt durchziehen. Hatte er das nicht gewollt? Diese beiden Kinder großziehen in den Idealen des Ersten Hokage? Nun musste Madara sein Versprechen halten und sich um Konan und Nagato kümmern. Er war nun einzig verantwortlich für die beiden. Und er war vermutlich der Einzige, der sie überhaupt noch kannte. In Ame vermisste die beiden wahrscheinlich niemand, ja, vielleicht wusste niemand überhaupt noch, dass es Konan und Nagato gab.
„Was ist denn das?“ fragte Nagato und hielt die kleine, braune Glasflasche in der Hand.
„Das sind Augentropfen. Wenn man seine Augen so oft benutzt wie ich, passiert es oft, dass man sie verletzt“, antwortete Madara.
„Tatsächlich. Deine Augen sind immer so rot“, stellte Nagato fest.
„Weißt du, wie man das nennt?“
„Nein. Aber es macht dich stark, oder?“
„Das sind Sharingan“, sagte Madara. „Aber, sag mal, Nagato, ist das deine natürliche Augenfarbe?“
„Ich glaube schon. Ich hab keinen Spiegel, aber ich glaube, sie verändern sich manchmal irgendwie, fühlt sich so an …“, antwortete Nagato.
„Deine Augen sehen aus, als könntest du sie noch für etwas anderes als zum Sehen verwenden. Hast du das schon mal versucht?“
„Nein …“ sagte Nagato. „Sonst hätte ich mich doch immer wehren können.“
Stimmt. Man muss genau wissen, wie es funktioniert, sonst geht es nicht“, erklärte Madara. „Ich musste auch erst lernen, wie ich meine Sharingan benutzen kann.“
Nagato dachte einen Moment nach, kam zu dem Schluss, dass Madara Recht haben konnte und dass da wirklich etwas Besonderes an ihm selbst war. Doch er ließ sich die Gedankenbewegung nicht anmerken.
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Madara stand morgens früh auf, ging aus der Hütte und ließ Nagato und Konan den halben Tag über allein. Er suchte in den kleinen Dörfern in der Umgebung nach Essen für die Kinder und sich, was nicht gerade einfach war, denn die meisten Orte waren vom Krieg schwer beschädigt und die Menschen hatten selbst kaum etwas zu essen.
Aber die meisten Leute waren bereit, einem Ninja mit Madaras starkem Auftreten doch etwas zu geben. Auf diese Weise kam er an gutes Essen und sogar an Bücher.
Die Bücher waren wichtig, denn Madara wollte Nagato Lesen und Schreiben beibringen. Er war jetzt in jeder Hinsicht für Versorgung und Ausbildung von Nagato und Konan verantwortlich und begann, sich an die neue Aufgabe zu gewöhnen. Sie erschien ihm wirklich sinnvoll, jedenfalls sinnvoller als dieser verdammte Krieg. Im Krieg zerstörte man sinnlos unzähliges Leben, während die Versorgung und Ausbildung zweier elternloser Kinder deren Leben und späteres Wirken förderte.
Ganz so, wie der Hokage der Ersten Generation das Dorf Konoha gegründet hatte, um jungen Menschen eine sichere Zukunft zu bauen.
Als Madara eines Abends von seiner Tour zurück in die Hütte kam, platzte er mitten in einen Streit zwischen Nagato und Konan hinein.
„Das ist echt doof!“, schrie Konan und Madara wunderte sich wieder dass sie schon so gut sprechen konnte.
„Nein, Konan, das verstehst du nicht“, sagte Nagato. „Dafür bist du noch zu klein.“
„BIN ICH GAR NICHT! DU KANNST NICH EINFACH SAGEN, DASS DARA NICH LIEB IS, NUR WEIL ER AUS KONOHA IS!“, kreischte Konan, „DAS IS GEMEIN, NAGATO!“
„Ich bin doch nur misstrauisch, Konanchen“, sagte Nagato. „Schließlich haben die Ninjas aus Konoha Gakure unser Ame zerstört.“
„Aber Dara is doch jetzt für uns da!“ Konan drehte den Kopf und sah Madara in der Tür stehen. Der lächelte freundlich.
„Ihr könnt mir wirklich vertrauen“, sagte Madara. „Ich habe die Armee verlassen, um mich um euch zu kümmern.“ Wie oft sollte er das noch sagen? Konan schien ihm zu glauben, aber Nagato war nach wie vor misstrauisch. Madara konnte das nur mit Kriegstrauma erklären. Kinder wie Nagato konnten nur schwer Vertrauen fassen. Konan war zum Glück noch so klein, dass sie nicht hinter jeder Ecke einen Feind sah und sie schien auch ein Mädchen mit bemerkenswert positiver, starker Lebenseinstellung zu sein.
„Daaaaraaaa!“, quietschte Konan, sprang auf und rannte auf ihn zu. Er zog seine Schuhe aus, legte Rucksack und Rüstung ab und kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen zu sein. Konan fiel Madara um den Hals und schmiegte ihr Gesicht in sein langes, dichtes Haar. Sie mochte es, sich in Madaras Haar zu kuscheln, weil es so lang und weich war.
Im Gegensatz zu Konan verhielt Nagato sich zurückhaltend. Er saß mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen auf dem Boden und sah Madara mit seinen weißlosen, lila Augen misstrauisch an.
„Ich hab dir was mitgebracht, Nagato“, sagte Madara und befreite sich vorsichtig aus Konans Umarmung. Dann zog er ein Buch aus seinem Rucksack. Es war ein Schulbuch für Schreibanfänger.
Nagato stand zögernd auf. Madara lächelte.
„Nimm schon. Ich will dir Lesen und Schreiben beibringen“, sagte er.
„Mir auch, mir auch!“, rief Konan begeistert.
„Du kannst gern zusehen“, sagte Madara. „Je früher man sich damit befasst, umso mehr lernt man.“
Nagato streckte langsam seine weiße Hand aus und griff nach dem Buch in Madaras Hand.
„Du bist sieben, hast du gesagt?“, fragte Madara.
Nagato nickte.
„Ich bin zwei!“, quietschte Konan, sie hielt zwei Finger hoch und ihre goldbraunen Augen strahlten.
„Du kannst dir ja schon Bilderbücher ansehen, Konanchen“, Madara lächelte.
„Au ja!“ Konans Lernbegierde war geweckt.
An diesem Abend begann Madara damit, Nagato zu unterrichten. Er begann mit der leicht erlernbaren Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift und Hiragana. Konan saß daneben und sah aufmerksam zu. Sie schien ebenso schon das eine oder andere aufzunehmen, jedenfalls hatte sie offensichtlich Lust darauf, zu lernen.
Und während Madara seine beiden Findelkinder zu unterrichten begann, dachte er natürlich auch immer wieder an seine „alte“ Heimat, an Konoha Gakure …
Hiruzen Sarutobi war der Hokage der dritten Generation und eigentlich ein friedlicher Mann, der das Dorf als seine Familie ansah, für die er alles tat. Aber der Ältestenrat, der aus Koharu, Homura und einem weiteren starrsinnigen Alten namens Danzo bestand, entschied vieles über Sarutobis Kopf hinweg, der offene Auseinandersetzungen eher scheute
Der Ältestenrat und der Uchiha-Clan hatten gewisse Probleme miteinander, die schon lange bestanden, da Koharu Utatane-Hyuuga und Yoneko Uchiha sich schon seit ihrer Ausbildungszeit nicht leiden konnten und Koharu diese Auseinandersetzung oft genug in die Politik einfließen ließ. Homura als ihr loyaler Vasall machte da ebenfalls mit, und Danzo schien ein ganz eigenes Problem mit mehr oder weniger allen drei Clans im Dorf zu haben.
Aber gerade wegen dieses andauernden Streits mit Koharu vernachlässigte Yoneko ihre Pflichten als Matriarchin des Uchiha-Clans nicht. Es gab ein vielversprechendes Talent, das es zu fördern galt. Vielleicht konnte irgendwann einer aus dem Uchiha-Clan Hokage werden, dachte Yoneko, dann hätte Koharu nichts mehr zu sagen. Und sowohl Yonekos Lieblingsenkel Madara, als auch das neue Wunderkind Itachi wären dafür sicher geeignet, dessen war sich Yoneko sicher und jeder im Clan wusste, dass sie diese Ansichten hatte.
Gleich nach ihrer arrangierten Hochzeit mit ihrem Freund und Cousin Yoshio hatte Ikue Uchiha beschlossen, aus dem großen Residenzschloss des Uchiha-Clans auszuziehen, und mit ihrem Mann ein kleineres Reihenhaus im belebten Ortskern von Konoha bezogen. Sie hatte genug davon gehabt, als „Prinzessin Ikue“ angesprochen zu werden, ständig die Blicke der Leute auf dem Familienwappen zu spüren und vor der Residenz ständig auf Leute zu treffen, die nur mit ihr reden wollten, weil sie Yonekos Stammhalterin war.
Kurz nach Hochzeit und dem Umzug war sie schwanger geworden, hatte dem Kampf endgültig abgeschworen und angefangen, nur noch konzentriert als Augenärztin du Neurochirurgin zu arbeiten. Das Kind, ein Junge, wurde am 6. August 1981 geboren und Ikue wusste, dass er ihr ähnlich werden würde. Er wurde Itachi genannt und sein Namen mit den durch ein Orakel genau ausgewählten- Schriftzeichen für „Schmerz“ und „Blut“ geschrieben, woraus sich in der geläufigen Sprache Senningo die Bedeutung „tausendmal Schmerz und Blutstropfen“ ergeben hatte. Es schien ein böses Omen, dass ausgerechnet so ein Name für den Jungen ausgewählt worden war, aber gegen die Namen, die ein Orakel bestimmte, konnte man nichts tun. Und schon kurz nach seiner Geburt hatte sie Itachis ungewöhnlich hohe Sensibilität bemerkt, die sie schon von sich selbst kannte.
Jetzt war er fünf Jahre alt und zeigte bereits alle Anzeichen von sehr großem Talent in allem, was man ihm im Rahmen der traditionellen Erziehung der Uchiha beibrachte. Mit zwei Jahren hatte er begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen und schrieb jetzt schon fließende Texte. Er stand früh morgens auf und trainierte, beherrschte bereits sämtliche 12 Fingerzeichen und erste Jutsus. Yoshio war sehr stolz auf Itachi, machte sich aber auch Sorgen, da der Junge sich weigerte, Mücken zu erschlagen und kaum freiwillig kämpfte. Er schien bereits früh viele Dinge zu begreifen, die zu erfassen erst von weit älteren Kindern erwartet wurde und hatte offensichtlich die hochsensible Persönlichkeit seiner Mutter vollständig geerbt.
Dann war Yoshio zusammen mit Madara und einigen anderen Ninjas an die Front geschickt worden und das war Itachi nicht entgangen. Es schien beinahe unmöglich, etwas vor ihm zu verbergen.
In dem Moment, als Madara gerade Nagato die ersten Leseversuche beibrachte, saß in Konoha ein kleiner Junge mit kinnlangen, dunkelgrauen Haaren und großen, schwarzen Augen am Fenster des Hauses, in dem er mit seiner Mutter allein war, und schaute hinaus. Die Stimmung draußen auf der Straße war dunkel und regnerisch und übertrug sich auf den sensiblen Jungen. Sein hübsches Gesicht mit den kleinen Kerben an der Nasenwurzel sah traurig und nachdenklich aus.
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