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Kapitel: | 100 | |
Sätze: | 3.861 | |
Wörter: | 63.790 | |
Zeichen: | 371.696 |
Als wir am heutigen Tag endlich anlegten, war ich dankbar für festen Boden unter meinen Füßen. Wie es aussah, hatte Edward jetzt ein kleines Gleichgewichtsproblem, erst musste er sich an das Schaukeln des Schiffes gewöhnen und nun war wieder alles ruhig. Ich hoffte, er würde nicht allzu lange damit zu kämpfen haben.
„Ich stelle mir gerade vor wie es sich für Edward anfühlen muss, wenn wir die Monate über den Atlantik gesegelt sind.“ grinste Alex, aber ihre Augen verrieten mir, dass sie lieber wieder daheim in Virginia wäre. Es ging mir nicht anders, musste ich mir eingestehen.
Bevor wir in London ablegten, hatte Francis Bradshaw noch ihr Versprechen Alex gegenüber eingehalten und ihr die goldene Schale überreicht. Als wir sie berührten strahlte sie eine angenehme Wärme ab und leuchtete leicht.
Meine Frau sah hinein und schrak für einen Moment wieder zurück. Wir sahen ihr Spiegelbild oder besser das ihrer Vorfahrin. Diese grünen Augen waren wirklich die ihren, nur das Gesicht an sich sah etwas anders aus. Ich versicherte ihr, es sei dennoch wunderschön.
Wir alle haben Ahnen und Vorfahren, mein Kind. Auch DU! Bei dir sind ihre körperlichen und geistigen Merkmale aber stärker ausgeprägt, als bei normalen Menschen! Die Worte des Allvaters waren leise und mit Bedacht gesprochen, weil Alex bis jetzt immer noch nicht vertraut mit ihrer eigenen Geschichte war. Ich hegte die Hoffnung alsbald endlich mehr Aufklärung zu erhalten!
Uns eilte ein kleiner Mann entgegen, welcher sogar meiner Frau gerade so eben in die Augen sehen konnte.
Er entpuppte sich als der Diener der Eheleute Jomphe, welche unsere Ansprechpartner hier in Frankreich darstellten. Ich war gespannt, wer sich hinter dem Namen verbarg. Aber umso aufgeregter war ich, wie meine Familie das Chateau finden würde. Doch dazu später mehr.
„Maîtresse Kenway, Maître Kenway, mein Name ist Adrien Martineau! Zu euren Diensten!“ seine Stimme passte irgendwie nicht zu seiner Körpergröße, ging es mir durch den Kopf. Sie war tief und rau.
Sogar Edward wurde begrüßt welcher etwas skeptisch den Fremden vor sich beäugte, ihm aber dann doch seine Hand reichte.
Wir überwachten noch für einen Moment das Entladen, bis alle Wachen, Waren, Beschützer und Bedienstete auf Kutschen, Karren und Pferden aufgeteilt waren.
Meine Frau überließ den beiden Kapitänen noch jeweils eine Börse, damit sie für Unterkunft und Verpflegung der Mannschaften sorgen konnten. Ich sah, dass Alex nur schweren Herzens ihre Brig hier zurückließ. Leider gab es aber keine Möglichkeit die Jackdaw bis nach Compiègne segeln zu lassen.
Wenn ich richtig lag würden wir noch ungefähr eine Woche bis dorthin brauchen. Hoffentlich hielt sich das schöne Wetter, weil die Wege durch tiefe Waldgebiete führten, welche bei Regen sonst völlig aufgeweicht wären!
Wir waren noch nicht ganz aus der kleinen Stadt und dem Hafengebiet, da stöhnte Alex leise auf.
„Mi sol, es wird schon nicht so schlimm werden. Es sind nur ein paar Tage.“ versuchte ich sie aufzumuntern, während unser Sohn dieses Schaukeln sichtlich genoss.
Monsieur Martineau unterrichtete uns unterdessen, dass er sich bereits um die Übernachtungsmöglichkeiten gekümmert hätte.
„Ich habe dafür gesorgt, dass es euch an nichts fehlen wird. Die Herbergen sind sauber und geräumig und vor allem sind uns die Inhaber bekannt. Alle durch die Bank weg loyal und vertrauenswürdig.“ ob dieser Mann in alles eingeweiht war, entzog sich meiner Kenntnis. Vermutlich hätten wir irgendwann einmal die Möglichkeit uns mit ihm unter vier Augen zu unterhalten.
Gegen Abend als die Sonne langsam unterging erreichten wir die erste Herberge. Unser Reiseführer hatte Wort gehalten und die Unterkunft war perfekt für unseren kleinen Tross. Die Scheune neben dem Gasthaus war geräumig, weswegen unsere Wachen und die Truhe dort gut untergebracht waren.
In unserem Zimmer gab es für Edward ein Kinderbett, Sybill und Magda teilten sich eine Kammer nebenan und Michael sowie Adrien nächtigten einen Raum weiter.
Nachdem wir noch etwas zu Abend gegessen hatten, gingen wir hinauf. Ich freute mich auf das weiche Bett und meine Frau, welche sich wohlig seufzend neben mir niederließ.
Leider wurde ich von ihr daran erinnert, dass wir hier nicht alleine sein. Mein Argument mit der Nutzung der Scheune wurde im Keim erstickt, weil wir dort ebenfalls nicht alleine wären.
Auch ich musste noch lernen in diesen Momenten Geduld zu haben, was mir von Zeit zu Zeit doch recht schwer fiel.
Im Morgengrauen weckte mich Alex leise. „Wach auf, mi amor.“ ihre warmen Lippen auf meiner Wange ließen mich lächeln. Dennoch war ich etwas alarmiert und sah mich vorsorglich im Zimmer um.
„Nein, es ist nichts passiert, aber zieh dir deinen Morgenrock an und folge mir!“ flüsterte sie und in diesem Moment konnte ich ihre Gedanken lesen. Dieses Weib hatte mal wieder sehr unanständige Bilder im Kopf, die mich aber auf mehr hoffen ließen.
Sie zog mich auf leisen Sohlen über den Korridor zu einer kleinen Kammer, welche für Notfälle gedacht war.
„Wenn ich mich dir so ansehe, dann ist dies jetzt ein echter Notfall, mi amor!“ sprach sie leise, schloss die Tür hinter sich und lehnte dagegen.
Langsam schritt ich auf sie zu, öffnete die Schnüre ihres Nachthemdes, welches dabei über ihre Schultern auf den Boden glitt. Ich drückte mich an sie, hob sie gleichzeitig auf meine Hüften und nahm sie.
Ihr Beine schlangen sich enger um mich und zum ersten Mal bemerkte ich diese Kraft die Alex hatte.
Es war ein kurzes Liebesspiel, aber überaus befriedigend für uns beide, da waren wir uns einig. Die Abstinenz auf der Jackdaw mussten wir beide zügig kompensieren. Wieder in in unserem Zimmer fanden wir noch ein wenig Schlaf, ehe unser kleiner Wecker ansprang.
Die letzten Tage waren wieder einmal recht anstrengend, gepaart mit schlaflosen Nächten aufgrund eines zahnenden Edwards.
Allesamt waren wir angeschlagen und unausgeschlafen, was sich mehr als negativ auf meine Laune auswirkte.
Im Laufe dieses Vormittags kamen wir in einem kleinen Dorf an, wo auf dem Vorplatz zur Taverne reges Treiben herrschte. Die Bewohner hatten sich dort versammelt um eine Wiedergutmachung zu fordern!
Ich übersetzte für Alex, weil sie immer noch nicht ausreichend des französischen mächtig war.
„Sie verlangen eine Wiedergutmachung! Der Wirt hat den Sohn dieser Familie aus dem Dorf jagen lassen, weil dieser seine Tochter erst geschwängert und sie dann der Hexerei bezichtigt hat. Das Mädchen hat sich ein paar Tage darauf aber selber das Leben genommen und man hatte das Teufelsmal auf ihrer Schulter gesehen!“ Plötzlich trat Angst in die Augen meiner Frau. Sie hatte mir berichtet, dass dieses Mal, von dem immer mal wieder gesprochen wurde, auch eine Narbe einer Pockenimpfung aus ihrer Zeit sein könnte. Jetzt hatte sie vermutlich die Befürchtung, dass das Mädchen ebenfalls eine Zeitreisende hätte sein können. Ich konnte sie aber beruhigen, weil der Wirt es noch einmal als ein Muttermal beschrieb.
Gerade als man immer lauter werdende Beschimpfungen hörte, drehten sich alle Köpfe die Straße hinunter, wo ein abgeranzter junger Mann humpelnd auf die Gemeinde zuhielt.
Mir entwich ein zynisches „Der verstoßene Sohn kehrt zurück.“ und ich übersetzte weiter für meine Frau.
„Sie wollen, dass er wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wird, weil er nichts unrechtes getan hätte. Angeblich hat er sogar um die Hand des Mädchens angehalten!“
Zu mehr kam ich nicht, weil der Wirt auf den Herren zuging und einen Dolch zückte.
„Verschwinde du Nichtsnutz! Wir wollen keine geisteskranken Idioten in unserem Dorf! VERSCHWINDE!“ rief er laut. Aber der Angesprochene sah aus vernebelten Augen von einem zum anderen, seine linke Körperhälfte hing schlaff herunter. Was hatte man diesem armen Mann nur angetan?
Eine Frau eilte auf ihn zu, es war die Mutter wie es schien.
„Sie ist froh, dass er den Weg zurück gefunden hat. Sein Name ist Phillippe und sie verspricht ihm, sich wieder besser um ihn zu kümmern, damit ihm nicht noch einmal so etwas passiert!“ erklärte ich Alex flüsternd, weil sich eine unangenehme Stille über die Anwesenden gesenkt hatte.
Die Liebe der beiden hatte Früchte getragen, aber dem Wirt gefiel diese Verbindung wohl nicht. Er wollte, wie er es gerade ausdrückte, keinen Idioten in seiner Familie haben. Dieser Herr besaß keinerlei Empathie oder dachte an die so gepriesene Nächstenliebe!
Seine Tochter hat keinen Selbstmord begangen, er hatte sie dazu gedrängt. Vermutlich weil man keine weise Frau gefunden hatte, die sich um das ungeborene Kind kümmern wollte. So war es ja des öfteren, dass die Frauen dann lieber den Tod suchte, als die Schmach eines ungewollten Spross!
Meine Frau neben mir war mehr als aufgebracht, weil sie diese Zustände nicht tolerierte. So etwas gab es in ihrer Zeit nicht, sprach sie leise und sah mit wütendem Blick zum Geschehen auf dem Platz.
In diesem Moment trat ein Herr in Robe vor, welcher, laut Adrien, der Advokat und Dorfpriester war. Auch hier übersetzte ich für Alex.
„Er sagt, er habe das Mädchen in der Beichte gehabt und sie hätte ihm gesagt, dass der Teufel wollte, dass sie mit dem Jungen das Bett teile. Auch sei der Teufel persönlich dabei gewesen… Mi sol… muss ich das wirklich weitergeben? Es klingt einfach völlig absurd und…“ ihre hochgezogene Augenbraue ließ mich weiter sprechen. „Also schön … ein paar Tage später nach der besagten Nacht, war Phillippe zum Wirt gegangen und hat ihn um die Hand der Tochter gebeten. Der Pastor war gerade zugegen und hat dann alles erforderliche in die Wege geleitet…. Du meine Güte, das ist die reinste Verschwörung hier. Wir sollten besser ein anderes Dorf finden, hier ist…“
Weiter kam ich leider nicht, weil besagter Geistliche auf uns zukam.
„Ihr da…! Was wollt ihr hier? Seid ihr gekommen um dem Spektakel beizuwohnen, welches Phillippe nun erwarten wird? Wollt ihr euren reichen Freunden von diesem Teufelswerk berichten?“ rief er uns entgegen.
„Maîtresse Kenway, bitte sagt nichts weiter. Der Gottesmann wird euch in keinster Weise Glauben schenken!“ hörte ich Monsieur Martineau warnend neben uns.
Als ich aber jetzt zu Alex sah, bekam ich Panik, weil sie so aufgebracht war, dass die Zeichen auf ihrer Haut zu leuchten begannen. Nicht nur bei ihr auch bei unserem Sohn waren sie zu sehen. Edward deutete mit bösem Blick auf den Priester...
Ich konnte nicht mehr einschreiten, die Meute sah in unsere Richtung und geriet in Panik!
„Da seht ihr sie! Die Heiden sind unter uns! Sie verschmähen unseren Gott und machen sich über uns lustig! Sie verhöhnen die Worte, welche uns der Herr lehrte! Ihre gottlosen Bräuche werden ihnen aber hier nichts nützen!“
Mit einem Male öffnete Edward den Mund und wir hörten ein hämisches, unheimliches Lachen, welches mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
„Schätzchen, lass das. Du machst den Menschen gerade Angst. Lass uns gemeinsam ruhig werden…“ flüsterte Alex, drehte sich mit unserem Sohn etwas zur Seite und begann ihm im Geiste vorzusingen, damit er sich beruhigte.
Aber es war zu spät, die Leute um uns hatten Angst, dass ihr Gott sie nun verlassen hatte. Sie würden jetzt sofort für ihre Sünden bestraft werden! Der Dorfpriester machte es nicht besser, immer wieder sprach er Gebete und forderte die Leute auf, es ihm gleich zu tun!
Neben Alex stand Mrs. Wallace, welche perplex und wie gelähmt dieses Szenario betrachtete.
„Und du widerliches Weib? Hast du diese Brut dort genährt und ihr diese heidnischen gotteslästerlichen Dinge beigebracht? Schämen sollst du dich! Verflucht seist du!“ schrie eine alte Frau meiner ehemaligen Haushälterin entgegen und bespuckte sie wütend!
Um uns wurde es jetzt immer unruhiger, Phillippe war vergessen. Was zählte waren wir! Adrien versuchte eine Erklärung, scheiterte aber an diesen von Aberglauben übermannten Dorfbewohnern.
Wir mussten hier weg und zwar schnell!
Ich hatte es noch nicht ganz zu Ende gedacht, da wurden wir in einen Nebel gehüllt und alles schien wie verlangsamt abzulaufen.
Wer war dafür verantwortlich?
Aber ich spürte einen inneren Frieden, ebenso wurde Edward ruhiger.
Trotzdem waren unsere Wachen zur Verteidigung bereit, aber in ihren Gesichtern lag eine ähnliche Verunsicherung wie bei den Menschen um uns.
Ich fühlte mich mehr als unbehaglich mit einem Male. Plötzlich drang eine Stimme zu uns durch.
Ich muss nun doch in das irdische Geschehen eingreifen, obwohl ich es nie tun wollte. Mein Gatte hat es ja sonst in der Hand…Ihr werdet euch nun mit den Wächtern langsam von hier entfernen und seht nicht mehr zurück. Ihr werdet nichts ändern können! Die letzten Worten waren direkt an meine Frau gerichtet, welche aber nicht damit einverstanden zu sein schien.
„Wir können doch nicht zulassen, dass diesem jungen Mann …“ Frigg ließ sie aber nicht ausreden!
Du gehst jetzt, Kind! Sie werden sich wie an eine alte Legende an diesen Tag erinnern! Ermahnte sie die Stimme ein weiteres Mal.
Langsam wurden wir aus diesem Ort – ich weiß nicht, wie ich es besser umschreiben soll – herausgeschoben. Man versetzte uns einfach.
Als ich mich umsah und sich diese Wolken verzogen hatten, standen wir auf einem Feldweg mit unserem Tross. Um meinen Kopf frei zu bekommen, schüttelte ich mich ein wenig.
„Maîtresse Kenway, ich wusste, wir können uns auf euch verlassen. Loki sprach lobend von euch und eurem Gatten!“ Monsieur Martineau ergriff als erster das Wort. Alex sah ihn mit offenem Mund an.
„Ihr wisst ...“ fragte sie ungläubig.
„Ich bin ein Diener Freyrs, man nennt mich Skirnir! Ich habe Fenrir, verzeiht mir Loki, mit einer Kette gebunden! Ich weiß, wer und was ihr seid und nicht ohne Grund hat man mich ausgewählt, an der Seite von Bragi und Idun zu stehen. Auch ihnen diene ich in dieser Welt. Wir wollen die Menschheit vor sich selber schützen!“ ergänzte Adrien seine Erzählung.
War es aber möglich, wenn wir alles vereinen, jedwede Katastrophe abzuwenden? Ein völlig utopisches Ziel, nur Verrückte und Geisteskranke… hörte ich Alex denken.
Auch Phillippe hatte diese Gedanken, aber niemand glaubte ihm, auch nicht seine Geliebte! Deswegen wurde er ausgelacht und verstoßen! Und sie? Sie konnte nicht weiter leben, mit dem Gedanken, so tief gefallen zu sein. Die Schande war einfach zu groß, also hat ihr Vater dem ein Ende gesetzt! Hörte ich Frigg erneut sprechen.
Wir hatten also Recht mit unserer Vermutung vorhin, ging es mir durch den Kopf.
Gerade als wir uns aufmachen wollten um noch vor Einbruch der Dunkelheit eine andere Unterkunft zu finden, sah ich, wie Sybill plötzlich in sich zusammensackte.
Wir verbrachten sie in unsere Kutsche, wo sie mit schweißnassem Gesicht auf dem Schoss meines Kammerdieners lag.
Edward wurde immer unruhiger und ich versuchte ihm zu erklären, dass er wieder zu ihr konnte, wenn es ihr besser ginge. Doch mein Sohn schrie mich plötzlich an.
„NEIN! MEIN!“ Alex sah ihn ebenso erschrocken an, wie ich.
Also setzte meine Frau ihn zu Michael, wo er schniefend an ihn gelehnt vorsichtig über die Wange seines Kindermädchens strich. Dabei hinterließen seine Berührungen goldene Spuren auf der Haut von Sybill. Fasziniert sahen wir ihm zu.
Dieses Spektakel ging noch eine Weile, ehe sich Edward müde an meinen Kammerdiener lehnte und die Augen schloss. Aber Alex konnte ihn dort nicht wegnehmen, sobald sie näher kam, erwachte er und rief laut „NEIN!“ Das ging noch eine Weile so, bis wir endlich an der neuen Herberge ankamen.
Unter Edwards lautem Protest brachten wir Mrs. Wallace hinauf in ihr Zimmer, wo sich unser Sohn gleich wieder an sie kuschelte.
Wir alle hatten keinen Appetit mehr, also wurden unsere Räume hergerichtet und Alex, Magda, Michael und ich wechselten uns bei Sybill ab. Nur zur Sicherheit!
Die Wachen hatten hier im Haus für die kommenden Tage Zimmer bekommen, wohin sie sich auch gleich zurückzogen. Bis auf diejenigen, welche gerade Dienst hatten, versteht sich.
Immer noch sah ich fasziniert dabei zu, wie Edward völlig ruhig und vorsichtig sein Kindermädchen berührte.
Er nimmt ihr ihren Schmerz, Kind! Edward bringt sie wieder zurück, langsam und erholsam, damit sie nicht überfordert ist. Ein Mensch könnte sonst großen Schaden nehmen, würden wir es wie bei uns angehen!, hörten wir Iduns Stimme plötzlich!
Mit einem Strahlen im Gesicht sagte Edward voller Stolz „Ich kann das schon!“
Ich traute meinen Ohren nicht und ich spürte ein Brennen in meinen Augen.
„Was sind wir nur für eine eigenartige aber faszinierende Familie geworden?“ flüsterte ich und sah gebannt zu unserem Sohn.
Irgendwann legte Edward seinen Kopf auf die Brust seines Kindermädchens, sprach leise „Mein!“ und war eingenickt.
Es war ein wunderschöner Anblick, welcher meiner Frau Tränen in die Augen trieb. Nicht nur ihr.
Endlich ist es soweit. Ich kann mich ganz meiner Bestimmung widmen!
Bei dieser Stimme überzog sich mein Rücken mit einer Gänsehaut. Ich kannte sie nicht.
Vor uns verbeugte sich plötzlich eine gold leuchtende Frau.
Ihr kennt mich nicht, aber ich war die ganze Zeit bei eurem Sohn und werde es auch bei eurer späteren Tochter und eurem anderen Sohn sein! Ich wache über die Tugend, die Sittsamkeit und bin eng verbunden mit meiner Freundin Freya! Es ist jetzt an der Zeit, dass ihr wisst, ihr seid alle beschützt. Freya und ich werden eine Brücke zu EURER Freundin schaffen, welche uns ebenfalls zur Seite stehen wird. Und nun lasst uns meine menschliche Gestalt wieder genesen!
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte! War auch das schon alles der Plan der Götter gewesen? Tauchten wir jetzt immer tiefer in unser Schicksal ein?
Was glaubt ihr denn? Nichts passiert ohne Grund!
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, öffnete meine ehemalige Haushälterin die Augen, sah auf ihren Schützling herunter und brach in Tränen aus.
„Ich habe es nicht nur geträumt, er ist wirklich hier.“ ihre Hand fuhr sanft über seinen dunklen Haarschopf.
Neben mir spürte ich, wie in Alex eine leichte Eifersucht auf Sybill emporstieg.
„Beruhige dich.“ sprach ich leise und drückte dabei ihre Hand.
Wie aus dem Nichts umgab uns plötzlich ein grelles Leuchten und wir standen in einem leeren Raum. So wie damals, als mich der Allvater versuchte ein wenig aufzuklären! Doch hier erschien nicht Elias, sondern die Göttin Snotra (Link in der Beschreibung!) selber.
Ich sah, ihr habt viele Fragen. Haytham, als erstes beantworte ich dir die Frage, warum ich schon so lange an deiner Seite stehe. Erinnerst du dich an den Tag, als du mich eingestellt hast? Oder besser Sybill, welcher ich bis dahin noch nicht wirklich erschienen war. Doch das ist eine andere Geschichte und sie wird sie sicherlich noch erzählen.
Sie sah mich erwartungsvoll an, als ich über die Zeit damals nachdachte. Dann fiel es mir wieder ein.
„Es war direkt nach meiner Ankunft in Boston, als ich dort das kleine Haus gemietet hatte. Sie kam aufgrund meines Aushangs zu mir und bat um eine Anstellung… Wir waren uns sofort einig und, wenn ich es jetzt recht betrachte, war es als würde sie mich schon mein Leben lang kennen!“ Dann kam mir eine Erkenntnis. Jemand musste sie geschickt haben! Jemand, dem es wichtig war, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen konnte, wenn auch eher unterschwellig und unterbewusst. Mein VATER!
Genauso war es, Haytham. Heimdall hat mich zu Mrs. Wallace geschickt, damit wir ein Auge auf dich haben können. Und wie ich sehe, hat das wunderbar funktioniert. Ihr Strahlen wurde noch intensiver, als sie Alex jetzt ansah.
Alexandra, auch du siehst jetzt, wie die Fäden oder wie du es genannt hast, die Puzzleteile zusammen geführt werden! Deine Aufgabe bestand schon immer darin, diese Reise anzutreten! Wir haben bereits vor mehreren hundert Jahren kleinere Einflüsse und Ereignisse in das Leben deiner Vorfahren einfließen lassen. Aus diesem Grunde besitzt du tatsächlich fast reines Wikinger-Blut, dass war entscheidend, damit du deine Bestimmung erfüllen kannst. Du musst diesen Glauben an uns Götter verinnerlicht haben, uns und unsere Bräuche verstehen und ebenso unsere Riten!
Wütend brach es jetzt aus meiner Frau heraus.
„Warum hat man mich nicht schon früher eingeweiht? Warum wurde ich damals mit dem Armreif ins kalte Wasser geworfen? Es hätte doch auch alles ganz anders verlaufen können… Und warum beherrsche ich dänisch oder einige gälische Ausdrücke? Warum erst JETZT?“
Dieses kleine Sprachtalent erklärte sich dahin gehend, dass wir einige Bindungen bereits eingegangen waren und meine Frau eben diese tiefe Verbundenheit dazu hatte.
Vergiss auch nicht, es ist nicht das reine Dänisch, sondern eine Mischung aus der alten Sprache. Du singst deinem Sohn abends immer ein Lied vor, welches den alten Wortstamm nutzt. Und ja, eure Enkelin hat dieses Talent der Sprachen mitbekommen, weil sie es in der Zukunft sein wird, die dein Werk fortsetzt! Es klingt alles noch neu für euch beide, aber ihr werdet euch daran gewöhnen. Jedoch darf ich dir noch nicht alles kundtun, Alexandra, weil deine Schwester im Geiste deine Geschichte ebenso miterleben wird. Es ist aber noch nicht an der Zeit, so leid es mir tut.
Die nächste Frage, welche Alex und ich uns beide stellten war, warum Mrs. Wallace nie von der Göttin an ihrer Seite gesprochen hatte. Es gab nicht einmal den kleinsten Hinweis, wenn ich darüber nachdachte.
Nenne es eine Absicherung! Es war ausschließlich für euren Schutz gedacht, solange ihr beide euer Schicksal noch nicht kanntet. Zudem wollte ich euch nicht beunruhigen, weil ich auch nicht wusste, ob ich euch nicht doch überfordere.
Das war einleuchtend.
Die Neugierde meiner Frau war aber geweckt, weil Snotra von weiteren Kindern gesprochen hatte. Leider erhielten wir keine Antwort darauf, wann es soweit sein würde.
Es wurde Zeit, wieder in die Realität einzutauchen beschloss die Göttin vor uns und langsam kamen wir in der kleinen Kammer bei Sybill und Edward wieder an.
Für einen Moment klammerte sich Alex an mich und ich bemerkte wie sie schwankte.
Ich ließ meinen Blick über dieses Idyll gleiten.
„Mi sol, ich bin immer noch sprachlos. Aber nun verstehe ich auch, was mich mit dieser Frau so verbunden hat und warum ich sie nicht gehen lassen würde.“ uns beiden fiel gleichzeitig wieder ein, dass wir ja noch ein weiteres Kindermädchen einstellen wollten. „Nur zur Sicherheit sollten wir eine weitere Aufsichtsperson haben…“ ergänzte ich meine Ausführung noch.
„Master Kenway, dagegen ist nichts einzuwenden! Ich werde das neue Kindermädchen sicherlich gut und nach euren Wünschen einarbeiten.“ erschrocken sah ich zu Sybill. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl sie leuchte von innen, doch dann war es wie bei Alex damals. Sie... ja ihre Gesichtszüge verjüngten sich.
Und ehe wir uns versahen, schlug Edward die Augen auf und rief „Sisi… daaaa… min“!
Mir verschlug es für einen Moment die Sprache. Auch Alex liefen die Tränen die Wangen herunter, als sie unseren Sohn auf den Arm nahm und drückte.
„Es war eine gute Entscheidung, euch diese Anstellung zu geben. Ich bin sehr dankbar, Sybill!“ ihre Stimme zitterte bei diesen Worte.
Vorsichtig legte sich die Hand des Kindermädchens auf ihre. Damit war alles gesagt und mich überkam ein neuer Frieden!
Es war jetzt kurz vor Sonnenaufgang, also beschlossen wir, wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen! Unser Sohn ließ sich jetzt ohne Gequengel hinlegen und war in Sekunden eingeschlafen.
Neben mir im Bett hörte ich meine Frau immer noch leise weinen. Es war kaum in Worte zu fassen, was in dieser Nacht geschehen war!
„Mi sol, wie es scheint, sind wir von Anfang füreinander bestimmt gewesen. Und wenn ich so darüber nachdenke, vielleicht war ich einfach als Test für dich angedacht gewesen, um zu sehen, ob wir uns irgendwann annähern können. Wer weiß das schon…“ kicherte ich leise vor mich hin.
„Ja, du warst die reinste Herausforderung für mich! Und du weißt ja, du warst wirklich ein süßer Fratz damals… und jetzt? Wer könnte da schon widerstehen?“ Alex grinste breit bei diesen Worten!
„Wie es scheint, DU nicht…“ damit versiegelte ich ihre Lippen und wir fanden langsam in den wohlverdienten Schlaf!
(*) Snotra ist die Göttin der Klugheit, der Tugend und der Sittsamkeit. Sie gilt als kluge, zierliche Asin und schützt tugendhafte Menschen, besonders die edlen und sittsamen Jungfrauen und Jünglinge. Sie ist eine Freundin der Freyja und hält sich in deren Gefolge auf.
Liste der Götter und Artefakte
Edward James Kenway
Gjallarhorn (Das Horn, mit welchem die Ragnarök angekündigt wird!)
Tessa Kenway
Hüterin des Schmuckkästchens der Göttermutter Frigg
Elias Lestrange (Duke of Ironside)
Speer und Schwert - Odins Thron befähigt ihn, alle 9 Welten zu sehen, weswegen Elias in seinem Studierzimmer einen reichverzierten Stuhl hat. Dieser begleitet ihn auf jeder Reise!
Mistress Lestrange (Odins Gemahlin!)
Spinnrad (sie soll laut Überlieferung, die Wolken gewoben haben!) Frigg gehört zum Götter-Geschlecht der Asen. Sie ist die Gemahlin des Göttervaters Odin und Mutter des Lichtgottes Balder, des blinden Gottes Högur, von Hermor und Bragi, Gott der Dichtkunst und auch die Mutter der Walküren.
Frigg ist die Göttin des Hausstandes, der Sippe und der Familie. Sie ist Hüterin und Bewahrerin der göttlichen Ordnung, greift jedoch nicht, wie ihr Gatte Odin, in das irdische Geschehen ein.
Finley Bradshaw
Ring der die Midgardschlange darstellt.
Loki ist eine der vielschichtigsten Gestalten des nordischen Pantheons: Einerseits hilft er den Göttern, andererseits spielt er ihnen auch Streiche und hintergeht sie. Dabei macht er von seiner Fähigkeit als Gestaltwandler Gebrauch und erscheint zum Beispiel in der Gestalt eines Lachses oder einer Fliege. Aufgrund dieser ambivalenten Rolle wird er häufig als Trickster-Figur interpretiert. Es gibt viele Geschichten in der Edda, in denen Loki eine Rolle spielt:
- Loki, Thjazi und die Entführung Iduns
- Loki und der Bau von Asgard
- Loki und Thor
- Loki und die Kleinode der Götter
- Loki als Räuber des Brisingamens
- Loki und Andvari
- Loki und Balders Tod
- Loki und Ragnarök
- Loki und Celty
Francis Bradshaw (Lokis Ehefrau)
Eine goldene Schale, mit welcher sie das Schlangengift auffing, damit ihr Mann nicht leiden musste! Sie ist das Sinnbild der ehelichen Treue!
Artem Alexeeva
~kein Schmuck~ Ein Riese, welcher als das erste Lebewesen gilt in der nordischen Mythologie. Später wird er von Odin und seinen Brüdern zerrissen! Und aus seinem Körper entsteht die Welt!
Eugene Avdeyev
~kein Schmuck sondern sein Schiff ist besonders~ Naglfar, das Totenschiff, mit welchem er durch die Welten reisen kann! Hrymr (altnordisch), auch Hrym oder Hrymir, ist in der nordischen Mythologie ein Riese, der in der Ragnarök auftritt. Nach der Prosa-Edda steuert er das Totenschiff Naglfar, nach der Völuspá kämpft er in Waffen gegen die Götter. (Nicht zu verwechseln mit der Naglfar aus „The Witcher 3“!!! Man hat sich dort nur der nordischen Mythologie bedient!!!!)
Mrs. Wallace
Snotra ist die Göttin der Klugheit, der Tugend und der Sittsamkeit. Sie gilt als kluge, zierliche Asin und schützt tugendhafte Menschen, besonders die edlen und sittsamen Jungfrauen und Jünglinge. Sie ist eine Freundin der Freyja und hält sich in deren Gefolge auf.
Monsieur Jomphe (Kontakthändler Frankreich und Niederlande!)
Bragi gehört zum Götter Geschlecht der Asen. Er ist ein Sohn von Odin und Frigg. Bragi ist der Gott der Dichtkunst.
Bei den Germanen, hatte die Dichtkunst eine sehr hochgeschätzte Bedeutung: Dichtkunst war heilig. Alles Wissen sowie alle historischen Ereignisse, ja ganze Familienchroniken wurden so weiter vermittelt. Was der Nachwelt erhalten bleiben sollte, musste in Gedichtform gebracht werden.
Magie ist ein anderer Aspekt der Dichtkunst. In der germanischen, magischen Tradition sind Zaubersprüche, welche direkt auf das Unterbewusstsein einwirken und nur durch gezielte Anwendung der Dichtkunst funktionieren ein wichtiger Angelpunkt. Dies alles müssen wir wissen, wenn wir den Bereich des Gottes Bragi verstehen wollen. Seine Gemahlin ist Idun.
Madame Laurette Jomphe (Kontakthändlerin Frankreich und Spanien)
Idun wird dem Götter Geschlecht der Asen zu gerechnet, obwohl sie die Tochter eines Zwerges sein soll. Sie ist die Gemahlin des Dichtergottes Bragi. Ihr Zuständigkeitsbereich ist Jugend und Unsterblichkeit. Mit ihren goldenen Äpfeln versorgt sie die Götter und verhilft ihnen zu ewiger Jugendlichkeit.
Als Loki die Göttin Idun samt ihrer goldenen Äpfel dem Frostriesen Thiazi ausliefert, altern die Götter sofort. Treffsicher haben die Götter sofort Loki in Verdacht und befehlen ihm, Idun zurückzubringen. Das tut Loki denn auch. Er verwandelt sich in Falken, verwandelt Idun in eine Nuss und fliegt mit ihr zurück nach Asgar. Thiazi bemerkt den Raub und verfolgt den flüchtenden Falken Loki in Gestalt eines Adlers.
So können die Götter von Asgard den Frostriesen töten, indem sie über den Mauern von Asgard seine Flügel verbrennen.
Als Ragnarök sich ankündigt, sinkt Idun von Asgard in die Unterwelt hinab. Ihr Gemahl Bragi folgt ihr.
Monsieur Adrien Martineau (Diener der Eheleute Jomphe)
Skirnir ist in der nordischen Mythologie Freyrs Freund und Diener. Er wirbt in Jötunheim im Namen Freyrs um die Riesin Gerda. Als Lohn dafür erhält er Freyrs Schwert und sein Pferd. Skirnir wird von den Göttern als zuverlässiger Vasall angesehen und mit Botschaften oder Aufträgen in andere Welten geschickt. Ein weiteres Mal wird Skirnir, im Auftrag Odins, zu den Zwergen nach Schwarzalbenheim geschickt um die unverwüstbare Kette Gleipnir zu holen, um damit den Fenriswolf zu binden.
Wir blieben in unserer Unterkunft noch ungefähr 5 Tage, damit Sybill sich erholen konnte.
Während dieser Zeit erkundete meine Frau mit Magda und unserem Sohn ein wenig die Umgebung und den naheliegenden Wald.
Bei ihrer Rückkehr berichtete sie mir von einer Begegnung mit dem Priester aus dem Nachbardorf. Er hätte sie lediglich skeptisch beäugt, aber nicht weiter reagiert. Demnach hatte die Gehirnwäsche von Frigg geholfen.
Was wir aber nicht mehr in Erfahrung bringen konnten war, ob es dem jungen Mann gut ging, oder ob er überhaupt noch lebte! Auch mir gingen diese Gedanken im Kopf herum.
Die Tage der Untätigkeit taten meiner Laune keinesfalls gut. Ich versuchte mich mit Auflistungen, was wir noch zu erledigen hätten oder der Inspektion der Artefaktentruhe abzulenken.
Hin und wieder unterhielt ich mich mit Mrs. Wallace und sie berichtete mir ein paar Dinge aus ihrem Leben, bevor sie bei mir angestellt war. Einiges wusste ich ja schon von Alex, als sie sie als Kindermädchen eingesetzt hatte.
Endlich am fünften Tag konnten wir unsere Weiterreise antreten!
Während wir nun die letzte Etappe antraten, erzählte ich von dem Jagdschloss im Wald.
„Es ist wirklich wunderschön dort, auch wenn ich seit Birchs Tod nicht mehr dort war.“ Das war eine gefühlte Ewigkeit her, wenn ich so darüber nachdachte.
„Ich vermute mal, es wird sich nicht so großartig verändert haben, mi amor. Aber wie fühlt es sich für dich an, wieder dorthin zu reisen?“ eine berechtigte Frage, welche ich mir auch schon einige Male selber gestellt hatte.
„Wenn ich darüber nachdenke, habe ich gemischte Gefühle in mir. Ein schlechtes Gewissen, Angst und so etwas wie eine Art angewidert sein überkommt mich immer wieder. Sein Zimmer ist, so hatten Jenny und ich es angeordnet, verschlossen und für niemanden zu betreten!“ Die letzten Worten kamen etwas zu resolut hervor.
Auf dem Weg nach Troyes erholte sich Sybill immer mehr und konnte auch wieder ihrer Berufung als Kindermädchen nachgehen. Was natürlich Edward besonders freute!
Bei Alex aber sah ich immer wieder eine gewisse Eifersucht aufkeimen, welche ich entsprechend versuchte im Zaum zu halten.
Er bleibt DEIN Sohn, mi sol, mir geht es nicht anders. Sieh es von der anderen Seite, somit brauchen wir kein schlechtes Gewissen haben, sollten wir überstürzt einmal aufbrechen müssen oder länger fort sein! Sprach ich sie im Geiste an, als sie mal wieder so vor sich hin grübelte.
Dann endlich fuhren wir aus dem Waldstück und hielten auf die großen Außenmauern des Schlosses zu.
Staunend sah sich meine Frau um, hielt sich die Hand über die Augen, weil die Sonne blendete nach dem dunklen Wald.
Das Tor wurde, ohne dass wir etwas machen mussten, geöffnet und man ließ uns einfahren.
Dieser Moment, als wir auf den großen Hof mit seinem breiten Kiesweg einfuhren, war wie ein nach Hause kommen. Ich hatte einen Großteil meiner Jugend hier verbracht, bis mich Reginald endgültig in den Orden aufgenommen hatte.
Alex saß mit offenem Mund in der Kutsche und schien sich nicht zu trauen auszusteigen. Also bot ich meine Hilfe an, während unsere Angestellten und Wachen bereits von hier wohnenden Dienern unter die Fittiche genommen wurden.
Ehrfürchtig stand sie jetzt dort und sah auf das doch recht imposante Gebäude vor sich.
Kurz darauf eilte uns schon der Verwalter, Monsieur Lacasse entgegen. Ihm folgten seine beiden Töchter, Marienne und Adéle, welche ich kaum wiedererkannt hätte. Meine Frau entgingen die beiden Damen nicht und ich sah, dass sie an unseren Streit in London dachte. Hoffentlich würde es hier nicht noch zu unschönen Vorfällen kommen, dachte ich im Stillen.
„Master Kenway, es freut mich, dass ihr nach so langer Zeit wieder hier seid. Wir haben eure Ankunft schon sehnsüchtigst erwartet und es ist alles für euch und eure Familie vorbereitet und hergerichtet.“ begrüßte mich der Verwalter mit einem Kniefall. Erstaunt sah Alex dabei zu. Das hatte ich nicht für nötig erachtet, sie diesbezüglich aufzuklären. Ich ging davon aus, dass sie wusste, dass mir diese Geste als Wertschätzung des öfteren entgegen gebracht wurde. Ich war derzeit der höchstgestellte Tempelritter hier, also gebot es die Höflichkeit einfach.
Ich stellte meine Familie vor, auch sie wurden mit einem Kniefall in Empfang genommen.
Zwischenzeitlich verabschiedeten wir noch Monsieur Martineau, damit er den Eheleuten Jomphe von unserem Verbleib berichten konnte.
Man führte uns jetzt zum Eingang und in die große Halle. Ich erklärte kurz die Raumaufteilung auf dieser Etage und war schon gespannt, was wir in der Bibliothek alles finden würden und ob es uns weiterhelfen konnte. In mir begann die Aufregung zu wachsen und meine Laune stieg ein wenig.
Die Tür unter der rechten Treppe würde ich meiner Frau später noch erklären. Dort waren seinerzeit Monica und Lucio inhaftiert. Ich muss gestehen, ich hatte nie wieder von ihnen gehört. Was sie wohl gerade machten? Geht es ihnen überhaupt gut? Leider hatte ich nie in Erfahrung bringen können, wohin sie abgereist waren, geschweige denn eine Adresse ausfindig machen können.
Jetzt hieß es die obere Etage in Augenschein zu nehmen, vorbei an einigen Gemälden die die alten Besitzer zeigten und dem großen Portrait Master Birchs. Ich sollte es beizeiten einmal abnehmen lassen. Dabei fiel mir auch wieder unser eigenes Familienbild ein, welches wir noch in Auftrag geben mussten!
Magda, Michael und Sybill wurden zu ihren Kammern geführt, während Monsieur Lacasse uns zu unseren Zimmern brachte. Es war tatsächlich mein altes Reich, was mich auf der einen Seite freute, umgekehrt war es ein etwas merkwürdiges Gefühl. Die Erinnerungen kamen in kleinen Schüben über mich hereingebrochen wie Wellen mittlerweile. Meine Gefühle begannen sich wieder in chaotischen Bahnen durch meinen Geist zu winden!
Als Alex hier im Raum kein Kinderbett fand, klärte sie unser Verwalter auf, dass Master Edward sein eigenes Zimmer nebenan hätte und deutete auf die Durchgangstür zur linken!
„Ich würde ihn aber gerne … weil er noch fremd hier ist …“ ich wusste es! Sie konnte noch nicht loslassen, aber ich ließ sie nicht ausreden.
Stattdessen dankte ich Lacasse für sein vortreffliches Mitdenken.
Im Geiste meiner Frau sah ich aber schon, wie sie sich ausmalte bei unserem Sohn zu übernachten. Wir würden später darüber reden, sprach ich wortlos in ihrem Geist! Das wirst du sein lassen! Deine Worte waren, so lange du ihn stillst, bleibt Edward bei uns. Erinnere dich! Langsam wurde ich etwas ungehalten, was natürlich auch ihr auffiel und sie sah sich ängstlich um, ob eine Bedrohung von Außen für meine Laune verantwortlich sei. Nein, wir waren alleine!
Edwards Zimmer war mit einem großen Bett ausgestattet, welches Gitter an den Seiten hatte, damit er nicht hinausfallen konnte. Es waren bereits alle Truhen hier und Sybill begann mit dem Einräumen seiner Sachen.
Wir gingen jetzt wieder hinunter. Bei Reginalds Bildnis blieb Alex stehen und betrachtete es stirnrunzelnd.
„Das ist Maître Birch, Maîtresse Kenway.“ erzählte der Verwalter, weil er dachte, sie würde ihn nicht kennen.
Sie hätte sich Reginald wesentlich imposanter vorgestellt. Er sähe nicht ansatzweise so autoritär aus wie ich, Lucius oder ihr eigener Mentor.
Ich erklärte, dass mein alter Meister durchaus auch anders konnte. Braddock kuschte das ein oder andere Mal schon vor ihm. Auch ich hatte in jungen Jahren größten Respekt vor ihm, ab und an war es auch gepaart mit Angst vor Strafe. Aber das war lange her.
Draußen wurden wir von einem bereits gedeckten Mittagstisch erwartet und ich nahm den Geruch von gebratenem Fleisch wahr. Tatsächlich hatte ich Hunger, wie ich feststellte.
Sogar das Kindermädchen hatte wieder Appetit, was mich sehr freute. Sie war vermutlich vollständig genesen!
Nach dem Essen übernahm ich die Führung durch und um das Schloss.
Es stand alles in voller Blüte und ich war sehr angetan von der Sorgfalt mit welcher der Garten um das Anwesen gepflegt wurde.
Hin und wieder hielt Alex an um sich eine Beere von einem Busch zu nehmen. Ihr seliger Ausdruck dabei brachte mich zum Lächeln, man sah sie selten so entspannt.
Als wir auf den kleinen Rasen im Vorhof traten, sah ich die Bilder von damals wieder vor mir, wie ich hier mit dem Schwert trainierte unter Birchs Anleitung. Oder wie ich in die Feinheiten des Bogenschießens eingeführt wurde. Die Nahkampfausbildung hatte es mir damals angetan. Andere Rekruten oder Adepten trainierten mit mir hin und wieder gemeinsam, so dass ich Abwechslung in meinen Gegnern hatte.
Wie lange ich hier in Gedanken versunken da stand, kann ich nicht sagen. Aber als ich mich zu meiner Frau umdrehen wollte, bemerkte ich erst, dass sie gar nicht mehr hier war.
Ich ging auf die Suche und fand sie auch kurz darauf.
Auf allen Vieren auf dem Kies, während sie neugierig den Unterbau einer dort platzierten Sonnenuhr musterte.
„Mi sol, was suchst du? Hast du etwas verloren?“ fragte ich leise lachend.
„Ich habe nichts verloren, aber manchmal… ach vergiss es einfach.“ Mit dieser Antwort gab ich mich aber nicht zufrieden. Ihr doch sehr ansprechender Anblick auf den Knien hier und wie sie so angespannt etwas untersuchte, machte mich neugierig.
Seufzend begann sie mir von einer Lara Croft zu erzählen, welche als Abenteurerin viele Rätsel lösen musste um ans Ziel zu kommen. Unter anderem gab es eben ein solches was mit einer Sonnenuhr zusammenhing. Diese Abenteuer nannte sie Videospiel und ich erinnerte mich an Yannick, welcher uns so etwas bei unserer Reise in Alex´ Zeit gezeigt hatte. Interessante Vorstellung, dass man einen Menschen durch ein Gemäuer, einen Wald oder ähnliches lenken konnte, ohne selber dabei sein zu müssen! Doch ich schweife ab.
Auf meine Frage, ob sie vermutete, dass es so etwas ähnliches auch hier gäbe und wenn ja, dass wir vielleicht einmal das Kellergewölbe näher untersuchen sollten, sah sie mich leicht wütend an. In meiner Stimme muss sie meinen Sarkasmus herausgehört haben.
„Verarschen kann ich mich alleine, man. Ich weiß doch auch nicht, es sah halt … seltsam aus.“ kam es jetzt lachend von ihr, weil sie mein breites Grinsen bemerkte.
„Mi sol, deine lose Zunge und… könntest du mir bitte diesen Ausdruck erklären? Du kannst bitte WAS machen?“ Aber ich hatte bereits eine neue Lektion für sie im Kopf.
„Das heißt, du sollst mich nicht auf den Arm nehmen, Master Kenway.“ Diese Worte hauchte sie leise an meinem Ohr, während ich ihr ein paar Bilder von meinen Ideen im Geiste zeigte. Es zeigte Wirkung. Als ich sie jetzt in den Arm nahm, schmolz sie unter meinen Berührungen dahin.
„Ich sagte ja, den Keller sollten wir näher untersuchen beizeiten, Mistress Kenway.“ Ich klang etwas atemlos, weil ich dieses Weib am liebsten auf der Stelle genommen hätte. Leider war das hier nicht ohne weiteres möglich.
Der Abend käme aber bald und dann würden wir weitersehen.
Wir gingen noch ein wenig weiter. Schließlich gab es hier noch mehr zu sehen.
Wir hatten damals einen Taubenschlag installiert und ich muss sagen, auch dort sah man die gute Pflege. Ebenso war der Pferdestall mit dem angrenzenden Fuhrpark gut in Schuss. Vielleicht könnten wir ein paar freie Minuten nutzen für einen Ausritt!
Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich meine Frau dabei ertappte, wie sie im Kopf ausrechnete, was dass alles kosten würde.
Ich konnte sie beruhigen, weil es fast selbsttragend war. Die Angestellten arbeiteten nicht umsonst, sie wurden unter anderem von dem Fond aus meinem Erbe mit finanziert. Außerdem war man hier Selbstversorger und konnte einige Waren auch auf Märkten verkaufen. Somit brauchte gerade Alex sich keine Gedanken über die anfallenden Kosten hier machen.
„Es ist wirklich wunderschön hier!“ sagte sie leise, als sie sich weiter umsah. „Hast du eigentlich sehr viel Zeit hier verbracht, Haytham?“
Es waren etliche Jahre, wenn auch nicht immer durchgehend, weil Reginald und ich oft gemeinsam unterwegs waren. Später wurde ich auf eigene Missionen geschickt.
Auch berichtete ich nicht ganz ohne den Stolz von damals, dass ich hier angekommen mit meinen 11 Jahren keine Kindermädchen mehr hatte, sondern mir ein Kammerdiener zur Seite gestellt worden war. Bei diesen Worten huschte ein breites Grinsen über ihr Gesicht. Für meine Frau waren diese Bediensteten immer noch etwas eigenartiges, weil man in ihrer Zeit kaum Hilfe beim Einkleiden brauchte.
Als ich dann von meinem Training berichtete und das mit einer großen Portion Nostalgie in meiner Stimme, hakte sie nach. „Wenn ich ehrlich sein soll, man hat dich wirklich sehr gründlich ausgebildet. Wirst du auch Edward so intensiv unterrichten?“
Da gäbe es gar kein Vertun, natürlich würde ich ihn auf seine Aufgaben entsprechend vorbereiten. Doch schon sah ich, wie in Alex eine gewisse Angst vor zu viel Strenge aufstieg. Sie würde weiter lernen müssen sich anzupassen und auch weiter loslassen musste sie noch verinnerlichen. Ich würde ihr dabei aber zur Seite stehen!
Am Abend, als Edward im Bett war, ging ich mit meiner Frau in die hiesige Bibliothek um sie vom Gedanken an ihn und sein eigenes Zimmer abzulenken!
Was soll ich sagen? Es funktionierte.
Völlig fasziniert ging sie die Regale entlang, strich sanft über die Buchrücken und in ihrem Blick tauchte eine gewisse Verträumtheit auf. Ja, sie war in ihrem ganz eigenen Paradies. Ich glaube, ich erwähnte es schon einige Male. Mir war noch nie eine Frau begegnet, welche solch eine Liebe zu Büchern hatte und auch noch so belesen war. Ich beobachtete sie still eine Weile bei ihrer Erkundung.
Plötzlich schoss mir ein mehr als absonderlicher Gedanke durch den Kopf, welchen ich zwar schon des öfteren hatte, aber den ich nie bis zum Ende gebracht hatte.
„Hätte ich Reginald anders bestrafen sollen?“ fragte ich jetzt ohne Umschweife. Dafür erntete ich eine hochgezogenen Augenbraue, es war ein sehr eigenartiger Themenwechsel, ich gebe es zu.
„Wenn ich ehrlich bin, ja, dass hättet IHR! Im Grunde hast du dich gerächt und soviel weiß ich über den Templerorden, dass DAS nicht zu den Lehren zählt. Auch wenn Reginald es verdient hat.“ Trotzdem gingen auch ihr jetzt weitere Überlegungen durch den Kopf bezüglich des Eingreifens in die Geschichte, die Rettung meines Vaters und ähnliches.
Ich versuchte mich zu erklären.
„Nein, ich habe damals eine Entscheidung getroffen, welche mir richtig erschien. Du hättest Jenny damals sehen sollen, sie war alt geworden und hatte diesen Hass auf ihn in ihren Augen… Meine Schwester brauchte diese Rache, genau wie ich auch. Oder auch Faith bei Zoe zum Beispiel.“
In Alex´ Gesicht las ich, dass auch sie sich Gedanken über ihre eigenen Entscheidungen machte. Ihr Ex-Verlobter ging ihr durch den Kopf zum Beispiel. „Auch ich habe Entschlüsse gefasst, welche vielleicht nicht immer richtig waren. Aber was zählt ist doch das jetzt und hier, oder nicht?“ sprach sie leise und sah mich fragend an.
WIR zählten, unsere Bestimmung und unsere Aufgabe ist wichtig. Genau daran sollten wir festhalten und auch unseren Sohn immer wieder daran erinnern. Bei meinen Worten war sie näher gerückt und wurde ruhiger, genau wie ich auch.
Aber in meinem Kopf ploppte ein Bild auf, welches ich in den Jahren immer wieder verdrängt hatte. Der Geheimraum! Mein Meister hatte dieses Geheimnis lange vor mir verborgen, bis es aber von Nöten war, mich in die Geschichte der Vorläufer einzuweihen.
Gedankenverloren stand ich auf und zog Alex ebenso mit hoch. Ohne ein Wort ging ich hinüber zum Arbeitszimmer und öffnete die besagte versteckte Tür.
Hier war schon lange niemand mehr gewesen. Spinnweben hingen von der Decke und Staub bedeckte die Regale. Nach und nach entzündete ich die Fackeln, damit wir uns einen Überblick verschaffen konnten.
Die Augen meiner Frau wurden immer größer, als sie diese Waffen- und Rüstkammer sah! Wie gut ich sie doch verstehen konnte.
Als ich damals das erste Mal hier eintrat, war ich so fasziniert und malte mir die alten Ritter aus, welche mit diesen Schwertern gekämpft hatten. Oder diese Schilde, teilweise verbeult, verrostet oder aber auch gut erhaltene, wie sie von Kriegern zum Schutz getragen wurden!
Aber was noch wichtiger war, war unsere eigene Liste an Dingen, die wir finden sollten. Mir war nämlich eingefallen, dass hier durchaus einige Stücke lagerten, die auf diesem Papier stehen könnten.
„Gibt es eine Art Bestandsliste von den Dingen, die hier lagern? Vielleicht müssen wir gar nicht immer so weit reisen um die Gegenstände zu finden.“ Auch Alex´ Euphorie war gestiegen wie es aussah.
Im Schreibtisch wurde ich fündig. Sie hielt es in den Schein einer der Fackeln und ließ abrupt die Schultern sinken.
„Kannst du vielleicht diese Sprache, mi amor?“ grinste sie mich zynisch an und deutete auf den Einband. Es war hebräisch! Nein, damit kannte ich mich nicht aus und mir entwich ein etwas unflätiger Fluch über diese verdammten Verschlüsselungen!
Also würden wir uns auch hier um einen Dolmetscher kümmern müssen.
Meine Frau war aber doch zu neugierig und hatte ein kleines Behältnis von einem der Regale genommen. Als sie es öffnete weiteten sich vor Staunen ihre Augen erneut!
Darin lag eine goldene Kette mit einem Saphiranhänger der in Herzform geschliffen war.
Sie ließ vorsichtig ihre Finger darüber gleiten, zuckte aber hastig zurück.
„Wir sollten hier nichts anfassen, ehe wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben. Ich will keine bösen Geister wecken, Haytham!“ sagte sie leise, so als könnte sie wirklich jemanden aufschrecken.
Wir würden uns morgen hier noch einmal genauer umsehen und schon grob eine Auswahl treffen von den Dingen, die tatsächlich auf der Liste standen. Ohne Übersetzung kämen wir eh noch nicht weiter.
In ihren Augen sah ich die Müdigkeit, als ich die kleine Kiste wieder zurück an ihren Platz stellte.
Also gingen wir hinauf, weil ich vermutete, dass wir wieder zeitig geweckt werden würden. Im Zimmer war es still, auch von nebenan hörte man nichts.
Gerade als meine Frau die Tür zu Edwards Reich öffnen wollte, hielt ich sie davon ab. Ich erinnerte sie daran, dass es nur ein paar Meter seien und unser Sohn sich schon bemerkbar machen würde, wenn etwas ist.
Ich sah, wie sie sich trotzig begann auszuziehen, weil ich sie gemaßregelt hatte. Ein sehr anziehendes Bild von ihr, muss ich gestehen!
Als sie sich auf unser Bett fallen ließ, hörte ich ein wohliges Seufzen von ihr. Man hatte die Matratze frisch mit Wolle befüllt, was auch ich schon begeistert festgestellt hatte. Es war eine Wohltat nach den harten Kutschbänken und Strohmatratzen in den Herbergen!
Gerade als Alex sich um mich schlingen wollte, kam ich ihr zuvor und begrub sie unter mir. Meine Lippen versiegelten ihren Mund aus welchem noch ein erschrockenes „Haytham...“ kam.
Es war zum Verrückt werden! Ich konnte meine Lust gerade nicht mehr bremsen. Ihr Nachthemd war schnell hochgeschoben und meines lag schon längst neben uns. Meine Finger wanderten über jeden Zentimeter ihrer weichen Haut und hinterließen eine Gänsehaut.
Langsam zog ich ihr Hemd noch etwas höher, aber beließ es auf Höhe ihrer Handgelenke, welche jetzt über ihrem Kopf lagen. Ein sehr ansprechender Anblick, wie meine Frau nun so unter mir lag und sich nicht wehren konnte.
In aller Seelenruhe nahm ich mein Weib und genoss ihre Hingabe in vollen Zügen! Ihr Atem ging immer schwerer, ihre Beine schlangen sich besitzergreifend um mich und zogen mich tiefer in sie. Es war einer dieser berauschenden Momente zwischen uns, welchen ich für immer genießen wollte!
Aber irgendwann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und kam mit ihrem Namen auf den Lippen.
Meine Frau ging aber keineswegs leer aus. Meine Zunge wanderte über ihre Brüste zu ihrem Bauch und bescherte ihr einen recht intensiven Höhepunkt. Zumindest konnte ich diese Kontraktionen sogar fühlen!
Als ich sicher sein konnte, dass sie mir wieder zuhören konnte, schob ich mich hoch und ließ sie sich selber schmecken.
Diese Hingabe war immer noch faszinierend, vor allem auch heute, weil sie ihre Hände über ihrem Kopf behalten hatte, ohne dass ich sie darauf hinweisen musste!
„Hätte ich einfach in deine Haare gegriffen, wäre es vielleicht nicht so schön für mich ausgegangen.“ grinste sie mich an und gab mir einen Kuss.
So befriedigt fanden wir beide schnell in den Schlaf und wie immer umklammerte mich diese Frau. Ein wundervolles Gefühl, wenn ich ehrlich sein darf!
Ich hatte es ja prophezeit! Unser kleiner Wecker namens Edward ertönte früh am Morgen!
„Mamaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!“ brüllte es aus dem Nebenzimmer.
Hektisch suchte meine Frau nach ihrem Nachthemd, welches ich ihr genervt reichte, weil sie mir bei der Suche danach unsanft in die Rippen geboxt hatte.
Er riefe doch nur nach ihr, sie solle sich nicht so aufregen!
„Danke!“ hörte ich sie zischen, als sie schon nach nebenan verschwand. Ich hörte, wie Mrs. Wallace ebenfalls dort erschien und Edward brüllte den beiden Damen ein „AAAAAAAAAAAAAMMMMMMMM“ entgegen.
Das klang reichlich frustriert in meinen Ohren, vielleicht lag es daran, dass er noch nicht die Türen alleine öffnen konnte. Die Türklinken, gerade hier in dem alten Schloss, waren wesentlich höher als die normalen, an die er aber auch noch nicht herankam.
Ich widmete mich, nachdem ich mein Hemd und eine Hose übergezogen hatte, einem Buch über Piratenlegenden. Ja, ab und an brauche auch ich leichte Lektüre.
„Du hättest uns ruhig Gesellschaft leisten können, mi amor. Stattdessen bleibst du faul im Bett und gibst dich Abenteuergeschichten hin, so gut hätte ich es auch gerne mal.“ kam es gespielt entrüstet von meiner Frau kurze Zeit später. Edward krabbelte auf dem Bett zu mir und ich zog ihn auf meinen Schoß.
„Ich muss mich doch weiterbilden, damit ich diesem kleinen Quälgeist etwas von den spannenden Abenteuern der Seefahrer berichten kann! Stimmt es nicht, Edward?“ erklärte ich meiner Gattin breit grinsend, während mein Sohn mich gebannt ansah.
Ich begann eine kleine Passage vorzulesen, wo es um das Entern eines feindlichen Schiffes ging. Es war nicht sehr blutrünstig geschrieben, weswegen ich weiter las.
Plötzlich rief Edward „Opaaaaaa.... Opaaaaaaa!“ dabei sah er sich suchend im Zimmer um.
Dann vernahm ich die Stimme meines Vaters, aber sah ihn nicht.
Er sieht mich tatsächlich vor sich, wenn ihr ihm solche Abenteuergeschichten erzählt. Und ich sehe jetzt, dass er weit mehr in meine Fußstapfen treten wird, als ich angenommen habe.
In mir keimte eine gewisse Wehmut auf, weil ich ihn unbewusst doch mehr vermisste, als ich offiziell zugab!
Bis das Frühstück fertig war, lenkte ich mich mit weiteren Geschichten und unserem Sohn ab. Alex hatte sich nun auch noch mit aufs Bett gesetzt und lauschte meiner Stimme, während sie Edward ab und an etwas von seinem kalten Tee mit Honig gab.
Beim Frühstück erhielten wir eine Nachricht von unseren Kontakten hier in Frankreich. Man würde uns in zwei Tagen besuchen kommen, entnahm ich dem Schreiben.
Somit hatten wir noch die Gelegenheit uns weiter einzuleben.
Alex erkundete am heutigen Tag ein wenig die Umgebung und ich würde mich schon einmal mit unserer Liste in den Geheimraum aufmachen. Vielleicht fänden wir ja ein paar Gegenstände, die für uns von Bedeutung waren. Oder aber ich würde noch ein paar alte Schätze finden. Manchmal ist an mir ein Abenteurer verloren gegangen und ich fühlte mich in meine Kindheit versetzt, wo ich mir spannende Geschichten ausgedacht hatte. Aber ich werde schon wieder sentimental.
Ich verbrachte den gesamten Vormittag hier. Unsere Liste lag neben mir und ich schritt die Regale ab. Hin und wieder fand ich seltsam anmutende Gebilde, von denen ich nicht einmal ansatzweise wusste, wozu sie einst dienten.
Teilweise waren die Bezeichnungen für die zu suchenden Gegenstände auch eher kryptisch gehalten stellte ich fest. So auch diese Saphierkette, die Alex gestern schon entdeckt hatte.
„Herz des Ozeans“ stand dort und die Erklärung war hanebüchen. „Vom Ozean verschlungen fand es immer wieder seinen Weg an die Oberfläche! Von Reich bis Arm hatten es tausende Hände berührt, tausende Tränen haben es benetzt! Jetzt soll es nur noch ein einziges Mal gehalten und getragen werden!“ Ich ließ mir diese Worte durch den Kopf gehen, versuchte mir einen Reim darauf zu machen. Mich interessierte brennend, wie es hier gelandet war, woher hatte Reginald diese Kette? Oder war es gar nicht SEIN Verdienst? Aber bis wir nicht wirklich eine Übersetzung für das Bestandsbuch hatten, musste ich mich mit einer Antwort gedulden!
Der Trinkpokal des Hannibals sah schon sehr beeindruckend aus. Mit ihm hatte er immer auf seine Siege angestoßen. Er war reich verziert und vor allem auch schwer. Um welches Metall es sich handelte entzog sich meiner Kenntnis. Für einen winzigen Moment war ich an die Sage des heiligen Grals erinnert, doch den suchten wir nun wirklich nicht.
In einer Ecke dieses Raumes befand sich eine schwere Eichentruhe, welche in die Jahre gekommen war.
Als ich den Deckel anhob offenbarten sich mir einige Schriftrollen, Bücher und ähnliches. Ich suchte weiter und breitete alles auf dem Boden aus. Auf dem Grund der Truhe sah ich dann etwas steinernes liegen.
Es waren zwei Steintafeln und wenn ich jetzt unserer Liste Glauben schenken konnte, dann waren es tatsächlich Tafeln aus den Hinterlassenschaften des versunkenen Atlantis. Zumindest waren auf ihnen Ereignisse eingemeißelt, Namen standen ebenso darauf. Nur Jahreszahlen oder Daten allgemein waren nicht zu finden!
„Sie hüten einen lange verschollenen Schatz. Ihr seid die Hüter für diese Welt und die darunter verborgen liegende! Die Hilfe ist euch gewiss um zu finden, was ihr sucht!“
Wieder ein recht kryptischer Satz! Sollten wir etwa diese versunkene Metropole aufsuchen und erkunden? Aber auch darauf würde ich noch keine Antwort erhalten. Hoffentlich!
Noch einmal las ich auf unserer Liste nach und versuchte heraus zu finden, was hier noch versteckt worden war.
An einer Rüstungsstange sah ich einen bronzenen Brustpanzer, daneben einen rostigen Schild und zwei Schwerter, welche ebenfalls in einem recht maroden Zustand waren.
Aber was meine Aufmerksamkeit erregte war die Standarte und ein weiteres Schwert daneben, das nicht so schäbig aussah.
Plötzlich sah ich meine Frau vor mir, wie sie diese Gegenstände betrachtete und das Schwert in den Händen hielt!
„Arminius hat mich gehalten und geführt zugleich. Er hat mit mir Siege gefeiert! Der Adler leuchtet gülden im rechten Licht und führt euch an euer Ziel. Ihr sucht und ihr werdet finden. Einen Platz welcher alles vereinen wird!“ Langsam rauchte mir der Kopf ob dieser ganzen merkwürdigen Erklärungen. Bisher hatten wir uns nicht mit den Beschreibungen beschäftigt, das hätten wir wohl schon besser einmal vorher gemacht, ging es mir durch den Kopf.
Mein Fazit war jetzt, dass wir zumindest 4 der Gegenstände auf unserer Liste streichen konnte. Bei ihnen war ich auch sicher, dass der Dolmetscher keine neuen Erkenntnisse bringen würde, welche noch weitere Details enthüllen.
Ich sah mich noch ein wenig weiter hier um, aber alles was noch hier zu finden war, war eher belanglos.
Also machte ich mich um die Mittagszeit auf nach draußen auf die hintere Terrasse zu meiner Familie. Mein Magen knurrte mahnend mittlerweile und die frische Luft tat meinen Lungen gut.
Draußen erwarteten mich ein weinender Sohn und eine ebenso Tränen überströmte Ehefrau.
Auf meine Frage, ob ich etwas verpasst hätte, oder ob ich etwas falsch gemacht hätte, klärte man mich auf.
Unser Sohn hatte einen kleinen Laubfrosch gefangen, hatte diesen hier in ein Glas gesteckt mit Zweigen und Gras. So sollte Edward lernen Verantwortung zu übernehmen, wenn auch nur im kleinen Rahmen. Doch schon nach kurzer Zeit ließ man das kleine hüpfende Tier wieder frei, weil auch mein Sohn den Anblick dieses eingesperrten Tieres nicht ertragen konnte.
Als ich sagte, es sei doch nur ein Frosch gewesen, erntete ich entrüstete Gesichter! Nun gut, ich verstand vermutlich gerade wirklich nicht die ganzen Zusammenhänge, was mir auch leid tat.
Doch schon als das Mittagessen auf dem Tisch stand, war bei Edward von seiner Trauer nichts mehr zu sehen.
Am späten Nachmittag überbrachte ein Bote eine Nachricht für Alex von dem holländischen Händler, welcher ja auch noch mit uns ein Treffen vereinbaren wollte. So langsam wurde der Terminkalender für Frankreich voller. Was mich aber eher freute, als abschreckte!
Der Herr erwartete uns in Paris oder besser in Versailles, weil er geschäftlich dort zu tun hatte. Sein Amulett, welches er geerbt hatte, erwähnte meine Frau noch einmal und auch mir fiel es wieder ein. Wer weiß, was es damit noch auf sich hat.
Anbei lag ein offizielles Schreiben König Ludwigs XV.! Anstatt es zu öffnen, starrte Alex darauf und begann zu zittern!
„Mi sol, bist du jetzt zu den wahrsagenden weisen Frauen gewechselt, oder warum starrst du diesen Brief an, als könntest du seinen Inhalt erahnen?“ Diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen und meine Ehefrau sah mich böse an.
Sie streckte mir frech ihre Zunge raus, was unser Sohn selbstverständlich als Einladung sah es ihr gleichzutun. Es war also an der Zeit auf die eigenen Gesten und Mimiken zu achten, dieser junge Kenway ahmte alles nach!
Ludwigs Notiz enthielt eine Einladung zu einem Sommerball am 12. August!
Abrupt stand Alex auf, reichte mir den Brief und verschwand wortlos im hinteren Teil des Parks!
Ich stand sprachlos dort und wusste nicht, warum sie so reagierte. Also überflog ich auch noch einmal die Zeilen. Sie waren persönlich an uns gerichtet, enthielten die übliche höfliche Einladung und schlossen mit dem königlichen Siegel! Warum aber... Und dann dämmerte es mir!
Für Alex war dieser König eine Berühmtheit! Sie kannte die Geschichte Frankreichs, die der Herrscher und Monarchen und so weiter. Wieder einmal würde sie, neben King George III. und Benjamin Franklin, eine weitere für sie historisch relevante Persönlichkeit treffen!
Sogar für mich war es eine große Ehre und ich konnte es auch im kleinen Rahmen verstehen, weswegen meine Frau so aus der Fassung war.
„Na komm Edward. Lass uns deine Mutter suchen. Sie hat sich gerade erschrocken.“ lächelte ich meinen Sohn an, nahm ihn auf den Arm und ging auf die Suche nach meiner Frau.
Wir fanden sie an einem der Teiche, wo sie gedankenverloren hinein starrte. Plötzlich schreckte sie zurück und man sah, dass sie die Hand aufs Herz drückte. WAS hatte sie in der Spiegelung gesehen?
Ich ließ meinen Sohn auf seine Füße runter und er watschelte zu ihr. Als er auf gleicher Höhe mit ihr war brüllte er laut „Mamaaaaaaaaaa... Aaaaaaaaaaaaam!“ und, verzeiht aber es sah so unbeholfen aus, sie fiel hintenüber auf ihr Hinterteil. Schwer atmend zog sie Edward zu sich.
Langsam ging ich auf die beiden zu und sie bemerkte mich aus dem Augenwinkel. Ich zog sie mitsamt unseres Sohnes auf die Beine mit der Frage, ob es ihr jetzt besser ginge.
„Danke, es geht schon wieder. Es ist einfach unfassbar, was ich an Historie noch alles erlebe und dabei sein kann. Das überwältigt mich einfach.“ Damit bestätigte sie meinen Verdacht, dass die Emotionen einfach gerade zu viel auf einmal waren.
Am Abend brachte ich meine Frau auf den neuesten Stand der Artefaktensuche. Als ich bei der Geschichte um Arminius und dem Teutoburger Wald anlangte, hatte sie auch dafür eine logische Erklärung parat.
„Nun, ich bin Deutsche, Haytham. Da kann es doch durchaus vorkommen, dass Gegenstände, welche dort in Schlachten oder ähnlichem genutzt wurden, das bewirken. Aber lass uns die Übersetzung der Bestandsliste abwarten und schauen, ob Reginald eventuell noch weitere Erklärungen dazu geschrieben hat.“
Wir beide waren uns einig, dass wir diese, ich nenne es einfach mal so, Besessenheit Reginalds was die Vorläufer und ihre Hinterlassenschaften anging, honorieren sollten. Sie würde uns nun sicherlich auch weiterhelfen.
Heute sollten die Eheleute Jomphe hier erscheinen und schon beim Frühstück spürte ich eine gewisse Unruhe von Alex.
Außerdem war sie von dem hiesigen gereichten Kaffee mehr als angetan und ich schlug vor, unsere Kontakte zu fragen, woher man die Bohnen bezog. Vielleicht würde sich ja sogar ein neuer Zweig für uns auftun. Manchmal war ich einfach nicht zu bremsen, ich weiß.
Zusätzlich war es ein Graus mit unserem Sohn heute! Er wollte partout nicht seinen Mittagsschlaf halten. Er zeterte, schrie und schlug um sich. Also hielt ich ihn eisern fest und ermahnte ihn, dass es keine Widerworte gab. Das Ganze dauerte einige Minuten, bis unserem Sohn bewusst wurde, dass er keine andere Wahl hatte.
Alex überzeugte sich heute selber in der Küche von den Vorbereitungen für das anstehende Abendessen. Im Anschluss ging sie zufrieden an mir vorbei, hinauf in unser Zimmer um sich schon einmal einkleiden zu lassen. Noch wusste ich nicht welches Kleid sie angedacht hatte, aber ich hoffte, es würde auch meinen Wünschen entsprechen.
Ich ließ mich ebenfalls von Michael fertig machen und war dankbar für die leichte Leinenweste mit dem passenden Gehrock dazu. Es war doch recht warm am heutigen Tag.
Alex´ Kleid war ein Traum, welchen ich schon damals bei der Anprobe an ihr bewundert hatte. Ich musste mich zusammenreißen, weil ich meine Finger nicht bei mir behalten konnte. Ihr Dekolleté kam mal wieder hervorragend zur Geltung und … entschuldigt, ich schweife ab.
Bis zum Eintreffen der Gäste hatten wir noch einen kurzen Moment als Familie.
Im Salon saß Edward mit seinem Kindermädchen auf dem Boden und besah sich ein Buch über die Tiere des Waldes. Dort wurde beschrieben was sie fraßen, wie groß sie werden konnten und ähnliches.
Mit einem Male hörten wir ein Knurren von unserem Sohn als er auf einen Wolf zeigte. „Nir...“ kam es begeistert von ihm und mit seinen Armen zeigte er, wie groß dieser Vierbeiner werden konnte.
Es war immer noch faszinierend zu sehen, wie schnell dieses Kind lernte. Auf der einen Seite war es beängstigend, auf der anderen kam der Stolz als Vater durch.
„Wenn wir merken, dass es zu viel für ihn wird, dann können wir das Pensum ja auch verringern…“ meine Frau meinte es gut, aber ich unterbrach sie.
„Nicht, wenn es um das Kampftraining geht! Bei den wissenschaftlichen oder sprachlichen Fächern kann man sicherlich von Zeit zu Zeit eine Ausnahme machen!“ Ich hatte gewisse Grundsätze, welche ich bei der Erziehung umsetzen wollte. Ich stellte mich hinter meine Frau und umschloss ihre Taille mit den Armen.
„Ich denke, dass werden wir individuell dann abklären.“ dieser Satz ließ mich tief seufzen. Aber ich wollte keine Diskussion kurz vor dem Besuch vom Zaun brechen, also behielt ich meine Meinung vorerst für mich.
Kurz darauf wurden die beiden angekündigt. Für einen Moment betrachtete ich unsere Besucher schweigend.
Madame Jomphe hatte fast Goldleuchtende Haare, war etwas größer als Alex, aber ihr Alter vermochte ich nicht einzuschätzen. Was aber sicherlich der Göttin an ihrer Seite zuzuschreiben war!
Ihr Gatte Yves, oder sollte ich Bragi sagen?, war auf Augenhöhe mit Idun, hatte etwas schütteres ergrautes Haar. Wie alt mochte er sein? Vielleicht an die 60 Jahre mutmaßte ich einfach.
„Da ist ja unser kleiner Schützling, welcher schon so groß ist und immer fleißig lernt.“ Hörte ich Iduns fröhliche Stimme. Diese Dame jetzt vor mir zu sehen, erfüllte mich mit einer gewissen Ehrfurcht. Sie hatte uns schließlich ein wenig Jugend zurück gegeben, damit wir auch weiter unser Werk und Schicksal fortsetzen konnten! „Du bist so artig, mein kleiner Mensch. Du machst das alles schon großartig und jetzt ist es aber Zeit, dass du schläfst.“ sprach sie sanft, während sie über die dunklen Haare Edwards fuhr.
So als hätte er es verstanden, ließ er sich ohne Gezeter von seinem Kindermädchen zu Bett bringen! Ein wenig erstaunt sah ich ihnen hinterher, weil es noch heute Mittag ganz anders mit ihm aussah. Diese Götter hatten einen nicht zu verachtenden und zu unterschätzenden Einfluss wie ich immer öfter feststellte.
Wir kamen auf die großen Fortschritte unseres Sohnes zu sprechen, welche im wahrsten Sinne des Wortes voran preschten in einer doch sehr hohen Geschwindigkeit.
„Es liegt noch ein weiter Weg vor ihm und auch vor euch. Aber das wisst ihr ja bereits.“ lächelte Idun uns nun an. „Aber wir sind ja eigentlich auch noch aus einem anderen Grund hier. Die Truhe ist heile hier angekommen, nehme ich an? Ich habe keinen Verlust spüren können.“ Laurette sprach etwas zögerlich.
Da konnte ich sie durchaus beruhigen! „Wohlbehalten steht sie im Arbeitszimmer, neben den anderen Waren. Außerdem wird sie bewacht, 4 Wächter wechseln sich ab, sie zu schützen.“ sagte ich nicht ganz ohne Stolz.
„Ich denke, wir werden uns nach dem Essen dem Inhalt widmen. Ich bin doch zu neugierig, wie es euch geht und es ist immer noch aufregend, euch beide nun endlich auch von Angesicht zu Angesicht sehen zu können.“ In dieser wohlklingenden Stimme hörte man eine leichte kindliche Aufregung, welche ihr aber sehr gut stand.
„Meine Frau hat mich die letzten Tage ganz verrückt gemacht. Sie wäre vermutlich schon vor Wochen in London erschienen, hätten uns nicht dringende Geschäfte aufgehalten!“ lachte Bragi und sein Blick ging liebevoll zu seiner Frau.
Mir entwich ein leises Lachen, weil das vermutlich wieder nur einer Frau möglich war. Wie meiner eigenen zum Beispiel.
„Damit hat es noch etwas Zeit, Alex. Ihr müsst erst sicher wieder zuhause sein, dann können wir den Nachwuchs in Angriff nehmen. Und ihr seid übrigens nicht die einzigen die sich darauf freuen dürfen.“ grinste sie Alex an. Meine Frau hatte sich wohl noch nicht ganz verschlossen und an die Bemerkung gedacht, dass wir weiteren Nachwuchs bekommen würden. Aber Idun fuhr unbeirrt fort. „Fenrir und Brida werden nächstes Jahr mit einem Fohlen gesegnet sein, ihr seht, während eurer Abwesenheit sind keine großen Katastrophen passiert dort.“ Das waren wirklich großartige Neuigkeiten! Jetzt freute ich mich umso mehr darauf wieder nach Virginia zu kommen!
Um das Essen sacken zu lassen, gingen wir im Anschluss in den hinteren Park um uns die Füße zu vertreten.
„Wie ich gesehen habe, konnte Edward sogar schon kleinere Wunden heilen lassen?“ sagte Madame Jomphe nachdenklich.
„Das stimmt, einen Wespenstich hatte er verarztet. Strengt ihn das aber nicht zu sehr an? Ich meine, er ist noch so klein und…“ wollte ich wissen.
„Es strengt ihn an, auf jeden Fall. Aber genauso schnell erholt sich Edward dann auch wieder. Außerdem macht er es noch nicht ganz richtig, ich möchte es, auch wenn es ungerecht klingt, halbherzig nennen. Seine Fähigkeit zum Heilen ist noch unausgereift, aber meine Gattin arbeitet mit ihm. Euer Enkel hingegen ist mit seinen 22 Jahren vollständig ausgebildet und besitzt ein großes Wissen über den menschlichen Körper!“ so erzählte Bragi uns nebenbei von Alexanders Werdegang.
Wie immer war das eine merkwürdige Vorstellung, dass unser Enkel bereits dieses Alter erreicht hatte und wir? Wir waren erst am Anfang unseres Weges!
„Franziska hingegen wird die Rolle der Diplomatin und Vermittlerin übernehmen, weswegen wir ihr alle dieses Sprachtalent gaben.“ verkündete Idun zufrieden und sah auf die gerade erst wieder gestutzten Buchsbäume. „Warum lasst ihr der Natur nicht einfach ihren Lauf?“ fragte sie plötzlich gedankenverloren, während sie über die Blätterstrich.
„Ich brauche eine gewisse Ordnung und Struktur… es sind andere Dinge, welchen wir ihren Lauf lassen.“ versuchte ich mich zu erklären.
Mit einem Male stand ich mit Idun selber in einer Art Urwald, Wildnis oder Wald. Ganz genau vermag ich es nicht mehr zu beschreiben.
„Sieh dir die Vegetation an, Haytham. Siehst du die Wege? Siehst du, wie sich die Äste strukturiert ihre Bahnen erkämpfen und sich ihren Platz sichern in der Natur? Schau, die Tiere selber folgen diesem inneren Ruf, welcher nicht von den Menschen kommt. Er ist in ihren Genen, ihren Sinnen! Alles was du siehst und du dir denkst, es würde keiner Ordnung folgen, tut es dennoch! Lass diese Dinge einfach zu und ich weiß, es gibt Kleinigkeiten welche euch repräsentieren und die geordnet und sauber sein müssen. Dem Rest aber... gib Mutter Natur die Chance sich zu finden...“ hörte ich die leise und liebevolle Stimme von Mutter Idun!
Ich sah mich sprachlos um, weil es einfach ein wunderschöner Anblick war. Es gab eine Ordnung, wenn auch recht versteckt. Aber man nahm sie wahr, wenn man sich damit beschäftigte und es zuließ zu sehen!
Langsam schritten wir zwischen den Bäumen, Sträuchern, Tieren und Insekten hindurch. Bahnten uns unseren eigenen Weg und mir wurde erneut bewusst, dass auch ich noch einiges mehr zu lernen haben würde.
Nach und nach verschwand die grüne Wand aus Blättern um uns und ich stand mit Laurette wieder im Park beim Chateau.
Ich sah mich nach meiner Frau um und bemerkte ein seliges Lächeln in ihrem Gesicht. Hatte sie das gleiche gerade gesehen?
„Ihr habt es verstanden, das freut mich.“ sprach Idun leise neben uns.
Es war an der Zeit, dass man zum geschäftlichen Teil überging. Wenn ich ehrlich sein soll, auch ich wollte mehr über die Runentruhen erfahren!
Als diese auf dem Tisch stand, holte Yves einen dieser formbaren Schlüsseln aus seiner Rocktasche und öffnete den Deckel.
Auf den ersten Blick sah ich nichts spektakuläres. Vermutlich lag es auch nur daran, dass ich nicht wusste, worauf genau ich achten musste.
Dort drinnen lagen Papiere, Papyrusrollen, alte Bücher mit passendem veraltetem Schreibzeug neben einem großen Stapel Briefen, welchen sich Idun nun zur Brust nahm.
„Da sind sie ja. Briefe von Karl dem V.!“ Wieder lag in dieser Stimme diese kindliche Freude und ließ mich schmunzeln.
Ich warf einen Blick über ihre Schulter darauf. Sie waren alle in spanisch verfasst und ich erhaschte ein paar Zeilen, wurde aber aus ihnen nicht schlau. Dieser spanische Herrscher hatte von 1540 bis ungefähr 1544 Krieg gegen Frankreich bis zum Sieg geführt. Es ging in einem Brief zum Beispiel um seinen Leibdiener, welchem ein Teil seines Lohnes aberkannt werden sollte.
Neben mir sah ich Alex´ fragendes Gesicht.
„Oh, ich verstehe. Es geht hier um seine irdischen Dinge, welche in Frankreich verblieben sind. Seht, hier steht eine kleine Liste von Dingen, welche sein Leibdiener erstellt hatte, damit man ihm diese von seinem Lohn abziehen konnte.“ erklärte man ihr jetzt.
Laurette las nun ein paar Zeilen laut vor, in welchen es um ein kunstvolles Rasiermesser mit Elfenbeingriff ging. Hatten wir nicht auch so eines auf unserer Liste?
Gerade als Alex zu „Madame Jomphe...“ ansetzen wollte, bat diese darum, sie doch Laurette zu nennen. Ich ging derweil um unsere Artefaktenliste zu holen.
Gerade als ich wieder zurück kam, hörte ich noch „Wohingegen der Einfluss dieser Vorläufer eher eines elektrischen Impulses gleichkommt.“ Mein Finger deutete auf das besagte Rasierwerkzeug.
„Es gibt Sachen, bei der Suche können wir euch gar nicht helfen, weil es schlichtweg nicht in unserer Macht liegt. Es übersteigt sogar unseren Horizont, wie ihr Menschen so gerne sagt. Aber wir werden unser Bestes tun, um euch Hilfestellung zu geben. Bis dahin wisst ihr ja jetzt, wo ihr dieses Barbier-Werkzeug finden könnt.“ ich sah fragend zu Bragi. Frankreich war jetzt nicht besonders klein, wo sollten wir also anfangen zu suchen?
Alex jedoch war auch darauf gekommen, dass vermutlich Paris gemeint war, weil Karl dort zuletzt sein Lager hatte. Vermutlich in einer der vielen Kasernen, wenn sie noch stehen. Leider entzog sich das meiner Kenntnis, ich wusste nur von Zweien. Eine mittig der Stadt und eine, die weit außerhalb lag und laut Aussage von einigen Templerbrüdern fast völlig zerstört war.
Wir berieten jetzt, wo man eventuell ansetzen könnte. Besahen uns die einzelnen Unterlagen noch einmal und durchforsteten einige Karten, welche bei den Briefen zu finden waren.
„Das ist wie die Nadel im Heuhaufen suchen...“ seufzte Alex neben mir und kicherte in sich hinein. Heuhaufen … Assassinen … Meine Frau hatte mitunter seltsame Gedankengänge.
Am Boden der Truhe sah ich einen goldenen Gegenstand. Aber erst als Bragi ihn herausholte und gegen den Schein einer Kerze hielt, sah ich, dass es eine Krone war. Es war schon dunkel? Das hatte ich gar nicht im Eifer des Gefechts bemerkt.
„Diese Krone gehörte Guthfrith von Ivar, das geht aus den anderen Schriften in der Truhe hervor.“ (Guthfrith - nicht ganz offiziell!) erklärte Yves ehrfürchtig und betrachtete sie genauer. Die einzelnen Edelsteine schienen immer nur kurz aufzuleuchten und dann wieder verdunkelte sich ihr Schein.
Alex aber konnte ihre Neugierde nicht zurückhalten und streckte ihre Finger danach aus!
Plötzlich stand sie stocksteif hier im Raum, leichenblass und sah erschrocken in meine Richtung!
Alex begann immer mehr zu zittern, wir alle vermochten ihr nicht zu helfen.
„Kind, komm wieder zu dir. Hörst du mich?“ rief Bragi ihr zu und rüttelte an ihrer Schulter. Sie aber starrte weiter in meine Richtung.
Plötzlich verzog sie ihr Gesicht und erbrach sich auf dem Teppich, einer der Diener griff sich den Ascheeimer vom Kamin und hielt ihn vor sie. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe meine Frau sich wieder beruhigte.
Ihr Atem ging schwer und langsam setzten wir sie auf eines der Sofas. Ihre Beine legte ich ebenfalls hoch und ein kalter Lappen wurde mir gereicht, welchen ich auf ihre Stirn legte. Mit geschlossenen Augen lag Alex dort, regte sich aber immer noch nicht.
„Haytham, sie hat … ich glaube sie wurde gerade an ihre eigene Vergangenheit oder besser die ihrer Vorfahrin herangeführt.“ flüsterte Idun neben mir entschuldigend.
War das etwas schlimmes, etwas was ihr schaden konnte?
„Nein, es ist jedoch noch zu früh...“ weiterhin flüsterte man die Worte, so als könne man ein Ungeheuer aus Versehen wecken.
Mit einem Male sah ich einen leeren Raum um mich, in dem ich dem Anschein nach alleine war. Nach und nach erkannte ich aber Umrisse, die Umgebung klärte sich und es tauchten Gestalten auf. Seltsam gekleidete Männer waren um mich herum. Sie alle sprachen ein seltsames Englisch, welches ich noch aus den Lehrstunden eines meiner alten Hauslehrern erkannte. Wo war ich bitte gelandet?
Ich sah mich weiter um.
„Ach schau an, der wehrte Herr erweist uns auch die Ehre mit seiner Anwesenheit. Herr Gott noch eins. Was hast du letzte Nacht bitte gemacht, dass du heute nicht pünktlich zum morgendlichen Training erscheinen konntest?“ ein Ellbogen rammte sich in meine Seite und ein lachender Mann schritt an mir vorbei, der ich in einem Zelt stand!
Ich schüttelte nur den Kopf, weil ich nicht wusste, wovon dieser Gentleman sprach.
Also folgte ich den anderen Männern nach draußen und stand auf einem matschigen großen Platz umringt von altertümlichen Zelten.
Ein Banner aber erweckte meine Aufmerksamkeit! Das Banner König Aelfreds!
Das war nicht möglich! Was... ich konnte doch unmöglich... ich sah an mir herunter. Ich trug keine normale Uniform, wie ich sie kannte. Nein, es war ein lederner Harnisch mit kratzigen Hosen, welche am Knöchel zusammengebunden waren. Darüber gab es einen aus Metallösen gefertigten „Umhang“ …
Bevor ich noch etwas sagen konnte, stieß mich ein anderer Mann an.
„Hey, jetzt sag schon. Was hat dir die dänische Hure alles erzählt, als du sie unter dir hattest?“ schallendes Gelächter dröhnte an mein Ohr und mein Blick verschwamm...
Ich schreckte hoch und stieß dabei mit einem der Mädchen zusammen, welches gerade die Sauerei vom Boden aufwischte.
„Verzeihung...“ entwich es mir leise und ich sah auf meine immer noch bewusstlose Frau hinunter.
„Ich... es wird bald soweit sein. Wir können es nicht mehr aufhalten...“ flüsterte Bragi an Idun gewandt und sah mich besorgt an.
„WAS könnt ihr nicht mehr aufhalten?“ mein Ton war lauter und harscher als ich wollte, doch ich konnte nicht immer all meine Gefühle unter Kontrolle halten.
„Auch deine Gattin hatte eine ähnliche Eingebung gerade...“ wieder sah die Göttin entschuldigend von einem zum anderen.
Ich kniete mich wieder neben Alex und wechselte den kalten Lappen auf ihrer Stirn. Mir selber dröhnte der Kopf, doch ich wollte wissen, was man SIE hat sehen lassen!
Mit einem Male öffnete sie die Augen und starrte mich an! Ich war so erleichtert, dass ich ein lautes „Jesus, Alex… du bist wieder da!“ ihr entgegen rief. Postwendend verdunkelten sich ihre Gesichtszüge und sie sah mich böse an, wollte aber schon aufstehen. Bevor ich aber den Satz beenden konnte, sie solle bleiben wo sie ist, erbrach sie sich erneut! Dieses mal aber waren wir vorbereitet!
„Wolltet ihr mich alle vergiften, oder warum ist mir so schlecht? Und jetzt… lasst mich gehen, verdammt!“ nölte sie uns an und immer noch hatte sie einen verschleierten Blick.
„ALEX! Sieh mich an!“ ermahnte Madame Jomphe Alex jetzt etwas bestimmter, was auch Wirkung zeigte. „So ist es gut. Du bist in Frankreich, in eurem Chateau und du bist Alexandra Kenway, Ehefrau von Haytham Kenway! Euer Sohn schläft friedlich oben in seinem Zimmer, beschützt von allen Göttern die du kennst!“ jetzt hatte die Stimme wieder einen freundlichen fast schon liebevollen Ton angenommen.
„Ich will nach Hause…“ hörte ich meine Frau nuscheln, gleichzeitig sah man aber, dass sie sich an etwas zu erinnern schien.
„Du bist zuhause, mi sol!“ sprach ich leise in der Hoffnung, dass sie mich erkennen würde!
„Verpiss dich einfach und lass mich gehen!“ dieser angewiderte, zornige Ton in ihrer Stimme rief in mir einen für mich mehr als ungewohnten und ungeahnten Reflex aus, ich gab ihr eine Ohrfeige!
Ihre Hand tastete hektisch nach ihrer Wange, gleichzeitig hielt sie das kalte Tuch auf ihre Stirn gedrückt.
Plötzlich klärte sich das Grün in ihren Augen und sie sah erschrocken von einem zum anderen, dann auf den Teppich.
„War ich das etwa?“ fragte sie leise und beschämt.
„Ja, aber das ist nicht schlimm. Das kriegen wir schon wieder weg!“ wieder hoffte ich, dass meine Frau diese Worte beruhigen würden.
Mit dieser Reaktion hatte ich aber nicht gerechnet. Alex sprang förmlich auf und direkt in meine Arme! Sie klammerte sich weinend an mich und versicherte mir immer wieder, es sei nicht so gemeint gewesen! In ihrem Geist überschlugen sich die Bilder und Erinnerung. Eine ist mir besonders, jetzt wo ich alles zu Papier bringe, im Gedächtnis geblieben.
Alex hatte ein Spiegelbild im Kopf, welches sie anscheinend damals im Fort George, kurz vor unserem zweiten Abschied in der Waschschüssel in meinem Schlafzimmer gesehen hatte. Dieses Bild verstärkte plötzlich ihre Tränen. Der Abschied damals war uns beiden mehr als schwer gefallen... Ich sollte aber weiter berichten, verzeiht.
„Kind, wir sind alle bei dir. Habe keine Angst, das was du gerade erlebt hast, war nicht real. Es war nur ein kurzer Einblick in ein Leben, welches deine Vorfahrin führte! Es ist aber noch zu verfrüht, dich dorthin gehen zu lassen! Vorher musst du dich wappnen und weitere Fähigkeiten erwerben!“ auch ich würde vorher noch mehr lernen müssen ließ mich Bragi im Stillen wissen.
Natürlich wollte meine Frau nun noch wissen, was sie alles getan hatte, während sie so weggetreten war. Aber Idun erklärte ihr noch einmal, dass es nichts weiter schlimmes war und alles weitere würden wir dann noch besprechen. Die Rückführungen würden noch aufgeschoben werden müssen bis auf weiteres. Warum aber hörte ich aus dieser Stimme eine eigenartige Missbilligung heraus?
Ich war aber, ehrlich gesagt, heute nicht mehr in der Lage mich auf solche expliziten Feinheiten zu konzentrieren. Auch mein Kopf war wie zugewoben und schwirrte mir. Ich wollte einfach nur noch ins Bett. Außerdem würde der Morgen früher kommen, als wir wollten!
Nachdem Magda und Michael uns noch beim Umziehen geholfen hatten, lag ich erleichtert in unserem Bett und schloss die Augen.
Alex kletterte zu mir und umschlang mich wie gehabt. Auch ihr entwich ein wohliges Seufzen, als ich sie in meine Arme schloss.
„Es tut mir leid.“ flüsterte sie leise. Ich hob ihr Kinn und erklärte, dass auch ich heute einen kleinen Einblick auf einen meiner vermeintlichen Vorfahren hatte.
Hätte ich nur nichts gesagt, verdammt. Damit war sie hellwach und sah mich fragend an.
„Mi sol, ich bin erschlagen von diesen ganzen Emotionen, Erinnerungen und Bildern. Lass uns bitte morgen darüber reden, ja?“ jetzt war es an mir, leise nuschelnd in ihre vor mir liegenden Haare zu sprechen.
„Na gut...“ frustriertes Seufzen, dann schlang sie sich wieder um mich.
Kannten sich unsere Vorfahren damals vielleicht schon?
Mit dieser Frage in Gedanken, glitt ich in meinen wohlverdienten Schlaf.
Ich schlug vorsichtig die Augen auf, es war gerade dabei hell zu werden. Neben mir bewegte sich die Bettdecke langsam bei jedem Atemzug meiner Frau. Wieder einmal bewunderte ich diese Konturen ihres Körpers dabei.
Meine Finger glitten unter die Decke und meine Lippen bedeckten ihren Mund.
Als sie ihre Augen öffnete, war darin dieser lüsterne dunkelgrüne Ton und ich spürte ihre Lust an meinen Fingerspitzen.
„Guten morgen, mi sol.“ hauchte ich rau an ihrer Halsbeuge und glitt langsam wieder zu ihrem Mund.
Ihr Becken bewegte sich unter meinen Berührungen, aber auch sie ging auf die Suche nach meiner Lust und fand sie. Mit vorsichtigen Bewegungen brachte sie meinen Verstand an den Rand des Wahnsinns. Es war leise, fast geräuschlos. Nur das Rascheln des Stoffes war zu hören.
In meinem Kopf formte sich aber plötzlich ein Gedanke, welcher in unserer Beziehung eigentlich keinen Platz hatte. Ich wollte mein Recht als Ehemann! Sie war mein Eigentum, ich hatte das Recht mir zu nehmen, was mir gehörte!
Immer mehr steigerte sich so mein Verlangen und hinterließ einen warmen Schauer der Erregung auf meiner Haut.
Als ich zu Alex hinunter sah, welcher ich schon die Hände über dem Kopf festhielt, hörte ich die Worte, welche mich weiter antrieben!
„Nimm mich! Jetzt!“ in ihrer Stimme klang etwas mit, was mir noch fremd war.
„Wie du willst!“ hörte ich mich selber sagen, auch hier war ein feiner neuer Unterton hinzugekommen!
Wie in einem Alkoholrausch ließ ich sie spüren, was es hieß mein Weib zu sein, mit mir verheiratet zu sein. Meine Bewegungen waren mehr als ungestüm und rücksichtslos. Was einzig zählte war ICH! Ich durchlebte meinen ersten Höhepunkt mit einem lauten Aufkeuchen, weil sich meine gesamten Muskeln anspannten um ihr zu zeigen, wer hier das sagen hatte!
Danach spürte ich eine weitere Woge auf mich zukommen, die noch mehr an diesen ungewohnten aufgestauten Gefühlen lostrat!
Ich hatte so etwas noch nie erlebt, ich ließ es auf mich zukommen und dann spürte ich Alex´ harte Kontraktionen. Sie fühlten sich noch intensiver als sonst an, ich nahm sie bewusster wahr und ließ mich davon im wahrsten Sinne des Wortes massieren.
Ich sah in ihre Augen als ich etwas zur Ruhe gekommen war und ließ ihre Hände wieder frei. Sie schlang sich Halt suchend sofort um mich und ihre Berührungen beruhigten nicht nur meinen Herzschlag auch mein Geist kam wieder im Hier und Jetzt an.
In diesem Moment erst hörte ich meinen eigenen hektischen Atem.
„Verzeih mir, ich habe gar nicht an dich gedacht... aber...“ stotterte ich ein wenig, weil es mir plötzlich doch falsch vorkam, so mit ihr umzugehen.
„Es war einfach unglaublich und glaub mir, ich bin definitiv auf meine Kosten gekommen. Ich würde gerne mehr davon haben, das war fantastisch.“ dabei zog sie meinen Mund zu sich herunter und küsste mich liebevoll.
Ich versuchte mich zu entschuldigen, eine Erklärung zu finden. Natürlich wurde mir bewusst, dass es für einen Mann eigentlich nicht so schnell hintereinander …
„Nimm es einfach hin, mi amor und genieße diese Entspannung.“ unterbrach mich Alex leise und ließ dabei ihre Finger weiter über meinen Rücken gleiten, was mir eine wohlige Gänsehaut brachte. Und dann griff dieses Weib einfach unangekündigt meinen Po mit den Worten „Und DAS fühlt sich auch wahnsinnig gut an!“ Dieser Blick in diesen leuchtend grünen Augen hatte etwas schelmisches angenommen, was ich so liebte an dieser Frau!
Ein leises quengeliges „Papaaaaaa“ aus Edwards Zimmer ließ uns beide grinsen. Damit war die Zweisamkeit erst einmal beendet.
Ich zog mir mein Hemd und eine Hose über, bevor ich hinüber ging.
Der kleine Wecker saß auf seinem Bett inmitten seiner Kuscheltiere. Da hatte er sich nach und nach alle aus seiner Spielzeugtruhe geholt, die offen vor dem Bett stand.
„Papaaa … Aaaaam“ er grinste breit, als ich ihn hoch nahm.
Ich wünschte ihm einen guten Morgen und bestaunte, dass er sich alleine um seine Spielzeuge gekümmert hatte. Für einen Moment saß ich dann mit ihm hier, bis Mrs. Wallace erschien um ihn anzuziehen.
Diese kleinen Augenblicke genoss ich, damit ich diese Erinnerungen immer vor Augen haben konnte, sollten Zeiten ohne meine Familie einmal anstehen.
Beim Frühstück erzählten uns unsere Gäste ein wenig von ihrem Leben. Unter anderem von den eigenen Kindern.
„Es ist nicht immer leicht für uns, weil wir lange auf diesen Moment, euch zu treffen, warten mussten. Unsere Kinder sind jetzt auch schon erwachsen, haben eigenen Nachwuchs und bereiten sich ihrerseits auf ihre Bestimmungen vor. Wenn wir es genauer betrachten, dann ist es ein immer wiederkehrender Zyklus…“ Das klang nachdenklich von Idun und Alex ergänzte, es sei wie eine unendliche Geschichte.
Darüber kamen wir auf den von uns angestrebten Waffenstillstand zu sprechen.
„Wenn ihr in Paris seid, werdet ihr auf einen Herren des dortigen Templerordens treffen und auch von den Assassinen wird ein Vertreter vor Ort sein. Wir konnten in den einzelnen kleinen Regionen um Paris und im weiteren Umland schon Zuspruch bekommen und Waffenstillstände herbeiführen. Und es ist erstaunlich, aber eure Taten haben sich herumgesprochen, Alex. Vor allem auch, weil ihr bisher niemanden hintergangen habt und keine Intrigen geschmiedet habt. Das wird euch beiden immer wieder hoch angerechnet. Leider gibt es aber diese Widersacher und spöttelnden Menschen, von denen wir einfach Abstand halten sollten! Überzeugungsarbeit leisten wir ja mittlerweile alle, die diese Vereinigung wünschen. Es wird ein langer und schwieriger Weg werden, aber wem sage ich das.“
Im Anschluss wurde noch der eigentlich Handel besprochen, die Schiffe, die Routen und so weiter ausgehandelt.
Irgendwann sah meine Frau aber fragend zu unseren Gästen, ob wir auch Namen erfahren dürften, damit wir nicht ganz unwissend in Paris oder besser Versailles erscheinen.
„Verzeiht mir, ich habe nicht daran gedacht. Ihr könnt es vielleicht nicht wissen. Ihr werdet den Großmeister, Maître Francois de la Sèrre antreffen. Er arbeitet zwar hin und wieder schon mit der Bruderschaft zusammen, doch eine wirkliche Verbrüderung hat noch nicht stattgefunden. Von den Assassinen gibt es den Großmeister, Maître Charles Dorian, welcher derzeit ganz und gar nicht vom Orden überzeugt ist. Im Gegenteil muss ich leider sagen und ich hoffe, ihr könnt ihn umstimmen.“
Beim letzten Namen war alle Farbe aus dem Gesicht meiner Frau verschwunden und sie ließ sich schwer atmend auf dem Sofa nieder!
Nicht nur ich sah sie besorgt an.
Aber es war Bragi, welcher als erstes das Wort ergriff und auch gleich eine Erklärung parat zu haben schien.
„Es ist wegen Dorian, nicht wahr? Wir wissen um sein Schicksal. Ihr beide werdet es aber nicht verhindern können. Sein Tod wird eintreten, selbst wenn euer Freund Shay nicht Hand anlegt.“ Fast flüsterte er dabei.
Was bitte hatte Shay jetzt damit zu tun? Er hatte den Auftrag nach der Schatulle zu suchen, nicht gleich einen Mord zu begehen! Auch wenn es vermutlich von Nöten sein könnte, ging es mir grübelnd durch den Kopf.
„Haytham, ich glaube… also ich sollte da etwas erklären…“ Alex sah mich schon fast entschuldigend an und war kaum zu hören. „Nun gut… Shay wird weiter nach ihr suchen und wird sie dann in einigen Jahren bei eben diesem Dorian finden. Wie genau und auf welchen Umwegen sie zu ihm gelangt, kann ich nicht sagen, weswegen wir weiter recherchieren müssen.“
In mir begann zu brodeln! Wieder einmal wurden mir, anscheinend, wichtige Informationen vorenthalten, welche aber durchaus mehr als relevant für unser Vorankommen waren! Auf meine Frage, ob sie das schon die ganze Zeit gewusst hätte und wir eigentlich nur noch diese Zeit absitzen müssten, erhielt ich eine zögerliche aber erklärende Antwort.
„Im Grunde… ja, so könnte man es auch sehen. Aber sieh es bitte anders herum! Durch die Suche finden Shay und Faith noch weitere Artefakte, welche wichtig sind und erlangen weitere Fähigkeiten. Genau wie wir auch! Und… versprich mir, dass du es den beiden noch nicht sagen wirst! Sie sind sich im Klaren, dass ich über ihre Zukunft Bescheid weiß, aber eben nicht alles preisgeben kann!“
Jetzt sollte ich auch noch stillschweigen bewahren in Shays Gegenwart? Das war viel verlangt, weil in mir die Angst zu spüren war, was passieren würde, sollte ich mich einmal versprechen!
"Die eigene Revolution starten"
Plötzlich verschwamm der Raum um mich und ich fand mich in einer Art Foyer wieder. Vor mir sah ich Master Cormac, wie er vorsichtig an den hier verweilenden Menschen vorbei schlich.
In einer Ecke sah ich zwei Kinder, vielleicht um die 7 oder 8 Jahre alt. Ein Mädchen, gekleidet in einem bunten Kleid und Federn in den Haaren. Vor ihr stand ein Junge, welcher einen vornehmen Anzug trug. Ich hörte, wie sie sich über die unaufmerksamen Wachen lustig machten, die ihren Diebstahl nicht bemerkt hatten.
Weiter gingen wir in einen langen Gang, auf welchem ein breiter roter Teppich lag. Links und rechts standen kleine Grüppchen von Gästen vermutete ich, welche sich angeregt über ein bald anstehendes Feuerwerk und den anstehenden Ball zu Ehren seiner königlichen Majestät unterhielten.
Shay stahl sich von einer Menge zur nächsten und blieb dann wie angewurzelt stehen.
„Ah, das ist er ja.“ hörte ich ihn sagen und blickte dorthin, wo auch er sein Ziel anscheinend ausgemacht hatte.
Ein Herr in feinem Anzug, der sich mit einem anderen unterhielt. Worüber kann ich leider nicht sagen. Seine Aufmachung ließ aber keinen Zweifel daran, dass er ein hohes Ansehen hier genoss.
Master Cormac schlich ihm weiter hinterher, bis er sich sicher sein konnte, nicht weiter beachtet zu werden von den Gästen.
Dann stieß er mit der versteckten Klinge schnell zu, bugsierte sein Opfer auf einen nahe gelegenen Stuhl und beugte sich über ihn. Seine Hände tasteten an der Kleidung des anderen herum, bis sie fündig wurden. Triumphierend sah er auf die kleine Holzkiste in seinen Fingern.
Leider konnte ich nicht alles von ihrer Konversation verstehen, der Franzose faselte etwas von einem Connor, welcher die Taten der Templer in den Kolonien ungeschehen gemacht hätte.
Shays Reaktion war lediglich ein Satz „Dann sollten wir vielleicht eine eigene Revolution starten!“
Damit erhob er sich und ließ den Herren zum Sterben zurück.
Ich konnte aber dem Iren seltsamerweise nicht folgen, sondern blieb wie verwachsen an Ort und Stelle.
Der Franzose erhob sich schwer atmend und taumelte auf eine Gruppe Menschen zu. Und dann ging alles recht schnell. Die ersten Damen und Herren hier in dem Gang begannen zu rufen und zu schreien. Das rief die Wachen auf den Plan, welche auch sofort hier antraten, aber von einem Mörder war keine Spur mehr zu sehen.
Es mag sich eigenartig anhören, aber ich dachte in diesem Moment „Guter Mann, er ist ungesehen wieder entkommen!“
Das Opfer sackte in sich zusammen und blieb reglos auf dem Teppich liegen!
Aus den Augenwinkeln sah ich den kleinen Jungen, welchen ich vorhin schon bemerkt hatte, sich durch die Menge schieben. Reglos blieb er vor dem Toten stehen, starrte auf den leblosen Körper.
Um ihn begannen die Gäste ihn aufzufordern doch dort weg zugehen. Er reagierte nicht! Er stand einfach da!
Plötzlich hörte ich einen anderen Herren nach ihm rufen!
„Arno!“ diese laute Stimme durchbrach das Gewirr um uns herum.
Der angesprochene Junge sah auf und dann tauchte hinter dem Rufenden das kleine Mädchen auf. Sie lächelte ihn an, so als wolle sie ihm sagen, er könne ruhig die Hand von ihm nehmen.
Langsam verschwamm wieder alles vor meinen Augen, aber die Namen de la Sèrre und Dorian gingen mir durch den Kopf! Der kleine Junge war Arno Dorian, das Mädchen Élise de la Sèrre.
Ein weiterer Junge, welcher ohne seinen Vater aufwachsen müsste! So etwas wünscht man niemanden!
Brocken von späteren Erinnerungen Arnos wurden mir gezeigt, welche darauf schließen ließen, dass er nie nach Shay, dem Mörder seines leiblichen Vaters suchen würde. Aber warum?
Mit diesem Gedanken tauchte ich wieder im Chateau auf.
„Ich kann es nicht fassen!“ waren meine ersten Worte und sie waren auch so gemeint! Die letzte Frage aus dieser Vision stellte ich als erste, weil ich eine Antwort haben wollte. Alex kniete vor mir und hielt meine Hände in ihren. Ihr Blick war besorgt auf mich gerichtet.
„Arno wird andere Sorgen im Kopf haben und sich damit beschäftigen. Außerdem hat er kaum Zeit darüber nachzudenken. Er verrichtet als Mündel ja auch Arbeiten der einfachen Dienerschaft, was einen Großteil seines Tages einnimmt.“ Laurette versuchte eine Erklärung, welche für mich jedoch nicht ganz schlüssig war, wenn auch logisch.
Aber das hieße im Umkehrschluss, dass wir ihn von einer Einigung der Orden und Bruderschaften überzeugen könnten? Soviel hatte ich nämlich noch verstanden, Arnos Vater war Assassine, er selber wuchs bei einem Templergroßmeister auf. Mit dessen Tochter verbrüderte er sich, als er selber zur Bruderschaft gehörte um den Mörder an Monsieur de la Sèrre zu finden. Mir schwirrte der Kopf mit diesen ganzen vielen kleinen Informationen, aber ich versuchte mein bestes, alles geordnet zu bekommen.
„Das werden wir bis dahin nicht mehr müssen, wenn unser Plan dann langsam weitere Kreise zieht oder bereits gezogen hat! Es gibt Dinge, die weder ich noch du verhindern oder abändern können. Auch ich musste das erst lernen, was mir bis heute noch sehr schwer fällt, aber das weißt du ja.“ sprach Alex leise.
„Du hast Recht, man sollte vielleicht auch den Dingen einfach ihren Lauf lassen. Ich hoffe aber, es kommt nicht zu irgendwelchen Katastrophen, wenn wir erst mal in Paris sind!“ in mir keimte tatsächlich wieder ein weiterer Funken Hoffnung auf eine Einigung auf.
„Nein, ich verspreche dir, ich fasse nichts an und verhalte mich ganz still.“ Meine Frau sah mich dabei lächelnd an.
„Wer es glaubt, mi sol!“ grinste ich im Gegenzug mit hoch gezogener Augenbraue.
Meine Kehle war trocken, also stand ich auf, ging zu dem kleinen Tisch mit den Erfrischungen und reichte jedem ein Glas.
Monsieur Jomphe fragte, wann wir vor hatten, nach Paris aufzubrechen. Vermutlich müssten wir spätestens am 3. August hier unsere Zelte abbrechen, damit wir auch pünktlich zum Sommerball in Versailles wären.
Das gemeinsame Mittagessen war entspannt und man unterhielt sich über das Wetter, die Überfahrten zu dieser Jahreszeit und so weiter.
Leider wären Idun und Bragi nicht beim Ball mit anwesend, sie hatten noch auswärtige Geschäftstermine. In Alex Augen sah ich, dass sie es zwar verstand, dennoch aber traurig war.
Aber natürlich würden wir uns alle wiedersehen, versprach man noch. Spätestens wenn wir wieder in Virginia sein werden.
Idun nahm Alex in den Arm, flüsterte ihr etwas zu, was meine Frau breit grinsen ließ. Ihr Blick glitt liebevoll zu mir, also hatte es etwas mit mir zu tun? Eine Antwort erhielt ich nicht.
Edward fiel der Abschied besonders schwer, er weinte, als die beiden aufbrachen. Leise flüsterte er schniefend „Iduuuuu...“ und seine Arme umschlangen Alex.
Als unser „Sonnenschein“ wie Sybill ihn vorhin noch genannt hatte, im Bett war, bat ich Magda und Michael zu uns. Die Verlobung wollten wir hier offiziell machen! Der Ring lag auf einem kleinen Tisch neben mir. Als die beiden zögerlich den Raum betraten, ergriff ich die kleine Schachtel und reichte sie meinem Kammerdiener mit den Worten „Michael, ich glaube, ihr wolltet Magda etwas fragen, oder nicht?“ ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, weil der Blick von der jungen Frau erstaunt von einem zum anderen ging.
Seine Hände zitterten, als er auf unser Geschenk sah.
Dann streckte er sich, atmete tief durch und kniete sich vor seine Angebetete. Ein paar Mal musste er sich räuspern, ehe er einen klaren Ton hervorbrachte.
„Magda Lindstad, du bist… also wir sind… ich habe bei dir meine Liebe gefunden. Ich möchte dich nie wieder verlieren! Willst du meine Frau werden?“ Herr je, das klang, als würde sein Leben davon abhängen, so schnell hatte er gesprochen!
Magda sah von einem zum anderen, langsam liefen ihr die Tränen die Wange hinunter, als sie zu Alex sah. Meine Frau nickte ihr aufmunternd zu und Erleichterung war bei der Kammerzofe zu sehen.
„Ja… ja, ich will deine Frau werden, Michael Turner!“ schluchzte sie jetzt ungehemmt, als mein Diener ihr den Ring ansteckte, ebenfalls sehr erleichtert.
Sein Blick ging fragend zu mir. Ich konnte mir denken, dass er wissen wollte, ob er sie jetzt auch in unserer Gegenwart küssen dürfte. Ich nickte den beiden zustimmend zu.
Neben mir hörte ich ein leises Schniefen, als die beiden Verlobten sich in den Armen lagen. Ich nahm meine Frau in die Arme, um ihr zu zeigen, dass auch ich immer noch sehr glücklich mit ihr war und sie liebte.
Wir verbrachten noch einen feuchtfröhlichen Abend in Gesellschaft der anderen Angestellten hier. Ich muss gestehen, es war eine wirklich gelöste Stimmung, sie war schon fast familiär!
Für einen kurzen Moment hatte Alex dann den doch für sie recht traurigen Gedanken, sich bald nach einer anderen Zofe umsehen zu müssen, sollte Magda schwanger werden.
Das würde sicherlich kein Problem werden, versicherte ich ihr. Aber ich wusste, die beiden verstanden sich hervorragend, was das ganze etwas schwieriger gestaltete für Alex.
Später im Bett kamen wir auf unsere „Verlobung“ zu sprechen.
Es war mir immer noch ein Dorn im Auge, dass ich ihr einen so, wie soll ich es sagen, schlichten und überraschenden Antrag machen „musste“. Leider war es damals nicht anders möglich, als alle vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Sie hatte etwas besseres verdient!
Ich machte den Vorschlag, dass wir, zurück in den Kolonien, eine „Erneuerung“ des Antrags planen sollten.
„Das hört sich fantastisch an, Haytham.“ hauchte Alex mit zitternden Stimme und gab mir einen sanften Kuss.
Mit diesem Gedanken beseelt, dieser Frau eine verdiente wunderschöne Verlobung zu bescheren, schlief ich alsbald auch ein.
Als wir heute auf Versailles zuhielten, war ich mehr als erleichtert, dass wir bald in weichen Betten schlafen konnten.
Außerdem war meine Gattin die ganzen Tage über unausstehlich gewesen aufgrund ihrer Blutungen. Ja, manchmal verfluchte ich diese Umstände einfach. Zumal sie wie ein Pirat fluchte, was ich einfach in Gegenwart von Edward nicht gutheißen konnte. Er würde es alsbald vermutlich auch noch übernehmen!
„Soll er doch, fluchende Menschen sind sehr intelligent!“ dabei streckte sie mir frech die Zunge raus und natürlich übernahm unser Sohn diese Geste mal wieder glucksend!
„Deine Intelligenz werde ich dich bald spüren lassen, verlass dich darauf. Dein Pensum an Lektionen steigt mal wieder ins Unermessliche, mi sol.“ warum auch immer, aber ich konnte mir diese Worte einfach nicht verkneifen! Sie zeigten aber eine gewisse, nun ja, entspannende Wirkung auf meine Frau.
„Werden wir vielleicht in Versailles Zeit für einander haben, mi amor?“ Ihre Lippen fuhren dabei über die Haut an meinem Hals.
„Das will ich hoffen, ansonsten weißt du ja... du bist so klein, dich verschleppe ich einfach ungesehen!“ gerade als ich Alex´ Mund auf meinem spürte, schob sich eine nasse Hand zwischen uns. Edward mochte es überhaupt nicht, wenn wir Zärtlichkeiten austauschten so schien es.
Über Versailles hingen dunkle Wolken, welche tief über dem Palast lagen. Es war heute ein recht kalter Augusttag und man hatte ein seltsam unbehagliches Gefühl mit einem Male.
Unseren Bediensteten wurden ihre Quartiere zugeteilt und auch wir wurden in unsere Gemächer gebracht. Ich selber war noch nie im Schloss Versailles gewesen und bestaunte hier und da einige Statuen oder Büsten. Es war mehr als prunkvoll und als wir an einem Gang vorbei kamen, war mir so, als wäre ich schon einmal hier gewesen. Dann dämmerte es mir, es war die Vision mit Shay gewesen. Hier wird er auf Charles Dorian treffen. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken und mir wurde klar, warum ich ein merkwürdiges Gefühl eben gerade bei der Ankunft hatte.
Unser Schlafzimmer oder besser Schlafsaal, weil die Größe der unseres Wintergartens in Virginia gleichkam, war in freundlichen Farben gestaltet. Mit einem Schreibtisch in einer Ecke, Regalen mit Büchern, welche Alex natürlich gleich lächelnd in Augenschein nahm.
Leider musste sich meine Frau mit den hiesigen Gepflogenheiten hinsichtlich der Kinderbetreuung und Übernachtung auseinander setzen.
Edward teilte sich ein Zimmer mit 6 weiteren kleinen Gästen. Die entsprechenden Kindermädchen und Gouvernanten würden in einem Nebenzimmer untergebracht werden.
Wirklich wohl war mir dabei auch nicht, aber es war ein Gesetz hier. Die Regeln des Königs!
Alex bat Sybill kurzerhand gut auf unseren Schatz aufzupassen und ihn nie alleine zu lassen. Mrs Wallace versicherte ihr, sie könne sich auf sie verlassen und bräuchte sich keine Sorgen zu machen.
Etwas erleichterter konnten wir uns jetzt für das anstehende Mittagessen umziehen lassen. Zu meinem Erstaunen gab es anscheinend eine sich fast stündlich ändernde Kleiderordnung. Es war vorgeschrieben was zum Frühstück, für die vormittäglichen Aktivitäten, zum Mittagessen und so weiter, getragen werden sollte. Die Damen würden sich im Laufe des Tages hin „steigern“ um beim Dinner am Abend entsprechend noble Kleider zu tragen.
Ich hingegen hatte es etwas weniger aufwendig, würde mich aber auch diverse Male umziehen lassen müssen. Jedoch konnte ich auf meine Garderobe als solche zurückgreifen.
Als wir den Speisesaal betraten blieb mir der Mund offen stehen! Der Tisch schien sich unter all den Gerichten und Getränken förmlich zu biegen!
Aber ein Blick auf die bereits versammelten anderen Gäste zeigte mir, dass man sicher gehen wollte, dass auch alle satt wurden. Wenn ich aber die Mengen sah, ging mir durch den Kopf, dass davon ein ganzes Heer zwei Wochen gespeist werden könnte.
Kopfschütteln nahmen wir Platz, weil auch meiner Gattin ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
Während des Essens hatte ich eine rege Unterhaltung mit einem weiteren Briten, welcher neben mir saß.
Er kam aus York, wo er auch geboren war und lebte mit seiner Familie dort. Man hatte ihn hierher eingeladen, da er ein hervorragender Maler und Künstler ist. Sein Name ist Lewis Clive Perkins.
„Master Kenway, meine bescheidenen Werke haben Königin Maria wie es den Anschein hat beeindruckt. Man bat mich jetzt auch ein Portrait des königlichen Paares anzufertigen.“ erklärte er mir voller Stolz, zurecht wie ich sagen muss.
„Das ist eine fantastische Möglichkeit, Mr Perkins! Ich wünsche euch gutes Gelingen.“ im Hinterkopf machte ich mir eine Notiz für unser eigenes Familienportrait, welches Alex ja ebenso schon erwähnt hatte.
Nach dem Essen war es, wie so oft üblich, dass die Damen sich mit den Kindern, welche keinen Mittagsschlaf machten, zurückzogen um sich ungestört austauschen zu können.
Ich hingegen folgte meinem neuen Bekannten und wir schlossen uns einer Gruppe Herren an, welche sich in einem der Freizeitsäle bereits eingefunden hatte.
Die üblichen Gesprächen begannen, man stellte sich vor und so begann der Nachmittag recht entspannt.
Ein paar der Berater des Königs waren ebenfalls anwesend, welche sich in die Unterhaltungen einbrachten und interessante Neuigkeiten bezüglich des Handels, der französischen Armee oder auch einfach nur der Gefangenen erzählten.
„Es wird immer schlimmer mit dem Fußvolk. Sie spielen sich auf, als seien sie die wahren Herrscher dieses Landes.“ hörte ich einen Herren mit großem Spott in der Stimme sagen.
„Demnächst müssen wir sie noch hier beherbergen!“ lachte ein anderer abwertend.
Also hielt man hier nichts von den normalen Bürgern. Von Alex wusste ich, dass auch hier in Frankreich beizeiten ein anderer Wind wehen würde. Noch war es aber nicht soweit.
„Master Kenway, ihr seht aus, als stimmtet ihr dem nicht zu? Habt ihr in der neuen Welt also andere Erfahrungen mit dem einfachen Volk gemacht?“ stichelte ein Mann mittleren Alters und schäbig aussehender Perücke nebst Kleidung.
„Die habe ich tatsächlich, Monsieur Pollac! Das einfache Volk, wie ihr es nennt, sind die Kolonisten die für den Aufbau eben dieser neuen Welt verantwortlich sind. Wir sollten sie deshalb unterstützen und nicht klein halten.“ erklärte ich mich etwas zornig.
„Sagt ein Plantagenbesitzer, welcher seine Felder von Sklaven bewirtschaften lässt, die er aus Frankreich gekauft hat!“ pöbelte mich jetzt ein weiterer Gast an.
Langsam wurde ich ungehalten, weil dieses Klischee, wie es mir auch meine Gattin schon erklärte, hier in den Köpfen der Menschen steckte. Alle Pflanzer hatten ihre Aufseher, welche die Sklaven hart bestraften, schlugen und hungern ließen! Dass es auch Ausnahmen gab, war hier gerade in Frankreich am Hofe König Ludwigs wohl noch niemandem in den Sinn gekommen!
„Zu eurer Information, ich beschäftige nur Auswanderer und Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt ehrlich erarbeiten wollen. Ich verabscheue Sklaverei zutiefst. Da sind sich meine Frau und ich immer einig gewesen.“ fuhr ich die umstehenden Männer an.
„Ist das so? Ihr erlaubt eurer Gattin mitzubestimmen, was auf eurem Anwesen und mit den Arbeitern zu passieren hat? Wo kämen wir denn da hin? Lächerlich!“ kopfschüttelnd sah mich ein kleiner pausbäckiger Alter an und nahm einen großen Schluck des Cognacs aus seinem Glas.
„Vielleicht versteht ihr diese Art der Eheführung nicht, Messieurs! Ihr solltet euch etwas mehr belesen und lernen. Denn wenn meine Gattin zufrieden ist, hat das auch Auswirkung auf unser Zusammenleben!“ sprach ich mit einer wissend hochgezogenen Augenbraue. Ich wusste, sie würden auf diese doch recht zweideutige Art eher anspringen und es nachvollziehen können, dass wir recht gleichberechtigt waren.
„Hört! Hört! Ihr scheint demnach eine Ehefrau zu haben, welche euch in ihr Bett lässt, sobald sie etwas Zuspruch bekommen hat?“ lachte der Herr neben mir und klopfte mir auf die Schulter. „Vielleicht sollte ich dieses Konzept auch einmal testen. So langsam gehen mir die Waschfrauen und Zimmermädchen zum Vergnügen aus.“ Jetzt war die Runde bei DEM Thema, welches alle Männer irgendwann immer hatten.
Somit war wenigstens nicht meine persönliche Meinung mehr das Thema und ich seufzte zufrieden.
Gerade als wir zum Abendessen aufbrechen wollten, hatte Alex noch kurz Gelegenheit unseren Sohn zu sehen. Auch für mich war es ein etwas seltsamer Zustand hier, dass man die Kinder regelrecht von den Eltern fernhielt, damit diese sich ihren Geschäften und ähnlichem widmen konnten.
Meine Frau kam mit einem Kopfschütteln auf mich zu, als sie aus dem Kinderzimmer trat.
„Es ist einfach unfassbar, mi sol. Am Nachmittag hatte man mir schon von einer Nanny berichtet, welche ihre Aufgabe mehr als vernachlässigt. Eben gerade konnte ich mich davon überzeugen! Diese Frau war voll wie eine Strandhaubitze und hockte unbeteiligt auf einem Stuhl, während ihr kleiner Schützling bitterlich weinte. Mrs Wallace hat sich dann dem Mädchen angenommen! Das ist doch unfassbar!“ fauchte sie weiter auf dem Weg zum Speisesaal.
„Wir können uns glücklich schätzen, dass wir Sybill haben.“ ich war wirklich froh, diese Frau bei uns haben zu können.
Nach dem Essen vertrat man sich noch ein wenig die Beine im Park und auch der Nachwuchs wurde noch eine kleine Weile dazu geholt. In Alex Augen trat ein seliges Leuchten als sie Edward wieder um sich hatte, auch wenn es nur kurz war. Auch unser Sohn war irgendwann einfach müde.
Jedoch merkte meine Gattin an, dass sie diese Distanz sehr unangenehm empfand. Es gäbe ja auch die Möglichkeit in Edwards Geist mit ihm zu sprechen, warf ich ein.
„Danke mi sol, darauf hätte ich auch selber kommen müssen! Danke!“ ihre Arme schlangen sich um mich und ihr dankbarer Kuss wurde langsam inniger. Meine Finger wanderten wie selbstverständlich ihren Rücken herunter bis zu ihrem Po…
„Ähäm… Mistress Kenway? Master Kenway?“ hörte ich eine Männerstimme neben uns, die uns wie ein ertapptes Pärchen auseinander schrecken ließ.
Alex fand ihre Stimme als erstes wieder und fragte nach, mit wem wir die Ehre hätten.
Es war der niederländische Händler, der sich bei Alex wegen des Amuletts gemeldet hatte und jetzt auch gleich mit der Tür ins Haus fiel, nach dem der Höflichkeit genüge getan war.
„Versteht mich nicht falsch, ich bin kein abergläubischer Mann, aber es geht eine Art Schwingung von diesem Schmuckstück aus, welche ich mir nicht erklären kann. Wenn es eure Zeit erlaubt, würde ich gerne morgen alles weitere besprechen. Meine Räumlichkeiten habe ich mit meiner Gattin im Gästeflügel bezogen, unweit eurer Gemächer, wie mir mein Kammerdiener mitteilte. Ach, da muss ich noch gratulieren, dass ihr einen so guten anständigen Mann habt, welcher seiner Angebeteten einen Antrag macht, bevor er sie… ihr wisst schon.“ zwinkerte er uns zu.
Im Grunde machten wir nur noch den Termin für morgen aus, damit wir uns von seinem eigentlichen Erbe selber überzeugen konnten. Nach dem Frühstück sollte es sein. Noch standen ja keine weiteren Verpflichtungen an, soweit ich wusste.
Es muss gegen Mitternacht gewesen sein, als wir uns, genau wie die anderen Gäste langsam alle zurückzogen.
Erstaunt traten wir in unsere Gemächer, weil bereits Michael und Magda dort auf uns warteten.
Auf die Frage, woher sie wussten, dass wir genau jetzt zu Bett gehen wollten, erklärte man uns nun auch diese Gepflogenheit am Hofe. Die Diener der Gäste wurden umgehend unterrichtet, wenn die Herrschaften in ihre Räumlichkeiten aufbrachen. Man könnte auch meinen der Orden hätte hier seine Richtlinie verkündet – Struktur, Ordnung und Disziplin -!
Apropos Disziplin! Meiner Frau würden sicherlich einige kleinere Lektionen nicht schaden, ging es mir während man uns für die Nacht einkleidete durch den Kopf! Ich wollte sie haben und vor meinem geistigen Auge sah ich sie vor mir auf dem Bett knien …
Magda und Michael wurden für heute entlassen, so dass ich meine Frau für mich alleine hatte.
Hier war Platz, wir hatten Zeit und irgendetwas in meinem Inneren ließ mich eine gewisse Wollust spüren. Woher diese rührte vermochte ich aber nicht zu sagen.
Langsam schritt ich auf Alex zu, die meinen Blick bemerkt hatte.
Was hast du vor? Eine mehr als unnötige Frage! Ohne weitere Worte schob ich sie langsam auf das Fußende unseres Bettes zu. Immer noch nervös sahen diese lüsternen grünen Augen zu mir auf.
Meinem Befehl sich auf dem Bett mit den Händen abzustützen wurde schwer atmend ohne Murren ausgeführt. Vermutlich wusste auch Alex, was ich wollte oder besser WIE ich sie nehmen wollte.
Ihre Kehrseite so vor mir zu sehen, war wie immer ein Genuss. Langsam schob ich ihr Nachthemd über ihren Po und strich über diese warme weiche Haut, welche sich langsam mit einer Gänsehaut überzog.
Nimm mich endlich! Hörte ich ihre bettelnde Stimme in meinem Kopf.
Nicht so schnell, ich musste wieder einige Zeit auf deinen Körper verzichten, lass es mich einfach genießen. So schnell würde ich nicht vorpreschen, nicht nach dieser tagelangen Abstinenz! Meine Finger wanderten zwischen ihre Schenkel und fühlten, dass dieses Weib schon jetzt mehr als bereit für mich war.
Mein Hemd war die letzte Barriere zwischen uns, die ich hastig entfernte und mich an sie drängte.
„Du willst, dass ich mir nehme was ich will?“ war meine nächste Frage!
„Ja, das will ich.“ hörte ich sie stockend antworten, gefolgt von wiederkehrenden Schauern. Ihr ganzer Körper schien sich vorzubereiten.
Kurzerhand griff ich in ihre Haare, zog Alex so wieder an mich und raunte mahnend an ihrem Ohr. „Dann werde ich deinem Wunsch nachkommen, aber beschwere dich nachher nicht!“
Plötzlich war es wie in einem Rausch, bei dem ich nicht wusste, wie lange er andauerte! Aber ich genoss ihr Flehen, ihr Betteln! Meine Hände waren aber heute Nacht nicht das einzige Werkzeug, welches Spuren auf ihrem ansehnlichen Hinterteil hinterließen. Mein Gürtel verrichtete eine hervorragende Arbeit!
Es war wie eine kleine Explosion, als ich zum Höhepunkt kam. Meine Finger krallten sich Halt suchend in die Hüften meiner Frau. Für einen Moment ließ ich meinen Kopf auf ihren Rücken sinken um wieder zu Atem zu kommen. Ich spürte den feinen Schweißfilm auf ihrer Haut. Alex zitterte leicht und ich konnte erahnen, dass auch sie kurz vor ihrem Höhepunkt stand, also half ich ihr. Kurz darauf lehnte sie stöhnend an meiner Brust, während ich ihre Kontraktionen an meinen Fingerspitzen fühlen konnte.
Ich wiederhole mich, ich weiß. Es kann aber nicht oft genug betont werden, dass ich diese Hingabe bei ihr liebte. Noch nie vorher hatte ich ähnliches erlebt.
An mich gekuschelt wie eh und je lag sie etwas später mit mir im Bett.
„Was ist das plötzlich zwischen uns?“ fragte meine Gattin leise. Diese Frage hatte ich mir vorhin ebenfalls schon gestellt.
„Ich bin ehrlich gesagt etwas überfragt. Es fühlt sich wie etwas an, was eigentlich immer da war, aber man es nie wahrgenommen hat. So als hätte ich es seit dieser Vision mit Idun und Bragi ausgegraben und könnte nun erst darauf zurückgreifen. DU fühlst dich an, als hätte ich nie jemand anderes in meinem Bett gehabt… ich kann es nicht erklären.“ vermutlich klang ich verzweifelter als ich eigentlich war. Dennoch waren das meine ersten Gedanken.
„Wenn ich jetzt sage, dass ich es aber liebe, wie du mich dann nimmst und nicht diese Rücksicht wie sonst an den Tag legst, dass mich das noch mehr erregt, ist das falsch oder bin ich nicht ganz richtig? Weil… eigentlich sollte ich so etwas nicht gut finden, gerade auch wegen… den Katakomben!“ bei den letzten Worten schüttelte sie sich leicht.
„Alex, es ist doch eine Sache zwischen dir und mir. Was wir in unserem Bett machen, bleibt bei uns und… ich muss gestehen, dass ich diese neue Hingabe von dir wahnsinnig genieße. Das lässt auch mich darüber nachdenken, ob ich vielleicht in meinem Kopf nicht ganz richtig funktioniere. Es… gehört sich nicht, eine Frau zu schlagen oder ihr wehzutun, aber ich… liebe es bei dir. Ich genieße dein Winden unter mir, wenn du zusammen zuckst.“ Es war wie eine kleine Aussprache, etwas was noch nie so geklärt wurde zwischen uns. In einer gewissen Weise beruhigte ich mich bei meinen eigenen Worten.
„Wir wissen, wo wir stehen in unserer Beziehung, das ist das wichtigste! Und ich weiß, dass ich dich unendlich liebe und dir vertraue, egal was wir noch miteinander im Schlafzimmer oder auch woanders, anstellen werden.“ aus ihrem Mund kam dabei ein leises Kichern.
Diese Worte brachten mich wieder in eine neue Hochstimmung. Langsam begannen meinen Lippen ihre zu versiegeln und wir fanden ein weiteres Mal zueinander. Dieses Mal aber war es leise, friedlich und liebevoll.
Diese Frau war eine Wohltat und ich liebe sie! Ging es mir durch den Kopf, als sie angeschmiegt an meiner Brust eingeschlafen war.
Die Bewegungen neben mir, ließen mich wach werden.
Alex hatte sich mit ihrer Kehrseite an mich gedrückt und meinen Arm um sich gezogen. So hatte ich mal wieder die Gelegenheit sie zu beobachten. Ab und an glitt ein Lächeln über ihr Gesicht, oder aber ihre Augenlider zitterten leicht.
Mit einem Male aber hörte ich ein lautes Klingeln auf dem Gang vor unserer Tür. Der Weckdienst war angetreten. Ein Herr hatte mir gestern von dieser Sitte berichtet. So konnte man definitiv NICHT verschlafen!
Natürlich wurde auch meine Frau davon wach und sah sich für einen Moment erschrocken um.
Kurzer Hand zog ich sie mit den Worten „Guten morgen, mi sol. Ich hoffe, der sanfte Klang dieses Weckers ist nach deinem Geschmack?“ über mich, wo sie mich mit einer hochgezogenen Augenbraue etwas böse ansah.
„Ist das deren Ernst, ich dachte im ersten Moment, es brennt irgendwo!“ Ihre Bemerkung, es sei ja schlimmer wie beim Militär, erschloss sich mir nicht. Woher wollte sie das wissen?
Ich ließ meine Hände ohne weitere Worte langsam zu ihrem Hinter gleiten und drückte zu! Ein lautes „AUA!“ zeigte mir, ich hatte ganze Arbeit geleistet!
Außerdem erklärte ich ihr noch, dass ich keine halben Sachen ablieferte und sie ihre Lektionen so auch nicht sofort wieder vergessen würde.
„Danke, ich glaube davon werde ich wirklich länger etwas haben!“ langsam kam sie näher…
Die Tür wurde aufgerissen, ohne Vorwarnung!
Ins Zimmer stürmte ein Diener in königlicher Livree und begann die Vorhänge und Fenster zu öffnen, ohne weiter auf uns zu achten.
„Madame, Monsieur! Das Frühstück wird gleich angerichtet. Hopp hopp aus dem Bett!“ jetzt wanderte sein Blick breit grinsend zu unserem Nachtlager und blieb am Po meiner Frau hängen.
In Windeseile ließ ich die Decke über sie gleiten, weil ich immer noch etwas perplex war. Alex wollte sich schon von mir herunter drehen, als ich sie aufhielt. Gerade JETZT wäre es kein guter Moment, da ich mich eigentlich auf ein paar nette morgendliche Aktivitäten gefreut hatte. Wenn ihr wisst, liebe Leser, was ich meine.
Mittlerweile war auch ein Mädchen mit zwei Krügen erschienen und befüllte die Waschschüsseln. Neben unserem Bett stand wartend eine weitere Magd. Vermutlich sollte sie das Bett richten.
„Madame, Monsieur, das Bett soll gemacht werden. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten. Alle Gäste möchten pünktlich bei Tisch sein!“ mit diesen Worten und wehenden Rockschößen eilte der Diener wieder hinaus.
Jetzt fühlte ICH mich an meine Zeit unter Braddock erinnert, wo man auch an die Pünktlichkeit zu jedweder Tageszeit erinnert wurde.
Genervt ließ ich Alex von mir gleiten und versuchte hastig ein Laken über mich zu ziehen. Aber die Angestellten schienen keine weitere Notiz von uns zu nehmen.
Etwas unbehaglich war mir dabei schon zumute.
Magda und Michael erschienen um uns für das bevorstehende Frühstück einzukleiden. Es gab hier eine strickte Kleiderordnung für jeden Abschnitt des Tages. Besonders aber für die Damen. Alex tat mir leid, weil sie ständig die Haare neu frisiert bekommen würde und immer wieder in ein neues Kleid gesteckt werden würde.
Für mich war es nicht ganz so anstrengend, so hoffte ich zumindest.
Gerade als wir fertig waren, klopfte es und Sybill trat mit unserem Sohn ein. Ich traute meinen Augen nicht. Er trug ein rosafarbenes an ein Kleid erinnerndes Hemd, dazu entsprechende Unterkleidung! Du meine Güte, das sah ja grauenhaft aus.
Meiner Frau sah ich ebenfalls an, dass sie Edward am liebsten in eine andere Garderobe stecken wollte. Aber Mrs Wallace erklärte, dass es hier so üblich sei für die Kleinen. Die Kleider wurden extra aufgehoben und weitergereicht.
Ändern konnten wir es leider gerade nicht, also nahm ich es vorerst hin.
Fertig eingekleidet stand ich jetzt vor Alex, die mich mit großen Augen ansah! Michael hatte mich in einen dunkelblauen Gehrock, passender Weste und Hosen eingekleidet. Für einen kurzen Moment dachte ich schon, sie fände mein Auftreten schrecklich. Ich wurde eines besseren belehrt, denn ihr Blick war mehr als anerkennend und schon konnte ich erahnen, dass in ihrem Kopf das Bild mit dem Handtuch auftauchte.
Leider würden wir ohne unseren Sohn zum Speisesaal gehen müssen. Erst später am Tag konnten wir ihn wiedersehen.
Das Frühstück war üppig, die Gespräche bei Tisch langweilig und es gab Personen, die ich schon jetzt mehr als unsympathisch fand. Ich verabscheue Menschen, die über die ärmere Bevölkerungsschicht Witze machte, oder aber nur den eigenen Standard als den richtigen betrachteten. Es war ein Graus!
Auch Alex war froh, als wir uns ein wenig die Füße draußen im Park vertreten konnten. Wir hatten noch etwas Zeit bis zum vereinbarten Treffen mit Master de Gooijer!
„Haytham, ich habe ein wenig Angst, was sein Amulett angeht. Könntest du es bitte in ausreichendem Abstand zu mir inspizieren. Ich ziehe es vor, nicht wieder in eine andere Welt geschubst zu werden.“ sie flüsterte schon fast, vermutlich aus Angst, jemand könnte uns belauschen.
„Daran hatte ich auch schon gedacht. Was glaubst du, wie viele von diesen Dingern gibt es wohl noch?“ Wäre es nicht wirklich möglich, damit noch andere Welten zu erforschen? Trotzdem sollten wir immer die Gefahr dahinter nicht außer Acht lassen. Es könnte auch eine gefährliche andere Seite dort auf uns warten!
Dann war es soweit und man brachte uns zu den Gemächern des niederländischen Händlers.
Nach kurzem Klopfen wurde uns geöffnet und man begrüßte uns freudig.
„Ahhhhh, Mistress Kenway! Master Kenway! Tretet näher. Darf ich euch meine Gattin vorstellen? Myrte de Gooijer!“ Neben ihn trat eine etwas korpulente Dame mit roten Wangen, dunklen grünen Augen und begrüßte uns ebenso herzlich.
Wir sprachen noch einmal unser Beileid aus, auch wenn die Beisetzung schon Wochen zurück liegen mochte.
Wieder preschte der Niederländer vor, so als hätte er es eilig oder Angst vor etwas!
Als wir uns bei einer Sitzgruppe nieder gelassen hatten, begann der Herr auch gleich mit seinem Anliegen.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber mir brennt es unter den Nägeln. Werft bitte selber einen Blick darauf.“ Er griff hinter sich auf den kleinen Schreibtisch und beförderte ein kleines Kästchen zu Tage.
Gerade wollte er es Alex reichen, da sah ich, wie sich ihre Augen ängstlich weiteten. Auch ich spürte diese leichten Vibrationen, als es in ihre Nähe kam. Ich nahm es dem Mann ab, erhob und entfernte mich ein wenig ihnen.
Auch dieses Amulett leuchtete leicht, die Zeichen waren aber andere als auf meinem. Das Material schien das gleiche zu sein, es war leicht und fühlte sich ein wenig warm an.
„Es sind andere Schriftzeichen darauf, als auf meinem Anhänger, Alex. Und es leuchtet gelblich in deiner Nähe. Wie es scheint besitzt es die gleiche Kraft wie meines oder das von Marius.“ erklärte ich meine Beobachtungen und sah, wie Mr de Gooijer von einem zum anderen starrte.
Das hatte ich nicht bedacht. Sie wissen ja nichts über die Vorläufer, Artefakte oder die Götter!
„Wie ist das möglich? Was ist das? Hexerei?“ die Panik in seiner Stimme war nicht von der Hand zu weisen. Aber das fehlte uns noch, am königlichen Hofe mit solchen Anschuldigungen konfrontiert zu werden.
„Nein, Master de Gooijer, das hier ist… einfach ein Schmuckstück, welches das Sonnenlicht speichern kann und deshalb so leuchtet.“ versuchte meine Frau Schadensbegrenzung zu betreiben, gleichzeitig warf sie mir einen warnenden Blick zu.
„Ihr meint, es verzaubert niemanden oder kann böse Flüche über eine Familie bringen?“ Mrs de Gooijer sah ängstlich in meine Richtung!
„Liebling, du glaubst doch nicht wirklich daran, dass dieses Ding an dem Tod… nein, das glaube ich auch nicht. Aber was denkt ihr könnte es auf dem Markt wert sein, Mistress Kenway?“ Jon sah erwartungsvoll zu meiner Frau, anscheinend hatte er schon wieder vergessen, was er gerade gesehen und gehört hatte.
„Master de Gooijer, es ist besser, wenn ihr uns dieses Schmuckstück überlasst und wir werden euch entsprechend entlohnen. Aber es sollte nicht auf den freien Markt gelangen, weil es schon sehr alt und wirklich wertvoll ist. Sagt, wie ist eure Familie in den Besitz gelangt?“ Diese Argumentation war hervorragend, so kam kein weiteres Misstrauen auf, so hoffte ich.
„Das ist wirklich eine sehr seltsame Geschichte wisst ihr, ihr werdet mich für dumm halten…“ Myrte stammelte diese Worte, weil sie vermutlich wirklich Angst hatte, dass wir ihr keinen Glauben schenken würden! Aber ihr Mann nickte ihr zustimmend zu und dann begann sie zu erzählen.
- Es folgt ein kompletter Auszug aus „Von schicksalhaften Zeitreisen …“ -
Vor 200 Jahren ungefähr, sei ein Vorfahre von Mrs de Gooijer auf ein altes Hügelgrab an der Küste der burgundischen Niederlande (Haus Habsburg) gestoßen. Geschichte der Niederlande Aus reiner Neugierde hatte man dann Stein um Stein entfernt und einen darunter befindlichen Eingang zu einer Höhle gefunden. Immer noch vom Abenteuergeist beseelt folgte man dem Weg nach unten und fand sich kurz darauf in einer großen Kammer wieder. Diese war aus groben Stein gehauen und etwa so groß wie ein kleiner Salon, wobei diese Bezeichnung ziemlich ungenau war.
Im besagten Raum befanden sich mehrere hölzerne Truhen, steinerne Sarkophage und diverse herumstehende Gegenstände. Aus welcher Zeit das alles stammte, konnte man nicht deuten und begann alles zu öffnen und genauer in Augenschein zu nehmen. Es dauerte aber nicht lange, bis man dieses Amulett fand und es begann auch dort zu strahlen. Aus Angst, den Teufel persönlich geweckt zu haben, wurde der Gegenstand in eine kleine Kiste aus Metall gepackt und mitgenommen.
Es gab aber noch einige andere Dinge, die dort lagerten. Unter anderem ein seltsam anmutendes Schild aus reinem Metall mit einem komischen Kreuz darauf, eine Rüstung mit ebensolchem Symbol und Schwerter.
In den Sarkophagen jedoch lagen nur Gerippe und die üblichen Darreichungen für Tote. Leider fand man keine Aufzeichnungen dort unten oder Inschriften auf den Särgen. Die Bücher, welche dort zu finden waren, seien beim Berühren direkt zu Staub zerfallen.
Nachdem die gesamte Truppe den Schauplatz wieder verlassen hatte, wohlgemerkt hatte man einiges mitgenommen, unter anderem die Schwerter, die Rüstung und so weiter, begab man sich auf den Rückweg.
Dieser war aber so beschwerlich, dass die Plünderer des Grabes die Befürchtung hatten, verflucht worden zu sein. Und wäre diese Befürchtung nicht schon schlimm genug, erkrankten nach und nach die Männer an den unterschiedlichsten Gebrechen. Ruhr, Cholera (man nutzt eigentlich noch eine andere Bezeichnung im 18 Jahrhundert dafür!), Pocken und am Schlimmsten traf es den Anführer, welcher es als letzter Überlebender mit den ganzen Packtieren in sein Heimatdorf schaffte.
Sein Geist war umnachtet und er war wie von Sinnen, faselte immer wieder etwas von leuchtenden Wesen, welche ihm sagten, sie sollen umkehren und alles an Ort und Stelle lassen, es sei nicht für sie bestimmt.
Kurz darauf verstarb dieser Mann unter mysteriösen Umständen, es war als hätte er sich im Schlaf selber erdrosselt mit dem Amulett um den Hals!
Seine Tochter fand ihn morgens in der Früh und konnte sich keinen Reim darauf machen, weil niemand etwas gesehen, gehört oder überhaupt bemerkt hatte.
Ab diesem Zeitpunkt wurde dieser Anhänger nur unter der Warnung in der Familie weitergegeben, ihn nicht zu lange zu tragen oder ihn länger als eine Stunde zu berühren.
„Ihr glaubt jetzt sicher, ich bin eine von diesen abergläubischen Waschweibern, aber nein! Das bin ich nicht, das ist die Geschichte, die sich erzählt wird.“ sie erhob sich und holte ein Buch aus einer der bereit stehenden Kisten und reichte es Alex.
Auf dem Einband stand geprägt der Name der Familie „Griekspoor“ (griechische Spur). Aufgebaut am Anfang wie ein Tagebuch, wurde es unübersichtlicher von Seite zu Seite, ähnlich wie dem Manuskript von meinem Vater. Es war durch viele Hände gegangen und jeder schien etwas hinzugefügt oder aber auch entfernt zu haben!
Plötzlich drang mir Alex Stimme in den Kopf.
Haytham, was jetzt passiert, ist zu unserem Schutz und dem Schutz der Familie de Gooijer. Folge mir im Geiste in Myrtes und Jons Kopf bitte.
Es dauerte einen Moment, bis Sie einen passenden Korridor gefunden hatte. Es herrschte ein leichtes Durcheinander in Myrtes Geist. Es gab sogar britische Vorfahren in ihrer Familie!
Ich versuchte Alex so gut es ging zu folgen, nicht alles verstand ich auf Anhieb, aber ich blieb in ihrer Nähe.
Dann endlich sahen wir die Tür und folgten dem flackernden Schein von Erinnerungen. Von hier aus konnte sie tatsächlich in die Vergangenheit Myrtes Geistes eintauchen und wischte im wahrsten Sinne des Wortes unangebrachte oder eben unerwünschte Momente hinfort. Stattdessen gaben Idun und auch Frigg ihr wunderschöne Bilder, die sie hinterlassen konnte.
Diese Familie hatte nämlich ein uraltes Templergrab gefunden, welches nur uns vorbestimmt gewesen war. Doch uns kam nun dieser Fund zugute, weil wir nicht extra dorthin reisen mussten. Alles was wir brauchten befand sich hier in diesen Truhen in Frankreich!
Meine Frau betrieb wahrste Gehirnwäsche und auch bei Jon machte sie das gleiche, doch in seiner Familienerinnerung herrschte nur ein Krieg untereinander. Somit verschwanden wir dort sofort wieder, als auch er entsprechende Bilder bekommen hatte.
Bevor wir uns jedoch zurückzogen, musste sie noch die Erinnerung an ihr Tun auslöschen. In diesem Falle ist es aber unerlässlich, es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein. Aber für dein erstes Mal hast du es gut hinbekommen. Elias klang voller Anerkennung! Das meine Frau dieses Mal nicht manipulierte sondern Hilfestellung gab war entscheidend.
- Ende des Auszugs -
Wir kamen wieder in den Räumlichkeiten der Eheleute de Gooijer an und ich hörte ein erleichtertes Seufzen von Alex. Ja, sie hatte es gut gemeistert, wie ich finde und auch der Allvater hatte es ja schon betont.
Es wurden jetzt der Warenaustausch, die Routen, die Begleitschiffe und ähnliches besprochen, so als wäre vorher nichts passiert.
„Dann sind wir uns also einig, dass ich euch mit dem Schmuck betrauen kann?“ Jon war sichtlich erfreut über diese neue Verbindung!
„Natürlich und ich denke, dass wir euch umgekehrt mit dem Kakao auch zufrieden stimmen werden. Von dem Kaffee mal ganz abgesehen!“ Auch Alex war in einer gewissen Hochstimmung wie ich erfreut feststellte. Unsere Geschäfte weiteten sich immer weiter aus.
In den Niederlanden waren Bragi und Idun schon für die Bruderschaften zuständig. Somit hatten wir dort die entsprechenden Helfer und Ansprechpartner.
Wir stießen noch auf die erfolgreiche Verhandlung an und verabschiedeten uns dann von Myrte und Jon.
Man brachte die Truhen in unsere Gemächer, wo sie unseren Wachen übergeben wurde. Ich sah, dass man unsere Wachen lediglich tolerierte aber nicht gut hieß. Persönlich hatte ich eine Abneigung gegen diese überheblichen Palastwachen, welche einen immer beäugten als sei man den Dreck unter ihren Nägel nicht wert. Unverschämt!
Alex bat mich das Schmuckstück noch einmal herauszuholen. Ich tat wie mir geheißen.
„Gelb, hat das etwas zu bedeuten? Eines leuchtet bläulich, das andere grünlich und jetzt das? Regenbogenfarben? Oder wonach muss man da gehen?“ hörte ich sie gedankenverloren fragen.
Nach einem kurzen Zögern meinerseits, fragte ich, ob sie es vielleicht einmal testen wollen würde.
Erschrocken sah sie mich an. „Nein, bist du wahnsinnig geworden? Ich will nicht schon wieder neben dem Chevalier oder schlimmeren erwachen!“ Sie dachte an Charles!
Aber wie sollte man es testen, wenn nicht mit einem Versuch selber? Meine Neugierde war nun mal geweckt, ich konnte sie nicht so einfach unterdrücken.
„Gar nicht, mi amor. Wir werden es unter Verschluss halten, bis wir weitere finden und wir eine Definition finden konnten! Vorher rühren wir diese Viecher nicht mehr an! Verstanden? Das ist ein Befehl!“ Ihr Kuss schmeckte nach mehr.
„hhhhmmmmm… das hat was, mi sol…“ Ihre ab und an recht bestimmende Art war durchaus ansprechend, musste ich zugeben!
Leider konnten wir uns dem Ganzen nicht mehr hingeben, weil ein Diener das Mittagessen ankündigte und auch Magda und Michael schon zur Stelle waren um uns neu einzukleiden.
Kurz darauf erschien Mrs Wallace mit Edward, welcher jetzt einen kleinen Anzug trug. Auf jeden Fall besser als die Garderobe von heute Morgen.
„Papaaaaaaa….aaaaaaaammm“ rief er mir entgegen.
Als ich ihn hochhob, lobte ich seinen feinen Aufzug, er würde aussehen, als würde er einen Staatsempfang geben, erklärte ich mich.
„Das ist ein hinreißender Anblick, mi amor. Ihr beide seid farblich aufeinander abgestimmt. Er sieht aus wie du!“ hörte ich Alex neben uns und sah, wie sie die Tränen unterdrücken musste. Meine eigene Mutter hatte auch des öfteren so reagiert, wenn sie mich neben meinem Vater sah.
Ich gab meiner Frau einen liebevollen Kuss, welcher aber von unserem Sohn unterbrochen wurde. Er war der Ansicht, dass seine Mutter ihm alleine gehörte. So so.
Leider hatten wir nur diesen kurzen Moment mit unserem Nachwuchs, weil auch er jetzt zum Essen gebracht wurde. Man sah, Edward war nicht begeistert.
Während des Essens hatte ich eine ältere Damen mir gegenüber sitzen, welche gelangweilt auf ihrem Teller herumstocherte. Während neben mir ein junges Fräulein an ihrem Gatten lehnte und ihn mit verträumten Augen ansah.
Plötzlich hörte ich eine andere Dame uns gegenüber wütend und nicht gerade leise sagen „Herr Gott noch mal, nimm die Finger von deinem Schwanz!“ Mein Blick wanderte in ihre Richtung und ich sah, wie sich eine andere Frau gerade lüstern über die Lippen leckte, während sie diesen besagten Herren im Auge behielt.
„Wenn noch einmal jemand meine lose Zunge anspricht, nehme ich DIESE Frau als Referenz, mi amor!“ flüsterte Alex erbost. Wo sie Recht hatte!
Auch unsere neuen Geschäftspartner saßen in unserer Nähe und prosteten uns noch zu.
Im Park konnten wir ein wenig entspannen und auch das Wetter war angenehm. Sogar unser Sohn war an diesem Nachmittag mit dabei.
„Nee, hoe schattig is de kleine! Hij lijkt op zijn vader!” rief Myrte freudig, als sie unseren Spross sah. Ja, Edward sah mir wirklich ähnlich, da gab es keine Zweifel. Es erfüllte mich mit Stolz, wenn ich das so offen sagen darf.
Eheleute de Gooijer hatten ebenfalls Kinder, diese waren aber daheim geblieben um über das Landgut zu wachen.
Alex war wieder einmal in ihre Gedanken versunken, aber ich konnte mir denken, dass sie sich über diese hier übliche Art der Erziehung aufregte. Für sie war es einfach ein Unding, Edward einfach “abzugeben” wie sie es nannte. Natürlich war sie seine Mutter, aber man war in diesem Jahrhundert nun einmal der Ansicht, dass die Kinder ihre Kindermädchen, später Gouvernanten und ähnliches für die Betreuung hatten. Ab und an sah man seinen Nachwuchs, unter anderem auch um ihm Gute Nacht sagen zu können.
Für meine Frau einfach nicht so leicht zu verstehen. Ihre Berichte aus ihrer Zeit hatte ich nicht vergessen!
Auch Mrs de Gooijer entging Alex´ Gedanken nicht und sie hakte nach. „Ihr seid ganz anders, als die Frauen die ich kenne, Mistress Kenway. Ist Edward euer erstes Kind?“
Wir berichteten von unseren anderen Kindern, weil wir nichts zu verbergen hatten. Myrte erklärte sich aber noch einmal. „Ihr seid so aufmerksam was den Kleinen angeht, ihr achtet auf seine Schritte, was er tut und was er sagt. Das ist aber doch die Aufgabe des Kindermädchens. Es wundert mich nur, dass ihr den Mut habt, euch so eurem Sohn zu widmen. Eure Aufmerksamkeit sollte eurem Gatten und dessen Wohlergehen gewidmet sein!“ Genau DAS war etwas, was für Alex völlig unverständlich schien.
„Mein Mann und ich haben eine gewisse Aufteilung und auch ich habe meine Verpflichtungen, deren ich mir durchaus bewusst bin. Darüber hinaus aber bin ich Mutter und stehe meinem Kind bei, egal was da komme. Auch wenn man uns Frauen diese Fähigkeit nicht zutraut, wir können viel mehr gleichzeitig bewältigen als die Herren der Schöpfung glauben!“ Jetzt war es an meiner Frau ihren Standpunkt darzubringen. Auch wenn es etwas zickig klang in meinen Ohren.
„Ihr wisst was ihr wollt und setzt es durch. Haytham kann sich glücklich schätzen, eine solche Frau zu haben und so einen prächtigen Sohn!“ erwiderte Myrte mit einem wohlwollenden Lächeln.
Es folgte natürlich noch die obligatorische Frage nach dem Alter unseres Sohnes. Im Gesicht der de Gooijers erschien ein völlig ungläubiger Blick, wie bei vielen Menschen, denen wir mitteilten, er wäre ungefähr 7 Monate alt.
„Wie ist das möglich? Man könnte meinen er ist schon über ein Jahr alt, so groß wie er ist und er läuft schon und… Die Luft in Virginia muss ihm sehr gut tun!“ lachte die Niederländerin und sah Edward beim Spielen zu.
Der restliche Nachmittag und auch das Abendessen verliefen ohne besondere Vorkommnisse, wofür ich sehr dankbar war.
Als sich meine Frau dann später im Bett an mich schmiegte, schlief sie innerhalb von Sekunden ein. Aber dieser ruhige Atem ließ auch mich in die Traumwelt abtauchen.
Meine Gattin ist Mutter! Natürlich wusste ich das, jedoch war sie ein recht seltenes Exemplar, welches einfach ihren Kopf durchsetzte, wenn es um unseren Sohn ging. In einer der nächsten Nächte demonstrierte sie es mir dann erneut, als sie leise aufstand, verschwand und kurz darauf mit Edward auf dem Arm wieder ins Zimmer schlich.
Natürlich hatte ich es bemerkt, aber als ich ihre eiskalten Füße an meinem Schienbein zu spüren bekam, war ich vollends wach.
Wie kann man im Sommer so kalt wie ein Eisblock sein? Meine Frage wurde in ihrer so typischen Art beantwortet.
„Stell dich nicht so an, ich musste dich auf der Jackdaw auch schon als Eisblock ertragen. Ich werde es wieder gut machen und dich beizeiten wärmen, wie es sich für eine gute Ehefrau gehört.“ Hörte ich da etwa einen leicht lüsternen Unterton heraus? Wenn sie das vorhätte, dann hätte sie unseren Sohn besser nicht mit in unser Bett holen sollen. Aber es gäbe ja auch noch andere Räumlichkeiten, merkte ich an, weil wir hier wirklich ausreichend Platz hatten.
„Ist das eine Drohung, Master Kenway?“ Jesus, ich hätte sie auf der Stelle nehmen können bei diesem Kuss der darauf folgte. Natürlich riss ich mich zusammen und schloss einfach meine Familie in die Arme.
Wir hatten noch ein wenig Gelegenheit uns Versailles näher anzusehen und ich muss sagen, es war mehr als eindrucksvoll.
Alex erzählte mir hier und da, wie es in späteren Jahren einmal aussehen würde. Leider hatte sie aber auch nur Bilder gesehen und war nie selber hier gewesen. Was sie vor allem zu bemängeln hatte war, dass die Gerüste an der Außenfassade die reinsten Todesfallen sein konnten. In ihrer Zeit gäbe es auch hierfür entsprechende Vorschriften, damit die Arbeiter geschützt waren bei Unfällen. Wieder einmal überlegte ich mir, wie viele Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen es später geben wird. Und das nur, weil die Technologien fortschritten und mit ihnen die Gefahren, wie es aussah. War das nun gut? Wir mussten uns weiterentwickeln und weiter forschen, damit wir in dieser Welt auch weiter existieren konnten.
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als unser Sohn einen Brunnen mit Wasser bemerkte und uns kundtat, dass er dort gerne hin wollte.
Meine Frau hatte dieses mal mit Wechselsachen vorgesorgt und so ließen wir ihn planschen. Aber nicht nur er wurde klatschnass, auch ich wurde nicht verschont. Alex zog ihn neu an, während er genüsslich auf einem Keks den sie noch vom Frühstück übrig hatte kaute.
Anschließend machten wir uns langsam wieder zurück zum Schloss, weil das Mittagessen anstand.
Unser Sohn lief in unserer Mitte, während wir ihn an den Händen hielten. Plötzlich zerrte er daran herum. „Gaga lein…“ hörte ich etwas säuerlich von ihm. Also ließen wir ihn einfach los und er stiefelte über den Rasen.
Ich muss sagen, er hatte ein ordentliches Tempo drauf, dafür dass er noch gar nicht so standfest war! Also machte ich mich auf, ihm hinterher zu eilen, was Edward als Spieleinladung verstand. Ich machte mir einen Spaß daraus ihn ein wenig zu jagen. Wenn ich ihn erwischte, hob ich ihn hoch über den Kopf und ließ ihn fliegen! Sein freudiges „Papa“ war mir Lob genug
Ich erklärte ihm, dass ich mich schon darauf freuen würde, wenn ich ihm das Klettern an Gebäuden beibringen konnte. Natürlich würde ich ihm auch den Sprung lehren. „Deine Mutter hat einen kleinen Helfer an ihrer Hand, welcher sie hat faul werden lassen. Sie klettert nicht mehr.“ sagte ich mit einem Grinsen in Richtung meiner Frau.
„Glaub deinem Vater kein Wort, Edward! Ich weiß sehr wohl, wie man sich an einer Fassade schnell nach oben bewegen kann.“ Alex streckte mir frech dabei die Zunge heraus, was natürlich unser Nachwuchs unbedingt nachmachen musste. Ja, wir sollten uns dringend selber lernen zu beherrschen.
An diesem Nachmittag erhielten wir eine Nachricht, welche uns einer der königlichen Diener mit den Worten „Monsieur de la Sèrre wünscht euch zu sprechen“ übergab.
Auf dem Papier stand lediglich, WO er zu finden sei und zwar in den unteren Freizeiträumen zur Freude meiner Gattin. Dort war ein beachtlicher Teil der Bibliothek mit untergebracht.
Wir brauchten uns nicht lange umsehen und entdeckten den Herren an einem Tisch mit Schachspiel.
„Ahhhhh, ihr müsst Master Kenway sein, nehme ich an? Und eure bezaubernde Gattin, Mistress Kenway!“ begrüßte er uns mit einer tiefen Verbeugung. Der Herr war etwas kleiner als ich, seine dunkelblonden Haare nicht unter einer Perücke wie hier sonst üblich versteckt, sondern im Nacken gebunden. Sein Alter schätzte ich auf Ende 30.
Sein Erscheinungsbild ließ keine Zweifel daran, dass er zu den gut betuchten Personen hier zählte. Nicht ohne Grund war er der Großmeister des hiesigen Ordens!
Das war also der Mann, welcher mir in einer Vision schon gezeigt worden war. Nur war er dort 10 Jahre älter gewesen. Ein seltsames Gefühl stieg in mir empor. Es fühlte sich wie ein schlechtes Gewissen an.
Ich begrüßte ihn nun ebenfalls und sah, wie Alex mir ein leicht neidischen Blick zuwarf. Ihre Sprachkenntnisse waren nicht überragend, aber dafür hatte sie ja mich, dachte ich stolz.
Wir sprachen aber, aus Höflichkeit ihr gegenüber, auf englisch weiter.
Der Großmeister fiel gleich mit der Tür ins Haus ohne große Umschweife, was mir gefiel. So eine forsche Art erlebte man selten.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass es eure Absicht ist, Bruderschaft und Orden zu vereinen, oder hat man mich falsch unterrichtet?“ Diese Neugierde in seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
„So ist es, Monsieur. Wir, das heißt meine Frau und ich haben schon große Fortschritte machen können und versuchen ein Netz aufzubauen, Verbündete zu finden und eine Einigung zu erreichen.“ Versuchte ich einen eigenen Vorstoß, damit er nicht den Eindruck bekam, wir würden nicht wissen, was wir hier taten!
„Warum sollten wir uns mit den Bruderschaften auf einmal verbünden, wenn sie doch alles daran setzen uns weiter zu schädigen und zu minimieren. Ich muss euch sicherlich nicht an die letzten Jahre erinnern, Master Kenway. Ich habe viele gute Männer durch diese Assassinen verloren und bin nicht gewillt mich mit ihnen zusammen zuschließen!“ Ich musste ihm zugestehen, dass er Recht hatte. Aber mittlerweile hatte sich das Blatt ein wenig gewendet und man konnte eine Veränderung spüren. Anscheinend aber noch nicht hier in Frankreich.
Alex versuchte einen eigenen Ansatz, in der Hoffnung ihm klar zu machen, was hier auf dem Spiel stand.
„Niemand verlangt, dass ihr von jetzt auf gleich eure Bedenken über Bord werft! Wir alle werden uns langsam annähern müssen! Und wenn ich das anmerken darf, in Amerika und auch England gibt es bereits die ersten Verbindungen. Bedenkt einfach, dass uns auch kleine Schritte ans Ziel führen. Wir müssen sie mit Bedacht setzen und auch die Assassinen wissen das, Monsieur de la Sérre. Ich weiß wovon ich rede und ich konnte durch meinen Handel und die einhergehenden Geschäfte bereits einige der hochrangigen Brüder und Schwestern von unserem Vorhaben überzeugen.“
„Ich würde gerne von euch wissen, was uns eine Verbindung zu den Assassinen bringen würde, Mistress Kenway.“ Dass dieser Herr eine Versicherung wünschte, war verständlich. Jedoch würden WIR sie ihm sicherlich nicht geben können. Das Vertrauen – ein Grundvertrauen – war erforderlich.
Die nächsten Worte wählte ich sorgfältig, um de la Sèrre nicht zu verschrecken.
„Es gibt einen entscheidenden Vorteil! Ihr könntet wieder sicheren Fußes reisen, der Orden würde stabil bleiben und sich sogar noch erweitern. Außerdem wäre es von großem Nutzen wenn man, bedingt durch diese ganzen Unruhen die zu spüren sind, eine größere Vereinigung hätte um sich zur Wehr setzen zu können! Wie gesagt, niemand zwingt euch heute, hier und jetzt eine Entscheidung zu treffen. Wägt es richtig ab und denkt darüber nach. Besprecht euch mit euren eigenen Brüdern und Schwestern. Über kurz oder lang werden wir aber nicht drumherum kommen, uns gegenseitig zu stärken.“ Innerlich war ich nervös und unsicher, weil hier mehr als nur ein geschäftlicher Vertrag zu verhandeln war. Es galt Verbündete zu finden, sie von unserer Sache zu überzeugen und auch zu bestärken, dass es der bessere Weg sei.
„Aber wir hätten keine Garantie, keine 100 Prozentige meine ich, dass wir zukünftig keine weiteren Verluste mehr erleiden werden. Gehe ich da recht in der Annahme?“ DAS würde ihm niemanden garantieren können, dass musste ihm doch bewusst sein, ging es mir durch den Kopf.
„Nein, die gibt es nie. Und ich kann es euch auch erklären, weil es immer diese extremen Widersacher geben wird. Die Leute, die einfach nicht über den Tellerrand und ihren eigenen Horizont hinaus blicken können. Die die sich keiner Veränderung stellen wollen, weil das Alte so bequem ist, weil man es schon so lange kennt. Aber gerade diese Menschen werden wir nie überzeugen können und ich gehe davon aus und ich hoffe, dass ihr nicht zu diesen Personen zählt. Ich halte euch für einen Mann der einen gewissen Weitblick hat! Nicht ohne Grund wäret ihr sonst schon in jungen Jahren Großmeister geworden!“ Ein unmerkliches Zittern war neben mir zu spüren als Alex diese Worte sprach. Zum ersten Mal musste sie ihre Position als Großmeisterin wirklich in die Tat umsetzen und durfte sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Die Worte des Allvaters kamen völlig überraschend bei mir an, weil ich Alex´ eigene Gedanken gar nicht wahrgenommen hatte.
Wir sind an dem Punkt, an welchem wir dir keine Hilfestellung geben können. Es kommt jetzt auf dein eigenes Urteilsvermögen an. Vertraust du auf dein Herz, deinen Bauch oder deinen Verstand? Odin sprach leise um sie nicht unnötig zu verunsichern.
Leider preschte meine Frau etwas vorschnell vor.
„Monsieur de la Sérre, es mag sich jetzt forsch anhören, aber ich wäre mehr als dankbar, wenn ihr wenigstens ein paar Worte mit dem hiesigen Großmeister der Assassinen haben könntet. Ich bin sicher, dass man…“ Innerlich seufzte ich, weil ich befürchtete, dass wir jetzt eine neue Hürde hätten, die es zu überwinden galt.
Und wie angenommen fuhr der französische Großmeister hoch.
„Ihr meint diesen Dorian? Wisst ihr eigentlich, wie er meinen besten Mann, Gilbert Saufrid, dahin gemetzelt hat? Und das nur, weil er einer falschen Fährte gefolgt war! Diese Meuchelmörder folgen nicht mehr ihrem Kredo, in welchem die Klinge fern von unschuldigem Fleisch gehalten werden soll. Nein, im Gegenteil, sie töten oft blindlings und nur aufgrund eines Befehls!“ Ich sah, wie sich die Köpfe in unsere Richtung drehten, wir erweckten zu viel Aufmerksamkeit.
„Das war mir nicht bekannt, verzeiht mir.“ Ihre Stimme war leise, fast schon eingeschüchtert! Verdammt, so würden wir nicht weiter kommen.
„Natürlich ist das ein herber Verlust. Glaubt mir, auch ich kenne so etwas. Mein heutiger bester Mann, Shay Cormac, war einst selber Assassine und hat mir einige unserer Männer genommen, eben wegen eines fehlgeleiteten Befehls seines Mentors. Ich weiß, wie ihr euch dabei fühlt, aber vergesst nicht, jeder Mensch kann sich ändern, wenn er denn gewillt ist, Veränderungen zuzulassen. Das ist ein langwieriger Prozess, welcher nicht über Nacht stattfindet. Versteht doch, es geht hier um mehr als nur zwei verfeindete Bünde. Gemeinsam können wir mehr erreichen und der Menschheit zur Seite stehen, den Menschen helfen sich zu verteidigen!“
Ich spürte diese Euphorie in mir, diese Überzeugung, dass ich endlich auf dem richtigen Weg war. Genau wie es Shay damals vermutlich auch gespürt hatte.
Aber das reichte dem Franzosen bei Weitem noch nicht, hatte es den Anschein.
„Nein, ich denke, dass wäre alles noch zu verfrüht und ich werde einige Zeit darüber nachdenken und mich beraten müssen! Außerdem wird dieser Dorian am morgigen Ball ebenfalls hier erscheinen, wenn ihr also die Güte hättet, mich nicht in ein Gespräch mit ihm zu verwickeln? Ich wäre euch unendlich dankbar, Master Kenway!“ In diesem Moment könnte man meinen, war alle Hoffnung auf Einigung dahin.
Gerade als ich einen erneuten Versuch starten wollte, sprach meine Gattin.
„Wenn ihr meint, dann lasst es eben!“
Dieser Ton in ihrer Stimme war nicht SIE, es klang anders! Mit Entsetzen musterte ich sie, aber nahm nichts wahr, außer ihrer normalen Aura. Aber auch de la Sèrre war aufmerksam geworden.
„Was denn? Wer nicht will der hat schon!“
Jesus, was war in sie gefahren? Mein Vater konnte es nicht sein, er würde sich in solchen Situationen zu zügeln wissen. War es … ihre Vorfahrin?
Bevor wir aber noch reagieren konnten, sprang Alex auf und eilte nach draußen. Sie hatte also auch ihr seltsames Verhalten bemerkt.
Jetzt hieß es für mich, sie zu entschuldigen, aber das war leichter gesagt als getan.
„Master Kenway! Was ist das für ein Benehmen eurer Gattin?“ hörte ich ihn entrüstet fragen.
„Monsieur de la Sèrre, ich bitte um Verzeihung, aber meine Frau hat schlimmes während unseres Besuches in London erleben müssen. Man hat sie auf einem Empfang entführt und in den Untergrund geschleppt. Dort … also man fiel über sie her und tat ihr entsetzliche Dinge an. Ich möchte nicht darüber sprechen, weil ich denke, ihr könnt euch ausmalen, was genau passierte. Diese Herren haben aber dank Master Cormac unter anderem schnell das Zeitliche gesegnet und ich konnte meine Frau retten. Die seelischen Wunden sind noch immer nicht ganz verheilt. Ich vermute, sie ist deshalb oft noch so ausfällig, weil sie Männern gegenüber mehr als skeptisch ist.“ versuchte ich das Ganze jetzt zu erklären.
„Ich verstehe, Master Kenway. Meiner Schwester, Gott hab sie selig, erging es nicht anders. Leider nahm sie sich das Leben, ich konnte sie nicht vor diesem dunklen Abgrund retten. Ihr scheint eurer Frau eine große Stütze zu sein, das ist eine noble Art.“ sprach der Franzose leise, sah mir aber dabei nicht in die Augen.
„Es tut mir leid, dass ihr nicht in der Lage wart, eurer Schwester zu helfen. Auch meine Schwester hat schwere Zeiten als Konkubine durchleben müssen, nachdem man sie damals entführt hatte.“ in meinem Hals steckte ein Kloß, der sich nicht lösen wollte.
„Die Frauen scheinen stärker zu sein, als wir vermuten, oder? Vermutlich müssen wir alles überdenken, weil eine neue Zeit anbricht, in welcher wir mehr Toleranz zeigen sollten und Kompromisse eingehen sollte. Nur dadurch werden wir auch, nicht nur unseren persönlichen Seelenfrieden, sondern auch einen ganzheitlichen Frieden erreichen können. Ich… glaube, ich verstehe eure Frau ein wenig besser jetzt.“ Es klang, als spräche er mit sich selber, um Klarheit zu haben. Aber im Grunde hatte er den richtigen Ansatz erkannt!
Das Lied im heutigen Kapitel
In diesem Moment erschien Alex wieder im Freizeitraum und sah etwas betreten zu uns.
„Ah, Mistress Kenway, ich hoffe, euch geht es wieder besser. Euer Gatte erklärte mir euer Verhalten. Diese schweren Schicksalsschläge, welchen ihr ausgesetzt ward, sind wirklich nicht leicht zu verarbeiten. Ich wünsche euch baldige Genesung für eure Hysterie.“
Für einen winzigen Moment sah ich unendliche Wut in ihren Augen aufflackern bei dem Wort Hysterie. Sie hatte es mir einmal erklärt, es war die obligatorische Erklärung für Frauen, welche sich nicht im Griff hatten. Es hatte aber einen geistigen Ursprung und dieser befiel auch die Männer! Aber ich schweife ab… (AdA: Es gibt dazu einige Thesen von Sigmund Freud)
„Das hoffe ich auch, Monsieur de la Sérre. Es waren schlimme Zeiten und es ist noch nicht vorbei.“ sprach sie leise entschuldigend, fast schüchtern mal wieder.
Monsieur de la Sèrre ergriff das Wort und erklärte sich ebenfalls entschuldigend.
„Meine Schwester ist durch eine ebensolche Hölle gegangen, hat sich aber nie davon erholen können. Vor ein einigen Jahren hat sie sich dann das Leben genommen, weil sie die Schmach nicht ertragen konnte.“
Alex´ Augen sahen ihn skeptisch an, weil sie natürlich von unserem Gespräch noch nichts wusste.
Monsieur de la Sèrre begann etwas zögerlich von dem besagten Vorfall mit seiner Schwester zu berichten. So, als würde er damit das Ganze für sich noch einmal neu sortieren.
Eines Nachts seien Männer in ihr Familienanwesen eingedrungen, auf der Suche nach Silber und Wertsachen. Als sie aber nicht fündig wurden, ging man zu der Schändung der weiblichen Bewohner über. Man verschonte niemanden! Mehr sagte er nicht, er ließ nur traurig die Schultern sinken und starrte für einen Moment ins Leere.
Diese Eindringlinge waren aber keine Assassinen, wie er später wohl von seinem Vater erfuhr. Es waren einfache Diebe, welche, wie er es nannte, auf der Durchreise waren. Es waren schon einige Einbrüche, Diebstähle und ähnliches begangen worden, aber die Familie de la Sèrre wähnte sich in Sicherheit, weil sie nicht reich gewesen sein.
Danach war seine Schwester, damals gerade mal 15 Jahre alt, in tiefe Depressionen gestürzt und hatte kaum noch das Haus verlassen. Nur ihre Gouvernante hatte noch Zugang zu dem Mädchen und fand sie schließlich an einem Juli Morgen in ihrem Bett mit aufgeschnittenen Pulsadern!
Er selber war zu dem Zeitpunkt erst 17 und konnte den Verlust kaum ertragen. Der Franzose beschloss daher, niemandem mehr zu vertrauen, sondern sich den Templern anzuschließen, wie es sein Vater verlangte. Nur sie würden ihm diese Sicherheit, die Ordnung und Struktur geben können, in welcher er Frieden finden würde.
Für einen Augenblick schwieg er und man spürte diese Trauer, die ihn umgab.
„Jetzt wisst ihr, warum ich euer Verhalten gerade sehr wohl nachvollziehen kann. Doch ich kann nicht gutheißen, dass ihr, trotz alle dem, den Assassinen beistehen wollt, wo es doch eben genau DIESE waren, welche die abscheuliche Tat an euch begangen haben…“
Alex erklärte dem Herren nach einem kurzen Moment des Überlegens, warum sie so handelt.
„Es stimmt, es waren Meuchelmörder. Fehlgeleitete Männer, welche einem Befehl gefolgt waren, der ebenfalls auf einer Lüge aufbaute. Sie haben ihre gerechte Strafe bekommen und ich werde mich auch noch an ihrem Drahtzieher rächen! Dennoch bedenkt, dass nicht ALLE so sind und es auch in den Reihen der Assassinen mitunter kriselt und sie ihr Kredo hinterfragen!“ Ich hatte den Eindruck, sie wäre erleichtert, das mitgeteilt zu haben.
Monsieur de la Sèrres Blick wurde etwas milder, als er wieder sprach.
„Ihr seid hartnäckig, Mistress Kenway, das muss ich euch lassen. Aber bitte! Lasst mir Bedenkzeit, ich bin ja auch nicht alleine um eine so große weitreichende Entscheidung zu treffen, welche auch eine so riesige Auswirkung auf die Politik haben kann! Ich möchte nicht unbedacht handeln!“
Ja, das hatten schon sehr viele Personen in unserer Umgebung bemerkt. Mit seiner Aussage hatte er aber absolut recht. Er brauchte Bedenkzeit und sollte nicht überstürzt Entscheidungen treffen. Ich selber würde es ebenso wenig machen.
Wir verabschiedeten uns jetzt von ihm mit den Worten, wir würden uns freuen, ihn morgen beim Ball wieder zusehen.
Als wir wieder alleine waren, starrte meine Frau eine ganze Weile einfach vor sich hin.
„Wir wussten, dass es nicht immer so leicht werden würden, mi sol. Mach dir keine Sorgen, es ist weder deine noch meine Schuld. Gib ihm Bedenkzeit und er wird sicherlich anders denken.“ versuchte ich sie aus ihren Gedanken zu holen.
„Vielleicht hat er aber recht und wir sollten ihn nicht mit Monsieur Dorian zusammen bringen. Die Zeit ist noch nicht reif, irgendwie spüre ich es auch, so als würde man noch etwas anderes abwarten müssen.“ grübelte sie weiter.
Mir kam der Gedanke an meine Vision bezüglich Shay und den Mord an Dorian. Als ich sie fragte, ob Master Cormac den Herren wirklich umbringen wird. Ich hatte keine Jahreszahl gesehen, geschweige denn wusste ich, ob der Junge gut aufgehoben sein wird bei dem französischen Templer.
Leise sprach Alex davon, dass er nur seinen Auftrag, die Schatulle zu finden, erfüllt. SIE hatte diesen Mord nie gesehen, aber ich könnte sie die Bilder sehen lassen, sagte ich etwas in Rage, weil ich den Eindruck hatte, sie würde mir die Schuld an diesem Desaster geben.
„Das ist nicht nötig! Ich brauche frische Luft!“ ihre Stimme hatte einen eisigen Ton angenommen und sie verschwand wütend nach draußen.
Wie ich es hasste, wenn sie aus einer Konversation oder Diskussion einfach hinaus rannte! Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf die Suche nach ihr zu gehen.
Lange suchen musste ich nicht, ich sah wie sie sich auf der Terrasse zwei Gläser Champagner von einem Tablett nahm, welches ein Diener herumreichte. Bevor aber noch jemand sah, dass sie so dreist war, eilte ich zu ihr.
„Danke, dass du auch an mich gedacht hast.“ flüsterte ich und sah mich dabei um.
Ihr erschrockener Blick mit dem sie mir ein Glas reichte, versöhnte mich wieder etwas. Es kam nur ein „Ja… natürlich… hier bitte…“ über ihre Lippen.
Im Grunde hatten wir keinen Streit, aber ich sah oft des Nachts diese Bilder von Shay, wie er über seinem Opfer hing und ihm die Schatulle abnahm. Es war noch nicht geschehen, aber es fühlte sich so an und ich machte Shay unbewusst Vorwürfe wegen des kleinen nun vaterlosen Jungen! Ich versuchte meine Gedanken möglichst verständlich in Worte zu packen.
„Daran hatte ich auch schon gedacht, die Geschichte wiederholt sich, Haytham. Deswegen wollte ich dir eigentlich gar nicht davon erzählen. Doch nun weißt du es. Ist es wirklich so besser?“ Also hatte auch sie diese Assoziation zu meiner Kindheit, welche es nicht leichter machte. Das war beruhigend!
„Nein, es ist nicht besser. Wir müssen beide anscheinend noch lernen, diese Vergangenheit zu vergessen oder besser auszublenden. Und nein, die Geschichte wiederholt sich nicht ganz. Der Junge wird zu den Assassinen gehen, oder? Also folgt er seinem Vater nach! Während er mit de la Sèrres Tochter ebenfalls den Wunsch hat, Orden und Bruderschaft zu vereinen. Auch sie haben diesen Wunsch! Vielleicht müssen wir hier in Frankreich wirklich noch warten, bis die Zeit reif ist.“ endete ich jetzt meine Gedanke und sah, dass Alex bei dem Wort – warten – anfing zu grinsen. Geduld war keine ihrer Vorzüge, dass wusste ich ja.
Sie müsse sich jetzt in genau dieser aber üben, weil es noch nicht soweit war.
„Aber nur, wenn du mir dabei hilfst, mi amor.“ langsam und vorsichtig näherte sie sich meinen Lippen und gab mir einen vorsichtigen Kuss. Mit meiner freien Hand zog ich sie an mich und genoss den Geschmack des Champagners auf ihrem Mund.
Leider wurden wir aus diesem doch recht intimen Moment gerissen, als laute und aufgeregte Stimmen aus dem Freizeitraum zu uns nach draußen drangen.
Wir folgten diesem Tumult und dem Getuschel, dass der König sich herabließ Hof zu halten.
Ich versuchte Alex durch die Menge der Menschen zu bringen, damit sie auch etwas sah. Es dauerte einen Moment ehe wir zum ersten Mal einen Blick auf den Monarchen werfen konnten. Genau wie meine Gattin, starrte ich in die Richtung des Herren.
Wie erwartet trug er königliche Roben und schritt die Reihen der Gäste hier ab. Was ich etwas seltsam fand war, dass er keine Perücke wie hier sonst üblich trug. Auf den Gemälden sah man ihn nie ohne.
Nach einer Weile kam er in unsere Nähe und die Anwesenden übten sich in Verbeugungen oder knicksten brav als Huldigung. Ludwigs Stimme war überaus angenehm, aber auch autoritär, sie passte zu seinem ganzen Erscheinungsbild!
„Ich freue mich, dass ihr mir die Ehre erweist, an meinem jährlichen Ball teilzunehmen und dass ihr meiner Einladung ganz aus Amerika gefolgt seid.“ sprach er uns persönlich an und deutete uns, wir könnten uns wieder erheben.
Seine Gefolgschaft, darunter auch ein Diener, welcher ihm die nötigen Informationen über die anzusprechenden Personen zuflüsterte, bestand aus unauffälligen Wachen und einigen Damen. Vermutlich gehörten sie zu seinen Mätressen.
Als der König wieder außer Hörweite war, sah meine Frau mich grinsend und mit roten Wangen an.
„Mi amor, versteh mich nicht falsch, aber Ludwig sieht wirklich gut aus. Auf den Bildern und Portraits konnte ich das gar nicht so erkennen.“ Mal wieder hatte ich außer Acht gelassen, dass sie eine ungefähre Vorstellung dieser Menschen hatte.
„Aber keine Sorge, ich bin dir nicht böse, mi sol. Solange du ihm nicht hinterher schmachtest und gleich das Bett mit ihm teilen willst…“ flüsterte ich, musste aber selber grinsen.
„Muss ich dich immer daran erinnern, dass nur du für meine schmutzigen Gedanken und meine Lust zuständig bist, mi amor?“ diese lüsterne Stimme von meiner Frau brachte auch mich auf sehr unzüchtige Gedanken.
Meine Worte, dass sie es mir gerne einmal wieder beweisen könnte, gingen leider unter, weil uns ein Diener unterbrach.
„Monsieur, Madame! Eure Majestät bittet euch zu einer Audienz um 5 Uhr in sein Studierzimmer!“ Damit verbeugte er sich entschuldigend.
„Wir werden pünktlich erscheinen und fühlen uns geehrt von dieser Einladung!“ gab ich als Antwort und der Herr eilte von dannen.
„Was habt ihr doch für ein Glück, Madame! Wir warten schon seit Wochen auf diese Gelegenheit, aber er scheint uns zu ignorieren.“ hörte ich einen älteren Herren neben uns säuerlich sagen.
Wir waren ja selber überrascht über diese Einladung, also konnten wir für diese Vorzugsbehandlung nichts. Damit gerechnet hatten wir so schnell eben sowenig. Zähneknirschend wünschte er uns noch gutes Gelingen und verschwand in der Menschenmenge.
Alex kam der Gedanke, ob unser niederländische Händler mehr war, als er vorgab zu sein! Eine solche Ehre wurde nicht jedem zuteil!
„Mistress Kenway! Master Kenway!“ hörte ich die mir wohl bekannte Stimme meines Freundes Benjamin Franklin! War er ebenso hierher beordert worden? Das hatte er mir gar nicht mehr berichtet!
„Master Franklin, es freut mich euch hier zu sehen. Ich hoffe, eure Überfahrt war nicht beschwerlich?“ In Alex Stimme war die deutliche Erleichterung zu hören, dass sie englisch sprechen konnte. Sie hatte immer noch ihre Probleme mit Französisch.
„Es war etwas windig, Mistress Kenway, aber nichts im Vergleich zu der Segelei über den Atlantik.“ Seine Begrüßung war wieder sehr herzlich und auch ich freute mich, ihn hier wieder zusehen.
Er wäre hierher eingeladen worden, weil man auf seine Experimente aufmerksam geworden war und seine Hilfe benötigte im Bezug auf ein paar seltsame Vorfälle hier im Palast und allgemein in Paris. Genaueres hatte man wohl auch ihm noch nicht mitgeteilt und hielt sich diesbezüglich sehr bedeckt.
Ich mutmaßte, dass auch er vermutlich persönlich bei Ludwig vorstellig werden sollte und er bejahte meine Frage.
„Ich bin gerade rechtzeitig hier erschienen wie es scheint, weil er mich um fünf zu sehen wünscht!“ freute sich Ben sichtlich.
Also hätten wir eine gemeinsame Begegnung im privaten Studierzimmer von König Ludwig. Wir werden uns bis dahin noch gedulden müssen, was der Mann von uns wollte.
Wir gingen noch ein bisschen nach draußen, wo wir schon von unserem Sohn erwartet wurden. Alex hatte also bereits nach Sybill geschickt.
„Was für ein hübscher Junge. Wie heißt der junge Herr denn?“ er streckte ihm die Hand entgegen. Skeptisch sah unser Sohn den Herrn vor sich an und zack, hatte er die Brille in der Hand und begann, sie mit dem Mund zu bearbeiten.
In Windeseile hatte meine Frau ihm sein neues Spielzeug abgenommen und wusch es in einem nahegelegenen Brunnen sauber. Edward hingegen war böse, dass man ihm etwas weggenommen hatte.
„Das ist doch nicht nötig, Mistress Kenway.“ lachte Ben nahm ihr seine Sehhilfe aus der Hand. „Glaubt mir, meine Kinder haben schon mehrere Exemplare zerstört, weil sie mit ihnen spielten.“ Trotzdem musste mein Sohn lernen, dass er nicht einfach so etwas an sich nehmen durfte.
Weinend hatte ich ihn auf dem Arm und er verbarg sein Gesicht schniefend an meiner Schulter.
Die saubere Brille wieder in der Hand, reichte Ben sie an Edward weiter. Er sah erstaunt hindurch, wie es schien freute er sich sogar!
„Kann es sein, dass Master Edward eine Sehschwäche hat? Ich möchte nicht unhöflich sein, aber das Verhalten deutet schon jetzt darauf hin.“ hakte Franklin nach und mir kam meine eigene Kurzsichtigkeit, wie Alex sie damals genannt hatte, in den Sinn.
Begeistert sah sich unser Sohn mit offenem Mund um, ab und an deutete er auf etwas und lachte dabei. Wir sollten das also im Auge behalten, auch Alex hatte es schon angesprochen.
Meine Frau und Ben fachsimpelten noch eine Weile über ein kleines Gestell mit entsprechenden Sehhilfen für den Nachwuchs. Über diesen Enthusiasmus der beiden musste ich grinsen und erklärte Edward, dass seine Mutter etwas plante zu bauen, wenn wir wieder daheim sind, damit er besser sehen könne.
Gerade als das Fachgespräch beendet wurde, überbrachte uns ein Diener die Nachricht, dass wir uns jetzt bitte im Studierzimmer von König Ludwig einfinden sollten.
Eine Wache brachte uns zu seinen Räumlichkeiten und ich hatte noch einen Moment, mich hier weiter umzusehen. Die Gemälde und Portraits waren fantastisch und zeigten die Monarchen natürlich von ihrer besten Seite. Die feinen Teppiche und Vorhänge waren ebenso exquisit, genau wie die ausgewählten Farben. Alles in Allem waren die Wege hier im Palast aber schon sehr lang. Weitläufig würde ich es nennen.
Meine Frau neben mir wurde immer nervöser, je näher wie unserer Audienz kamen. Aber mir ging es dieses mal auch nicht anders. Innerlich begann ich wieder meine Ruhe zu finden, damit ich Alex eine Stütze sein konnte.
Dann endlich nach einer gefühlten Ewigkeit standen wir vor der Tür des Königs und auf das Klopfen bat man uns, einzutreten.
Ludwig stand mit dem Rücken zu uns an einem Fenster und war in Gedanken versunken. Erst als eine hier anwesende Wache sich räusperte und unser Erscheinen kund tat, regte er sich.
Lächelnd drehte Ludwig sich um und begrüßte uns freundlich. Zu meinem Erstaunen auf Englisch, ich hatte mit seiner Muttersprache gerechnet. Alex jedoch war erleichtert, dass sie nicht auch noch hier ihre spärlichen französisch Kenntnisse auspacken musste.
„Bitte, nehmt Platz.“ er setzte sich uns gegenüber an den ausladenden Schreibtisch, auf welchem sich einige Papiere stapelten, Tintenfässer nebst Federn und einem filigranen Kerzenleuchter zu finden waren.
„Es ist mir eine Ehre, heute hier sein zu dürfen, eure Majestät.“ Franklin setzte sich gelassen auf seinen dargebotenen Stuhl.
Auch ich dankte für die uns entgegengebrachte Ehre für die Audienz.
Ludwig erklärte dieses doch recht überraschende Treffen.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich musste abwarten bis Master Franklin ebenfalls angereist ist. Und ich komme auch gleich auf ein sehr delikates Anliegen.“ eine kleine Pause trat ein, in welcher sich ihre Majestät versuchte eine Strategie zurechtzulegen.
„Wie es sicherlich schon bekannt ist, ist Madame de Pompadour vor einigen Monaten auf eine, nunja, eher unerklärliche Weise verstorben. Ihr Verlust schmerzt mich zutiefst. Sie war eine wichtige Person in meinem Umfeld, welche mir immer beratend zur Seite stand! Mein Minister ist seitdem ein treuer Begleiter geworden, welcher aber immer mehr mein Misstrauen erweckt!“ wieder eine Pause und er sah uns nacheinander an, nickte dann, als wolle er eine Zustimmung, dass wir verstanden hatten.
Langsam setzte er nun seine Erzählung fort. „Monsieur Choiseul, mein Minister wie ihr wisst, legt es darauf an, mich in einem guten Licht zu präsentieren. Seit aber Madame de Pompadour verstorben ist, zieht er Marie-Louise O’Murphy in seine Belange mit ein und bespricht sich mit ihr.“ wieder trat eine kurze Pause ein. „Ich muss mittlerweile davon ausgehen, dass der Tod von ihrer Vorgängerin nicht ihrer Gesundheit geschuldet ist, wenn ihr versteht was ich meine.“ seine Stimme hatte einen verschwörerischen Unterton angenommen.
Franklin, Alex und ich nickten zur Bestätigung, dass wir sehr wohl verstanden, was er meinte. Man vermutete, dass hier mit Gift gearbeitet wurde. Nicht immer sichtbar, sprich es wurde nicht wie üblich unter das Essen oder in die Getränke gemischt, sondern es schien auch über die Luft verabreicht werden zu können. Auch in Paris selber war es zu einigen unschönen und seltsamen Todesfällen gekommen. In der Bevölkerung, wie auch bei Adligen und Mitgliedern der Räte.
Plötzlich verlor Master Franklin jegliche Farbe im Gesicht und stützte seinen Kopf in seine Hände! „Das… ich hatte doch keine Ahnung… Wie kommt es hierher… wir konnten doch die Lager räumen… auch in London!“ Völlige Verzweiflung und vor allem Schuldgefühle waren in seiner Stimme zu vernehmen!
„Master Franklin, seid ihr euch sicher? Deswegen habe ich euch eigentlich auch rufen lassen! Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr von derlei Anschlägen und dem Gift wusstet. Und mir wurde gesagt, ihr seid ein Experte auf dem Gebiet, Gegengifte zu entwickeln!“ die Stimme Ludwigs nahm einen fordernden Ton an und Ben sah ihn wie ein verschrecktes Kaninchen an.
„Eure Majestät, ja… ich… habe… aber ich konnte doch nicht wissen… ich ging davon aus, dass es zum Wohle der Menschen getan wurde. Aber wir haben ein Gegengift, mehrere Varianten, weil ich davon ausgehen muss, dass es auch weiterentwickelt wurde.“ er wurde immer leiser in seiner Erklärung und schien immer kleiner zu werden.
„Wenn ich bitte etwas dazu sagen darf, eure Majestät.“ sprach meine Frau leise an den König gerichtet.
„Eine Intrige, ich wusste es!“ fauchte er plötzlich und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. Wie er bei diesen Worten darauf kam, erschloss sich mir gerade nicht.
„Nicht unbedingt, eure Majestät. Bitte, lasst es mich erklären!“ Ihre Stimme hatte einen leicht flehenden Unterton angenommen. Ich ahnte, dass sie nicht wusste, ob sie sich ihm gegenüber richtig verhielt. Hier galten anderen Etiketten und Vorschriften! „Wir können dem entgegenwirken. Doch brauchen wir zu aller erst Zeugenaussagen, Personen die etwas gesehen haben, oder auch einfach Gespräche mit angehört haben.“
König Ludwig nickte ihr zu als Zeichen, dass sie fortfahren solle.
„Es ist wichtig herauszufinden, wo euer Minister zu der Zeit war, oder auch Mrs O´Murphy! Welche Kontakte sie hatten und vor allem, wer Zugang zum Palast hat. Sie gehören zu den Hauptverdächtigen!“ fuhr sie fort.
Das wäre aber über Monate laufendes Verfahren, wenn wir alles und jeden in Betracht ziehen würden. Aber diese Zeit hätten wir gar nicht. Auch Alex ging der selbe Gedanke durch den Kopf und noch so einiges mehr, weil sie mit diesen Mätressen und Geliebten nicht zurecht kam.
„Wie stellt ihr euch das vor, Mistress Kenway? Ihr könnt nicht einfach so eine Untersuchung beginnen! Es wird Misstrauen und Gerede hervorrufen! Und ich möchte nicht, dass Miss O´Murphy behelligt wird! Sie steht mir treu zur Seite!“ Das war uns dreien ja bewusst, jedoch mussten wir irgendwo beginnen.
„Wir sollen ein Verbrechen aufklären! Dafür muss man aber alles und jeden in Betracht ziehen!“ mischte sich jetzt Benjamin ein.
Für einen Augenblick ging König Ludwig in sich und betrachtete seine gefalteten Hände auf dem Schreibtisch. Er war entsetzt, dass wir seine engsten Vertrauten gleich beschuldigten, aber das taten wir ja – noch – nicht. Erst mussten wir uns einen Überblick verschaffen.
Wir versuchten ihn umzustimmen, ihm zu erklären, worauf wir achten müssten und wer als Verdächtiger für den Mord am ehesten in Frage kam. Von dort könnten wir dann die Liste abarbeiten.
„Wir werden also als erstes Miss O´Murphy befragen, im Beisein eurer Majestät, wenn es gewünscht ist und dann werden wir weiter nach der Liste vorgehen.“ begann ich meinen recht kleinen aber detaillierten Plan in meinem Kopf zu erläutern.
„Ich sehe schon, ich habe meine Wahl sehr weise getroffen, Master Kenway! Euer Ruf eilt euch voraus!“ kam es anerkennend von dem Monarchen.
Demnach wusste er also über die Templer und Assassinen Bescheid? Natürlich, man konnte sie hervorragend für die Beratung, Kriegsführung und dezente Eliminierung von unerwünschten Personen nutzen. Sehr perfide, wenn man mich fragte.
Wie ich bereits vermutet hatte, wurde als erster Zeuge der Minister des Königs, Monsieur Choiseul, aufgerufen. Es passte mir allerdings nicht, dass Ludwig seiner Mätresse, Mrs O´Murphy, selber Bescheid geben wollte. Sie wäre vorgewarnt und wer weiß, ob sie dann noch die Wahrheit sagen würde. Sie hätte genügend Zeit sich eine Strategie zurecht zulegen. Umgekehrt wusste ich ja noch nicht einmal, was diese Frau für eine Person war. Es hieß also mal wieder abwarten.
Der Minister. Ein Herr um die 50 Jahre mit einer für seine Position passenden Erscheinung. Er verbeugte sich tief vor seinem König mit den Worten „Eure Majestät, ihr ließet mich rufen?“
Sein Blick wanderte zu uns und wieder zurück zu Ludwig.
„Sehr richtig, Minister! Nehmt bitte Platz!“ Die Worte kamen etwas zögerlich von dem Monarchen. „Wir müssen annehmen, dass Madame de Pompadour keines natürlichen Todes gestorben ist und diese Herrschaften hätten ein paar Fragen bezüglich eurer Involviertheit!“ Dabei deutete er auf uns.
„Natürlich gebe ich bereitwillig Auskunft, wenn ich helfen kann, eventuelle Missverständnisse aus dem Weg zu schaffen!“ in sein Gesicht trat ein Lächeln und er straffte die Schultern.
Ich erhob mich und schritt die Regale langsam ab, sah mir hier und da einen Buchrücken an. Eine genaue Strategie hatte ich mir ehrlich gesagt in der kurzen Zeit noch nicht zurechtgelegt. Nur in groben Zügen. Ich besann mich auf meinen Posten als Großmeister und begann die Befragung.
„Monsieur Choiseul, wie standet ihr zu der Verstorbenen? Wie würdet ihr eure Beziehung beschreiben?“
Ohne zu zögern antwortet der Minister.
„Sie war eine Vertraute von mir und wir pflegten eine enge Freundschaft. Auch halfen wir uns gegenseitig, das Beste für den König und seine Königin zu erreichen. Das Wohlergehen ihrer Majestäten liegt uns allen natürlich am Herzen und steht an erster Stelle!“ Der letzte Satz ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er tatsächlich seinen König entsprechend unterstützte, damit er einen „guten Eindruck“ bei seinen Untertanen hinterlässt.
Eine Frage war natürlich unausweichlich, nämlich ob die beiden eine Affäre pflegten, ob sie jemanden eifersüchtig gemacht haben könnten oder ob eventuell auch Feinde an der Tat beteiligt gewesen sein könnten. Alles verneinte der Herr, erwähnte aber beiläufig, dass es sicherlich Widersacher des französischen Königshauses gäbe und man davor nie gefeit sei! Damit hatte er Recht.
Alex fragte ihn jetzt, ob er vielleicht eine Ahnung hätte, wie die Dame ums Leben gekommen sei.
„Ihre Kammerzofe fand sie am Morgen leblos in ihrem Bett vor, Maîtresse Kenway! Es war ein grauenhafter Anblick.“ betrübt senkte er den Kopf und sah zu Boden als er weitersprach. Die Dame hatte sich in ihrem Todeskampf noch erbrochen und das Bett sei völlig zerwühlt gewesen. Es fehlte aber nichts aus ihrem Besitz, auch fand man keine Spuren eines Eindringlings. Der Wein auf ihrem Nachttisch war auch rein, das Obst wies auch keine Giftstoffe auf.
Resigniert warf König Ludwig ein „Das hatte man mir bereits alles schon mitgeteilt.“ und es klang, wie soll ich es sagen, sehr genervt. Langsam wanderte jetzt auch der König umher.
Benjamin setzte die Befragung fort.
„Lag ein eigenartiger Geruch in der Luft? Roch es anders als sonst im Zimmer von der Madame?“ Sein Verdacht, dass es Gas sein könnte wollte er verneint wissen.
„Daran kann ich mich nicht erinnern. Als ich dort eintraf, waren die Fenster bereits geöffnet und man nahm nur, verzeiht, diesen widerlichen Geruch des Erbrochenen wahr.“ In dieser Antwort lag keine Lüge, im Gegenteil der Minister schüttelte sich bei seiner Erzählung angewidert.
Also wäre die Nächste auf der Liste die besagte Kammerzofe. Ich hegte die Hoffnung, dass sie einen guten Geruchssinn hatte und sich diesbezüglich bei ihrer Herrin auskannte. Nicht nur was die Wahl des Parfums angeht, versteht sich.
Monsieur Choiseul wurde entlassen. Noch einmal verbeugte er sich tief. In seinen Augen sah ich, dass auch ihn dieser Verlust schmerzlich traf. Er war für mich nicht der Mörder, aber ich möchte mich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
König Ludwig selber folgte ihm, um Mrs O´Murphy zu benachrichtigen.
Meine Frau hatte aber noch eine Frage an Master Franklin, an die ich selber noch gar nicht gedacht hatte. Wonach es hätte riechen müssen. Wenn ich ehrlich bin, ich wusste es nicht. Damals in New York war ich bei den Anschlägen nicht direkt zugegen und hatte keine eigene Erfahrung diesbezüglich gemacht.
„Also, wenn ich das so sagen darf, es riecht leicht wie Dung, vermischt mit einem beißenden säuerlichen Ton! Es ist schon recht widerlich, wenn man mich fragt.“ Das klang in der Tat wirklich widerlich.
Während ich hier in dem Studierzimmer des Königs umherwanderte, fiel mein Blick immer wieder auf diese Belüftungsgitter auf Bodenhöhe. Soweit ich wusste, nutzte man sie um die Wärme in allen Räumen verteilen zu können. Diese Rohre oder besser Schächte gingen durch den gesamten Palast.
In genau diesem Moment fragte Alex, wie man das Gas hätte unbemerkt in das Zimmer der Mätresse leiten können.
„Lüftungsschächte, mi sol. Vermutlich hat sich da jemand mit diesen ausgekannt und wusste, wo er das Gift platzieren musste! Wenn wir jetzt darüber nachdenken, wer kennt sich mit solchen Dingen aus?“ fragte ich grinsend nach.
„Bauarbeiter unter anderem und derjenige, der die Pläne für den Palast mit entwickelt hat. Die Architekten!“ erwiderte Franklin freudig.
„Also hätten wir noch mehr Personen, die es zu befragen gilt!“ seufzte Alex laut und ließ sich resigniert auf ihren Stuhl sinken. Ja, das könnte sich jetzt noch hinziehen. Leider.
Kurz darauf erschien der Monarch gefolgt von seiner Mätresse, welche schüchtern von einem zum anderen blickte, aber dann bei meiner Frau hängen blieb.
Wie wir befürchtet hatten, hatte man sie schon unterrichtet und erste Frage auf dem Weg hierher gestellt. Immer noch hoffte ich, wie wir alle vermutlich, dass sie eine ehrliche Person war!
„Mein König hat mir bereits erklärt, worum es geht und ich bin entsetzt, dass man mich für den Tod von Madame de Pompadour verantwortlich machen will!“ Wie wir es geahnt hatten, hatte der Monarch etwas voreilig gehandelt.
„Niemand sagt, ihr seid die Täterin. Wir sind auf der Suche nach einem möglichen Verdächtigen, Madame. Vielleicht könnt ihr uns einfach behilflich sein, die richtige Person ausfindig zu machen. Ihr kennt euch ja hinreichend im Palast aus und hört auch das Gerede der anderen Gäste und Bediensteten!“ versuchte ich sie jetzt ein wenig zu beruhigen, weil es lediglich eine Anhörung sein sollte und keine Anklage!
„Natürlich kenne ich mich aus, Monsieur! Ich werde euch sicherlich bei der Suche nach dem wahren Mörder zu Diensten sein.“ Meine Worte hatten ihr Ziel erreicht, sie wurde kooperativ. Meiner Frau waren die leuchtenden Augen von Mrs O´Murphy nicht entgangen, mit welchen sie mich musterte. Im Nu stand Alex neben mir, nahm demonstrativ meine Hand und drückte zu. Ihre Eifersucht kannte wieder keine Grenzen, aber mein Frauengeschmack schon. Die Dame vor uns passte nicht in mein bevorzugtes Raster.
Leider war die Mätresse keine große Hilfe, auch sie hatte weder etwas gesehen, noch gehört oder ähnliches. Sie kam ebenfalls erst später hinzu als man bereits Madame de Pompadour zur Aufbahrung gebracht hatte.
Ihr Blick ging jedoch immer wieder zu Ludwig bei ihren Ausführungen und nicht nur ich schien mich zu fragen, ob das königliche Paar nicht vielleicht doch hinter dem Mord steckte. Oder zumindest die Königin selber, es könnte Eifersucht dahinter stecken. Noch hatten wir sie nicht gesehen und befragen konnten wir sie ebenso wenig in diesem Moment.
„Ich habe an dem Tag lediglich mit den Bediensteten noch gesprochen und ihnen Beistand geleistet. Alle waren sehr erschüttert durch diesen plötzlichen Tod.“ ihre Worte klangen ehrlich und auch ihre Stimme war fest.
Da sie uns so keine große Hilfe war, entließen wir Mrs O´Murphy damit wir die Liste der anderen Verdächtigen abarbeiten konnten.
Unter dessen bat Franklin den König um die Blaupausen, die Namen der Architekten und so weiter. Ich vermutete, dass wir noch eine Weile hier bleiben werden müssten, um alles abzuarbeiten.
„Ihr glaubt, es war wirklich dieses Gas in der Luft, welches auch in Paris schon Todesopfer gefordert hat?“ Ludwigs Stimme klang ängstlich, weil ihm vermutlich bewusst wurde, dass auch ER in Gefahr sein könnte. Sicherlich hatte er auch Feinde und Personen, die ihm nicht wohlgesonnen sind.
Es könnte durchaus sein, dass man systematisch vorging und nach und nach jeden der dem Königshaus loyal gegenüberstand eliminieren wollte. Paris war voller Menschen, welche ein Motiv hätten. Davon ging ich aus!
Die nächsten Befragungen wurden auf den folgenden Tag verschoben und wir baten noch einmal darum, dass Stillschweigen über diese Untersuchung von größter Dringlichkeit sei.
„Ich werde es selbstverständlich noch einmal betonen, wenn ich meinen Minister und Mrs O´Murphy wieder spreche.
Auch wir wurden nun entlassen und konnten uns zurückziehen.
Im Park selber überraschte es mich, dass das Königspaar ihren Gästen Gesellschaft leistete.
„Ich kann mich nicht immer verstecken, denke ich.“ Ludwig war sich im Klaren darüber, dass es sonst noch mehr Getratsche geben könnte, würde er sich jetzt im Verborgenen aufhalten. Gerade auch jetzt, wo der Ball anstand!
Die Gespräche die wir führten waren interessant muss ich sagen. Wir erfuhren einiges über die Parkanlagen, die Brunnen und ihre Bewässerung, auch woher einige Blumen und Gewächse kamen. Alles hier war penibel nach einem Plan ausgerichtet und wurde ausschließlich von Gärtnern bearbeitet, welche vertrauenswürdig waren. Mir ging mein Ordnungsliebendes Herz über in diesem Moment. Klare Linien und Strukturen waren meine eigenen Tugenden. Bei meiner Frau konnte ich es nicht zu 100% sagen, auch wenn sie selber eine eigene gewisse Ordnung an den Tag legte.
Für einen Moment betrachtete ich sie, als sie sich mit Königin Maria unterhielt. Es wurde zu ihrer Freude Deutsch gesprochen und diese Erleichterung sah man Alex auch an. Sie war gelöst, aber höflich wie es von ihr erwartet wurde.
Natürlich wurde ich hellhörig, genau wie meine Gattin, als die Rede von den Pferdeställen und die beherbergten Pferde war. 25 wunderschöne Tiere waren dort untergebracht und einige wurden zur Zucht herangezogen.
Unser Sohn, welcher etwas später mit seinem Kindermädchen zu uns stieß, war ebenso begeistert als wir eintraten.
Die verschiedenen Rassen wurden noch erläutert, wie alt die Tiere waren und so weiter. Edward streichelte hier und da vorsichtig über das Fell. Seine Wangen waren vor lauter Freude schon richtig gerötet.
Am Abend brachte Alex unseren Sohn noch zu Bett und ließ sich für das anstehende Bankett umziehen. Ich hingegen war vor ihr fertig und begab mich schon einmal zum Ballsaal hinunter.
Lange alleine war ich nicht, da eilte schon Franklin auf mich zu und wir unterhielten uns über seine Forschungen und deren Fortschritt.
„Leider fehlt mir derzeit die Möglichkeit um tiefergehende Recherchen zu betreiben, Master Kenway. Ich freue mich ehrlich gesagt schon wieder auf mein Zuhause, wenn wir hier alles abgeschlossen haben. Seid versichert, ihr werdet einer der ersten sein, welchen ich bei Neuigkeiten unterrichten werde.“ lachte er und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Plötzlich sahen wir uns umringt von einigen Damen, welche Ben anscheinend auch kannten und ihm Löcher in den Bauch fragten. Irgendwann verabschiedete sich mein Freund mit einer dieser Frauen und ging hinaus an die frische Luft.
Ich hingegen sah mich geröteten Wangen, strahlenden Augen und lüsternen Blicken gegenüber.
„Master Kenway, ihr seid heute Abend alleine hier beim Bankett? Das tut mir schrecklich leid, vielleicht darf ich euch Gesellschaft leisten?“ trällerte eine von ihnen und strich mir dabei über den Arm.
„Danke, aber ich muss leider ablehnen. Meine Gattin wird sicherlich jeden Moment hier erscheinen. Sie brachte noch unseren Sohn zu Bett.“ versuchte ich diese Annäherung so charmant und höflich wie möglich abzuwehren.
Wenn jetzt Alex hier wäre, würde es Tote geben, ging es mir durch den Kopf. Im selben Moment bahnte sie sich einen Weg durch die Gäste auf mich zu. Ihr Blick wurde eiskalt und würden jede Lüsternheit postwendend im Keim ersticken.
„Darf ich den Damen meine Gattin vorstellen? Maîtresse Alexandra Kenway!“ und mit einem Male erstarb jegliches Leuchten in den Augen der Damen um mich herum. Die Enttäuschung, dass man mich nun nicht mehr für sich hatte, war deutlich zu spüren.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie eine dieser Frauen Alex etwas zuraunte und dabei mit hochgezogener Augenbraue in meine Richtung sah.
Als wir alleine waren, erzählte sie mir, dass die Dame ihr geraten hatte, auf mich aufzupassen. Ich wäre schneller in ihrem Bett und zwischen ihren willigen Schenkeln, als sie schauen könne. In diesem Moment war ich froh, dass ich verheiratet war und mich nicht mehr mit solchen Anzüglichkeiten auseinander setzen musste.
Alex Blick hingegen ging zu ihrem Ring an der rechten Hand, wo sich immer noch das Mohnpulver darin befand. Ich ermahnte sie, nichts dergleichen zu unternehmen, solange wir einer Untersuchung in einem vermeintlichen Mordfall nachgingen.
Ihre Enttäuschung, dass sie diesem Lästermaul nicht damit beikommen durfte, ließ sie mich mit einem Schmollmund wissen!
Da es hier recht warm und stickig wurde, gingen wir für einen Moment hinaus an die frische Luft.
Wir trafen auf Master Franklin und seine Begleitung von vorhin.
Ben erklärte ihr gerade, was es mit Elektrizität auf sich hat und was er schon alles heraus gefunden hatte. Die Dame war hin und weg und hing an seinen Lippen.
„Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie diese Spannungen kribbeln auf der Haut. Meine Finger waren eine ganze Woche taub…“ lachte er. Aber bei Alex sah ich, dass sie etwas ungläubig mit dem Kopf schüttelte. Diese Spannungen waren laut ihren Schilderungen stellenweise auch tödlich. Hier ging Ben aber völlig sorglos damit um, wie es schien.
„Maître Franklin, ihr müsst unbedingt weiter daran arbeiten. Wer weiß, zu was man dieses… wie nanntet ihr sie? … Spannung noch verwenden kann! Sie soll ja so hell wie ein Blitz sein, kann man sie aber auch berühren?“ Für den Bruchteil einer Sekunde war auch ich versucht, ihr zu sagen, dass sie nicht ganz bei Trost sein kann, so etwas tun zu wollen. Behielt aber meine Worte für mich.
Kurz darauf erschienen auch Ludwig und Maria um ihren Gästen Gesellschaft zu leisten. Auch wenn ich in diesem Jahrhundert geboren wurde und mich in Belangen der Höflichkeit, des Anstands, der Garderobe und dergleichen auskannte, war es auch für mich etwas völlig Neues in diesen Kreisen zu verkehren. Es war ein wenig unwirklich, so als würde man einem Theaterstück lauschen.
Alex war ebenso hin und wieder in Gedanken. Für sie war es noch um einiges schwieriger sich an die Gepflogenheiten zu gewöhnen, aber sie meisterte es wie immer.
Als wir uns den anderen Gästen anschlossen und auf der Tanzfläche waren, musste ich meine Gedanken loswerden.
„Du siehst wunderschön aus, wenn du so versonnen in Gedanken versunken bist, mi sol.“ in ihr Gesicht stahl sich liebevolles Lächeln.
„Dankeschön, mi amor. Ich fühle mich auch gerade ausgesprochen wohl. Was nicht zuletzt deiner ausgesprochen attraktiven Erscheinung geschuldet ist.“ sprach sie leise, aber in ihren Gedanken hatte sie mich wieder nur mit einem Handtuch gesehen.
Gespielt enttäuscht seufzte ich „Nein… kein Handtuch… nicht jetzt zumindest.“
Damit hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit und sah wie sich ihre Wangen vor Verlangen röteten.
Später in unserem Zimmer sah mich meine Frau etwas seltsam an. Wartete sie auf etwas bestimmtes? Natürlich konnte ich mir denken, was ihr gerade durch den Kopf ging.
„Sag nicht, dass dir das Spiel von vorletzter Nacht gefallen hat. Du bist ganz schön ungezogen, weißt du das?“ Meine Stimme hörte sich rau an, als ich so vor ihr stand.
„Es hat mir sehr gefallen, Master Kenway!“ flüsterte sie atemlos. Ihr Nachthemd ließ ich über ihre Schultern gleiten und hob sie auf meine Hüften.
„Dann sollten wir dort weitermachen und ich zeige dir, was dir noch alles Freude bereiten kann, Mistress Kenway!“ Langsam ging ich auf unser Bett zu und versiegelte ihre Lippen mit Küssen.
Diese Frau war wieder einmal Wachs in meinen Händen und wir verbrachten eine wundervolle Nacht.
Am nächsten Morgen erwachte ich und hatte meine Hand auf dem wohlgeformten Hintern meiner Gattin. Vorsichtig strich ich darüber und hörte einen zischenden Laut von ihr.
Also hatte ich letzte Nacht mal wieder ganze Arbeit geleistet. Sie sollte ja auch etwas von den Lektionen behalten! Außerdem sollte sie nicht vergessen, dass sie mir alleine gehörte.
„Dann denke daran, dass auch DU nur mir gehörst und diese Weiber von gestern ohne Finger aufwachen, sollten sie dich auch nur in Gedanken anfassen wollen.“ Ihre Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen, der mich aber leise Glucksen ließ. Ich liebte ihre Eifersucht.
„Was denn? Diese Frauenzimmer haben dich alle mit den Blicken schon ausgezogen gehabt und …“ Da konnte ich sie gleich beruhigen!
„… und ich werde mich zu wehren wissen! Eine Frau welche solch hohe Ansprüche an meine Künste hat, reicht mir. Zumal ich meine Vorlieben genauestens kenne und keine dieser Tratschtanten entsprach meinen Wünschen und Phantasien. Sei unbesorgt, mi sol.“ Zur Bestätigung küsste ich sie liebevoll, auch in der Hoffnung, dass sie wieder etwas friedlicher wird.
Wir wollten beide nicht diesen Glocke schwingenden Weckdienst abwarten und ließen Magda und Michael rufen. Kurze Zeit später erschien auch Sybill mit unserem Sohn, der freudig auf uns zu lief in einem dunkelblauen Anzug. So sah er doch perfekt aus!
Auf die Frage seiner Mutter, ob er auch gut geschlafen hätte, sagte er freudig „Sisi!“ Fragend sah ich Alex an, aber auch sie hatte keine Ahnung, was er damit sagen wollte.
„Ich brauche einen Dolmetscher.“ lachte sie jetzt, als ich Edward auf den Arm nahm.
„Du siehst wirklich sehr erholt aus. Vielleicht können wir nachher wieder in den Park und zu den Pferden gehen. Was meinst du?“ Lachend klatschte er in die Hände, ich deutete es selbstverständlich als Zustimmung.
Nach dem gemeinsamen Frühstück verbrachten wir den Vormittag wieder im Studierzimmer mit König Ludwig um die Befragungen voran zu treiben.
Heute sollte die Kammerzofe der Madame de Pompadour gerufen werden. Wir hofften, dass sie als enge Vertraute mehr wusste und uns entsprechend weiterhelfen konnte.
Sie erzählte, wie sie ihre Herrin vorfand am Morgen, es sei ein grausiger Anblick gewesen, welchen sie so schnell nicht vergessen werde. Niemand der bei gesundem Verstand war, würde das so einfach verpacken können.
Auf Bens Frage hin, ob es vielleicht etwas faulig gerochen hätte dort, sah sie uns erstaunt an.
„Ja, es roch… sehr unangenehm im Raum, aber es ist ja auch kein Wunder…“ Sie kannte sich sicherlich nicht mit diesem Gift aus, dass war uns ja allen bewusst. Sie machte die Übelkeit ihrer Herren für diesen Geruch verantwortlich. Auf Drängen schilderte sie ihre Eindrücke aber genauer.
„Es roch, als wäre man auf dem Land und ich hatte einen stechenden Geruch in der Nase. So als würde eine Zitrusfrucht schlecht werden…“ Damit hatte sie Master Franklins Verdacht bestätigt.
Somit konnten wir jetzt die Architekten hinzuziehen, weil auch die Zofe niemanden gesehen hatte.
„Master Franklin, ist es möglich eine Art Bombe zu bauen, welche nicht sofort explodiert, sondern nach einer festgelegten Zeit? So etwas wie ein Zeitzünder?“ Alex Gedanken gingen in die richtige Richtung, auch mir ging durch den Kopf, dass die Lüftungsgitter und die dahinter liegenden Gänge diese Möglichkeit boten. Jemand konnte dort ungesehen einen Behälter deponieren und genauso heimlich wieder verschwinden.
„Woher wisst ihr solche Sachen? Habt ihr derlei schon einmal gesehen? Ich würde zu gerne mehr darüber erfahren!“ Benjamin kannte sich also noch nicht damit aus.
„Ich habe damit Erfahrungen gemacht, Alex. Denk an die Rauchbomben!“ Bei meinen Worten sah ich die Erkenntnis in ihren Augen und wir beide sagten wie aus einem Mund „Assassinen!“
Welchen Vorteil hätte die Bruderschaft von so einem Anschlag, das ergab gerade nicht wirklich Sinn, meiner Meinung nach!
Was hatte die Mätresse des Königs damit zu tun?
Der König selber ergriff aber das Wort.
„Dann bin ich also korrekt unterrichtet worden, dass ihr von diesen Gruppierungen wisst und einer der beiden angehört? Ich nehme an, weil ich den Ring mit dem Symbol an eurem Finger sah, Maître Kenway, dass ihr dem Templerorden angehört?“ Es war keine Enttäuschung oder Zorn in seiner Stimme, lediglich Anerkennung.
Gewandt an Franklin sprach er weiter. „Ihr habt, wie ich eurem Gesichtsausdruck entnehme, mit beiden Bünden bereits Bekanntschaft geschlossen?“
Zur Bestätigung erhielt ein er schüchternes Kopfnicken.
„Aber WER ist dann der Drahtzieher, eure Majestät? Eine Liste eurer weiteren Vertrauten wäre da hilfreich, eventuell ließe sich daraus schon eine Schlussfolgerung ziehen.“ Fragte Alex nach, weil sie in ihrer Zeit die Assassinen recht genau studiert hatte.
Der König faltete seine Hände vor dem Mund und dachte darüber nach ehe er antwortete.
„Wir haben einen neuen Höfling, welcher sich meine Gunst versucht zu erarbeiten. Ein Herr welcher mir etwas zu forsch ist, aber eine hohe Position in der Armee inne hat und einen einwandfreien Leumund hat. Monsieur Honoré Bellec!“
Entgeistert starrte meine Frau den vor sich sitzenden Monarchen an.
Im Geiste konnte ich jetzt sehen, warum sie so aus der Fassung war. Pierre Bellec, sein Sohn, wird später auf Arno Dorian treffen und versuchen zu verhindern, dass Templer und Assassinen sich vereinen können! Pierres Vater ist jetzt schon einer der Drahtzieher. Bevor sie jedoch weiter sinnieren konnte, unterbrach uns Ludwig.
„Ich sah das Zeichen der Haschaschinen oder wie ich gelernt habe Assassinen… er trägt es offen an seiner Kleidung, für alle sichtbar, auch wenn es nicht jeder zu deuten vermag!“ erklärte er uns seine Beobachtung.
„Seht, eure Majestät, es geht darum, jedweden Einfluss, ob nun Templer oder Assassinen, von euch und dem Königshaus abzuwenden. Wir müssen für eure Sicherheit garantieren! Ich frage mich aber, warum man dann gerade Madame de Pompadour ins Auge gefasst hatte. Das ergibt doch keinen Sinn.“ Für meine Frau sicherlich nicht, aber wir anderen sahen jetzt einen Sinn, wenn auch recht versteckt.
„Frauen beeinflussen die Männer seit je her! Sie sind es, die für die Intrigen und Komplotte verantwortlich gemacht werden!“ Ben formulierte diesen Satz zögerlich, trotzdem wäre meine Frau fast aus der Haut gefahren!
Tief durchatmend sprach sie dann erneut.
„Aber kommen wir doch noch einmal auf Monsieur Bellec zurück! Also können wir davon ausgehen, dass er der Bruderschaft angehört. Demnach hat er auch Zugriff auf entsprechende Waffen und Mittel um Personen ungesehen zu beseitigen…“ Weiter ließ der König sie aber nicht ausreden. Sein nächster Satz war selbst mir nicht ganz einleuchtend.
„Ihr wagt es, diesen Mann ohne hinreichende Beweise zu beschuldigen, Maîtresse Kenway?“ Er war sichtlich entrüstet, Männer galten nun einmal als Unfehlbar, solange sie nicht einer Tat überführt waren!
Wieder musste sich Alex zurück nehmen und ihre Wut wurde immer größer. Hier gab es ihre oft zitierte Gleichberechtigung noch nicht und ich bezweifle immer noch, dass es wirklich je dazu kommen wird. Aber ich schweife schon wieder zu weit ab.
Ich ergriff das Wort, nachdem sie sich leise entschuldigt hatte.
„Meine Gattin hat aber Recht, wir müssen auch diesen Herren in die Pflicht rufen! Er untersteht eurem Befehl und genießt hier im Palast laut eurer Aussage bereits großes Vertrauen.“
Ludwig ließ umgehend nach dem Herren schicken und es dauerte auch nicht lange, da erschien er.
„Eure Majestät, ihr ließet mich rufen!“ dieses falsche Lächeln würde vermutlich sogar ein Blinder sehen! Ebenso war seine Verbeugung irgendwie halbherzig.
Er wurde gebeten Platz zu nehmen. Der Monarch wurde etwas unruhig in diesem Moment. Hatte er diese Falschheit auch erkannt?
„Der Abend des großen Balls, an welchem ihr teilgenommen habt, mir zu Ehren. Wo wart ihr im Laufe des Abends?“ Er klang bei diesen Worten wieder souverän.
„Eure Majestät, ich war für eure Sicherheit abgestellt und bewachte einen der Eingänge zum Palast!“ diese Inbrunst in seiner Stimme war wie ein Schlag ins Gesicht. Alex hingegen zog die Augenbrauen zusammen, so als wüsste sie etwas, was WIR noch nicht wussten. Sagte aber nichts.
Auf die Frage, ob er jemanden Verdächtiges gesehen hätte und ob etwas Ungewöhnliches vorgefallen sei, antwortete er etwas ungehalten.
„Nein, ich sah niemanden, welcher sich unbefugt Zutritt verschafft haben könnte. Es waren nur die geladenen Gäste und die üblichen Angestellten, eure Majestät.“ Wieder klang er gespielt unschuldig.
„Dieses Spektakel mit den Lichtern war eine wahrliche Glanzleistung, meint ihr nicht, Monsieur Bellec? Alles war exakt abgestimmt und auf den Punkt schossen die Lichter in die Höhe. Ich war begeistert, so etwas brauchen wir in Amerika auch, damit wir nicht immer so unbesonnen dieses Feuerwerk zünden…“ lachte der Wissenschaftler. Erstaunt sah ich ihn an, dieser Themenwechsel musste wohl durchdacht sein.
„Das ist das kleinste Problem, Master Franklin! Ihr müsst nur eine Zündschnur nutzen welche unterteilt ist und entsprechend Sekunden vorgibt. Wir haben es bei dem hiesigen Feuerwerk so gemacht und Maître Poiton war so freundlich uns entsprechend einzuweisen.“ Er erläuterte auch die Inkredentien genauer. Unter anderem nutzte man Harz für die Verzögerungen zum Beispiel.
„Oh, ich würde gerne mehr darüber erfahren Maître Bellec, wenn ihr ein wenig eurer Zeit erübrigen könntet, wäre ich euch sehr dankbar!“ die beiden Herren waren auf einer Wellenlänge und Bellec redete ohne Unterlass!
Wir würden Maître Poiton nun nicht mehr benötigen, auch Alex ging dieser Gedanke durch den Kopf.
Bellec war einfach dem ganzen überdrüssig, die Armee war unterbezahlt, lechzte nach Lohn. Man wollte den König mithilfe eines künstlich herauf beschworenen Krieges zu Taten zwingen und entsprechend die Kosten einfordern können. Die Truppen waren unbezahlt in den Kasernen derzeit untergebracht, weil die Staatskasse unangetastet bleiben sollte.
Aber war Bellec alleine für diese Tat verantwortlich oder gab es hier im Palast und im Umfeld des Königs noch weitere Assassinen? All das ging uns durch den Kopf in diesem Moment.
Ich ließ jetzt meinen Blick über ihn gleiten, wenn er der potenzielle Mörder war, müsste er auch in einer entsprechenden Aura leuchten. Und siehe da, sie war rot!
„Maître Bellec, wie viele Männer unterstehen eurem Befehl derzeit? Außerdem würde ich, mit eurer Zustimmung natürlich nur, eure Majestät, die Quartiere in Augenschein nehmen.“ Ich war in meine Rolle als Großmeister geschlüpft und meine Stimme klang auch entsprechend.
„Ich wüsste nicht, warum ihr …“
„Natürlich gebe ich die Erlaubnis für eine Durchsuchung, Maître Kenway!“ sprach Ludwig nun mit hocherhobenem Kopf.
Plötzlich sah man, dass Bellec nervös wurde und sich verstohlen umsah, so als suche er eine Fluchtmöglichkeit.
„Ich habe doch aber nichts verbrochen!“ seine Stimme klang völlig verwirrt.
Es war mehr eine Eingebung, als dass wir seine Handbewegung sahen! Honoré zuckte kurz, sprang dann auf und wollte sich auf den König stürzen! Aber Alex und ich waren schneller!
Ich bekam seinen Klingenarm zu fassen und drehte ihn daran herum, sodass er dem König nicht mehr nahe kommen konnte. Alex hatte sich hastig schützend vor den König gestellt.
„Lasst mich los!“ brüllte er los.
Ich schob seine Arme immer weiter hoch, so dass er, sollte er sich noch wehren nur selber verletzen würde!
„Was in Gottes Namen fällt euch ein, mich hier in meinen privaten Räumen anzugreifen? Seid ihr noch bei Verstand, Mann? Ihr werdet sofort von den Wachen in Gewahrsam genommen und euch droht die Hinrichtung!“ Auch Ludwig war laut geworden, mehr aufgrund des Schreckens, als aus Wut. In seinen Augen sah ich diese Erleichterung, dass er noch lebte!
Die Wachen wurden gerufen. Sie erschienen kurz darauf und die entsetzten Gesichter waren kaum zu übersehen. Nur ein Herr sah böse grinsend in Richtung König Ludwig!
Bevor ich noch reagieren konnte, stürmte auch dieser Mann auf sein Opfer los und hatte bereits sein Schwert gezückt.
Alex schubste Ludwig einfach zur Seite in ihrer Panik, blieb aber wie angewurzelt auf ihrem Platz. Sie hatte ihre Hand erhoben und alle Anwesenden bewegten sich unglaublich langsam, so als wateten sie durch tiefen Schnee. Ihre Fähigkeiten mit der Zeit zu spielen nutzte sie, es war nicht zu unserem persönlichen Vorteil! Wir wurden in ein goldenes Licht getaucht, welches uns ermöglichte den Mann jetzt zu entwaffnen.
Sie griff einfach nach der Schwertklinge, welche sich verdammt nahe an ihrem Bauch bereits befand. Mit der anderen Hand schlug sie mit voller Wucht auf den Unterarm und lockerte den Griff des Angreifers, welcher sie ungläubig anstarrte!
Plötzlich lief alles wieder ganz normal weiter, aber es war ein unheimlicher Augenblick gewesen!
Die Wachen sahen panisch in Richtung meiner Frau!
„Wie habt ihr das gemacht, Weib? Welcher Zauber ist das?“ sie alle bekreuzigten sich und gingen einen Schritt zurück.
„Ihr seid des Teufels Weib! Bleibt mir vom Leib!“ schrie der Angreifer laut und wollte schon an seinen Kollegen vorbei aus dem Zimmer stürmen. Aber sie hielten ihn mit vereinten Kräften auf.
Ich ermahnte Alex, dass sie JETZT etwas unternehmen musste, bevor das noch die Runde hier im Palast machte. Man sah, wie sich ihr Blick verschleierte und über alle Anwesenden legte sich ein leichter Nebel. Nur ich war nicht involviert.
Ich sah zu Franklin, welcher neben mir stand. Er sah aus, als würde er sich fragen, ob er das jetzt nur träumen würde. Wenn ich mich nicht täuschte, klappte diese Gehirnwäsche bei ihm nicht richtig. Alex müsste da später noch einmal dran arbeiten.
„Du meine Güte, was ist nur in euch gefahren, Dagenais? Wie könnt auch ihr es wagen, mich anzugreifen? WER hat euch für diese Attentate beauftragt?“ Ludwig verlor allmählich die Beherrschung. Wer konnte es ihm verübeln? Gleich zweimal wollte man ihm sein Leben innerhalb von Minuten nehmen!
Doch der Angesprochene schwieg beharrlich, genau wie Bellec, welcher immer noch vor Schmerzen keuchte und sein Gesicht hatte sich mittlerweile mit einem Schweißfilm überzogen!
„Nun gut, ihr werdet schon noch reden! Euer beider Hinrichtung findet in absehbarer Zeit statt, doch vorher werde ich persönlich dafür sorgen, dass ihr redet!“ sprach Ludwig kalt.
„Bringt die beiden Gefangenen jetzt in die Zellen und holt mir den Henker, sowie den Richter!“ fauchte Ludwig seine Wachen an, welche salutierten und sich noch Bellec schnappten, ehe sie die Räumlichkeiten verließen.
Schwer seufzend ließ der König sich jetzt an seinem Schreibtisch nieder und sah von einem zum anderen.
„Eure Majestät, sollten wir nach dem Arzt schicken? Ihr seht nicht gut aus!“ fragte Alex leise und gerade als sie dem Monarchen ein Glas zu Trinken reichen wollte, nahm ihr Franklin es aus der Hand. Sie hatte ihre Position überschritten. Es gehörte sich für eine Frau nicht, so mit einem König zu sprechen.
„Das ist nicht nötig, Maîtresse Kenway. Aber danke, dass ihr euch sorgt.“ kam es leise von Ludwig, so als hätte auch er gerade keine Lust mehr auf Anstand und das Hofzeremoniell!
Meine Frau hatte Benjamins Zustand bemerkt und unterhielt sich kurz mit ihm. Aber auch sie wollte die nächsten Tage noch einmal mit ihm sprechen. Der Wissenschaftler war in gewisser Weise immun gegen ihre neuen Fähigkeiten.
Kurz darauf erschienen der Henker und besagter Richter im Zimmer.
Die beiden neuen Besucher wurden nun vorgestellt. Als erstes war der Richter an der Reihe, Arne van Holten, ein ungefähr 50jähriger dunkelblonder Belgier, welcher sich durch seine gerechten Urteile bei Hofe einen Namen gemacht hatte.
Der Henker war Barabás Radomèr, ein großer stattlicher Herr, welchem man aber seine Berufung nicht unbedingt sofort ansah.
Als wir uns erneut setzten, verlor König Ludwig keine Minute.
„Diese beiden Verbrecher werdet ihr, Monsieur Radomèr, zum Reden bringen! Ich will wissen, wer sie geschickt hat! Außerdem will ich wissen, wie meine persönlichen Wachen so infiltriert werden konnten, dass niemand auch nur ansatzweise diesen Hinterhalt bemerkte!“ Seine Wut war mehr als verständlich.
„Eure Majestät, wir werden alles daran setzen, Antworten zu erhalten. Verlasst euch auf mich!“ Sprach der Henker mit einem fiesen Grinsen.
„Monsieur van Holten, das Strafmaß brauchen wir nicht bestimmen, da für diese Anschläge der Tod die einzige Strafe ist. Die beiden Herren werden öffentlich hingerichtet durch den Strang. Sie sollen als Abschreckung dienen und jeden weiteren Mörder von seinem Vorhaben abbringen!“ Der Monarch hatte diesen souveränen Ton wieder angeschlagen und klang, als könne ihn nichts aus der Bahn werfen.
„So wird es geschehen! Auf Königsmord, auch wenn es nur der Versuch ist, steht die Todesstrafe. Wollen wir hoffen, dass ihr ab jetzt nicht noch einmal in solch eine Bedrängnis geratet!“ van Holten neigte dabei seinen Kopf ein wenig.
Sie wurden vom König entlassen, um sich um die beiden Attentäter zu kümmern. Der Richter würde bei den Verhören mit anwesend sein, so erklärte man uns das kommende Prozedere. Nur Ludwig selber wird nicht dabei sein. Er bleibt nach wie vor präsent, damit die Höflinge nicht zu sehr beunruhigt oder verunsichert werden.
Außerdem wollte man keinerlei Gerüchte streuen, die den Monarchen womöglich noch in ein schlechtes Licht rücken könnten.
„Ich verdanke euch mein Leben, Maître Kenway, Maîtresse Kenway! Ihr habt mich heute gleich zweimal vor dem Tod bewahrt! Als Anerkennung für diese rühmliche Tat, werde ich euch in meinen inneren Hofstaat aufnehmen und euch entsprechende Rechte einräumen. Außerdem wäre es mir eine große Ehre, wenn ihr mir weiterhin beratend zur Seite stehen würdet. Eine Position als meine Leibwache kommt natürlich nicht in Frage, da ihr, wie ich vermute nicht vorhabt, euch in Frankreich niederzulassen.“ Ludwig klang erleichtert und dankbar zugleich.
Ich brachte fürs Erste keinen Ton heraus, so überwältigt war ich. Man räumte uns gerade alle Privilegien am Hofe ein, wir würden eigene Gemächer in der Nähe des Königspaares bekommen, außerdem eigene Wachen. Diese waren zwar nicht von Nöten, weil wir bereits welche hatten, dennoch war diese Geste mehr als großzügig.
Auch war uns nun gestattet, unseren Sohn in unseren Räumlichkeiten zu haben. Insgesamt, so erklärte Ludwig, standen uns 5 Zimmer im Westflügel zur Verfügung. Und die konnten wir jederzeit beziehen, wenn wir in späterer Zeit einmal wieder in Versailles verweilen würden. Das Ganze würde noch schriftlich mit einem Advokaten festgehalten werden und der anstehende Sommerball würde die offizielle Bekanntgabe unserer „Beförderung“ darstellen!
Meiner Frau wurde die Position der persönlichen Beraterin der Königin und den Hofdamen zugesprochen.
Ich selber wäre während unserer Zeit hier am Hofe im Beraterstab des Königs vertreten und Master Franklin bekam ebenfalls einen ähnlichen Posten. Seltsamer Weise dachte ich gerade darüber nach, was die Aufgaben eines königlichen Beraters explizit waren. Meine Kenntnisse diesbezüglich waren eher begrenzt, musste ich mir eingestehen.
Ebenso erhielt Master Franklin einen ähnliche beratenden Posten, aber eher im wissenschaftlichen Rahmen.
Das anstehende Mittagessen deutete schon unsere neuen Positionen an. Wir hatten Plätze oberhalb des Tisches neben dem Königspaar. Natürlich begann das Gerede umgehend und jeder spekulierte, warum uns so eine Ehre so plötzlich zu Teil wurde. Es fühlte sich seltsam an, muss ich gestehen. Dennoch fühlte ich mich geschmeichelt, dass mir so ein Vertrauen entgegen gebracht wurde.
„Haytham, ein bisschen unwohl fühle ich mich jetzt schon. Ich mag nicht gerne im Mittelpunkt stehen…“ Meine Frau war einfach kein Mensch, der so in die Öffentlichkeit gezogen wurde. Sie müsste sich jetzt aber daran gewöhnen, weil wir auf dem Ball noch weitere Aufmerksamkeit erhalten würden.
Mir ging aber ein Gedanke durch den Kopf. Ich würde ab jetzt nicht mehr so viel Zeit für meine Familie habe.
„Wirklich? Aber ich vermute, auch ich werde bei der Königin ordentlich eingespannt. Gerade wegen des anstehenden Balls. Wusstest du, dass ich sogar eine weitere Kammerzofe bekommen habe? Was bitte soll ich mit Zweien?“ kichernd nahm Alex neben mir Platz.
Im Anschluss wurden uns unsere neuen Gemächer gezeigt, wo schon alles untergebracht war.
Ich war schon großzügige Räumlichkeiten gewohnt, aber das hier war atemberaubend. Wir hatten jetzt ein Empfangszimmer, wo ein Schreibtisch am Fenster stand. Es gab diverse Sitzgelegenheiten vor dem großen Kamin und Regale mit Büchern, Kunstgegenständen und Büsten.
Als ich unsere Schlafgemächer in Augenschein nahm, war ich etwas verwirrt und erstaunt, weil meine Frau und ich ab jetzt getrennt sein sollten. Das würde ich zu verhindern wissen, dachte ich schmunzelnd. Sicherlich würde auch Alex mich nicht alleine lassen in der Nacht.
Edwards Zimmer war ein kleines Paradies, wo er auch gleich mit leuchtenden Augen sein eigenes Bett bestaunte.
„Mama … heia …“ sein kleiner Finger deutete in die besagte Richtung.
„Ja, dass ist dein Bett, min lille skat! Da hast du ja richtig viel Platz zum Toben!“ Lachte Alex und ließ ihn auf der Decke nieder.
Wie ich befürchtet hatte, stand mein erster Termin beim König im Beraterstab an. Also ging ich mit Michael, ich selber hatte keinen weiteren Kammerdiener dazu bekommen, hinüber in mein Zimmer zum Ankleiden.
Ich bekam eine offizielle französische Uniform verpasst, welche aber einen angenehmen Tragekomfort bot. Nicht wie diese kratzigen britischen Kleidungsstücke. Wie ich sie doch gehasst hatte. Als ich vor dem Spiegel stand und Michael mir noch die Ärmel richtete, hatte ich einen Moment zum Verschnaufen.
Wie würde es jetzt hier in Frankreich weitergehen, wenn wir abreisen würden. WANN würde die Hinrichtung stattfinden und würde ich meiner neuen Tätigkeit gerecht werden können? Ja, auch ich war nicht immer ganz so selbstbewusst, wenn es um solch wichtige Dinge ging.
Ich straffte meine Schultern, nahm mein Schwert und ging hinüber zu meiner Frau um mich zu verabschieden. Edward war schon wieder bei seinem Kindermädchen, weil auch Alex bereits einen Termin bei Königin Maria hatte.
Sie saß vor der Frisierkommode und mir blieb für ein paar Sekunden der Mund offen stehen. Nein, nicht weil ich schockiert war, sondern weil meine Gattin umwerfend aussah. Die Haare waren aufgetürmt und ihr Kleid war einfach traumhaft.
„Mi sol, das ist… man erkennt dich ja fast nicht wieder.“ mehr brachte ich gerade nicht über die Lippen.
„Ich kann das Kompliment definitiv zurückgeben, mi amor. Ich würde dich am liebsten auf der Stelle…“ Mein Finger legte sich auf ihre Lippen, weil ich mir denken konnte, was in ihrem Kopf gerade für Bilder auftauchten. Ich wusste aus ihren Erzählungen, dass sie Uniformen an einem Mann, besonders ihrem eigenen, gerne sah und sie recht kribbelig bei dem Anblick wurde.
Heute Nacht würde ich ihr dann die Gelegenheit geben, mich in dieser Aufmachung für sich alleine zu haben.
Ich gab ihr noch einen Kuss in die Halsbeuge, was einen Schauer bei ihr auslöste und verabschiedete mich.
Ich begab mich mit einem weiteren Herren auf den Weg zum König. Er stellte sich als preußischer Botschafter vor, sein Name war René Osternhagen und lebte seit einem halben Jahr mit seiner Familie hier in Versailles.
„Maitre Kenway, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen. Es ist außergewöhnlich, dass ihr einen solchen Posten erhalten habt. König Ludwig vergibt diese Titel ja nicht leichtfertig. Ihr müsst ihn sehr beeindruckt haben.“ Bei seinem Akzent musste ich etwas schmunzeln, weil er dem meiner Frau natürlich ähnelte.
„Maitre Osternhagen, auch ich bin erfreut euch kennen zu lernen. Ihr kommt also ursprünglich aus Preußen, wie meine Gattin auch. Woher genau, wenn ich fragen darf?“ noch wollte ich nicht auf die Erklärung meines Postens eingehen.
„Ich selber wurde in Frankfurt geboren, meine Frau stammt aus einem kleinen Ort in der Nähe von Hannover. Eure Frau ist ebenfalls Preußin? Das freut mich zu hören. Ich werde sie sicherlich auf dem Ball dann auch begrüßen dürfen, nehme ich an?“ auch er tastete sich vorsichtig heran.
„So ist es. Sie kommt aus einem Ort in der Nähe von Hameln. Leider hatten wir noch keine Gelegenheit dorthin zu reisen, seit wir verheiratet sind. Uns nimmt die Arbeit in Virginia auf unserer Plantage ganz in Anspruch.“ erwiderte ich in der Hoffnung, er würde wissen, woher Alex kam.
Und ja, er kannte Bad Pyrmont, zwar nur aus Erzählungen, aber sprach nur gut darüber.
Unser Gespräch ging zu meinen Wurzeln, woher ich käme, was mich in die Kolonien gezogen hatte und auch warum wir gerade in Frankreich verweilten.
Ich gab nur verwaschene Halbwahrheiten von mir, weil ich ihm schlecht unsere wahre Berufung kundtun konnte.
Beim Eintreffen im großen Besprechungszimmer des Königs, waren schon einige weitere Herren anwesend. Unter anderem auch wieder der Minister, einige Herren verschiedener Stände und natürlich auch zwei Generäle.
Als der König selbst erschien, huldigte man ihm und wurde umgekehrt freundlich in Empfang genommen.
Heute würde es nur um meine Person gehen, damit man mich kennen lernen konnte und mir würden meine Tätigkeitsfelder aufgezeigt werden.
„Maitre Kenway, wie ich hörte, seid ihr ein erfolgreicher Plantagenbesitzer in Amerika. Gehe ich daher recht in der Annahme, dass ihr demnach auch die Geschäfte alleine führt? Denn, versteht mich nicht falsch, aber mir ist zu Ohren gekommen, dass die Geschäftsbücher hier nicht ganz in Ordnung seien. Was dahinter steckt, vermag ich noch nicht zu sagen, aber ich würde es begrüßen könntet ihr beizeiten einmal einen Blick mit dem Finanzminister darauf werfen. Die Unstimmigkeiten müssen ja einen Ursprung haben.“ Ludwig plagten also Unregelmäßigkeiten in der Finanzkasse. Wenn ich richtig lag, dann würde sein Nachfolger erst recht in große Schwierigkeiten wegen Zahlungsunfähigkeiten kommen. Meine Frau erwähnte so etwas auf unserem Weg hierher.
„Ich habe einen Sekretär, welcher mich bei den Aufzeichnungen unterstützt und mir auch beratend zur Seite steht, eure Majestät. Im Grunde jedoch bin ich mein eigener Herr. Wenn ihr es wünscht, werde ich mir das in den nächsten Tagen dann einmal genauer ansehen.“ Das ich gerne rechnete, schon von klein auf, wollte ich nicht unbedingt erwähnen, weil es nicht hierher gehörte. Zahlen lagen mir einfach, genau wie Alex, ging es mir plötzlich durch den Kopf.
Damit war das also mein erster Punkt in meiner neuen Position.
Man unterhielt sich jetzt noch über die neuen rekrutierten Soldaten, deren Unterkünfte und ihre Familien und so weiter.
Im Grunde wurde ich in die Führung dieses doch recht imposanten „Hausstandes“ eingeführt. Anders vermag ich es gerade nicht zu umschreiben, weil es im Grunde genau das war.
„Wir haben ein Budget für die Bediensteten, die Höflinge, die Speisen, das Militär und so weiter. Seht selber Maitre Kenway.“ Damit reichte mir ein Herr ein paar handgeschriebene Seiten. „Dies ist nur die kleine tägliche Auflistung aller Ausgaben für seine Majestät. Die eigentlichen Bücher liegen in meinem Büro.“ DAS war also der Finanzminister.
Ich sah mir die Papiere durch und muss gestehen, dass Konzept war sauber durchdacht. Im Grunde wäre es schwer, dort Fehler ausfindig zu machen. Aber es gibt mit Sicherheit schwarze Schafe am Hofe, welche sich hervorragend mit Fälschungen von Bilanzen auskannten.
Der Nachmittag verging entsprechend schnell, aber irgendwann rauchte mir der Kopf von all den neuen Eindrücken und Personen, so dass ich froh war, als man uns entließ.
In meinem Zimmer angekommen, kleidete mich Michael wieder um. Also müsste ich Alex heute Nacht in meiner einfachen Garderobe beweisen, dass ich keine Uniform bräuchte um sie um den Finger zu wickeln. Bei dem Gedanken musste ich grinsen.
Wie ich freudig feststellte, war auch unser Sohn heute beim Abendessen mit am Tisch. Alex´ Blick ging aber immer wieder verstohlen zum Königspaar.
„Es gibt zwischen ihnen große Differenzen, mi amor.“ flüsterte sie in meine Richtung. Das würde man nicht unbedingt gleich vermuten, aber wenn man genau hinsah, war eine gewisse Distanz spürbar.
Anschließend wurde unser Sohn zu Bett gebracht und wir begaben uns in die Freizeiträume.
Dort traf ich auf einen meiner neuen Mitstreiter im Beraterstab, Monsieur Pastice. Als ich jedoch sah, wer seine Frau war, verging mir das Lächeln. Es war genau die Person, welche meine Gattin gewarnt hatte, dass sie mich alsbald in ihrem Bett haben würde. Auch Alex bemerkte diese Dame und vermutlich würde sie am liebsten jetzt schon einen Schlussstrich ziehen, zumindest dem Blick nach zu urteilen.
„Ihr müsst unbedingt einmal nach Amerika reisen und uns besuchen kommen, Maître Pastice! Ihr werdet eure Meinung sicherlich noch ändern, wenn ihr erst einmal von dem Tabak welcher in Virginia angebaut wird, probiert habt. Einer der besten!“ lud ich den Herren vor mir nicht ganz ohne Stolz in der Stimme ein.
„Auf dieses Angebot komme ich gerne zurück, wenn ich es recht bedenke, dann könnte ich Anfang nächsten Jahres eine Reise planen. Meine Gattin hat hier am Hofe sicherlich genug zu tun und wird meine Abwesenheit gar nicht bemerken.“ Sein Lachen war nicht echt, sein Blick schon, welchen er abschätzig in Richtung seiner Ehefrau gleiten ließ. Also war auch bei ihnen nicht alles zum Besten bestellt. Aber das konnte mir egal sein.
Mit einem Male hatte ich ihre Hand auf meinem Hintern und sah überrascht zu ihr hinunter. Ihr Blick war wieder eindeutig. Ich selber unterhielt mich jetzt stur mit ihrem Gatten weiter.
Als Alex wieder bei mir erschien, sie war von einer anderen Hofdame in ein Gespräch verwickelt worden, sah sie sich fragend nach dieser Grapscherin um. Ich versicherte ihr, dass sie beleidigt von Dannen gezogen war, als ich sie ignorierte. Um Alex zu beruhigen sagte ich eindringlich „Sie ist nach draußen verschwunden, mi sol. Beruhige dich! Denk daran, sie ist weder mein Typ noch mag ich dieses Parfüm von ihr. Ehrlich gesagt ist es wirklich widerlich.“
Das half anscheinend, aber es war nur die Wahrheit.
In unseren Räumlichkeiten wurden wir umgezogen und Alex sah noch einmal nach Edward.
Ich lag bereits in meinem Bett, als leise die Tür geöffnet wurde. Als Alex sah, dass ich ein Buch in Händen hielt, fragte sie, ob sie stören würde und ich sie gar nicht erwartet hätte.
Langsam stand ich auf und ging auf sie zu.
„Ich kann jetzt nicht mit der Uniform dienen, aber ich hoffe doch, dass du auch einfach nur mit mir Vorlieb nimmst?“ dabei strich ihr langsam über die Wange.
„Nur mit euch, Master Kenway? Da müsst ihr mich aber schon sehr überzeugen von euren Fähigkeiten!“ Diese Frau schmolz gerade mal wieder dahin, wie Butter in der Sonne und auch ich wurde unruhig.
Mit einem Ruck hatte ich ihr Nachthemd gepackt und es lag in zwei Teilen auf dem Boden zu ihren Füßen.
Ich stellte mich hinter sie, griff ihren etwas lädierten Po und sagte, sie kenne meine Fähigkeiten sehr wohl. Sie bräuchte nur an ihren Hintern denken. Meine Erregung war kaum noch zu leugnen und ich drückte mich an ihren Rücken. So schob ich sie langsam Richtung des Bettes, wo ich sie am Fußende hieß darauf zu klettern.
So kniete sie vor mir und dieser Anblick war die reinste Augenweide. Sie solle sich vorbeugen und mir ihre Hände geben, befahl ich mit rauer Stimme. Bereitwillig lagen sie auf ihrem Rücken, wo ich sie festhielt mit einer Hand.
Meine andere wanderte zwischen ihre Schenkel, wo ich meine Finger in sie gleiten ließ. „Mistress Kenway, eure Vorfreude ist immer noch eine Wohltat und ich liebe es, euch einfach so nehmen zu können.“ Meine Worte wurden durch mein schweres Atmen immer wieder unterbrochen, weil ich mich kaum noch beherrschen konnte.
Ich ließ mich jetzt langsam in sie gleiten und genoss diese Frau, diesen Körper und ihre lustvolles Stöhnen. Wir waren wieder Eins.
Als sie später an mich geschmiegt neben mir lag, ging mir ein etwas absurder Gedanken durch den Kopf. Eigentlich ist Alex keine Frau, die sich unterwirft und befehlen lässt. Warum aber war sie, wenn wir miteinander schliefen, diese devote Person auf einmal.
„Warum findest du es so erregend, wenn ich dir sage, was du tun sollst. Oder auch wenn ich dich mit meiner Hand im Nacken führe. Versteh mich nicht falsch, ich liebe es, wenn du meine Befehle befolgst und dich mir völlig hingibst. Aber im Grunde entspricht es eigentlich nicht deiner Natur.“
Ihre Antwort kam etwas zögerlich.
„Eigentlich kann ich das WARUM auch nicht erklären. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich nicht immer die Oberhand haben will, oder eben die Verantwortung tragen will. Im Alltag ist es völlig normal und auch klar, dass ich für mich selber einstehen muss, aber mit dir im Bett ist es einfach ein wunderbares Gefühl, dir … nun ja… zu Diensten sein zu können. Ich möchte dich glücklich machen, ich genieße diesen Anblick, wenn du… also… wenn ich vor dir knie…“ Ja, dieser Anblick war umgekehrt auch immer wieder göttlich!
Sie war also darauf bedacht, dass ich zufrieden und befriedigt bin? Auch dieses Mal überlegte sie kurz.
„Ja, im Grunde hast du es auf den Punkt gebracht. Wenn ich weiß, dass du dich und deine Phantasien ausleben konntest, kann auch ich loslassen und ich… habe durchaus auch noch andere Bilder im Kopf…“ Ich sah, wie ihre Wangen feuerrot geworden waren.
„Darauf bin ich schon jetzt gespannt.“ brachte ich noch zustande, ehe ich meinem Weib erneut zeigte, mit wem sie verheiratet war.
Der Morgen begann ohne einen nervigen Weckdienst. Also gab es noch mehr Annehmlichkeiten, welche uns zugestanden wurden. Besonders meine Frau war dankbar, nicht mit einer Glocke geweckt zu werden.
Der Ball stand heute an und im ganzen Palast konnte man schon am frühen Morgen die Anspannung und freudige Erwartung spüren.
Edward kam mit Sybill ins Empfangszimmer, als Alex und ich auch bereits angekleidet dort erschienen.
Plötzlich sah unser Sohn zum bodentiefen Fenster und sagte freudig „Chat!“ seine Finger deuteten auf eine kleine getigerte Katze dort.
„Das freut mich, dass du sogar schon ein Wort auf französisch beherrschst, Edward. Und wie heißt das auf englisch?“ Ich freute mich über seinen Fortschritt keine Frage, jedoch sollte Englisch die erste Wahl für ihn im Moment sein.
Kopfschüttelnd stand Alex neben uns und sah mir bei meinen Versuchen, Edward das englische Wort für Katze beizubringen, zu.
Das Frühstück selber war ruhig und recht entspannt. Mein Tischnachbar war ein älterer Herr, welcher die Köche hier lobte. Seine Köchin daheim sei ein Trampel und könnte nicht einmal Salz vom Zucker unterscheiden.
„Ihr glaubt gar nicht, was ich schon alles essen musste. Einen Pudding, welcher nicht mit Milch gemacht wurde, sondern nur mit Wasser und Mehl! Eine Frechheit. Daheim werde ich dieses Weibsbild auf der Stelle entlassen! Ich verhungere sonst noch! Aber sagt das mal meiner Frau.“ Nun gut, eine gute Köchin oder guten Koch zu finden, sollte nicht so schwer sein. Ich pflichtete ihm jedoch bei, weil ich nicht verstand, warum er es noch nicht gemacht hatte.
Wir hatten die nächsten Stunden Gelegenheit für unsere eigenen Freizeitaktivitäten.
Wir machten uns auf den Weg zu den Ställen, weil uns mitgeteilt worden war, dass in der Nacht ein Fohlen zur Welt gekommen sei. Natürlich war unser Sohn besonders aufgeregt, was mich wieder einmal schmunzeln ließ. Diese Leidenschaft war schon etwas seltsam, wie ich finde.
Sobald wir dort eintraten, stiefelte Edward umgehend in Richtung Tiere und rief begeistert „Da… hoss!“ Dafür brauchte man keinen Dolmetscher.
„Ein Pferd, richtig Edward!“ lobte ich ihn, auch wenn vermutlich nur ich gerade verstand, was er meinte.
Aus den Augenwinkeln sah ich plötzlich, wie sich Alex´ Gesicht verdunkelte. Gestern noch hatte sie mir gesagt, dass sie Virginia vermisste und vermutlich ging ihr dieser Gedanke gerade beim Anblick der prächtigen Pferde im Kopf herum.
Nach dem Abendessen wurden wir für den Ball eingekleidet, wohingegen Edward zu Bett gebracht wurde. Sybill versicherte mir kurz darauf, dass ihr Schützling schnell eingeschlafen war und wir unbesorgt sein könnten.
Michael zeigte mir die Uniform für diesen Abend. Sie war Weinrot, mit goldenen Applikationen, weißer Hose und weißen Strümpfen. Auch diese war bequem und fühlte sich wie eine zweite Haut für mich an.
Als meine Frau ebenfalls fertig angekleidet ins Empfangszimmer trat, ließ ich anerkennend meinen Blick über sie wandern. Alex hatte ein Kleid in der gleichen Farbe wie meine Garderobe an, die Haare entsprechend mit den farblich passenden Seidenbändern gebändigt. Zum heutigen Anlass trug sie die Kette mit dem Templerkreuz, wohingegen ich natürlich den Ring trug. Wir wurden offiziell vorgestellt.
Wie immer sah ich, dass meine Gattin mich am liebsten gerade ins Bett zerren würde. Sie war noch nicht ganz das verschlossene Buch in meiner Gegenwart. Wir würden aber heute Nacht sicherlich genügend Gelegenheit haben uns zu vergnügen. Ich für meinen Teil freute mich darauf.
Der Ballsaal lag in einem anderen Trakt des Palastes und wir brauchten eine Weile um dorthin zu gelangen. Unterwegs trafen wir auch auf bekannte Gesichter unter anderem Benjamin Franklin, welcher in einem feinen Anzug steckte und an seiner Seite schritt eine mir unbekannte Dame nebenher.
„Wie lange habe ich schon auf solche Festivitäten verzichten müssen.“ meinte der Wissenschaftler freudig und wippte dabei hin und her.
Das Königspaar würde den Ball eröffnen und ich hoffte, dass wir keine weiteren Anschläge zu befürchten hatten!
Noch hatten die Attentäter nicht geredet, was natürlich ärgerlich war. Auch da mussten wir jetzt noch ein wenig abwarten.
„Wir werden euch auf dem Laufenden halten und wenn ihr es wünscht, so könnt ihr dem ganzen Verhör auch beiwohnen.“ stand es in einer kurzen Notiz des Richters am heutigen Nachmittag.
Wir trafen unterwegs auch noch auf die Eheleute de Gooijer. Myrte berichtete von einem Ball, bei welchem sich ein Diener aufgrund seiner Unachtsamkeit auf einer der Treppen das Bein gebrochen hatte. Außerdem gab sie noch die üblichen kleineren Tratschgeschichten zum Besten.
Wir betraten den Saal und warteten auf ihre Majestäten.
Beide schritten kurz darauf in feinstem königlichen Ornat gekleidet die Reihen ihrer Gäste und Höflinge ab. Man huldigte ihnen, knickste, verbeugte sich tief. Aber es war totenstill mit einem Male. Man könnte eine Nadel fallen hören!
Als dies beendet war, wurde der Tanz eröffnet. Weil Alex mir von den privaten Differenzen der Eheleute berichtet hatte, studierte ich sie ein wenig. Es waren feine, kleine Unstimmigkeiten zwischen ihnen. Für das ungeübte, nicht wissende Auge kaum auszumachen. Dennoch war dort eine Art Wand.
Als der König meine Frau auffordern ließ für den nächsten Tanz, bekam sie erneut diese neidischen Blicke zugeworfen. Nicht jeder wusste, warum uns diese Ehre zu Teil wurde, welche anderen verwehrt blieb.
Während des Essens, das zwischendurch im großen Speisesaal gereicht wurde, gab König Ludwig unsere erworbenen Ränge bekannt. Man beglückwünschte uns und stieß auf uns an.
Danach wurde uns noch persönlich gratuliert. Leider musste diese wollüstige Madame Pastice mit von der Partie sein. Sie stand wenige Zentimeter vor mir, sah zu mir auf, leckte sich über die Lippen und plötzlich fühlte ich ihre Finger an meiner Hose, wo sie hingebungsvoll zugriff! Ich war völlig perplex! Nicht einmal diese Melody hatte es sich damals gewagt, so etwas zu tun!
Monsieur Pastice war ebenso sprachlos, zerrte seine Frau hektisch und wütend hinter sich her nach draußen. Ich selber sah Alex an und brachte nur „Mi sol, es tut mir leid… ich…“
Ihre nächsten Worte waren mehr als verständlich.
„DU kannst doch nichts dafür! Aber… warum sind einige Frauen so… mir wird immer ein loses Mundwerk, Unachtsamkeit und sogar schlechte Manieren vorgeworfen! DIESES Weib besitzt keinen Anstand, nicht ICH!“ ihre Stimme hatte sich zusehends erhoben. Bevor ich sie aufhalten konnte, war sie schon hinter den Eheleuten her gerannt.
Als ich sie einholte vernahm ich die Schmerzensschreie von Madame Pastice! Dieser Herr war das typische männliche Beispiel für diese Zeit, dass die Ehefrau ein Eigentum war und er dieses Recht hatte sie zu züchtigen!
In Alex Geist sah, wie sie bereits einschreiten wollte. Egal wie unangenehm ihr diese Frau war!
Ich versuchte sie aufzuhalten, weil es ihr einfach nicht zustand sich in die Belange von fremden Eheleuten einzumischen. Auch wenn Alex es für nicht fair hielt, was gerade passierte!
Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob sie verstand was ich sagen wollte. Es ging im Grunde nicht gegen sie selber. Ihr nächster Satz sagte jedoch etwas anderes.
„Dann kann ich ja von Glück reden, dass du diese Tradition noch nicht umgesetzt hast!“ es war mehr ein Fauchen, als sprechen!
Nein, ich würde nie soweit gehen! Das wusste Alex auch! Wir sollten die beiden jetzt sich selbst überlassen. Später könne sie sich diese Frau noch zur Brust nehmen.
Sie schnappte sich ein Glas Champagner beim Eintreten und kurz darauf das nächste. Was bitte war auf einmal los mit ihr? Ich verstand, dass sie diese Zustände nicht duldete, aber zwischen uns würde es nie soweit kommen.
„Kann es sein, dass wir noch Redebedarf haben, mi sol?“ hakte ich nach, muss es aber in einem ihr nicht passenden Ton gesagt haben.
„Weiß ich nicht! Ich mag die Frau nicht, ich würde sie am liebsten wie Melody bloß stellen! Muss aber ihr Mann …“ zu mehr kam sie nicht, weil die beiden wieder den Saal betraten.
Madame Pastice war verheult, ihr Gatte ging triumphierend neben ihr her. Er stellte sie zur Schau, wie mir schien. Das ließ ihn für mich mehr als unsympathisch werden!
Kurz nach diesem Schauspiel verabschiedeten wir uns für die Nacht.
Michael begann mich aus der Uniform zu holen und erst jetzt spürte ich diese Müdigkeit in den Knochen und mein Hemd klebte auf meiner Haut.
„Master Kenway, ist alles in Ordnung? Ihr seht erschöpft aus.“ fragte mein Diener besorgt nach.
„Danke Michael, mir geht es gut. Aber es war ein ereignisreicher Tag und ich bin froh, wenn ich gleich zu Bett gehen kann.“ Das war ich wirklich.
Ich entließ ihn für die Nacht und ging hinüber in Alex´ Zimmer wo sie auf einem Hocker vor der Frisierkommode sitzend vor sich hinstarrte.
„Denk nicht mehr daran!“ erschrocken fuhr sie herum. Sie hatte mich wohl nicht bemerkt.
„Das sagst du so einfach… ich will kein Eigentum sein, mi amor!“ Diese Worte waren so leise gesprochen, dass ich ihre Angst darin fast schon spüren konnte.
„Das bist du nicht und wirst es auch nicht sein. Ich habe dir etwas versprochen, ich werde dich ehren, dich lieben und dir nie Leid zufügen. Auch wenn du… es mir nicht immer leicht machst, mi sol.“ Ich hoffte, meine Worte konnten sie überzeugen.
Vorsichtig erhob Alex sich und drehte sich zu mir um.
„Und dafür liebe ich dich!“ Ihre Lippen legten sich auf meine.
Wir waren wieder Eins und das war alles was zählte!
„Und denke immer daran, dass ich nie Hand an dich legen würde, wie es einige Herren als ihr Recht ansehen. Monsieur Pastice hat es heute mehr als deutlich vorgeführt! Ich konnte sehen, wie andere Ehemänner dabei grinsend zu ihren Frauen sahen. Glaube mir wenn ich dir sage, dass ich mich schon des öfteren erläutern musste, warum ich dir nicht die Leviten lese. Ich bin ein, wie sagte man mir, exotischer Gatte. Ich werde wohl mit dieser Bezeichnung meiner Person leben müssen.“ Es war tatsächlich schon einige Male das Gesprächsthema, weil sich kaum ein Herr vorstellen konnte, OHNE Züchtigung seine Frau bändigen zu können.
„Aber für meinen völlig aus dem Rahmen fallenden Ehemann bin ich umso mehr dankbar.“ hauchte sie später an mein Ohr und zeigte mir ihre Dankbarkeit auf ihre mir so bekannte und geliebte Art.
Am Morgen war unser Sohn kaum zu bändigen, was ich den entrüsteten Rufen von Mrs Wallace entnehmen konnte. Zu den Pferden wollte er unbedingt und die Katze musste er auch noch suchen! Mit Hilfe von Alex brachten sie den kleinen Rabauken aber schnell wieder zur Vernunft und Ruhe, damit wir hinunter zum Frühstück gehen konnten.
Im Anschluss machten wir uns auf den Weg zu den Stallungen, aber ein Diener überbrachte eine Nachricht von van Holten.
„Maître Kenway, Maîtresse Kenway.
Wir werden heute die Befragung fortsetzen und es wäre durchaus
wünschenswert, wenn ihr anwesend wäret. In der Nacht hat
Monsieur Bellec in einem Fieberwahn wie es schien, seltsame Dinge
von sich gegeben und wir können uns keinen Reim darauf machen.
Ich erwarte euer Erscheinen gegen 10 Uhr. Der Wächter wird euch zum
Zellentrakt unter dem Besuchertrakt des Palastes bringen.
Hochachtungsvoll, Richter van Holten.“
Ohne Murren ging unser Sohn mit seinem Kindermädchen und zwei weiteren Damen mit ihren Schützlingen zu den Pferden, sodass wir Zeit für diese Unterredung hatten.
Unser Weg führte uns in den Besuchertrakt, wo uns schon der Wächter erwartete und direkt zu den Kerkern führte.
Würde Alex das aushalten dort unten? Ich wusste, wie es in so einem Trakt aussehen konnte, jedoch befürchtete ich, dass meine Gattin wieder an die Katakomben erinnert werden könnte. Ein Blick in ihre Richtung sagte mir, dass ich richtig lag und sie in ihrem tiefen Innersten auch schon daran gedacht hatte. Sie straffte sich aber und folgte dem Herren mit mir gemeinsam weiter.
Unten stieg mir ein unangenehmer modriger Geruch in die Nase, wobei mir das Geräusch der rasselnden Ketten und entfernten Schreie der Gefangenen eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Die Zellen der beiden Attentäter lagen sich gegenüber und ganz am Ende dieses großen Ganges. Kleinere Öffnungen auf Deckenhöhe brachten Durchzug und hier und da sah man die Fackeln entsprechend flackern.
Monsieur Radomèr kam uns freudig entgegen, so als begrüße er alte Freunde zu einem Dinner.
„Ah, es freut mich, dass ihr es einrichten konntet, Maître Kenway, Maîtresse Kenway.“ er verbeugte sich vor uns und deutete auf eine der beiden Zellen. „Wenn ihr weiter folgen wollt.“
Dort lag Dagenais schwer atmend, zusammengerollt auf seiner Pritsche.
Der Henker schlug mit einem Stock gegen das Gitter und brüllte ihn an, dass er wach werden sollte.
Ein gequältes, schmerzerfülltes „Ich habe euch doch schon alles gesagt“ war zu vernehmen.
Das Gesicht des Gefangenen war geschwollen, überall blau unterlaufen, die Lippen waren aufgesprungen aufgrund von Schwellungen und Flüssigkeitsmangel. Sein Hemd war ebenfalls mit Blutflecken übersät, so auch seine Hosen. Schuhe trug er nicht mehr, was mir freien Blick auf seine Fußsohlen gab. Kleine schwarze Brandpunkte waren auszumachen. Jesus, sie hatten alles versucht ihn zum Reden zu bringen!
Bevor aber meine Frau aus der Haut fahren konnte, kam der Richter noch hinzu und begrüßte uns ebenso unbekümmert!
„Dieses Individuum hat fast alles zugegeben, jedoch weigert er sich vehement, uns mitzuteilen, wer der Drahtzieher ist. Angeblich wisse er von nichts, es wären immer nur Nachrichten an ihn weitergeleitet worden, nie hätte er jemanden gesehen. Auch als wir ihn mit den glühenden Kohlen bearbeitet haben, sagte er immer wieder das Gleiche!“ Dieser Blick als wäre Dagenais eine Kakerlake, die es nicht wert sei weiterzuleben war erschreckend.
„Dann wird es vielleicht auch so sein, Monsieur van Holten!“ Alex Worte waren kalt und in einem Befehlston, welcher in Gegenwart des Richters mehr als unangebracht war.
„Verzeiht, aber unsere Erfahrung im Bezug auf die Befragungen lasse ich nicht in Frage stellen!“ erwiderte er entrüstet.
Ich wollte diese Situation möglichst schnell entschärfen und warf einen Themenwechsel ein.
„Was hat Monsieur Bellec zum Besten gegeben? Ihr erwähntet seltsame Dinge in eurer Nachricht!“ Deswegen waren wir ja zu diesen Verhören hinzu gezogen worden laut des Richters.
„Er faselte etwas von einem Mann und einem Stab, welcher ihm Anweisungen gegeben hätte, wie er das Königshaus untergraben könne. Aber es wäre kein echter Mann gewesen, sondern eine leuchtende Figur, welche ihm in einem Traum begegnet war! Ammenmärchen, wenn man mich fragt!“ sein amüsierter Ton in der Stimme war mehr als unpassend in diesem Zusammenhang, ging es mir durch den Kopf. Auch Alex fand das unangebracht.
Er lag, genau wie sein Kompagnon, auf seiner Pritsche, aber auf dem Rücken und man hatte den Eindruck, er würde meditieren. Die Hände hatte er gefaltet auf dem Bauch liegen und die Augen geschlossen. Sein Atem ging ruhig, auch wenn man vermuten würde, er müsse wahnsinnige Schmerzen haben. Seine Kleidung war ebenfalls mit Blut übersät, seine beiden Augenlider waren geschwollen und seine Wangen wiesen blaue Flecken auf.
Meine Frau trat näher um ihn zu betrachten, als ich Odin hörte!
Natürlich war ich das nicht! Hier müssen diese Isu wieder am Werk gewesen sein! Aber er hätte es sein können, wenn man es genau nahm. Der Allvater hatte einen solchen Stab und war wie ein Wanderer gekleidet, so hatte Alex ihn mir auch schon einmal beschrieben.
Alex sinnierte über die Möglichkeit, dass es kein Gott war, sondern ein Isu! Die Namen Minerva, Juno oder Mars – bis auf Lucius als dieser – sagten mir die Namen nichts.
Und wenn es auch kein Isu war? Warf der Allvater ein. Dann müssten es demnach einfache Vorfahren von Bellec gewesen sein.
Das wäre durchaus möglich, aber ich erkenne in seiner Linie niemanden, auf den diese Beschreibung passen würde. Odin klang entmutigt, weil er nicht alles überblicken konnte. Versuche seinen Geist zu nutzen! Diese Worte hatten einen Befehlston angenommen, welcher mich veranlasste meiner Frau jetzt ihrem Metier zu überlassen – der Wanderung durch den Geist von Monsieur Bellec -.
Das war mein Zeichen und ich nickte unmerklich, damit sie beginnen konnte. Ich selber wandte mich in Richtung Dagenais und bat den Richter und Henker um eine kleine Unterredung, in der Hoffnung die Ablenkung würde funktionieren. Ich fragte nach Angehörigen des Delinquenten und ob er schon lange hier im Palast leben würde. Wie lange seine Anstellung schon ging und solche recht banalen Dinge. Ich brauchte nur etwas Zeit für Alex. Mehr nicht.
Hin und wieder vernahm ich Namen unter anderem Thyra, ein Sichfrith mach Ímair wurde ebenfalls erwähnt. Das Jahr schien um 890 zu sein, ein Langhaus. Außerdem hörte ich, so seltsam es sich auch anhören mag, Kampfgeräusche. Zwei Menschen fochten miteinander. Dann war alles still mit einem Male! Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Bellec sich aufgerichtet hatte und etwas sagen wollte, aber es kam kein Geräusch über seine Lippen.
Als ich mich ganz umdrehte, sah ich wie Alex sich zitternd an die Gitterstäbe klammerte und Leichenblass im Gesicht war.
Auf meine Frage, ob es ihr gut ginge, sah sie mich aus verschleierten Augen an, ehe sie etwas verwirrt antwortete „Was ist denn passiert?“
„Nichts, im Grunde standest du ganz ruhig hier. Es waren auch nur wenige Augenblicke. Plötzlich regte sich Bellec aber und richtete sich auf. Er versuchte zu sprechen, aber das schien ihm nicht zu gelingen, du siehst es ja. Sehen kann er gerade auch so gut wie nichts durch die geschwollenen Augenlider.“ Ich hob ihr Kinn an. „Was hast du gesehen, mi sol? Du scheinst eine Menge Informationen bekommen zu haben.“ Meine Neugierde war erwacht.
Leider musste eine Erklärung noch warten!
„Maîtresse Kenway, fühlt ihr euch nicht wohl? Ihr seid mit einem Male so blass. Oder hat dieser Abschaum euch etwa belästigt?“ polterte Radomèr los und wollte schon in die Zelle stürmen.
„Nichts dergleichen ist passiert, Monsieur Radomèr. Es muss die stickige Luft hier unten sein.“ ihr zuversichtliches Lächeln sollte ihm zeigen, dass alles in Ordnung war.
- Hier folgt ein Auszug aus Kapitel 20 – Frankreich „Von schicksalhaften Zeitreisen…“ -
Jetzt schaltete sich der Richter wieder ein. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir heute etwas mehr erfahren können von diesem Herren.“ damit schloss er die Türe auf und ergriff Honoré, zog ihn auf die Beine, dabei vernahm man ein schmerzerfülltes Zischen aus dem Mund des Gefangenen.
Er wurde in einen separaten Raum nebenan geführt, wo sich einige Werkzeuge und Folterinstrumente befanden.
Man setzte den Gefangenen auf einen einfachen Holzstuhl und schnallte seine Arme auf den Lehnen fest. Seine Füße wurden in Eisen an den Stuhlbeinen befestigt und sein Oberkörper wurde ebenfalls an der Rückenlehne fixiert.
Barabás legte sich einige Stechwerkzeuge auf einem kleinen Tisch daneben zurecht, band seine schwere Lederschürze um und ging langsam um Bellec herum.
„Na Freundchen, meinst du, du willst heute vernünftig mit mir sprechen?“ höhnte er, während er seine Wange tätschelte. „Ich habe etwas ganz feines für dich, sieh doch mal… ach, das ist aber schade. Du kannst ja gar nichts erkennen. Vielleicht sollten wir den Druck von der Schwellung nehmen, was meinst du?“ Der Henker hatte seinen Beruf wirklich nicht verfehlt, sein Auftreten und die Stimme passten wirklich hundertprozentig.
Seine Finger griffen nach einer langen dicken Nadel und für einen Moment hielt er sie einfach gegen das Fackellicht und sein Blick hing verträumt auf diesem Gegenstand. Dann zog er ihn durch die Flamme einer Kerze. Der Gehilfe des Henkers hielt jetzt den Kopf des Mannes fest und Barabás setzte die Spitze der Nadel auf das Augenlid. Man hörte ein leises Zischen und dann einen erstickten Schrei des Gefolterten.
Diesen Vorgang wiederholte man nun einige Male, unterbrochen von der Frage, wer ihn beauftragt hätte und warum! Doch es kam nicht eine einzige gesprochene Silbe über seine Lippen!
Radomèr war dazu übergegangen, kleine Metallspitzen unter die Fingernägel zu schieben, was aber allem Anschein nach auch nicht die Redelust des Inhaftierten förderte.
Keine der weiteren angewandten Folterinstrumente oder -methoden zeigten Wirkung. Das Schweigen des Gefangenen verärgerte van Holten und den Henker zusehends.
„Monsieur van Holten, haltet ein. Ich denke, es reicht! Wir werden diesen Herren nicht zum Reden bringen! Zur Mahnung findet in ein paar Tagen die Hinrichtung eh auf dem öffentlichen Platz statt, bis dahin hat er noch einmal die Gelegenheit, seine Taten zu bereuen.“ In der Hoffnung, dass die Herren bei meinen mahnenden Worten innehielten, sah ich auf den lädierten Bellec.
„Sicherlich habt ihr Recht. In meiner gesamten Laufbahn ist mir noch nie so ein sturer Mensch untergekommen!“ in Barabás´ Stimme klang eine gewisse Anerkennung mit, zog Bellecs Kopf nach hinten und schaute ihn sich an.
„Wir werden auf die Aussage von Dagenais bauen und versuchen in den nächsten Tagen eventuell diese toten Briefkästen aufzuspüren. Irgendeine Spur müssen wir ja finden!“ seufzte van Holten resigniert.
„Habt ihr die Zimmer der Herren eigentlich schon durchsuchen lassen?“ Die Frage meiner Frau war mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen.
„Was? Nein, aber… Verdammt! Verzeiht, Maîtresse Kenway!“ Im Gesicht des Richters war ein Rotton erschienen, welcher keinen Zweifel daran ließ, dass er DARAN auch nicht mehr gedacht hatte. Ob wir jetzt noch etwas verdächtiges finden würde, war zu bezweifeln!
Alex Blick war eindeutig! Deren Ernst? Was bitte ist denn das für eine Art Untersuchung? Jeder Depp weiß doch, dass man die Zimmer als erstes durchforstet.
Da gab ich ihr Recht. Van Holten aber hatte es plötzlich eilig, den Gefangenen wieder wegzusperren und sich in dessen Schlafgemach umzusehen. Bei Dagenais würde ein Gehilfe des Richters das Gleiche tun!
Wir folgten also van Holten hinauf und er führte uns zu dem kleinen Bereich, welcher für Wachen und Sicherheitspersonal bereit gestellt wurde. Bellec hatte hier ein recht großzügiges Zimmer bezogen, in welchem Platz für ein großes Bett, Schreibtisch, Regale und Kleiderschrank war.
Ich ließ meinen Blick umherwandern, fand aber nichts wirklich verdächtiges oder mahnendes mit roter Aura. Hier war entweder aufgeräumt worden, oder der Herr war gut vorbereitet!
Das einzig Interessante, vermutlich nur für meine Gattin, waren seine versteckten Klingen. Sie musterte sie eingehend und nahm sie kurzerhand an sich.
Haytham, wir haben gestern nicht ein Wort mit Charles Dorian gewechselt. War er überhaupt anwesend? Der Ball! Ich hatte gar nicht mehr an diesen Herren gedacht!
„Monsieur van Holten, habt ihr eine Liste von den Gästen, welche gestern beim Ball geladen waren. Sicherlich haben nicht alle hier übernachtet.“ hakte ich wie beiläufig nach und der Richter nickte eifrig.
„Selbstverständlich, Maître Kenway. Ich lasse sie euch umgehend zukommen.“ und so suchten wir hier noch ein wenig nach weiteren Anhaltspunkten oder etwas Verdächtigem, doch Fehlanzeige.
„In seiner Korrespondenz ist nur die Rede von Lieferungen für die Armee oder wie die Truppenstärke besser ausgebaut werden könnte. Außerdem scheint der Herr ein guter Stratege zu sein, er hat unter anderem eine Art Schlachtplan aufgestellt. Die anderen Schreiben sind privater Natur, gehen an seine Frau und er erwähnt seinen Sohn Pierre ab und an. Vielleicht sollten wir diesen auch einmal aufsuchen und befragen.“ warf ich noch als Idee ein, weil es sicherlich nicht verkehrt sein könnte. Weiter war hier nichts in dem Zimmer, leider!
Wir verließen unverrichteter Dinge die Räumlichkeiten und machten uns auf zum Mittagessen.
Wieder hieß es umziehen und als auch unser Sohn fertig war, gingen wir hinunter in den Speisesaal. Ich hatte eine nette Unterhaltung mit König Ludwig, welcher mich darauf hinwies, dass die Gästeliste des Balls und der darauf vermerkten tatsächlich erschienenen Personen bereits fertiggestellt sei. Der Richter würde sie mir im Anschluss an das Essen aushändigen. Wo er zu finden war, wusste ich bereits, weil man mir sogar schon einen richtigen Plan der Räume und des Aufbaus des Palastes ausgehändigt hatte.
Mir fiel auf, dass Maitre Pastice ohne seine Gattin erschienen war, was verständlich war. Für mich vermutlich nur. Er lächelte mich mit einem wissenden Grinsen über den Tisch an. Erwidern konnte ich es nicht, es fiel mir zusehends schwerer, ihn als Geschäftspartner zu akzeptieren.
Van Holten erwartete mich bereits, als ich in sein Büro trat.
„Ah, da seid ihr ja, Maitre Kenway! Ich habe die Liste fertig und hoffe, sie ist vollständig. Wir legen großen Wert darauf, dass alles vermerkt wird. Von den Befindlichkeiten bis hin zu den verfrühten Verabschiedungen. Ihr müsst wissen, das ist wichtig, falls es …“ er stockte für einen Moment und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „… zu einem Anschlag gekommen sein sollte.“
Natürlich war das eine hervorragende Art Protokoll zu führen! So entging nicht die kleinste Kleinigkeit. Erwähnte ich bereits, dass man hier meinen könnte, dass der Orden seine Finger bei der Planung im Spiel haben könnte. Ich fand diese Ordnung und Genauigkeit einfach hervorragend!
Nicht alle kannte ich mit Namen, aber mir fiel auf, dass sehr bekannte Größen darunter waren. Einige waren auch schon in den Kolonien tätig geworden, oder zumindest hatten sie sich für ihren König ein Bild von den Zuständen dort gemacht.
Unter anderem war ein Diplomat namens José Caraces, ein spanischer Vertrauter des Königs zugegen gewesen. Seine Begleitung war aber nicht wie erwartet seine Gattin, sondern, wie sollte es anders sein, seine Mätresse, welche man als „Nichte“ ausgegeben hatte. Dieser Herr war verantwortlich für die guten Beziehungen der beiden Königshäuser und man versuchte anhand von diesen Beispielen auch andere Familien zu vereinen und zu versöhnen. Noch waren die Erbfolgekriege nicht im geringsten beendet. An jeder Ecke züngelten neue Konflikte und neue uneheliche Kinder der Königshäuser tauchten auf. Auf Dauer war sowas schon sehr ermüdend.
Dann gab es noch den englischen Gesandten Michael Brewster, welcher in seiner ebenfalls vermittelnden Stellung, hier ein gern gesehener Gast war.
Dann fiel mein Blick auf Charles Dorian und Gattin! Sie waren also beide anwesend, jedoch nicht sehr lange. Wieder dachte ich daran, dass wir es versäumt hatten, ein Gespräch mit ihm zu suchen. Umgekehrt war die Frage, ob es auf diesem Ball eine gute Idee gewesen wäre mit ihm über die Zusammenführung von Orden und Bruderschaft zu sprechen. Vermutlich war es besser so.
Bei den Pastices wurde vermerkt „Wegen Unwohlsein der Madame Pastice vorzeitig aufgebrochen“! Das war noch untertrieben.
Wenn ich jetzt aber die Zahl der Gäste, welche auch hier nächtigten, überflog, war es unfassbar, wie viele Menschen im Palast zugegen waren, denen man so nie wirklich über den Weg laufen würde. Die Dimensionen hier waren einfach atemberaubend.
„Ich danke euch für eure freundliche Mitarbeit, Monsieur van Holten!“ bedankte ich mich und ging zurück zu unseren Räumlichkeiten.
Dort begann ich Alex von meinen Eindrücken zu berichten. Bei Dorian ging ihr eine berechtigte Frage durch den Kopf.
„Glaubst du, er hat auch etwas mit diesen Mordversuchen zu tun?“ grübelnd rieb sie sich das Kinn.
„Könnte sein, wenn wir ehrlich sind, oder? Aber was ich die ganze Zeit schon wissen wollte, WAS hast du bei Bellec gesehen, mi sol? Du sahst völlig geschockt aus und hast mir ehrlich gesagt kurz einen Schrecken eingejagt.“ Ich konnte meine Neugierde jetzt einfach nicht weiter zügeln!
Alex berichtete mir von dem Kampf mit diesem Sichfrith und dass sein Speer eines der Artefakte ist, welches wir noch hier in Frankreich beschaffen mussten. Sie erzählte von dem Moment als wieder ihre Vorfahrin Thyra in Erscheinung getreten war und dass diese einen Bruder namens Ragnall hatte. Meine Frau hatte natürlich, genau wie ich, keine hinreichenden Geschichtskenntnisse und kannten alle irischen, englischen und skandinavischen Könige und Jarls.
„Wir werden uns da wohl noch ein wenig schlau lesen müssen, mi amor.“ Dieses resignierte seufzen deutete ihre Angst, dass es ein unendliches Unterfangen werden könnte. Vermutlich gab es zig Verbindungen und was mir auch etwas seltsam erschien war die irische Linie. Ich muss es gestehen, in mir keimte eine leichte Eifersucht. Auf Shay? ER konnte am wenigsten damit zu haben, dennoch war dieses Gefühl da.
Vielleicht sollten wir meinen besten Mann im Orden einfach einmal zu Rate ziehen? Im Grunde gab es in seiner Familie eine Bindung an Irland, keine Frage. War diese aber auch so tiefgehend, dass sie mit meiner Frau verbunden war? Wir würden abwarten müssen.
Als ich meiner Gattin nun von den anderen Herren auf der Liste berichtete, sah ich schnell, dass sie mir nicht mehr zuhörte. Die Namen sagten ihr nichts und das ließ ihre Aufmerksamkeit schwinden.
Auf meine Frage, ob ich wieder mit einem Stein reden würde, kam eine ihrer typischen Antworten.
„Doch doch… ich höre schon zu, aber ich kann mir doch nicht alles merken, mi amor. Und seien wir ehrlich, bisher haben diese ganzen Personen auch keinerlei Bezug zu den Morden oder Mordversuchen.“ Sie wollte sich gerade etwas zu trinken eingießen, als ein Diener eintrat.
„Maîtresse Kenway! Ihre königliche Majestät erwartet euch in ihren Gemächern!“ dieser Ton war vorwurfsvoll. Hatte Alex wirklich diesen Termin vergessen? Das konnte unmöglich ihr Ernst sein!
Ein hastiger Kuss für mich auf die Wange und mit schwingenden Röcken eilte sie dem Herren hinterher.
Kopfschüttelnd sah ich ihr nach, setzte mich dann aber an den Schreibtisch und begann mir einige Papiere anzusehen.
Man hatte mir ein paar der Buchhaltungsbücher überbracht, weil es zu Unstimmigkeiten in den Abrechnungen gekommen sei. Der König wollte Gewissheit und bat mich, als neuestes und noch unbeteiligtes Beratermitglied, dem auf den Grund zu gehen.
Wer konnte ahnen, dass es sogar für den kleinsten Handlanger eine extra Sparte gab. Ich wartete nur darauf zu lesen, dass derjenige der einen einzigen Stein geputzt hatte, bezahlt wurde.
Ich verbrachte Stunde um Stunde damit, mir einen Überblick zu verschaffen, machte mir entsprechende Notizen, damit ich für später nicht immer wieder neu nachschlagen musste.
Es gab jemanden, der dafür bezahlt wurde, die dreiarmigen Kerzenleuchter zu polieren. Dieser erhielt einen geringeren Lohn als jemand, welcher einen Kronleuchter putzte. Unfassbar.
Stoffe wurden aus Italien importiert, Schneider wurden in entsprechende Lehren gesteckt, damit sie dieses Handwerk perfekt beherrschen würden.
Buchdrucker wurden beschäftigt für die kirchlichen sonntäglichen Liederlisten! Das Papier war kein gewöhnliches, nein, es war explizit erläutert, woraus es bestehen sollte. Bei Gott, mir rauchte der Schädel irgendwann und ich lehnte mich erschöpft zurück. Mein Blick fiel auf meinen leider bereits kalten Tee und auch dort gab es Anforderungen, woher dieser stammen sollte. Sogar die Mischung wurde hier am Hofe erst zusammengestellt. Das schmeckte man zu meinem Leidwesen auch. Es war nicht mein geliebter britischer Tee. Entschuldigt, ich werde nostalgisch.
Plötzlich trat Alex ein, ging ohne ein Wort zum Sofa und ließ darauf fallen!
„Mi sol, da bist du ja wieder.“ fragte ich leise und etwas erschrocken sah sie mich an. Vermutlich hatte sie mich nicht bemerkt.
Sie lehnte sich an meinen Rücken und seufzte laut.
„Sehe ich eigentlich aus wie eine Kummerkasten-Tante?“ gähnte sie müde.
WAS war eine Kummerkasten-Tante?
„Naja, warum glauben immer alle, ich helfe bei ihren Problemen, ob es nun eher normale einfache Dinge sind oder eben die recht delikaten Sachen betrifft.“
Sie begann zu erzählen, dass Maria sie um Beziehungsratschläge gebeten hatte. Nicht Ludwig betreffend, sondern wegen einer Dame, die sie ins Auge gefasst hatte. Es ging um Ratschläge, wie man sich annähern konnte und ob Alex auch schon ähnliche gleichgeschlechtliche Erfahrungen gemacht hätte. Wobei meine Frau darauf nicht näher eingegangen war.
Im Grunde ging es darum, dass die Königin jemanden brauchte, der ihr – meiner Meinung nach – ein wenig das schlechte Gewissen nahm. Sie verwehrte Ludwig jedweden Beischlaf, hatte sich aber einen Liebhaber zugelegt, wenn ich es richtig verstand. Das waren ja interessante Zustände hier am Königshaus.
„Na, da hat ihre Majestät ja genau die richtige Ansprechpartnerin gefunden!“ leider konnte ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen, was mir einen Ellbogen in die Seite einbrachte.
„Du hast ja auch nicht über zwei Stunden damit zugebracht, Tipps zu geben, wie man jemanden am besten erobern kann!“ Alex hatte sich mit dem Rücken zum Schreibtisch neben mich gelehnt.
„Nein, aber ich finde diesen Anblick gerade sehr anziehend, mi sol. Und dieser Gedanke, dass du dieses Gespräch mit mir teilst, einfach weil du dieses Vertrauen in mich hast, bereitet mir wohlige Schauer!“ Bei meinen Worten schlang sie ihre Arme um mich.
„Ich wusste, du würdest mich unterstützen, mi amor. Und ich bin so froh, dass wir uns ohne viele Worte verstehen!“ Plötzlich griff sie in meine Haare und zog mich fordernd zu sich herunter! „Ich will dich, Haytham.“ hörte ich sie stöhnend flüstern.
Leider musste das warten! Ein Diener meldete, dass das Abendessen anstand und schon standen Bediensteten zum Umkleiden im Raum!
„Vergiss nicht, wo wir stehen geblieben waren, mi sol.“ raunte ich noch an ihr Ohr.
„Wie könnte ich das?“ als ihre Hände auf meinem Hintern lagen und zudrückten, hätte ich … aber dazu später mehr.
Während des Abendessens war Edward einfach unausstehlich. Ein anderer Junge hatte seinen Lieblings-Schimmel kaputt gemacht und er war todtraurig deswegen. Musste er es aber auch hier offen zeigen?
Als er später dann von meiner Frau und Sybill zu Bett gebracht wurde, setzte ich mich an den Kamin und nahm mir ein Glas Whiskey. Mittlerweile hatte man mir meine bevorzugte Marke besorgt und ich genoss den ersten Schluck selig seufzend.
Leider währte dieser Moment nicht lange, weil ein Besucher angekündigt wurde. Jetzt noch?
Es war Monsieur de la Sèrre! Nun gut, er war kein nervtötender Gast, weswegen ich ein wenig aufatmete. Dennoch, es könnte ausarten, wenn wir ehrlich sind.
„Maitre Kenway, verzeiht mein überraschendes Erscheinen. Mir sind aber die Anschläge auf den König zu Ohren gekommen und eure rühmliche Tat natürlich auch.“ er verbeugte sich tief, während er mir seine Hand reichte.
„Ich danke euch, Maitre de la Sèrre. Es war eine Pflicht König Ludwig vor diesem Abschaum zu bewahren.“ erwiderte ich lediglich und bat ihm an, Platz zu nehmen.
„Natürlich, natürlich. Mir hätte natürlich selber schon auffallen müssen, dass hier zwielichtige Gestalten mit im Spiel sind. Es ist unverzeihlich, dass ich das nicht bemerkt habe.“ in seinem Gesicht sah ich eine gewisse Scham, zurecht. Er war bereits eine Weile am Hofe des Königs.
Gerade als er ausholen wollte, ob wir auch noch Charles Dorian mit verdächtigten, betrat meine Frau den Raum. Etwas genervt sah sie von einem zum anderen.
„Maîtresse Kenway, verzeiht mein unangekündigtes Erscheinen. Aber mir sind die Anschläge auf den König zu Ohren gekommen und ich wollte mich selber davon überzeugen, dass man dem ganzen auch Einhalt gebieten würde!“ Diese Worte besänftigten sie wieder etwas.
Unser Bericht über das Verhör folgte, die Durchsuchung des Zimmers und so weiter. Bei Dorians Erwähnung schüttelte er aber vehement den Kopf.
„Ihr haltet immer noch daran fest, dass man die Bünde vereinigen kann, verstehe ich das richtig?“ dieser abfällige Ton in der Stimme brachte Alex zum Kochen.
„Nein, in diesem Falle geht es darum, sicherzustellen, dass die Assassinen nicht noch weitere Personen hier eingeschleust haben.“ dass sie nicht noch ihre Arme wütend vor der Brust verschränkte mit einem Schmollmund war alles. Diese Art war unangebracht, verstand sie das nicht?
„Ich sollte euch bezüglich unserer Leute hier im Palast und in den verschiedensten Ämtern nun aufklären. Und ich weiß, dass es etwas spät ist, aber noch nicht zu spät.“
Und jetzt erfuhren wir, dass van Holten unter anderem ein Templer war, welcher seit einigen Jahren schon gute Dienste hier leistete. Diverse Wachen, Diener und sogar einige Zimmermädchen oder Kammerdiener gehörten dem Orden an. Auch waren einige Zulieferer für die Lebensmittel Templer, wenn auch in niedrigeren Positionen, aber auch das Fußvolk brauchte der Orden um voran zu kommen. Somit deckte man hier in Frankreich fast alle Bereiche ab. Sogar in der Kirche, was nicht wirklich ungewöhnlich erscheint, weil die Lehren der Templer ja auf ihrem Glauben beruhten. In diesem Moment dachte ich über meinen persönlichen christlichen Glauben nach. In Virginia war es, ich will nicht sagen Gottlos, aber es fehlte ein Prediger, welcher Sonntags eine Andacht hielt. Diesen Gedanken musste ich jedoch nach hinten schieben.
Alex erwähnte jedoch noch einmal eindringlich, dass ein Gespräch mit Maitre Charles Dorian unausweichlich sei. Auch wenn man sich nicht jetzt hier und heute einig werden würden. Es ginge lediglich um eine Annäherung.
„Ich hoffe, dass mir dieser Mann nicht gleich die Kehle aufschlitzen will wie meinem… lassen wir das. Wie sagtet ihr so schön, Maîtresse Kenway? Wir müssen über den Tellerrand schauen und die Scheuklappen ablegen!“ Seine Worte besänftigten meine Gattin ein wenig wie ich sah. Er ließ hier umgehend ein Schreiben für den Herren aufsetzen und wir warteten gemeinsam auf eine Antwort. Ich war selber gespannt, ob wir überhaupt eine erhalten würden.
Nach ungefähr einer Stunde erhielten wir die Rückmeldung von Dorian, dass er sich ein wenig Bedenkzeit erbittet! Aber würde uns kontaktieren, sobald er zu einem Entschluss gekommen sei! Das war ein kleiner Fortschritt, wenn man es genau betrachtete.
Es war nun schon dunkel geworden und Monsieur de la Sérre verabschiedete sich mit den Worten, wir würden uns in den nächsten Tagen noch einmal zusammen setzen.
Alex nahm sich ein Glas Champagner und ließ sich wieder auf das Sofa fallen.
„Alex, reicht es nicht auch so langsam?“ es war schon bei der Königin getrunken worden!
„Ich weiß es nicht, aber ich kann heute nicht mehr denken. Erst das mit dem Verhör, dann dieses Gespräch mit Maria, dann Edwards schlechte Laune und… können wir nicht einfach auch mal ganz normal wie alle anderen auch leben?“ Sie klang mehr als genervt und auch sehr müde.
„Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass du soviel im Kopf hattest heute. Zumal ich zu gerne wissen möchte, wie deine Vorfahrin aussah, was sie so erlebt hat…“ Ich nahm sie kurzerhand in den Arm, weil mir ihre Nähe gerade fehlte.
„Sie sieht wirklich aus wie ich, Thyra hat interessant geflochtene Haare und… eine Tätowierung über dem linken Auge. Es sieht aus wie ein Baum…“ Sie zeigte mir die Bilder und ich staunte nicht schlecht.
Dein Ebenbild, fürwahr. Fühlst du sie, kannst du ihre Gedanken spüren? Wollte ich jetzt wissen.
Nein, nicht ganz, aber ich mag mich auch täuschen, weil ich deinen Vater hinter einigen Dingen noch vermute. Mittlerweile bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, wer ich wirklich bin…
Plötzlich brach sie in Tränen aus und ich drückte sie an mich um sie zu trösten.
„Alex, ich weiß wer du bist! Ich habe dich kennengelernt, als du selber noch nicht wusstest, was uns erwartet. Und jetzt? Du bist immer noch dieselbe Frau, welche ich liebe, auf die ich gewartet habe und dann geheiratet habe!“ Diese Worte kamen einfach so über meine Lippen, ich musste nicht darüber nachdenken!
In dieser Nacht wurde ich Zeuge einer neuen Alex. Ich spürte ihre Vorfahrin, ihre Wünsche, ihre Sehnsucht… es war, als würde ich selber in diese Zeit eintauchen. Thyra war eine recht ungestüme Frau, die … nunja, sich nahm, was sie wollte.
An diesem Morgen war etwas anders!
Anders als sonst!
In mir spürte ich Zufriedenheit und Ruhe. Langsam drehte ich mich zu Alex um, weil sie vermutlich noch schlafen würde, wie immer. Doch weit gefehlt!
Sie zitterte am ganzen Körper, starrte mit aufgerissenen Augen zum Betthimmel und die Zeichen auf ihrer Haut glühten regelrecht! Ein wirklich faszinierender Anblick, jedoch stimmte etwas nicht.
Ich fühlte mich nicht, wie solle ich es sagen, wie ich selber. Ein seltsames Gefühl von einer zwiegespaltenen Persönlichkeit keimte in mir auf. In mir kämpften zwei Mächte miteinander, beide waren mir aber irgendwie vertraut. Das ergab doch keinen Sinn.
Ich sah mich vorsichtig um, wir waren in Frankreich, in unseren Gemächern! Aber die Zeit verlief anders, ich konnte es fast vor mir sehen.
Was passierte mit uns schon wieder?
„Mi sol, was ist los? Du zitterst schon wieder und… du meine Güte, du strahlst ja förmlich!“ Ich konnte nicht anders, ich musste sie jetzt ansprechen!
„Ich weiß es nicht… was passiert mit mir?“ Wie ein Blitz war sie aus dem Bett gesprungen und stand mit ängstlich aufgerissenen Augen vor dem Kleiderschrankspiegel.
Mit diesen Zeichen beschützen wir die Menschen … hörte ich unseren Enkel leise sprechen.
Plötzlich durchfuhr mich ein unangenehmer Schmerz und ich sah, wie sich neben mir eine Goldleuchtende Gestalt aufbaute.
Wir sind fast am Ziel wie es scheint … Sprach diese Gestalt, aber sie klang wie ich! Sie trug Rüstung, Schild und Schwert. Ein Krieger?
Alex rief in ihrer Panik den Göttervater an, weil sie Angst um unsere Sicherheit hatte. Außerdem und das war noch wichtiger, wollte sie eine Erklärung hierfür.
Ich sehe es und ihr seid durch die Begegnung mit Bellec weiter, als ich es vorausgesehen hatte. Die Nornen haben mich nicht unterrichtet! Etwas scheint dort eine Blockade zu errichten! Hörten wir Odin zornig sprechen!
Wie aus einem Mund kam es von uns dreien „Hrymr!“
Jedoch war kein Hass oder Zorn zu verspüren, eine Leichtigkeit umgab uns… wir wurden manipuliert! Erneut!
Ihr müsst eine Barriere schaffen! Haltet diese aufrecht, bis wir wieder sicher sein können, dass keine Gefahr mehr droht! Elias klang schon fast panisch in unseren Köpfen, aber auch er hatte diese Präsenz gespürt!
Tyr! (Augenmerk auf Mars Thingsus!) war das letzte was ich noch sah und nun wurde ich meinem angedachten Pendant nähergebracht. Es war seit Anbeginn meines Lebens schon so gewollt, dass dieser Gott an meiner Seite war?
Er hielt schützend seine Hand über uns, so wie ich es auch gelernt hatte. - Beschütze deine Familie - !
Jedoch mussten wir uns vorerst auf die Schutzmauer konzentrieren, ehe wir tiefer gehen konnten! Doch das war nicht so leicht für mich, weil ich völlig durcheinander war. Ein Zustand welcher mir nicht neu, aber immer unangenehm war.
Meine Gedanken formten eine Mauer und mein Geist versuchte sich nur darauf zu konzentrieren, nicht auf den Gott, welcher neben mir erschienen war. Es dauerte eine Weile bis ich fühlte, dass wir wieder sicher vor Hrymrs Machtspielchen waren!
„Du? Hast du es nie geahnt oder gefühlt? Du bist der Kriegsgott, du musst doch etwas bemerkt haben!“ mit diesen Worten holte mich Alex wieder zurück in die Realität und sah mich dabei an entgeistert an.
Wirklich geahnt hatte ich es nicht, ich mutmaßte weiterhin, dass es damit zusammenhing, dass ich dem nordischen Glauben und dessen Göttern nicht so tief verbunden bin, wie meine Frau.
Im nächsten Moment stöhnte sie laut „Bei allen Göttern!“ und ich verstand ihre Verwirrung. Gleichzeitig hatten wir in den letzten Wochen und Monaten kaum bis gar keine Verschnaufpausen gehabt. Besonders Alex nicht, sie lernte immer noch dieses Jahrhundert von Grund auf kennen.
Langsam ließ sich mein Pendant wieder sehen. Tyr begann nun eine Erklärung für mich abzugeben. Immer noch war ich überrumpelt von dieser Erkenntnis, dass ich nicht alleine agierte.
Deine Aufgabe ist dir bekannt! Du schützt deine Familie und stehst den Menschen zur Seite, welche sich nicht selber verteidigen können. Genau das, was du schon seit jeher gelernt hast, setzt du mit deiner Frau und deinen Kindern an deiner Seite fort!
Das Schicksal! Ich wurde ebenso von klein auf darauf vorbereitet eine Beschützerrolle übernehmen zu müssen. Wenn man darüber nachdenkt, ist es schon recht unheimlich, weil über den Kopf hinweg einfach etwas bestimmt wird, ohne dass man selber etwas dazu beitragen kann.
Wie würde sich diese Rolle in späteren Jahren anfühlen? Wie sollte man dem wirklich gerecht werden? Mir ging ein Satz von Mrs Wallace durch den Kopf „Habt Vertrauen in euch selber!“. Das hatte sie vor ein paar Jahren einmal gesagt, als Alex das erste Mal zurück in ihre Zeit gegangen war und ich gefühlt kopflos herumlief.
Vertrauen! In den letzten Jahren konnte ich es wieder aufbauen, jedoch fiel es mir oft noch schwer. Zuviel war in meiner Kindheit und Jugend vorgefallen, als dass ich mein Misstrauen einfach so ablegen könnte.
WEN VEREINE ICH! Hörte ich die schrille Stimme meiner Frau in meinem Kopf und sah, wie sie kauernd auf dem Boden saß. Ihre Arme umschlangen ihre Knie und sie wiegte sich langsam vor und zurück.
Erst jetzt wurde mir klar, dass sie überhaupt niemanden an ihrer Seite hatte, bis auf ihre Vorfahrin. Sollte es aber genauso sein? War auch das schon der Plan der Götter gewesen? Ein wenig kroch das schlechte Gewissen in mir hoch, weil sie sich vermutlich gerade allein gelassen fühlte.
In ihren Gedanken sah ich, dass sie einfach nur noch ein normales Leben wollte. Sie wünschte sich nichts weiter, als wie jeder andere Mensch auch leben zu können. Doch das würde nicht gehen, weil wir eine Aufgabe hatten.
Du vereinst viele! Bald wirst du es erfahren! Doch du musst noch Geduld haben! Die Stimmen kamen von überall her, auch der Kriegsgott neben mir hatte gesprochen.
Geduld und Alex passten zusammen wie Feuer und Wasser! Auch sie wusste das und ich spürte, sie bekam Angst, dass sie gerade dabei war den Verstand zu verlieren. Sie sah für sich in diesem Moment keinen Halt mehr in diesem unserem Leben. Für den Bruchteil einer Sekunde bekam ich Angst, dass sie entgegen dem Befehl vom Allvater, doch wieder in ihre Zeit gehen würde. Einfach aus Trotz und weil sie hier keine Zukunft mehr für sich sah.
Aber dieser Gedanke währte nicht lange und meine Frau saß weinend auf dem kalten Boden.
Tyr zog sich mit den Worten „Ich werde euch nun erst einmal alleine lassen. Beruhige deine Frau, zeig ihr, dass sie nicht alleine ist. Auch sie hat jemanden an ihrer Seite. Es ist aber einfach noch zu früh, ihr das zu zeigen!“ zurück und überließ mich wieder mir selber.
Vorsichtig hob ich sie hoch und trug sie zum Bett. Alex zitterte wie Espenlaub und schluchzte immer noch. Beruhigend redete ich auf sie ein, versprach, dass wir auf einem guten Weg zu unserem Ziel seien und es gemeinsam bewältigen konnten.
„Dass du nichts bemerkt hast von dem Gott an deiner Seite…“ also dachte sie immer noch darüber nach wie ich mich dabei fühlte.
„Ich habe es geahnt, dass ich nicht immer alleine agiere. Und jetzt … schließe deine Augen…“ flüsterte ich weiterhin ruhig auf sie ein.
Wir waren jetzt in Sicherheit, es gab nur uns und keinen Hrymr.
In meinem Kopf brachte ich uns nach Virginia, zur Weideneiche, einem Lieblingsplatz von Alex. Vor uns sahen wir die untergehende Sonne über dem James River.
Ich hörte meine Frau tief einatmen, sie entspannte sich und langsam schlief sie in meinem Arm ein.
Jedoch nicht für lange, es können nur 2 oder 3 Stunden vergangen sein. Auch ich war ein wenig eingedöst. Plötzlich schreckte sie hoch und begann hektisch um sich zu sehen. Immer wieder hörte ich, wie sie sich einredete dass das nicht real gewesen sein kann. Wir wären in Frankreich…
Hatte ich ihr mit meinem Versuch sie auf andere Gedanken zu bringen, etwa in Angst versetzt? DAS war nicht meine Absicht.
Es dauerte, bis ich meine Frau wieder wach hatte. Ich flehte sie an, die Augen zu öffnen und sich umzusehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sahen mich ihre grünen Augen etwas erschöpft an, aber sie lächelte wieder. Ihr Blick ging jetzt erstaunt durchs Zimmer als ihr bewusst wurde, dass es noch dunkel war.
Ich stellte selber mit Schrecken fest, dass es gerade doch noch taghell gewesen war. Wie war das möglich?
Die Eindrücke unserer Welt verschmelzen leider oft mit eurer in Midgard! Wir können es nicht lenken!
Verschiedene Zeiten? Also war es ein Glücksspiel, wo wie viel Zeit verstrich? Inständig hoffte ich, dass wir damit keine größeren Konflikte haben würden. Gerade auch wegen Edward, wenn er einmal nicht mit uns zusammen war und wir in so einer anderen Zeitzone steckten.
Alex hatte sich jetzt beruhigt, legte sich neben mich und schlang Arm und Bein um mich. Ihre Entspannung übertrug sich auf mich, auch mein Atem wurde ruhiger. Doch mir ging dieser absurde Gedanke, dass ich ein Kriegsgott bin, durch den Kopf und ließ mich leise kichern.
„Wir sind eine sehr illustre Familie wie es scheint! Im Grunde fehlen nur noch die Paparazzi, die uns vor der Tür auflauern…“ für einen kurzen Moment gluckste auch sie, aber dann wurde sie ernst, weil ihr einfiel, dass sie mal wieder mit einem Begriff daher kam, den ich nicht kannte. Was waren … Parazzis?
Ihre Erklärung war recht simpel. Das waren also Personen von einer Zeitung, wie der Boston Gazette zum Beispiel, die wichtigen Persönlichkeiten auflauerten um ihre Geheimnisse zu erfahren und dann am nächsten Tag verkünden zu können. Das Ganze wäre recht profitabel, laut Alex. Wenn nämlich noch diese Fotos, wie sie mir erklärte, dazukamen, wo man die Menschen inflagranti erwischt hat, gäbe es horrende Summen als Bezahlung von den Vorgesetzten. Interessante Vorstellung, dass man davon leben konnte. Ein Stadtschreier kann sich oft nicht mal eine Mittagsmahlzeit leisten, geschweige denn ein Dach über dem Kopf.
Als sie geendet hatte, gähnte sie herzhaft, gab mir einen Kuss und schmiegte sich wieder an mich.
„Ich liege tatsächlich mit einem Gott im Bett…“ hörte ich sie noch leise kichern.
Für mich war es auch noch ungewohnt und ich versuchte diesen Tyr in mir zu spüren. Wenn ich das jetzt aufgeschrieben lese, klingt es mal wieder etwas zweideutig. Es anders zu umschreiben fällt mir jedoch schwer.
Es dauerte eine Weile bis auch ich eingeschlafen war, aber meine Nacht blieb nicht traumlos.
Tyr erklärte sich und seine Geschichte in meinem Geiste. Ein illustrer Gott, welcher seinen Arm durch den Fenris Wolf verlor. Auch hier war wieder einmal das Vertrauen ein Bestandteil des Lebens!
Er zeigte mir ein Fest in Hymirs (NICHT Hrymr!!!) Halle, wo er versuchte mit Thor einen Kessel Met zu stehlen unter anderem. Ein faszinierender Ausschnitt, wenn auch nur sehr kurz.
Langsam driftete ich aber in meine eigen Traumwelt ab, weil mein Geist auch endlich zur Ruhe kommen sollte.
Als ich am frühen Morgen erwachte, umgab mich dieses Gefühl beobachtet zu werden. Ich hatte schon oft solche Momente in den vergangenen Jahren gehabt, gerade auch als wir auf der Hut vor Silas Thatcher sein mussten in Boston damals. Dieses mal jedoch war es ein – wie soll ich es nennen – nahes Gefühl. So als stünde man neben mir.
Du wirst dich daran gewöhnen, Haytham. Wie all meine Schützlinge vor dir auch schon. Hörte ich Tyrs Stimme leise in meinem Kopf.
Ich hätte ja auch selber darauf kommen können.
Nach dem Frühstück wurde ich zum König zitiert um ihm meine bisherigen Ergebnisse mitzuteilen.
Leider eine magere Ausbeute musste ich mir selber eingestehen. Aber bis auf ein paar kleine Rechenfehler konnte ich noch nichts gravierendes präsentieren.
„Maître Kenway, das ist nicht das was ich mir erhofft hatte. Seid ihr euch sicher, dass es nicht doch irgendwo eine Lücke in den Zahlungen und Ausgaben gibt?“ erneut sah mich der Finanzminister erwartungsvoll an.
„Ich versichere euch, dass alles recht akkurat niedergeschrieben wird. Jeder kleinste Betrag ist vermerkt. Es sei denn, es gibt in den anderen Büchern noch weitere Unstimmigkeiten. Wie sieht es zum Beispiel mit dem Sold für Soldaten aus?“ hakte ich nach, da ich diese unter Verschluss gehaltenen Bücher noch nicht in Augenschein nehmen konnte.
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass man den Soldaten falsche Gelder zukommen lässt.“ hörte ich einen Herren neben mir, welcher mit eben solchen Dingen vertraut war.
„Warum nicht? Jemand könnte dort kleinere Beträge für sich ab zwacken, ohne dass es groß auffallen würde. Die Soldaten bekommen ihren Sold wie gehabt, aber sie wissen ja nicht, was hinter verschlossenen Türen noch an Gelder fließen.“ gab ich zu bedenken.
Damit hatte ich König Ludwigs volle Aufmerksamkeit.
„Wir sollten auch dort eine gründliche Prüfung durchführen. Ich will endlich wissen, wo die Gelder hin verschwinden. Sie können sich ja nicht in Luft auflösen. Oder haben wir in der Armee etwas anderes übersehen?“ er sah zu seinem Finanzminister, welcher ins Grübeln kam.
„Eure Majestät, nicht das mir so etwas bekannt wäre. Aber ich werde mich umgehend darum kümmern. Maître Kenway, würdet ihr mir dabei behilflich sein? Es sind einige Bücher, die durchgesehen werden müssen.“
Ich versicherte ihm, dass ich ihm zur Hand gehen würde und in den nächsten Tagen meine Forschungen dahin gehend vorantreiben werde.
Gerade als wir erneut auf das Thema der Anschläge kamen, bat ein Diener um Einlass.
„Eure Majestät, eine Auflistung eurer Frau Gemahlin für einen Unterhaltungsnachmittag für die Damen.“ mit einer tiefen Verbeugung übergab er das Schriftstück und verließ den Raum.
Ludwig faltete die Seiten auseinander und seine Augen verengten sich immer weiter. Plötzlich fuhr seine Faust donnernd auf die Tischplatte, dass es klirrte.
„Maria will mich bankrott sehen! Das muss es sein!“ fauchte er hinter zusammen gebissenen Zähnen und knüllte das Papier wutentbrannt zusammen.
Der Finanzminister griff vorsichtig danach und auch er traute anscheinend seinen Augen nicht. Wortlos reichte er es an mich weiter.
Für den besagten Nachmittag plante man eine Reihe erlesener Speisen, Musiker, Sklaven und natürlich Champagner und diverse exotische Getränke und Früchte.
Meine Frau war nach dem Frühstück zur Königin gerufen worden und jetzt wusste ich zumindest, was man dort gerade besprach. Mir erschloss sich nur nicht, wofür man extra Sklaven anheuern wollte. Musiker waren ja noch vertretbar.
„Jetzt wisst ihr zumindest wo ein Teil der Schatzkammer des öfteren hin verschwindet. Von den Schulden meiner Gattin einmal abgesehen.“ Ludwig war es sichtlich unangenehm, dass seine Frau so verschwenderisch mit Geld umging.
Mit zwei Ministern machte ich mich kurz darauf auf den Weg zum Archiv, um die Bücher zu holen. Es waren insgesamt 8 Stück. Allesamt dicht beschrieben und ein Teil reichte 7 Jahre zurück.
„Vielleicht gibt es ja doch noch Posten, die entfernt wurden, aber nicht aus den Soldlisten“ grübelte der Finanzminister auf dem Weg zu meinen Gemächern.
„Irgendwo muss das Geld ja bleiben und ich bin zuversichtlich, dass ich eine brauchbare Spur finden werde.“ versicherte ich ihm.
„Wollen wir es hoffen, Maître Kenway. Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg bei der Recherche.“ mit einer tiefen Verbeugung verließ er das Vorzimmer.
Ich selber setzte mich an den Schreibtisch und ließ meinen Blick über die beachtlichen Bücher schweifen. Abgegriffen, fleckig und alt.
Im selben Moment erschien auch Alex wieder hier und stand erschöpft einen Moment im Raum.
Ich sprach sie auf ihren Vormittag bei der Königin an, weil mich interessierte, ob sie wusste, was alles geplant war für den Damennachmittag.
„Du kannst es dir nicht vorstellen, aber hier wird ein Heiden Geld verprasst für einen einzigen Nachmittag für die Damen der höheren Gesellschaft. Es tut mir in der Seele weh, weißt du das?“ seufzend ließ sie sich vor der Kommode auf einen Hocker sinken. Die Zofen und mein Kammerdiener waren bereits erschienen um uns für das Mittagessen umzuziehen.
Die Laune unseres Sohnes war heute definitiv besser und als er seinen Mittagsschlaf antrat gingen Alex und ich in den Schlossgarten. Langsam schritten wir den Kiesweg entlang und genossen diese Ruhe.
„Weißt du, dass es diese Momente sind, welche ich so gerne öfter haben möchte, mi amor?“ völlig in Gedanken versunken besah sie sich einen Rosenbusch.
„Dann sollten wir sie genießen, mi sol. Auch mir fehlt mitunter diese Ruhe. Gerade in den letzten Tagen war es wieder für den Geist sehr anstrengend.“ sprach ich leise um sie nicht aus dieser Stille zu reißen.
„Und das aus dem Mund eines Kriegsgottes.“ kicherte sie leise.
Da kam mir ein etwas absurder Gedanke. Wie sollte ich in Zukunft damit umgehen, war dieser Tyr allgegenwärtig? Musste ich etwas tun um ihn heraufzubeschwören?
Nein mein Sohn. Ich bin wie alle Götter immer bereit, immer da um euch zur Seite zu stehen. Natürlich ziehen wir uns bei einigen … Dingen selbstverständlich zurück. Auch er klang leicht belustigt dabei.
„Danke“ war alles was ich darauf erwiderte und vielleicht sollten wir ihn einmal auf die Probe stellen, ob wir wirklich auch ab und an alleine waren. Mein Blick ging hinüber zu einem etwas abgelegenen Pavillon. Ohne ein weiteres Wort zog ich Alex einfach hinter mir her und wir stellten vermutlich alle Götter auf die Probe, als ich meiner Frau bewies, dass sie mir gehörte!
Diese kleine Auszeit hatte uns gut getan und entspannt verbrachten wir den Nachmittag mit unserem Sohn im Freien.
Plötzlich eilte uns Monsieur de la Sèrre mit einem Zettel in der Hand winkend entgegen.
„Ah, endlich habe ich euch gefunden. Maîtresse Kenway, Maître Kenway!“ mit einer Verbeugung ließ er sich neben uns auf einer Bank nieder.
Edward beäugte ihn etwas skeptisch, ging aber langsam auf ihn zu. Mit einem Male hörten wir „Mama...daaaaaa“ und er deutete auf den Franzosen. Den Herren umgab eine leuchtende goldene Aura, welche unserem Sohn nicht entgangen zu sein schien.
Francois nahm ihn auf seinen Schoß und fragte nach, was er denn meinen würde.
Alex versuchte eine etwas stotternde Erklärung.
„Unser Sohn ist euch wohlgesonnen. Er … erkennt die Menschen anders, als andere.“
„Ihr meint, Maître Edward hat ein Gespür für freundliche Menschen und die, die ihm nichts gutes wollen? Das ist faszinierend. Ich hoffe, ich kann meinen Kindern später auch diese Fähigkeit beibringen. Sie ist gerade in unseren Kreisen so wichtig.“
Meiner Gattin sah ich an, dass sie über seinen Nachwuchs schon Bescheid wusste.
Es gibt später eine Tochter, Elise. Sie wird sich mit dem Sohn von Dorian zusammentun. Hörte ich eine kurze Einweisung von ihr in meinem Kopf.
Aber der französische Templer kam jetzt auf das Schreiben in seiner Hand zu sprechen. In diesem bat uns Monsieur Dorian um ein Treffen am Abend in seinen Räumlichkeiten.
Endlich hätten wir die Gelegenheit mit ihm in Ruhe zu reden.
Nach dem Abendessen jedoch befand Edward, dass es für ihn noch längst nicht Zeit sei um zu schlafen. Er schrie und zappelte herum, so dass weder Alex noch Sybill ihn zur Ruhe brachten.
Geh mein Sohn und hilf ihm, sich zu entspannen. Tyrs Stimme hat diesen väterlichen Ton angeschlagen, welchen ich noch von meinem Vater kannte.
„Was hast du denn, Edward? Stimmt etwas nicht?“ fragte ich leise nach, als er auf meinem Arm war.
Ich begann im Geist mit ihm zu reden und wanderte langsam mit ihm durchs Zimmer. Zum ersten mal machte ich das, wurde mir bewusst.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Alex mit wütendem Blick umdrehte und das Zimmer verließ. Ihre Eifersucht kannte bei unserem Sohn anscheinend auch bei mir keine Grenze. Doch das musste jetzt warten.
Schnell wurde klar, dass Edward die Veränderung in mir gespürt hatte und etwas verunsichert war. Noch war er zu klein um all das zu verstehen und hatte deshalb Angst. Ich versprach ihm, dass er in unserer Gegenwart nie etwas zu befürchten hätte, dass wir alle auf ihn Acht gaben.
Meine Hand schloss sich um seinen Kopf und langsam legte er ihn auf meine Schulter. Sein Atem wurde ruhiger und sein ganzer Körper kam zur Ruhe.
„Wir sind immer für dich da, Edward. Hab keine Angst und ich bin sicher, auch du wirst bald erfahren, wer an deiner Seite steht.“ flüsterte ich, als ich ihn vorsichtig in sein Bett legte.
Ich blieb noch eine Weile bei ihm sitzen und betrachtete diesen kleinen Menschen. In mir keimte ein leises schlechtes Gewissen auf. Nie hatte ich so meinen anderen Sohn gesehen. Würde er mir das verzeihen können?
Deine Frau hat dir ein Versprechen gegeben, oder nicht? Vertraue ihr! Es wird leider nicht gleich morgen soweit sein. Wieder war der Gott in meinem Kopf mit diesem ruhigen Tonfall, den nur Väter an sich haben.
Als ich ins Empfangszimmer trat, wischte meine Frau sich Tränen vom Gesicht. Auf ein Kopfschüttelnd von Sybill hakte ich nicht nach, was vorgefallen war. Im Grunde konnte ich es mir ja denken. Alex hatte immer noch ein Problem damit, wenn jemand außer sie selbst unseren Sohn beruhigen konnte. Ich nahm sie nur in den Arm, damit sie wusste, dass ich auch für sie immer da sein werde.
Damit war aber der Abend noch nicht beendet, weil wir noch den Termin mit Monsieur Dorian hatten. Auf dem Weg dorthin trafen wir unseren Begleiter Monsieur de la Sèrre und gingen gemeinsam weiter.
Seine Gemächer lagen im ersten Stock des Gästeflügels mit einem wunderbaren Blick auf den Schlossgarten.
Ich hatte ein etwas eigenartiges Gefühl im Magen, weil ich – nicht zum ersten Mal wohlgemerkt – einem mir fremden Assassinen gegenüberstand. Noch hatte ich dieses Misstrauen nicht gänzlich abschütteln können, vermutlich würde ich dies auch nie.
Nach einer steifen Begrüßung polterte Dorian ohne Vorwarnung auch gleich los.
„Monsieur de la Sérre, wie könnt ihr es eigentlich wagen, um ein Treffen zu bitten, wo ihr doch wisst, dass ich noch eine offene Rechnung mit dem Orden habe. Ihr als des Königs Stiefellecker solltet es doch wohl besser wissen.“
Leider war ich, genau wie Alex, nicht ganz im Bilde, was genau zwischen ihnen vorgefallen war. Es ging um einen Mord soviel ich wusste. Aber musste man gleich so ausfallend werden.
„Ich muss doch wohl sehr bitten…“ und Francois Blick glitt entschuldigend in die Richtung meiner Frau. Vermutlich kannte sie ganz andere Beschimpfungen und war abgebrühter als die Herren hier vermuten würden.
* Hier folgt ein etwas veränderter Auszug aus
„Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ Kapitel 23 - Hauptstory *
Dieser Schlagabtausch ging eine Weile hin und her und langsam wurde uns klar, worum es eigentlich ging.
Mal wieder hatten beide Seiten nicht ganz korrekte Hinweise und Nachrichten erhalten, was sie veranlasste entsprechend falsch zu handeln. Daraus resultierte der Tod des besten Mannes von de la Sérre und Dorian verlor darüber hinaus auch noch seinen Mentor.
Hier in Frankreich war also tatsächlich unsere Lehre von der Zusammenarbeit noch nicht angekommen.
Alex versuchte den Herren die Fortschritte in England aufzuzeigen und dass man in kleinen Schritten sich sicherlich irgendwann annähern könnte. Leider erntete sie ein einheitliches Kopfschütteln.
„Das mag ja sein, aber wir haben hier mit ganz anderen Problemen zu kämpfen wie ihr wisst.“ sprach Charles und sah sie dabei ein wenig abwertend an, so als würde er ihr ihre Position nicht zutrauen.
„Das ist uns bewusst, Monsieur Dorian. Aber bedenkt, was ihr erreichen könntet, wenn die Bruderschaft und die Templer auch hier einen, wenn auch kleinen, Waffenstillstand erreichen würden. Hier in Frankreich steht ebenfalls nicht alles zum Besten, es geht um die Bevölkerung und nicht nur um die Ordens- oder Bruderschaftsbelange. Diesen Kleinkrieg werden wir vermutlich nie ganz beilegen können, aber wir sollten es versuchen.“ sprach Alex mit einer Autorität in der Stimme, die sich auch in ihrer stolzen Körperhaltung widerspiegelte.
„Als wenn ihr wüsstet, wovon ihr sprecht, Maîtresse Kenway. Ihr seid behütet aufgewachsen, habt nie das Leben wie es sich wirklich zuträgt erlebt. Also erzählt mir nicht, wie sich die Bevölkerung fühlt!“ fauchte der Assassine sie an. Was fiel diesem Mann ein, meine Gattin so anzugehen! Bevor ich jedoch agieren konnte, redete Alex weiter.
„Oh, ich glaube sehr wohl zu wissen, wie es um die Menschheit bestellt ist. Nämlich erbärmlich, wenn sie von zwei Seiten bedrängt wird! Natürlich werde ich euch keine Garantie geben können…“ jetzt war es Francois, welcher ihr ins Wort fiel.
„Es gibt immer Widersacher, welche sich aber im Rahmen halten. Ich vermute ein Großteil unserer Bünde würde sicherlich übereinkommen!“
Dorians Blick ging von einem zum anderen und blieb dann wieder bei meiner Frau hängen.
„Warum seid ihr so entschlossen eine Vereinigung zu erwirken?“
Es trat eine kurze Pause ein, in welcher Alex eine Antwort suchte. Plötzlich sah ich, dass ihr eine Idee kam, ob sie aber funktionieren würde, war fraglich.
Alex sprach unter anderem auch die Vorläufer an, weil wir eigentlich sicher gehen konnten, dass beide Franzosen darüber im Bilde waren. Deren Artefakte und die Suche danach, die schon seit Ewigkeiten beide Bünde antrieb, wurde mit eingebaut. Gemeinsam könnten wir schneller ans Ziel kommen, gemeinsam wäre es möglich diese Kräften in die richtigen Bahnen zu lenken.
Außerdem kam sie auf ihren eigenen Wunsch, dem Orden beizutreten zu sprechen. Jedoch missfiel Dorian diese Entscheidung und er schüttelte ohne ein Wort leicht den Kopf. Alex erwähnte auch ihre eigenen Kompromisse, die daraus resultierten.
„Aber was machen wir dann mit diesen Widersachern, welche unseren Fortschritt nicht wahrhaben wollen?“ in Charles´ Gesicht lag ein berechnender Ausdruck, er spekulierte darauf, dass sie sagte, sie würden den Tod finden.
„Diese Personen würden versuchen die Spitzen der Bünde zu eliminieren. Also muss man ihnen zuvorkommen und sie aufhalten. Leider wird es nicht ohne Blutvergießen gehen, befürchte ich.“ Es war die schlichte Wahrheit.
„Aufhalten können wir sie nicht! Was aber auch bedeutet, wir müssten noch mehr vertrauenswürdige Leute haben, die sich um diese Probleme kümmern. Wer aber soll das alles im Auge behalten?“ wieder war Charles sich sicher, dass sein Standpunkt der richtige war.
„Nein, aufhalten könne wir sie nicht wie schon gesagt! Auch kann ich euch keine hundert prozentige Garantie geben, aber ich kann euch sagen, dass mehr Menschen diesem Beispiel folgen werden, wenn sie erst einmal die positiven Seiten erkennen. Und ja, ich weiß! Das wird dauern und ich wiederhole mich! Das passiert nicht von heute auf morgen, aber ich will diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen, Monsieur Dorian. Auch ihr wollt sicher für eure eigenen zukünftigen Kinder diesen Frieden haben, oder sehe ich das falsch?“ es war in diesem Moment fraglich, ob dieses Argument schon ziehen würde.
„Meine Kinder… wer weiß schon, was irgendwann einmal sein wird.“ diese Resignation war nicht zu überhören, es klang, als hätte er bereits jetzt schon jede Hoffnung und jeden Glauben aufgegeben!
Ich entschied, dass auch ich meinen Beitrag leisten sollte. „Entscheidet euch nicht jetzt sofort. Niemand erwartet das von euch, Monsieur Dorian. Aber ich bitte euch einmal darüber nachzudenken. Es geht, wie ich es immer wieder betonen möchte, nicht um die Assassinen oder Templer alleine. Wir tragen Sorge für die gesamte Menschheit und es brauen sich Dinge zusammen, welche größer und tragischer sind, als wir erahnen können!“
„Ich weiß, ich weiß… wenn es nicht der Weltuntergang ist, so ist es das Unwissen, die Machtlosigkeit und die Unvernunft, welche uns in das Verderben stürzen wird.“ ein tiefes Seufzen und dann erhellte sich seine Miene. „Ich werde mich mit den Ältesten beraten und dann…“ er machte eine Pause und sah dann wieder von einem zum anderen. „Was machen wir mit Honoré Bellec? Ich hatte keinerlei Einfluss auf seine Taten, dass müsst ihr mir glauben…“ und plötzlich spielten sich wahre Romane in seinem Gesicht ab.
Charles kam die Erkenntnis, dass genau dieses Handeln von Bellec falsch war! Dieser hatte sich nicht beirren lassen, sondern war blind Befehlen gefolgt!
„Jesus, ich weiß jetzt was ihr meint… Wir müssen unser gesamtes Denken überarbeiten!“ diese Erkenntnis von dem Franzosen erzeugte bei mir eine wahre Erleichterung.
Er hatte verstanden, aber würde er es auch entsprechend umsetzen können?
Die folgende Stunde verbrachten wir mit Erklärungen und wie die beiden Bünde eine Annäherung zustande bekämen. Wir würden auch den „stillen“ Zweig des Ordens, welcher seinen Ursprung in London hat, mit einbeziehen um für die Sicherheit einzelner Personen sorgen zu können.
Hier in Frankreich wäre das Ganze Unterfangen jedoch nicht so leicht. Noch glaubte man hier an den König, an dessen Schutz und guter Führung. Wie ich von Alex wusste, würde es in einigen Jahren erst ganz anders hier aussehen. Auch hier stand dann eine Revolution an, die mit hohen Verlusten einherginge, aber den bitter nötigen Umschwung für Frankreich brachte.
Irgendwann meinte Dorian, dass er sich noch ein wenig Bedenkzeit erbitte, weil er diese weittragende Entscheidung nicht alleine treffen konnte und wollte. Natürlich stimmten wir dem zu, weil es sich um eine ziemlich große Bruderschaft handelte.
* Ende des Auszugs *
Als wir uns auf dem Weg zurück zu unseren Gemächern befanden, fuhr de la Sèrre aus der Haut.
„Wie lange will er denn noch warten?“
„Auch er braucht einen Moment und ich gehe davon aus, dass seine Entscheidung positiv ausfallen wird.“ damit hoffte ich, dass der Franzose ein wenig Geduld aufbringen konnte.
Ein etwas zögerliches Kopfnicken und eine kurze Verabschiedung von ihm folgten und wir zogen uns auch für die Nachtruhe zurück.
„Es geht voran, Haytham. Ich bin gerade sehr zuversichtlich, dass unsere Mission bald Früchte tragen wird.“ sprach Alex leise, als wir uns im Schlafzimmer umkleiden ließen.
„Ich habe nie an deinen Vorstellungen und Wünschen gezweifelt. Du hast dich wieder gut geschlagen heute und ich glaube, dieser Dorian ahnt selber, dass er sonst auf einsamen Posten stehen wird, sollte er sich gegen unseren Vorschlag stellen.“ ein stolzes Lächeln in ihre Richtung sollte ihr zeigen, dass ich hinter ihr stand.
„Shay wird ihm trotzdem den Tod bringen.“ flüsterte sie plötzlich leise.
„Ich weiß, Alex. Aber es ist unvermeidbar, oder?“ war es das wirklich? Vermutlich ging uns beiden diese Frage gerade durch den Kopf.
Wir durften die Geschichte nicht ändern, soviel war uns klar. Der junge Dorian würde ein gänzlich anderes Schicksal erleben, wenn sein Vater weiterleben würde. Damit verbunden wäre ein ganzer Rattenschwanz an kleineren Veränderungen, die wir kaum überblicken könnten. Also war es eindeutig ein Nein! Es war unvermeidbar!
Heute war eine deutliche Anspannung schon beim Frühstück unter den Gästen und Bewohnern von Versailles zu spüren. Jedermann schien auf diese Hinrichtung zu warten. Ein Spektakel, welches man nicht jeden Tag zu sehen bekam und man wollte nichts verpassen.
Während des Essens debattierte man darüber, was diese Männer verbrochen haben könnten, was ihnen eine solch „barbarische“ Methode einbringen würde. Odin sei Dank, hatten sich die Anschläge noch nicht herumgesprochen.
Wie es schien konnte man hier am Hofe doch Geheimnisse für sich behalten und tratschte nicht gleich aus dem Nähkästchen.
Wir übergaben anschließend unseren Sohn seinem Kindermädchen. Es war Alex und mir wichtig, dass er nicht wie einige andere Kinder bei der Hinrichtung anwesend war. Auf der einen Seite war es sicherlich wichtig, dass der Nachwuchs lernen musste, dass auf ein Verbrechen eine Strafe folgte. Auf der anderen Seite war es aber sicherlich nicht förderlich mit nicht einmal drei Jahren so etwas zu sehen. Leider sahen es hier einige Eltern aber anders und schleiften ihre Kinder mit sich.
Langsam schritten wir den anderen Menschen hinterher, welche sich immer noch fragten, WER denn heute WIE sein Leben lassen musste.
„Ein ganz übler Schurke, wenn ihr mich fragt. Er hat angeblich zwei Kinder seiner Mätresse ermordet, weil sie ihm eine Last wurden!“ oder aber „Der andere Mann hatte sich mit einem… ich mag es nicht sagen… mit einem anderen Herren erwischen lassen, wie sie es… ihr wisst schon…“
Sowas konnte man sich ja nicht mit anhören, also eilten wir schnellen Schrittes an den anderen Schaulustigen vorbei, weg von diesen völlig unangebrachten Aussagen.
Der Vorplatz von Schloss Versailles war weder umzäunt noch war er großartig bewacht, was für meine Begriffe eher untypisch war. Vermutlich ging niemand von einer Bedrohung oder einem Befreiungsversuch der beiden Delinquenten aus.
Alex´ Sicht wurde jedoch von einigen großgewachsenen Herren versperrt. Kurzerhand hob ich sie auf einen Karren, von dort konnte sie alles überblicken.
* Ein kurzer veränderter Auszug aus
„Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ Kapitel 24 - Hauptstory*
Dann endlich kam Bewegung in die Menschenmassen und ich sah einen von einem Pferd gezogenen Wagen, auf dessen Ladefläche Honoré Bellec und Dagenais gefesselt saßen. Beide Männer sahen immer noch zum Fürchten aus, weil ihre Gesichter zahlreiche Blutergüsse aufwiesen und sogar an den Armen und Beinen waren blaue Flecken zusehen.
„Wie werden die beiden eigentlich hingerichtet?“ fragte Alex nach, doch ich wies mit dem Kopf wortlos zum Schafott. Ihr Blick wanderte in die Richtung wo ein Hackklotz stand in dem ein Beil steckte. Daneben war eine Art kleiner Pfahl, an welchem Lederbänder befestigt waren. Der Henker Barabás stand schon parat und hielt ein Breitschwert in den Händen. Natürlich sah man sein Gesicht nicht, es war unter einer Haube verborgen, aber vermutlich hatte er keinen getrübten Ausdruck aufgesetzt.
Beide Herren wurden nun hinauf gehievt und man band sogleich Dagenais mit den Händen an den kleinen Pfahl. Bellec hingegen wurden die Hände auf den Rücken gefesselt und man beugte ihn über den Hackklotz.
Ein Raunen ging durch die Menge als nun der Richter vortrat und das Urteil und die Vergehen verkündete. Als er sagte, dass die beiden Männer sich eines Anschlages auf den König schuldig gemacht hatten, hörte man entsetzte Aufschreie.
Schockiert fragte eine Frau, die bei Alex mit auf dem Karren stand „Man wollte König Louis ermorden? Aber warum denn das? Oder hat auch der König sich etwas zu schulden kommen lassen?“ sie war näher gekommen und erhoffte sich anscheinend neue Gerüchte zu hören. Alex würde einen Teufel tun, die Gerüchteküche anzuheizen. Enttäuscht und mit einem „Pfffffffft, nicht mal auf die Höflinge ist heute noch Verlass!“ stieg sie von dem Karren hinunter.
Monsieur Dagenais wurde als erstem erklärt, wie er sterben wird. Er würde mit dem Schwert enthauptet werden und ich hörte die Leute um uns jubeln. „Ja, das hat dieser Schmarotzer auch verdient.“ „Man sollte ihn besser vierteilen“ „Nieder mit dem Pack“ und so weiter… Es war, als wohnten diese Menschen einem Theaterstück bei. Man könnte meinen, sie nahmen das Ganze überhaupt nicht ernst und machten sich einen Spaß daraus.
Vom Schafott hörte man plötzlich ein klägliches Wimmern. Dagenais betete zu Gott, bat um Vergebung und weinte dabei. „Er hat keine Gnade verdient!“ höhnten die Zuschauer und einige lachten auch noch über diese Aussage.
Dann holte Barabás mit dem Schwert aus, welches er in beiden Händen hielt und ließ es mit großem Schwung von der Seite auf den Hals des Verurteilten schnellen! Auch wenn es sich makaber anhören mag, der Schnitt war sauber gesetzt und trennte augenblicklich den Kopf ab. Plötzlich legte sich die zitternde Hand meiner Frau auf meine Schulter. Zur Beruhigung drückte ich sie. Ich musste davon ausgehen, dass sie so etwas noch nie zuvor gesehen hat. Wieder einmal war meine Neugierde angestachelt im Bezug auf die Hinrichtungsmethoden in ihrer Zeit. Vielleicht hätten wir später die Gelegenheit für eine kleine Unterhaltung.
Jetzt war Bellec an der Reihe. Doch er machte kein einziges Geräusch, er rührte sich noch nicht einmal. Er hing vornüber gebeugt auf dem Klotz und harrte der Dinge die jetzt mit ihm geschahen!
Der Richter trat noch einmal vor ihn und sprach ein leises Gebet, genau wie bei Dagenais gerade. Aber Honoré flehte nicht um Gnade. Er hob nicht einmal seinen Kopf. Plötzlich hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. „Ich bin besiegt, ich habe nichts mehr zu verlieren. Aber mein Sohn wird mich rächen, er wird die Bruderschaft aufrecht erhalten! Komme was da wolle!“ und dann rollte auch sein Schädel in den Korb vor ihm und die Stimme verstummte augenblicklich!
Meine Frau begann heftiger zu zittern und drohte ohnmächtig zu werden. Schnell hob ich sie vom Karren und hielt sie fest an mich gedrückt. In einigen Belangen war sie hart im Nehmen, aber hier ging es um Menschenleben die genommen wurde und auch mir war etwas mulmig geworden.
„Shhhhh, es ist vorbei, sieh nicht mehr hin, mi sol.“ sprach ich leise und strich ihr dabei immer wieder beruhigend über den Rücken. „Ich habe es auch gehört und ich frage mich gerade, ob wir seinen Sohn einmal aufsuchen sollten…“ ging es mir durch den Kopf.
„Lass uns von hier verschwinden, Haytham. Ich kann das nicht länger mit ansehen.“
Mittlerweile hielten der Richter und auch der Henker die Köpfe der Getöteten in die Höhe und versprachen der Bevölkerung, jeden einzelnen zu finden, der es wagen sollte eine solche Tat noch einmal verüben zu wollen!
Im Palast wieder angekommen, ließ Alex sich auf eine der Bänke im Foyer fallen und stützte ihren Kopf in beide Hände. Ich suchte nach einem Diener, welcher etwas zu trinken anbieten konnte. Und tatsächlich hier schlenderten zwei dieser Herren mit Erfrischungen herum. Erschreckend, wie aus diesem so widerwärtigen Akt eine harmlose Veranstaltung gemacht werden sollte.
Meiner Frau reichte ich ein Glas Cognac um ihren Magen und die Nerven zu beruhigen.
„Ich hoffe, ich muss so etwas nie wieder sehen, mi amor. Das ist einfach grausam!“ stöhnte sie leise und sah mich traurig an.
Jetzt oder nie, dachte ich und fragte nach den Strafen für Verbrecher in ihrer Zeit.
„Ich gehe einfach davon aus, dass in deiner Zeit keine Hinrichtungen wie diese stattfinden? Aber wie bestraft man denn dann einen Mörder?“ ich setzte mich neben sie und hielt wieder ihre Hand fest.
„Ähm… es gibt die lebenslange Haftstrafe zum Beispiel. Was aber etwas falsch klingt, weil es meistens so 25 Jahre in einem Gefängnis wären, also nicht wirklich für den Rest des Lebens. Aber die Todesstrafe gibt es nur noch in wenigen Ländern. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, wo genau…“ kurz runzelte sie die Stirn.
„Man versucht also solche Menschen zu züchtigen, in dem man sie einfach wegsperrt? Ich hoffe doch, sie bekommen nur Wasser und Brot und müssen schwer arbeiten, während sie dort einsitzen.“ das wäre angemessen, meiner Meinung nach. Aber Alex erklärte mir, wie so eine Haftstrafe aussehen konnte.
Der Alltag in einem Gefängnis dort beginnt mit frühem Aufstehen, frühstücken und meistens gehen die Insassen danach einer geregelten Arbeit in oder außerhalb der Anstalt nach. Je nach Schweregrad ihres Verbrechens und des Urteils.
Da gab es Unterschiede? Das klang alles recht absurd.
Die Inhaftierten wurden dann abends wieder eingeschlossen und so verbrachten sie ihre Haftstrafen.
Es gab aber noch sogenannte Hochsicherheitsgefängnisse oder auch entsprechende – wie hießen sie noch? - Psychiatrien, wo die „schweren Jungs“ einsaßen. So nannte sie Alex. Dort wurden einige aufgrund eines Fehlers in ihrem Kopf behandelt zum Beispiel. Ausgang war nicht erlaubt, Besucher auch nicht.
Für mich klang es eher nach dem Paradies für Verbrecher. Härtere Strafen müssten sie bekommen.
„Ich lebte aber in einer Zeit, wo es die Ethik und Moral nicht mehr zulässt, Haytham. Es ist vermutlich wie mit der Erziehung bei Edward. Du würdest ihn sicherlich auch anders bestrafen, wenn er etwas angestellt hat, als ich es tun würde…“ dieses Themen könnte man noch über Stunden weiterführen. Ich befürchtete, dass wir genau DAS irgendwann auch tun würden müssten.
„Wir sollten unseren Sohn jetzt erst einmal suchen und schauen, ob er auch brav war. Was meinst du, mi sol?“ lächelte ich sie jetzt an und zog sie mit hoch.
Nachdem mein Sohn bei Tisch wieder mal seine nicht vorhandenen Manieren präsentiert hatte, welche Alex entschuldigte in dem sie sagte, dass es besser werden würde, wenn erst einmal mit Messer und Gabel umgehen könne, gingen wir in unsere Räumlichkeiten zurück. Während meine Frau den jungen Herren wusch und zu Bett brachte, erschien ein Bote mit einer Nachricht für sie von Königin Maria und einer von Ludwig für mich. Ich überflog meine Notiz, welche besagte, dass aus Übersee erfreuliche Neuigkeiten eingetroffen wären. Ich hoffte auf einen ereignisreichen interessanten Nachmittag.
Als meine Frau ihre Zeilen gelesen hatte, ließ sie sich seufzend auf dem Sofa nieder. Ob alles in Ordnung wäre, hakte ich nach.
„Ja, es ist nichts passiert. Nur der Damentag findet erst heute Abend statt. Also habe ich den Nachmittag noch frei und… ich weiß gerade nicht, was ich machen soll.“ sie klang wie ein nörgeliges Kleinkind, fast so wie July, dachte ich im Stillen.
Ich schlug ihr vor, da ich ihr leider auch keine Gesellschaft leisten könne, sich doch den anderen Damen anzuschließen. Sie würde es nicht tun, da war ich mir sicher. Teekränzchen mit Getratsche waren einfach nichts für sie.
Ein Abschiedskuss durfte nicht fehlen, auch wenn mir gerade nach weitaus mehr war als das.
Man erwartete mich schon im Studierzimmer von König Ludwig.
„Wir haben hervorragende Neuigkeiten aus der neuen Welt, Maître Kenway.“ freute sich einer der heute hier anwesenden Majore. „Wir konnten einen Vorstoß im nördlichen Amerika vollenden. Bald werden wir dort noch mehr Truppen hin entsenden, um die Territorien zu sichern für Frankreich.“
„Aber bedenkt, dass wir uns nicht in die Belange der britischen Krone einmischen. Wir können nicht noch mehr Verluste aufgrund dieser kleineren Scharmützel hinnehmen. Erst vor einem halben Jahr hat man eine große Einheit unserer Leute gesprengt und sich weiter in unser Gebiet vorgearbeitet. So etwas ist einfach nicht hinzu nehmen!“ fauchte ein weiterer Herr in Uniform.
Der Franzosen-Indianer Krieg schien gerade nicht von Belang zu sein. Doch ich als Brite hatte gerade ein etwas eigenartiges Gefühl im Bauch. Ich konnte mich schlecht auf die Seite der Franzosen stellen, aber auch auf die britische Seite konnte ich mich gerade nicht stellen. Eine Zwickmühle und alle Augen waren auf mich gerichtet. Erwartungsvoll dazu!
„Dieser Erfolg ist wirklich hervorragend und sollte weiter vorangetrieben werden. Bedenkt jedoch, die Briten werden sich nicht einfach so geschlagen geben. Es ist Vorsicht geboten, wie ihr schon sagtet. Zumal es bereits in den Kolonien anfängt zu brodeln wegen einiger absurder Steuern König Georges.“ gab ich zu bedenken.
„Das zeugt nur davon, dass die Schatzkammer Englands wohl bereits leer ist. Wir hingegen können die Truppen ausbauen und weitere Gebiete einnehmen. Ich sehe dem Ganzen Positiv entgegen.“ erwiderte der ebenfalls anwesende Finanzminister zuversichtlich.
„Das schon, aber ihr solltet die Eingeborenen ebenso nicht unterschätzen.“ aus eigener Erfahrung und aus Erzählungen von Ziio und Alex wusste ich, dass sich da in den kommenden Jahren mehrere kleinere Kriege um die Gebiete ergeben werden.
„Wir haben kompetente Männer dort, die sich schon ausreichend verständigen können mit den einzelnen Stämmen. Niemand wird dort einfach abgeschlachtet, wie ihr vielleicht vermutet, Maître Kenway.“ diese Überheblichkeit ließ mich wütend werden. Aber der Herr konnte ja nicht wissen, welche persönlichen Erfahrungen ich habe und ich würde den Teufel tun, ihnen hier diese Sicht zu erklären.
„Dennoch, lasst Vorsicht walten.“ sprach ich eindringlich alle Herren am Tisch noch einmal an.
Im weiteren Verlauf dieses Gesprächs kamen wir jetzt auf die Kosten der Soldaten, der Überfahrten und ähnlichem zu sprechen. Die Summen waren erschreckend hoch, aber unvermeidbar, wenn Frankreich in den Kolonien Bestand haben sollte. Es brannte mir unter den Nägeln, endlich zu wissen, wie sich diese ganze Situation noch entwickelt. Bis ins Detail war Alex nie gegangen, lediglich den Ausgang des Ganzen wusste ich. Und bis dahin würden noch einige Jahre ins Land ziehen.
Auch kam mein Fortschritt im Bezug auf die Militärischen Bilanzbücher zur Sprache. Leider konnte ich dort noch nichts neues verkünden.
„Ich hege immer noch die Hoffnung, dass wir dort fündig werden. Irgendwo muss es ein Loch geben.“ seufzte der Finanzminister.
Wir besprachen jetzt noch – für mich eher uninteressant – die Truppen Aufstellungen, die Zusammenstellung der Bewaffnungen, der Reittiere und so weiter. Man hatte die Uniformen noch einmal überarbeitet, damit die Soldaten den sich oft ändernden Wetterkapriolen angepasst sein. Ich konnte ein Lied von schlecht sitzenden und dünnen Uniformen singen, dachte ich grinsend.
Eine gefühlte Ewigkeit später, entließ König Ludwig uns Berater und bat mich noch mal eindringlich darum, mich mit den Büchern zu befassen.
In unseren Gemächern erwartete mich eine wohlriechende Gattin, welche versonnen vor dem Spiegel des Kleiderschrankes stand. Mit im Raum stand ein Zuber mit warmen dampfendem Wasser und jede Menge Handtücher drumherum. Das sah mehr als einladend aus und ließ mich auf mehr hoffen.
„Mi sol, es riecht verführerisch hier. Komme ich ungelegen und störe dich bei etwas?“ fragte ich leise und war schon dabei meinen Gehrock auszuziehen.
„Nein, im Gegenteil! Wir haben noch etwas Zeit und da der Zuber groß genug ist, sollten wir gemeinsam ein Bad nehmen? Ich gehe davon aus, du könntest diese Entspannung ebenso gut gebrauchen wie ich.“ hörte ich sie leise an meinem Ohr, während sie sich im Morgenrock gekleidet auf die Zehenspitzen stellte und mich verlangend küsste.
„Da kann ich schlecht nein sagen…“ meine Stimme war selbst für mich kaum hörbar. Ich glaube, so schnell hatte ich mich meiner Kleidung noch nie entledigt.
Alex´ Blick ging anerkennend über meinen Körper.
„Geh schon vor, mi amor. Ich komme dann dazu.“ bat sie mich lasziv.
Ich ließ mich ins warme Wasser gleiten, während sie mich im Auge behielt.
Langsam ging sie auf mich zu, drehte mir dann aber den Rücken zu und ließ sich so vor mir in dem Zuber nieder. Ihr Kopf lehnte an meiner Brust und sie räkelte sich wohlig. Ich konnte meine Hände nicht mehr still halten und ließ sie über ihre Brüste wandern. Ich fühlte mich mit einem Male wie ausgehungert und meine Lust ließ sich kaum verbergen. Alex entging das keineswegs, auch ihr Atem ging schwerer.
Meine Finger glitten langsam über ihren Bauch zu ihren Oberschenkeln.
„Na nu… so weich und glatt…“ erstaunt wanderten meine Finger weiter zwischen ihre Schenkel. Für einen Moment hielt ich überrascht inne. „Das… mi sol, es fühlt sich einfach fantastisch an. Steh auf, ich will dich ansehen!“ Nicht nur ihre Beine waren von allen Haaren befreit und als Alex jetzt vor mir stand hatte ich einen fantastischen Blick auf ihren Körper.
Fasziniert kniete ich mich vor sie, meine Hände umklammerten ihren Po und ich ließ sie meine Zunge spüren. Ich hatte mit vielem gerechnet aber nicht hiermit!
Ihre Hände griffen stöhnend mit den Worten „Oh, bei Odin!“ in meine Haare und begannen mich zu führen. Ich genoss diese pure Lust, ließ mich von ihr ebenso treiben. Hin und wieder hielt ich inne, nur um sie an ihrem Höhepunkt zu hindern! Wir wollten ja nicht zu schnell vorpreschen, nicht wahr?
Aber irgendwann konnte auch ich mich nicht mehr beherrschen und glitt wieder ins Wasser mit ihr auf meinem Schoß! Die Überflutung die wir anrichteten war zweitrangig gerade. Es zählten nur wir beide und ich nahm meine Frau mit einem ganz neuen Gefühl.
Bevor sie jedoch zu laut werden konnte, verschloss ich ihre Lippen mit meinen und brachte uns beide über die Schwelle.
Wir begannen uns nach einer kleinen Verschnaufpause abzutrocknen, aber ich konnte mich nicht an dieser glatten Haut sattsehen und ließ mich erneut vor ihr auf die Knie sinken. Doch mir ging ihre Erklärung, wer sie von den störenden Haaren befreit hatte nicht aus dem Kopf. Ein fremder Mann hatte sie so gesehen und ich befand, dass sie für dieses schamlose Verhalten eine kleine Lektion verdient hatte. Diese wurde mit einem erneuten Höhepunkt und einer Götterpreisung gedankt.
Für einen Moment lag sie in meinen Armen und erklärte sich noch einmal.
„Du brauchst dir um Monsieur Villason keine Sorgen machen, mi amor. Er mag nur Männer in seinem Bett und Frauen findet er nett wie eine gute Freundin. Auch wenn ich dir gestehen muss, dass er verdammt gut aussieht.“ flüsterte sie leise.
„So so, er sieht gut aus! Ich will hoffen, dass du in deinen Träumen und Gedanken aber weiterhin ausschließlich meinen Befehlen folgst.“ meine Stimme war noch etwas kratzig. Bei diesen Worten hatte sie meine Hand auf dem Po als Ermahnung.
Leider wurden wir unterbrochen, denn es war Zeit für das Abendessen. Michael erschien mit den Zofen für meine Frau.
Auch Edward kam mit seinem Kindermädchen herein.
Als Alex in einem Traum aus hellblauer Seide steckte, fiel mir ein, dass sie ja jetzt zu dem eigentlichen Damentreffen aufbrechen würde. Wir mussten also bei Tisch heute auf sie verzichten.
Beim Essen würde es also eine recht überschaubare Runde werden, vermutete ich, wenn alle Frauen in den Gemächern der Königin wären.
Erstaunt stellte ich aber fest, dass nicht alle dort waren. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob sie vielleicht nicht alle eingeladen waren. Aber Mrs de Gooijer klärte mich auf, dass sie an solchen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen würde. Es gab in der Vergangenheit laut ihrer Aussage, ausartende Orgien und sie wolle sich dem nicht mehr anschließen. Ob meine Frau mit diesem Abend aber nun glücklich sein würde, bezweifelte ich stark, da mir der ausdrückliche Wunsch nach Sklaven wieder in den Sinn kam.
„Master Kenway, es war scheußlich. Vertraut eurer Gattin einfach. Sie wird sicherlich auch schnell diese Farce verlassen wollen!“ versicherte mir Myrte leise damit niemand unsere Konversation hören konnte.
Im Anschluss brachte Sybill meinen Sohn zu Bett und ich begab mich auf den Weg zu den anderen Herren. Heute stand nichts weiter an außer sich den Zigarren und dem guten Wein hinzugeben. Ein paar Kartenspiele waren auch angedacht, hatte man mir noch kundgetan. Da ich aber selber kein Spieler bin, nur selten und dann auch nur Schach, unterhielt ich mich mit Mr de Gooijer über sein Gehöft in den Niederlanden und den dortigen Tabakanbau.
Ein interessanter Gedankenaustausch entfachte, als sich auch noch ein Herr aus Spanien hinzu gesellte und ebenso seine Vorliebe für alle Rauchwaren anpries.
„Wir haben wunderbare vollmundige Pflanzen in unserer Gegend. Auch wenn man sie ohne Mischung genießt, ist der Geschmack unverkennbar und man kommt nicht mehr davon los.“ lachte er und nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarre.
„Das ist mir zu Ohren gekommen, Senior Alcanta! Wir sollten uns, wenn es eure Zeit erlaubt, einmal zusammen setzen und einen Besuch besprechen.“ mir stimmte Mr de Gooijer ebenso zu.
„Wir könnten eine interessante Mischung aus Virginia-, Niederlande- und Spanientabak zusammen stellen. Ich freue mich schon jetzt auf die Kostproben!“ frohlockte der Spanier und wir stießen erneut auf eventuelle zukünftige Geschäfte an.
Nach ein paar Gläsern des guten Whiskeys ließ ich mich zu einer Partie Schach hinreißen. Leider verlor ich dieses Spiel an Senior Alcanta, aber er bot mir eine Revenge an. Aber erst morgen, da ich den Alkohol langsam in meinem Kopf spürte.
In unseren Gemächern wartete Michael auf mich, was mich immer noch etwas staunen ließ. Schnell hatte ich meine Nachtkleidung an und legte mich schon mal ins Bett. Alex würde sicher nicht so schnell wieder hier sein.
Aber weit gefehlt, ich lag noch nicht ganz, da trat sie ein mit einem roten Gesicht und schien völlig verstört zu sein. Ich ließ Magda sie in Ruhe umkleiden und erst als sie sich seufzend zu mir ins Bett legte, hakte ich nach.
Sie atmete tief durch und begann zu berichten. Es war nicht nur der Abend bei der Königin, nein. Schon vorher wurden ihre Nerven auf die Probe gestellt. Madame Pastice hatte sie auf dem Korridor zu den Gemächern beschuldigt eine Hexe zu sein und sie würde jetzt auch alle hier im Palast verhexen wollen. Sie hätte die Attentäter auf den König angesetzt. Bevor es jedoch ausarten konnte, wurde Madame Pastice ohnmächtig. Alex brachte sie, nachdem sie für die umstehende Anwesenden neue Bilder formte, zu ihrem Gatten.
Etwas hatte der Allvater ihr aber noch verraten, etwas, worauf sie noch gar nicht gekommen war.
// Wer auch immer sich gerade ihrer bemächtigt hatte, ist schlau und gerissen. Aber es war auf keinen Fall Hrymr, er scheint sich fürs erste ganz zurück gezogen zu haben, so als wisse er, dass ihm nun Gefahr droht. Dieser Bellec war von keinem göttlichen Wesen besessen, es war ein Normalsterblicher. Wer kann diese Macht übertragen? Fragte Odin nach.
Dieser Sichfrith soll doch ein Nachfahre von Ragnar Lodbrok sein, oder nicht? Könnte es da nicht… doch man ließ sie nicht aussprechen.
Ist er nicht, das wüsste ich ja wohl. Denk einmal darüber nach, Kind. Meine Nachfahren werde ich wohl erkennen können. Donnerte er ihr entgegen. Meine menschliche Gestalt ist aber ein direkter Nachfahre in der Blutlinie des Ragnars! Sagt dir der Name Björn Ragnarson etwas? Hmmm? Da auch meine Frau nicht alle Söhne kannte, musste sie die Frage verneinen.
Björn erhielt den Beinamen Ironside und dieser ist in der nachfolgenden Generation immer weiter gereicht worden, bis hin zu meiner jetzigen Gestalt! \\
Mal wieder erhielten wir Informationen Häppchenweise, was meine Frau am meisten ärgerte!
In den Gemächern der Eheleute angekommen, griff der Herr brutal nach seiner Gattin und schrie sie an, was sie jetzt wieder angestellt hätte. Er sollte sie einsperren, damit sie endlich zur Besinnung käme.
Alex´ Eingebung war dann die richtige gewesen. Der Herr hatte eine leuchtend rote Aura und sie drang postwendend in seinen Geist.
Doch es war kein echter Gott dort, sondern ein Mann namens Egil. Ein Bogenschütze, welcher Seite an Seite mit unserem Erzfeind kämpfte – Hrymr! Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie unbewaffnet bei den Pastices stand und dem Gatten direkt gegenüber. Aber sie hatte einen Schutzengel plötzlich an ihrer Seite – Loki! Gemeinsam konnten sie diesen Egil beseitigen, oder besser gesagt der Trickreiche erschlug den Bogenschützen mit einem wie durch Zauberhand auftauchendem Beil.
Monsieur Pastice hockte ängstlich in einer Nische und versicherte immer wieder, dass er seiner Frau nie so etwas antun würde. Er wäre nicht er selbst gewesen in den letzten Tagen und so weiter.
Wieder im Hier und jetzt hakte Alex bei Loki nach, warum er so leichtes Spiel hatte.
Egil ist ein einfacher Bogenschütze, oder besser gesagt Scharfschütze. Aber für den Nahkampf ist er einfach untauglich. Das konnte ich mir zunutze machen und glaub mir, es war mir mal wieder eine Freude, etwas nützliches tun zu können. Und jetzt… werde ich zu meiner Frau gehen und meine Wunden versorgen lassen. Damit hatte er sich grinsend zurückgezogen.
Meine Gattin hatte sich dann noch mit den Eheleuten unterhalten um sicher zugehen, dass ihnen nichts fehlte. Ein wenig Ruhe und Erholung wäre alles. Aber ihr Blick glitt zu einem Kästchen, welches die Madame für ihren Schmuck nutzte.
Von diesem Ding ging ein seltsames Leuchten aus und ihr kam der Gedanke, dass dies der Grund für diese „Übernahme“ durch Egil sein könnte. Es war eine Schatulle aus Walknochen mit Runen darauf. Es war der Kampf der Fylgja darauf beschrieben, das konnte sie tatsächlich erkennen und auch lesen. Die Runen formten die Worte wie von alleine. Madame Pastice überließ Alex dieses Gebilde nach einer kurzen Erklärung, woher sie es hätten. Auf dem Markt bei einem fahrenden Händler hatten sie es erworben, der es mit den Worten anpries, es sei uralt mehr als 900 Jahre alt und so weiter. Vorsichtshalber hatte sie es den Eheleute abgenommen und in unsere Zimmer gebracht.
Wir würden uns morgen mit ihnen treffen und alles weitere besprechen, versprach ich meiner Frau noch.
Erneut machte sie sich dann auf den Weg zur Königin, wo sie schon sehnsüchtigst erwartet wurde.
Es wurde Champagner gereicht, neben erlesenen Speisen und kleinen Häppchen.
Im Lauf der Stunden wurde ein Herr vorstellig, welcher diverse Spielzeuge, wie sie meine Frau bereits besaß, feilbot. Ebenso wurde auch entsprechender Schmuck angeboten. Mir fiel dieser Stab ein, welchen sie in London damals erstanden hatte, aber noch nicht hatte anbringen lassen.
Man erklärte den anwesenden Frauen jetzt, wie diese Sachen richtig zu reinigen und auch wie man sie zur Befriedigung nutzen sollte. Alex stieg dabei die Röte ins Gesicht und ich konnte mir vorstellen, dass es durchaus völlig unbedarfte Damen gab, die nicht einmal wussten, dass es so etwas gab.
Die auserkorene Geliebte der Königin, eine junge Frau welche seit einigen Monaten mit ihren Eltern im Palast lebte, war ebenso schockiert über diese Dinge dort auf dem Tisch. Alex besprach sich auch noch mit ihr und versicherte ihr, dass sie nichts tun sollte, was sie nicht wollte. Auch sollte das Mädchen Maria ihre bevorstehende Verlobung kundtun. Die Königin würde es sicher verstehen.
Es kam aber noch schlimmer. Jetzt kam der mir bereits befürchtete Moment, wo die Sklaven in den Mittelpunkt rückten. Es war wie befürchtet. Sie waren zur Bespaßung der Damen dort und es dauerte nicht lange, laut Alex´ Aussage, bis die ersten unzüchtigen Laute zu vernehmen waren. Auch sie blieb nicht verschont. Einer der Herren führte ihre Hand an … wir können uns alle vorstellen, wohin. Da Alex saß und er direkt vor ihr stand konnte ich es mir auch noch bildlich vorstellen und mir wurde übel.
Das war der Moment, an dem meine Frau einfach aufstand und ging, aber nicht, ohne die junge Frau mitzunehmen. Leider kam ihr Maria zuvor und führte sie in ihre privaten Räumlichkeiten nebenan.
Alex´ Nerven lagen jetzt blank und sie konnte nur noch Reißaus nehmen! Für einen Moment hatte sie im Park gestanden um sich wieder zu beruhigen aber ging dann zurück zu unseren Gemächern.
Ihre Wut war etwas abgeklungen, wie ich erleichtert feststellte.
„Das ist ja… und ich war nicht zugegen. Alex, wir werden mit den Pastices morgen in Ruhe reden und ich würde mir dieses Runenkästchen auch vorher einmal in Ruhe ansehen. Aber… es tut mir leid, dass du einen solch miserablen Abend hattest. Ich… möchte es mir nicht einmal ansatzweise vorstellen!“ ich konnte diesen Ekel nicht aus meiner Stimme verbannen in diesem Moment. „Leider werden wir die Zustände hier nicht ändern können, es wäre wirklich nur temporär. Die Menschen sind einfach noch nicht so weit, mi sol.“ vorsichtig strich ich über ihren Arm dabei.
„Leider können wir nur zusehen.“ seufzte sie leise, hielt aber plötzlich inne, so als überlegte sie, wie sie mir etwas am besten beichten könnte. „Du erinnerst dich doch noch an den Schmuck, welchen ich in London neben meinem Spielzeug erstanden habe?“ Ja, das hatte ich nicht vergessen, was damit sei, wollte ich wissen. Ich spielte ein wenig den Unwissenden, wollte mir nicht gleich in die Karten schauen lassen.
„Ich… habe noch ein weiteres schönes Stück erstanden und… ich… habe morgen einen Termin mit dem Herren, welcher sie mir stechen würde…“ kam es leise von ihr.
„Bist du dir sicher? Aber wenn du es wirklich willst, dann nur unter der Bedingung, dass ich zugegen sein werde. Ich will nicht, dass dieser Mann alleine mit dir in einem Raum ist und… es ist mir schon nicht recht, dass Monsieur Villason solche Blicke auf dich werfen konnte!“ Ich würde den Teufel tun, sie dabei alleine zu lassen. Ein weiterer Fremder Mann würde sie so freizügig vor sich sehen!
„Damit bin ich einverstanden, dann fühle ich mich auch geschützter, mi amor.“ ich hörte, dass sie mich damit besänftigen wollte, trotzdem ging mir dieses indirekte Lob runter wie Öl.
Ein etwas frivoler Gedanke kam mir hinsichtlich des ganzen Geredes über das Lustspielzeug für die Frauen. Kurzerhand befahl ich ihr, ihres zu holen und damit wieder zu mir aufs Bett zu kommen.
Ihre Wangen hatte einen heftigen Rotton angenommen, als ich ihr sagte, sie solle mir zeigen, wie sie sich selber Erleichterung verschaffte mit dem gläsernen Stab.
Ich selber sah ihr für einen Moment einfach nur zu, ehe ich mich berührte und sie in den gleichen visuellen Genuss kommen ließ.
Wieder einmal waren wir eins, aber es hatte sich erneut entwickelt. Ein neues Gefühl zwischen uns war entstanden. Dieses peinlich berührt sein war wie weggewischt, ich konnte mich an ihrem Spiel nicht genug satt sehen.
Aber ich bin auch nur ein Mann und nahm meine Frau, wie es mein Recht war. Mit einem erschrockenen Aufkeuchen nahm sie mich in sich auf und diese Nacht brannte sich in mein Gedächtnis. Nur mit ihr konnte ich solche Höhenflüge erleben!
Ich liebte diese Frau ohne Wenn und Aber!
Heute hatten wir das Gespräch mit den Eheleuten Pastice anberaumt. Doch bevor wir losgingen, besah auch ich mir dieses Runenkästchen noch einmal genauer.
Es fühlte sich seltsam an, weil es leicht war aber robust. Noch nie hatte ich ähnliches gesehen, geschweige denn in Händen gehalten.
Beim genaueren Betrachten formten sich die Runen zu Worten, welche sich mir aber nicht erklärten. Es waren willkürlich erscheinende Bezeichnungen. Auch wenn ich mich konzentrierte wollte sie sich mir nicht gänzlich entschlüsseln. Dennoch war ich erfreut, dass ich diese Aufschriften ein wenig entziffern konnte.
Man erwartete uns in einem kleinen Pavillon im Park welcher abseits der üblichen Laufwege lag. Wir hatten unseren Sohn mitgenommen, damit wir noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen konnten.
Ohne große Vorrede kamen wir auf den Punkt, weil wir vier dieser nicht bedurften.
Den Geist der beiden zu bereinigen, darüber waren wir uns einig, war unnötig. In ihnen hätten wir Verbündete hier in Paris, welche sich weiter nach solchen seltsamen Dingen umschauen konnten zum Beispiel.
„Und ich muss mich noch einmal bei euch entschuldigen, Maîtresse Kenway, dass ich euch so beleidigt habe vor aller Augen und… euch ebenso Maître Kenway…“ dabei brach Madame Pastice in Tränen aus.
Alex nahm sie in den Arm um ihr zu zeigen, dass wir ihr nicht mehr grollten. Monsieur Pastice entschuldigte sich ebenso. Und es mag sich seltsam anhören, aber er wirkte plötzlich wie ein anderer Mann auf mich. Jedoch nicht minder der Geschäftspartner, welchen ich in ihm beim Kennenlernen gesehen hatte.
Wir unterhielten uns noch über die hiesigen Zustände und über diesen Egil.
„Es war eigenartig, Maître Kenway. Ich weiß nicht, ob ihr dieses Gefühl kennt. So als seid ihr nicht alleine in eurem Körper. Es war mehr als unheimlich, das kann ich euch versichern.“ er musste das Geschehene auch noch verdauen und ich versicherte ihm, dass dieses Gefühl auch für mich nicht ganz neu wäre.
Gemeinsam gingen wir dann auch zum Mittagessen.
Unser Sohn plapperte die ganze Zeit vor sich hin und ich vernahm immer wieder, wenn auch nicht ganz deutlich „Ma chére“. Das muss er von unserem neuen Geschäftspartner haben und ich erzählte Edward, wie es auf englisch hieße. Hinter mir spürte ich förmlich Alex´ Kopfschütteln, weil ich ihn belehrte.
Sie wollte sich dann für Monsieur Guérette, den Herren welcher ihr den Schmuck stechen würde, frisch machen, als eine Nachricht der Königin eintraf. Etwas nervös las sie die Zeilen und bat mich, ebenfalls darüber zu lesen.
„Sie klingt so wütend, mi amor.“ diese Verunsicherung konnte ich verstehen. Schließlich hatte sie ohne sich zu verabschieden den Abend gestern einfach verlassen, so etwas schickt sich einer Königin gegenüber nicht.
Aber um sie nicht noch mehr zu verunsichern, versicherte ich ihr, dass Maria sicherlich nur wissen wollte, ob alles mit ihr in Ordnung sei. Ich hoffte selber, dass es nur DAS war.
Noch hätte Alex Zeit, sich auf dieses Gespräch vorzubereiten, erst am Abend sollte sie bei Maria vorstellig werden.
Leider hatte ich es gestern noch versäumt, die Bücher durchzugehen für Ludwig, was ich nun nachholen wollte.
Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann die Listen durchzusehen. Auch hier war auf dem ersten Blick kaum etwas verdächtiges zu sehen. Alles war akkurat niedergeschrieben, verzeichnet und nummeriert worden. Mit Datum und der Person, welcher Zahlungen übergeben worden waren.
Dieses Suchen nach der Stecknadel im Heuhaufen machte mich ungehalten, genau wie das ständige auf- und abgehen meiner Frau vor dem Schreibtisch.
Genervt bat ich sie, damit aufzuhören.
Alex ließ sich stöhnend auf dem Sofa nieder und wollte sich schon etwas Wein eingießen, als ich ihr kundtat, dass ich es nicht gutheiße, dass sie jetzt schon etwas trinkt. Sie hatte schließlich noch den Termin mit diesem Herren. Betrunken sollte sie ihm nicht entgegentreten.
„Habe ich etwas falsch gemacht, Haytham? Du bist die ganze Zeit schon so… wütend mir gegenüber!“ Sie stand jetzt hinter mir und hatte ihre Arme um meinen Hals gelegt. Also war ihr meine Laune aufgefallen.
„Ich weiß es nicht! Nein, du hast nichts falsch gemacht… oder doch ja. Ich finde es nicht gut, dass andere Männer dich… so sehen und…“ Im Grunde gingen mir viele Dinge gegen den Strich. Aber gerade jetzt war es der Gedanke an eben dieses Piercing!
„Der Arzt hat mich als ich mit Edward schwanger war und auch nach der Geburt ebenso gesehen…“ Ich fuhr ihr mit einem zischenden Laut über die Lippen.
„DAS war etwas medizinisches… das hier… Alex, du gehörst mir!“ etwas abrupt war ich aufgestanden und hatte sie auf den Schreibtisch gehoben. „Ich will einfach nicht, dass dich jemand Fremdes anfasst…“ ich konnte mich in diesem Moment nicht zügeln und ließ meine Finger zwischen ihre Schenkel gleiten, was ihr ein Stöhnen über die Lippen brachte.
„Es ist eine einmalige Sache…“ hauchte sie und drängte sich verlangend an mich. Mit meiner freien Hand öffnete ich die Knöpfe meiner Hose und nahm sie! Es war ein kurzes, hartes Liebesspiel, welches mir ihrerseits eine Götterpreisung einbrachte.
„Jesus…“ brachte ich stöhnend hervor, als ich ebenfalls über die Schwelle ging.
Alex konnte sich gerade noch rechtzeitig wieder frisch machen, ehe der Herr mit den Stechwerkzeugen erschien.
Dann klopfte es und Monsieur Guérette betrat unsere Räumlichkeiten. Wir stellten einander vor und ich befragte ihn nach seinem Handwerk, wie er dazu gekommen wäre und so weiter. Eigentlich wollte ich nur sicherstellen, dass meine Frau sich noch etwas beruhigen konnte und ich mich selber auch.
Er versicherte mir und ihr, dass er behutsam vorgehen würde, gerade weil er von der Angst vor Nadeln meiner Frau bereits Kenntnis hatte. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er eine Dame so berührte und sah. Für ihn war es etwas völlig selbstverständliches. In seinem Blick sah ich aber noch etwas anderes. Er musterte mich, besah sich meinen Körper und lächelte anerkennend. Zum ersten Mal war ich leicht verunsichert und schluckte schwer, ließ mir aber sonst nichts anmerken.
Alex wurde gebeten sich zu entkleiden bis auf das Unterkleid und auf der Chaiseloung Platz zu nehmen.
Jetzt wurde sogar ich etwas nervös, als ich das eigentliche Werkzeug sah. Damit wollte er an die empfindlichste Stelle meiner Frau? Jesus, alleine der Gedanke ließ mich erschauern. Aber da musste sie jetzt durch, sie wollte es so.
Ich nahm zur Rechten von Alex Platz und hielt ihre Hand, während der Herr begann, eine Paste auf die Scham aufzutragen.
„Das betäubt etwas die Haut.“ erklärte er mir nebenbei, ehe er sich eine Nadel nahm und vorsichtig ins Fleisch stach. „Spürt ihr das noch?“ fragte er nach, aber anscheinend hatte sie kein Gefühl mehr in diesem Bereich, was ihn beruhigte und er sich die eigentliche Nadel mit dem Elfenbeinstab nahm um sie mit Alkohol zu säubern. Alex nannte es Desinfizieren.
Dann ging es ganz schnell und der Schmuck wurde in der Haut platziert. Fasziniert sah dabei zu, wie gekonnt und schnell er alles richtig an Ort und Stelle hatte. Sein Talent musste ich neidlos anerkennen!
Alex sog zischend die Luft ein, als sie sich ihre Körpermitte ansah.
„Das vergeht gleich, Maîtresse Kenway. Maître Kenway, würdet ihr mir bitte die kleine Flasche dort reichen.“ aus einem Korb der neben mir stand nahm ich es und reichte es herüber.
„Diese Tinktur müsst ihr nach jeder Wäsche und nach Möglichkeit mindestens alle 4 Stunden auftragen. Aus der Erfahrung weiß ich aber, dass die Wunden an dieser Stelle schneller heilen, als zum Beispiel am Ohr.“ betonte er noch einmal. Alle 4 Stunden? Das wäre ja kaum einzuhalten, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
Besorgt fragte er nach, ob sie auch wirklich das Brustwarzen-Piercing noch haben wollte heute. Erhobenen Hauptes sagte sie, dass sie es unbedingt heute noch machen wollte.
Bevor mich der Mut wieder verlässt. Vernahm ich leise ihre geheimen Gedanken. Wusste Alex, dass ich das schon des öfteren vernommen hatte, sollte ich sie der Ehrlichkeit halber darauf ansprechen? Doch ich schwieg in Gegenwart des Herren.
Auch bei dem nächsten Stich und dem Einsetzen des Rings hielt sie die Luft an, aber verzog dieses Mal keine Miene.
Monsieur Guérette empfahl im Anschluss noch einen Verband am Tage anzulegen, damit keine Reibung mit dem Unterkleid und Korsett entstand. Es könnte sich sonst eine schmerzhafte Entzündung entwickeln.
Ich verabschiedete den Herren jetzt und nahm wieder neben Alex Platz.
„Und? Wie fühlst du dich, mi sol?“ fragte ich besorgt, weil sie am ganzen Körper zitterte.
„Danke, mir geht es gut. Ich bin… erleichtert, dass es vorbei ist und ich bin stolz auf mich, dass ich mich getraut habe.“ und dann brach die Erleichterung, dass es vorbei war aus ihr heraus in Form eines Baches aus Tränen.
Tröstend nahm ich sie vorsichtig in den Arm, bedacht sie nicht zu doll zu drücken.
„Keine Sorge, ich werde für die Pflege schon sorgen. Du weißt ja, ich will dich schnell wieder für mich haben.“ versuchte ich meine Gattin abzulenken und es funktionierte.
Sie ließ sich von Magda wieder einkleiden und gab ihr auch die Anweisungen für den Verband.
Nach dem Abendessen ging ich mit Sybill alleine in unsere Räumlichkeiten um Edward ins Bett zu bringen. Seine Laune ließ zu wünschen übrig heute, anscheinend ärgerte ihn etwas. Leider konnten wir nicht herausfinden, was es war.
Ich setzte mich anschließend wieder an meine Arbeit und besah mir die anderen Bilanzen des Militärs.
Hier und da kamen mir einige Zahlen absurd vor, weil sogar jemand dafür entlohnt wurde, dass er einen Brief überbracht hatte. Ich muss ehrlich sein, auch ich bin penibel und verzeichne jede Kleinigkeit um nichts außer Acht zu lassen. Aber irgendwo hörte es dann auch auf.
Plötzlich schrak ich hoch, weil ich, sobald wir wieder in Virginia waren, die Bücher für den Orden durchgehen musste. Auch dort hatte ich es etwas schleifen lassen. Meine Finanzen waren weiterhin stabil und wurden zusätzlich durch die Plantage gestützt. Aber mein oder besser unser Erbe, welches jetzt Jennifer verwaltete, sollte ich noch im Auge behalten.
Auch wenn ich wusste, dass es in ihren Händen gut aufgehoben war.
Leider fand ich auch in diesen Aufzeichnungen keine Lücken oder Ungereimtheiten. Wo zum Teufel gingen dann die Zahlungen hin, die König Ludwig vermisste. Es musste sich um eine Institution handeln, welcher man blind vertraute nahm ich an. Aber WER oder WAS war es?
Heute würde ich sicherlich nicht mehr dahinter kommen und entschied, dass es Zeit war, mich zurück zuziehen.
Senior Alcanta hatte mir ein Buch ausgeliehen, welches sich mit der Seefahrt der Spanier auseinander setzte. Sein Großvater war Seefahrer gewesen und hatte für dieses Schreibwerk Anekdoten verfasst. Es waren Geschichten, welche mich von meinen wirren Finanzgedanken ablenkten und mich auf den Gedanken brachten, dass ich zu gerne einmal den Unterschlupf auf Great Inagua besuchen wollte. Vermutlich würde ich den sofortigen Zuspruch von meiner Frau erhalten, wenn sie nicht sogar schon einen eigenen Plan hätte, dahin zu segeln.
Wenn man vom Weibe spricht…
Leicht schwankend betrat dieses nun unser Schlafgemach und lächelte mich mit etwas vernebelten Augen an.
Ich vermutete, dass das Gespräch ein voller Erfolg war und keinen Tadel beinhaltete.
„Ja, davon kannst du ausgehen!“ hörte ich sie nuscheln, als Magda ihre Haare von all den Klammern befreite und sie in ihr Nachtgewand steckte.
Mit Schwung ließ sie sich aufs Bett fallen und jaulte plötzlich vor Schmerzen auf. Sie hatte ihren neuen Schmuck völlig vergessen! Strafe muss sein und ich tätschelte ihren Po, der sich mir gerade so nett präsentierte.
Bevor sie sich aber um mich schlingen konnte, bat ich sie, einfach so liegen zu bleiben. Weitere Schmerzen dieser Art wollte ich ihr ersparen. Von anderen war ja nicht die Rede!
Plötzlich spürte ich, wie sie sich enger an mich schmiegte mit ihrer Kehrseite. Mein „Alex, lass das!“ traf auf taube Ohren, dafür auf einen willigen Mund, der sich zu meiner Körpermitte aufmachte und mir zeigte, dass es ihr hervorragend ging. Natürlich war auch der Champagner schuld, das war mir bewusst. Dennoch genoss ich diese Zuwendung und konnte kurz darauf loslassen.
„Herr Gott noch eins, womit habe ich so eine Frau verdient…“ mein Atem musste sich noch beruhigen, aber ich musste das einfach sagen.
„Das werden dir nur die Götter erklären können…“ vorsichtig kam sie wieder hoch und küsste mich vorsichtig.
Wie immer schlang sie sich plötzlich wieder um mich und schlief leicht säuselnd an mich geschmiegt ein.
Frauen und Alkohol waren eine seltsame Mischung!
Erwähnte ich schon einmal, dass ich meine Gattin ab und an gerne leiden sehe? Es mag sich falsch anhören, aber am heutigen Morgen hatte sie mein Mitleid nicht verdient.
Unser Sohn war schon sehr zeitig auf und begrüßte mich, bevor ich aus dem Bett war. Beide waren wir aber leise, weil Alex noch tief schlief. Der Champagner forderte seinen Tribut.
Ich ließ mich einkleiden und wartete auf eine Reaktion von Alex. Edward stand bereits auf ihrer Seite des Bettes und bettelte, dass sie aufstehen sollte.
Ohne ein Wort nahm sie ihn zu sich, aber damit reichte es ihm nicht. Er zupfte an ihrer Bettdecke und rief immer wieder „Auf! Mama! Auf!“ Er hatte recht, wir sollten uns langsam auf zum Frühstück machen, ehe wir zu spät kamen. Doch die Schlafmütze machte keine Anstalten aufzustehen.
„Ja, ist doch schon gut. Ich… stehe ja auf…“ hörte ich sie maulend unter der Bettdecke. Sybill nahm derweil unseren Sohn und ging schon einmal hinunter mit ihm.
„Mi sol! Hopp… raus aus den Federn! Für deine Kopfschmerzen kann niemand etwas.“ ich konnte es mir nicht verkneifen! Verzeiht! Dafür erntete ich einen wütenden Blick!
Genervt erhob sich das verkaterte Weib endlich und ließ sich einkleiden. Etwas Wasser im Gesicht würde ihr sicherlich gut tun. Magda tat ihr bestes, damit sie wieder vorzeigbar war. Als Alex im Empfangszimmer erschien sahen mich rotgeränderte Augen aus einem blassen Gesicht an.
„Naja, du siehst nicht gerade wie das blühende Leben aus. Aber wir müssen uns jetzt beeilen, sonst kommen wir ganz zu spät.“ mahnte ich sie und zog sie mit mir. Ich hörte ein schmerzvolles Aufjaulen, was mich an ihren neuen Schmuck erinnerte. Ich sollte sie nicht zu grob anfassen!
Der Kaffee beim Frühstück brachte wieder etwas Leben in meine Gattin! Gott sei Dank. Eine übel gelaunte Frau an der Seite zu haben war nicht gerade mein Bestreben!
Die Besprechung im Anschluss mit König Ludwig war nicht formell, eher privater Natur, weil wir bald abreisen würden.
In Paris hatte man uns bereits eine Unterkunft angemietet, damit wir den weiteren verbliebenen Spuren für den Speer und das Rasiermesser folgen konnten.
„Ich bedaure es, dass ihr uns schon so schnell wieder verlassen müsst. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und wenn ich es so offen sagen darf, ich würde gerne einmal nach Amerika reisen um mich von der Schönheit der Landschaft selber überzeugen zu können.“ Ludwig schwelgte für einen kurzen Moment in dieser Vorstellung.
„Ich gehe davon aus, dass wir euch sicherlich weiterhin in Kenntnis setzen werden und über die Fortschritte der Armee berichten können. Mit euren zur Verfügung gestellten Mitteln wird es sicherlich nicht mehr lange dauern, eine Übereinkunft treffen zu können!“ erwiderte ich, weil man mir kurz vorher noch mitgeteilt hatte, dass er auch dem Orden unter die Arme greifen wollte. Monsieur de la Sérre hatte sicherlich seine Finger dort mit im Spiel.
Auch Master Franklin war heute mit uns hier erschienen. Er würde in den nächsten Tagen nach Preußen aufbrechen um dort an einer Universität einige Vorlesungen zu halten. Wehmütig sah Alex ihn an und ich verstand, dass sie ihre Heimat vermisste. Inständig hoffte ich, dass wir eines Tages einmal eine Reise dorthin schaffen würden. Aber wir hatten so viele Dinge zu bedenken… ich schweife schon wieder ab.
„Ich sehe es schon vor mir wie Amerika irgendwann einmal vereint ist!“ mit diesen Worten riss mich Benjamin aus meinen Gedanken. Er war ein wahrer Visionär und er würde es sogar persönlich noch erleben! Doch wusste er es selber noch nicht.
Ich vernahm Alex Gedanken dabei, sie wusste dass er zu dieser Einheit beitragen würde. Ich ermahnte sie, sich zu verschließen, weil sie vermutlich für alle hier gerade wieder lesbar wie ein offenes Buch war.
Wir verblieben, dass es regelmäßigen Nachrichtenaustausch geben würde, ebenso würden wir über Frankreich nun auch sicheres Geleit für unsere Flotte bekommen. Vermehrt wurden nämlich seit einiger Zeit Piraten gesichtet, welche gezielt große Handelsschiffe angriffen.
Alex bekam den persönlichen Auftrag für Kakao-Nachschub hier zu sorgen, was sie mit Stolz erfüllte! Der Handelsminister würde sich in den nächsten Tagen mit ihr in Verbindung setzen.
Damit würde ein reger Austausch und Handel entstehen. Waffen, Leder und Holz würden über unsere Geschäfte mit abgewickelt werden. Auch dieser neue Bereich spielte in meine Karten, somit konnte ich Gelder für die Kontinental-Armee zur Verfügung stellen, welche sich noch teilweise im Verborgenen befand.
„Es betrübt mich aber, dass der Mörder von Madame de Pompadour einer meiner doch recht vertrauten Männer war. In Zukunft muss ich ein verbessertes Auswahlverfahren haben, um jedes schwarze Schaf schon im Vorfeld auszumustern!“ Wir versicherten dem König noch einmal, dass eine Delegation der Assassinen und Templer hier stationiert werden würde um solche Vorkommnisse zu verhindern in Zukunft.
Monsieur de la Sèrre wäre bis dahin sein Ansprechpartner für den Orden hier in Frankreich.
Wir verabschiedeten uns und Benjamin beteuerte, dass er alsbald wieder in die Kolonien reisen würde um uns zu besuchen. Er wollte sich mit den oft seltsamen Wetterumschwüngen in Virginia näher befassen.
Nach dem Mittagessen setzte ich mich noch einmal an die Bücher, weil ich bevor wir abreisten eine Lösung parat haben wollte.
Als Edward schlief, lehnte sich Alex hinter mich und fragte, was ich gerade tat. Ich erklärte ihr, dass ich auf der Suche nach Ungereimtheiten oder einer eventuellen Unterschlagung von Geldern auf den Grund gehen sollte.
Nach kurzem Zögern bot sie sich an mir zu helfen und ich nahm sie dankend an.
Gemeinsam durchforsteten wir Seite für Seite und Spalte für Spalte.
Plötzlich stutzte ich, als ich eine Dienstgrad-Bezeichnung las, die ich in neueren Jahrgänge im Militär noch nicht gehört hatte.
Jetzt sahen wir uns entsprechende Ränge an und siehe da, es gab einen Posten welchen man vor ungefähr 5 Jahren bereits abgeschafft hatte, aber an den immer noch Gelder ausgezahlt wurden. Aber wohin danach der Betrag ging, war vorerst so nicht ersichtlich. Es gab zig Konten darüber hinaus!
Trotzdem war ich jetzt wieder etwas zuversichtlicher und wir wollten nach dem Abendessen dort wieder ansetzen.
Nach dem das Abendessen beendet war und unser Sohn in seinem Bett friedlich schlief, machten wir uns daran die weiteren Quellen dieser Unterschlagung ausfindig zumachen.
Es dauerte eine Weile, bis Alex fündig wurde, weil ihr auffiel, dass plötzlich die Kirche mit auftauchte. Über Umwege schienen diese Zahlungen dorthin zu gelangen und niemand hatte weiter nachgehakt, weil diese Obrigkeit einfach immer noch unantastbar war. Man zweifelte keine Gottesmänner an.
Ich setzte umgehend ein Schreiben auf für Ludwig und Franklin, in welchem ich um eine dringende Unterredung morgen im Laufe des Tages bat.
Endlich konnten wir aber die Bücher schließen und uns für die Nacht fertig machen. Mein Kopf war wie zugekleistert von all den Rechnungen und Zahlungen.
Als meine Frau sich im Bett an mich schmiegte flüsterte ich ihr „Ich liebe dich!“ zu und hörte ein leises „Ich liebe dich viel mehr!“ Immer noch musste sie das letzte Wort haben, dachte ich grinsend.
Vorsichtig ließ ich meine Finger über den Körper meiner Frau gleiten und zwischen ihre Schenkel. Verschlafen öffnete sie sich bereitwillig. Bedacht darauf nicht ihren neuen Schmuck zu berühren, massierte ich sie vorsichtig und langsam wurde sie wach mit leisem Stöhnen.
Wie abgesprochen ging ihre Hand auf Wanderschaft und fand meine pulsierende Lust. Diese Massage war eine willkommene Abwechslung wie ich mir eingestehen musste. Behutsam und mit Bedacht übte sie an genau den richtigen Stellen Druck aus und brachte mich an den Rand meines Höhepunktes.
Fast zeitgleich konnten wir beide loslassen und ich fühlte ihre Kontraktionen an meinen Fingern. Alex umschloss mich mit ihrer Hand, bis meine Anspannung abebbte. Es war alles völlig still von statten gegangen, nur unser schwerer Atem zeugte von einem sinnlichen Start in den Tag.
Nach dem Frühstück fand die erbetene Unterredung statt. Zugegen waren nicht nur Ludwig und Franklin, auch einige andere der Berater.
Ich hatte, wie Alex auch, auf eine spannende Ermittlung gehofft, doch leider war sie uns nicht vergönnt. Der Schuldige war schnell ausgemacht und stellte sich als ein Maréchal de camp Davet Fouquet heraus.
„Ein alter Bekannter! Gierig, nicht nur was das Vermögen angeht…“ fauchte Ludwig und schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch, dass das Tintenfass fasst umgekippt wäre.
Derzeit war er in den Kolonien stationiert und beaufsichtigte die Truppen in Nordamerika. Er war derjenige, welcher für die Sicherheit der französischen Armee dort verantwortlich war. Vermutlich saß er auf seinem fetten Arsch an einem Kamin und ließ sich bedienen! Und tatsächlich agierte dieser Herr auch unter dem Deckmantel der Kirche! Es war wie eine Art Geldwäscherei. Es gab mehrere Auszahlungsstellen, Personen, die es entgegennahmen und immer wieder tauchte eben Fouquet in den Büchern auf.
Ludwig ließ eine kleine Delegation entsprechend entsenden und stellte mit sofortiger Wirkung alle Zahlungen ein. Außerdem schickte man einen Mann zusätzlich in die Kolonien, welcher den Herrn beiseite schaffen sollte.
„Monsieur Dorian ließ verlauten, er verfüge über entsprechende Männer, welche sich solcher Dinge annehmen würden.“ Ludwig machte sich ALLES was ihm zur Verfügung stand zunutze, es war egal, wer gegen wen war und vor allem war es ihm egal, WER diese Arbeit verrichtet. Er war sich dem Orden und der Bruderschaft sicher.
Alex hatte am Nachmittag noch die Besprechung mit dem Handelsminister, welche durchweg positiv verlief und wir mit neuen Verträgen Frankreich verlassen würden.
Unterdessen war ich bereits mit Edward, den Pastices und de Gooijers im Park und genoss diese kleine Auszeit und Entspannung.
Meine Frau stieß dann auch noch zu uns und Myrte versicherte erneut, dass sie sich auf einen Besuch bei uns freute. Ebenso war es Monsieur Pastice welcher ebenfalls betonte, dass wir uns auf ihn verlassen konnten. Er hatte mir nämlich anvertraut, dass es Händler in und um Paris gab, welche mit seltenen Kuriositäten handelten. Er würde uns entsprechend auf dem Laufenden halten.
Unser Sohn fand Gefallen daran wenn ich ihn hoch über meinen Kopf hob und er mit den ausgebreiteten Armen voller Freude lachte.
Solche Momente genoss ich und bewahrte mir diese Erinnerung auf, für die Zeiten, wenn ich nicht bei meiner Familie sein konnte.
Kapitel 27
Es war soweit und wir brachen nach Paris auf.
Unser Hab und Gut war auf Karren geladen und wir verabschiedeten uns von den de Gooijers und Pastice´. Myrte und Alex hatten sogar noch einen Kleideraustausch gehabt und ich war gespannt, wie dieses der niederländischen Tracht ähnlichen Kleid an Alex aussehen würde. Mit diesen ganzen Traditionen kannte ich mich weiß Gott nicht aus. Mittlerweile hätten wir in der nächsten Zeit auch einige Besucher auf unserer Plantage zu erwarten, was mich selber freute und meine Frau um so mehr
Doch davon jetzt genug.
Paris wartete und die letzten Artefakten, die es zu suchen galt auch. In mir kam der Forscher und Abenteurer hervor. Ich war nicht sehr oft in Paris gewesen, somit hatte ich recht spärliche Kenntnisse der Stadt. Zumindest was das geschichtliche betraf, von den Wegen und einigen historischen Bauten hatte ich einige Lehrstunde unter anderem bei Reginald gehabt.
Mal wieder zogen in mir dunkle Erinnerungen auf, welche ich zu vergessen versuchte. Er war ein guter Lehrmeister, keine Frage. Aber es war nicht immer das, was mein Vater mich gelehrt hätte. Schon immer begleitete mich eine gewisse Frustration in solchen Momenten. War es undankbar von mir, dass ich Master Birchs Unterricht hinterfragte und wissen wollte, ob mein Vater ebenso sein Wissen mit mir geteilt hätte? War es vermessen von mir, diese Undankbarkeit an den Tag zu legen?
Mir kam ein Satz meiner Frau in den Sinn ... „Reginald hat dich lediglich noch weitere Blickwinkel gelehrt. So konntest du dieses gewisse Scheuklappen Denken ablegen und hast dich zu einem offenen wissensdurstigen Menschen entwickelt“…
War es wirklich so? Dachte ich anders als andere Herren in dieser Zeit?
„Mi amor! Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken? Steig ein, wir wollen aufbrechen!“ hörte ich die Stimme meiner Frau, die mich an unseren eigentlichen Auftrag erinnerte.
// Nach dem Frühstück hatten wir noch eine Verabschiedung beim Königspaar, welche sich beide für die Unannehmlichkeiten entschuldigten. Uns aber gleichzeitig auch für die Hilfe dankten, nicht nur unsere, auch für die von Franklin, welcher sich ebenfalls verabschiedete. Maria war es, die noch einmal betonte, dass wir jederzeit wieder gern gesehen seien und sie freue sich auf einen Briefwechsel.
Ludwig war zuversichtlich nun nicht mehr allzu oft von „untreuen“ Untertanen belästigt zu werden und wünschte uns eine gute Weiterreise und vor allem sichere Winde über dem Atlantik. \\ Kleiner Auszug aus "Von schicksalhaften Zeitreisen - Part I"
Die Fahrt zu unserem ersten Etappenziel war selbst für mich sehr unkomfortabel. Mein Rücken schmerzte, weil diese Straßen – sie hatten diesen Namen nicht einmal ansatzweise verdient – und die dortigen Löcher jeden Knochen zu brechen schienen. Die Herberge für die Nacht war aber annehmbar und als alles geregelt war, konnten wir entspannen.
„Soll ich dich ein wenig massieren?“ fragte Alex grinsend, als Magda sie von ihrem Kleid befreite, während Michael mich in meine Nachtwäsche kleidete.
Ich brachte nur ein gemurmeltes „Hmmmm“ hervor und ließ meinen Blick über meine Frau gleiten. Ihre Wangen röteten sich und wir waren uns mal wieder im Stillen einig.
Sie verabreichte Edward noch die Tinktur und kroch dann unter die Decke zu mir. Das Bett war recht klein, aber es war gemütlich.
„Dreh dich um, mi amor.“ flüsterte sie, während ihre Hände über meine Brust glitten.
„Ich glaube, die Verspannungen lösen sich gerade. Wie wäre es, wenn DU dich umdrehen würdest?“ alleine diese Worte reichten, dass sie tat, was ich sagte. Sie schmiegte sich an mich und ich schob langsam ihr Nachthemd über ihre Schenkel.
Meine Worte, sie solle stillhalten brachten genau den Effekt und meine Finger konnten auf Wanderschaft gehen. Leise brachten wir uns gegenseitig zum Höhepunkt und gefühlt jeder Muskel in meinem Körper entspannte sich umgehend.
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Zwei schäbige Tavernen später kamen wir in Paris an.
Entsetzt sah ich, dass es in den letzten Jahren immer schlimmer geworden war mit den Kranken, Bettlern und Hungernden auf den Straßen.
Gott sei Dank lag unsere Unterkunft in einem etwas besser betuchten Viertel. Dort angekommen, begannen wir uns einzurichten. Das Haus welches wir bezogen wurde vom Königshaus unterhalten und für durchreisende Gäste genutzt.
Wir fuhren zwischen den Häusern in einen großzügigen Innenhof, wo in der Mitte ein kleiner Brunnen stand.
Auf der linken Seite war der eigentliche Eingang und zur Rechten führte eine Tür zur Taverne, welche sogar jetzt schon recht voll besetzt war. Es war, wenn mich nicht alles täuschte gerade mal Mittag!
Außerdem gab es das Mittelgebäude, welches wie eine kleine gesicherte Bank aussah. Man erklärte uns, dass wir dort die Wachen und die Handelstruhen unterbringen konnten. Neben unseren persönlichen 5 Wachen, welche mit in der Pension bleiben würden, sollten die anderen dort übernachten.
Kaum waren wir in unseren Räumlichkeiten, brachte man uns das Mittagessen hinauf. Erstaunt sah Alex die Magd an, welche erklärte, dass sie die Mahlzeiten immer hier herauf bringen würde.
„Das ist ja mal ein netter Service.“ entgegnete meine Frau und Edward freute sich ebenso auf das Mahl, obwohl er eigentlich satt sein müsste. Nach dem Konsum der süßen Brötchen auf dem Weg zumindest zu urteilen.
„Das ist eigentlich normaler Standard bei einem Haushalt des Königs.“ erklärte ich diese Geste auch noch einmal. Alex sah mich fragend an. „Oh, ich weiß dass, weil Reginald und ich bereits einmal diese Gastfreundschaft in Anspruch genommen hatten. Nur war es in Österreich, aber es ist, denke ich, eine Art ungeschriebenes Gesetz.“ auch ich ließ mir mein Essen schmecken und als ich vom Wein kostete, war ich mehr als zufrieden. Er schmeckte himmlisch.
„Der scheint dir zu munden, mi amor.“ lachte meine Frau zu mir herüber. Fast wäre sogar unser Sohn an ihren Becher gekommen. „Nein, du doch nicht, min lille skat. Das ist nicht für dich.“ Prompt begann er zu zetern, weil er seinen Willen nicht bekam.
Doch sein Kindermädchen ermahnte ihn sogleich.
„Master Edward! Benimmt sich so ein junger Mann?“ sprach sie tadelnd und mit großen Augen sah er zu ihr auf, schüttelte aber plötzlich den Kopf. Man könnte meinen, er hätte ein schlechtes Gewissen.
„Mrs. Wallace, eure Wirkung auf unseren Sohn ist … unglaublich!“ lobte ich Sybill staunend. Diese Frau brauchte nur ein wenig die Stimme erheben und Edward sah sie aufmerksam an. Faszinierend!
Als unser Nachwuchs seinen verdienten Mittagsschlaf hielt, konnten Alex und ich uns der Karte für die Katakomben von Paris widmen. Dieses Labyrinth unter der Stadt war schon sehr beeindruckend. Es bestand aus vielen kleinen und großen Gängen, kleineren Schächten und vor allem Sackgassen, wo man sich durchaus auch verlaufen konnte.
Unweit unserer Unterkunft war erfreulicher Weise der Zugang. Von dort ging es weiter südlich, bis wir zu einer über der Erde gelegenen kleinen Kirche kämen. Darunter befand sich das besagte Grab, in welchem der Speer lagerte. In mir kribbelte es! Wir waren diesem Artefakt so nahe!
Meine Gattin hatte ihre Gedanken mal wieder wie ein offenes Buch präsentiert und ich sah, sie dachte es wäre ein Kinderspiel! Gott noch eins, sie hatte immer noch nicht dazu gelernt, dass es eben nicht so einfach sein könnte und wir uns durchaus auf Widersacher und ähnliches einstellen mussten!
Ich tat meinen Unmut kund, es musste einfach raus.
„Glaub mir, gerade DU wirst dich noch umschauen dort unten. Einer der Berater des Königs erklärte mir, wie es dort aussieht und es wird sicherlich kein Zuckerschlecken!“ Die Worte und vor allem meine Stimme klang aber nicht nach mir – ging mir ein Geistesblitz durch den Kopf -.
Doch es war gesagt und Alex reagierte entsprechend. Wütend, enttäuscht!
„Danke dass du mich an den Untergrund von London erinnerst! Ich habe DAS noch sehr gut vor Augen!“ zischte sie mir entgegen, stand auf und sah aus dem Fenster. Ich sah, ihr liefen Tränen über die Wange.
Ich wollte doch nicht …
„Es… mi sol! Es tut mir leid! So… war es nicht gemeint!“ ich war hinter sie getreten, traute mich aber nicht meine Arme um sie zu legen.
„Dann solltest du in Zukunft auf deine Wortwahl eher achten. Mich erinnert man ja auch ständig daran. Dann wirst du das ja wohl auch hinbekommen!“ fauchte sie lediglich, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
„Alex!“ etwas ließ mich unkontrollierter werden! Ehe ich mich versah hatte ich ihren Oberarm gepackt und sie zu mir gedreht. „Ich meinte es nicht so, aber es klang von dir, als würdest du dir einen Spaß daraus machen… ich… ich wollte nur, dass du dir im Klaren bist, WAS uns dort erwartet und dass es eben nicht so einfach sein kann, wie du denkst. Wenn wir Glück haben, dann ja, aber denke auch an die Möglichkeit, dass uns dort unten Widersacher über den Weg laufen könnten!“
„Du scheinst mich wirklich immer noch für unfähig zu halten, oder? Glaubst du, ich weiß nicht, dass diese Tunnel nur so von Bettlern und Gesindel wimmeln? Ich habe durchaus im Geschichtsunterricht aufgepasst. Und meine Aussage bezog sich lediglich darauf, dass wir schon wissen, WO wir suchen müssen!“ ihre Stimme hatte sich erhoben, während sie sich versuchte aus meinem Griff zu befreien, aber ich konnte nicht lockerlassen!
„Du wirst unfair, Alex!“ mein Atem ging schwer, weil ich jetzt ahnte, was gerade in mir vorging! Nicht ich war das, es war Tyr.
„Haytham! Was wird das?“ plötzlich hatte ich das Gefühl aus einem Traum zu erwachen!
„Diese Wut… Das war nicht ich…“ begann ich mit einer Erklärung, wurde aber unterbrochen.
Vergesst eines nicht, ihr handelt nicht mehr alleine, sondern steht unter Beobachtung, damit wir entsprechend eingreifen können. Das gerade war unbedacht von mir, ich hatte deine Albträume außer Acht gelassen, Kind! In Zukunft werde ich direkt mit euch beiden sprechen, das gerade war ein… wie sagt ihr immer so gerne? Ein Missverständnis.
Postwendend erhielt der Kriegsgott eine Ermahnung von Snotra.
Reiß dich gefälligst zusammen! Du bist zu impulsiv!
Für einen kurzen Moment hatte ich einen sehr absurden Gedanken, der mich breit grinsen ließ. „Dann habe ich sogar jetzt Ausreden, wenn…“ leider wurde ich erneut unterbrochen.
DAS schlag dir aus dem Kopf, Junge! Deine Frau wird früher oder später den Unterschied erkennen. Tyrs Stimme hatte einen belustigten Unterton angenommen.
Im Gesicht meiner Frau spiegelte sich für den Bruchteil einer Sekunde Eifersucht und Traurigkeit ab. Lag es daran, dass sie noch nicht einen Gegenpart für sich hatte? Leider konnte ich ihr kaum bei diesen wirren Gefühlen helfen, musste ich mir eingestehen.
Alex musste weiterhin an ihrer Geduld arbeiten.
Der Nachmittag gehörte heute der Familie. Wir erkundeten ein wenig Paris und ich konnte Alex und Edward etwas von meinen kleinen Kenntnissen vortragen.
Vor allem für meine Frau schienen vielen Kleinigkeiten von Interesse zu sein.
„So etwas steht halt nicht in einem Geschichtsbuch, mi amor. Das lernt man nicht in einer Schule. Erzähl ruhig weiter…“ munterte sie mich, während Edward gebannt seine Umgebung begutachtete.
Doch zuhören fiel ihm irgendwann immer schwerer, weil so viele Menschen auf den Straßen unterwegs wahren und er immer wieder ängstlich zurück schreckte. Oder aber er deutete plötzlich freudig auf etwas. Meistens waren es herumstreunende Katzen oder Hunde. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, er war wie seine Mutter. Beide ließen sich zu leicht ablenken.
Nach einer Weile sah ich ein Geschäft mit Spielzeugen und lenkte meine Familie samt Kindermädchen in diese Richtung. Es war nicht sehr groß und die Auswahl auch recht überschaubar. Was mir aber in die Karten spielte, so konnte unser Sohn nicht gleich überfordert werden mit Spielsachen.
Kaum eingetreten, zeigte er begeistert auf einen geschnitzten Bären und ahmte diese Geräusche nach. Neben diesem Tier standen … Figuren die wie Indianer aussahen.
Ich konnte es nicht stoppen, mir ging Ziio durch den Kopf. Mein schlechtes Gewissen meinem ersten Kind gegenüber brach durch. Was tat ich hier? Sollte ich nicht stattdessen auf der Suche nach meinem anderen Nachwuchs sein? Hätte ich damals doch anders handeln sollen? Fragen über Fragen überfluteten mich, ohne dass mein Gehirn sie aufhalten konnte!
Haytham, es tut mir unendlich leid für dich. Drang Alex´ Stimme in meinen Geist und ließ mich aus diesem Strudel auftauchen. Sie verstand meine Gefühle wie keine andere, was mir half mich wieder auf hier und jetzt zu konzentrieren!
Kurzerhand kaufte ich diese Figuren und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserer Pension.
Dort aßen wir noch etwas zu Abend, ehe es Zeit für Edward war zu Bett zu gehen.
Morgen würde ein langer Tag werden mit der Begehung der Katakomben und ich hoffte immer noch, dass wir nicht wirklich mit großen Gefahren zu rechnen hatten.
* Hier wird im Grunde das gesamte Kapitel 31 – Frankreich von „Von schicksalhaften Zeitreisen – Part 1“ mit ein paar Änderungen aus Master Kenways Sicht wiedergegeben *
- Kapitel 31 - Paris "Von schicksalhaften Zeitreisen..." -
Am nächsten Morgen trafen wir uns mit einem Monsieur Paul Borque, welcher unser Fremdenführer sein sollte und von dem wir auch die Karte gestern schon in Augenschein nehmen konnten. Benjamin Franklin hatte ihn uns wärmstens empfohlen, weil er einer der wenigen Menschen war, die sich überhaupt dort hinunter trauten.
Er war zwar nicht sonderlich groß, ca. 5 Fuß (1,70 Meter), kurze schwarze Haare und er hatte ein verwegenes Gesicht. Sein breitkrempiger Hut mit dem passenden schwarzen Umhang verliehen ihm zusätzlich noch das Aussehen eines unerschrockenen Forschers!
Etwas beruhigt folgten wir ihm nach der Begrüßung zu einem kleinen Verschlag, welcher abseits der großen Straßen lag und wir betraten das Innere. Hier drinnen war es dunkel, jedoch übergab Paul jedem von uns eine Fackel, entzündete diese auch gleich und wir gingen eine steinerne Treppe hinab in den Untergrund.
Am Fuße dieser Treppe tat sich vor uns ein schmaler Gang auf, welcher aussah, als sei er einfach ausgeschachtet worden, mit Wänden aus Lehm. Hoffentlich hielten sie noch lange stand – dachte ich im Stillen -.
Nach und nach wurden weitere Lichtquellen an den Wänden entzündet und Monsieur Borque führte uns tiefer in dieses Labyrinth aus Gängen. Wenn man sich nicht auskannte, konnte man sich wirklich verirren und selbst für mich war das ein erschreckender Gedanke.
„Wenn mich nicht alles täuscht, und das tut selten etwas, dann müssen wir wie in einem Zickzack durch die Gänge und uns südlich halten.“ kam es voller Tatendrang von unserem Fremdenführer, welcher das Original unserer Karte in der Hand hielt.
„Monsieur Borque, wäre es möglich, dass ich im Anschluss diese Karte behalten könnte? Ich finde es…“ fragte Alex freudig nach, wurde aber unterbrochen von Paul in einem verschwörerischen Tonfall „Maîtresse Kenway, dass ist eine geheime Karte und Aktion, wenn ihr euch recht erinnern wollt! Niemand wird hiervon in Kenntnis gesetzt.“ mit diesen Worten ging er einfach weiter.
Meine Frau hatte mit einem Male Bilder von unheimlichen Wesen im Kopf, die aussahen, als seien sie einem Grab entstiegen. Einige hatten spitze Eckzähne und Blut rann ihnen von den Mundwinkeln …
Deine Phantasie ist mal wieder sehr interessant, mi sol. Aber ich würde zu gerne mehr über diese Untoten erfahren. Das Bild in deinem Kopf sah fürchterlich und erschreckend aus. Ich wollte es zu gerne wissen, obwohl sie mir schon einmal von diesen Dingen berichtet hatte. Alles nur Hirngespinste, erdacht von kreativen Autoren.
Vielleicht sollte ich dir ein paar Gruselgeschichten heute Nacht erzählen, mi amor. Kicherte sie leise in meinem Geist.
Wir bogen um eine weitere Ecke und vor uns tat sich eine Weggabelung auf, in deren Mitte eine Säule stand, die umrahmt von Totenschädeln und Gebeinen war. An den Wänden hier war das gleiche zu sehen. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
„Wir müssen…“ Paul drehte die Karte etwas und sah dann wieder nach vorne. „… dort entlang, den linken Gang!“ mit entschiedenem Schritt ging er weiter und uns blieb nichts anderes übrig, als hinterher zu eilen.
Ab hier kamen wir an diversen Kreuzungen vorbei, wo unter anderem auch ein großes Kreuz an einer der Wände hing oder an der Nächsten waren Säulen, die den Eingang zu einem kleinen Raum säumten. In dessen Mitte stand eine Art Taufbecken, wo es die Bemerkungen gab, welche Familien hier lagen und ihre letzte Ruhe gefunden hatten.
Weiter ging es in einen langen, wirklich sehr langen Gang, welcher aber recht breit war, leider aber sehr niedrig, so dass ich mich nur gebückt fortbewegen konnte, während Alex locker gerade stehen konnte. Manchmal konnte man sie ja wegen der Größe beneiden.
„Wenn wir hier raus sind, brauchst du einen Chiropraktiker, mi amor. Oder vielleicht doch eine Massage.“ kicherte sie, aber mir war gerade nicht nach Scherzen, weil ich mir wiederholt den Kopf gestoßen hatte.
„Lach du nur, ich merke mir das.“ mahnte ich sie leise.
Mittlerweile waren wir sicherlich schon zwei Stunden hier unten unterwegs, doch bisher war uns noch niemand begegnet. Anscheinend hatten wir Glück, dass uns noch kein Bettlerpack oder schlimmeres hier aufgelauert hatte.
Kaum hatte ich es gedacht, hörten wir Stimmen, welche aus einem Gang rechts von uns kamen.
Ich übersetzte für Alex grob aus dem Französischen, dass es sich um keinen wirklichen Streit handelte, sondern es ginge um das Recht des Stärkeren und wer hier mit seiner Familie ein Anrecht auf eine Bestattung hatte. Selbst mir war das unangenehm, weil es pietätlos war den Verstorbenen gegenüber! Ohne uns weiter mit ihnen zu beschäftigten, gingen wir weiter, weil sie nicht bedrohlich waren.
Im nächsten Gang könnte man vermuten, dass es sich um Versammlung handelte.
„Wir nähern uns der kleinen Kirche, wenn mich nicht alles täuscht. Ihr müsst verstehen, in der Nähe von solch christlichen Einrichtungen vermuten die Menschen, wenn sie verstorben sind, näher bei Gott sein zu können.“ kam es erklärend von Paul, doch so recht überzeugend klang er auch nicht.
„Ihr seid kein gläubiger Christ, nicht wahr?“ fragte ich unseren Begleiter, weil ich wie Alex den selben Gedanken hatte.
Für einen kleinen Moment wandt sich unser Fremdenführer. „Nein, ich… glaube an mich selber…“ es war mehr ein Flüstern.
„Daran ist nichts auszusetzen, Monsieur Borque. Ich selber bin auch keine Christin im herkömmlichen Sinne. Mir sind die Götter des Nordens zugewandt!“ versuchte Alex ihn zu beruhigen und ein erleichtertes Lächeln glitt über sein Gesicht.
„Und ich dachte immer, dass ich für verrückt erklärt werde, wenn ich… Maîtresse Kenway! Ihr glaubt gar nicht, wie erleichtert ich bin, dass wir ähnlich denken!“
Während wir nun weitergingen unterhielten sich die beiden über Odin, oder den Trickreichen Loki. Ebenso kam auch dieser Ragnar Lodbrok ins Spiel. Ich hoffte irgendwann einmal mehr über ihn zu erfahren.
„Wie gerne wäre ich diesem Mann begegnet. Ein wahrer Held!“ jubelte Paul regelrecht. Da hatte ich mit ihm ja etwas gemeinsam!
Als wir uns einer weiteren Gabelung näherten, waren immer mehr Menschen zu sehen und auch zu hören. Paul deute uns mit einem Finger auf den Lippen leise zu sein und wir lehnten uns an die Wand um uns ein Bild machen zu können.
„Wir müssen hier durch, denn… wenn ich der Karte weiter folge, dann ist der Gang direkt voraus unser Ziel und dann nur noch ein paar Schritte und…“ zu mehr kam er nicht, weil meine Frau erschrocken zurück zuckte, als ein kleines Messer neben ihrem Kopf in die Wand drang! Ein Warnschuss!
„Halt, was wollt ihr hier?“ pöbelte einer der hier Anwesenden uns an. Sie alle waren in eine Art Kutte gehüllt, aber sahen eher schäbig und verranzt aus.
„Wir sind nur auf der Suche nach… einem Familienmitglied… eines lange vermissten Verstorbenen…“ antwortete Monsieur Borque.
„So? Und wer soll das sein?“ höhnte einer von ihnen, vermutlich ihr Anführer.
„Es … es ist… der ehrenwerte Monsieur Marquandt, Robert Marquandt.“ Paul klang wenig überzeugend. Hoffentlich schluckte die Meute dort diesen Köder!
„Aha… nie von diesem Kerl gehört. Scheint ja nicht wichtig gewesen zu sein.“ seine Kumpane stimmten in sein Gelächter mit ein.
„Nein, aber für seine Nichte sicherlich. Lasst uns einfach weitergehen.“ bat unser Fremdenführer nun höflich und man bildete eine Gasse für uns. Es war wie bei einem Spießrutenlauf und ich beeilte mich, dort hindurch zu kommen. Immer darauf bedacht, dass ich im Rücken meiner Frau blieb um sie zu schützen.
Alex und ich konnten jedoch keine roten Auren ausmachen. Diese Tatsache ließ mich etwas aufatmen.
„Das waren diese selbsternannten Wächter, welche sich hier herumtreiben. Wächter… tsssss… die klauen wie die Raben, wenn man mich fragt. Denen ist nichts heilig.“ sprach Paul entrüstet.
Man konnte es sich bildlich vorstellen, weil sie genau danach auch aussahen.
„Aber wenn hier jeder so herein marschieren kann, dann verstehe ich nicht, wie überhaupt noch Grabbeigaben vorhanden sein können.“ fragte meine Frau, während sie den Gang vor uns musterte.
„Vielleicht ist nicht alles so offensichtlich, Alex. Versteckte Schalter und Mechanismen, verschiebbare Wände und ähnliches. Erinnere dich an das Zimmer im Chateau.“ erinnerte ich sie an unsere Fähigkeiten und eben diese geheimen Türen.
Monsieur Borque hatte Recht, nur noch ein paar Meter und vor uns öffnete sich der Weg und offenbarte einen runden Raum, an dessen Wänden ebenfalls Schädel angebracht waren. Ich besah mir die Gebeine genauer mit meinem Blick und siehe da, einer von ihnen leuchtete auffällig golden und signalisierte damit den Schalter zum Öffnen des Verstecks.
Mein freudiger Ruf, dass ich etwas entdeckt hatte, zollte mir Alex mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht. Ihre Fähigkeit des Adlerblicks war nicht ganz so ausgereift, leider.
Ich steckte meine Hand in den offenen Kieferknochen und fühlte ein Aussparung, welche sich herunterdrücken ließ. Neben uns schob sich eine Tür hinunter, die vorher, nicht zu sehen war.
Unser Fremdenführer stand mit offenem Mund beim Durchgang und starrte dann in unsere Richtung.
„Woher wusstet ihr, wonach ihr suchen müsst. Das ist von Generation zu Generation nur mündlich überliefertes Wissen!“ kopfschüttelnd sah er zu mir.
„Ihr müsst wissen, dass ich ein, sagen mir mal, Gespür für solche Dinge entwickelt habe.“ mehr konnte ich ihm schlichtweg nicht kundtun. Paul nickte etwas ungläubig, nahm sich dann eine frische Fackel und wir gingen in den neuen Raum.
Hier roch es extrem muffig und staubig zu gleich. Wir waren noch nicht ganz darin, da schloss sich die Tür hinter uns. Das hatte ich erwartet, jedoch nicht Alex!
Panisch und hektisch atmend krallte sie sich an mir fest. Ihre Platzangst kam durch und das konnten wir hier nicht gebrauchen.
Es war aber unser Fremdenführer welcher sie beruhigen konnte.
„Maîtresse Kenway, hier gibt es einen entgegen gesetzten Mechanismus, wir sind nicht eingeschlossen. Ihr braucht keine Angst zu haben, ich würde euch niemals in so eine Gefahr bringen! Das wäre meinem guten Ruf wohl kaum zuträglich.“ Pauls Worte beruhigten sie umgehend und ihr Griff um meinen Arm lockerte sich.
„Danke… es geht schon wieder.“ sprach sie leise und lächelte uns zur Bestätigung zu.
„Dann wollen wir doch mal sehen…“ Monsieur Borque hatte mittlerweile die Feuerbecken, welche rundherum standen entzündet und jetzt sah man erst, wie groß dieser Raum eigentlich war.
Er hatte die Größe unseres Schlafzimmers in Virginia mutmaßte ich. An den Wänden waren ringsum steinerne Truhen aufgereiht. Die Stirnseite zierte ein prächtiger Sarkophag aus Marmor. Auf der Platte sah man einen Krieger ruhen, mit Schild und Axt auf der Brust.
Es sah beeindruckend aus und ich ging näher heran. So auch meine Frau. Plötzlich veränderte sich etwas an ihr oder besser um sie herum! Ihre Finger hinterließen leuchtende Spuren auf dem Gestein!
„Alex, deine Haut strahlt wieder!“ sprach ich leise und legte ihr meine Hände auf die Schulter.
„Ich sehe es und fühle es…“ hauchte sie leise und „malte“ mit ihren Fingern weiter Formen auf den Sarkophag.
„Jetzt verstehe ich es!“ kam es leise von Paul. „IHR seid die Auserwählte, von der man sich berichtet hat in all den Jahren!“
„Ich bin die… es gibt Erzählungen darüber?“ In Alex´ Stimme klang völliger Unglaube mit, weil auch ich noch nie von solchen Geschichten hier gehört hatte. Auch nicht von Reginald damals.
Monsieur Borque begann zu berichten und zwar hat man vor mehr als 800 Jahren tapfere Wikinger hier und auch außerhalb beigesetzt. Es gab aber nicht die üblichen Begräbnisse, wie sie bei den Dänen zum Beispiel stattfanden. Jedes mal aber, wenn ein neuer Krieger sein Ende fand, tauchte kurz darauf eine Frau auf, welche über die Grabsteine, oder wie hier die Sarkophage strich und sie so versiegelte! So glaubte man.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte gerieten aber diese Stätten in Vergessenheit, einige waren eingestürzt und nicht mehr zu betreten. Hier in den Katakomben hatte man es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, darauf zu achten, dass sie erhalten blieben! Und immer wieder gab es Berichte von einer schemenhaften Frau, welche ein Schild auf dem Rücken trug und, Paul machte dabei ein entsetztes Gesicht, Männerkleidung trug dem Anschein nach! Dieses „Gespenst“, vermuteten die Abergläubischen, suche nach ihrem Gatten um ihm nachzufolgen.
Dort wo man sie sah, erschienen dann auch wieder leuchtende Zeichen, aber niemand konnte sie deuten!
„Seht ihr? Hier sind eingemeißelte Symbole auf dem Deckel! Genau wie bei den Truhen hier!“ mit einer ausladenden Handbewegung deutete er um sich.
„Runen! Es sind alles verschiedene Runen, doch ich kann sie nicht…“ plötzlich stand Alex wie angewurzelt da, sagte keinen Ton mehr und schien weit weit weg in ihren Gedanken zu sein.
„Maîtresse Kenway… geht es euch nicht gut?“ versuchte unser Begleiter sie aus dieser Starre zu holen, doch es war zwecklos.
Auch ich konnte nur beobachten. Ein unheimlicher Anblick!<
Wie aus heiterem Himmel rührte sie sich wieder, sprang auf und eilte zum Marmorsarg! Ohne ein Wort zu sagen!
Wir besahen uns alle den Sarkophag jetzt näher. Es war ein Rabe darauf abgebildet und eine Sonne, wenn ich richtig lag.
Die Inschrift auf dem Deckel sah abenteuerlich aus und weder Paul noch ich konnten sie entziffern. Das war auch nicht nötig, meine Frau begann zu erklären.
Es war König Sichfrith mac Imar, welcher 881 bis 888 regierte, bis sein Bruder ihn ermordete und den Thron bestieg. Es gab noch ein paar weitere Erklärungen, über seine tapferen Heldentaten und er wurde für sein Geschick in Kriegen gerühmt. Und das alles konnte man aus diesen seltsamen Runen lesen?
Auf den anderen umstehenden Truhen waren weitere Namen und vermutlich die Jahre, wann der Krieger verstorben ist, zu lesen. Sie alle gehörten, laut Alex, dem gleichen Haus an wegen der Rabenabbildung.
„Warum aber wurden diese Könige oder auch Krieger HIER beigesetzt? Sie lebten nicht hier oder regierten hier. Auch waren sie hier nicht geboren.“ fragte sich meine Frau laut.
Unser Fremdenführer hatte auch dafür eine Erklärung.
„Maîtresse Kenway, bedenkt die Zeit damals. Sie waren vermutlich gerade hier um auf Raubzug zu gehen. Man hätte die Toten schlecht wieder mitnehmen können, es wäre schlichtweg nicht möglich gewesen. Man bestattete sie also hier mit allen Ehren.“ Eine logische Erklärung.
Für einen Moment zögerte sie jetzt aber, weil sie Bedenken hatte den Sarg zu öffnen und die Totenruhe zu stören. Auch mir ging dieser Gedanke durch den Kopf. So etwas war im Grunde pietätlos.
Du bedienst dich nicht an den Toten um dich selber zu bereichern, sondern du gehst deiner Bestimmung als Wächterin der Artefakte nach! Lauteten Odins Worte in unseren Köpfen.
„Dann wollen wir doch mal sehen, was uns im Inneren erwartet.“ Diese Zuversicht in ihrer Stimme passte nicht zu ihrem verängstigten Gesichtsausdruck.
Doch es war leichter gesagt als getan. Immer wieder fuhr sie mit ihren Händen über den Rand der oberen Platte, tastete nach einem Schalter oder ähnlichem. Leider war der Sarkophag wie aus einem Stück Marmor. Man konnte den Deckel nicht einfach herunterschieben!
Auch ich sah mir diese Konstruktion an, wurde aber ebenso wenig fündig nach einem Öffnungsmechanismus.
Plötzlich erzitterte das Gebilde, als Alex gerade an der Kopfseite erneut die Unterkante der Platte entlangfuhr. Wie durch Zauberhand schob sie sich zur Seite und gab das Innere frei.
Man sah einen Mann, mit Schild und Axt, diversen Kleinigkeiten, die ihm nach seinem Tod helfen sollten. Unter anderem auch der von uns gesuchte Speer stellte ich erfreut fest. Wieder zögerte meine Gattin, ihr Respekt den Verstorbenen gegenüber konnte ich voll und ganz verstehen. Außerdem hatten wir gelernt, dass man Vorsicht walten lassen sollte bei einigen Artefakten. Man wusste nie, was sich noch dahinter verbergen konnte.
„Faszinierend! Man kann sogar noch die Farben auf dem Umhang erkennen und diese Fibel… dort ist auch dieser Adler zu sehen.“ Paul sah ebenfalls gebannt auf den Toten, wurde aber verbessert.
„Das Haus Imar hatte eben um Odin zu ehren, den Raben im Banner!“ gab Alex ihr Wissen weiter. Man wollte so seinen Glauben für alle sichtbar nach außen zeigen!
Vorsichtig beugte sie sich herunter um den Speer an sich zu nehmen.
„Er ist schwerer als ich dachte, weißt aber überhaupt keine Spuren von seiner langen Zeit hier auf. Er ist weder verrostet, noch ist das Holz in irgendeiner Weise verrottet. Das ist wirklich erstaunlich.“ murmelte sie leise und hielt ihn in das Licht einer der Feuerschalen. „Hier sind feine Schnitzereien auf dem Griff, welche ebenfalls noch wie gerade erst hinein gestanzt aussehen!“
Dem Träger wurde Glück gewünscht, dass ihm kein Leid geschehe, er seine Gegner alle gen Hel schicken solle und für immer sollte ihm ein Platz in Odins Halle beschieden sein! So die Inschrift darauf.
Mit einem Male tauchten Bilder vor unserem inneren Auge auf. Aus Alex Sicht!
Ein großes Feld, auf welchem sich zwei Heere gegenüberstanden! Es war nebelig und nieselte. Der Boden war entsprechend aufgeweicht und schlammig. Dann ertönte das Horn und beide Seiten rannten aufeinander zu zum Gefecht.
Es sah beeindruckend aus. Aber nur solange, bis mich jemand umrannte und ich mitgezogen wurde!
Plötzlich stand ich inmitten dieses Kampfes. Um mich herum schien jeder gegen jeden zu kämpfen und ich konnte nur noch agieren.
Ich handelte, wie es mein Gefühl gerade befahl, ich verteidigte mich, ich konterte und ich metzelte einige Gegner nieder.
Erst jetzt besah ich mir meine Waffe und bemerkte, dass ich in der linken einen Schild trug, welches schon ganz schön ramponiert war. Die schwere Axt in meiner rechten Hand fühlte sich gut an, so als wäre ich eins mit ihr! Und sie war scharf! Das musste nun ein Widersacher spüren, welcher brüllend auf mich zustürmte. Zu seinem Pech mit erhobenen Armen, sodass ich leichtes Spiel hatte und seine Körpermitte aufschlitzen konnte. Stöhnend ging er vor mir zu Boden und schon kam der nächste Kämpfer, der auch nicht lange am Leben blieb.
Wie lange wir hier auf dem Feld unser Bestes gaben, konnte ich nicht sagen. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren.
Aus den Augenwinkeln sah ich einen Mann, welcher mit einem Speer seine Gegner einen nach dem anderen aufspießte, als sei es das normalste von der Welt! Sein Kampfschrei war furchteinflößend und übertönte den ganzen anderen Lärm. Für einen Moment sah ich seinen Attacken zu, bis mich ein stechender Schmerz im Bein aus dem Geschehen riss…
Als meine Frau wieder „erwachte“ sah sie enttäuscht an sich herunter. Anscheinend weil sie die Äxte vermisste.
„Ich war an einer Schlacht beteiligt!“ hörte ich sie freudig reden. Sie hörte sich an, als hätte sie den Verstand verloren!
„Herzlichen Glückwunsch, Alex. Wir haben es gesehen!“ Ich konnte diesen Zynismus nicht aus meiner Stimme verbannen!
Monsieur Borque fragte staunend nach, ob das gerade real gewesen sei.
Es war nicht einfach, aber er bekam eine vereinfachte Erklärung, die ihm deutlich machen sollte, dass wir anders leben und Dinge wahrnahmen als er. Unsere visuellen Fähigkeiten hatte er ja am eigenen Leib gerade erfahren.
Im Anschluss werde ich ihm vermutlich ein paar andere Dinge einpflanzen müssen, nicht dass er diese „Märchen“ noch weitererzählt. Auf der anderen Seite, wer würde ihm so etwas schon glauben? Im Schlimmsten Falle erklärte man ihn für irre und sperrte ihn weg.
Hörte ich sie denken und auch der Allvater ergriff das Wort.
Er scheint auf unserer Seite zu stehen und vielleicht müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf ihn zurück greifen. Da wäre es von Vorteil, wenn wir ihm nicht alles erklären müssten!
Damit war das abgemacht und wir durchforsteten noch die anderen Truhen und Särge.
Alex fand noch zwei Pergamentrollen, welche nicht gleich zu Staub zerfielen beim Berühren und wir beschlossen, sie an uns zu nehmen.
Ich staunte nicht schlecht, das eine Schreiben war in einem sehr sehr alten englisch gehalten, welches sogar mir Schwierigkeiten bereitete. Es war fast 1000 Jahre alt!
Auf der anderen Seite hatten wir eine Landkarte, welche in einem kindlichen Zeichenstil gemalt war. Es war aber wirklich nicht auszumachen, was sie zeigen sollte. Wir sahen keine Koordinaten oder Namen von Städten oder ähnlichem. Ich hoffte, wir könnten später Anhaltspunkte bezüglich dieser Umrisse finden.
Wir fanden noch eine Armbrust, bei welcher uns Paul gleich stolz erklärte, dass sie von den Franzosen damals entworfen worden waren. Diese Durchschlagskraft hatten diese Herren auch gerne mal in Kämpfen mit unwissenden Kriegern unter Beweis gestellt. Ein Bogen machte längst nicht so viel Schaden!
In den anderen Behältnissen waren lediglich Geldstücke und kleinere unwichtige Dinge, die sicher nur persönlicher Natur waren. Eine Münze nahm meine Frau aber an sich, weil auch sie diesen Raben zeigte.
Paul löschte jetzt mit ihr die Feuerschalen und wir machten uns auf den Weg hier heraus. Ich öffnete die Tür und wir konnten wir auf den Gang schreiten.
Dort erwarteten uns diese selbsternannten Wächter auch schon.
„Habt ihr euren Onkel gefunden, Madame?“ höhnte ihr Vorredner und baute sich drohend vor meiner Frau auf!
„Ja, Monsieur, das habe ich. Jetzt kann ich beruhigt meine Heimreise antreten…“ hörte ich sie noch sagen, wurde aber im selben Moment von einem dieser Herren unerwartet angegriffen!
Das Chaos welches hier auf engem Raum entstand, brauche ich wohl nicht erläutern!
Es war schwer, die Angreifer auf Abstand zu halten. Mein Schwert ließ ich instinktiv stecken und nutze die versteckten Klingen und meinen Dolch!
Die Wächter hatten aber nicht mit kampferprobten Gegnern gerechnet und somit hatten wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite! Es dauerte nicht lange, da lag auch schon der letzten Mann röchelnd am Boden!
Warum ich gerade ein Gefühl von Enttäuschung erlebte, war etwas eigenartig, aber der Kampf war recht „langweilig“ und einseitig gewesen.
Doch unser Fremdenführer hatte sich hervorragend geschlagen, Hut ab!
Ich sah, wie Alex über einem Überlebenden gebeugt stand.
„Ihr seid… nicht die einzigen… die hier… nach den Schätzen… suchen! Wir… wissen, wo sich… die besten befinden!“ flüsterte er stockend und aus seinem Mund sprudelten bei jedem Wort kleine Blutstropfen, dann fiel sein Kopf zur Seite.
„Wir sollten nochmal die Taschen der Männer durchsuchen, vielleicht finden Anhaltspunkte, wo sie ihre Beute gelassen haben, oder wer sie anführt. Ich vermute, sie müssen einen Anführer haben!“ Der Vorschlag kam von Paul.
Frustriert stellten wir kurz darauf fest, dass es nicht den kleinsten Anhaltspunkt gab, der uns Hinweise liefern konnte.
Jetzt hieß es, die Leichen von hier wegzubringen.
„Das ist das kleinste Problem, Maîtresse Kenway, Maitre Kenway! In einem der Nebenräume gibt es einige Särge, welche hier gelagert werden, weil sie in der Stadt oben nicht gerne gesehen werden.“ Der Mann kannte sich wirklich gut hier unten aus zu unserem Glück.
Es war ein Aberglaube der Bevölkerung, welche Angst hatte einen Sarg zu sehen, weil man befürchten musste, kurz darauf in eben so einem zu enden! Sogar ich hatte immer ein unangenehmes Gefühl, wenn ich diese Dinger sah.
Alex äußerte ihre Bedenken, dass man ja so niemandem Bescheid über das Ableben dieser Herren geben könnte. Sie wären doch sicherlich auch Familienväter.
„Nein, da macht euch keine Sorgen. Kein Mann, welcher Frau und Kinder hat, würde sich hier als Grabschänder verdingen! Das wirft ein schlechtes Licht auf die Familie und man muss fürchten dafür ins Fegefeuer zu kommen… Aber ihr wisst ja um diese Angst der Christen.“
Mit Monsieur Borque schaffte ich nun die Toten in den Nebengang oder besser Nebenraum. Wir konnten alle mühelos unterbringen, wobei das auch sehr geschmacklos klingt, aber so war es nun einmal.
Wir machten uns danach auf, wieder an die Oberfläche zu kommen und ich stellte erstaunt fest, dass der vorhin noch lange Speer als kleiner Dolch am Gürtel meiner Frau hing. Ich hoffte auf eine Erklärung dafür. Es war ein Artefakt oder auch Relikt. Vielleicht besaß er ja irgendwelche „magischen“ Fähigkeiten? In mir keimte der kleine neugierige Junge auf, welcher auf Abenteuer aus ist. Von Zeit zu Zeit konnte ich diese Momente einfach nicht abstellen, sie beflügelten mich immer wieder!
Auf dem Weg erzählte uns Paul noch ein wenig von sich und seinen Brüdern. 6 hatte er insgesamt, zwei fuhren zur See, einer war letztes Jahr an den Pocken gestorben und die anderen drei lebten auf dem Land bei ihrer Mutter. Der Vater war schon vor langer Zeit einfach abgehauen. Solche Geschichten wiederholten sich anscheinend auch immer wieder.
Wir verabschiedeten uns bei ihm und ich bezahlte den Herren noch großzügig.
„Ich habe zu danken. Es war ein aufregender Tag und ich habe so viele Geschichten jetzt, die ich erzählen kann.“ meinte er fröhlich und stiefelte von dannen.
„Sollte er nicht lieber…“ ich war noch immer etwas skeptisch, aber Odins Worte waren richtig und wir ließen ihn gehen.
Bei unserer Unterkunft angekommen, kam uns Edward weinend entgegen.
Auf Alex´ Frage, ob ihm etwas wehtat, erklärte Sybill was gerade passiert war.
„Mistress Kenway, macht euch keine Sorgen. Ihm fehlt nichts. Master Edward war vorhin nur ein wenig aufgebracht und… ich sah, diese Schlacht ebenso wie er und ihr!“ kam es etwas zögernd von Sybill.
„Das ist… ist das jetzt gut oder schlecht? Auf der einen Seite ist es von Vorteil, da ich nicht viel erklären muss. Die Frage ist nur, WER kann diese Momente noch mit erleben?“ abrupt endete sie ihren Satz und sah mich erschrocken an.
Was ist, wenn Hrymr diese Einsicht hatte und mich dann auch noch manipulieren konnte? Was würde dann passieren? Zitternd überließ sie mir Edward und setzte sich an den Esstisch und griff nach der Karaffe mit dem Wein.
Diese Möglichkeit besteht, mein Kind. Du musst immer mit ihm rechnen. Es fällt mir schwer zuzugeben, aber dieser Kapitän ist nicht zu unterschätzen. Er ist mir ja schon einmal durch die Lappen gegangen! Solange du aber diese Mauer, wie sie gerade besteht in deinem Kopf, aufrecht erhältst, kann er eigentlich nicht soweit vordringen! Und ja, euer Sohn ist auch geschützt.
Langsam beruhigte sie sich wieder, als sie diese Worte hörte!
Wir besprachen jetzt noch, wann wir übermorgen aufbrechen werden. Leider konnten wir nicht mehr nach Preußen, wie wir es uns gedacht hatten. Wir mussten nach Möglichkeit noch vor dem Winter die Überfahrt bewerkstelligen. Das Wetter würde sonst mit einigen Kapriolen auf dem Atlantik auf uns warten.
Und was am wichtigsten war: Wir freuten uns alle auf Virginia!
Leider konnten wir nicht so schnell abreisen, wie wir es erhofft hatten. Wir hatten nämlich eine Sache noch nicht abgehakt!
Das Rasiermesser!
Irgendwo hier in Paris sollte es sein, laut der Liste. Wir forsteten also die Schreiben, Notizen und Bücher durch, welche uns über den Besitzer Aufschluss geben konnten. Oft hörte ich maulig von meiner Frau „Natürlich weißt du das mal wieder. Du bist ja auch noch nicht soweit von diesen Kriegen weg, wie ich. Bei dir sind es ja nur drei Jahrhunderte vielleicht.“
Meinen Stolz bezüglich dieses Wissens konnte ich nicht verbergen. Ein Fünkchen Wahrheit hatten ihre Worte aber nun einmal.
Wir bekamen auch Unterstützung vom hiesigen Wirt, welcher ein paar Bücher, Abhandlungen und ähnliches von seiner Familie in den Regalen hatte und uns zur Verfügung stellte.
„Man hat ja selten so belesene Gäste. Es freut mich, wenn wir euch bei der Suche nach dem Familienerbstück behilflich sein können.“ Ich sah, er war froh etwas konstruktives beitragen zu können. Vermutlich in der Hoffnung, dass wir ihn weiterempfehlen werden. Wobei das genau genommen unnötig wäre, seine Pension wurde vom Königshaus mit finanziert. Das erwähnte ich ja bereits.
Im Grunde gab es nur eine Anlaufstelle und zwar eine der alten noch recht gut erhaltenen Kasernen. Dort sollten wir beginnen und uns danach weiter durchfragen.
Besagtes Gebäude lag in einem Distrikt von Paris, welcher hauptsächlich bis heute Militär beherbergte.
Einer der dortigen Befehlshaber konnte uns sogar weiterhelfen, weil er von diesen Briefen des Leibdieners wusste.
„Wir haben selber einmal einen kleinen Suchtrupp zusammengestellt, weil man munkelte hier unter dem Gebäudekomplex gäbe es alte Verliese und, verzeiht Madame, Folterzellen. Außerdem sollte es geheime Türen geben! Leider sind meine Leute nicht fündig geworden, dafür nur sehr schmutzig…“ sein Lachen wurde leiser, als er meine Frau bedauernd ansah. Alex sah auf den ersten Blick aus, wie die typische zartbesaitete Dame aufgrund ihrer Blässe und vor allem Körpergröße und -statur.
Mit den Worten, er wünsche uns mehr Erfolg, übergab er uns die Schlüssel.
Und dann gab ich Alex die Erklärung, warum dieser Herr so zögerlich auf sie reagiert hatte.
„Mi sol, du bist eine Frau. Frauen sind und das solltest du mittlerweile gelernt haben, in dieser Zeit nicht mit den Belangen der Männer zu belästigen. Sie können es nicht verstehen und fast alle Damen fallen in Ohnmacht, sobald sie auch nur das Wort Blut hören oder ihnen eine Maus über den Fuß huscht. Aber wenn ich ehrlich sein darf?“ ich hob ihr Kinn an, damit sie mir in die Augen sehen konnte. „Man könnte tatsächlich meinen, du gehörst zu diesen zur Hysterie neigenden Damen, Alex. Bedenke deine Körpergröße und deine Haut hat immer diesen durchschimmernden hellen Teint. Kaum jemand, der dich nicht kennt, würde vermuten, dass du jemandem die Finger einzeln brechen könntest oder sogar die Kehle aufschlitzen würdest.“
„Du hast Recht. Ich bin der Wolf im Schafspelz.“ Dabei stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste mich leidenschaftlich.
„Auch das schickt sich nicht für eine Frau in der Öffentlichkeit. Zärtlichkeiten tauscht man nur aus, wenn man alleine ist, mi sol.“ Es tat mal wieder gut, sie ein wenig belehren zu können, auch wenn ich sah, dass sie innerlich bereits wieder zerfloss.
„Dann komm mit und ich zeige dir, was ich mit dir alleine in unserem Schlafzimmer anstellen kann!“ Ihre Worte flüsterte sie nahe an mein Ohr und mich überkam eine wohlige Gänsehaut.
„Ich will nicht warten!“ erwiderte ich knapp und zog sie hinter mir her zu einem abgelegenen alten Gebäude in einer der Gassen.
Dort wurde ich mit ihrer so ganz eigenen Hysterie belohnt, welche sie kniend vor mir zeigte. Dieses Weib wusste mittlerweile sehr genau, wo sie mich packen musste, damit sogar ich Wachs in ihren Händen – oder sollte ich diesem Falle lieber Mund sagen? - war. Es war mehr als befriedigend und entspannt konnten wir den Weg zu unserer Unterkunft antreten.
Ein köstliches Mittagsmahl erwartete uns schon und ein sehr hungriger Edward. Er verteilte seine Speise mal wieder überall, sodass Sybill ihn im Anschluss gründlich waschen musste, ehe er seinen Mittagsschlaf antreten konnte.
Alex war oben und ließ sich von Magda einkleiden um für den Nachmittag entsprechend gerüstet zu sein. Ein Kleid war keine adäquate Kleidung für so einen Ausflug. Also ließ auch ich mich in meine Montur packen, damit ich gerüstet bin.
„Master Kenway, habt ihr das gerade auch gefühlt?“ hörte ich Michael plötzlich ungläubig hinter mir fragen, als er mir den Kragen des Hemdes richtete.
Ja, ich hatte den Allvater gehört, welcher mit meiner Frau und ihrer Zofe gesprochen hatte. Bevor ich jedoch antworten konnte umgab meinen Kammerdiener ein weiches goldenes Leuchten und für einen Moment war er geistig abwesend.
Natürlich! Die beiden Angestellten sollten eingewiesen werden, damit wir nicht mehr so viel zu erklären hätten, wenn wir wie so oft mit verdreckter oder kaputter Kleidung heim kämen. Außerdem gab es einige – für die beiden sicherlich – unerklärliche Dinge, welche jetzt offen dargelegt waren.
„Jetzt wisst ihr, was oder besser wer wir sind, Michael. In Zukunft werde ich mich nicht immer erklären müssen. Aber denkt an das Stillschweigen.“ ich mahnte ihn nicht, ich erinnerte ihn an daran.
„Natürlich, Sir. Ich… fühle mich geehrt für das Vertrauen, was ihr und … die Götter in mich legt.“ Seine Augen strahlten mich an und ich hatte den Eindruck, er ginge seiner Arbeit noch gewissenhafter nach, als er es eh schon getan hatte. Ich dachte an das Vorstellungsgespräch mit ihm damals in Virginia. Ein schüchterner, leiser junger Mann, welcher seiner Bestimmung oder besser Berufung folgte. Meine Intuition hatte mich also nicht getäuscht vor ein paar Jahren, stellte ich erfreut fest.
„Ich bin froh, dass ich euch diese Anstellung gab, Michael.“ Anerkennend klopfte ich auf seine Schulter.
(Das Kapitel 33 - Frankreich "Der Opferraum unter Kaserne" aus Mistress Kenways Sicht)
Wir konnten uns jetzt auf den Weg zur besagten Kaserne machen.
Der Eingang zum Kellergeschoss lag im Außenbereich der eigentlichen Kaserne, genauer gesagt auf dem Innenhof derselbigen.
Beim Hinabsteigen hatte man den Eindruck, als sei hier seit Jahrhunderten niemand mehr gewesen. Das Schloss war verrostet und die Gittertür ließ sich nur schwer öffnen! Die Holztreppe dahinter machte einen ziemlich morschen und nicht gerade sicheren Eindruck. Bei jedem Schritt knartschten die Stufen.
Unten angekommen war es feucht und man hatte das Gefühl wie durch Nebel zu laufen, nur dass man diesen nicht sah nur fühlte! Ich hatte außerdem Schwierigkeiten die Fackel zu entzünden, welche wir mitgenommen hatten. Nach mehreren Versuchen und dem Verschleiß des vorletzten Feuersteins, brannte sie endlich und wir konnten weiter gehen.
Der Major hatte uns eine selbst gezeichnete Karte dieses Untergrundes gegeben. „Hoffentlich hat er nichts vergessen zu erwähnen!“ sprach ich wie zu mir selber, als wir weitergingen.
Hier und da entzündeten wir weitere an der Wand befestigte Lichtquellen, welche aber erstaunlicherweise schnell entflammten.
Es gab insgesamt neun Zellen für Gefangene und zwei richtige Verliese, welche mit schweren Eichentüren gesichert waren. Von den Folterkammern gab es ebenfalls zwei. Diese befanden sich, laut Karte ganz am Ende dieses Hauptganges.
Wir inspizierten eine Zelle nach der anderen, aber konnten keine losen Steine oder geheimen Türen ausmachen.
Ich versuchte mit meinem Sinn noch mehr der verstorbenen Auren ausfindig zu machen oder wie in den Katakomben Mechanismen für Geheimgänge. Leider konnte ich keinen Erfolg vermelden.
Die erste schwere Sicherheitstür machte Schwierigkeiten. Sie war durch die Feuchtigkeit und die Temperaturschwankungen völlig verzogen.
In mir fühlte ich eine zusätzliche Kraft und den Gedanken, dass ich nur mit aller Kraft dagegen treten muss. Alex sah mich mit hochgezogener Augenbraue an und ich realisierte, dass mich dieses Leuchten umgab. Ich war nicht alleine in diesem Moment, das war ihr gerade wieder bewusst.
An den Wänden waren ringsum rostige Ketten mit Ringen befestigt, ebenso waren am Boden einige eingelassen. Es gab auf Deckenhöhe, wie auch in den anderen Zellen, vergitterte Öffnungen, durch welche ein stetiger Luftzug drang.
Dieser Raum ernüchterte uns auch schnell, weil … nichts zu sehen war.
Im gegenüberliegenden Verlies fand ich einen losen Stein in der Wand und frohlockte, dass ich etwas gefunden hatte.
Doch als wir den gefundenen Kasten geöffnet hatten, kam die Ernüchterung. Darin lag ein Skelett eines Vogels und ein Blatt mit dem Vermerk, dass dies der Liebling der Insassen gewesen sei. Grausam ermordet von einer der Wachen. WER das hier hinterlassen hatte, stand leider nicht dabei. Im Grunde auch irrelevant, aber das Jahr wäre noch interessant gewesen.
Jetzt standen wir vor den letzten beiden Türen und durch die kleinen Gitteröffnungen konnte ich sehen, was sich dahinter befand.
„Willst du wirklich dort mit hinein? Ich meine es wirklich nur gut, mi sol.“ fragte ich Alex vorsichtig.
„Ja, vier Augen sehen mehr als zwei, oder?“ Tapfer lächelnd ging sie voran.
Hier gab es die obligatorische Streckbank und eine eiserne Jungfrau in der hinteren Ecke. Ansonsten baumelten an den Wänden verrottende Peitschen und diverse Schlaginstrumente. Rostige Zangen, Hämmer und Nägel lagen auf einer Art Arbeitstisch an der rechten Wand.
Wir nahmen beide diese Schemen war, welche vermutlich die Gefangenen zeigten in ihrer Pein während der Folterung!
„Barbarisch, wenn du mich fragst. Und den Wikinger wird schon nachgesagt, sie seien Unbarmherzig und brutal gewesen! Pffffffff!“ hörte ich meine Frau trocken sagen, als sie über die Werkzeuge strich.
„Seltsam ist nur, dass hier nichts ist und im Grunde bräuchten wir auch nicht nach nebenan gehen. Dort kann ich auch nichts ausmachen!“ es war auf eine seltsame Weise frustrierend, dass hier anscheinend NICHTS war. Hatten wir vielleicht doch noch etwas übersehen?
„Lass uns trotzdem nachsehen. Man weiß ja nie, vielleicht…“ Herr Gott nochmal, ich war nicht dumm und blind! Wieder einmal unterstellte Alex mir eine gewisse Unfähigkeit!
„Willst du mir jetzt etwa sagen, ich sei unfähig und dieser Aufgabe nicht gewachsen?“ Meine Stimme klang nicht nach mir und mir selber wurde klar, dass Tyr an die Oberfläche, im wahrsten Sinne des Wortes, stürzte.
„Hey!“ rief meine Frau und schüttelte mich!
Ich brachte nur eine leise Entschuldigung zustande, weil ich wütend auf mich selber war, diesen Gott noch nicht im Zaum halten zu können.
In der Nachbarkammer bot sich uns ein ähnliches Bild, aber es gab einen Stuhl, wo ein Pflock auf der Sitzfläche war. Ein ziemlich spitzer und sehr langer Pflock. Mir kroch eine eiskalte Gänsehaut beim Anblick über den Rücken!
Auch stand hier ein „spanisches Pferd“, ein Dreieckiger Balken, welcher auf einem Holzgerüst lag. Im Boden waren links und rechts Ringe platziert. Ich hatte noch nie einer solchen Prozedur beigewohnt und wollte es im Grunde auch nicht unbedingt.
Dieser Raum war aber etwas größer und auch länglicher. Es schien, als hätte man hier mehrere Delinquenten gleichzeitig zum Reden bringen wollen.
„Alex, siehst du etwas? Irgendwelche nebligen Auren?“ hakte ich leise nach, weil ich wusste, dass sie bereits feinere Auren wahrnehmen konnte als ich.
„Muss ich das wirklich tun?“ quengelig setzte sie ihren Blick ein, oder besser gesagt etwas ängstlich. Verständlich, oder?
Langsam schritt sie auf die hintere Wand zu und tastete die Steine ab.
„Warte! Ich…“ auf einem Tisch lag ein Feuereisen, welches ich jetzt in dem Mörtel einsetzte und gleichzeitig erklärte ich meinen Gedanken. „Siehst du das? Das hier sieht anders aus, als der Rest, aber nur wenn man auch genauer hinsieht.“
Der Mörtel sah hier etwas „frischer“ aus.
Es verging eine Weile bis ich einige Steine lockern und lösen konnte. Dahinter schien ein Hohlraum zu sein! Hatte man hier etwa Menschen eingemauert? Eine mehr als grausame Methode Menschen zu Tode kommen zu lassen! Neben mir zitterte Alex und ich sah, wie in ihrem Kopf diese „Geister“ schreiend hinter dieser Wand verschwanden!
Gemeinsam schafften wir es dann recht zügig einen Durchgang frei zu bekommen. Ich schritt als erster hindurch. Vor uns erstreckte sich ein kleiner Gang, an dessen Ende eine Treppe begann und nach unten führte.
Der Weg ging weiter hinunter und offenbarte kurz darauf eine Art Leichenkammer! Es stank erbärmlich nach Verwesung und Kloake!
„Das ist widerlich!“ Ich musste mir meinen Umhang vor die Nase halten, damit ich nicht so würgte.
An den Wänden aufgereiht lagen Skelette. Die Tücher, mit denen sie einmal bedeckt waren, waren bereits verrottet und gaben den Inhalt frei. Unsere Blicke offenbarten ein wahres Horrorszenario. Wir sahen beide, wie man hier die Gefangenen strangulierte, erschoss oder einfach mit dem Schwert hinrichtete. Danach wurden sie achtlos hier an die Seiten geschafft. Aber warum machte man das so heimlich?
Wir gingen ein Stück weiter, weil hier nichts sonst auszumachen war. Es ging um eine Biegung und hier öffnete sich ein großer Raum. Ringsum waren Fackeln, welche wir nach und nach entzündeten, bis wir in einer Halle standen. Es mag sich verrückt anhören, aber dieses Gewölbe war riesig.
Es ging von hier aus auch kein weiterer Gang ab, hier war Ende!
In den Wänden waren kleine Nischen angebracht, wo man noch die Reste von Kerzen sah oder aber es lagen Knochen darin. Hier war nichts gepflastert mit Backstein, es war purer festgestampfter Lehm!
In der Mitte stand ein großer Tisch, welcher aus Stein gehauen war. An seinen langen Seiten waren wieder Ringe angebracht. Es sah nach einem Opfertisch aus! Welchem Gott man hier opferte konnte ich leider nicht sagen, aber ich baute da auf das Wissen von Alex.
„Alex, nutze deinen Blick!“ bat ich sie, weil sie wie angewurzelt im Raum stand.
Wir wurden in eine andere Welt gezogen, es waren nicht mehr nur diese Schemen, welche wir sahen. Es waren echte Menschen! Es war, als wären wir gerade direkt mit anwesend!
Uns zeigte sich eine grausame Szene, ein Mann lag angekettet auf dem Tisch mit nichts als einem Hemd bekleidet. Um ihn herum standen diese anderen Personen, welche einen Singsang angestimmt hatten, ich vermochte aber nicht zu sagen, was sie sangen.
Am Kopf des Gefesselten stellte sich nun ein Herr auf, erhob seine Arme und begann mit einem Gebet. Wir konnten ihn nicht hören! Man sah nur wie sich die Lippen bewegten.
In den Händen hielt er einen länglichen Gegenstand, ein Messer wie es aussah und gerade als er zum tödlichen Stoß ausholen wollte, kam Bewegung in die Umstehenden und wir wurden Zeuge eines Kampfes. Soldaten, so schien es, wollten diese „Versammlung“ auflösen und dieses Gemetzel was hier jetzt zu sehen war, war mehr als grausam. Sogar der Mann auf dem Tisch fiel den Schwertern zum Opfer…
Plötzlich brach diese Szene ab und es war, als wäre hier nie etwas passiert.
„Was bitte war denn das?“ Verwirrt sah ich mich um, aber auch meine Gattin hatte noch keine Erklärung.
Es dauerte einen Moment, bis ich ruhiger wurde und begann dann damit, die Wände und Nischen mit meinem Adlerblick abzusuchen, während Alex sich noch einmal diesen Steintisch näher ansah.
In einer der hinteren Ecken hatte ich dann Glück und nahm ein stark leuchtendes Gebilde wahr. Länglich und hinter alten abgebrannten Kerzen versteckt. Ich nahm meinen Umhang zuhilfe und griff danach. Doch auch durch diesen Stoff konnte man ein leichtes Kribbeln fühlen. Also waren es Isu-Artefakte.
„Sieh es dir an. Schau… hier der Griff ist aus Elfenbein und dort… die Schnitzereien sehen aus, wie die, die auf dem Rasiermesser abgebildet waren. Laut der Skizze des Leibdieners!“ Beim besten Willen konnte ich mir aber nicht vorstellen, dass man den Vorläufern hier opferte. Zu welchem Zweck? Außerdem hatte ich nie ähnliches dazu gelesen, auch nicht in Reginalds peniblen Aufzeichnungen!
„Was nun, mi sol? Wir scheinen fündig geworden zu sein!“ Etwas in mir wollte hier möglichst schnell hinaus, dazu kam ein seltsames Gefühl von Einsamkeit in diesem Raum. Ich konnte es nur nicht genau benennen.
„Wir nehmen es mit und verwahren es, bis wir die Übersetzungen aus dem Buch von Reginald haben.“ Alex öffnete eine der Gürteltaschen und ich ließ das Messer hineingleiten.
„Ich hoffe doch, dass wir noch eine Nachricht des Dolmetschers in den nächsten Tagen erwarten können.“ Ich hoffte es wirklich!
Alex Frustration war deutlich zu spüren. Ein weiteres Artefakt war in unserem Besitz! „Besser so, als wären wir hier plötzlich gefangen oder?“
Ich war froh, als wir wieder im Innenhof der Kaserne und an der frischen Luft waren. Ich sog meine Lungen voll und atmete tief durch. Dieser modrige Geruch wollte nicht so recht weichen!
Wir übergaben dem Major noch die Schlüssel und bedankten uns für seine Kooperation.
In unserer Herberge war ich froh für das köstliche Abendessen, welches schon auf uns wartete. Währenddessen unterhielten wir uns noch darüber, wie es jetzt weitergehen sollte.
„Ich habe dem Herren mitgeteilt, wohin er alles schicken muss. Zur Not kann auch eines unserer Handelsschiffe bei einer Passage diese Aufgabe mit übernehmen.“ Denn die Übersetzung würde uns hier in Frankreich nicht mehr rechtzeitig erreichen! Leider!
Als Alex und Sybill danach unseren Sohn zu Bett brachten, besah ich mir noch einmal ein paar Aufzeichnungen bezüglich dieses Rasiermessers. Ich würde zu gerne wissen, wer es so kunstvoll hat umarbeiten lassen, dass es wie ein Dolch aussah. Das war ein Kenner seines Handwerks!
„Edward! Jetzt halt still, oder soll ich dir deinen Schimmel wegnehmen?“ hörte ich mit einem Male meine Frau von oben. Was war denn auf einmal los?
Kurz darauf kam sie herunter und ließ sich seufzend auf dem Stuhl mir gegenüber am Tisch nieder.
Auf meine Frage, was passiert sei, sagte sie, dass er sich geweigert hatte, sein Schlafhemd anzuziehen. Erst als sie ihm, wie ich vernommen hatte, den Schimmel wegnehmen wollte, sei er zur Vernunft gekommen.
Kinder brauchten von Zeit zu Zeit einfach strenge Regeln, dass musste meine Frau beizeiten lernen!
„Ich weiß das. Aber er saß mit Tränen in den Augen auf dem Bett und ich hatte ein schlechtes Gewissen.“ Das böse Gewissen meiner Frau, es ließ sich nicht abstellen, weder bei mir noch bei Edward.
„Haytham, ist dir eigentlich in den Verliesen aufgefallen, dass sich weder Odin noch Loki oder ein anderer Gott gemeldet hat? Bis auf Tyr, der dich für ein paar Sekunden gelenkt hat.“ in ihrer Stimme klang Verunsicherung mit. Doch ich hatte so etwas nicht gespürt, oder doch?
„Nein, darauf habe ich ehrlich gesagt auch gar nicht geachtet.“ Dieses dumpfe Gefühl sprach ich nicht gleich an. „Glaubst du, dass es dort eine Art Mauer gibt, die verhindert, dass andere Götter dort hineingelangen können? Ähnlich wie die, die wir im Geiste errichten können, damit Hrymr zum Beispiel uns nicht manipulieren kann?“ Als ich geendet hatte, sah sie mich mit großen Augen an.
„Genauso könnte es doch sein. Wer aber hält sie dort aufrecht? Können diese Isu auch ohne ihre eigentliche Anwesenheit solch schwere Geschütze auffahren?“ Dieser Gedanke war tatsächlich nicht abwegig, jedoch müsste ich noch einmal in Reginalds Aufzeichnungen und die des Ordens schauen, ob etwas dergleichen vermerkt wurde.
„Wenn sie solche Tempel, wie du sie beschreibst, errichten können, dann sollten sie auch so etwas hinbekommen.“ ging es mir durch den Kopf.
„Diese Barriere muss aber von etwas gespeist werden, wie ein Akku zum Beispiel. Weil man ja auch dieses Kribbeln beim Berühren der Artefakte spürt. So als würde man leichte Stromschläge bekommen!“ leider konnte ich meiner Gattin gerade nicht folgen und äußerte mein Unwissen.
„Was ist ein Akku?“ Die Erklärung folgte prompt. Es war wie eine von Franklin bereits angesprochene Batterie, welche immer wieder Ladungen aufnehmen konnte, im Grunde unendlich und so oft wie man wünschte. Erzeugt wurde diese Spannung oder auch Elektrizität von einem Blitz. Alex konnte es leider kaum für mich in Worte fassen. Shay hatte von diesen Blitzableitern und den Kabeln gesprochen, also erklärte sie es mir anhand dieser Konstruktion etwas. Trotzdem war es ein unheimlicher Gedanke.
„Man kann so eine Batterie also immer wieder mit dieser Spannung laden und sie unbegrenzt einsetzen? Franklin sollte das vielleicht auch einmal in seine Experimente mit einbauen. Ich sollte ihm noch ein Schreiben diesbezüglich zusenden.“ Ein weiterer Punkt, den ich noch in Angriff nehmen sollte.
Ich setzte mich an den kleinen Schreibtisch und begann einen Brief an Benjamin, während Alex sich mit ihrem Tagebuch für Yannick beschäftigte. Auch er sollte auf dem Laufenden gehalten werden. Für einen kurzen Moment dachte ich an ihn und versuchte mir vorzustellen, wie er auf diese Einträge reagieren würde, wenn sie ihn erreichen. Es lägen 250 Jahre für ihn dazwischen, genauso wie sie für meine Frau auch bei meinen Tagebüchern. Eine immer noch unheimliche Vorstellung.
Als ich fertig war, ging ich zu ihr und legte vorsichtig meine Arme um sie.
„Wir sollten schlafen gehen, mi sol. Es ist schon spät und du weißt ja, unser persönlicher kleiner Wecker erwartet unsere Aufmerksamkeit recht früh.“ Wir ließen uns für die Nacht umkleiden.
Während ich mich schon ins Bett legte, sah Alex noch einmal nach Edward. „Nur so.“ nuschelte sie lächelnd und verschwand nach nebenan.
Am heutigen Tag brachen wir Richtung Calais auf, als alle Truhen auf den Karren verteilt und die Runentruhen entsprechend gesichert waren in unserer Kutsche.
In drei Tagen sollten wir den Hafen erreichen und in mir schrie alles danach endlich wieder nach Virginia zu kommen. Die Arbeit dort tat sich nicht für immer von alleine und ich hätte alle Hände voll zu tun, wenn wir daheim waren.
Ich hoffte, dass in unserer Abwesenheit nicht allzu viel schlimmes passiert war.
Im Kopf ging ich noch einmal eine Liste durch, was wir erledigt hatten von unserer Liste. Vermutlich tat es meine Frau auch wie ich sie kannte.
Die Artefakte waren geborgen, alles was wichtig war, hatten wir aus dem Chateau eingepackt und wir hatten in der Rückhand den Dolmetscher. Wir konnten aufbrechen, wir hatten hier in Frankreich alles erledigt.
Alex hatte außerdem mit Bragi und Idun noch alle kaufmännischen Details besprochen und ausgearbeitet, sodass wir auch dort auf der sicheren Seite waren.
Endlich traf unser Tross bei der Jackdaw ein, wo die Mannschaft schon versammelt an Deck stand und uns freudig erwartete.
Meiner Frau sah man ihre Freude ebenfalls an, mir vermutlich auch. Selbst wenn wir uns mit einigen widrigen Umständen auf dem Atlantik auseinandersetzen werden müssten. Aber es hieß – Auf in die Heimat -
Es gab noch zwei neue Besatzungsmitglieder, welche Mr Hargreaves uns vorstellte. Tüchtige Burschen, welche sich eine neue Existenz in der neuen Welt aufbauen wollten. Hier wären sie vermutlich an der richtige Adresse.
Das Handelsschiff von Mr Higgins lag neben uns und auch dort spürte man diese Euphorie, dass es nun endlich wieder nach Hause ging. Die Runentruhen wurden auf sein Schiff geladen, unterdessen wurde unsere Jackdaw beladen. Was genau, wenn wir in Virginia eintrafen, mit den Truhen von Elias passieren sollte, würden wir erst dort erfahren.
Die Versorgung und Bewirtschaftung des Chateaus hatten jetzt Eheleute Jomphe inne! Auf sie konnten wir uns verlassen und sollten noch andere Gegenstände für wichtig befunden werden, hatten auch sie Zugriff auf den Geheimraum.
Wir konnten endlich Segel setzen und in Alex´ Augen leuchtete dieser Stolz und dieses Glück, wieder an Bord sein zu können.
Dachte sie manchmal daran, dass mein Vater noch das Kommando über die Jackdaw hatte, wenn sie hier stand? Warum ich immer noch diese Gedanken hatte, welche aus einer leichten aufkeimenden Eifersucht kamen, kann ich noch nicht einmal sagen. Sie waren da!
Wirklich darüber nachdenken konnte ich nicht, weil es kurz darauf gegen Abend windig wurde und unser Sohn die Seekrankheit überkam. Sein Essen behielt er nicht bei sich, er weinte und jammerte auf dem Arm meiner Frau.
„Min lille skat, hier…“ sie gab ihm ein Stück Ingwer, welcher gegen die Übelkeit helfen sollte. Ihre Kammerzofe hatte bewiesen, dass es Wirkung zeigte, also hoffte ich auch bei unserem Sohn auf den Erfolg.
Am dritten Tag konnten wir auf die offene See einfahren und es war wie eine Befreiung! Der Gedanke, dass wir jetzt wirklich auf dem Weg nach Hause waren, breitete sich wohlig in mir aus.
Eigentlich fühlte man diese Freude bei allen Seelen hier an Bord der Jackdaw.
Edward war kaum aufzuhalten und es war schwierig, ihn immer im Auge zu behalten. Sein Unwohlsein schwand, dafür war aber sein Bewegungsdrang wieder erwacht und er wollte alles erkunden.
Die Matrosen nahmen sich immer mal wieder seiner an, weil unter ihnen auch einige Familienväter waren. Leider brach sich einer der jungen Männer die Nase, als er der Länge nach hinfiel, weil unser Sohn ihn ins Straucheln brachte. Trotzdem beschäftigte man Edward mit allerlei kleineren Dingen, auch ich zeigte ihm das Schiff ausgiebig.
Wie gerne hätte ich so etwas auch von meinem Vater gehabt. In mir schlichen sich dunkle Wolken der Trauer und der Eifersucht auf Jenny.
Nein, ich sollte nicht so undankbar sein. Stattdessen sollte ich es für meinen Sohn besser machen. Ihm zeigen, was ich wusste.
Haytham, ich weiß, du fühlst dich übersehen! Aber dem ist nicht so. Ich habe dich leider nicht früh genug in alles eingeweiht. Und es tut mir immer noch schrecklich leid. Jetzt aber weißt du, was mich damals antrieb und wie die Dinge lagen. Ich kann es nicht mehr ändern nur das, was jetzt noch vor euch liegt und ich setze alles in meiner Macht stehende daran, dass ich dir in Zukunft zur Seite stehen kann.
Es war lange her, dass ich seine Stimme mit dieser Verzweiflung gehört hatte.
Mein Liebling, hätte ich das alles vorher gewusst, hätte ich es nicht geschehen lassen.
Und dann waren meine Eltern wieder verschwunden, aber sie hinterließen keine Trauer in diesem Moment, sondern die Erkenntnis, dass ich nie alleine bin.
Kurz nach diesem emotionalen Einbruch, gerieten wir in einen heftigen Sturm. Das Unwetter traf völlig unerwartet auf uns und beide Schiffe hatten mit diesen Widrigkeiten zu kämpfen.
Alex erzählte von Thor, der wütend war und dass der Donner der Klang von seinem Hammer sei, der auf den Amboss aufschlug und die Blitze waren die Funken die dabei entstanden. Gebannt sah mein Sohn zum Himmel. „Thor! Laut…“ Dieser Gott würde wohl nie sein Freund werden, ging es mir durch den Kopf.
Wir mussten 4 Tage in einem kleinen Hafen vor Anker gehen, bis sich alles beruhigte. Das Gute war, wir konnten frisches Wasser und Lebensmittel aufnehmen.
„Ich würde so gerne jetzt schon einmal nach Great Inagua segeln!“ sprach meine Frau eines Morgens als wir bei Mr Hargreaves standen.
„Mistress Kenway, ich würde mich auch freuen, dorthin zu segeln. Aber erst einmal müssen wir alle nach Hause und auch ihr seht aus, als würdet ihr die Plantage vermissen!“ Er hatte ein Auge für solche Dinge, weswegen auch die Mannschaft immer gut bei Laune gehalten wurde. Eine gewisse Empathie und Menschenkenntnis ging von unserem ersten Maat aus! So etwas beruhigt zusätzlich.
In den nächsten Tagen konnte ich dann auch meine Fähigkeiten bezüglich des Adlerblickes und dem Zutun von Tyr noch ausarbeiten.
Wir hatten ein kleines Rattenproblem und ich selber war erstaunt, wie schnell ich diese kleinen Nager ausfindig und unschädlich machen konnte.
Nur mein Sohn war von meiner Jagd nicht erfreut. Er weinte, wenn er sah, dass mal wieder eine Ratte das zeitliche segnete durch meine Klinge. Ich habe nichts gegen tierliebe Menschen, aber diese Viecher waren auf einem Schiff keine willkommenen Mitreisenden.
Noch verstand er diese Zusammenhänge nicht.
Unterdessen gab es nur die üblichen Verletzungen, keine größeren Vorkommnisse, sodass wir weitersegeln konnten.
In einer Nacht, es muss Anfang November gewesen sein, schrak meine Frau plötzlich aus dem Schlaf hoch und zitterte wie Espenlaub. Auch ich war aus einem mir unerfindlichen Grund wach geworden. Ich fühlte eine seltsame Leere oder auch Einsamkeit. Genau definieren konnte ich es nicht.
Als ich Alex darauf ansprach ob sie es auch fühlte, sah sie mich traurig und mit Tränen in den Augen an.
„Ja, aber ich weiß nicht, warum… mir wurde etwas weggenommen, Haytham.“ Alle Götter rief sie nun an, aber alle waren ebenfalls sichtlich verunsichert. Als wir, ich versuchte ebenfalls herauszufinden was vorgefallen war, bei meiner kleinen Schwester anlangte, war es, als wäre dort niemand mehr.
„Sie ist weg!“ Alex konnte sich kaum beruhigen und weinte bitterlich! Es war ein unangenehmes Gefühl. So als wäre einem ein Körperteil entrissen worden, ich spürte es ja auch!
Nein… es scheint… jemand hat ihr eine schwere Verletzung zugefügt… mein Zeichen ist nicht mehr vollständig… Lokis Stimme war abgehackt und kam verstümmelt an. Sie lebt aber! Versicherte er uns noch einmal.
Der Allvater bestätigte zusätzlich noch einmal seine Worte! Der Erbe lebt, aber wird fortan nicht mehr mit uns in Verbindung stehen, wie es scheint! Wirklich glücklich war er demnach auch nicht darüber, auch wenn nicht alles zum Besten zwischen den beiden bestellt war.
Langsam beruhigte sie sich, aber die Wochen vergingen unglaublich langsam. Also ging ich dazu über mich mit der Seefahrt noch weiter zu beschäftigen, ich sprach mit Mr Hargreaves des öfteren über einige Manöver wenn es zu einem Angriff kam. Was zu tun sei, wie man entsprechend die Kommandos für das Segelsetzen gab und so weiter. Im Grunde hatte ich hier an Bord nicht viel zu tun und zunehmend sehnte ich mir meine Arbeit auf der Plantage herbei.
In den Nächten aber hatte ich die freudige Aufgabe, meiner Frau zu zeigen, wer sie vermisst und dass sie nur mir gehört. Dankbar nahm sie diese Zuwendungen an und bedachte mich mit eben der gleichen Aufmerksamkeit.
Wir erregten kaum Aufmerksamkeit, weil wir mittlerweile völlig still kommunizierten!
Wir hatten mittlerweile den 1. Dezember 1764 als wir endlich in den James River in den Abendstunden einfahren konnten.
Neben mir hörte ich einen Freudenschrei meiner Frau „Endlich!“ und Edward tat es ihr gleich. Auch er, vermutlich wie wir alle, freute sich auf Zuhause.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass wir noch pünktlich vor euren Geburtstagen wieder daheim sind.“ seufzte Alex erleichtert.
Mir hätte es nichts ausgemacht unterwegs meinen Ehrentag zu begehen, sie war da jedoch anderer Meinung. Aber vielleicht hatte sie recht, es wäre schon angenehmer morgens nicht in eisiger Kälte an so einem Tag wach zu werden. Die Annehmlichkeit eines warmen Kaminfeuers war nicht zu verachten!
An der Anlegestelle warteten bereits die Familien und Arbeiter auf unsere Ankunft.
Kaum dass die Jackdaw festgemacht war, eilte Alex die Laufplanke hinunter und ich hörte sie leise den Göttern danken.
Sie stellte unseren Sohn auf seine eigenen Beine, nur leider wankte er leicht hin und her und verlor prompt das Gleichgewicht.
„Min lille skat, du musst dich jetzt wieder daran gewöhnen, dass es nicht mehr schaukelt.“ etwas an ihren Worten ließ mich aufhorchen, weil sie etwas ängstlich daher kamen.
Nach dem die Begrüßungen und Willkommensbekundungen abgeschlossen waren, machten wir uns auf den Weg in unser Heim.
Die Kutschen waren mit allen Truhen beladen und die Runentruhen für den Duke of Ironside waren ebenfalls schon auf Transportkarren. Wohin genau diese jetzt gingen wussten wir noch nicht. Ich ging davon aus, dass man uns später dann von dem Eintreffen benachrichtigen würde.
Wir näherten uns jetzt dem Herrenhaus und bei dem Anblick atmete ich erleichtert auf, währende meiner Frau die Tränen über die Wangen liefen.
„Mama, taurig?“ kam es leise von Edward, dabei schmiegte er sich an sie.
„Nein, ich freue mich ganz doll wieder zuhause zu sein. Mit dir, deinem Vater und Sybill!“ sprach sie leise.
„Nir...Nir…“ Natürlich, er wollte unbedingt zu den Pferden. Wir würden uns aber erst morgen darum kümmern, es war schon zu spät und zu dunkel.
Schmollend verzog er den Mund.
„Sisi… Arm!“ kam es in diesem leichten Befehlston, welcher mir ziemlich missfiel.
„Edward, du hast nicht so zu reden!“ ermahnte ich ihn, weil mir bereits auf der Jackdaw aufgefallen war, dass er des öfteren ausfallend werden konnte. Ganz zu schweigen von Schimpfwörtern der Matrosen, welche er aufgeschnappt hatte.
Ein tiefes Ein- und Ausatmen von meiner Frau nahm ich wahr und ihren Gedanken zu meinen Worten. Mal wieder fand sie es nicht richtig, dass ich ihn so maßregelte, er würde es ja noch lernen und ich sollte nicht immer gleich so streng reagieren.
Mi sol, ich kann deine Gedanken lesen! Reiß dich am Riemen, wir können Edward dieses Verhalten nicht durchgehen lassen. Überlass einfach ab und an mir die Zügel. Sie ließ ihren Adlersinn über mich gleiten, weil sie befürchtete, dass ich mal wieder nicht alleine sprach. Da konnte ich sie beruhigen, DAS waren einzig und alleine meine eigenen Worte!
Für einen kurzen Moment stand ich in der Eingangshalle und ließ unser Haus auf mich wirken. Es ist jedes Mal wieder ein Gefühl von Zufriedenheit, wenn ich es betrat nach einer Reise.
Mit Michael ging ich schon vor um mich umziehen zu lassen. Ich wollte wieder einfache Kleidung tragen und endlich aus diesen dicken Stoffen heraus.
Mrs Wallace wies ich auch gleich an, dass sie Edwards Sachen direkt in sein Zimmer bringen und schon für die Nacht alles richten solle für ihn. Hier bezieht er, wie Alex und ich es besprochen hatten, sein eigenes Reich ab jetzt.
Entsetzt sah mich aber meine Gattin an, brachte aber keinen Satz über die Lippen.
„Master Kenway, der Kamin ist bereits angefeuert. Ich werde schon einmal das Wasser für die Seife erwärmen und eure Garderobe herauslegen.“ Mein Kammerdiener schlängelte sich um die Mädchen herum, die bereits angefangen hatten, die Schmutzwäsche aus den Truhen zu holen und die anderen Kleidungsstücke zu verräumen. „Wo ist denn … ah, nein … Stefanie, lass die Finger von dieser Tasche, die brauche ich gerade…“
Ich begann den Gehrock aufzuknöpfen und besah mich kurz im Spiegel. Ja, eine Rasur würde mir sicherlich nicht schaden. Leider war es an Bord nicht immer möglich für eine gründliche Haarentfernung, entweder lag es am Seegang oder die Zeit fehlte mal wieder.
Michael begann mich einzuseifen, als auch Alex endlich erschien mit Magda.
Immer noch beäugte sie mich etwas böse. Nachher wenn wir etwas Ruhe hatten, sollte ich ihr noch einmal meine Entscheidung erklären. Bis dahin genoss ich die Zuwendung und Wäsche, genau wie meine Frau auch.
Es tat gut frisches Wasser wieder auf der Haut zu fühlen, auch wenn es etwas kalt war.
Ich bat dann die Hausmädchen hinaus, weil Magda und Michael uns einkleiden sollten. Fertig angezogen, frisch rasiert und ein wenig aufgewärmt, fühlte ich mich wieder wohler in meiner Haut.
Alex stand in ein warmes Wollkleid gekleidet vor dem Spiegel, während ihre Kammerzofe die Haare machte. Ich lehnte mich an den Türrahmen und sah ihnen einfach dabei zu.
Meine Frau bemerkte meinen Blick, entgegnete ihn mit einer gerunzelten Stirn, sagte aber, wie ich auch, nichts.
Ich genoss ihre wachsende Verunsicherung, ob ihres schlechten Gewissens.
Es funktioniert immer noch, mi sol. Sei dir sicher, du gehörst mir und ich habe gerade wieder gemerkt, dass es mir einen wohligen Schauer beschert, wenn ich dich so aus der Fassung bringen kann. Mit einem einzigen Blick. Ab und an konnte ich fies sein, ich erwähnte es bestimmt schon einmal.
Im Wintergarten wartete bereits Edward auf uns, weil wir noch zu Abend essen wollten. Ich freute mich darauf, auch wenn der Smutje der Jackdaw immer hervorragend gekocht hatte.
„Hunger!“ rief mein Sohn laut und griff nach seinem Teller.
„Nein, du wartest, bis wir alle am Tisch sind, Edward.“ So langsam sollte er Manieren bei Tisch lernen, wenn er mit uns gemeinsam aß. Natürlich passte Alex wieder meine Art nicht, wie ich an ihrem genervten Gesichtsausdruck feststellte. Trotzdem wartete sogar sie, bis ich saß und mit Essen begann, stellte ich erfreut fest.
Vielleicht sollte ich beizeiten auch ein Tischgebet einführen, im Grunde fehlten mir einige Kleinigkeiten die man als Familie üblicherweise tat.
Nach dem hervorragende Essen von Miss Tabea, welche Mrs Wallace würdig in der Küche abgelöst hatte, konnten wir uns noch ein wenig akklimatisieren.
Edward hatte einen Teil seines Spielzeugs hier unten auf einer Decke vor dem Kamin, damit wir ihn im Auge behalten konnten. Auch er brauchte jetzt noch einen Moment um wieder hier anzukommen.
Es dauerte nicht lange, da wurde er müde und ich muss gestehen, mir fielen auch langsam die Augen zu. Diese Ruhe, der feste Boden unter den Füßen und die Wärme des Feuers taten gut und machten uns alle schläfrig.
Wir lagen noch nicht ganz, da hörte man unseren Sohn lauthals weinen und was machte meine Frau? Sie sprang regelrecht aus dem Bett und eilte hinüber.
Kurz darauf war sie wieder in unserem Schlafzimmer.
„Alex, jetzt lass Edward doch einfach zur Ruhe kommen. Er wird schon aufhören zu weinen. Du musst nicht gleich immer aufspringen!“ Er musste lernen, dass er jetzt auch hier sein eigenes Zimmer hatte. In Frankreich hatte es doch auch funktioniert.
Ich muss nicht erklären, dass es meine Gattin nicht interessierte, was ich sagte. Sie ging bei jedem kleinsten Mucks sofort wieder hinüber, auch wenn ich immer betonte, dass sie ihn so zu sehr verwöhnen würde. Ich brachte einige Argumente an, aber alle stießen sie auf die tauben Ohren einer Mutter aus dem 21. Jahrhundert, wo es vermutlich ganz anders ablief.
Irgendwann kam sie gar nicht wieder!
Also hatte sie sich ganz meiner Mahnung widersetzt und sich bei ihm einquartiert! In mir begann es zu kochen. Es war ein Unding, dass sie mich in solchen Erziehungsfragen überging!
Mein Schlaf war entsprechend unruhig, weil ich darüber nachdachte, wie ich dieser sturen Preußin meine Sicht erklären sollte. Aber um eine Lektion würde sie eh nicht mehr herumkommen. Dieser Gedanke ließ mich etwas – nunja – in andere Gefilde meiner Gedanken abtauchen und ich glitt in den Schlaf.
Am nächsten Morgen überging ich ihre Begrüßung. Im Grunde ging ich ihr aus dem Weg! Das Frühstück fiel entsprechend schweigsam aus. Im Anschluss kündigte ich auch an, sie bräuchte mich nicht suchen, ich hätte zu arbeiten. Mein Tonfall war vermutlich etwas zu harsch, aber als ich sie heute aus Edwards Zimmer habe kommen sehen, kam diese Wut wieder auf ihr Fehlhalten hoch.
Tatsächlich lenkte mich das Lesen der ganzen Korrespondenz, den Briefen, den Bittschreiben einiger Mitglieder des Kongresses und das studieren einiger neuer Verträge für den Tabak und den Weizen, ab.
Im besagten Kongress gab es, wie überall auch zu spüren war, Unruhen und aufkeimende Unstimmigkeiten. Es zeichneten sich die ersten Gruppen ab, entweder FÜR den König oder GEGEN den König. Einen Kompromiss zu finden wird schwer werden, weil beide Seiten irgendwie im Recht waren, oder nicht?
Steuern waren im Grunde legitim, weil Kriege nicht ohne Geld geführt werden konnten. Aber umgekehrt sollten es Auflagen sein, die man nachvollziehen kann.
Ich begann an William zu schreiben, wie es mit den Eingeborenen hier bestellt war und ob sich dort die Zusammenarbeit verschlechtert hätte. Noch hatte ich den absurden Gedanken, dass ich wissen wollte, wie es hinter der Wand in dem Tempel von damals aussah. Meine Neugierde ließ mich diesbezüglich nicht los.
Mr Robinson suchte mich gegen Mittag auf um mir alle Neuigkeiten zu berichten.
Auf unserer Plantage hatte es Erweiterungen gegeben, es gab neue Pächter und ein Versammlungshaus.
„Es gibt jetzt einen Lehrer und Prediger. Ich ging davon aus, dass auch ihr dem zustimmend würdet. Es gibt hier viele Menschen die gerne wieder eine Andacht am Sonntag hätten.“ damit hatte er Recht und im Grunde fehlte auch mir der Gang in die Kirche ein wenig.
„Außerdem ist eure Stute trächtig, Master Kenway. Es sollte im Mai soweit sein, sagte Mr Mackenzie. Und hier habe ich noch die Namen der neuen Bauern… die Liste der Reparaturen hier am Haus und … ah, hier! Das ist die Erweiterung einiger Felder für den Eigenbedarf.“ Alle Papiere reichte er mir jetzt und ich überflog sie kurz.
Eine wirklich akkurate Aufzeichnung seinerseits.
„Danke, Mr Robinson! Dann sollte ich mich in den nächsten Tagen daran setzen und die Bücher beginnen zu überarbeiten.“ im Grunde würde es wieder viel Geschreibe geben, aber ich hatte es vermisst. Auch wenn ich in Versailles ebenfalls die Finanzen überprüft hatte.
Beim Mittagessen war mir immer noch nicht nach einer Unterhaltung mit meiner Gattin, was sie missmutig hinnahm.
Als ich wieder in meinem Arbeitszimmer saß, brachte mir das Mädchen meinen Tee und kurz darauf erschien auch meine Frau in der Tür.
„Hast du kurz einen Moment Zeit?“ fragte sie leise.
Ich konnte nicht aus meiner Haut und fragte meinerseits nach, was sie schon wieder angestellt hätte.
„Nichts, vergiss es einfach wieder.“ trotzig drehte sie sich um und verließ den Raum wütend!
Dieser Ton war dermaßen unangebracht! Manchmal konnte man meinen, dass dieses Weib keinerlei Respekt und Manieren … Herr Gott, ich hörte mich an, wie einige Damen und Herren in Frankreich.
Ich atmete tief durch und verfasste das Schreiben an eines der Kongressmitglieder und bat darin um ein Treffen. Wir mussten langsam und in kleinem Rahmen eine Einigung erringen. Wie diese genau aussah – das würde sich dann zeigen.
Es begann bereits zu dämmern, als ich einen weiteren Brief für Jonathan fertig hatte. Ich wollte ihn wissen lassen, dass wir wieder zurück waren und er mir beizeiten bitte Bericht erstatten sollte, wie wir in der Armee weiterkamen. Wir brauchten dort einen festen Stand, das war unausweichlich. Laut Alex mussten wir uns auf einen Krieg beizeiten einstellen.
Meine Frau, ging es mir durch den Kopf. Meine Wut war etwas abgeklungen und ich beschloss, dass ich sie suchen sollte.
Sich gegenseitig anschweigen brachte herzlich wenig, auch wenn ich befürchtete, dass auch sie nicht wirklich mit mir reden wollen würde.
Ich fragte Magda, welche gerade mit einigen Kleidungsstücken meiner Frau die Treppe hinauf wollte, wo sie zu finden wäre.
„Master Kenway, eure Gattin ist in ihrem Arbeitszimmer, schon den ganzen Nachmittag.“ täuschte ich mich, oder klang das nach einem leisen Vorwurf an mich? Nein, ich sollte nicht immer so viel in gesprochene Worte hinein interpretieren!
Für ein paar Sekunden stand ich etwas unentschlossen und überlegte, wie ich am besten das Gespräch anfangen sollte. Auf mein Klopfen hörte ich ein etwas erstauntes „Herein!“ und ich öffnete die Tür mit den Worten „Was soll das noch werden, wenn ich fragen darf?“ Vermutlich nicht der beste Einstieg in ein Gespräch.
„Ich weiß nicht, sag du es mir. Du schmollst hier rum, weil ich mich nicht ausschließlich um dich gekümmert habe!“ Dieses Unterkühlte in ihrer Stimme entging mir keineswegs!
„Ich hatte dir gesagt, dass Edward sein Zimmer ab jetzt bezieht. Genauso wie es auch in Frankreich schon war. Also warum hast du dich mir widersetzt und bist hinüber gegangen? Zählt mein Wort mal wieder für dich gar nicht?“ Langsam kam diese Wut auf dieses Ungehorsam hoch und ließ mich schwer atmen.
Ich hatte aber außer Acht gelassen, dass Alex durchaus nicht auf den Mund gefallen ist und prompt konterte sie!
Ich sah die Mutter vor mir, nicht nur meine Frau, als sie begann MICH zu belehren!
„Weißt du eigentlich, wie sich ein kleines Kind fühlt, wenn es immer wieder aus einem normalen Alltag gerissen wird? Weißt du, wie er sich gefühlt hat letzte Nacht? Er hatte Angst. Angst, weil keine Schiffsbewegungen mehr zu spüren waren. Angst, weil er unsere Nähe nicht mehr hatte. Angst, weil er in einer für ihn völlig ungewohnten Umgebung Mutterseelen alleine war!“ Ihre Stimme hatte sich immens erhoben und sie zitterte vor Wut!
Er wird sich daran gewöhnen, ging es mir durch den Kopf. Ein leicht verächtliches Prusten konnte ich mir nicht verkneifen, weil mir etwas anderes in den Sinn kam.
„Ja und? Wie lange willst du ihn verhätscheln? Erinnere dich, DU warst diejenige die behauptet hat, mein Vater hätte mich zu sehr verwöhnt und verzogen. Was bitte tust du gerade mit unserem Sohn?“ Für den Bruchteil einer Sekunde fehlten ihr die Worte!
„Das kannst du wohl schlecht vergleichen! Du hattest leider keinen Respekt einer Frau gegenüber beigebracht bekommen!“ Langsam schritt sie um den Schreibtisch herum. „Edward soll also lernen, alleine mit seinen Ängsten zu sein? Es dauert vielleicht ein paar Tage, dann hat sich dieser kleine Mensch an sein Zuhause gewöhnt und weiß dann, dass wir immer zur Stelle sind. Aber ich werde den Teufel tun, meinen Sohn alleine weinen zu lassen, nur weil DU zu kaltherzig für sowas bist.“ Erneut schrie sie mich förmlich an, mal ganz abgesehen davon, dass sie mich gerade böse beleidigt hatte.
„Das tat weh, Alex!“ mehr brachte ich nicht über die Lippen! Ihre Worte taten schon fast körperlich weh!
Und dann durchlief ihr Gesicht wieder eine ganze Kaskade an Gefühlen, lesen konnte ich aber ihre Gedanken nicht. Lediglich das schlechte Gewissen war auszumachen.
“Es… tut mir leid…“ nuschelte sie leise, eilte an mir vorbei, die Treppe hinunter!
Ich hasste es, wenn sie das tat. Aus einer Situation fliehen löst keine Auseinandersetzung. Also ging ich ihr hinterher und fand sie draußen in der Kälte bei der Weideneiche stehend. Tief ein- und ausatmend!
„Verdammt noch mal! Lauf nicht immer weg, wenn dir keine Argumente mehr einfallen!“ Das musste ich jetzt einfach loswerden und meine Stimme war mehr als kalt!
„Darum geht es doch gar nicht!“
Mit Tränen in den Augen bekam ich jetzt eine Einführung in die Erziehungsmethoden und Erkenntnisse der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts!
Sie erklärte mir weiterhin mit verschleiertem Blick, dass kleine Kinder andere Ängste als Erwachsene hatten. Kinder in Edwards Alter nahmen ihre Umwelt noch ganz anders wahr und sahen in vielen Dingen eine Bedrohung, sie fürchteten sich schneller als wir. Was ihr besonders wichtig schien war, dass sie weder Yannick noch Edward so in der kindlichen Einsamkeit weinen lassen konnte. Für die Psyche und die Wahrnehmung der Kleinkinder wäre es schädlich. Woher diese Erkenntnisse kamen und wie man das herausgefunden haben will, entzog sich meiner Kenntnis.
Langsam aber ebbte meine Wut ab und ich begann sie zu verstehen. Wenn auch nicht zu 100 Prozent.
„Ich… wenn ich an Yannick denke, dann sehe ich, dass er ein guter Mensch geworden ist. Er weiß, was sich gehört und… Alex, aber ich kann nicht von heute auf morgen meine …“ leise fuhr sie mir über den Mund.
„Das verlange ich doch nicht, aber du musst mir in diesem Moment vertrauen. Es tut Edward gut, wenn er weiß, dass er beschützt ist und das nicht nur durch die Götter! Er braucht körperliche Nähe! Dieser kleine Kenway braucht DICH, er braucht MICH… er braucht UNS!“ Alex begann zu weinen. In diesem Moment schlossen sich meine Arme wie selbstverständlich um sie.
„So habe ich es noch nie gesehen, weil… ich diese Art der Zuwendung nicht kenne. Auch wenn meine Mutter immer sehr liebevoll mit mir umgegangen ist.“ Ein Gedanke, der mir gerade wieder in Sinn gekommen war und welcher mich lächeln ließ.
„Aber ist es nicht auch genau DAS, was du heute noch in guter Erinnerung hast?“ Ihre Hände hielten meine Wangen und sie sah mir tief in die Augen. „Jeder Mensch braucht diese Momente, sie verbinden einen mit den Eltern, mit der Kindheit…“
„Anscheinend brauche auch ich noch Lehrstunden und Hilfe bei einigen Dingen.“ Das ich zu lernen hatte, war mir bewusst gewesen.
Innerlich hatte ich mich beruhigt und konnte sie wieder liebevoll in den Arm nehmen.
„Zumal Edward dir so wahnsinnig ähnlich sieht und ich ihn schon deswegen nicht enttäuschen will.“ Ich sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.
„Mi sol, du enttäuschst hier niemanden! Ich war nur einfach wütend, weil du einfach getan hast, was du wolltest. Ich mag es nun mal nicht, wenn man meine Anweisungen einfach übergeht, ohne mich entsprechend aufzuklären.“ Man sah, sie hatte noch eine ihrer bissigen Antworten auf der Zunge, schluckte diese aber herunter!
Langsam gingen wir jetzt wieder zurück, weil meine Frau zitterte und sich eiskalt anfühlte. Im Wintergarten saß Edward auf seiner Decke und spielte mit Sybill.
Als er uns sah, leuchteten seine Augen und er rief „Papa!“ Ein Zeichen, dass er auf den Arm wollte. Gerade als ich ihn hochnahm hörte ich ein leises „Fater“, also versuchte mein Sohn auch auf englisch mit mir zu sprechen. Ohne seine Schneidezähne war es aber noch nicht ganz möglich, aber ich freute mich über diese Fortschritte in seinem Alter!
Kurz darauf wurden wir aus diesem Idyll gerissen, weil ein Mr Hathaway eingetroffen sei.
Ich erwartete keinen Besuch mehr.
„Das wollte ich dir seit heute Mittag schon erklären. Das ist der Prediger und Lehrer hier auf unserer Plantage!“ grinste mich Alex breit und vor allem triumphierend an, als wir uns auf den Weg zu meinem Arbeitszimmer machten.
Es saß aber nicht nur Mr Hathaway dort, nein, er hatte auch eine Frau. Beide waren vermutlich in ihren Mittdreißigern und der Kleidung nach zu schließen gewissenhafte und saubere Menschen.
Beide Eheleute unterrichteten, wie sie uns erklärten. In der letzten Anstellung von Mrs Hathaway als Gouvernante eines Händlerpaares in Pittsburgh war das nicht gerne gesehen und man hatte sie einige Male ermahnt! Sie kündigte daraufhin und die beiden suchten sich einen anderen Ort, wo ihre Dienste dringender gebraucht wurden.
Über einen Pächter, welcher vor knapp 2 Jahren hierhergezogen war mit seiner Familie, erfuhren sie, dass es hier mit dem Seelenheil noch nicht so gut bestellt ist. Von Mr. Robinson wusste ich ja bereits, dass es diesen Neuzugang hier gab. Da wirklich noch kein Geistlicher vor Ort war, wurden sie kurzerhand gebeten zu bleiben.
Den Unterricht teilten sich die beiden gerecht auf, da Mrs. Hathaway in den naturwissenschaftlichen und hauswirtschaftlichen Fächern besser war, übernahm sie diesen Bereich. Ihr Gatte hatte sich der Mathematik verschrieben, der Geschichte und des eigentlichen Religionsunterrichts. Was die Sprachen anbelangt, so übernahmen sie beide diese Stunden.
„Uns fehlte tatsächlich noch jemand, der Sonntags eine Andacht halten könnte. Ich weiß, dass einige meiner Arbeiter und Pächter gerne ihren Glauben auch ausleben wollen. Es freut mich, dass ihr nun hier in unserer Mitte seid. Ich heiße euch noch einmal ganz herzlich willkommen.“ Und damit waren sie hier willkommen geheißen in unserem Namen.
„Master Kenway, es ist mir eine Ehre hier sein zu dürfen. Und das Versammlungshaus ist eine wahre Pracht geworden. Wenn ich es manchmal betrachte, dann beschämt es mich, so ein wundervolles großes Haus zur Verfügung gestellt zu bekommen.“ Er war also auch noch ein bescheidener Mann Gottes, wie auch seine Gattin.
„Ich hoffe aber, ihr habt alles, was es für den Unterricht braucht?“ Alex war ebenso angetan von der Tatsache, dass es von jetzt an auch eine Schule gab. Ob sie sich mit den Andachten anfreunden könnte, war aber für mich noch fraglich.
„Ja, wir haben alles. Die meisten Kinder sind jetzt noch in einem Alter unter 10 Jahren, was mich freut, da ich sie so gemeinsam unterrichten kann. Somit braucht es nicht für alle Altersgruppen extra Bücher. Und die Schüler haben kleine Schiefertafeln von einem Steinmetz bekommen.“
Meine Frau dachte im ersten Moment, dieser Herr würde hier ebenfalls auf unserem Grund und Boden arbeiten. Ich klärte sie auf, dass er sein Geschäft und die Werkstatt in der Nähe von Richmond hatte.
Fürs erste konnten wir die Eheleute aber verabschieden, aber nicht ohne ihnen noch einmal zu sagen, dass ich mich auf die morgige erste Andacht freute.
„Wir werden eine richtige kleine Gemeinde, mi amor! Das ist wieder einmal ein seltsamer Moment für mich, weil ich das ganze mitbegründe.“ Für sie war es noch nicht in Fleisch und Blut übergangen, dass sie solche Ereignisse hier miterleben und -entscheiden konnte. Die Zeit war mit den Eheleuten wie im Flug vergangen, sodass ich gar nicht bemerkt hatte, dass schon wieder Zeit für das Abendessen war.
Meine Frau hatte kurzerhand für unseren Sohn ein Bad geordert, damit er, ich vermutete einfach wir alle, morgen sauber und ordentlich den ersten kleinen Kirchgang als Familie antreten konnten. Unser Sohn freute sich darüber aber so sehr, dass er nicht mehr stillsitzen konnte.
„Master Edward, haltet einen Moment still, sonst verschluckt ihr euch wieder!“ sprach Sybill etwas lauter.
„Bad… Mama auch!“ und sein Blick ging in freudiger Erwartung in ihre Richtung!
„Ja, ich komme auch mit, min lille skat. Vielleicht können wir deinen Vater…“ leider musste ich sie enttäuschen.
Ich hatte noch ein Schreiben bekommen, in welchem wir einen Wachhund versprochen bekamen von den Bassiters. Sie hatten dieses Mal einen Wurf Bluthunde bekommen und fragten an, ob wir Interesse hätten, weil wir ja noch keine tierischen Wachen besäßen. Doch das erzählte ich natürlich noch nicht, es sollte eine Überraschung werden.
„Hast du noch etwas zu erledigen?“ Alex´ Stimme klang enttäuscht, was mir natürlich leid tat, da sie immer noch dachte, ich wäre mit ihr böse.
„Nein, das nicht, aber ihr solltet diese Zeit heute für euch haben. Gerade weil Edward so lange keine Wanne mehr gesehen hat, solltest du das übernehmen, mi sol.“ Das sollte sie vorerst beruhigen und ich gab ihr zur Sicherheit noch einen versöhnlichen Kuss.
Die beiden gingen jetzt im Anschluss nach unten, während ich noch einmal in mein Studierzimmer ging um den Brief unserer Nachbarn zu beantworten.
Ich erinnerte mich an Thatch, unseren Wachhund in London. Vater hatte ihn nach dem berühmten Piraten Blackbeard getauft. Wie könnten wir unseren nennen? Doch das konnte auch noch etwas warten.
Für einen Moment tauchten wieder diese Bilder unserer Villa in London auf, der Garten mit den Obstbäumen und die Zwinger natürlich. Vater hatte mir immer verboten mit den Wachhunden zu spielen.
„Sie sind zu unserem Schutz da, Haytham. Vergiss das nicht!“ ich hörte diese Worte und sah vor meinem inneren Auge Vater, wie er mich durchdringend ansah.
In den Jahren, in denen ich jetzt hier lebte, hatte ich noch nicht über diesen zusätzlichen Schutz nachgedacht. Einige der Pächter und Bauern besaßen Hunde um ihre Familien und ihr Hab und Gut zu schützen. Hier geisterten ja nicht immer nur Diebe herum, sondern auch wilde Tiere.
Jetzt wo unser Sohn laufen konnte, musste ich beginnen ihn Vorsicht zu lehren. Er musste wissen, dass es auch böse Tiere gab, welche man nicht anfassen oder streicheln sollte. Sollte ich vielleicht meiner Frau auch noch einmal eine Lehrstunde in gefährlichen Tierarten geben, oder wusste sie darüber schon Bescheid. Immer noch gab es Dinge, die wir nicht besprochen hatten. Ich befürchte, es wird auch nicht allzu schnell beendet sein. Aber für Alex mimte ich gerne den Lehrer.
Lautes Schreien aus der Waschküche ließ mich aufschrecken und meine Pistole greifen. Eine der Wachen hier unten eilte mir ebenso hinterher. Beim Bad angekommen stand mein Sohn kreischend in der Wanne mit schaumigen Haaren, während Alex versuchte ihn zu beruhigen!
Ich sah mich weiter nach einer Bedrohung um, während die Wache sich dezent umgedreht hatte. Alex trug nichts als nackte Haut! In meiner Panik fragte ich, was los sei!
„Nichts, Edward mag nur kein Wasser mehr wie es scheint.“ seufzte sie resigniert, machte aber weiter, weil die Seife ausgespült werden musste.
In seiner Wut schlug mein Sohn um sich und wehrte sich nach Leibeskräften. Ich ließ mich neben ihnen in die Hocke nieder und ermahnte Edward, er solle sich jetzt nicht so anstellen.
„Nein…will nicht…“ schrie er weiter. Also hielt ich ihn jetzt fest, damit Alex weiter machen konnte.
„Ich sagte, halt still, Edward. Es ist nur Wasser!“ ermahnte ich ihn erneut und dieses Mal zeigte es Wirkung. Schniefend mit gesenktem Kopf stand Edward jetzt in der Wanne und ließ das Prozedere über sich ergehen.
Anschließend hob ich ihn aus der Wanne, setzte ihn auf die kleine Kommode, wickelte ihn in ein dickes Handtuch und erzählte ihm von morgen, dass wir in die Kirche gingen. Ich erzählte von dem Gott, welchem wir Gebete vortragen würden und Lieder singen würden. Aufmerksam sah er mich dabei an.
„Idun auch?“ fragte er mit leuchtenden Augen.
„Nein, mein Sohn. Dort gibt es einen anderen Gott.“ Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Ich war Protestant, also eher der bodenständige Christ. Wohingegen Edward ja noch nichts davon wusste. Nur die nordischen Götter hatten wir bisher in seinem Umfeld.
„Min lille skat, dein Vater glaubt an diesen Gott. Wir sollten ihn begleiten, weil auch er immer an unserer Seite ist, wenn du zum Beispiel mit Mutter Idun sprichst!“ Meine Frau hatte die passenden Worte gefunden und es rührte mich, dass sie mir zuliebe an diesem Gottesdienst teilnehmen würde.
„Sisi mit kommt?“ Für einen Moment musste ich das für mich übersetzen, er hatte in einem Durcheinander gesprochen.
„Ja, Mrs. Wallace wird uns begleiten. Jemand muss ja auf dich kleinen Rabauken aufpassen!“ mit Schwung hob ich ihn hoch. „Nun bist du trocken genug!“
Wir gingen schon hinauf, damit Alex sich ebenfalls in Ruhe abtrocknen konnte.
In seinem Zimmer half mir Sybill ihn anzuziehen und ich hatte einen Moment mich hier in Ruhe umzusehen.
Dieser Raum stand seit seiner Geburt schon für ihn zur Verfügung, ging es mir durch den Kopf. Aber wir waren nie wirklich hier gewesen. Ab jetzt änderte sich das ja. Ich hoffte, er würde hier eine schöne Kindheit haben, mit Erinnerungen die ihn auch später noch begleiten werden.
Es gab ein paar Regale, wo ein Teil seines Spielzeugs untergebracht war. Seine Kuscheltiere jedoch waren fast alle auf dem Bett verteilt. Ich setzte mich und nahm mir eines, es war ein kleiner Hund. Die Rasse war leider nicht zu erkennen und ich war schon versucht ihm von unserem baldigen Zuwachs zu erzählen, biss mir aber auf die Zunge.
Fertig in sein Schlafhemd gekleidet, saß Edward jetzt bei mir und ich erzählte ihm von meinem Zuhause. Auch wir hatten damals Pferde, wenn ich mich richtig erinnerte waren es 6 an der Zahl.
Er hatte mich verstanden und holte seinen Schimmel vom Fußende.
„Da…“ er reichte ihn mir.
„Ja, so eines hatten wir auch. Ich freue mich, wenn du auch bald reiten lernst, Edward.“ Das tat ich wirklich!
Alex erschien und sah uns böse an.
„Jetzt doch nicht mehr spielen, es ist Zeit zum Schlafen, min lille skat!“ doch als sie sah, dass er schon herzhaft auf meinem Schoß gähnte und ich ihr noch einmal versicherte, dass wir gerade Schluss machen wollten, lächelte sie uns an.
Es dauerte auch nicht lange, da schlief Edward und ich stand faszinierend bei dem Gesang meiner Frau daneben. Es klang wunderschön. Genauso wie dieses Leuchten um sie herum wahnsinnig beruhigend wirkte.
Als Edward dann endlich eingeschlafen war, verließen wir leise sein Zimmer und gingen hinüber.
Meine Frau konnte etwas schneller ins Bett als ich, aber Michael eilte sich ebenso, damit ich ihr Gesellschaft leisten konnte.
Alex hatte ihren Morgenrock, welchen sie als einziges Kleidungsstück trug, einfach auf den Boden und sich aufs Bett fallen lassen. Dieser Luftzug roch herrlich nach Blüten und Seife.
Meine Finger begannen wie von alleine an ihrem Hals herunter zu wandern, gefolgt von meinen Lippen bis ich zu ihren Brüsten kam und das Piercing küsste.
„Hmmm… Edward ist dieser Schmuck aufgefallen, ich habe ihm gesagt, dass ist ein Geheimnis, was nur er und sein Vater kennen.“ kicherte sie leise und fuhr mit ihrer Hand durch meine Haare.
„Ohhhh ein Familiengeheimnis, wie aufregend!“ flüsterte ich und machte in meinem Tun weiter. Immer tiefer glitt ich an ihrem Körper entlang bis ich ihren intimsten Schmuck erreichte. Meine Zunge umkreiste ihn vorsichtig, was mit einem wohligen Seufzen ihrerseits gelobt wurde. „Und dieses Geheimnis, bleibt unseres alleine, mi sol!“ hauchte ich und fuhr fort sie zu verwöhnen.
Wir hatten leider zu wenig Zweisamkeit auf der Jackdaw gehabt, welche wir aber jetzt hoffentlich nachholen konnten.
Gierig hob sie mir ihr Becken entgegen, ihre Finger gruben sich in meine Haare und begannen mich zu lenken. Als sie immer lauter zu stöhnen begann, unterbrach ich mein Spiel mit ihr, was mir ein leises frustriertes „Nein … nicht“ einbrachte.
Sie hatte doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich sie nach so einer Verfehlung wie letzte Nacht einfach so mit einem Höhepunkt belohnen. In Windeseile hatte ich ihre Arme über ihrem Kopf gehoben und nahm meine Frau. Es brauchte wie so oft nur ein leichter Befehlston in meiner Stimme liegen und sie wurde Wachs in meinen Händen.
Jedes mal, wenn du dich in Zukunft widersetzt, wirst du weitere Lektionen erhalten, hast du mich verstanden? Sprach ich etwas später im Geiste mit ihr, als ich hinter ihr kniete und ihre leicht gerötete sehr ansehnliche Kehrseite vor mir hatte.
Es dauerte nicht lange und wir ließen beide fast gleichzeitig los. Ein fantastisches Gefühl von Entspannung machte sich in mir breit, das ich für einen Moment im Stillen genoss.
Ein wohliges Raunen meiner Frau zeigte mir, dass auch sie definitiv auf ihre Kosten gekommen war was mit einem Kuss untermauert wurde.
Meiner Gattin war aber heute anscheinend nicht nach einer Kuscheleinheit, weil sie Anstalten machte aufzustehen.
Mit einem zischenden Laut drehte sie sich böse schauend zu mir um.
„Haytham! Was… wie soll ich denn morgen die ganze Zeit bei der Andacht auf diesen harten Holzbänken sitzen!“ ihre wehleidige Stimme trieb mir wohlige Schauer über den Rücken.
„DAS war Sinn und Zweck, mi sol. So denkst du auch morgen früh noch an deine Verfehlungen!“ Ihr war mein böses Grinsen nicht entgangen und schon sah ich den Gedanken in ihrem Kopf, doch noch die Kissen Zweck zu entfremden. „Denk nicht einmal daran!“
„Ach verdammt, ich vergesse immer, dass ich weiche Sitzpolster in mein Sortiment aufnehmen wollte. In Frankreich hatte ich einen Herrn kennen gelernt, der mit feiner Wolle handelte. Mist!“ fluchte sie laut und meine Hand landete auf ihrem Po. „Aua… du bist echt fies, weißt du das?“ Da streckte mir dieses Weib also auch noch dreist die Zunge heraus. Na warte!
Im Nu war ich bei und hob sie auf meine Hüfte mit den Worten, dass sie mich umgekehrt wo sie nur konnte provozierte. Wir verstünden uns deshalb so gut! Mittlerweile hatte ich sie an die Tür zum Ankleidezimmer gedrückt und konnte meine erneut aufsteigende Lust nicht zügeln. Also forderte ich mein Recht als ihr Ehemann ein zweites Mal ein und Alex ließ sich ganz darauf ein.
Später lag sie an mich geschmiegt im Bett und lauschte auf verdächtige Geräusche von der Galerie und dem Kinderzimmer. Es war still und nicht nur sie atmete erleichtert aus. Trotzdem sollten wir langsam in den Schlaf finden.
„Schlaf jetzt, mi sol. Es wird ein langer Tag morgen. Sieh mich nicht so entsetzt an. Um 9 beginnt die Andacht. Das heißt, wir müssen rechtzeitig aus dem Bett!“ erklärte ich ihr, weil ich vermutlich noch gar nicht gesagt hatte, wann wir beim Versammlungshaus sein müssten.
Wer sie denn von ihrem wohlverdienten Schlaf abgehalten und dafür gesorgt hätte, dass sie morgen Schwierigkeiten mit dem Sitzen haben würde.
„Tut mir leid… nein, eigentlich nicht. Du hast es dir redlich verdient, mi sol!“ kicherte ich leise.
Ihr spitzer Ellbogen traf in meine Seite. „Hey, ich brauche nun mal meinen Schlaf. Oder soll ich wie Tod auf Latschen morgen hier herumgeistern, mi amor?“
Nein, solch einen Anblick wünschte ich mir wirklich nicht.
Langsam wurde ihr Atem ruhiger und auch ich schloss selig die Augen.
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„Guten morgen, Master Kenway, Mistress Kenway. Das Frühstück ist bereits fertig und eure Kleider liegen auch schon bereit!“ Alex Kammerzofe war wie immer guter Dinge, öffnete die Vorhänge und wartete, dass wir aufstanden.
Ich hatte einen völlig ruhigen und vor allem tiefen Schlaf gehabt, was mal wieder meine Frau erstaunte.
Nach einem Kuss fügten wir uns unserem Zeitplan und ließen uns ankleiden. Für mich ging es etwas schneller, wie immer eigentlich. Also ging ich schon einmal hinunter in den Wintergarten, wo auch schon Edward mit Sybill auf uns wartete.
Sein Kindermädchen hatte ihn Standesgemäß in einen dunkelblauen Anzug gekleidet und sogar seine sonst wuscheligen Haare lagen ordentlich. Stolz sah ich ihn an und dachte still, dass er wie ein richtiger Gentleman aussehen würde.
Er begann auch gleich, mir etwas zu erzählen, während ich ihm hin und wieder ein Stück seines Apfels reichte.
„Guten morgen, Gentlemen. Ich hoffe, ich störe nicht?“ Alex war nun auch endlich fertig und betrachtete uns beide mit einem liebevollen Lächeln.
„Mama … joli“ erstaunt sah ich ihn an, er hatte das französische Wort für hübsch genutzt. In ihm steckte wohl ein Sprachtalent. Dieser Gedanke beflügelte meine Gedanken hinsichtlich seiner Ausbildung und seines späteren Unterrichts.
„Danke. Du siehst aber auch sehr gut aus in diesem Anzug, Edward.“ Alex setzte sich, während ihre Augen über meine Erscheinung wanderten. Plötzlich röteten sich ihre Wangen und ihre schmutzigen Gedanken sprangen zu mir über.
„Dann hast du ja einiges für die Beichte später, mi sol.“ natürlich wusste ich, dass meine Frau so etwas nicht machen würde. Aber ab und an kann ich mich auch nicht zurückhalten!
Auf der Fahrt zur Andacht fragte Alex, ob es Mrs Wallace überhaupt recht sei, dass wir sie mitnahmen.
„Mistress Kenway, selbstverständlich komme ich mit. Ich habe, ehrlich gesagt, die Gottesdienste von damals in New York ein wenig vermisst.“ In diesem Moment sprach sie für sich alleine, Snotra schwieg.
„Dann bin ich ja beruhigt. Mir liegen solche Dinge ja nicht, aber ich bin gespannt, wie Mr. Hathaway seine Predigt hält und was er zu erzählen hat.“ Mit 13 war sie einmal bei einem Gottesdienst gewesen, welcher aber so langweilig war, dass sie fast eingeschlafen wäre. Dann wollen wir hoffen, dass es heute nicht so weit kommen würde. Wobei das auch sicherlich schwer möglich war, da sie immer noch leichte Probleme mit dem Sitzen hatte.
Vor dem neu errichteten Gotteshaus hatte sich eine Menschentraube versammelt und man begrüßte uns herzlich. Wir waren ja auch recht lange fort.
Wir gingen hinein, als Mr Hathaway in der Tür erschien und den Gottesdienst ankündigte.
Der Innenraum war noch recht karg und schlicht. Aber ich hoffte, dass wir das in den nächsten Monaten nach und nach alles richten konnten.
Die Andacht selber dauerte ungefähr eineinhalb Stunden. Erstaunlicherweise benahmen sich alle Kinder unserer Plantage sehr vorbildlich und hörten sogar aufmerksam zu. Selbst Edward, welcher mitunter sonst auch einfach mal losmarschierte.
Wir hatten noch gar keine Familienbibel, ging es mir plötzlich durch den Kopf. Beizeiten sollte ich, spätestens wenn unser Sohn getauft ist, eine drucken lassen. Es gibt Traditionen, welche ich gerne fortsetzen würde. Leider war Vaters Bibel bei dem Brand damals Opfer der Flammen geworden!
Nach dieser sehr schönen Andacht traf man sich noch vor dem Haus und unterhielt sich über die Vorkommnisse während unserer Abwesenheit. Natürlich durfte auch der übliche Tratsch nicht fehlen.
Unterbrochen wurden die Gespräche von einem weinenden Edward, welcher auf Alex zulief und rief „Mamaaaaaaaaa … AUA!“ Seine Handinnenfläche hatte er aufgeratscht und sein guter Anzug war mit Schlamm überzogen. Innerlich sprach ich für mich selber beruhigende Worte, ehe ich wütend werden konnte. Sybill sollte wachsamer sein.
Meine Frau kniete sich zu ihm, fragte wie das passieren konnte und nahm etwas von dem frisch gefallenen Schnee um die Wunde zu säubern. Anschließend wickelte sie ihr Taschentuch darum.
Gerade als sie sagte, dass wir daheim einen richtigen Verband anlegen würden, begann Edwards Haut zu leuchten und im Nu verschwanden die Kratzer.
Panisch riss meine Frau unseren Sohn hoch und eilte mit ihm Richtung Kutsche!
Ich selber sah erschrocken hinterher und dann wieder zu den Menschen um uns herum, welche dieses Spektakel sicher auch gerade mitverfolgt hatten.
Jedoch schien niemand dieses Phänomen wahrgenommen zu haben, was mich ein wenig beruhigte. Ich verabschiedete mich auch im Namen meiner Familie und machte mich auf zu den beiden.
Als ich bei ihnen ankam, hörte ich Edward sagen „Kein Aua … Da! Heile!“. Seine Hand in Richtung Alex erhoben.
„Edward, du kannst doch nicht vor all den anderen Menschen so etwas machen!“ maßregelte ich ihn und auch Sybill bestätigte mich.
„Master Edward, ich habe euch mit Mutter Idun erklärt, dass ihr das nie tun dürft. Nur wenn ihr mit euren Eltern alleine seid!“
„Aber … heile… kein aua!“ wieder zeigte er seine Hand.
„Min lille skat, mach das nicht mehr vor so vielen Menschen. Einige haben vielleicht Angst, wenn sie sehen, wie du strahlst. Niemand weiß doch, dass du das kannst.“ Die Stimme meiner Frau war ruhig und leise, obwohl sie sonst eher aufbrausend in solchen Momenten sein konnte.
„Alex macht heile!“ diese Wut in seiner Stimme war nicht zu überhören, auch die Stimmlage war leicht verändert!
„Dein Neffe macht das aber auch nicht vor fremden Menschen!“ Meine Ungeduld mit ihm wuchs, was man in meinem Tonfall vermutlich deutlich heraushörte. „Wir werden jetzt nach Hause fahren und…“
Mein Kind, mach dir keine Sorgen. Niemand hat wirklich davon Notiz genommen. Ihr könnt beruhigt sein. Frigg sprach in ruhigen Worten und ließ uns aufatmen.
Aber nur für einen kurzen Moment, dann donnerte Odin los. Euer Sohn muss dringend lernen, seine Fähigkeiten zu beherrschen! Nehmt das nicht auf die leichte Schulter!
Wir werden unser Bestes geben, versprach Alex im Stillen.
Daheim angekommen, brauchte ich erst einmal eine kleine alkoholische Stärkung auf den Schrecken. Unser Sohn saß kurz darauf inmitten seiner Spielsachen auf seiner Decke vor dem Kamin, völlig ungerührt wie es schien.
„Wir haben im Grunde das gleiche Problem, was auch Yannick und Melissa mit unserem Enkel haben!“ Alex Worte klangen eher so, als würde sie mit sich selber sprechen.
„Dann sollten wir noch mehr als sonst ein Auge auf Edward haben!“ auch ich grübelte darüber nach, so etwas nicht noch einmal passieren zu lassen. Im Grunde müssten wir ihn wortwörtlich überwachen lassen.
Mit Entsetzen dachte ich an die Zeit, als Vater noch lebte und auch er mich nur „beschützen“ wollte. Dadurch hatte ich aber eher das Gefühl eingesperrt und einsam zu sein. Wollte ich das jetzt auch für mein eigenes Kind? In mir kroch ein seltsames Gefühl empor, welches ich so noch nie wirklich hatte. War es Hass oder Wut auf meinen Vater? Auf seine Art mich vor allem zu bewahren, was draußen auf mich lauern könnte?
„Wir müssen daran arbeiten! Ich will nicht, dass Edward wie in Gefangenschaft aufwachsen muss.“ entschied ich jetzt für uns alle! Im Grunde sprach ich es nicht deutlich an, aber ich schloss Vater in diesem Moment mit ein.
Wie gerufen erschien eine helle durchscheinende Silhouette, welche sich nur zögerlich verdichtete. Er hatte nicht ernsthaft ein schlechtes Gewissen, oder?
Doch dann manifestierte sich er sich ganz. Der Raum war erfüllt mit der Präsenz Heimdalls und Vaters!
Ohne eine Begrüßung sprach er uns direkt an.
„Wir haben einen langen Weg vor uns, das war ja allen bewusst nehme ich an! Also werden wir diesen kleinen Knirps jetzt allesamt unter unsere Fittiche nehmen! Du Alex, wirst ihn lehren, seine Zeichen auf der Haut zu kontrollieren. Sie sind wichtig, wenn ihr eure Heilungskräfte nutzt! Haytham, DU wirst ihm sein ungezügeltes Verhalten austreiben… ALEX! Es ist wichtig, sieh mich nicht an, als würde ich meinen Enkel gerade dem Teufel anvertrauen!“
Ich hatte ihre entsetzten Augen bei den letzten Worten gesehen. Sie konnte noch nicht mit unseren Erziehungsmethoden umgehen. Aber jetzt musste sie es. Egal ob sie wollte oder nicht. Die Sicherheit unseres Sohnes stand auf dem Spiel und seine Zukunft!
Wir berieten, wie genau es aussehen würde in der nächsten Zeit. Man kann sich vorstellen, dass es nicht leicht werden wird. Edward musste lernen zu gehorchen. Mit meiner Frau musste ich also auch Kompromisse finden und hoffte, dass wir uns entsprechend einigen können würden.
„Und was wird dann, wenn Edward noch seine Schwester an die Seite bekommt?“ Diese Frage kam so unerwartet von Alex, dass ich sie etwas erstaunt ansah. Dass wir noch weiteren Nachwuchs bekommen sollten, wusste ich, aber das war doch noch gar nicht Spruchreif.
Mein Vater sah sie wissend grinsend an. „Glaub mir, mein Enkel hier wird sich seiner kleinen Schwester schon annehmen! Und jetzt entschuldigt mich, wir haben zwei Geburtstage vorzubereiten!“ Sein Blick ging mit einem warmen Lächeln in meine Richtung, als er wieder in dem Nebel verschwand.
Plötzlich sprang Alex mit einem „Haaaaaaaaaaaaaa…“ auf und eilte aus dem Wintergarten!
Was war denn jetzt plötzlich in sie gefahren?
Etwas verdutzt setzte ich mich zu meinem Sohn auf die Decke und ich begann ihm ein wenig aus meiner Kindheit zu berichten.
Ich erzählte, dass ich mich von Zeit zu Zeit einsam gefühlt hatte, allein gelassen so ohne Freunde. Ich sollte erwähnen, dass ich auch ein recht schüchterner Junge war damals. Auch berichtete ich von Momenten in welchen ich alleine durch unseren Garten streunerte, oder das ich recht früh begann ein Tagebuch zu verfassen (1). Aufmerksam sah Edward ab und an zu mir, spielte aber dann mit seinen Tieren oder den Bauklötzen weiter.
Zwischendurch half ich ihm, einen Turm zu bauen, zeigte ihm, wie er sie richtig anordnen musste, damit die Klötze nicht wieder auseinanderfielen.
Hin und wieder reichte er mir einen Stein damit ich ihn platzieren konnte.
Für die Lektionen in Ordnung und Disziplin war noch nicht die Zeit, das merkte ich schnell. Trotzdem zeigte ich ihm, wie er sein Spielzeug übersichtlich verteilen konnte.
Plötzlich hörte ich ein schmerzvolles Stöhnen aus Richtung der Tür, wo meine Frau gerade eingetreten war. In ihrem Gesicht sah ich, es war etwas passiert und eilte zu ihr.
„Mi sol, alles in Ordnung?“
„Nein, ich musste gerade an Faith denken. Sie fehlt mir, aber es ist nicht dieses Verlangen nach ihr, sondern einfach dieses Gefühl, dass mir ein Stück meiner selbst herausgerissen wurde… Es tut weh, Haytham!“ sie lehnte ihren Kopf an meine Brust und begann zu weinen!
Faith! Ich hatte es schon wieder verdrängt. Vermutlich auch nur, weil ich nicht diese Verbundenheit mit meiner kleinen Schwester hatte, wie Alex.
„Ich werde einen Boten zur Plantage schicken! Vielleicht wissen sie dort schon mehr und Dimitri sollte noch vorstellig werden, wegen der neuen Geschäfte.“ Ein Gedanke, welcher uns beide sicherlich beruhigen würde!
Dankbar sah mich meine Frau an.
„Vielleicht solltest du sie auch gleich für morgen einladen, mi amor.“ An Gäste hatte ich ehrlich gesagt gar nicht mehr gedacht.
„Eine gute Idee!“ sagte ich beim Hinausgehen und ging zu meinem Arbeitszimmer.
Die Nachricht an den Russen hielt ich kurz, es sollte ja nur eine Einladung werden und die Frage beinhalten, ob man schon etwas von Shay und Faith gehört hätte.
Der gerufene Boten erhielt den Brief und seine Bezahlung.
„Eilt euch damit bitte. Es ist wichtig!“ gab ich ihm noch mit auf dem Weg.
Wieder im Wintergarten war unser Sohn dabei wie ein Bär zu grummeln, aber als ich näher trat hörte man sogar seinen Magen entsprechende Geräusche machen.
„Wie ich sehe, haben die Tiere auch schon wieder Hunger.“ lachte ich und beide sahen zu mir auf.
„Ich glaube nicht nur die.“ grinste mich Alex an und hob Edward hoch.
Gott sei Dank war das Essen bereits fertig und angerichtet, denn auch mir brummte der Magen, wie ich feststellte.
Ich beschloss meiner Familie während dessen von unseren baldigen neuen Wachhunden zu berichten.
„Was sind das denn für Hunde?“ hakte meine Frau neugierig nach.
"Dieses Mal haben sie einen Wurf Bluthunde bekommen. So einen hatte mein Vater damals auch, erinnerst du dich an Thatch?“ Ich war mir nicht sicher, ob Alex das noch wusste. (1)
„Oh ja. Euer Wachhund hatte den Namen von Blackbeard erhalten. Ist das eigentlich eine friedliche Rasse? Ich kenne mich da überhaupt nicht aus, mi amor.“ Das war mein Stichwort. Ich konnte beiden mein Wissen über Hunde und Rassen weitergeben. Ich hätte vermutlich auch noch Stunden weiter erzählen können, aber unser Sohn brauchte seinen Mittagsschlaf.
„Hund haben will!“ Mit großen Augen sah er mich bittend an.
„Vielleicht, mein Sohn. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir bald eine oder zwei weitere Wachen haben werden.“ Es freute mich, dass Edward so offen für Tiere war und keinerlei Ängste zu haben schien.
Kurz vor dem Abendessen erhielten wir die ersehnte Antwort auf unsere Einladung. Dimitri würde mit seiner Familie erscheinen, aber wie es aussah, waren mein bester Mann und seine Frau noch nicht wieder daheim. Seltsam, auch ich machte mir langsam Sorgen. Es war eigentlich nicht Shays Art so lange abwesend zu sein, ohne von Zeit zu Zeit eine Nachricht zu schicken. Mal abgesehen von damals, wo er mit der Morrigan alleine in einer Nacht und Nebel Aktion verschwunden war.
Als Alex unseren Sohn zu Bett brachte nach dem Abendessen, ging ich in den Salon und goss mir ein Glas ein Whiskey ein.
Meine Gedanken gingen in die Nacht vor einem Jahr, als meine Frau völlig außer Atem in der Tür hier erschienen war und mir mitteilte, dass unser Sohn bald sein würde.
Ein seltsames Gefühl, wenn ich ehrlich sein soll. Die Stunden vergingen wie in einem Rausch, noch heute habe ich nicht alles klar vor Augen. Erst als ich unseren Sohn das erste Mal laut weinen hörte, klärte sich mein Blick und ich nahm alles deutlich wahr.
Ein ganzes Jahr sollte es schon wieder her sein? Wie schnell die Zeit doch vergeht!
Plötzlich legten sich zwei Arme um meine Taille, der ich immer noch mitten im Raum stand.
„Ist alles in Ordnung?“ hörte ich die leise Frage von Alex.
Ich nahm ihre Hände in meine und drehte mich seufzend zu ihr um.
„Ja, keine Sorge. Ich kann es nur nicht fassen, dass unser Sohn jetzt schon ein Jahr alt wird. Es kommt mir noch wie gestern vor, als du dort in der Tür standest und mir fast das Hemd vom Leib gerissen hast.“ Diese Kraft von ihr hatte ich nicht vergessen!
„Oh, ich kann mich sehr gut erinnern, mi amor. Und… ich habe mich nie für meine Flüche entschuldigt.“ flüsterte sie etwas verlegen mit der Stirn an meine Brust gelehnt.
„Das kannst du ja immer noch nachholen. Ich stehe dir jederzeit zur Verfügung, mi sol.“ ich beugte mich zu ihr hinunter und ihre Lippen schmeckten nach dem guten Wein vom Abendessen.
Aus der Sicht von Mistress Kenway
"Von schicksalhaften Zeitreisen Part I"
Kapitel ~ Der Einbruch ~
Storyhub.de
Doch leider wurden wir unterbrochen von einem aufgebrachten Mr. Robinson, welcher ins Zimmer stürmte.
„Sir, Master Kenway! Es geistern schon wieder irgendwelche Banditen hier herum! Sie haben vor einer halben Stunde ein Lagerhaus in Brand gesteckt und haben einen unserer Vorarbeiter kaltblütig erschossen. Ihr müsst dringend mitkommen!“ völlig außer Atem stand er vor uns!
Für eine Sekunde musste ich seine Worte verarbeiten, eilte dann aber rufend nach Michael in die Eingangshalle. Mein Kammerdiener hatte schon Bescheid bekommen und brachte meinen Gehrock und meine Waffen. Der Stallmeister hatte Order Pferde zu satteln und wir machten uns auf nach draußen.
„Pass auf dich auf, Haytham!“ rief Alex ängstlich hinter mir, als ich schon fast im Freien war.
Die Nacht auf meinen 10. Geburtstag! Nicht nur sie sah sie vor sich!
Nein, meinem Sohn sollte nicht das gleiche Schicksal ereilen!
Meine Stute war bereits fertig so auch das Pferd für Mr Robinson. Gemeinsam ritten wir im gestreckten Galopp zu den Lagerhäusern am Flussufer.
Von weitem sah ich schon die Feuer und der Rauch breitete sich in der ganzen Nacht aus. Wir hörten Rufe nach Wasser, nach Hilfe aus dieser nebligen Wand.
Langsam konnte ich mich beruhigen und ließ meinen Blick umherwandern. Es wimmelte hier nur so von leuchtenden roten Auren! Verdammt.
Es müssen an die 20 Männer sein! Das konnte keine Diebesbande sein, ging es mir durch den Kopf.
„Master Kenway, Banditen in so großer Anzahl? Da sieht nach einer organisierten Bande aus!“ rief Mr Robinson und der zweite Vorarbeiter rannte auf uns zu.
„Sir, ein paar von ihnen haben sich dort hinten zu dem Vorratslager für Tabak aufgemacht! Sie hatten allesamt Fackeln in der Hand.“
Jetzt hieß es schnell sein, diesen Verlust der Waren konnte und wollte ich mir nicht leisten!
Einige der Männer machten sich mit mir auf, während die anderen hier für Ordnung sorgen würden.
„Jungs, damit können wir nichts anfangen! Feuer macht da mehr Sinn!“ hörte ich einen der Banditen laut lachen, während er die brennende Leuchtquelle schwang.
„Das gibt ein wohlriechendes Feuerchen!“ johlten seine Kumpane!
Ich zielte auf seinen Hinterkopf mit meiner Pistole, weil er in dem ganzen Tumult noch nicht bemerkt hatte, dass wir bereits hinter ihnen waren.
Der Schuss saß und er kippte vornüber. Einer der anderen tat es ihm gleich, Mr Robinson war also ein geübter Schütze, stellte ich anerkennend fest.
Doch die Schüsse waren lauter als gewollt und bescherten uns die Aufmerksamkeit der übrigen Streuner, die nun langsam mit ihren Fackeln und Waffen auf uns zukamen.
„Sieh an, der feine Herr Plantagenbesitzer gibt sich die Ehre! Angst um deine Sklaven, du arrogantes Arschloch?“ spuckte mir einer entgegen.
„Es gibt hier keine Sklaven, aber sehr bald wird es hier Tote Diebe geben!“ brüllte ich und sprang von meinem Pferd.
Mein Schwert und den Dolch hatte ich bereits gezückt und begann die Herren hier anzugreifen.
Gott sei Dank hatte ich bei ihnen den Überraschungsmoment auf meiner Seite! Kaum einer meiner Nachbarn hatte so eine Ausbildung im Kampf genossen, wie ich. Dennoch musste ich mich mit meinen Arbeitern hier gegen ein Dutzend Verbrecher behaupten. Es war nicht einfach und hier und da trafen mich ihre Klingen.
Niemand von ihnen aber nutzte Pistolen, obwohl sie an ihren Gürteln hingen. Seltsam!
Und dann stand ich zwei Herren gegenüber, welche dann doch ein wenig mehr Kampfgeist und -training hatten. Jetzt wurde es schwer, beide auf Abstand zu halten und zu allem Übel wurde ich abgelenkt, weil ich meine Frau in meinem Kopf spürte. Doch nicht für Lange!
Es reichte aber aus mich aus dem Fluss zu bringen und man brachte mir einen tiefen Stich in den Oberschenkel bei. Ich musste sie wieder auf Distanz kriegen!
Einer der Pächter, welcher ein geübter Schwertkämpfer war wie ich wusste, kam mir zu Hilfe und gemeinsam konnten wir sie unschädlich machen.
Drei oder vier weitere Diebe segneten anschließend noch das Zeitliche, als ich plötzlich einen Schmerz am Schienbein spürte, der wie von einem Wespenstich kam. Ein Schnitt, gebracht von einem Dolch, zierte mein Fleisch. Ein bereits am Boden liegender Dieb röchelte noch „Ihr verdammten Reichen sollt endlich aufhören uns auszubeuten…“ Dann fiel sein Kopf zur Seite und somit war auch der letzte der Bande zu seinem Schöpfer geschickt worden.
Vorsichtshalber ließ ich noch einmal meine Blick umherwandern, aber ich nahm nichts mehr wahr, außer den neutralen Umrissen meiner Bauern und Pächter.
„Ich danke euch allen für die Hilfe und tapfere Unterstützung. Ohne euch wäre es hier zu einer Katastrophe gekommen. Ich… werde mich … alsbald… erkenntlich zeigen…“ meine Stimme versagte und vor meinen Augen begannen Sterne zu tanzen.
„Sir, ihr blutet stark und… ihr seid blass. Stützt euch auf meine Schulter…“ hörte ich eine Stimme neben mir und dann wurde ich auf mein Pferd gehievt. Aber es fühlte sich unwirklich an, ich nahm es nicht richtig wahr.
„Master Kenway, langsam… kommt.“ ich spürte stützende Arme um meine Taille und sah auf die beleuchtete Veranda meines Hauses.
Dort standen einige Personen mit entsetzten Gesichter! Meine Frau!
Mit einem Male klärte sich mein Blick und Verstand und ich sah deutlicher.
Als ich oben stand klammerte sich mein Sohn weinend an meine Beine.
„Edward, lass mich erst einmal hereinkommen.“ keuchte ich leise, weil ich kaum Kraft zum Sprechen fand.
Man brachte mich in den Salon und legte mich dort auf ein Sofa.
Langsam schwanden mir die Sinne, was mich seltsamerweise richtig wütend machte!
(1) Nachzulesen in "Forsaken" von Oliver Bowden
Ich hörte eine Stimme, welche mich beruhigte. Die Schmerzen würden bald vergehen. Es war eine junge Stimme, ich kannte sie von irgendwoher. Wo hatte ich sie schon einmal gehört?
Um mich herum breitete sich eine wohlige Ruhe aus, sie wärmte meine Seele und meinen Körper zugleich. Es fühlte sich an, als würde das Leben wieder in mich hineinströmen.
Das klingt völlig absurd, ich weiß. Auch jetzt wo ich die geschriebenen Zeilen so vor mir sehe, ist es hanebüchen! Es war aber genauso!
Hände tasteten nach mir und ihre Berührung belebte mich weiter!
Trotzdem fand scheinbar alles nicht in der Wirklichkeit statt, oder täuschte ich mich? Ich versuchte mich auf etwas zu konzentrieren. Aber es war wie damals nach dem Schwertstreich von Lucio, als ich in diesem Fieberwahn war.
Plötzlich ergriff mich doch eine Angst, dass … nein ich möchte es nicht aussprechen, geschweige denn zu Ende denken!
Die Geschichte wird sich nicht wiederholen! Nicht wenn ich es verhindern kann!
Langsam, wirklich nur in winzigen Schritten bahnte sich mein Verstand wieder einen Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins.
Mit einem Male war ich aber nicht mehr alleine in diesen Gedanken!
Ich lauschte auf verdächtige Geräusche, Bewegungen… wie verrückt sich das anhört! Irgendetwas, oder besser, irgendjemand war mit mir hier!
Mein Blick klärte sich langsam wieder und ich sah mich blinzelnd um.
In einiger Entfernung, so als würde ich auf einen langen dunklen Gang schauen, sah ich einen Lichtschimmer aus einer Tür kommen, vor welcher eine Frau stand! MEINE Frau! Ich konnte ihren traurigen, enttäuschten Blick erkennen, als sie sich in meine Richtung umwandte.
Ihre Gedanken nahm ich dennoch wahr.
Du bist auf mich eifersüchtig gewesen?
Ich? Nein, warum sollte ich. Dann war dieser Moment wieder erloschen.
Geh zu ihr, befahl mir eine Stimme in meinem Kopf und ich tat, wie mir geheißen. Je näher ich Alex kam, desto mehr spürte ich diese Erleichterung in mir, dass sie hier war. Sie holte mich aus diesem Zustand der Bewusstlosigkeit heraus. Es tat unendlich gut, dass ich mich auf sie verlassen konnte!
Sie sah mich von Weitem schon und lief ebenfalls schnellen Schrittes auf mich zu und alles was ich zustande brachte war „Da bist du ja endlich!“
Ich hielt sie in meinen Armen und langsam kamen wir gemeinsam wieder in unserem Zuhause an.
Meine Frau kniete neben mir und hielt mich weinend fest. Nein, sie klammerte sich regelrecht an mich.
„Mi sol, mir geht es gut. Danke, dass du mich hierher gebracht hast.“ Meine Stimme klang von dem Rauch noch ganz rau und leise. Ich war ihr aber mehr als dankbar!
„Was haben sie nur mit dir gemacht. Ich hoffe, du konntest sie gen Hel schicken!“ sie versuchte ein Grinsen, aber so richtig gelang es ihr noch nicht.
„Einen nach dem anderen haben wir zu seinem Schöpfer geschickt… aber…“ ich hatte unsäglichen Durst und versuchte mich aufzurichten. Leider misslang mir das, weil mich Verbände daran hinderten. „Ich bräuchte dringend etwas zu trinken, von dem ganzen Rauch ist mein Hals trocken wie eine Wüste!“
Man half mir in eine aufrechte sitzende Position sodass ich meinen Durst stillen konnte.
Gerade als ich das Glas ansetzen wollte, sah ich Alex´ mahnenden Blick. „Nicht so hastig, ich weiß, mi sol.“
Nach einer kurzen Verschnaufpause brachten mich Michael und ein Diener hinauf in unser Schlafzimmer.
Meine Frau orderte noch an, dass die Fenster und Türen überprüft werden sollten, ob sie verschlossen sind. Außerdem hatte man, wie ich in einem Nebensatz noch hörte, die Fenster in meinem Arbeitszimmer provisorisch verschlossen.
Was war in unserem Haus in der ganzen Zeit zusätzlich noch passiert? Ich ahnte schlimmes, aber Alex wimmelte es ab mit den Worten, wir sähen morgen weiter.
Michael half mir in meine Nachtwäsche. Dann konnte ich mich endlich hinlegen und hoffte, dass ich alsbald wieder bei Kräften wäre.
Neben mir spürte ich meine Frau, wie sie sich erleichtert seufzend an mich kuschelte. Ihre Vorsicht war nicht zu übersehen, mit Bedacht lag ihre Hand auf meiner Brust.
Mit einem Male schoss mir ihr trauriger Blick wieder in den Kopf. Es mussten Erinnerungen aus meiner Vergangenheit sein, soviel war mir klar.
„Alex… ich… die Erinnerungen von damals…“
Sie stützte sich kopfschüttelnd auf einen Ellbogen.
„Nicht jetzt, mi amor. Lass uns morgen darüber reden. Eines nur, ich liebe dich und ich bin unendlich froh, dass dir nichts schlimmeres passiert ist.“ Ihren vorsichtigen Kuss konnte ich leider nicht erwidern, weil meine Lippen noch geschwollen waren. Mein leises Stöhnen ließ sie innehalten.
„Wir brauchen dringend zusätzlichen Schutz! Vielleicht sollten wir gleich den ganzen Wurf der Bassiters kaufen?“ Manchmal war es wie verhext mit mir! Plötzlich hatte ich tausende Gedanken im Kopf und war hellwach! „Was ist mit Edward? Geht es ihm gut? Ich habe ihn gespürt und diese Wärme durchströmte mich dabei.“
Etwas genervt, dass sie mir jetzt schon berichten sollte, begann meine Frau mir zu erzählen, dass mein Arbeitszimmer Opfer eines gelegten Feuers geworden sei. Davor hätte hier im Haus ein Kampf stattgefunden, welchen die Wachen aber recht schnell beenden konnten und Edward hatte tatsächlich mit seinen Kräften begonnen, mich zu heilen. Also hatte ich mit der mir vertrauten Stimme recht gehabt. Es war mein Sohn!
Was aber Unruhe in mir hervorrief war etwas völlig weltliches!
„Wurde etwas entwendet? Wie sieht es mit den Geschäftsbüchern aus… was…“ Alex´ Finger legten sich auf meine Lippen.
„Haytham! Ruhig jetzt. Das werden wir morgen bei Tageslicht alles genauer unter die Lupe nehmen! Wir konnten aber das Schlimmste verhindern. Hier oben müsste vermutlich einmal der Boden in meinem Arbeitszimmer überprüft werden, wegen der Flammen. Und unten muss alles erneuert werden. Doch das sehen wird dann. Und jetzt! Schlaf, mi amor.“ Mir war es zuwider jetzt nicht selber aufstehen und nachsehen zu können. Verdammt! Aber…
„Ich mag diesen Befehlston bei dir…“ Herr Gott, mein Körper müsste eigentlich ganz andere Dinge verarbeiten als meine Lust auf meine Frau!
„Ich verspreche dir hoch und heilig, dass du ihn noch des öfteren zu hören bekommst, wenn du jetzt nicht endlich schläfst. Die nächsten Tage wirst du auch die Füße still halten, ansonsten fessle ich dich ans Bett!“ Alex konnte ebenso ein leises Kichern unterdrücken.
„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“
Ihre Finger wanderten langsam über meine Brust.
„Ein Versprechen, Master Kenway.“ hauchte sie mir ins Ohr und umschloss mich mit Arm und Bein.
Kurz darauf hörten wir Edward laut schreien!
Er hatte Angst alleine. Nach dieser Erfahrung kein Wunder und meine Frau holte ihn zu uns.
Leise tadelnd sagte ich „So so, wir haben also Besuch in unserem Bett, wie es scheint.“
„Ja, und jetzt schlaf. Auch Templergroßmeister brauchen ihre Erholung.“ wieder war dieser Befehlston in ihrer Stimme, welcher mir ein wohliges Kribbeln bescherte.
Aber es dauerte nicht lange, da war ich im Land der Träume.
Ich erwachte von einem lauten Gebrüll unseres Sohnes, welcher sich auf meine Frau warf.
„Guten morgen, min lille skat.“ gähnte sie und drückte ihn an sich.
Leider konnte ich mich nicht ohne Schmerzen bewegen, diese Verbände hatten sich an meinem Oberschenkel festgeklebt. Verdammt.
Dennoch gratulierte ich Edward zu seinem Geburtstag und sah dabei, wie Alex mal wieder ein schlechtes Gewissen bekam, weil sie noch nicht daran gedacht hatte.
Wir beide bekamen aber sehr liebevolle Glückwünsche. Für einen kleinen Moment hatten wir nur uns drei und es war sehr entspannend für mich. So etwas würden wir nicht immer haben können.
Plötzlich stürzte Sybill in unser Zimmer und hielt abrupt inne.
„Mistr…. Oooooohhhh… Verzeihung. Ich dachte schon…“ Unser Sohn begann zu strahlen, als er sie sah. „Master Edward, herzlichen Glückwunsch zu eurem Ehrentag. Dafür bekommt ihr auch gleich frische neue Sachen.“ etwas verlegen sah sie dann zu mir. „Ich wünsche auch euch alles Gute zu eurem Geburtstag, Master Kenway.“
„Danke, Sybill.“ ich versuchte mich immer noch verzweifelt ohne Schmerzen hinzusetzen. Kläglich versagte ich dabei, wie frustrierend!
Mrs Wallace ging mit Edward hinüber um ihn anzuziehen. Langsam kam ich in eine aufrechte Position.
„Kann ich dir vielleicht helfen? Soll ich…“ diese leise fürsorgliche Stimme meiner Frau ließ mich meine Schmerzen im Nu vergessen und …
„Du kannst mir durchaus behilflich sein, Mistress Kenway.“ Ihre Hände hielten meine, also führte ich ihre nach meinen Wünschen. Diese aufsteigende Lust konnte ich mir selber nicht erklären, sie war einfach da. Langsam glitt Alex aber auch mit ihrem Mund tiefer und umschloss mich sachte, als sie erkannte, wie es um mich bestellt war!
Sie ließ es sich nicht nehmen, mich vollends zu kosten und als ich mich in ihrem Mund verlor, war es wie Medizin die mich gesunden ließ. Ein Gefühl von Belebtheit breitete sich in mir aus.
Natürlich kam auch sie nicht zu kurz und ihr Piercing kam mir gerade recht. Meine Finger umspielten diesen feinen Schmuck und sie konnte sich dem Höhepunkt einfach hingeben. Auch wenn sie sich die Hand vor den Mund hielt, weil sie sonst vermutlich das gesamte Personal auf uns aufmerksam gemacht hätte.
Wir verbrachten noch ein wenig Zeit so beisammen und genossen den jeweils anderen. Es war diese Ruhe nach dem Sturm, kam es mir in den Kopf.
Trotzdem konnten wir schlecht den ganzen Tag hier im Bett verbringen.
„Wir sollten uns fertig machen, mi amor. Aber ich bitte dich, lass dir helfen. Ich will nicht wieder wie damals im Fort Arsenal dich bewusstlos unten am Fuß der Treppe sehen.“ Wieder war dieser befehlende Ton in ihrer Stimme und gerade als ich erwidern wollte, dass ich für mich selber entscheiden könnte, kam ein „Ja, du weißt am besten, was für dich gut ist… bla bla bla… nein, weißt du anscheinend nicht.“ frech streckte sie mir die Zunge raus und stieg aus dem Bett.
„Dann ruf Michael, dass er mir hilft, oder willst du mir erneut zur Hand gehen?“ Ich konnte einfach nicht anders als breit grinsen. Doch ich hatte die Rechnung ohne Alex gemacht, welche mich mit entrüstet hochgezogener Augenbraue bedachte.
Zu meinem Leidwesen befolgte mein Kammerdiener strikt die Anweisungen des Arztes und ließ mich nicht aus den Augen. Frustriert musste ich mich dem Ganzen fügen und erntete einen „Hab ich dir doch gesagt“-Blick meiner Frau.
Schon damals in New York hatte sie mich mit so einem Blick bedacht. Wenn ich damals gewusst hätte, was mich noch alles mit dieser Frau erwartet, hätte ich es nicht glauben können vermutlich. Ihre Fürsorge aber war mir immer in Erinnerung geblieben, auch wenn sie nicht immer aus Zuneigung kam, das war mir bewusst.
Plötzlich stieg ein warmes Gefühl von tiefer inniger Liebe zu ihr in mir empor und ich verlor mich für einen Moment in ihrem Anblick, als sie sich von ihrer Kammerzofe ankleiden ließ. Schicksal! Es war wirklich so. Wir sollten eine gemeinsame Zukunft haben! Diese Erkenntnis brachte noch mehr die Lebensgeister in mir zurück und beflügelte mich!
Als man mich hinunter begleitet hatte, konnten wir das wohlverdiente Frühstück auch genießen.
„Burtstag… Papa auch.“ ich beließ es bei der deutschen Aussprache. Heute wollte ich nicht in die Rolle des belehrenden Vaters steigen.
Ein Jahr!
Ein leises Seufzen neben mir, ließ mich zu Alex sehen. Ihre Augen glitzerten vor Tränen, als sie von Edward zu mir sah.
Diese Ähnlichkeit ist verblüffend. Mit diesem Gedanken war sie nicht alleine.
Nach dem Frühstück hielt es mich aber nicht lange im Wintergarten. Die Unruhe in mir stieg wieder an, was mein Arbeitszimmer betraf. Alex´ Schilderungen waren recht haarsträubend und mir schwante böses.
Und so war es dann auch.
Michael und ein Diener halfen mir hinüber und ich stand sprachlos mit offenem Mund in der Tür.
Der Boden war bis zur Hälfte zerborsten, die Regale an der linken Wand waren fast vollständig zerstört. Die Fenster nach vorne und zur Seite waren kaputt und nur notdürftig im Moment mit Decken verhangen.
Mit Entsetzen musste ich mir eingestehen, dass ich sogar einige der Geschäftsbücher neu verfassen werden müsste. Ganz zu schweigen von seltenen Novellen oder Romanen die zu Asche zerfallen waren.
Dieser Anblick brachte die Bilder aus London wieder in mein Gedächtnis und die Assoziation zu meinem Geburtstag kam erneut hoch. War ich verflucht, dass so etwas an diesem Tag geschah?
Die Trauer übermannte mich für einen Moment und ich lehnte am Türrahmen, mit der Bitte mich kurz alleine zu lassen.
Haytham, du bist weder verflucht noch ist es so vorherbestimmt. Das hier war ein Zusammenspiel von unerwarteten Ereignissen! In Zukunft wirst du oder besser werdet ihr mit solchen Widrigkeiten des öfteren konfrontiert. Nicht alles können die Nornen für euch sehen. Auch ich nicht!
Vaters Stimme tat mir gut und brachte mich zur Ruhe.
Hatte er Recht und wir mussten allem vorerst seinen Lauf lassen?
Ihr seid in einem gewissen Rahmen für eure Schicksale selber verantwortlich. Deine Frau hat nicht ohne Grund die Macht über die Zeit oder auch darüber, wer leben darf oder nicht. Es wird euch nicht immer alles sofort klar sein, dennoch werdet ihr mit Verstand entscheiden. Zum Wohle aller!
Diese Worte kamen nicht von meinem Vater, sie kamen von Odin!
Tief durchatmend begann ich mich auf die Aufarbeitung, Planung der Renovierung und unsere Zukunft vorzubereiten.
Am Nachmittag konnte ich mit Dimitri und meiner Frau noch die Schäden an den Lagerhäusern und die dadurch entstandenen Verluste begutachten. Wir hatten Glück, derzeit lagerte nicht sehr viel von dem russischen Vodka hier.
„Ich werde auch noch Ermittlungen einleiten, damit wir wissen, wer sich hier herumgetrieben hat. Es könnte durchaus eine organisierte Bande sein, die die Flussplantagen gezielt überfallen!“ Seine Stimme klang mehr als besorgt und ich wusste, er würde ebenfalls alles daran setzen, die Schuldigen ausfindig zu machen.
So verging der erste Geburtstag meines zweiten Sohnes. Es brannte sich förmlich in mein Gedächtnis!
Ungefähr eine Woche später stand der Termin bei den Bassiters an. Ich war gespannt, wie groß der Wurf war und überlegte tatsächlich, ob man nicht gleich alle nehmen sollte. So hätten wir hier für fast alle Bereiche entsprechende Bewachung.
Außerdem gäbe es genügend Helfer, die mit dem Training der Hunde beginnen könnten.
Was natürlich ebenso wichtig war, wie unser Sohn auf die Neuzugänge reagieren würde. Alles in allem freute ich mich auf diesen Besuch.
Wir machten uns mit Sybill an diesem Mittwoch auf zu unseren Nachbarn. Die Fahrt würde ungefähr 4 bis 5 Stunden dauern und wenn ich mir das Wetter ansah, war zu befürchten, dass es auch bald wieder schneien würde.
„Du sollst dich schonen, sonst reißt die Narbe wieder auf! Warum kannst du nicht einfach EINMAL auf den Rat eines anderen hören.“ fauchte mich Alex an, als wir zu unserer Kutsche gingen. Ab und an hatte ich noch Schmerzen und sog leise zischend die Luft ein.
„Es geht schon…“ erwiderte ich erleichtert, als ich endlich saß.
„Ja… das sehe ich!“ ihr genervter und mauliger Ton entging mir keineswegs. Aber er ließ mich lediglich lächeln. Mittlerweile sollte sie mich gut genug kennen, dass ich Termine einhalte. Es sei denn ich wäre bewusstlos, das wäre die einzige Ausnahme.
Bei den Bassiters wurden wir herzlich empfangen und Edward und mir sprach man noch nachträglich die besten Wünsche zum Geburtstag aus.
Der heiße Tee nach der langen Fahrt wärmte die Knochen wieder. Um diese Jahreszeit war es einfach kein Vergnügen länger als eine Stunde mit einer Kutsche unterwegs zu sein.
Im Anschluss gingen wir hinüber zu Ställen, wo die Hunde derzeit mit untergebracht waren. Dort war es warm aufgrund der anderen Tiere dort.
Als unser Sohn die kleinen Fellknäuel entdeckte, kannte er kein Halten mehr und rannte darauf zu.
Vorsichtig begann er sie zu streicheln und ich atmete erleichtert aus. Scheu hatte er also vor ihnen nicht, das war gut so. Nur war zu hoffen, dass er auch verstand, dass es keine Spielkameraden für ihn werden würden und sie auch bei uns draußen in den Ställen blieben. Nicht nur mir ging dieser Gedanke gerade durch den Kopf, wie ich mit einem Blick auf meine Frau feststellte.
Ich machte mir mein eigenes Bild von dem Nachwuchs und entschied, dass ich sie alle für unsere Plantage übernehmen wollte.
„Das sind wirklich prächtige Tiere, Mr. Bassiter. Ihr habt nicht zu viel versprochen!“ lobte ich unseren Nachbarn, welcher stolz auf seine Zucht sah.
„Dann sollten wir kurz nach draußen gehen, damit wir alles weitere besprechen können, Master Kenway.“ Diese Dinge wollte auch ich ungerne hier mit allen besprechen.
Wir standen vor den Stallungen und die Verhandlungen konnten beginnen.
Was sage ich da? Es war kein Verkaufsgespräch im herkömmlichen Sinne. Wir sprachen darüber, wann wir den Wurf holen könnten, oder wann man uns in diesem Zuge besuchen würde.
Noch müssten die kleinen Welpen bei der Mutter bleiben und in ungefähr sechs Wochen wären sie alt genug für die kleine Reise.
„Ihr seid euch sicher, dass ihr alle 6 nehmen wollt? Sie machen viel Arbeit, gerade am Anfang.“ gab Mr Bassiter zu bedenken, womit er nicht ganz unrecht hatte. Aber ich kannte mich ein wenig aus und war zuversichtlich, dass wir alles unter einen Hut bringen würden.
„Dann bin ich beruhigt. Wisst ihr, bei einem der letzten Interessenten sah ich diese Aggressivität in seinen Augen und er musterte die Hunde, als würde er sie für die Schlachtbank einplanen. Es ist mir wichtig, dass sie in gute und auch liebevolle Hände kommen.“ Genauso schätzte ich ihn auch ein. Ein Mann dem das Wohl von Tieren ebenso am Herzen liegt wie mir oder meiner Frau. Bei Edward machte ich mir auch keine Sorgen. Er würde sie ebenso gut behandeln.
Wir schlossen dieses Geschäft mit einem Handschlag und die Familie Bassiter bekäme bei der nächsten Ernte Weizen und Tabak für ihren eigenen Bedarf. Geld war diesem Herren weniger wichtig, wenn es um seine Tiere ging.
Im Stall fragte er später Edward, ob er sich auch schon Namen ausgedacht hätte. Leider verstand unser Sohn nicht so ganz, was von ihm erwartet wurde.
„Ich denke, wir werden für die Namen sorgen müssen.“ lachte ich und nahm meinen Sohn auf den Arm.
Leider konnten wir heute nicht mehr zurückfahren und mussten aufgrund des stärker gewordenen Schneefalls hier übernachten.
Das Abendessen war, obwohl es improvisiert werden musste, außerordentlich schmackhaft.
Ich hatte in der Zeit auch die Gelegenheit mich mit dem jüngeren der beiden Söhne etwas zu unterhalten. Er liebte Mathematik und Zahlen, genau wie ich. Wir philosophierten über verschiedenste Rechenwege, wie man womit etwas am schnellsten berechnen konnte und so weiter. Dieser junge Mann würde später sicherlich diese Plantage gut führen können, da war ich mir sicher.
„Master Kenway, das ist auch meine Hoffnung. Unser Ältester ist eher für die Armee geschaffen befürchte ich. Er hat im letzten Sommer die Akademie in Richmond für einige Monate besucht und hat ausgezeichnete Zeugnisse erhalten. Strategisch konnten ihm seine Mitschüler nicht ansatzweise das Wasser reichen.“ sprach der Vater stolz und sah dabei stolz zu ihm hinüber.
Was würde später einmal aus unserem Sohn werden? Würde er in meine Fußstapfen treten? Oder wird er auch die Armee bevorzugen? Gott sei Dank mussten wir noch nicht darüber nachdenken.
Als Edward später im Bett war und wir im Salon noch den Abend ausklingen ließen, sah ich immer wieder, wie Alex völlig geistesabwesend hin und wieder nickte. Ich sah, wie sie über unseren Sohn nachdachte, ob er sich in dem fremden Zimmer auch wohlfühlen würde.
Alex, es ist nicht das erste Mal, dass ich das erlebe. Du bist aber gerade hier beim Gespräch völlig abwesend! Das schickt sich nicht! Lass Mrs. Wallace ihre Arbeit machen! Ermahnte ich sie still und ich weiß, meine Stimme klang mehr als verärgert.
Ich bin doch hier und rede doch … Ich ließ sie nicht ausreden.
Nein, du reagierst sporadisch und das zeugt von Desinteresse! Die Form der Konversationen in diesem Jahrhundert waren also immer noch nicht ganz bei ihr in Fleisch und Blut übergegangen!
„Verzeiht, wenn ich etwas abgelenkt wirke.“ erklärte Alex sich mit einem Seitenblick zu mir. „Aber der Überfall und die Verwundung meines Mannes sitzen mir noch in den Knochen.“ Das letzte Wort! Sie wusste sich immer irgendwie herauszureden.
Ich berichtete daraufhin von den Vorkommnissen auf unserer Plantage, hielt es aber für die Damen, nur für Mrs Bassiter vermutlich, etwas harmlos.
Man wünschte natürlich baldige Genesung, dass so etwas nicht noch einmal passieren würde und dass die Anführer für solche Missetaten bald gefunden werden.
Gegen Mitternacht beschloss man, die wohlverdiente Nachtruhe anzutreten. Oben in unserem Zimmer konnte Alex sich jetzt endlich selber davon überzeugen, dass es Edward hervorragend ging. Ihr erleichtertes Seufzen konnte man vermutlich sogar bis zu uns nach Hause hören.
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns, weil es seit heute Nacht nicht mehr geschneit hatte und ich hoffte, dass wir recht zügig vorankamen.
Leider hatten wir mit den Schneemassen auf dem Heimweg arg zu kämpfen! Es waren diverse Schneeverwehungen auf den Wegen und hier und da blieben wir stecken. Die ganze Fahrt verzögerte sich immer weiter, was vor allem auch unserem Sohn aufs Gemüt schlug.
Er schrie uns an, schlug ab und an um sich oder aber weinte ohne Grund drauflos. Es war Nerven aufreibend, nicht nur für mich.
Leider steigerte sich Edward irgendwann so dermaßen in seine Wut hinein, dass er sich auf dem Kleid seiner Mutter übergab. Damit war ihre Laune auf dem Nullpunkt oder vermutlich schon darunter wie die Temperaturen gerade.
Daheim angekommen übergab Alex den kleinen Schreihals seinem Kindermädchen ohne ein weiteres Wort und ging hinauf ins Ankleidezimmer. Ihr hinterher eilte Magda mit Handtüchern, sowie ein Mädchen mit frischem Wasser.
„Ich brauch jetzt meine Ruhe.“ mehr würde ich in diesem Moment von ihr nicht erfahren. Also ließ ich ihr ihre kleine Auszeit.
Ich ließ mir von Michael in meinem Arbeitszimmer Wasser bringen, weil auch ich etwas frisches anziehen musste.
„Master Kenway, so habe ich euren Sohn ja noch nie erlebt. Hoffentlich wird er nicht krank. Meine Cousine hatte es mir oft erklärt, wenn die Kinder so außer Rand und Band sind, dann brüten sie oft etwas aus.“ murmelte er hinter mir, während er meinen Hausmantel um meine Schulter legten und ich mir durchs Gesicht wusch.
„Nein, es war einfach anstrengend für ihn. Vermutlich hat ihm die Bewegungsfreiheit wieder gefehlt. Hoffen wir, dass er in Zukunft nicht immer so ungnädig ist, wenn die Fahrt zu lange dauert.“ Meine Zuversicht wollte jedoch nicht in meiner Stimme mitklingen.
Nach dem überraschend entspannten Abendessen brachte meine Frau Edward zu Bett. Ich hingegen ging noch ein paar Papiere durch, welche heute im Laufe des Tages angekommen waren.
Als aber nach geschlagenen 2 Stunden Alex immer noch nicht wieder hier unten erschien, begann ich mich zu sorgen und ging hinauf.
Im Zimmer unseres Sohnes war es still und Mrs Wallace hatte sich bereits in ihre Kammer zurückgezogen.
Ich fand meine Frau in unserem Schlafzimmer weinend vor. Friggs Worte konnte ich noch hören und nahm seltsamerweise Yannicks Präsenz war.
Dein Leben spielt sich hier ab und wir wachen über deinen anderen Sohn, damit die Welt im Gleichgewicht bleibt. Die Göttin wollte anscheinend trösten, doch warum?
Fühlte Alex sich hier doch nicht so zuhause wie sie es sich erhofft hatte. Wuchs ihr der neue Lebensstil mitunter doch über den Kopf?
Tyr beruhigte mich mit den Worten, dass sie gerade mit allem etwas überfordert sei. Sie bräuchte Ruhe für ihren Geist. Ich sollte sie in den Arm nehmen und sehen, was sie mir zu sagen hätte.
Vorsichtig ging ich auf sie zu und schlang meine Arme um sie.
„Warum sprichst du nicht mit mir über diese Sehnsucht?“ Dass sie hin und wieder dieses Heimweh hatte, war mir bewusst und es war verständlich.
„Ich weiß nicht, ich habe Angst, du könntest eifersüchtig werden. Eifersüchtig oder wütend, weil… du auch einen Sohn hast… ich habe Angst, Haytham. Was, wenn ich Achilles nicht überzeugen kann und er deinen Sohn mit Lügen und Anschuldigen an dich erzieht?“ flüsterte sie, aber es war ein etwas anderes Thema, welches wir noch auf unserer Liste hatten.
„Wir sollten das gemeinsam machen, denkst du nicht?“ versuchte ich einen leisen Vorstoß.
„Nein, ich denke nicht. Er hat dich in keiner guten Erinnerung, weil… du hast sein Knie zertrümmert!“ musste sie mir das immer wieder vorhalten?
„Was schlägst du dann vor?“ hörte ich mich genervt sagen.
„Ich werde beizeiten zu ihm reisen und mit ihm reden. Ob ich zu Achilles durchdringe, weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe es.“ Das hörte sich sehr zuversichtlich an. Aber sie hätte mehr darüber hinaus zu bedenken.
„Du kannst nicht jeden überzeugen, Alex. Er ist ein störrischer Mann, gefestigt in seiner Meinung und seinem Credo!“ Aber ich sah, sie hatte meine Worte nur gehört, aber wollte sie nicht wahrhaben.
„Ich gab dir ein Versprechen, Haytham. Ich werde diesen Konflikt zwischen deinem Sohn und dir gar nicht erst aufkeimen lassen!“ Alex würde erst in einigen Jahren aufbrechen um diese Mission zu erfüllen, oder zu beginnen.
Mir ging aber ein etwas anderer Gedanke plötzlich durch den Kopf. Würde ich meinen ersten Sohn erkennen? Wem sähe er ähnlich? Eigentlich hatte ich nie näher darüber nachgedacht.
„Vermutlich schon.“ plötzlich klang in ihrer Stimme eine gehörige Portion Eifersucht mit.
Ich erinnerte sie daran, dass wir BEIDE Kinder hatten mit verschiedenen Partnern. Ich hatte mich mit ihrem Sohn arrangiert, weil er ein Teil von ihr oder besser uns ist. So würde sie auch mit Ziios und meinem Kind lernen zu leben.
Im Grunde waren wir uns einig, dass die Neugierde überwiegte.
Langsam fühlte ich, wie Alex ruhiger wurde. Leider spürte ich aber auch leichte Schmerzen in meinem Bein.
Auf die Gehhilfe gestützt schlug ich leise vor, wir sollten zu Bett gehen und morgen weitersehen. Erschöpft ließ ich mich auf die Bettkante sinken.
„Sind die Schmerzen auszuhalten, mi amor?“ fragte sie leise, während sie mir half mich auszuziehen. Diese Selbstverständlichkeit in ihrer Fürsorge verblüffte mich immer wieder aufs Neue.
Vermutlich würde ich bei ihren Berührungen alles und jeden um mich herum vergessen. Meine Worte kamen rau aus meinem Hals, weil ihre Hände gerade meine Beinkleider nach unten schoben. Sie kniete halb vor mir und sah so zu mir auf. Dieser Blick …
Sachte kam sie hoch, schob mich etwas weiter aufs Bett und setzte sich ebenso mit Bedacht auf meinen Schoss.
Wir ließen uns von dieser Stille und innerlichen Lust treiben. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und ich fühlte wie ich mich immer weiter entspannte. Meine Finger strichen ihr Nachthemd herunter, während meine Lippen über ihren Hals hinunter zu ihren Brüsten fuhren.
Nichts war zu hören, außer unserem schneller werdender Atem. Leise seufzend ließ sie los und brachte mich ebenfalls hinüber. Es war ein berauschendes Gefühl, völlig losgelöst und schmerzfrei lehnte ich an ihrer Brust um wieder regelmäßig zu atmen.
Etwas später lag sie in meinen Armen und strich mir über die Brust, was mir eine wohlige Gänsehaut bescherte.
Mit ihr war ich – wie soll ich es korrekt beschreiben – vollkommen. Ich fühlte mich wohl, so als hätte ich nie etwas anderes gesucht.
„Mir geht es ebenso.“ flüsterte sie.
Und mit einem Male begann mein Gehirn, aus welchen Gründen auch immer, aufzuwachen und mir stellte sich eine verdrängte Frage.
„Was ist mit meinen Erinnerungen an dich, Alex?“ Als sie mich aus meiner Bewusstlosigkeit geholt hatte, hatte sie etwas aus meiner Vergangenheit gesehen. Diesen Moment auf der Jackdaw als ich 9 Jahre alt war und mein Vater ihr die Schenkungsurkunde übergab.
„Nichts, du hast sie jetzt und …“ auf der einen Seite konnte ich verstehen, dass sie jetzt lieber schlafen wollen würde, aber auf der anderen Seite zwang meine Neugierde mich dazu, zu erfahren was es genau damit auf sich hat.
„Ich habe damals gespürt, dass ich eine gewissen Abneigung gegen dich hatte. Aber warum?“ grübelte ich leise vor mich hin.
Tief und genervt seufzend stützte sich meine Frau auf einen Ellbogen und sah mich säuerlich an.
Auszug aus "Von schicksalhaften Zeitreisen - Part 1" (Alex´ Sicht!)
Es war ziemlich verwirrend, muss ich gestehen! Mein Mann war wirklich bewusstlos, weswegen sich seine Gedanken überschlugen und viele kurze Erinnerungen immer wieder aufflackerten!
Ich ging weiter. Suchte ihn selber, fand aber keinen richtigen Zugang. Als ich eine Tür öffnete, sah ich plötzlich mich selber! Aber nicht jetzt oder damals in New York!
Ich stand vor einem kleinen Jungen! Haytham bekam eine Erinnerung an mich, als er 9 Jahre alt war! Ich hielt inne, weil ich nicht wusste, ob ich es unterbrechen sollte.
Er sah uns, wie wir nach draußen gingen, hinüber zum Pavillon am Queen Anne´s Square und die rote Aura tauchte vor ihm auf. Plötzlich spürte ich seine Panik von damals und auch hier, sah ich jetzt, wie er dachte.
Haytham wollte es nicht wahrhaben und schob es tatsächlich als eine Einbildung von sich. So verdrängte er anscheinend diese Eindrücke und mich gleich mit! Traurig stand ich für einen Moment da, aber dann sah ich, wie wir auf der Jackdaw standen.
Seine Liebe zu Edward Senior war wirklich kaum in Worte zu fassen! Ich verabschiedete mich gerade. Dachte ich damals noch, dieses Lächeln hätte seine Augen erreicht, so hatte ich mich die Jahre getäuscht. Er war froh, seinen Vater wieder für sich alleine zu haben! Er war eifersüchtig gewesen!
Langsam ging ich weiter und in mir spürte ich plötzlich eine tiefe Trauer! Ich weiß, dass dieser Junge jetzt ein erwachsener Mann war und mich über alles liebte. Dennoch tat es weh, diese Bilder gezeigt zu bekommen.
Ich fand meinen Mann, welcher lächelnd auf mich zukam, so als hätte er nur darauf gewartet.
„Du warst eifersüchtig.“ erklärte sie leise. „Jemand stand deinem Vater ebenso nahe wie du selber, das kanntest du so noch nicht. Nur deine Mutter hatte diese Nähe und Zuneigung von Edward.“ Eine für mich etwas seltsame Logik.
„Nein… nein, ich glaube, es war etwas anderes…“ Dieses Gefühl damals war anders.
„Haytham, sei mir nicht böse, aber ich habe den ganzen Tag mit meinen Gefühlen zu tun gehabt und wenn ich sage, dass du eine gewisse Eifersucht damals gespürt hast, solltest du mir glauben. Ich selber weiß, dass ich deinen Vater…“
„… du liebst ihn, nicht wahr?“ unterbrach ich sie, bevor sie es selber sagen konnte. Aus Angst es aus ihrem Mund zu hören.
„Ich weiß es nicht… ich mag ihn, ich habe großen Respekt und er ist mir ein sehr inniger Vertrauter geworden in den letzten Jahren. Kann man das als Liebe bezeichnen? Zumindest ist es eine andere Liebe als zu dir, oder zu Yannick zum Beispiel! Ja, ich liebe ihn! Ich vermisse deinen Vater!“ Ich sah im Mondlicht, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.
„Shhhhh, ich habe es verstanden, mi sol. Beruhige dich.“ Hatte ich nicht im Grunde dieselben Gefühle zu Ziio? Immer noch, musste ich mir eingestehen. Eine gewisse Verbundenheit mit ihr war immer noch zu spüren.
Natürlich hatte meine Frau meine eigenen Gedanken lesen können. Auch ich war nicht immer ein verschlossenes Buch.
Sie dachte umgekehrt jetzt darüber nach, dass sie Ziio gerne einmal kennen gelernt hätte. Die Beiden hatten – das musste ich mir eingestehen – einige Gemeinsamkeiten. Beide setzten ihre Ziele um und auch durch. Sie waren wissbegierig, neugierig und vor allem Kämpferinnen, welche auch für sich alleine einstanden!
„Wirklich Alex?“ so ganz wollte mein Verstand ihre Aussage nicht akzeptieren. „Ich habe mich nie getraut das zu sagen, aber du und Ziio ihr ähnelt euch, auch wenn sie gar nicht aus deiner Zeit stammt.“ gab ich mir im Grunde selber die Antwort und ihr zustimmendes Nicken waren genug.
In dieser Nacht schlief ich mit Bildern beider Frauen in meinem Kopf ein. Nein, nicht was ihr denkt! Holt eure Gedanken aus der Gosse!
Es war für meinen Geist ein beruhigender Gedanke, dass ich meiner jetzigen Frau nicht alles erklären musste.
Nach einer gefühlten Ewigkeit traf dann auch der Architekt ein, welcher mein und Alex´ Arbeitszimmer inspizieren und wieder herrichten sollte.
Hatte ich noch gedacht, dass es im Handumdrehen erledigt sei, wurde ich postwendend eines besseren belehrt.
„Master Kenway, wir müssen die gesamten Dielen entfernen und einen neuen Unterbau anfertigen. Wie ich sehe, sind auch an einer der tragenden Außenwände erhebliche Schäden und wenn ich das hierüber liegende Zimmer eurer Gattin betrachte, so muss ich euch mitteilen, dass es mehr als nur ein paar Tage Arbeit kosten wird.“
Um das Geld machte ich mir nicht die Sorgen, eher um die verlorenen Geschäftsbücher und einige wertvolle andere Bücher und Romane.
Alex begann damit, ihr eigenes Reich auszuräumen, damit auch dort die Bohlen ausgewechselt werden konnte, damit die Statik wieder hergestellt werden konnte. Als man hier unten das verbrannte Holz entfernt hatte, sah es wie ein Skelett darunter aus. Und wieder einmal sah ich die Villa am Queen Anne´s Square vor mir. Alex strich mir sanft über den Arm als sie meine Gedanken bemerkte.
Da ich aber vorerst noch nicht viel ausrichten konnte, nahm ich mir Zeit für Edward. Auch wenn er erst ein Jahr alt war, man konnte mit dem Lernen nicht früh genug beginnen. Ich fing mit einfachen Begriffen für ihn an. Auf Englisch, auf Deutsch und – zu meinem Leidwesen – kam auch meine Frau dazwischen mit Dänisch.
Oder ich versuchte meinem Sohn Ordnung beizubringen. Ich sortierte mit ihm – wenn ich es genau nahm, sortierte ICH – seine Soldaten, stellte sie neu auf oder zeigte ihm, wie eine Festung oder Garnison aufgebaut war.
Immer wieder sah ich, wie Alex kopfschüttelnd dabei zusah.
„Mi amor, er ist noch viel zu klein für diese komplexen Zusammenhänge. Außerdem, warum sollte er lernen wie man die Versorgung einer Garnison aufrecht erhält? Er zieht doch nicht gleich morgen in den Krieg.“ hörte ich sie des öfteren ungläubig fragen.
Hatte aber nicht genau SIE gesagt, dass wir uns auf einen einrichten müssten? Also wäre es von Vorteil, wenn unser Sohn schon ein paar Grundprinzipien kennt.
Ab und an erwischte ich mich dabei, wie ich mir ausmalte diesen kleinen Kenway auch im Schwertkampf zu trainieren, ihm das Reiten beizubringen … Aber ich schweife schon wieder ab.
Ende Januar endlich erschienen die Eheleute Bassiter bei uns mit den Hundewelpen. Leider war es nicht eher möglich gewesen, weil der Schnee es einfach zugelassen hatte. Umso froher war ich, als bei uns eintrafen.
Wir hatten beschlossen, dass auch diese kleinen Tieren vorerst noch bei den Pferden mit untergebracht wurden, damit sie ihre Umgebung erkunden konnten.
Kaum waren die 6 Tiere in ihrem neuen Zuhause wollte natürlich auch Edward sehen, wie es ihnen ging. Er ließ sich kaum bändigen und stiefelte schnurstracks Mr Mackenzie hinterher, der ihm zeigte wo unsere neuen tierischen Wachen untergebracht waren.
Alex und ich hatten uns etwas schwer getan mit der Namensvergabe.
„Das ist ja schlimmer, als wenn man den Namen für sein Kind aussuchen muss. Da wird einem erst klar, wen man mag und wer einem den Buckel runterrutschen kann.“ lachte sie einmal, als wir uns nach männlichen Namen umsahen.
Doch wir waren uns einig geworden.
Wir waren nun stolze Besitzer von Bella, Walka, Floki, Herkules, Wolpe und Azrael! Es war eine schwere Geburt, aber es hat sich gelohnt, weil jeder Name eine für uns persönliche Bedeutung hat. Manchmal auch geschichtlich.
Am Abend besiegelten wir die Taufe noch mit einem Umtrunk.
Wie zu erwarten war Edward alles andere begeistert, dass er die Hunde nicht bei sich in seinem Zimmer haben durfte in der Nacht.
Es dauerte Stunden ihm die Zusammenhänge zu erklären. Ob er sie auch schon verstand, wage ich zu bezweifeln. Er musste es einfach lernen zu akzeptieren!
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir am nächsten Tag die Bassiters schon wieder, weil es erneut nach Schneefall aussah.
„Solltet ihr noch einmal Wachhunde benötigen, so scheut euch nicht, mir das mitzuteilen. Sagt auch euren Freunden Bescheid, dass wir uns auf derlei spezialisiert haben.“ natürlich würde ich seine Kompetenz als Züchter weiterverbreiten. Bisher war mir nie etwas negatives über ihn bekannt geworden.
Am Mittag mussten wir Edward förmlich aus dem Stall zerren, damit er zum Essen kam. Er plapperte unaufhörlich vor sich hin, ab und an verstand ich ihn auch.
„Floki lieb, Mama!“ und so weiter hörten wir, während Sybill ihn anhielt auch einmal zu kauen und runter zu schlucken. So langsam verstand ich meine Frau, dass es recht anstrengend sein konnte im Bezug auf dieses permanente Gebrabbel. Wie hielt Mrs Wallace das nur mitunter aus?
Als er zu seinem Mittagsschlaf endlich ruhig wurde, ließ sich Alex seufzend auf das Sofa im Wintergarten sinken. Plötzlich kam mir der Gedanke an Shays ersten Maat! Christopher legte von Zeit zu Zeit auch solch eine Art an den Tag, welche ich an Bord der Morrigan des öfteren ertragen musste.
„Man könnte meinen, Gist wäre in ihn gefahren.“ grinste ich, als ich neben meiner Frau Platz nahm.
Auf einmal drehte sich Alex zu mir um und sah mich entschuldigend an.
„Ich weiß, der Themenwechsel ist gerade seltsam, aber… sollten wir nicht so langsam an die Hochzeit von meiner Zofe und deinem Kammerdiener denken? Sie sind ja jetzt schon fast ein dreiviertel Jahr verlobt und wir haben auch einen Prediger der sie trauen könnte.“ Ihre Worte hörte ich und schon hatte ich ein ungutes Gefühl dabei. Ihre Kammerzofe war hoffentlich nicht schwanger und diese Vereinigung MUSSTE vollzogen werden.
„Nein, Magda ist nicht schwanger. Aber ich würde mich freuen, wenn wir hier eine kleine Feier zu ihren Ehren hätten und die beiden wären sicherlich auch erleichtert, wenn sie wirklich zusammen sein dürften.“ Wir hätten sogar noch ein großes Zimmer das nach vorne rausging frei.
Ich ließ nach ihnen rufen, damit wir ihnen unseren Vorschlag unterbreiten konnten.
Kurz darauf traten Magda und Michael ein und sahen etwas verunsichert von einem zum anderen.
Als wir ihnen dann nahelegten, sich für einen Hochzeitstermin zu entscheiden, fiel den Verlobten sichtlich ein Stein vom Herzen.
Beide hatten sich schon für den April entschieden, an Michaels Geburtstag, dem 11. April. Wir machten eine Liste mit den Dingen, die besorgt werden müssen, wo die Feierlichkeiten dann stattfinden würden und so weiter.
Die Trauung wird in der kleinen „Kapelle“ stattfinden und die Feierlichkeiten würden auf dem Vorplatz und der kleinen Taverne, welche wir nun auch dort im Zentrum hatten, ausgerichtet werden. Die Einladungen wollten Magda und Michael persönlich aussprechen und auch für ihr Hochzeitskleid hatte sie schon selber gesorgt. Es war das Kleid, welches ihre Mutter schon getragen hatte. Damit wollte sie das Andenken wahren.
„Wir werden morgen mit dem Schmied über eure Eheringe sprechen. Ich würde mich freuen, wenn wir euch dabei behilflich sein können.“ Mein Kammerdiener sah mich mit großen Augen an und wollte schon etwas erwidern. „Nein, ich möchte es, Michael.“
Die Verlobten verabschiedeten sich erleichtert und eilten hinaus, um die Neuigkeiten zu verkünden.
Nach seinem Mittagsschlaf wollte Edward natürlich sofort wieder zu den Hunden.
„Papa, komm! Wolpe streicheln!“ er stand zupfend an meinem Hosenbein und sah erwartungsvoll zu mir auf. Musste er denn immer auf deutsch mit mir reden?
„Edward, wie heißt das?“ fragte ich bestimmend nach, auch wenn mir auffiel, dass er eine sehr klare Aussprache hatte. Ungewöhnlich für sein Alter.
„Ich will…“ Nein, ein ich WILL lasse ich nicht durchgehen.
„Du weißt, dass du mit mir englisch sprechen sollst. Also noch einmal, wie heißt das?“ Er wand sich wie ein kleiner Aal, als ich mich hinkniete um ihm in die Augen zu sehen.
„Musst du immer gleich …“ begann meine Frau, sah aber, dass es mir durchaus ernst war. „Ich meine doch nur, dass Edward es doch nicht mit Absicht falsch ausspricht.“ resignierte Worte von ihr.
„Alex, er muss es aber lernen. Je eher desto besser und da Edward schon so weit mit dem Sprechen ist, sollten wir ihn möglichst zeitig an die richtigen Ausdrücke erinnern. Es ist nur zu seinem Besten!“ Ich hatte meine Prinzipien, genau wie mein Vater damals auch.
Die Hochzeit von Magda und Michael war also anberaumt. Wer weiß wie lange es dauern würde, bis Magda für eine Weile ersetzt werden müsste, weil sie ein Kind erwartete. In Alex Augen hatte ich diesen Gedanken in den letzten Tagen des öfteren gesehen. Aber ich wusste von meinem Kammerdiener, dass er aus Furcht nie vor der Ehe mit seiner Verlobten das Bett teilen würde.
„Master Kenway, wo denkt ihr hin. Es schickt sich nicht.“ hatte er mir wiederholt gesagt und ich glaubte ihm. Er war ein wahrer Christ durch und durch.
Ab und an kam mir ein seltsamer Gedanke, oder besser zwei an der Zahl.
Was wäre gewesen, wenn Alex ein Kind von meinem Vater erwartet hätte. Es hätte ja durchaus so sein können, wenn wir ehrlich sind. Wäre unser Schicksal dann immer noch dasselbe? Wäre Yannick dann nicht mein Stiefsohn sondern mein Halbbruder. Dieser völlig wirre Gedanke geisterte immer mal wieder durch meinen Kopf.
Oder aber wie sähe es aus, wenn meine Frau schon damals von mir schwanger geworden wäre? Eine frühzeitige Reise zu mir wäre dann nicht auszuschließen gewesen, oder doch? Würde ein ungeborenes Kind so einen Zeitsprung wirklich überleben?
Warum, in Gottes Namen, machte ich mir solche Gedanken?
Wir hatten JETZT unsere Zukunft. Nichts von all dem war eingetreten. Trotzdem geisterten solche Dinge in meinen Gedanken herum.
Mittlerweile hatte ich mir einen Schreiber dazu geholt, welcher mir bei den neu zu verfassenden Geschäftsbüchern zur Hand gehen sollte. Ein tüchtiger junger Mann, welcher ein Händchen fürs geschäftliche besaß.
„Master Kenway, alleine wie ihr mir die Beträge für die Jahre schildert, sehe ich die Tabellen vor mir. Endlich kann ich das tun, was ich wirklich wollte. Mein Vater versteht meinen Wunsch nicht, mich mit Buchhaltung auseinander zusetzen. Für ihn zählen nur körperliche Arbeit und dass man am Ende des Tages sieht, was man geschaffen hat. Er ist Schiffsbauer, müsst ihr wissen.“ Also gingen Talente nicht von einer Generation auf die nächste über.
Wie wäre es in meinem Falle ausgegangen, wenn ich wie mein Vater… Nein, er wollte mich definitiv nicht auf See plündernd vorfinden. Mir lag die Seefahrt auch nicht so im Blut musste ich mir eingestehen.
Herr Gott noch eins, was war nur in letzter Zeit mit mir und meinen Gedanken los? Warum dachte ich über Wenn und Aber nach? Reginald würde mich schon zig mal gemaßregelt haben!
„Haytham, hast du einen Moment Zeit?“ Fragte Alex leise eines Nachmittags nach. Damit der Anstand gewahrt wurde, nutzten wir die Vornamen nur in Gegenwart von Angestellten.
Etwas verunsichert, was nun kommen würde, folgte ich ihr in den Wintergarten, wo sie mir eine Liste überreichte. Nicht aber irgendeine, sondern eine Aufstellung von für mich im ersten Moment seltsam anmutenden Dingen. Ein Rufhorn, ein Familienaltar und so weiter. Aber es war ins kleinste Detail erfasst, was man benötigte und wozu.
Ich überflog das Ganze, aber als Alex sah, dass ich ihr nicht ganz folgen konnte, erläuterte sie mir, dass es um die Kindsweihe für Edward ging.
„Ich bin wieder einmal erstaunt über deine Akkuratheit beim Planen. Wann hattest du gedacht, sollte diese Weihe stattfinden? Jetzt wäre es ja zu kalt dafür. Aber wir könnten vorab eine christliche Taufe vollziehen, das würde mich freuen, mi sol.“ Diese Frau konnte eine unglaubliche Ordnung und Struktur an den Tag legen, welche man ihr sonst nicht so ansah.
„Der Mai wäre wunderschön geeignet und vielleicht könnten wir an meinem Geburtstag die Feier ausrichten. Dann hat Edward mit dir Geburtstag und wurde in die Familie an meinem aufgenommen!“ Sie würde am liebsten jetzt sofort alles verkünden und schon erledigt haben. Diese Euphorie war ansteckend, musste ich mir eingestehen.
Also einigten wir uns auf Mai für die Kindsweihe und am 7. April, Ostersonntag, sollte die christliche Taufe für Edward stattfinden. Sie wollte Mr Hathaway persönlich sofort informieren.
Ich verbrachte den restlichen Tag mal wieder mit dem Verfassen der Bücher und bemerkte kaum, wie die Zeit vergangen war. Mein Sekretär hatte sich am Abend verabschiedet, er hatte sich den Feierabend redlich verdient.
„Mi amor, denkst du nicht, es ist für heute genug?“ plötzlich spürte ich ihre Finger auf meinen Schultermuskeln, welche mich sanft massierten.
„Eigentlich schon, aber… ich habe das Gefühl gar nicht dagegen anzukommen.“ ich lehnte seufzend meinen Kopf zurück um sie ansehen zu können. „Vielleicht sollte ich mir noch zwei Schreiber dazu holen, damit man auch mal einen Fortschritt sieht.“ Es war eine schier unendliche Arbeit in diesem Moment.
„Das solltest du. Ich gehe hinauf. Für die Weihung benötige ich noch einige Gegenstände und müsste sie in den nächsten Tagen beim Schmied und dem Tischler in Auftrag geben.“ ihr Kuss war eine leise Bestätigung für meinen Gedanken.
„Weißt du, ich habe schon ein schlechtes Gewissen, weil wir Edward erst jetzt taufen lassen.“ kam es mir in den Kopf, gerade als sie zur Tür hinaus wollte.
„Wir hatten einfach noch keine Zeit um darüber nachzudenken. Außerdem ist es doch auch schön, dass er es richtig mitbekommt. Er freut sich schon darauf und vor allem auf seine Großeltern. Das war das erste gerade, was er fragte, ob sie auch dabei wären.“ lachte sie und ging hinaus.
Es muss schon nach 22 Uhr gewesen sein, als ich mich entschloss für heute die Bücher Bücher sein zu lassen. Mir taten die Finger und vor allem auch die Augen weh und ich freute mich auf meine Frau, welche mich hoffentlich ein wenig auf andere Gedanken bringen würde.
Oben in unserem Schlafzimmer fand ich sie aber nicht vor.
Als ich wieder auf der Galerie stand hörte ich aus ihrem Arbeitszimmer Stimmen. Ja, es war noch eine andere außer ihrer zu hören!
Warum fragst du nicht einfach, Kind?
Ein erschrockener Ausruf von Alex war zu hören und die Stimme fuhr fort.
Wie du ja sicherlich bemerkt hast, ist es meine Aufgabe für deinen Sohn zu sorgen! Also werde ich auch an seiner Weihe teilnehmen und mein Hammer soll ihm ein Segen sein! Edward wird ihn auf seiner Brust als Zeichnung tragen, damit er sich immer wieder auf mich berufen kann! Du siehst, es ist alles geklärt und du kannst den Rest vorbereiten!
Als ich im Türrahmen ankam, sah ich wie sich eine neblige Gestalt auflöste. War es der Gott, den ich vermutete? Thor? Vor ein paar Tagen hatte ich ihn in Edwards Nähe wahrgenommen, konnte aber nicht sagen, was er dort wollte!
„Habe ich das gerade richtig verstanden?“ langsam ging ich auf sie zu.
„Ja, hast du. Unser Sohn wird vom Donnergott persönlich geleitet. Deswegen tauchte er in der Nacht des Überfalls auch auf und ermahnte Edward, Geduld zu haben. Sein Kampftraining würde noch auf sich warten lassen, bis er der Meinung ist, er ist soweit. Haytham, das wird ein spaßiges Training, wenn du, Tyr UND Thor ihn unter ihre Fittiche nehmen. Und Heimdall… Bei Odin… mir tut unser Sohn schon ein wenig leid.“ Ihr amüsierte Ausdruck im Gesicht war aber keinesfalls das was sie dachte. Unser Sohn wäre diesen Mächten förmlich ausgeliefert, damit er lernen konnte. Doch noch war es nicht an der Zeit!
„Dafür lernt er viele verschiedene Techniken im Schwertkampf und im Umgang mit Äxten! Pfeil und Bogen dürfen auch nicht fehlen! Aber ich glaube, bis dahin ist wirklich noch etwas Zeit.“ nicht ich sprach, es war Tyr!
„Wenn er mit Äxten trainieren darf, möchte ich auch dabei sein! Ich würde sie zu gerne wieder einmal in den Händen halten.“ Alex schien sich zu verändern, ihre Vorfahrin brach durch und ließ diesen goldenen Schimmer um sie erscheinen.
„Mir gefällt deine Einstellung und was ich sehe erst recht.“ Plötzlich war es vorbei mit Geduld, Anstand und Moral. Was oder besser wen ich sah, wollte ich haben! Wir waren wieder nicht wir selber. Ließen uns aber völlig darauf ein und davon leiten!
Die Röcke meiner Frau waren schneller hochgeschoben als sie schauen konnte und ich nahm mein Weib. Es war ….
„Mi sol, es ist einfach jedes Mal berauschend.“ atemlos lehnte ich kurz darauf an ihr, Alex noch vor mir sitzend auf dem Schreibtisch mit Armen und Beinen um mich geschlungen.
„Ich mag dieses ungestüme bei dir und ich will mehr davon!“ Ihre leise Stimme und die Finger, welche über meine Brust glitten ließen mich in einen erneuten Taumel geraten. Diese Nacht gehörte uns, uns alleine und unseren Leidenschaften!
Im Februar hatte ich mit unserem hiesigen Schmied ein Gespräch bezüglich der Eheringe für die Hochzeit meines Kammerdieners.
„Master Kenway, es ehrt mich, dass ihr mich damit beauftragen wollt. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe noch nie erlebt, dass der Diener ein solch großzügiges Geschenk seines Dienstherren bekommen hat.“ Ich war also tatsächlich anders gestrickt als so manch ein anderer Plantagenbesitzer. Ein solches Lob erhält man doch gerne.
Ich hatte eine ungefähre Vorstellung von den Ringen im Kopf und brachte sie mit dem Herren jetzt zu Papier. Bei der Größe für Magdas Schmuck griff ich auf die Finger meiner Frau zurück. Ich hatte ein passendes Beispiel mitgebracht.
„Ich denke, in zwei Wochen sollte ich sie fertig haben. Ich lasse euch dann eine Nachricht zukommen.“ Eine angemessene Zeit und eilig hatten wir es ja noch nicht, weil alles erst im April stattfinden würde.
Auch unser Schmied freute sich bereits auf diese Feier, was er mir immer wieder versicherte.
Außerdem konnte ich erleichtert aufatmen, als in diesem Monat auch die abgebrannten Lagerhäuser wieder hergerichtet waren. Es gab mit Eisen verstärkte Tore und Türen mit zusätzlichen Eisenschlössern. Direkt in der Nähe hatten wir noch einen Brunnen ausheben lassen! So ein Unglück sollte sich nach Möglichkeit kein zweites Mal wiederholen.
Alex´ Brig war Anfang März auch vollständig repariert, was ihr ein breites Grinsen bescherte. Ich hatte gespürt, dass sie ein wenig Panik hatte, nicht auf die Jackdaw zurückgreifen zu können in den letzten Wochen. Es gäbe sicherlich auch noch andere Transportmöglichkeiten, von denen aber wollte sie nichts hören. Stur! Das war meine Frau mitunter!
In einer Nachricht, die ein Eilbote Mitte März überbrachte, wurde mitgeteilt, dass die Schatulle in Europa aufgetaucht sei. Doch wo genau sie war, stand dort nicht. Das Artefakt wurde zügig weitergereicht um möglichst alle Spuren zu verwischen. In mir machte sich Frust breit, weil ich das Gefühl hatte, einem Geist hinterher zu jagen, ohne ihn packen zu können. Verdammt noch mal. Sogar die darauf angesetzten Spione kamen kaum dieser Geschwindigkeit hinterher.
Und wenn wir doch einfach abwarten bis sie in Frankreich ankommt? Ich weiß, ich weiß! Wir müssen die Verfolgung weiterhin vorantreiben, weil sonst die Geschichte geändert wird. Wenn auch nur im kleinen Rahmen!
„Mi amor, wir haben einen Neuzugang bei uns! Frau Fischer ist mit ihrem Mann eingetroffen!“ rief mir Alex freudestrahlend entgegen, als ich gerade aus meinem Arbeitszimmer trat.
„Das ist doch vortrefflich, dann haben wir auch eine Schneiderin hier.“ Ich wusste, dass Alex schon länger darauf gewartet hatte, dass Frau Fischer hierher zieht. Bei einem Termin in New York hatte meine Gattin anklingen lassen, dass wir noch Bedarf an solch einem Handwerk hatten.
„Dann brauchen wir nicht immer erst nach Richmond fahren um etwas fertigen zu lassen. Dadurch sparen wir zusätzlich noch Zeit ein.“ ihre Freude war ansteckend, wie so oft, wenn sie glücklich war.
Ende März brach für mich die Saison fürs Pflanzen und Säen an.
Ich hatte mit den Bauern und Pächtern entsprechende Pläne ausgearbeitet, in welchen Abständen ich welche Felder mit begutachten werde. Meine Hoffnung lag natürlich wieder darin, eine gute Ernte einfahren zu können. Deswegen überwachte ich solche Arbeiten auch gerne selber. Auch wenn ich mich auf meine Leute hier verlassen konnte.
„Papa, hierbleiben!“ hörte ich oft, wenn ich nach dem Frühstück aufbrach zur Inspektion.
„Edward, ich bin doch nicht aus der Welt. Aber die Arbeit muss getan werden. Du bleibst solange zuhause und passt auf deine Mutter auf. Außerdem hast du ja auch die Aufgabe, die Hunde richtig zu trainieren.“ gab ich meinem Sohn als aufmunterte Verabschiedung.
„Walka kann Sitz machen, Pa… Vater.“ da hatte er sich ja noch rechtzeitig verbessert, ehe ich ihn belehren musste. Ich war stolz auf ihn, wirklich!
Ab und an kamen Alex und Edward auch hinterher um mich zu besuchen. Eine gute Gelegenheit meinen Sohn an ein Pferd zu gewöhnen. Bald sollte er auch mit dem Reitunterricht beginnen, ging es mir in diesen Momenten immer mal wieder durch den Kopf.
Dieses Jahr ließ ich zum ersten Mal die Felder wechseln, sodass Weizen und Tabak auf einigen getauscht wurde.
„Sir, wenn ich frei sprechen darf?“ fragte mich eines Tages ein Pächter zögerlich und als ich ihm deutete weiter zusprechen begann er mit dem Vorschlag, eine weitere Sorte Tabak zu probieren.
„Ich habe über eine weichere Sorte gelesen, als ich in Boston mit meiner Familie im Winter war. Sie soll milder sein, unanfälliger für Schädlinge sein und leichter zu verarbeiten. Leider weiß ich nicht, wie lange die Wachstumszeit beträgt.“ die letzten Worte kamen etwas entschuldigend über seine Lippen.
„Das hört sich aber gar nicht verkehrt an. Ich werde mir für nächstes Jahr ein paar Proben schicken lassen. Vielleicht hält diese Sorte ja was so vollmundig versprochen wird.“ Ich klopfte dem Herrn anerkennend auf die Schulter und in seinem Gesicht erschien ein stolzes Lächeln.
Wer weiß, wie sich diese Plantage noch weiter entwickeln würde. Die Möglichkeit sogar Wein hier anzubauen war gegeben, laut Monsieur Dufresne damals. Vielleicht sollte ich mich mit diesem Thema auch einmal auseinandersetzen.
Es klang auf jeden Fall vielversprechend.
Es war endlich April und die von mir herbeigesehnte Taufe Edwards stand an. Immer noch hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass wir ihn erst jetzt in Gottes Hände gaben. Auch wenn ich nicht zu den Christen gehöre, welche tagtäglich beteten und das Fegefeuer fürchteten. Dennoch war es mir ein besonderes Anliegen, dass mein Sohn seinen Namen auch vor Gott bekam!
Der heutige Morgen gehörte ganz meiner Familie und unseren Gästen.
Die Zeremonie sollte auf der Terrasse stattfinden, weil es ein herrliches Wetter war.
„Master Kenway, eigentlich findet die Taufe nicht draußen statt.“ hatte mich Mr Hathaway angesprochen, als wir den Termin besprachen.
„Ich weiß, Mr Hathaway. Meine Gattin wünscht es sich aber und ich würde es ebenso gerne haben wollen. Und ihr wisst, wie Edward sein kann. Draußen an der frischen Luft ist er nicht so zappelig und er wird euch sicherlich gebannt zuhören.“ versuchte ich den Prediger von unserem Anliegen zu überzeugen.
Seufzend lächelte er mich an.
„Ihr habt Recht. Warum nicht einmal etwas Neues versuchen.“ Also war es abgemacht.
Besagter zappelige Sohn kam mit seinem Kindermädchen in mein Arbeitszimmer kurz vor dem Frühstück. Sein extra angefertigter Anzug stand ihm ausgesprochen gut.
„Vater… wo ist Gott?“ gebannt sah er zu mir auf und ich hob ihn auf meinen Schoß.
„Er ist im Himmel, dort wacht er über uns. Mr Hathaway erzählte dir doch davon.“ meine Antwort schien ihn mehr zu verwirren als ihm Klarheit zu geben.
„Kommt er heute auch zu uns?“ Ein leises Prusten entwich mir, weil diese Vorstellung für mich eher amüsant war.
„Nicht wirklich, du wirst ihn nicht sehen. Er wird aber in unseren Gebeten sein. Außerdem umgibt sein Geist uns alle, mein Sohn. In jeder Blume, jedem Busch oder Grashalm, in jedem Tier ist er zu sehen. All das hat er geschaffen.“ Sogar bei meinen eigenen Worten hörte ich meinen Vater heraus, welcher mir damals ähnlich die Allmacht Gottes erklärte.
„Hat er mich lieb?“ erneut sah ich ihn etwas erstaunt an, wie konnte Edward schon soweit denken? Erstaunlich.
„Er liebt uns alle, mein Sohn. Gott macht keine Ausnahmen!“ versicherte ich ihm, damit er keine Angst bekam, dass es auch noch Unterschiede geben könnte.
In diesem Moment erschien Alex in der Tür und ich staunte über ihren Aufzug! Es war perfekt auf meine dunkelblaue Garderobe abgestimmt und sie wirkte – wie soll ich es beschreiben – sehr autoritär in diesem Kleid (ohne Hut!!!).
„Mi amor, wir sollten uns auf den Weg nach draußen machen. Komm min lille skat, alle warten schon auf dich.“
Ich erhob mich mit Edward und gemeinsam gingen wir drei auf die Terrasse. Es war wirklich ein strahlend blauer Himmel und angenehm warm.
Die Augen der Gäste waren auf uns gerichtet, als wir auf den Prediger zuliefen. Zwischen uns hatten wir unseren Sohn an den Händen.
Mr Hathaway hatte eine sehr ansprechende Andacht vorbereitet und alle Anwesenden lauschten diesen Worten. Es ging um die Namensgebung, wie man einen Namen aussucht, welche verschiedenen Arten es gab. Damit sprach er im Grunde alle Religionen an, welche sich gar nicht wirklich voneinander unterschieden.
Edward Juniors Anzug (Beispielbild!)
Master Kenways Garderobe (etwas mehr ins blaue!) Beispielbild!
Mistress Kenways Kleid (ohne HUT!!) Beispielbild!
Als er jetzt auf Jesus, Gottes Sohn, zu sprechen kam, fragte Edward erstaunt.
„Ist das auch ein Junge?“
„Ja, auch er war einmal so klein wie du. Seine Eltern haben auch lange überlegt, wie sie ihn nennen sollten. Aber Gott selber hat zu ihnen gesprochen und ihm den Namen gegeben.“ Die Augen unseres Sohnes wurden immer größer.
„Wo ist er jetzt?“ Diese Frage war zu erwarten und neben mir sah ich, wie auch Alex den gleichen Gedanken hatte. Also hatte Edward auch sie bereits mit Fragen gelöchert.
„Mein Kind, Gottes Sohn lebt hier nicht auf der Erde, sondern im Himmel.“ Der Prediger erklärte es ihm, wie ich kurz zuvor schon und ließ sich nicht auf eine Diskussion ein, sondern erzählte weiter.
Dann war es soweit und ich nahm unseren Sohn auf den Arm.
„Beug dich ein wenig über die Schale.“ flüsterte ich ihm zu.
Edward schaute gespannt auf die Wasseroberfläche. Als das Wasser über seinen Kopf lief erschrak er aber kurz und wollte schon weinen. Mr. Hathaway war aber schneller, trocknete die Haare und segnete unseren Sohn.
Das Kreuzzeichen auf der Stirn musste er natürlich gleich abtasten, was mir etwas unangenehm war.
„Edward, lass das. Das muss so.“ Alex nahm mit einem entschuldigenden Lächeln seine Hand runter.
Seine Aufnahme in unsere Gemeinde war damit abgeschlossen und ich fühlte mich, so seltsam es sich auch anhören mag, erleichtert. Natürlich vertrat ich auch den Glauben meiner Frau, aber ganz ohne meine christlichen Grundsätze konnte ich nicht leben.
In diesem Moment breitete sich ein Gedanke in meinem Kopf aus, welchen ich schon eine Weile nicht mehr hatte. Das Christentum war der Glaube der Tempelritter! Reginald hatte es mir anhand von vielen Aufzeichnungen, Bildern und Geschichten der Kreuzzüge in jungen Jahren erklärt.
Mein Glaube bestärkte mich seit jeher in meinem Handeln als Templer! War ich aber auch so gottesfürchtig wie die alten Krieger? Wäre ich bereit, alles aufzugeben um den wahren Glauben Christi zu verbreiten? Oder war auch das mittlerweile ein veraltetes Relikt, welches ad Akta gelegt werden sollte? Vielleicht sollten wir unsere Lehren im Orden einmal überdenken und neue Richtungen und Wege beschreiten.
„Mi amor, du bist ja ganz woanders.“ Alex Worte drangen wie durch einen Nebel zu mir. Ich bemerkte jetzt erst, dass ich am Ufer des James Rivers stand und auf das Wasser starrte.
„Entschuldige. Mir gingen gerade einige seltsame Gedanken durch den Kopf.“ In ihren grünen Augen sah ich, dass sie es bereits selber gesehen hatte.
„Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich deinen Glauben nie habe ausleben lassen. Im Grunde habe ich auch noch nie über deine Zugehörigkeit nachgedacht.“ flüsterte sie an mich angelehnt.
„Es gab ja auch keine Notwendigkeit dafür, oder? Mach dir bitte keine Vorwürfe, mi sol.“ plötzlich sah ich in ihren eigenen Gedanken, dass sie das Gefühl hatte, jemanden betrogen zu haben. Nicht SIE ist konvertiert, sondern unser Sohn hat seinen göttlichen Segen erhalten. Da es aber ja nicht dabei bleiben wird, konnte ich davon ausgehen, dass meine Frau nicht lange dieses Gefühl haben wird.
Dieses Gefühl ist normal, aber es ist wichtig, dass dieses Kind alle Seiten kennt. Genauso wie den Orden und die Bruderschaft. Sein Weitblick wird dadurch nur gestärkt! Worte des Allvaters, welche Alex weiter bestärken sollten.
Nur 4 Tage später stand die Hochzeit meines Kammerdieners mit der Zofe meiner Frau an. Wenn ich diesen jungen Mann sonst als sehr besonnen und ruhig bezeichnet hatte, so änderte sich meine Meinung an diesem Tage schlagartig!
„Entschuldigt, Master Kenway! Ich wollte euch nicht schneiden…!“ erneut hatte ich die Schneide des Rasiermessers in meiner Haut.
Kurzerhand bat ich ihn, sich selber umzuziehen und meine Frau zu rufen.
„Verzeiht, ich… es geht schon.“ aber ich ließ ihn nicht mehr ausreden. Er sollte erst etwas ruhiger werden und sich um seine zukünftige Frau kümmern.
„Mi amor, was… autsch. Warte ich hole etwas zum Abtupfen. Das sieht ja sehr abenteuerlich in deinem Gesicht aus.“ kicherte sie jetzt, als sie neben mir stand und Michaels Werk begutachtete.
„Siehst du jetzt, was ich damals meinte, dass du mir irgendwann einmal zur Hand gehen musst beim Rasieren?“ mein breites Grinsen entging ihr nicht, vermutlich auch nicht meine plötzlich auftretende Lust auf ihren Körper.
„Soll ich wirklich nur bei der Haarentfernung helfen, mi amor?“ hauchte sie an mein Ohr, während sie sich auf meinen Schoß gleiten ließ mit hochgezogenem Nachthemd.
Für diesen kurzen Moment der Wollust war ich dankbar und der Tag konnte entspannt weiter gehen.
Unsere kleine Gemeinde hatte sich nicht lumpen lassen und hatte eine Kutsche für die Eheleute geschmückt, welche sie zum Versammlungshaus bringen sollte.
Die Taverne an sich war auch schon dekoriert und das Essen war bereit. Alex, Edward, Sybill und ich fuhren bei ihnen mit.
Die restlichen Angestellten kämen dann nach, ob zu Fuß oder per Pferd, einige hatten sich mit ihren Nachbarn zusammengetan und hatten sich Karren organisiert.
Im Versammlungshaus angekommen, gingen meine Frau und unser Sohn schon einmal hinein. Ich selber hatte Magda angeboten sie ihrem zukünftigen Ehemann zu übergeben, weil leider ihre Eltern nicht mehr lebten und sie hier keine Verwandten hatte.
Sie sah – darf ich es so sagen – wunderschön in ihrem Brautkleid aus. Alex hatte gesagt, dass es Magdas Mutter gehört hatte.
Langsam schritt ich jetzt mit der Zofe meiner Frau auf Michael zu und spürte ihr Zittern bei jedem Schritt stärker werden.
„Ihr heiratet einen Mann, welcher euch liebt und ehrt. Glaubt mir, er ist ein feiner Gentleman, der euch auf Händen tragen wird.“ versuchte ich ihr ihre Nervosität zu nehmen.
„Danke, Master Kenway.“ diese zitternde und leise Stimme ließ mich schwer schlucken. Fühlte sich ein Vater ebenso, wenn er seine Tochter zum Altar geleiten würde? Würde ich jemals mit Alex diese Tochter haben? Ich schüttelte diese trüben Gedanken vorerst ab. Heute ging es nicht um mich, oder meine Familie!
Mit den Worten, er solle gut auf Magda achten, reichte ich meinem Kammerdiener die Hand seiner zukünftigen Frau und setzte mich zu Alex.
Die Zeremonie an sich war wie immer sehr nett und Mr. Hathaway hatte wie üblich die passenden Worte gefunden.
Mit großem Jubel der Anwesenden erklärte er die beiden dann zu Mann und Frau. Der Kuss der beiden war sehr vorsichtig, so als würden sie sich nicht in aller Öffentlichkeit trauen, diese Zärtlichkeit auszutauschen.
„War ich damals auch so zurückhaltend, mi amor?“ grinsend sah ich meine Gattin an.
„Nein, nicht wirklich. Ich musste dich etwas bremsen.“
Das Essen im Anschluss mit der Feier war entspannend. Es fühlte sich wie eine große Familie an, auch wenn man uns mit großem Respekt behandelte.
Wir hatten beschlossen, damit die beiden frisch Vermählten ein wenig Privatsphäre haben konnten, dass sie hier übernachteten in der Taverne.
Und wie erwartet, je später der Abend je mehr Alkohol floss in die Krüge. Auch ich ließ mich davon mitreißen, wenn auch etwas gezügelter als so manch ein anderer Pächter. Dennoch war es eine sehr schöne Hochzeit alles in allem gewesen!
Gegen Mitternacht wurde Magda und Michael nahe gelegt, doch endlich ihre wohlverdiente Hochzeitsnacht anzutreten. Im Gesicht der Zofe erschien eine dunkelrote Farbe und sie sah mit großen Augen zu ihrem Ehemann. Diese Verlegenheit hatte etwas, muss ich gestehen.
Kurz darauf machten Alex und ich uns auch auf den Weg nach Hause. Edward war schon früher mit Sybill zurück gefahren.
Angekommen in unserem Schlafzimmer half ich meiner Frau langsam aus ihrem Kleid. Ich genoss jeden Zentimeter Stoff, welcher an ihrem Körper weniger wurde. Ihre Atmung wurde tiefer und hier und da hörte ich sie seufzen.
Ihre Hände blieben aber nicht untätig und auch sie half mir aus meiner Garderobe. Es war ein unglaublich ruhiger Moment, welchen ich genoss. Diese Stille um uns. Nur wir beide.
Mir ging unsere Hochzeitsnacht durch den Kopf.
Meine Lippen fuhren langsam über ihre nackten Schultern und hinterließen eine Spur der Gänsehaut bei ihr.
„Du siehst immer noch genauso verführerisch wie damals aus.“ hauchte ich hinter ihr, als meine Hände ihren wohlgeformten Po griffen.
Mit einem geflüsterten, atemlosen „Danke“ zog auch sie mich weiter aus.
Diese Nacht war eine Seltenheit, weil sie völlig still und lautlos vonstatten ging. Wir waren uns ohne Worte einig, wir wussten, was wir beide wollten!
Trotzdem war meine Frau ab und an der Meinung ihre Widerborstigkeit an den Tag zu legen, welche ich ihr postwedend mit meinen Händen auf ihrem Hintern austrieb.
Mein Höhepunkt war die Spitze des heutigen Tages und ich fühlte mich befreit und leicht, während ich Alex half ebenfalls dieses belebende Gefühl zu bekommen.
Ihre Götterpreisung war das Zeichen, was ich mir erhofft hatte.
„Ich liebe dich!“ flüsterte sie etwas später an mich geschmiegt.
Dieser Tag zeigte mir wieder deutlich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.
In der Nacht auf den 4. Mai wurden wir von Mr Mackenzie aus dem Bett geholt, weil meine Stute ihr Fohlen bekam.
Ich war so aufgeregt, dass ich mir nur einen Morgenrock überwarf und sogar vor meiner Frau bei den Ställen war. Brida stand in ihrer Box und ich sah den Schweißfilm auf ihrem Fell. Nebenan in seinem Quartier regte sich Fenrir! Wir mussten ihn mit vereinten Kräften zurückhalten um nicht auszubüxen! Ein Vater bei der Geburt seines Kindes, wer konnte es diesem stolzen Friesen übel nehmen?
Alex versuchte meine Stute immer wieder zu beruhigen und sprach leise mit ihr.
Am frühen Morgen hießen wir ein gesundes Fohlen willkommen, welches noch recht wackelig auf den Beinen bei seiner Mutter trank.
Ein wirklich schönes Tier, wenn auch noch etwas struppig.
Alex und ich waren uns ohne groß darüber nachzudenken einig, dass Edward diesen Hengst als Geschenk zu seiner Weihe bekommen sollte.
Das war ein sehr erhabener Moment dieses Wunder miterlebt zu haben. Meine Stute hatte mir immer zur Seite gestanden und verdiente ihr eigenes Glück.
Die Augen meiner Frau liefen vor Tränen der Freude ebenfalls über, als sie ihrem eigenen Reittier zu seiner Vaterschaft gratulierte.
Einen Namen würde dann Edward entscheiden, oder wir machten uns auf die Suche nach etwas passendem zur Hilfe.
Unsere neuen Wachhunde wurden unter anderem von unserem Sohn angeleitet, wenn ich nicht selber dabei sein konnte. Ansonsten übernahm einer der Bauern die Aufsicht, damit sie nicht zu Schoßhunden verkamen.
Es kam jedoch ab und an vor, dass ich Schuhe von mir vermisste.
„Es tut mir leid, ich weiß auch nicht, wo sie abgeblieben sind.“ Alex´ Stimme war dabei so unsicher, dass ich wusste, dass sie sehr wohl wusste, was passiert war.
Unser Sohn hatte Gefallen daran gefunden, den Hunden nicht nur hilfreiche Dinge beizubringen, nein, er brachte ihnen auch bei, wie man zum Beispiel heimlich aus der Vorratskammer stiehlt. Das als kleines Beispiel.
„Es tut mir aufrichtig leid, aber Master Edward muss noch lernen, dass diese Tiere kein Spielzeug für ihn sind.“ der Herr war erneut erschienen um Bericht über die Erziehung der Tiere abzugeben.
„Ich werde dafür sorgen, dass mein Sohn sich entsprechend verhält.“ Leider konnte ich wieder nicht aus meiner Haut. Es war mir zuwider, dass unser Sohn so leichtfertig damit umging. Ich musste mir immer wieder eingestehen, dass er erst etwas über 2 Jahre alt war, dennoch hatte ich ihn hinreichend ermahnt.
Mitte Mai kam ich nach der Inspektion der Felder und einer kurzen Erfrischung in mein Arbeitszimmer, weil ich nach einem Buch über die verschiedenen Bodenbeschaffenheiten Virginias suchte.
Zuerst bemerkte ich die Veränderung hier nicht, doch als ich in einem der Regale sah, dass dort Lücken waren, sah ich mich suchend um. Hatte Alex sich neue Lektüre gesucht? Eher unwahrscheinlich, da sie im Moment genug mit ihren eigenen Geschäften und ähnlichem zu tun hatte. Von der Erziehung Edwards mal abgesehen.
Ich sah mich weiter um und …
DAS durfte nicht wahr sein. Neben der Tür in einer versteckten Ecke des Kamins sah ich lose Blätter liegen und ging näher. Es waren nicht nur ein paar, es waren zwei große Bände von Romanen, welche ich vor einem Jahr teuer erstanden hatte. Seltene Ausgaben von Erzählungen über die babylonischen Kriege und eine Abhandlung über die Kreuzzüge. Im Grunde waren sie unersetzbar und in mir kochte Wut hoch, welche ich nicht unter Kontrolle hielt.
Mein Sohn hatte sich an Büchern vergriffen, welche kostbar waren und mir am Herzen lagen! Wie konnte er es wagen während meiner Abwesenheit hier herein zu kommen und sich einfach so zu bedienen?
Außerdem sah ich die Bissspuren von Fangzähnen! Er war allen Ernstes MIT den Hunden hier drin gewesen?
In meinem Zorn riss ich die Tür auf und hechtete förmlich hinauf zum Zimmer von Edward. Dieser saß erschrocken inmitten seiner Stofftiere und sah mich mit großen Augen an.
„Mrs Wallace, geht bitte hinaus!“ meine Stimme duldete keine Widerworte!
„Aber…“ doch mein Blick reichte, dass sie umgehend das Zimmer verließ.
„Edward! Was fällt dir ein in mein Arbeitszimmer zu gehen, obwohl du weißt, dass du dort nichts zu suchen hast?“ meine Stimme war kaum zu zügeln, so war ich in Rage!
„Pa… Vater… ich…“ jammernd saß er immer noch auf dem Boden und starrte mich an.
„Die Hunde haben hier im Haus nichts zu suchen, geschweige denn in meinem Arbeitszimmer! Ich habe es dir tausendmal erklärt, oder nicht?“ jetzt wurde ich wirklich laut!
„Wollte doch nur…“ ihm liefen Tränen über die Wange, welche mich aber kalt ließen!
„Du wolltest nur? So so …“ in meiner Wut riss ich ihm seinen Schimmel aus der Hand und trennte Kopf vom Körper. Das machte ich auch mit einigen anderen Spielsachen. Er sollte wissen, wie es sich anfühlte, wenn etwas wertvolles oder geliebtes zerstört wurde!
„Nein… Papa … NEIN!“ jetzt schrie auch er und sah mich zornig an. Ganz schön mutig für einen so kleinen Jungen!
„Du wirst jetzt hier in deinem Zimmer bleiben und darüber nachdenken, was du falsch gemacht hast!“ immer noch war meine Stimme erhoben und ich zitterte vor Wut.
Ohne ein weiteres Wort verließ ich ihn und ging hinunter in mein Arbeitszimmer.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Alex hinaufeilte. Natürlich! Was hatte ich auch anderes erwartet? Sie versuchte es mit den Samthandschuhen!
Ich setzte mich vor den Kamin und goss mir ein großes Glas Whiskey ein! Wie konnte Edward so dreist sein, sich hier an meinen persönlichen Sachen einfach zu vergreifen? Ich wäre nie im Leben auf solch eine Idee bei meinem Vater gekommen. Hätte ich vielleicht doch noch den Gürtel… Nein, fürs erste nicht. Sollte er noch ein einziges Mal so etwas tun, dann würde ich noch ganz andere Saiten aufziehen!
Schluck für Schluck verrauchte meine Wut und ich wurde ruhiger.
War ich zu weit gegangen?
Herr Gott noch einmal, verweichlichte ich wie meine Frau mit einem Male? In der Erziehung musste man auch entsprechend züchtigen, damit die Worte auch verinnerlicht wurden. So hatte ich es gelernt, sogar in Reginalds Obhut, als wir quer durch Europa unterwegs waren!
Es gab einige Momente, in welchen er mich mit dem Stock strafte, weil ich … ich hatte mir Bücher angesehen, unbedacht, dass meine Finger fettig von den Süßspeisen der Köchin noch waren. Die Seiten waren ruiniert…
„Haytham! Wie oft habe ich euch ermahnt?“ auch Master Birch hatte eine erhobene Stimme dabei!
„Verzeiht, Sir!“ ich weiß noch wie heute, dass ich ängstlich vor ihm stand, als er den Stock zückte. Nie wieder habe ich es gewagt ohne seine Erlaubnis etwas in seinem Studierzimmer anzufassen.
Hoffentlich würde es auch meinem Sohn eine Lehre sein!
Etwas in meinem Inneren ließ mich aber nicht los. Eine gewisse Unruhe, ob ich nicht noch einmal nach meinem Sohn sehen sollte.
Sollte ich?
Ich trank mein Glas aus und erhob mich langsam. Wenn wir nicht jetzt mit seiner Erziehung begannen, wann dann? Außerdem war Edward in der Entwicklung ähnlich wie ich. Alex konnte ihn nicht immer in Schutz nehmen, dass würde ihn auf Dauer nicht weiterbringen auf seinem Weg zu einem … Mann? Erneut war ich leicht verunsichert, ob ich das Richtige tat. Nein, ich war sein Vater und ich tat, was für ihn als Lehre wichtig und richtig war!
Auf der Treppe sah ich, wie Mrs Wallace mit getrübtem Blick auf der Galerie vor dem Zimmer meines Sohne stand.
„Ist meine Frau noch dort drin?“ fragte ich vermutlich unnötigerweise.
„Ja, Master Kenway. Aber bedenkt, …“ Ich würde mich bestimmt nicht von einem Kindermädchen belehren lassen. Auch wenn es Sybill war. Ich ignorierte sie und ging ins Zimmer.
Meine Frau lag bäuchlings auf dem Boden vor dem Bett und versuchte Edward darunter hervorzuholen wie es aussah.
„Was in drei Teufels Namen machst du da?“ ereiferte ich mich und zog sie auf ihre Beine.
„Ich will Edward nur trösten! Er…“ Ich fuhr ihr über den Mund.
„Nichts wirst du tun. Edward! Komm da drunter weg! Oder soll ich die anderen Tiere und Spielsachen in meinem Arbeitszimmer einschließen?“
Ich hörte ein gefauchtes „Nein, will nicht!“
„Gut, wie du meinst.“ ich begann, einige Dinge vom Boden aufzuheben!
„Nein…“ kam es unter dem Bett und Edward schlängelte sich darunter hervor. „Nein, nicht…“ wimmerte Edward und klammerte sich an mein Hosenbein! Etwas in mir wurde sanft, die Wut schwand und gab Platz für eine väterliche ruhige Seite in mir.
„Willst du dann jetzt artig sein, Edward?“ Meine Stimme war noch mit einem leichten kalten Befehlston behaftet.
„Ja…“ flüsterte mein Sohn, als er sich an mich lehnte.
„Dann komm, mein Sohn.“ Ich ließ sein Spielzeug auf seinem Bett nieder und nahm ihn hoch. „Mach so etwas nie wieder. Du weißt jetzt, wie es sich anfühlt, wenn etwas schönes kaputt geht, oder?“ Ich spürte selber, dass ich ruhiger und sanfter wurde.
„Ja, Vater.“ flüsterte er leise schniefend an meiner Schulter und seine Arme legten sich um mich, so weit es denn ging. Eine Geste die mich umgehend besänftigte.
Unser ganz persönliches Abenteuer „Erziehung“ nahm seinen Lauf!
Der Geburtstag meiner Frau rückte näher, so auch die Weihe unseres Sohnes.
Nach und nach hießen wir die Gäste willkommen, welche im Gästehaus ihren Platz fanden.
Als jedoch der Duke of Ironside vor meiner Gattin stand, konnte ich fühlen, dass – nicht nur ihr – der absonderliche Gedanke kam, vor dem Allvater zu stehen. Es war auch für mich noch immer nicht in Fleisch und Blut übergangen, dass wir auch die nordischen Götter in uns trugen.
Loki und Sigyn, die Bradshaws, freuten sich ebenso uns besuchen zu kommen. Vor allem, weil man ein solches Fest feiern konnte wie eine Weihe. Immer noch war ich gespannt, was mich genau erwartete.
Ich hatte die Aufzeichnungen von Alex gelesen und mich über diese Kindsweihe entsprechend schlau gelesen. Ein heidnischer Brauch, keine Frage. Aber meine Neugierde war geweckt.
Auch aus Frankreich waren Eheleute Jomphe angereist und begrüßten uns herzlich. Besonders Edward war aus dem Häuschen die beiden zu sehen. Mutter Idun war eine für ihn wichtige Gestalt der nordischen Götter.
„Mein Kind, einen Großteil werde ich übernehmen. Du brauchst dir keine Gedanken darüber machen. Haytham, ihr werdet während der Weihe euren Sohn auf dem Schoß haben und ich werde die entsprechende Aufnahme in die Sippe übernehmen.“ erklärte uns oder besser mir noch einmal der Allvater.
Als es Zeit für Edward war zu Bett zu gehen, begann er zu zetern.
„Will nicht … bin schon groß!“ dieser Ton war einfach unangebracht.
Es war aber der Allvater welcher ihn mit einem harschen Blick ermahnte und sofort verstummten
die Widerworte meines Sohnes.
Ohne sich noch zu wehren ließ sich Edward nach oben bringen.
Alex, wie auch ich waren überrascht, wie einfach es doch sein konnte.
„Mein Kind, es gibt Fähigkeiten, die haben nichts mit uns Göttern zu tun. Edward hat aber Respekt gelernt und weiß um uns Bescheid. Vergiss nicht, dass wir immer um ihn herum sind. Genau wie um dich oder auch Haytham.“ flüsterte Frigg jetzt leise und sah uns beide lächelnd an.
Dennoch wünschte ich mir hin und wieder so eine Art „Macht“. Ein Wort und man gehorchte mir.
Mi amor, sag die magischen Worte und ich bin ganz dein. Die Stimme meiner Frau hatte einen wohligen lasziven Unterton angenommen.
Leider war uns in dieser Nacht keine erholsame Zweisamkeit gegönnt, weil Alex noch lange mit Elias im Gespräch vertieft war und anschließend einfach in meinen Armen einschlief.
Ich würde sie beim Wort nehmen. Später!
Kapitel 11
~~~ 26. Mai 1765 ~~~
~ Alex´ Geburtstag und Edward Juniors Weihe ~
Ich wurde etwas unsanft geweckt, weil sich meine Frau förmlich auf mich warf!
Erschrocken fragte ich nach, ob etwas passiert sei.
„Nein, ich habe Geburtstag, unser Sohn wird heute in die Sippe aufgenommen und ich liebe dich.“ Nicht dass ich es vergessen hätte, aber ich brauchte einen Moment zum Wachwerden. Alex lag auf mir und küsste mich dabei. Ich ließ dabei meine Hände verlangend über ihren Rücken streichen. So ließ ich mich doch gerne wecken.
„Wenn das so ist…“ Sie hatte aber Geburtstag, also drehte ich dieses Weib langsam unter mich und begann mich zu ihrem intimsten Piercing mit meiner Zunge vorzuarbeiten.
Sie schmeckte himmlisch und meine Finger fühlten diese Hingabe.
Mit einem lauten Aufschrei erlebte sie später ihren Höhepunkt.
„Herzlichen Glückwunsch, mi sol.“ Während ihres Rausches schob ich mich hoch und drang in sie, dieser Moment war für mich so berauschend, dass auch ich alsbald über die Schwelle ging.
Höhepunkte mit ihr waren anders als ich sie sonst erlebt hatte. Ich hatte es sicherlich schon einmal erwähnt. Ihre recht freizügige Art ließ mir freie Hand und ich fühlte, dass ich mich nicht zurück nehmen musste.
Vielleicht sollte ich einmal ein eigenes Kapitel über die Damen dieser Zeit verfassen, damit nicht alle Gentlemen Angst vor der weiblichen Art hatten. Doch dazu vielleicht später mehr.
Dieser Tag bot ein etwas turbulentes Frühstück in dessen Anschluss auch gleich der Met verköstigt wurde. Nur um zu testen, ob er auch angemessen für diese Feierlichkeit sei! Und ich gestehe! Er war wirklich köstlich und vor allem hochprozentig.
„Haytham, nicht zu viel auf einmal. Der Honigwein kann einem ziemlich schnell zu Kopf steigen.“ hörte ich Bragi nach meinem dritten Becher lachen. Er hatte nicht ganz Unrecht und ich gönnte mir eine kleine Pause.
Seltsamerweise fand Alex keinen Gefallen an diesem leckeren Getränk, obwohl sie eine so enge Verbundenheit mit den nordischen Göttern hatte. So blieb mehr für die Gäste und für die Weihe allgemein.
Dankbar ließen wir uns alle zum Mittagessen an dem großen Esstisch nieder und konnten endlich etwas handfestes zu uns nehmen. Mein Magen und vor allem mein Kopf dankten es mir.
Es war Gott sei Dank ein wunderschöner Tag mit viel Sonne, sodass man auch draußen verweilen konnte.
Die Utensilien für die eigentliche Feier wurden nach und nach zur Weideneiche gebracht. Unter den wachsamen Augen des Allvaters muss ich dazu sagen. Für so genau hätte ich ihn nicht gehalten, aber …
Ich möchte nur sicherstellen, dass alles an Ort und Stelle ist, richtig platziert ist und wir nachher ohne große Unterbrechungen den kleinen Edward weihen können. Hörte ich da etwa einen gewissen Tadel aus seiner Stimme?
Als es langsam zu Dämmern begann, wurde mir aufgetragen meinen Sohn auf den Arm zu nehmen und mit ihm den Platz bei der Weideneiche einzunehmen. Alex schritt neben uns her und man nahm ihre Aufregung und Freude wahr. Auch ich war gespannt, wie diese Prozedur nun ablaufen würde. So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt.
Aus den Unterlagen meiner Frau konnte ich erahnen, wie so eine Zeremonie von Statten ging, aber selber anwesend zu sein ist um einiges interessanter.
Das Wasser war vor ein paar Tagen bereits aus dem James River geholt worden, das Räucherwerk hatte Alex auf, wie sie sagte, meinen Duft abgestimmt. Lavendel! Es schmeichelte mir natürlich, dass sie so genau war in ihrer Vorbereitung!
Die Feuerschalen links und rechts neben dem Zermonietisch waren auch bereits entfacht und tauchten alles in ein etwas mystisches Licht hier am Fluss.
Und dann ertönte das Rufhorn dreimal, welches der Allvater an den Mund hielt.
„Mächtiger Donnerer, weihe diese heilige Stätte und halte Wacht!“ diese Worte wiederholte er viermal und ließ dann das Horn sinken.
Plötzlich schimmerten um uns die Gestalten der Götter. Auch mein Vater war mit meiner Mutter erschienen. Sie hatten sich alle hier versammelt und die Zeremonie begann.
Die Anrufung begann mit der donnernden Stimme Odins.
Hohe Götter, die ihr die Zeiten ordnet und allen Dingen ihre Frist zuteilt: Euch danken wir für alles Gute und Wertvolle, schenkt uns Klugheit und Kraft unsere Wege zu verwirklichen. Gebt uns euer Heil und euren Segen, dass wir erfüllt und ehrenvoll leben. Heil sei euch!
Frigg - Beschützerin von Ehe, Heim und Familie! Mit deiner Weisheit, Liebe und Fürsorge segne dieses Kind und mehre die Kraft unserer Sippe!
Die Flasche mit dem Met wurde geöffnet und ein Teil daraus wurde auf den Rasen gegossen als Opfergabe. Danach füllte man das Trinkhorn.
Der Allvater entzündete die Kerzen auf dem Familienleuchter und drehte sich dann wieder zu den Anwesenden um, welche teilweise mit offenen Mündern da standen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Alex sich Tränen von der Wange wischte. Es fehlten ein paar wichtige Personen an diesem Tag. Unter anderem auch Faith!
Elias fuhr mit lauter Stimme fort.
Am Nornenbrunnen
Eine Eibe ewig wächst
Hoch in Himmels Hauch,
Tau tropft talwärts,
Drunten im Dunkel ein Brunnen.
An des Weltbaumes Wurzel
Sitzen und spinnen
Verhüllten Hauptes
Drei Schicksalsfrauen,
Die schweigsamen Nornen:
Urd, Verdandi und Skuld
Was Wurde, das Werdende und was nun Wird.
Edward, Dein Gang zur Quelle des Lebens hat Dich zu uns geführt. Und so versammeln wir uns heute hier, um Dich im Wasser zu weihen - als Zeichen Deiner feierlichen Aufnahme in unsere Sippe.
Komm' an den Quell,
Weih' deiner Seele,
Wecklieder, leise;
Wirst dann verstehen
Botschaft deiner Ahnen:
Wahrhaft und wert!
Lieber Edward, wir nehmen Dich auf und begrüßen Dich in unserer Mitte, auf der heiligen Mutter Erde, die uns trägt und nährt, im Kreise aller Wesen und im Kreise unserer Sippe. Wir weihen Dich mit dem Wasser des Lebens. Es ist das Wasser Deiner Heimat, es stammt aus dem James River, der an Deinem Geburtsort fließt.
Wir traten vor und tauchten unsere Hände in die Schale, welche uns Elias entgegenhielt.
Vorsichtig fuhren wir über den Kopf unseres Sohnes damit.
Bragi fuhr jetzt fort.
Wir nennen dich Edward. Mögest Du Deinen Lebensweg stets kühn und voller Mut beschreiten, und mit Weisheit an Deiner Seite wachsen, so dass es Dir an gutem Rat nie mangelt.
Anmutig sitzen zwei Raben im hohen Geäst des Waldes, still blicken sie hernieder und breiten ihre Schwingen zum Flug. Sie bringen Rat dem Wanderer im nachtblauen Gewand, den Hut tief ins Gesicht gezogen ist er unterwegs.
Auf der Suche nach Weisheit und Erkenntnis kennt man ihn an vielen Orten und unter vielen Namen. Seine Pfade sind verschlungen wie das Geäst des Baumes, er sucht sich immer seinen eigenen Weg.
Elias reichte mir das Trinkhorn und ich befüllte es mit Met, so dass ich es den Anwesenden nach und nach reichen konnte. Elias sprach währenddessen weiter und bei jedem Absatz nahm ein anderer den Met entgegen. Es wurde jedoch nicht getrunken, sondern immer ein kleines bisschen des Honigweins vergossen zu Ehren unseres Sohnes.
Hohe, heilige Götter
Euch sei zu Ehren erhoben das Horn
und der Treue geweiht.
Ahnen, Alfen und Disen
Euch sei zu Ehren erhoben das Horn
und der Treue geweiht.
Landwichten, Wesen des Ortes,
Euch sei zu Ehren erhoben das Horn
und der Treue geweiht.
Jeder hatte dabei die Gelegenheit ein paar Worte an unseren Sohn zu richten, welcher das Ganze mit großen Augen verfolgte. Still war er auf dem Arm von Elias und sah sich um.
Plötzlich sah ich, wie eine Gestalt sich langsam manifestierte. Es war Alex´ Mutter welche ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn gab.
„Alex, es freut mich, dass du den Weg gefunden hast. DEINEN Weg. Wir werden warten, auf dass auch du bei uns sitzen wirst!“
Für einen winzigen Moment spürte ich den Wunsch meiner Frau ihrer Mutter einfach zu folgen.
„Nein, dein Platz ist hier. Wenn es an der Zeit ist, dann werde ich es dich wissen lassen!“ „Omaaaaaaaa!“ brüllte Edward plötzlich und sah der im Nebel verschwindenden Person hinterher.
Dann durchbrach Thors Stimme diesen Moment und ich sah, wie er unseren Sohn vor sich auf den Rasen stellte und sich hinkniete. Seine Hand legte sich auf die Brust von Edward und ein Leuchten ging von den beiden aus.
„Du wirst mich immer an deiner Seite haben, Junge! Gemeinsam werden wir den Weg fortsetzen. So will es das Schicksal der Nornen.“ Die Stimme des Donnergottes war nicht laut, sondern einfach nur angenehm, sodass sie Edward auch keine Angst machte. Im Gegenteil, er sah ihn an, dann auf seine Brust und ich erkannte die Tätowierung. Er würde Thors Hammer immer als Symbol tragen, so wie der Donnergott es gesagt hatte.
Und dann hallte Odins Stimme durch die Nacht!
Heil sollen wir fahren und immer heil wiederkehren und heil bleiben alle Zeit!
Damit war die Weihung abgeschlossen, mein Sohn war in der Sippe aufgenommen, hatte seinen Namen erhalten. Der Festkreis, wie meine Frau es mir erklärt hatte, wurde damit geöffnet und jeder konnte jetzt noch seine Glückwünsche und Geschenke überreichen.
Ein Brauch, welcher den Geschenkebringenden laut Überlieferung, ewig an das Kind binden sollte.
Edward hatte seinen Taufpaten erhalten, es war Thor! In mir keimte Stolz auf, aber auch gleichzeitig etwas Angst ob wir dem gerecht werden können.
Alex machte sich ans Werk um den unbeteiligten Besuchern Bilder einer gewöhnlichen Taufe zu geben und sie diese goldenen Gestalten vergessen zu lassen.
Langsam löste sich die Gesellschaft auf, man beglückwünschte uns noch einmal zu so einer schönen Feier und dankte für die Gastfreundschaft.
„Mir war gerade, als hätte mich jemand wachgerüttelt. Aber.. herrje… wie spät ist es denn schon? Es ist ja bereits stockdunkel!“ Myrte de Gooijer war sichtlich verwirrt in diesem Moment, aber ihr Gatte schlug vor sich jetzt ebenfalls zurückzuziehen.
„Master Kenway, es war wirklich ein wunderschönes Fest und ihr könnt stolz auf euren Sohn sein. Er hat so lange durchgehalten ohne zu Murren.“ Jon klopfte mir beim Abschied noch einmal bei diesen Worten anerkennend auf die Schulter.
Immer noch hatte Elias unseren Sohn auf dem Arm, welcher jetzt aber wirklich mehr als schläfrig aussah.
„Na mein Junge, du bist sicherlich müde. Möchtest du noch eine Geschichte hören?“ er würde in so einen Genuss kommen? Ich wusste gar nicht, dass dieser Gott so gut mit Kindern umgehen konnte. Doch wer war ich, dass beurteilen zu können?
Frigg hielt meine Frau davon ab hinterher zugehen mit den Worten, er wisse was er da tue.
Ich widmete mich jetzt den Gästen und Idun verwickelte mich in ein sehr interessantes Gespräch ähnlich wie in Frankreich im Garten des Chateaus.
„Haytham, es ist schön dich so befreit zu erleben. Und siehst du jetzt, was ich gemeint habe, als ich sagte lasse allem seinen Lauf? Du kannst nicht immer alles kontrollieren und planen. Dieser Abend war zwar sehr durchdacht, jedoch mussten wir mit einer Illusion improvisieren für die Anwesenden.“ Sie sah mich an, als würde sie auf eine Antwort warten.
„Alex hat es geschafft, sie alle glauben zu lassen, dass es eine gewöhnliche Taufe war. Das war aber doch im Grunde schon sicher, dass wir nachhelfen werden müssen, oder nicht? Auch wenn ich hier und da das Zepter abgeben musste, weil meine Frau neben Edward die wichtigste Person am heutigen Tage war.“ in diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich wirklich nicht mehr für mich alleine dachte oder handelte. Alle Pläne die ich in der Vergangenheit für den Orden und mich gemacht hatte, waren nur für mich! Dieser Gedanke war gerade etwas seltsam für mich, aber im Grunde ist es auch erleichternd, wenn man weiß, dass man nicht vor allen Problemen oder Entscheidungen alleine steht.
„Genau das meine ich, Haytham! Auch braucht ihr nicht immer Details im Vorfeld wissen, wie etwas ausgehen wird zum Beispiel. Auch wenn Alex dir da im Vorteil ist. Eure Zukunft ist aber noch – nunja nicht ganz – ungeschrieben. Versucht nicht angestrengt an Dingen zu feilen, welche ihr doch nicht ändern könnt. Schaut was ihr in eurem privaten Bereich an Veränderungen erreichen könnt. Schaut auf die Erziehung eures Sprösslings.“ ihre Hand legte sich auf meinen Arm und drückte leicht zu.
Wir konnten und sollten nicht alles beeinflussen, weder die Natur noch bestimmte Ereignisse. Das konnte ich aus den Worten der Göttin für mich mitnehmen. Ob aber meine antrainierte Ordnung, Struktur und Disziplin dieses auch zuließ, stand auf einem anderen Blatt.
Plötzlich hatte ich einen sehr unwohlen Moment!
Ich sah für den Bruchteil einer Sekunde Faith vor mir, auf einem Schiff und die Sonne schien auf ihr Gesicht! Sie lebte? Doch schon war alles wieder verblasst und sie verschwunden!
Alex war es, welche jetzt lauter wurde und nachfragte, wo sie ist und was passiert sei. Sie hatte diese Bilder natürlich auch gesehen. In ihrer Rage überzog sich ihre Haut mit den Zeichen.
„Wir müssen abwarten, aber es haben noch mehrere Götter ihre Finger mit ihm Spiel. Wir können nicht sehen, was dort gerade passiert!“ Odin versuchte das Ganze zu erklären, aber beruhigen würde es meine Frau keineswegs.
Es war, als würde Alex plötzlich jede Lebenskraft entzogen worden sein! Sie sagte leise, dass sie sich zurückziehen würde. Sie fühle sich nicht wohl und verschwand ins Haus.
Ich sah ihr verwirrt für einen Moment nach und wollte schon hinterher, als mich Elias aufhielt.
„Ich kann euch wirklich nicht genau sagen, was mit dem Erben passiert ist. Aber auch Freya scheint involviert zu sein und es gibt diesen Bruch der Kommunikation seit einiger Zeit. Wir können nur abwarten und ich wünsche, dass du deiner Frau genau das versuchst auch klar zu machen. Gerade hört sie weder auf mich noch auf sonst irgendwen. Manchmal ist dieses Kind wirklich schrecklich stur!“ Ich war für einen kurzen Moment drauf und dran zu lachen, weil er wirklich mit dieser Aussage Alex´ Verhalten in vielen Dingen beschrieb.
Ich tat es nicht, sondern versprach ihm, mich um sie und ihre Gefühle zu kümmern.
„Hast du dich in der letzten Zeit auch einmal mit deiner eigenen Vergangenheit befasst?“ hakte Elias nach.
„Noch nicht wirklich, weil mir einfach die Zeit fehlte. Du meinst die Vergangenheit in dieser Zeit oder die meines Vorfahren?“ Ehrlich gesagt hatte ich diese Thematik etwas verdrängt, weil es so viele andere Dinge in unserem Leben gab.
„Vorerst ist es noch nicht wichtig, aber beizeiten werden wir euch weiter an eure Vorfahren heranführen. Edward war übrigens ein aufmerksamer Zuhörer vorhin und er ist auch recht zügig eingeschlafen. Versuch ihm ein aufmerksamer Vater zu bleiben, wie du es bis jetzt warst! Für heute wäre es aber besser du schaust nach deiner Frau! Sie braucht dich jetzt!“ Odin schob mich schon fast Richtung Tür, damit ich auch ja seine Anweisung befolgte.
Ich verabschiedete mich zur Nacht und ging langsam hinauf zu unserem Schlafzimmer.
Vor der Tür stehend hörte ich sie reden.
„War es wirklich richtig, Yannick? Gerade weiß ich wieder nicht, ob … ich habe diesen Schritt gewagt, also werde ich jetzt auch mit den Konsequenzen leben oder?“ Dann brach sie ab und ich stand verloren auf der Galerie.
Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie den richtigen Schritt getan hatte? Aber warum sagte sie mir nicht, dass sie diese Sehnsucht ab und an hatte? War es Angst vor meiner Reaktion, die sie davon abhielt mit mir zu sprechen?
Für einen Moment war ich förmlich in Eifersucht auf ihren großen Sohn getränkt! Er hatte ein Privileg an welches ich nicht heranreichen würde. Niemals!
Zusätzlich umgab mich dieses Gefühl von Ausgeschlossenheit, auch wenn es nicht so ist. Es war da, in mir!
Mir fehlte der Mut zu ihr zugehen um sie zu trösten. Ich wollte nicht hören, dass sie plante wieder in ihre Zeit zu ihrem Sohn zu gehen!
Haytham! Deine Frau wird bleiben! Sie hat es dir versprochen und warum sollte sie all das hier aufgeben? Ihr beide gehört zusammen und jetzt geh darein und sei für sie da. Genauso wird sie es auch für dich sein!
Dass mich Frigg nicht auch noch durch die Tür schubste war alles!
Entschieden öffnete ich und fand Alex bereits im Bett schlafend vor. Ein Zeichen, dass sie wirklich erschöpft war, weil ich keine 3 Stunden draußen gestanden hatte.
Ich zog mich leise aus und legte mich zu ihr. Meine Arme legten sich um sie und ich spürte diese Entspannung ihrerseits.
„Ich liebe dich, mi sol.“ flüsterte ich ihr zu.
„Ich will nicht mehr ohne dich sein, mi amor.“ ihre Stimme war mehr ein leiser Hauch in diesem Moment, aber in diesen wenigen Worten war die Bestätigung die ich brauchte.
Wir gehörten wirklich zusammen!
Am nächsten Tag mussten wir unsere Gäste wieder verabschieden. Edward tat lautstark kund, dass ihm das überhaupt nicht gefiel und sie doch bleiben sollten! Leider war das natürlich nicht möglich und sah hatte ich ihn auf dem Arm, damit er allen nachwinken konnte.
Wie sollte es anders sein? In dieser Nacht durfte unser Sohn bei uns schlafen, weil er einfach keine Ruhe fand.
„Alex, wir waren uns doch einig…“ setzte ich an, als er zwischen uns lag, bekam aber einen vielversprechenden Kuss meiner Gattin. „Das wird nicht reichen…“ mahnte ich sie leise und freute mich auf eine spätere entsprechende „Erweiterung“.
Ein paar Tage später brachen wir auf zur Williams-Plantage. Lucius hatte uns eine Einladung geschickt mit der Entschuldigung, dass er schon seit April wieder hier sei, aber noch keine Gelegenheit hatte sich zu melden. Außerdem gäbe es leider schlechte Nachrichten.
Bei diesem Satz zog sich alles in mir zusammen. Auch Alex hatte Angst, dass doch etwas mit Faith passiert war.
Die Fahrt war strapaziös, weil es recht warm geworden war und Edward unbedingt Walka dabei haben wollte. Des öfteren mussten wir also Rast machen, wie man sich denken kann.
Dann nach 7 Stunden kamen wir etwas erschöpft an der Plantage an. Als ich aus dem kleinen Fenster stöhnte ich innerlich und Alex ließ ihren Unmut direkt heraus!
„Oh, das darf nicht wahr sein…“
Vor dem Anwesen stand nicht nur Lucius, nein, auch seine Mutter Lady Melanie war anwesend. Das würden nicht gerade entspannte Stunden werden, ging es mir durch den Kopf.
Als wir ausgestiegen waren, begrüßte man uns entsprechend unterkühlt mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. Etwas war hier im Argen! Und es lag nicht an den schwülen Temperaturen! So viel war sicher!
Wir wurden durch das mittlerweile sehr schön umgebaute Haus und den Garten geführt. Im Anschluss saßen wir dann auf der Terrasse und genossen einige Erfrischungen, während die Kinder mit Spielen beschäftigt waren.
Plötzlich brach es schier aus Lucius heraus.
„Ich muss leider die traurige Nachricht überbringen, dass mein Vater bei einem Angriff in London ums Leben gekommen ist.“ Sein Blick ging von mir zu Alex, dann zu seiner Mutter.
Ich sprach ihnen im Namen meiner Familie unser herzlichstes Beileid aus. Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet und ich musste einige Male schwer schlucken.
Schließlich kannte ich die Familie fast mein Leben lang und Lion war immer sehr fürsorglich zu mir gewesen, wenn ich dort zu Besuch war. Wie schnell man doch jemanden vermissen konnte, mit dem man schon lange nicht mehr so eine enge Beziehung hat.
Master Williams fuhr mit der Erklärung fort, wie es dazu kam.
Er schilderte kurz die Umstände in London. Mal wieder hatten diese abergläubischen Kirchenmänner ihre Finger mit im Spiel, dass der Pöbel aufgehetzt auf sie losgegangen war. Sie konnten die Artefakte aber aus dem Anwesen bergen und sie wurden nun hierher verschifft. Deswegen wartete man auch jederzeit mit der Ankunft von Faith und Shay.
Den beiden war es in den letzten Monaten auch nicht sehr gut ergangen, doch Lucius meinte, dass sollten die Cormacs uns selber erzählen.
Als das Abendessen anstand bemerkte Lucius unseren tierischen Begleiter.
„Wie ich sehe, habt ihr jetzt auch einen Wachhund.“
„Nicht nur einen, Master Williams. Es sind eigentlich sechs an der Zahl. Aber alle konnten wir schlecht mitbringen, auch wenn Edward das gerne so gehabt hätte.“ erklärte Alex lachend.
Dabei fiel uns ein, dass wir unserem Sohn noch gar nicht erzählt hatten, dass er ja jetzt stolzer Besitzer eines Pferdes war. Doch das sollten wir auf die nächsten Tagen verschieben, wenn wir wieder daheim sind.
Gerade als wir mit dem Essen begonnen hatten, hielt plötzlich wie aus dem Nichts eine Eule auf uns zu und fing sich im Sturzflug ihre Beute. Damit verschwand sie wieder! Es war Faiths Athene!
Nicht nur mir wurde klar, dass die Morrigan also bald anlegen würde, auch Alex stieß einen leisen Ruf der Freude aus!
Oh nein, sie wird nicht einfach zur Anlegestelle eilen. Mein Arm auf ihrem sollte sie davon abhalten, was sie mit einem giftigen Blick quittierte.
Die Kinder machten sich aber sofort auf den Weg um die Ankömmlinge zu begrüßen, sogar Edward stiefelte hinterher.
Auf dem Weg der zum kleinen Kai führte sah ich von weitem schon meine kleine Schwester, wie sie July in den Arm nahm. Täuschte ich mich, oder sah Faith anders aus?
Neben mir zuckte Alex immer wieder aus dem Impuls heraus loszurennen! Plötzlich zögerte aber auch sie und sah sich die Überraschungsgäste genauer an.
Aber es trat nicht nur Shay neben Faith, sondern noch ein weiterer Herr, welche sie alle überragte. Mein bester Mann und ich waren keine Zwerge, aber dieser Gentleman überragte sogar uns! Staunend besah ich ihn mir. Er hatte eine leicht dunklere Hautfarbe, schwarze Haare und trug seltsam anmutende Kleider.
Irgendwo habe ich den schon mal gesehen. Hörte ich Alex in meinem Geiste.
Schon kurz darauf, als wir näher kamen, spürte man dieses Kribbeln auf der Haut! Dieser Besucher war einer der Vorläufer!
Isu! Reiner geht es nicht! Odins Stimme klang ein wenig ehrfürchtig, wenn ich mich nicht täuschte.
Faith stellte uns jetzt gegenseitig vor und mir wäre beinahe der Mund aufgeklappt wie bei einem Karpfen, aber meine gute Erziehung verhinderte diese unangebrachte Geste.
„Imhotep, das ist der Großmeister des kolonialen Ritus, Haytham Kenway, seine Frau Alexandra und ihr Sohn Edward“
Seine Stimme war dunkel, fast schon vibrierend als er mit mir sprach. „Eine Freude euch kennenzulernen, Master Kenway“ es knisterte schon förmlich, als er meine Hand berührte. Auch Alex wurde entsprechend begrüßt. Immer noch fragte sie sich, ob er diesem Gott wirklich ähnlich sah. Leider konnte ich zu diesem Thema nichts beitragen, weil Zeichnungen aus dieser Epoche eher unspezifisch waren.
Auf dem Weg zurück zum Herrenhaus besah ich mir die Eheleute Cormac genauer. Es mag sich verrückt anhören, aber sie schienen gealtert zu sein. Ein seltsamer Gedanke, weil beide nicht Jahrzehnte unterwegs gewesen waren. Oder hing es mit dem Ende der Kommunikation zusammen, als man diese Verbindung einfach durchtrennte?
Eine Erklärung würde ich vom vielen Grübeln sicher nicht bekommen.
Meine Hoffnung galt weiterhin Shay, dass er auch in Zukunft unsere Belange entsprechend erfüllen konnte. Was aber bei ihm noch auffällig war, war dieses Gefühl, als wäre er umgeben von einer weiteren Präsenz. War auch er nicht mehr alleine? Ausmachen, wen er an seiner Seite hatte, konnte ich leider nicht. Dieses Gefühl blieb aber.
Bei meiner kleinen Schwester äußerte sich plötzlich sogar Tyr und war nicht gerade ruhig.
Sie hat wie es schient einen bösen Gott inne. Er schlummert in ihr dicht unter der Oberfläche. Wenn ich nicht ganz falsch liege, dann ist es Ares. Ich wünsche, dass ich mich täusche dieses eine Mal! Hörte ich ihn leicht aufgeregt in meinem Kopf, danach schwieg er. Warum?
Bei Tisch unterhielten wir uns über die Vorkommnisse in den letzten Wochen und Monaten. Natürlich durfte das Thema Umzug hierher nicht fehlen und man konnte jetzt die geretteten Artefakte aus London und dem Anwesen dort, hier sicher unterbringen. Die Morrigan war im wahrsten Sinne des Wortes zum Bersten gefüllt damit!
Irgendwann war den Kindern die Müdigkeit anzusehen und meine kleine Schwester begann ihrem Nachwuchs etwas vorzusingen in einer Sprache, die auch ich nicht verstand.
Plötzlich begann Edward zu weinen und klammerte sich voller Angst an Alex, welche aufstand und mit ihm hineinging.
Was ist los, Alex? Fehlt Edward etwas? Hakte ich im Stillen bei ihr nach.
Nein, er hat Angst vor diesem Gesang. Er kann es nicht zuordnen. Im Grunde war es ein sehr schönes Lied. Aber ich folgte ihrer Bitte und entschuldigte beide bei unseren Gastgebern.
Kurz darauf brachte man auch die drei Sprösslinge der Cormacs zu Bett und meine Frau gesellte sich wieder zu mir.
Unser Sohn hatte anscheinend Angst vor diesem Lied gehabt, weil er nicht verstand, worum es ging. Außerdem war es in der Sprache der Isu, welche wir ebenso wenig verstanden. Das brachte ihm Unbehagen und Thor hatte oben noch mit ihr gesprochen, damit sie ihn langsam an diese Vorläufer heranführte. Edward war einfach noch von der Weihe erschöpft, von seinem ganzen Lernen und den heutigen Ereignissen. Er brauchte Ruhe und Schlaf, so der Donnergott.
„Master Kenway, wir konnten leider immer noch nicht in den Besitz der Schatulle gelangen.“ hörte ich Shay sagen und schrak herum mit dem Kopf. Ich hatte mich gar nicht mehr auf das Gespräch hier konzentriert musste ich mir zu meiner Schande eingestehen!
„Das ist nicht sehr erfreulich, aber wir werden sicherlich alsbald fündig werden. Da bin ich mir sicher. Wir müssen weiterhin jedem kleinsten Hinweis nachgehen, dann werden wir sicherlich ihrer bald Habhaft werden!“ erklärte ich mich zuversichtlich, weil ich plötzlich die Bilder von dem Iren vor mir sah, wie er in Versailles Charles Dorian ermordete! Ich musste arg an mich halten um ihm nicht von dieser Tat zu berichten! Kein leichtes Unterfangen, wie man sich sicher vorstellen kann!
Was mir auffiel war unter anderem heute Abend, dass Faith anscheinend keinen Met, wie sonst, anrührte. In ihr schien eine Veränderung stattgefunden zu haben.
Wir verabschiedeten uns kurz darauf für die Nacht. Die Anreise war anstrengend, die Eheleute Cormac hatten ihren Schlaf ebenso verdient nach so einer langen Überfahrt.
In unserem Gästezimmer angekommen erzählte ich meiner Frau von meinem Verdacht auf Faith und Shay.
Sie selber hatte auch ähnliches gespürt! Das beruhigte mich ein wenig.
Sybill hatte sich außerdem Alex gegenüber noch freudig geäußert, dass sie ihre Gefährtin Freya wieder spüren konnte.
Leider würden wir heute keine Erklärungen mehr bekommen und mussten uns auf den morgigen Tag verlassen, wenn alle etwas ausgeruhter waren.
Langsam glitten wir beide in unsere Traumwelten in dieser Nacht.
Der nächste Morgen war, wie erkläre ich es am besten?, seltsam. Man spürte, dass etwas in der Luft hing. Vielleicht war es auch einfach das drückende Wetter, die lange Überfahrt von Shay und Faith. Oder es lag am Tod von Lion Williams, welcher alles zu überschatten schien. Man weiß es nicht, aber ich wurde mit einem merkwürdigen unwohlen Gefühl wach.
Das Frühstück war entsprechend ruhig und die Themen beliefen sich im Rahmen von Ordensangelegenheiten, Einigungen zwischen Assassinen und Templern, Neuzugängen auf beiden Seiten und ähnlichem.
Natürlich wurde noch einmal der Umzug von New York hierher aufgetischt, welchen Master Cormacs Tante Ruth beaufsichtigt hatte. Eine rigorose und sehr souveräne Frau, welche genau wusste, was sie wollte und was nicht. Einige der Umzugshelfer hatten ihren Unmut kennengelernt, wenn man ihr als Frau mal wieder einige Dinge nicht zutrauen wollte.
Sogar ich war beeindruckt von ihr! Gerade in unserer Zeit war diese Eigenart eine Seltenheit.
Das Gespräch driftete in Richtung Erziehung der Kinder und deren Entscheidung, welcher Seite sie angehören wollten ab. Sollten wir nur beratend zur Seite stehen, sollten wir ihnen die Vorzüge kundtun aber im Endeffekt entscheiden ob sie dem Orden oder der Bruderschaft beitraten? Wäre das überhaupt sinnvoll?
Lady Melanie ergriff irgendwann das Wort. „Im Grunde reicht es ja auch, wenn man eine einfache Templerin wie Faith ist. Es geht ja auch um die eigentliche Einstellung zu den Lehren des Ordens.“
Und mit einem Male änderte sich etwas in meiner kleiner Schwester. Sie erhob sich im wahrsten Sinne des Wortes! Sie blickte mit einem mir bisher völlig unbekannten Hass in Richtung meiner Frau als sie aufstand. Ihre Aura war feuerrot und sie zitterte am ganzen Körper.
Alex war das nicht entgangen und versuchte eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Aber das schlag immer wieder fehl. Sie drang nicht zu ihr durch!
ARES!
Faith war nicht sie selbst!
Haytham, mach dich bereit. Faith ist in Kampflaune gerade, weil sich Ares nicht mehr länger so einfach beherrschen lässt. Tyrs Stimme drang wie durch einen Nebel zu mir. Nur langsam registrierte ich das ganze wirklich.
„Du bist also dieses Weib, was in allem besser ist als der Erbe. Die Tochter Odins und das Miststück, welches aus einer anderen Zeit kommt. Du weißt immer alles besser, hältst jeden hier für dumm, oder? Du bist eine verlogene Templerschlampe, die sich an den Großmeister ran gemacht hat und sobald sie im Orden war, wurde sie noch über den Erben gestellt!“ DAS war nicht Faith welche da sprach!
Meine Frau reagierte gekonnt mit einer Gegenfrage und gleichzeitigen Erklärung. Vermutlich auch um eine gewisse Ruhe herbeizuführen.
„Oh, da ist wohl jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden, wie? Ich weiß vieles besser! Ja! Und warum? Weil ich einfach 250 Jahre mehr geschichtliches und medizinisches Wissen habe! Dafür kann ich leider nichts!“ rief sie über den Tisch hinweg! Auch sie zitterte, wenn auch in ihrem Falle aus Wut.
Ich hingegen stand neben ihr, spürte aber immer mehr die Anwesenheit von Tyr neben mir. Genauso bemerkte ich, wie bei Shay eine leichte Veränderung von Statten ging, wenn auch nur in winzigem Rahmen.
„Ach, und bitte vergesst nicht. Ich habe länger für den Orden gearbeitet, mehr an Hintergrundarbeit geleistet, als ihr alle HIER seht. Dass man mich über den Erben stellt, habe ich mir nicht ausgesucht, es wurde beschlossen!“ Alex´ Stimme überschlug sich schon fast vor Wut und auch sie war nicht mehr ganz sie selbst.
„Der Allvater hat eine Entscheidung getroffen, schon vor langer Zeit und mich vor vollendete Tatsachen gestellt! Also lebe damit oder wir tragen das gleich hier und jetzt aus, damit ein für allemal Ruhe herrscht!“ jetzt brüllte sie die Worte in Richtung Faith, welche verächtlich in ihre Richtung lachte!
Mrs. Wallace hatte sich sofort mit Edward zurückgezogen. Gott sei Dank handelte sie so geistesgegenwärtig.
Dann dröhnte diese Stimme Ares´ wieder los. „Wenn du dich mit einem Gott anlegen willst, bitteschön. Es wird mir eine Freude sein dich und den Rest hier zu zerquetschen“
Bevor jedoch noch irgendjemand reagieren konnte, rief Cadan plötzlich „Lass meine Mama frei!“ und plötzlich war Faith mit Pflanzen überzogen, welche sie in hohem Bogen von der Terrasse schleuderten! Der kleine Cormac hatte es echt drauf!
Plötzlich sprang Lucius gefolgt von Imhotep über die Brüstung der Terrasse und rief über seine Schulter hinweg „Bastet beschütze den Rest, Shay, Haytham und Alex haltet Ares in Schach!“
Wir eilten in den Garten hinunter und Tyr begann mich zu übernehmen. Ich fühlte diese zusätzliche Stärke, den Speer, den Schild und die Rüstung.
Meine Frau wurde von ihrer Vorfahrin geleitet und hatte sich mit Axt und Schild bewaffnet! Viel Zeit zum Nachdenken hatten wir nicht, weil wir postwendend konfrontiert wurden.
Wie aus dem Nichts entstand um uns herum eine goldene Kuppel in welcher wir diesem Ares gegenüberstanden.
Jetzt kannst du zeigen, was du an Kampftechniken beherrscht, Haytham. Tyr war neben mich getreten, oder besser er war ich… es klingt alles völlig absurd, egal wie ich es versuche zu erklären.
Der Kampf begann zuerst recht harmlos, wenn ich das so sagen darf. Speere, kleinere Handgreiflichkeiten und meine Frau konnte sich mit ihren Äxten austoben. Von ihrem eigentlichen Kleid war nichts mehr zu sehen, wie ich für einen kurzen Moment feststellte. Doch für weitere Analysen war keine Zeit.
Ares konnte sich über uns hinweg bewegen, so als würde er fliegen, was mir mit dem Speer gelegen kam. So konnte ich von unten agieren und ihm die Spitze einige Male in die Eingeweide rammen.
Meiner Frau gelang es zudem immer wieder, dank ihrer Größe, sich unter den Angriffen dieses Gottes hinweg zu ducken. Aber auch sie hatte es zunehmend schwerer, weil unser Widersacher immer wieder neue Tricks auftischte.
Von Druckwellen bis hin zu Erdklumpen die uns förmlich um die Ohren geworfen wurden. Es war ein Spektakel sondergleichen. Endlich konnte ich das Schild ausprobieren, konnte meine Techniken verfeinern und dann sah ich es.
Shays Aussehen veränderte sich plötzlich, als ich mich schützend vor meine Frau gestellt hatte, weil Ares sie direkt attackieren wollte.
Der Ire hatte einen seltsam anmutenden Harnisch an, auf dem Rücken bildete sich ein Köcher mit Pfeilen und er hielt einen leuchtenden Bogen in der Hand!
Horus!
DAS war seine Gottheit an seiner Seite!
Mit meinem Speer versuchte ich die Angriffe weiter von uns fernzuhalten und hoffte, dass wir mit einem Bogenschützen noch bessere Erfolgschancen haben würden.
Die Pfeile prasselten auf den Gegner nieder, aber sie schienen ihn nicht zu stören. Er wich gekonnt aus, oder er blockte sie ab. Ein sehr faszinierendes Schauspiel dessen Zeuge ich werden durfte.
Reiß dich zusammen und versuche ihn weiter zu schwächen. Die Stimme meines Gottes an meiner Seite war leicht ungehalten. Also besann ich mich konzentrierter wieder auf den Kampf.
Aber wir konnten kein wirkliches Muster erkennen, immer wieder änderte sich eine Kleinigkeit. Bis zu dem Punkt, als sich Horus gänzlich erhob!
Gemeinsam mit ihm konnte ich endlich mehr als nur kleine Schnittwunden hervorrufen. Ebenso begann Alex mit ihrem Schild und der großen Axt einen Angriff.
Von einem auf den nächsten Moment jedoch begann die Figur vor uns zu flackern, so als wäre sie eine Fatamorgana!
„Haytham, auf die Knie und versuche dich mit dem Schild zu schützen…“ brüllte mir meine Frau zu und erst jetzt spürte ich diese Kraft, welche von diesem Abbild entstand! Es baute sich eine regelrechte Welle auf!
Ich konnte mich gerade noch auf die Knie werfen und meinen Schild vor mich halten, als ich schon aus dieser Kuppel geschleudert wurde!
Der Aufprall war nicht so schmerzhaft wie ich befürchtet hatte!
„Aua! Geh runter von mir!“ fauchte mich Alex an und erst jetzt bemerkte ich, dass ich quer über ihr lag. Warum ich genau in diesem Augenblick so – entschuldigt – unzüchtige Gedanken hatte, kann ich nicht erklären. Wenigstens war ich weich gelandet, dass zählte.
Die Kuppel vor uns war plötzlich wie mit dichtem Nebel gefüllt, wir konnten nichts mehr sehen, geschweige denn hören.
Vorsichtig tippte ich mit dem Finger dagegen und spürte ein unangenehmes Kribbeln in der Fingerspitze. Eine von Isu gemachte Sicherheitsvorkehrung!
Langsam kam ich wieder im Hier und Jetzt an und fragte Alex, ob alles in Ordnung sei oder ob sie verletzt sei.
Auf einmal roch es stark nach Wein hier im Garten und ich sah mich nach dem Grund dafür um. Von der Terrasse aus hatte man einige Weinfässer geöffnet und deren Inhalt auf den Rasen laufen lassen. Kurz darauf erlosch dieses goldene Gebilde und gab das Ausmaß der Verwüstung preis.
Nicht ganz, ich sah wie sich Shay oder besser Horus über Faith beugte und ihr die Haare aus dem Gesicht hielt, damit sie sich übergeben konnte.
Da hatte dieses Weib wohl ein wenig zu viel vom Nektar der Götter gekostet.
„Das wirst du ihr vermutlich noch einige Male aufs Brot schmieren, oder?“ Es war der Ire der meine Frau angrinste, während sie sich über diesen Anblick köstlich amüsierte.
„Mama! Papa!“ hörte ich unseren Sohn rufen und sah ihn auf uns zurennen gefolgt von Sybill.
„Es geht Master Edward sehr gut. Ihr ward abgeschirmt, sodass er nichts sehen konnte. Nur… er… will nicht mehr bei Lady Cormac bleiben.“ sie hatte sich zu uns gebeugt um sicher zugehen, dass nicht jeder diese Aussage hören konnte.
„Tante Fais ist böse!“ fauchte Edward mit zitternden Lippen.
„Nein, min lille skat. Das war nicht Faith, das war Ares. Ein böser Gott! Aber er ist jetzt weg.“ Die Erklärung seiner Mutter würde nicht ausreichen befürchtete ich.
Lady Melanie erschien mit den anderen Kindern neben uns und lächelte uns an.
„Ihr habt euch gut geschlagen, Mistress Kenway, Master Kenway. Meine Enkelin kann sich glücklich schätzen, solche Freunde zu haben.“ ihre Stimme zitterte etwas. So kannte ich sie gar nicht. In all den Jahren war sie die stolze souveräne Frau gewesen, welche keinerlei Emotionen hatte. Wie der Tod eines geliebten Menschen einen doch verändern konnte, ging es mir durch den Kopf.
„Ich danke euch, Lady Melanie. Wir haben nur das getan, was Faith oder Shay auch für uns tun würden.“ erklärte ich mich möglichst neutral bleibend, weil ich mir selber einfach keine Schwäche eingestehen wollte in diesem Moment.
„Ja, natürlich…“ diese Pause war auch etwas merkwürdig für sie. „Master Edward, ihr braucht wirklich keine Angst mehr zu haben. Faith ist wieder ganz alleine in ihrem Körper.“ dabei strich sie ihm über die Wange.
„Ist Fais krank?“ seine Stimme hatte einen seltsamen Klang und seine Haut überzog sich mit den Zeichen. „Ich mache sie heile.“ und dann war er plötzlich ganz weit weg. Sein Blick ging ins Leere, wie es schien. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Tante Fais ist müde.“
Wie ausgewechselt drehte sich Alex um und rannte förmlich von uns weg! Was war plötzlich in sie gefahren? Hatte sie Angst um Faith? War es die Erleichterung, dass nichts schlimmeres passiert ist? WAS war plötzlich wieder mit diesem Weib los? Tief durchatmend sah ich zu meinem Sohn.
„Deine Mutter ist manchmal etwas merkwürdig.“ sprach ich leise.
„Haytham, deine Frau ist enttäuscht. Kannst du es nicht fühlen? SIE dringt nicht zu meiner Enkelin durch, aber dein Sohn! Das macht sie wütend!“ Lady Melanie war heute wie ausgewechselt, sie sprach völlig liebevoll und leise, nicht abwertend von meiner Frau.
„Aber wir wissen doch, dass es bald wieder funktionieren wird. Sie braucht nur etwas Geduld …“ Und damit hatte ich mir die Antwort selber gegeben! GEDULD! Nicht gerade Alex´ Stärke!
„Ich werde ihr hintergehen und schauen, dass ich sie überzeugen kann, dass das alles nur halb so schlimm ist!“ damit ging Faiths Großmutter in Richtung meiner Gattin und Edward sah ihr hinterher.
„Will Mama…“ weinte er plötzlich und lehnte sich schluchzend an meine Schulter.
„Gleich ist sie wieder da. Geht es Tante Faith denn jetzt besser?“ fragte ich leise nach und ging Richtung der Terrasse mit ihm. Aber er schüttelte den Kopf.
Diesen Alkoholrausch würde niemand so einfach wegstecken. Und ich erinnerte mich an den Ale-Exzess in New York und mit der einhergehenden Gehirnerschütterung. Ich hoffte, Faith würde es leichter haben.
Kurz darauf kam meine Frau wieder zurück und bat, als wir auf dem Weg ins Haus waren um eine Kleinigkeit zu Essen für Edward. Erst jetzt bemerkte ich, dass es schon später Mittag war.
Die Ereignisse schienen die Stunden völlig zu verschlingen.
Doch bevor das Essen soweit war, erschien meine kleine Schwester hier draußen wieder und sah in Richtung Alex. An ihrem Blick erahnte ich, dass es ein Gespräch unter 4 Augen sein sollte. Also ging ich mit Edward auf dem Arm in den großen Garten und zu den anderen Kindern.
Alle vier konnten ein wenig entspannen und man spürte, dass diese Anspannung von uns abfiel. Langsam beruhigte sich sogar die Luft um uns herum. Diese Schwüle der letzten Tage wich einer leichten Brise.
Edward freute sich, dass er wieder auf seinen Beinen war und rannte umher. Hier und da ließ er sich fallen um die unter einem Stein wohnenden Insekten zu inspizieren. Auch ich hatte das in jungen Jahren in London getan. Eine Gemeinsamkeit mit ihm. Wer weiß, wie sich das entsprechend in den kommenden Jahren entwickeln würde.
Irgendwann wurde mein Sohn aber unruhig und auch mir knurrte allmählich der Magen.
„Wollen wir mal sehen, ob wir etwas zu essen bekommen im Haus?“ fragte ich die anderen 3 Kinder und alle nickten einstimmig.
Als wir auf die Terrasse zu kamen, sah ich, wie Alex und Faith in inniger Zweisamkeit schwelgten. Nicht ganz so wie damals im Fort Arsenal, aber sie küssten sich. In mir tobte ein Kampf der Gefühle, sollte ich jetzt wütend sein oder mich eher für die beiden freuen. Ich beschloss letzteres, weil auch Lady Melanie mir dazu geraten hatte. Beide Frauen brauchten einander. Shay und ich waren da machtlos.
„Wie ich sehe, muss ich mir keine Sorgen mehr um deinen Gemütszustand machen, mi sol?“ sprach ich sie beide an und musste ein leises kichern unterdrücken.
„Du siehst richtig, mi amor.“ erwiderte Alex in ihrer so typischen ironischen Art, während Edward plötzlich an meinem Bein klammerte.
„Wieder lieb Tante?“ langsam ging er auf sie zu. Edward hob seine Hand und stupste Faiths nasse Wange. „Bist du taurig?“ Diese Geste war einfach herzerweichend und schien doch schon so erwachsen.
„Mir geht es wieder gut und ich bin jetzt nicht mehr so doll traurig.“ und dann schlangen sich seine Arme um sie. Wir atmeten vermutlich alle erleichtert auf, weil er keine Angst mehr hatte.
Auf Faiths Frage, ob er Hunger hätte, nickte mein Sohn eifrig und sie nahm ihn hoch.
Das Essen wurde aber im Salon serviert und als wir eintraten, wurden wir von einer frechen July mit den Worten „Wurde auch Zeit, Mama!“ begrüßt.
Es hatte etwas länger gedauert, aber wir hatten ja auch unsere Gründe.
* Hier folgt ein kurzer Auszug aus "Von schicksalhaften Zeitreisen - Part I - Kapitel 13" *
Als das Essen aufgetischt wurde und man Faith etwas auf den Teller gab, verfärbte sich umgehend ihre Gesichtsfarbe grünlich. Shay und Imhotep, immer noch ein für mich seltsamer Mann!, glucksten belustigt, weil sie den Kater meiner kleinen Schwester miterleben durften.
Der Wein sei ihr wohl auf den Magen geschlagen, kam es auf die Frage meiner Frau, ob alles in Ordnung war.
„In der Tat, Roohy, aber es war zu deinem und unserem Besten, ansonsten hättest du viel schlimmeres als Ares angerichtet!“ erklärte der Isu kurz und als meine Schwester ansetzte etwas zu sagen kam ihr ihre Großmutter zuvor.
„...Sachmet ist die ägyptische Kriegsgöttin und die dunkel Seite von Hathor kleine Lady. Aber Faith du kannst sie kontrollieren sobald du deine Kraft wieder hast.“ mit einem zuversichtlichen Ausdruck im Gesicht und als Lucius noch sagte, sie werden schon noch herausfinden WIE, war das Thema abgehakt.
Es gab also in nächster Zeit einiges an Lektüre, welche zu studieren war. Wir mussten uns mit den ägyptischen Göttern also auch noch eingehender beschäftigen.
July hatte bemerkt, dass die Kette von Freya anders aussah und sie fragte nach, ob die Göttin nicht mehr da sei. Außerdem fiel ihr das Armband auf. Das war das Zeichen der Göttin Hathor, erklärte Faith und Freya sei nicht wirklich weg, sie würden sie sicherlich wiedersehen. Bevor die Kleine aber noch weiter fragen konnte, unterbrach Faith sie mit einem liebevollen „Später“.
Im Anschluss an das Essen gab es für die Eheleute Cormac noch eine Rundführung durchs Haus. Gestern war man nicht mehr dazu gekommen.
Es war wirklich erstaunlich, was auch hier in kurzer Zeit alles erledigt worden war. Es gab eine von Shays Tante Ruth geleitete Schule, Aminata betätigte sich als Hebamme hier auf der Plantage und die unterirdischen Gewölbe für die Artefakte waren fast fertiggestellt.
Der Wintergarten beherbergte wunderschöne Pflanzen, welche fast alle Cadans Werk waren. Dieser Junge hat den grünen Daumen, keine Frage. Aber wir sprechen hier von vielen Einflüssen, welche kaum sonst jemand kannte!
Ich nahm in einem Nebensatz nur wahr, dass man auch ein römisches Bad fertiggestellt hatte und sah, wie meine Frau Faith einen wissenden Blick zuwarf.
Mi sol, ich warne dich! Die beiden Frauen dachten doch wohl nicht über eine etwas andere Einweihung nach, oder? In mir geisterten wieder wilde Bilde umher.
Wir wollen ja nur einmal einen Blick hinein werfen, mi amor. Ihr Kuss war nicht ganz so bestätigend, wie sie gehofft hatte.
Tief durchatmend musste ich mich dem hingeben und mich mit Lucius und Shay begnügen.
Aber auch der Ire, vor allem sogar Imhotep was seltsam war, konnten sich kaum beherrschen.
„Es ist doch immer das gleiche. Kaum sind sie wieder zusammen…“ Shay sprach nicht weiter, sondern schüttelte stattdessen resigniert den Kopf.
„Vielleicht sollte ich gleich einmal nach den beiden Damen schauen, Master Kenway!“ bot sich der fremde Mann an.
„Eine hervorragende Idee, aber wartet noch einen Moment.“ erwiderte der Ire.
Es sollte nicht so auffällig sein und die beiden Frauen sollten nicht den Eindruck bekommen, dass wir in so einem Maße Eifersucht zeigten. DAS verbot mein Stolz! Lieber würde ich Alex später noch … aber das entscheide ich dann, wenn es soweit ist.
Wir kamen noch einmal auf die Reise zu sprechen und Shay erzählte ein wenig aus seiner Sicht die Geschehnisse. Es war mehr verwirrend, als aufklärend, muss ich gestehen.
Irgendwann verschwand Imhotep um unsere Frauen zu holen.
„Haytham, glaubt ihr wirklich, dass beide schon wieder soweit sind?“ diese Frage hatte ich mir auch gestellt und war zu der Ansicht gekommen, dass es vielleicht wirklich noch Zeit brauchte, bis sie wieder so eine innige Vereinigung haben werden. „Nur … ob es jetzt so schlau war …“ er sprach nicht weiter, ich konnte erahnen was er dachte.
Sollte meine Frau sich auf dieses, wenn auch kleine, Dreiecksvergnügen einlassen, würde ich nicht lange fackeln … DAS war ihr hoffentlich klar!
Kurz darauf schon kamen sie alle drei zurück, zu kurz für irgendwelche Sperenzchen!
Mi amor, dieser Moment mit den beiden gerade war mir mehr als unangenehm. Lass sie sich miteinander vergnügen. Aber Faith alleine ist mir allemal lieber. Alex brachte mir die Ruhe, welche ich brauchte. Auch sie hatte erkannt, dass es eine gewisse Grenze gab, welche wir beide nie durchbrechen würden!
Die Kinder tobten mittlerweile um uns herum und fragten, ob sie in dem kleinen Teich hier im Wintergarten baden dürften.
Kurzerhand entledigte man den Nachwuchs aller Kleider und sie durften sich abkühlen. Sybill bekam noch die Anweisung auf Edward zu achten, da er noch nicht schwimmen konnte.
„Haytham, ich sollte ihm beizeiten genau das beibringen. Es kann sein oder auch anderes Leben retten.“ und schon sah ich in ihrem Kopf die Pläne für unseren Sohn. Wenn sie mir noch einmal vorwirft, dass ich zu viel im Voraus plane, dann werde ich meine Gattin als Referenz angeben!
Vermutlich nahmen wir uns beide nicht viel in dieser Beziehung, aber das sei mal dahingestellt!
Diese Nacht in fremden Betten verlief in völliger Stille zwischen uns. Es war mir ein Bedürfnis Alex meine Liebe auf meine ganz eigene Art zu zeigen, was sie mir mit einem tiefen Seufzen und einer Götterpreisung später dankte.
Das hatte mir gefehlt, muss ich gestehen.
Nach dem Frühstück am nächsten Tag brachen wir auf, weil auch wir noch Arbeit zu erledigen hatten.
Auf dem Heimweg machte ich schon Pläne für die weitere Suche nach der Schatulle und ein paar anderen Artefakten auf unserer Liste. Mit Alex hatte ich das ebenfalls schon besprochen und wir waren uns einig, das ganze etwas behutsam angehen zu lassen. Die Vorläufer waren nicht zu unterschätzen, wie wir mittlerweile wussten.
Daheim war es eine Wohltat wieder die Eingangshalle zu betreten und zum ersten Mal brach sich Tyr Bahn in diesem Moment.
„Sowas ist ein Anblick für die Götter! Kein Wunder dass ich an deiner Seite sein darf!“ dieser selige Unterton in der Stimme ließ mich mit Stolz zurück. Meine Entscheidungen waren also wirklich nicht unbemerkt geblieben. Auch Alex hatte das schon angemerkt.
Für einen Moment stand ich hier und besah mein, oder besser unser, Eigentum.
Das Schicksal hatte mir gesagt, nein Alex!, mich hier nieder zulassen.
Plötzlich kam mir der Gedanke ob meine Frau nicht doch eine engere Bindung mit den Schicksalsgöttinnen hatte, als ich bisher angenommen hatte. Oder war es einfach ihr historisches Wissen über mich und diese Epoche? Mein Gehirn schien sich zu verknoten, weil ich nicht schlau aus meinen eigenen Gedanken wurde!
Die Nornen!
Sie webten unsere Zukunft, sie kannten unsere Vergangenheit und die Gegenwart.
„Haytham, ist alles in Ordnung? Du bist ganz blass!“ hörte ich ihre Stimme leise an meiner Seite. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich auf dem Sofa beim Eingang saß mit dem Kopf in meinen Händen.
„Es geht, es geht… Das alles war wohl doch etwas viel für die letzten Tage, mi sol.“ sprach ich leise und nahm sie in meinen Arm. Nein, ich wollte sie nicht verunsichern, geschweige denn ihr Angst machen.
Ich erhob mich und schüttelte diese Eindrücke ab, so wie ich es immer gelernt hatte.
„Ich brauche jetzt ein gutes Mittagessen, mi sol. Komm.“ während ich meine Frau hochzog kam auch Sybill mit einem frisch gewickelten Edward von oben.
Natürlich bekam Walka genügend Essen von unserem Sohn zugeworfen, aller Mahnungen zum Trotz!
Als dann unser Sohn nach seinem Mittagsschlaf wieder bei uns war, erzählten wir ihm von seinem Pferd und das war eine gute Entscheidung.
Seine Augen leuchteten und sein Freudenschrei konnte man vermutlich bis zu unseren Nachbarn hören. So schnell ihn seine kurze Beine trugen rannte er hinaus zur Koppel mit seiner Hündin im Schlepptau.
Mr Mackenzie nahm Edward in Empfang, hob ihn hoch und setzte ihn auf die obere Latte des Zaunes.
„Habt ihr denn schon einen Namen im Kopf, Master Edward?“ fragte Mackenzie unseren Sohn.
Grübelnd sah er von mir zu Alex, schüttelte aber dann den Kopf.
Über einen Namen hatten wir tatsächlich noch nicht nachgedacht und ich ging jetzt in meinem Kopf ein paar wichtige Persönlichkeiten, Götter oder ähnliches durch. Plötzlich schoss mir DARIUS in mein Gedächtnis! Ein persischer Herrscher welchen ich noch als Dareios den Großen in Erinnerung hatte. Manchmal konnte ich dankbar für die sehr ausführliche Bildung von Reginald sein.
Einige Male wiederholte Edward diesen Namen bis er ihm ohne Fehler über die Lippen kam und rief dann begeistert „Darius ist mein Ferd!“. Mir huschte ein Lächeln übers Gesicht bei diesem kleinen Sprachfehler.
Da Edward nun beschäftigt war und sich sicherlich auch nicht von hier wegbringen lassen würde, ging ich in mein Arbeitszimmer. Es gab noch Briefe, welche ich beantworten musste und unter anderem war vor ein paar Tagen eine Anfrage eines Gerbers hier eingetroffen. Der Herr hatte bereits einige Jahre Erfahrungen gesammelt und suchte nach einer Tätigkeit die von Dauer sein konnte. Bisher hatte er hier und da für einige Monate gearbeitet, aber nie länger als ein Jahr.
Das kam mir sehr gelegen, weil er auch gleichzeitig die Schlachtungen mit übernehmen konnte, sodass auch die Bauern etwas entlastet wurden.
Er hatte um einen Termin am heutigen Abend gebeten, da er gerade bei Freunden hier auf der Plantage zu Besuch sei und erfahren hatte, dass wir hier und da noch Bedarf an einigen Handwerkern hätten.
Nach dem Abendessen erwartete ich den Herren.
Die andere Korrespondenz war zum Großteil politischer Natur.
Schreiben vom Gouverneur in Richmond oder aber Charles Lee bat erneut um Beistand für irgendeinen Auftrag. Bis jetzt hatte ich ihn immer fern von meiner Familie gehalten und wollte es auch dabei belassen. Treffen mit ihm fanden daher in der Taverne hier statt oder wenn es meine Zeit erlaubte in Wellington oder Charles Town.
Ein Brief aus England von Master Mormon befasste sich mit einigen neu geplanten Steuern und welchen die abgeschafft werden sollten. Langsam stieg man nicht mehr durch die ganzen Auflagen und mein Kopf begann schier zu rauchen bei den vielen Änderungen.
„Master Kenway, das Abendessen ist fertig.“ riss mich die Stimme von Miss Tabea aus meinen Gedanken.
„Danke, Tabea.“ war es wirklich schon wieder so spät? Ich hatte gar nichts von Edward oder meiner Frau gehört.
Ich sollte nachschauen wo beide abgeblieben waren.
Edward war, wie war es anders zu erwarten, noch bei Mr Mackenzie mit Sybill und spielte mit den Hunden und natürlich Darius. Ich bat sie hinein zum Essen und ging dann hinauf ins Studierzimmer meiner Gattin, dort würde ich sie am ehesten antreffen.
So war es dann auch. Wie so oft registrierte Alex gar nicht meine Anwesenheit, also trat ich direkt vor ihren Schreibtisch.
„Mi sol, wir warten schon mit dem Abendessen auf dich. Du weißt doch, dass ich gleich noch einen Besucher bekomme.“ ich trat hinter sie und sah ihr über die Schulter. „Du meine Güte, diese Liste wird ja immer länger!“ ich stützte mich links und rechts auf die Arbeitsplatte und sah auf das Papier vor ihr. Eine Liste mit allen uns bisher erschienen Götter oder denen wir vermutlich noch begegnen werden.
Als meine Lippen ihre Halsbeuge berührten spürte ich die Gänsehaut dort und ihr leises Seufzen trieb mir wohligen Schauer über den Körper.
„Vielleicht sollten wir nur kurz hier oben bleiben und…“ leider musste ich meine Gattin enttäuschen in diesem Moment, weil wir noch einen Besucher erwarteten.
„Würde ich zu gerne, aber wir haben leider keine Zeit.“ dabei zog ich sie mit einem resigniertem Seufzen hoch und gemeinsam gingen wir hinunter.
Das Essen am heutigen Abend verlief wie erwartet mit einem sehr gesprächigen Edward. Er hatte von unserem Stallmeister bereits Anweisungen bekommen, was er Darius füttern durfte und was nicht.
„Ich darf noch nicht Äpfel füttern, dann bekommt Darius Bauchweh…“ kam es in einem leichten Kauderwelsch und vollem Mund von ihm.
Edward erklärte uns dann auch noch, wie wir mit seinem Pferd umzugehen hätten. Nur streicheln, nicht reiten! In seiner Stimme lag eine mir wohl bekannte Bestimmtheit. Alex grinste breit, weil sie genau wusste, dass auch ich so sprechen konnte.
Als dann die kleine Plaudertasche satt war, bekam ich noch einen Gute Nacht Kuss und die Damen brachten ihn zu Bett.
Ich hingegen ließ mir noch ein Glas Whiskey bringen und wartete auf den Gerber, Mr Oliver Reevs.
Es dauerte nicht lange bis er angekündigt wurde.
„Master Kenway, es ist mir eine Ehre euch nun persönlich kennenzulernen. Mir wurde schon soviel Gutes über euch berichtet.“ begrüßte er mich mit einer tiefen Verbeugung.
„Bitte, Mr Reevs, setzt euch. Ich bin schon gespannt, was ihr zu berichten habt.“ mit einer Handbewegung bot ich ihm einen Stuhl an.
Er schilderte seinen Lebenslauf in kurzen Zügen. Woher er kam, wie er nach Amerika kam und wie sein beruflicher Werdegang aussah.
Die Familie kam ursprünglich aus England. Seine Kinder waren auch alle dort noch geboren wurden.
Sein Vater war Schlachter gewesen, musste aber diesen Beruf aufgeben aufgrund von körperlicher Schwäche. Eine merkwürdige Krankheit hatte ihn in wenigen Monaten dahingerafft.
„Wir wissen bis heute nicht, was es war, Sir. Es ist … immer noch unheimlich für mich nicht zu wissen, woran er wirklich verstarb.“ sein Blick ging in die Ferne, so als suche er am Horizont nach einer Antwort.
Nachdem wir uns etwas kennen gelernt hatten, begannen wir mit den Grundstücksverhandlungen, wie die Einnahmen und Abgaben aussehen sollte und so weiter.
Die Größe steckte ich auf einer Karte unserer Plantage fest. In der Nähe des Flusses sollte es liegen hinter einem der kleinen Wälder. Dort war es nicht ganz so hügelig und man konnte noch ein Feld für Rinder und Kühe mit einplanen.
Die Werkstatt an sich brauchte natürlich auch entsprechend Platz und ein Wohnhaus sollte in unmittelbarer Nähe gebaut werden.
„Wir benötigen keinen Palast, Sir.“ versicherte er mir immer wieder.
Gerade als wir begannen über mögliche Erweiterungen der Gerberei und Schlachterei zu sprechen, stieß meine Frau zu uns.
Ich stellte die beiden einander vor und Mr Reevs und ich waren uns einig, die anderen Belange in den nächsten Tagen zu besprechen.
Nachdem er sich verabschiedet hatte, saß ich mit Alex noch eine Weile hier draußen. Es war herrliches Wetter und mir war einfach nicht danach, hinein zu gehen.
„Es gefällt mir, dass wir immer mehr Zuwachs bekommen.“ flüsterte ich mit Blick auf die im Dunkeln liegende Weideneiche.
„Ja, mir auch. Dieses Gefühl, dass ich immer mehr hier angekommen bin, macht sich ebenso breit in mir.“ auch Alex sprach leise, so als wolle sie niemanden wecken.
„Ich habe dich nie danach gefragt, mi sol. Verzeih mir.“ plötzlich keimte ein schlechtes Gewissen in mir auf.
„Keine Sorge, wenn ich mich unwohl hier gefühlt hätte, hätte ich dich das auch wissen lassen. Es gibt halt nur diese kleinen Momente, wo ich an Yannick denke oder so Annehmlichkeiten wie die Dusche zum Beispiel vermisse.“ sie versuchte mich damit zu beruhigen und es funktionierte.
„Ich bewundere immer noch deine Entschlossenheit, dich von deinem alten Leben ganz zu trennen und hierher zu kommen. Und wenn du Sehnsucht nach Yannick hast, dann werden wir immer einen Weg finden, damit du mit ihm sprechen kannst, mi sol.“ meine Hand drückte ihre. In diesem Moment fühlte ich eine tiefe Zuneigung für Alex, wie damals in unserer ersten gemeinsamen Nacht.
„Ich liebe dich, Haytham!“ flüsterte sie und küsste mich vorsichtig.
Langsam stand ich auf, zog meine Frau mit hoch und wir gingen hinauf.
Diese Nacht gehörte ihr! Ich zeigte ihr meine Bewunderung für ihren Mut, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Auch dafür liebte ich diese Frau über alles!
Die Temperaturen stiegen in den kommenden Wochen weiter und wir mussten uns ernsthaft mit einer Bewässerungsanlage befassen.
Gemeinsam hatten Alex und ich bereits darüber gesprochen und einiges nachgelesen. Die alten Ägypter beherrschten die Agrarwirtschaft schon damals fast perfekt, ebenso wie man Wasser am effektivsten zu den Feldern befördern konnte.
Mit einem Schmied und Zimmerer plante man die kleinen Zuläufe, Wasserräder und ähnliches.
Ich ließ dabei meiner Frau freie Hand, weil auch sie den mittlerweile bereitgestellten „Bewässerungs-Trupp“ entlasten wollte. Unsere Felder waren recht groß und bedurften einer großen Menge Wasser.
Ich beobachtete unterdessen Edwards Entwicklung mit, im wahrsten Sinne des Wortes, Adleraugen. Seine Sprache wurde klarer, sein Wortschatz entwickelte sich immer weiter und von seinem Talent, seiner Hündin kleine Kunststücke beizubringen muss ich sicher nicht mehr berichten.
Unser Sohn entpuppte sich als agiler Kletterer, wie mir auch Mr Mackenzie kundtat.
„Master Edward kann bereits die Zäune erklimmen und landet unversehrt auf der anderen Seite, Sir.“ man hörte eine leichte Bewunderung in diesen Worten.
Doch die Zäune waren nicht sein einziges auserkorenes Übungsobjekt! Auch die Bäume waren nicht vor ihm sicher. Leider erklomm er sie nicht immer heile und fiel einige Male hinunter.
Jedoch ohne größere Blessuren, wie er uns mit „Wieder heile“ dann stolz kundtat.
Meine Frau hatte in den heißen Monaten begonnen ihm das Schwimmen beizubringen, was Edward besonders gut bekam. Er konnte sich abkühlen im Fluss, seinen Bewegungsdrang ausleben und lernte nebenher auch noch. Einige Male war er nach solch einem Badetag völlig erschöpft schon bei Tisch abends eingenickt, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
Es war auch an der Zeit die Hunde aufzuteilen und ihren „Dienst“ antreten zu lassen. Es war für mich eine gewisse Beruhigung, als ich sah, dass sie gut untergebracht waren bei den Pächtern.
Im Herbst gab es dann auch noch eine Hochzeit zu feiern!
Master Lucius Williams und Maggie wollten sich das Ja-Wort geben. Die Feierlichkeiten fanden auf der von ihm erworbenen Plantage statt und unser Sohn sollte als Blumenkind fungieren. Ich hoffte inständig, dass er sich anständig benahm!
Alex und ich saßen in der ersten Reihe und warteten auf den Einzug der Braut.
„Maggie hat Faiths Hochzeitskleid bekommen. Ich bin so gespannt wie sie darin aussieht.“ flüsterte sie aufgeregt neben mir, während sie sich nach hinten umdrehte.
Ich erinnerte mich dunkel an die Kleidung bei der Hochzeit meiner kleinen Schwester muss ich gestehen. Auf solche Kleinigkeiten achtete man nicht unbedingt.
Dann war es soweit und July kam mit Edward in den Mittelgang. Hinter den beiden schritt Maggie langsam auf ihren zukünftigen Mann zu. Cillian und Cadan bildeten das Schlusslicht und hielten die Schleppe ihres Kleides.
Edward schlug sich tapfer, hob keine Blüten auf, blieb auch nicht einfach stehen, sondern marschierte brav neben seiner Cousine her. Als es dann aber für beide hieß, sie könnten sich setzen, rannte er auf mich zu!
„Hab ich das richtig gemacht?“ fragte er aufgeregt. Ich strich ihm lobend durch die ordentlich gekämmten Haare. Zufrieden ließ er sich zwischen uns nieder.
Die anschließende Feier war wie viele andere auch. Es wurde gegessen, getrunken, gesungen, getanzt und vor allem getratscht. Neuigkeiten gab es leider keine, welche mich wirklich interessiert hätten. Mit Lucius hatte ich noch ein kurzes Wort und gratulierte ihm noch einmal zu diesem mutigen Schritt.
„Haytham, ihr wisst selber, dass man seine Liebe nicht verleugnen sollte. Was zusammen gehört, soll man nicht trennen.“ wo er Recht hatte!
Irgendwann suchte ich meine eigene Gattin und suchte mit ihr ein ruhiges Plätzchen, weg von dem Lärm und den wirren Stimmen.
Wir fanden eine Gartenlaube. Gerade als wir Platz nehmen wollten, bemerkten wir Bewegungen in der Nähe. Jedoch waren keine bedrohlichen Auren wahrzunehmen, was uns beide aufatmen ließ.
Im inneren unseres Rückzugortes verloren wir keine Zeit. Alex war wie so oft sehr ungestüm und zeigte mir ihre Hingabe mit voller Inbrunst. Ihre Götterpreisung als ich ihr ihren Höhepunkt gewährte war von der Lautstärke her vermutlich auch einige Meter weiter zu vernehmen.
„Ich kann es immer noch und das obwohl wir uns hier nur zwischen Tür und Angel vergnügt haben, mi sol.“ grinste ich über beide Ohren, als ich sie von unserem improvisierten Bett aus Decken zog.
„Danke, mi amor!“ hauchte sie leise und küsste mich liebevoll.
Die Nacht verbrachten wir auf der Williams-Plantage und reisten am nächsten Morgen nach dem Frühstück wieder ab.
Anfang des Monats erhielt ich ein Schreiben von Shay und Lucius, in welchem man mich bat einen Konvoi nach Richmond zu begleiten. Auf den Straßen und Wegen war man nicht mehr sicher, es wimmelte hinter jedem Busch nur so von Banditen!
Es sollte natürlich auch anderen Dingen in Richmond nachgegangen werden, so dass ich meine eigenen Belange ebenfalls noch weiterverfolgen konnte.
Trotzdem ärgerte es mich maßlos, dass man nur noch mit Begleitschutz reisen konnte. Wie gut, dass wir alle entsprechend trainiert waren und uns so einiges daneben noch zur Verfügung stand, von dem die normal sterblichen Diebe nur träumen konnten!
„Hört das eigentlich nie auf?“ ich hörte mich an wie ein kleiner bockiger Junge, während ich mein Rasierzeug achtlos in die Tasche warf.
„Nein, leider nicht. Es wird immer Menschen geben, die sich ungerechterweise an dem Eigentum anderer bereichern wollen.“ seufzte Alex und nahm mir meine Utensilien aus der Hand bevor ich sie noch zerstören konnte.
Bei der Verabschiedung gab es einen Wasserfall aus Tränen von unserem Sohn.
„Papa, hierbleiben. Ich war auch brav…“ sein Schluchzen war vermutlich bis zu den Nachbarn zu hören.
„Edward, ich bin ja nicht lange weg. Wenn ich wieder bei euch bin, dann zeige ich dir wieder, wie man klettert. Versprochen!“ ich versuchte ihn zu trösten, indem ich über seine Wange strich und einen Kuss auf die Stirn gab.
Doch als ich mich in Richtung Auffahrt umdrehte und los ritt, hörte ich sein Schluchzen anschwellen. Edward wird es bald verstehen können, dass man seinen Verpflichtungen nachkommen muss, ob man will oder nicht.
Unser Tross mit Shay, Lucius, July, Cillian und mir setzte sich später am Tag an der Plantage von Master Williams in Bewegung.
Cadan war daheim geblieben, warum wusste ich nicht. Obwohl es für ihn doch auch eine lehrreiche Reise gewesen, doch ich maß mir da kein Urteil an.
„Onkel Haytham wie lange brauchen wir bis nach Richmond?“ Julys Frage riss mich aus meinen Gedanken.
„Vermutlich sind wir morgen Mittag dort.“ im Kopf rechnete ich die Strecke kurz durch.
Lucius hatte bereits einige Männer voraus geschickt um rechtzeitig Alarm zu schlagen, sollten sich Banditen nähern. Wir ritten ebenso aufmerksam den Weg entlang, immer darauf bedacht ein Auge auf die Umgebung zu haben.
Der Adlerblick war Goldwert in diesem Moment und ich zählte ebenso auf meine neuen Fähigkeiten Tyrs!
* Ein kurzer Auszug (überarbeitet) eines noch nicht veröffentlichten Kapitels von Todesengel222 „Götterdämmerung“ *
„Onkel Haytham tötest du die Banditen mit deinem Schwert?“, fragte mich July mit einem Male. Für einen kurzen Moment musste ich überlegen, ob ich ehrlich antworten sollte oder doch lieber ein wenig kindgerecht. War meine Patentochter schon bereit für solche Erklärungen?
„July das ist doch einfach, Papa und Onkel Haytham stechen sie ab. Diese Leute haben Opa was gestohlen und sollen dafür auch bestraft werden“, hörte ich Cillian. Shay und ich sahen überrascht zu seinem Sohn.
„Woher hast du das?“, wollte Imhotep wissen. „Na von Omimi“, sagte er stolz.
„Ihr bekommt wirklich viel mehr mit als wir denken“, sagte Imhotep.
„Na klar Onkel Imhotep und wir werden euch helfen“, rief July und zog aus ihrem Gürtel ihren Dolch.
Ich griff hastig danach, weil er gefährlich nahe an meinem Gesicht war!
„Nicht so wild junge Dame“ ermahnte ich sie.
„Na gut, aber Onkel Haytham üben wir später ein bisschen?“ wollte sie wissen.
Natürlich könnten wir ein wenig ihre Techniken verfeinern. In ihrem Gesicht sah ich die Vorfreude und fragte mich, ob ich bald auch mit meinem Sohn trainieren würde.
Mittags machten wir Rast auf einer Lichtung und ließen die Tiere trinken und ein wenig ruhen. Die Kinder verschlangen die gepackten Rationen von Faith als gäbe es morgen nichts mehr zu essen.
Gerade als der Ire wieder in unsere Richtung kam, sah ich seinen alarmierten Gesichtsausdruck. Ich sollte Recht behalten.
„Banditen, sie kommen hier her!“ rief er und auf Lucius Frage, wo sie seien antwortete er „Eine halbe Stunde entfernt, gerade macht die Straße eine Biegung und ich kann sie nicht mehr sehen!“ die Frustration war deutlich zu hören.
Ich selber versuchte meine Sinne zu nutzen und nahm schwache Geräusche von Hufgetrappel und leisen Stimmen war. Die Richtung vermochte ich jedoch nicht exakt zu bestimmen.
Die Kinder wurden auf einen der Wagen verfrachtet mit der Auflage sich nicht zu rühren und Imhotep bot sich als Wache an.
„Ich passe auf sie auf!“ dabei stellte er sich in Position. Ich betete, dass nichts passieren würde.
Lucius behielt die Ruhe und mir wurde bewusst, dass er diesen Kriegsgott verinnerlicht hatte. Mir kam Tyrs Besonnenheit und Konzentration jetzt zugute und ließ mich klar denken und vor allem sehen.
Shay merkte an, dass er den nordischen Gott des Krieges in mir gerne kennenlernen würde. Wer weiß, vielleicht hätten wir genau jetzt die Gelegenheit dazu!
Langsam vernahmen auch die ungeschulten Ohren der anderen Männer die Stimmen und die sich nähernden Pferde der Banditen.
Es dauerte nicht lange und die ersten Männer kamen in Sichtweite!
Der Ire zögerte nicht und machte sich seinen Gott zu nutze, der Bogen war gezückt und streckte den ersten Widersacher nieder!
Es dauerte nicht lange bis die anderen Übeltäter den Angriff wagten.
Sie alle hatten nicht mit unserem Widerstand gerechnet und vor allem nicht mit Männern, welche sich gekonnt wussten zur Wehr zu setzen.
Ich selber agierte wie in Trance und machte mir alle meine Sinne und Fähigkeiten zu nutze, ohne noch über meine Mitstreiter nachzudenken.
Wer mir zu nahe kam, wurde niedergestochen, geschossen oder einfach von seinem Ross gezerrt. Einem Herren verpasste ich eine durchtrennte Kehle, weil er sich ungünstig in meine versteckte Klinge drehte!
Alles in allem war dieser Kampf mit der Unterstützung natürlich ein Leichtes und schnell beendet.
Plötzlich hörten wir einen schrillen Schrei und Shay eilte zum Wagen, wo sich die Kinder befanden.
In meiner Brust stach es und ich ahnte Fürchterliches! Diese Banditen hatten nicht ernsthaft unschuldige Kinder auf dem Gewissen?
Ich brauchte Gewissheit und eilte dem Iren hinterher.
„Papa ich…..der hat uns angegriffen“ Julys Worte kamen stockend und schluchzend!
„Shhhh alles wird gut mein kleiner Engel, ich bin hier und es wird dir nichts mehr passieren. Die bösen Männer sind besiegt“ Shay versuchte sie zu beruhigen und sah zu Lucius, welcher Cillian auf dem Arm hatte und diesen versuchte zu trösten.
„So was hätte nicht passieren dürfen“ meine Stimme war kratzig, weil ich mich selber sah, wie ich meine Mutter damals versuchte zu beschützen. Meine Patentochter würde mit einer ähnlichen Bürde leben müssen ab jetzt und es brach mir fast das Herz.
Imhotep sah in die Runde und ich ahnte, was er vorhatte. Die Erinnerungen der beiden verändern! Hatten Alex und ich nicht auch schon solche Illusionen erschaffen für die unschuldigen Menschen um uns herum? Bevor ich jedoch noch weiter darüber nachdenken konnte übernahm Cillian das Reden.
„Das war kein Traum mit Mama. Sie war plötzlich rot und dann hat sie gegen Papa gekämpft“, sagte Cillian ernst. Der Kampf mit Ares!
„Papa bitte lass uns diese Erinnerung, ich weiß ich habe Angst, aber ich muss damit leben, ob ich es weiß oder nicht“, flüsterte July.
Im Grunde einigten sie sich darauf, dass man Faith informierte über das Wissen der Kinder. Sie nahmen eben doch mehr wahr, als uns allen lieb war.
Wir mussten die Leichen beiseite schaffen und uns wieder auf den Weg machen!
Als alles erledigt war stand die Sonne bereits hoch am Himmel und wir ritten weiter Richtung Richmond, bis es dunkel wurde. Wir machten noch einmal Rast und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Diese Banditen und Wegelagerer waren eine Plage geworden. Zumal man auch nicht wusste, ob es sich um Deserteure handelte oder einfache Gesetzeslose.
Was mir persönlich gerade keine Ruhe ließ war die Tatsache, dass July einen Mann ermordet hatte. Ihre so junge Psyche würde leiden und ich war, dass muss ich unumwunden klar stellen, auch der Meinung, dass sie sich diesem Schreckgespenst stellen musste. Ich selber hatte damals keinen Beistand, jemanden, der mich an die Hand nahm um mir alles zu erklären.
Der Blick meiner Mutter, als sie mich verabschiedete in ihrem Zimmer. Diese kalte Stimme und der Ausdruck in ihrem Gesicht, als sei ich ein Fremder in ihrem Haus, erschreckt mich bis heute.
Shay hatte eher einen besorgten Ausdruck im Gesicht, aber wie würde Faith auf diese Nachricht reagieren?
In dieser Nacht machte ich kaum ein Auge zu, weil mein Geist einfach nicht zur Ruhe kommen wollte!
Am frühen Mittag trafen wir in Richmond ein und die vielen Menschen auf den Straßen ließen July und Cillian staunen. Eine gute Ablenkung von dem Geschehen am gestrigen Tage!
„So viele Menschen, aber nicht sol viele wie in London!“ rief July begeistert. Nunja, wenn man die richtigen Stadtteile dort aufsuchte, konnte man durchaus auf mehr als hier stoßen! Aber ich schweife ab.
Mit Lucius machte ich mich auf um einige geschäftliche Belange zu klären.
Im Grunde waren es wie so oft einfache Mahnungen auszusprechen, um die Pünktlichkeit noch einmal zu untermalen oder aber daran zu erinnern, dass wir in der Lage seien, andere Seiten aufzuziehen.
Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch noch für meine Frau Ausschau nach ihren im Umlauf befindlichen Waren und Händlern halten.
Leider sah ich, dass auch hier bereits die britische Krone ihre geldgierige Hand über dem Handel hatte!
Zu allem Übel führte Lucius mich irgendwann in Richtung des Sklavenmarktes.
Nicht gerade das, was ich mir hier erhoffte zu sehen! Vermutlich für niemanden ein Wunsch!
Natürlich verstanden die Kinder nicht, warum diese Menschen in Käfigen „ausgestellt“ wurden und andere sie kauften.
Ich hätte gerne meine Ansicht dieses Sklavenhandels den Kindern kundgetan, hoffte aber auf einen besseren Zeitpunkt. Auch wenn Shay es ihnen versuchte zu erklären. Das würde bei weitem noch nicht reichen.
Master Williams hatte also ein paar der verkäuflichen Sklaven erworben.
„Papa warum hat Opa diese Leute gekauft?“ fragte Cillian leise nach.
„Um sie zu befreien Cillian, aber das können wir erst machen, wenn wir zu Hause sind, sonst würde es Ärger geben.“ beantwortete Shay die Frage seines Sohnes.
„Ach so wie bei den anderen, das finde ich toll“, meinte der Kleine und dann setzte Shay ihn vor sich auf den Sattel.
July hatte sich zu mir aufs Pferd gesetzt, änderte aber plötzlich ihre Meinung und sprang wieder hinunter, griff sich die übrigen Brote und ging damit zu den Sklaven.
Eine rührenden Geste, welche ein Beispiel für all die Tyrannen sein sollte! Im kleinen Rahmen gutes tun, damit auch andere diesem Beispiel folgen. Die Bibel lehrt uns diesen Grundsatz bereits!
Meine Patentochter erschien mit einem Male erschöpft und kam auf mich und meine Stute zu.
„Onkel mir ist kalt“ sprach sie leise.
„Na dann, ich hab noch Platz unter meinem Umhang“ ich hob sie vorsichtig hoch und schlang den warmen Stoff um uns!
Wir waren schon ein paar Stunden unterwegs, als ich plötzlich Shays hochgezogene Augenbraue sah, ebenso sah ich die Bilder in seinen Gedanken. MEINE Frau war keineswegs alleine! Sie war mit Edward zu Faith geritten und verbrachte die Nacht in trauter Zweisamkeit mit meiner kleinen Schwester!
„Wir hätten es wissen müssen“ kam es wie aus einem Mund vom Iren und mir! Wir würden den beiden Damen schon noch entsprechend eine Lektion erteilen!
In den frühen Morgenstunden trafen wir an der Williams-Plantage ein, wo die Bewohner – fast – alle noch schliefen. July und Cillian waren sofort hellwach als wir uns dem Anwesen näherten. Die beiden eilten hinein um ihren Bruder zu suchen und – ich vermute auch Maggie – um Bericht zu erstatten.
Während Lucius sich auf zu seiner Frau machte, auch er wollte sich sicherlich diese Reise von der Seele reden.
Shay und ich machten uns auf in das eheliche Schlafgemach um unseren Frauen von unserer Ankunft zu berichten!
Auch sie schliefen noch tief und fest. Nicht verwunderlich nach so einer Verausgabung in der Nacht vorher! Meine Wut hatte aber gerade keinen Platz hier, es gab brisantere Dinge die wir den beiden schleunigst erzählen sollten.
Shay weckte Faith leise mit einem „Aufwachen, mo aingeal“, was sie grummelnd die Augen aufschlagen ließ. Man hatte selbstverständlich noch nicht mit uns gerechnet. Welch Überraschung zu früher Morgenstunde, dachte ich mir und sah, wie auch meine eigene Frau langsam aufwachte.
Alex bedachte mich mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue, als ihr Blick auf meinen mahnenden Ausdruck im Gesicht traf.
Ich brauchte jedoch nicht die Geschehnisse vortragen, der Ire war bereits dabei Faith von July zu berichten.
„Ihnen fehlt nichts, doch diese Banditen haben uns angegriffen. Dabei ist etwas passiert… July und Cillian wollten Imhotep helfen und einer der Kerle griff sie an…. Faith ich war zu spät. July hat sich gewehrt und den Mann mit ihrem Dolch erstochen“ beendete er etwas stockend seine Erzählung.
Faiths logische Frage nach einer Gedächtnis-Manipulation kam prompt.
„...nein beide wollten es nicht Faith, weil Cadan wohl diese Manipulationen mit seiner Gabe aufheben kann.“ erklärte ihr Shay leise.
Alex sah mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Ich ahnte, dass sie genau an die Tragödie in unserer Villa am Queen Anne´s Square dachte. Meine Frau wusste, dass ich bis heute diese Bilder im Kopf hatte, auch ich würde sie nicht einfach so auslöschen wollen. Sie waren ein Teil von mir und meinem Leben, meiner Persönlichkeit, auch wenn sie mich bis in meinen Tod verfolgen werden!
In den nächsten Tagen werde ich mit July reden oder wenn sie sich etwas erholt hatte, vielleicht sogar heute schon. Es war mir ein Bedürfnis. Während unseres Heimritts fehlte mir die Courage sie auf ihre eigenen Gefühle anzusprechen.
Mit einem Male hörte ich nur, wie Faith rief „Ich bring ihn um!“ und sich ihren Morgenmantel überwarf. Shay versuchte noch, sie zu beruhigen, aber es half nicht. „Nein Mars hat meine Kinder in Gefahr gebracht!“ schrie sie weiter und schob ihren Mann von sich.
Warum sollte Lucius … Aber ich hatte nichts dergleichen spüren können! Auch gab es keinerlei Anzeichen für solch eine Aktion des Kriegsgottes bei ihm. Etwas verwirrt stand ich da und sah, wie der Holzboden plötzlich unter meiner kleinen Schwester nachgab und ganz brach. Sie hechtete förmlich in das entstandene Loch und landete in den Gemächern ihres Vaters unter uns!
Verzeiht, doch es war faszinierend zu beobachten, sodass ich leider nichts von meiner Frau, einem schreienden Edward und dergleichen registrierte!
Alles ging wie in Zeitlupe hatte ich den Eindruck!
Die lauten Stimmen von unten verlagerten sich langsam nach draußen und wir sahen einen hellen Lichtschein in das Schlafzimmer von Maggie und ihrem Gatten fallen.
Faith hatte nicht ernsthaft auch noch eine der Außenwände gesprengt in ihrer Wut? Mir fiel plötzlich die Göttin an ihrer Seite ein. SACHMET! Wenn ich es noch recht in Erinnerung hatte, dann war sie kampfeslustig, aufbrausend und nicht wirklich zu kontrollieren. Wir waren ja erst vor kurzem im kleinen Rahmen in diesen Genuss gekommen.
Wir gingen alle hinunter und in den Garten, wo die beiden Kontrahenten sich – wie es aussah – bis aufs Blut bekämpften.
Im Grunde würde das Ganze auf ein Unentschieden hinauslaufen, weil Mars ebenso wie Sachmet sehr genau wusste sich zu verteidigen!
Gebannt stand ich da und besah mir das Spektakel, genau wie mein Sohn auf dem Arm seines Kindermädchens.
Ich registrierte aus dem Augenwinkel wie sich Shay in Richtung Morrigan aufmachte und Alex war dabei ihm hinterher zueilen!
„Mi sol, er wird das erst einmal verarbeiten müssen. So aus der Haut gefahren ist Faith noch nie! Das wird ihn aus der Bahn geworfen haben! Lass ihn…“ versuchte ich sie aufzuhalten!
Vergebens! Wie sollte es auch anders sein?
Kapitel 17
~~~ Ein stärkender Kampf mit Tyr ~~~
Der Kampf endete etwas abrupt und Faith sowie Lucius zogen sich erschöpft zurück.
Ich störte sie nicht, sondern besah mir die kaputte Hauswand und konnte nur mit Kopf schütteln. Da hatte meine kleine Schwester ja ganze Arbeit geleistet und würde auch für den entstandenen Schaden alleine aufkommen müssen, spekulierte ich.
„Wenn es noch verrußt wäre, sähe es aus wie unsere Villa in London.“ flüsterte ich, als Alex wieder neben mir auftauchte. Anscheinend wollte Shay tatsächlich keine Gesellschaft.
„Hier ist es anders, mi amor. Bitte, denk nicht mehr daran. Du hast damals richtig gehandelt und…“ sprach sie leise aber bestimmt während sie Edward auf meinem Arm vorsichtig über den Kopf strich.
Mit einem Male kochte eine unsägliche Wut auf alles in mir hoch, Tyr ließ mich spüren, dass ich dieses Gerede satt hatte. Aber hatte ich es nicht auch selber über und wollte einfach keine ungefragten guten Ratschläge mehr? Und dann platzte es aus mir heraus.
„Ja ja… das hast du mir schon oft gesagt. Aber es hilft mir nicht, das Geschehene zu vergessen, verdammt!“ meine Stimme war laut und zornig.
Unser Sohn begann zu weinen, doch das registrierte ich nur am Rande. Ich konzentrierte mich auf Alex! Sie sollte endlich aufhören mich immer zu belehren zu wollen. Ihre besonnene und logische Sichtweise brachte mir zur Weißglut gerade und ich ließ es sie jetzt spüren!
Sybill nahm mir plötzlich hastig Edward ab und ging mit ihm ein Stück weg. Ihre Augen waren Angsterfüllt! Gut so!
Unvermittelt zog ich mein Schwert und griff meine Frau an! Sie war unbewaffnet, im Morgenrock! Was tat ich hier eigentlich?
Sie wird sich schon zu wehren wissen, Haytham! Und jetzt zeig ihr, wie du mit ihrer nervtötenden Art umgehst um sie in ihre Schranken zu weisen! hörte ich die Stimme Tyrs in meinem Kopf und er übernahm meinen Körper. Ich schwebte förmlich über mir selber und sah dem Treiben ohne etwas unternehmen zu können zu.
„Lass mich endlich diese Bilder vergessen! Du bist doch hier diejenige mit den absonderlichen Fähigkeiten Menschen manipulieren zu können! Dann zeig es mir gefälligst!“ DAS war nicht ich! Aber warum in Gottes Namen provozierte er sie mit diesen Worten! Ich wollte etwas anderes!
„Nein, gar nichts werde ich tun!“ fauchte sie den Gott an oder mich – es ist etwas verwirrend während ich diese Zeilen schreiben -.
Mittlerweile waren wir nicht mehr im Garten der Plantage, sondern auf einem brach liegenden Acker welcher wie durch Zauberei in der Luft schwebte. Es war faszinierend und unheimlich zugleich!
Tyr drosch immer weiter auf meine Frau ein, während sie sich immer weiter mit ihrer Vorfahrin identifizierte und sie übernahm. Die Präsenz meines Vaters wurde ebenso stärker!
Für einen kurzen Moment schien Alex abgelenkt von ihren eigenen Gedanken und ich sah ihre Angst, dass sich hier Hrymr mit eingeschlichen haben könnte. Seine Gegenwart war aber nicht zu spüren, Gott sei Dank!
Diesen Augenblick nutzte Tyr für sich und hieb mit voller Wucht die Breitseite seines Schwertes auf ihre Schulter.
Mit Schmerz verzerrtem Gesicht keimte der wahre Kampfgeist in ihr auf und sie hatte Thyra vollends zum Vorschein gebracht.
Nach und nach ließ man mich wieder in meinen Körper zurückgleiten. Eine Wohltat, weil ich endlich – so hoffte ich – den Kampf mit beeinflussen könnte. Leider war mein Gott noch nicht bereit mich ganz übernehmen zu lassen. Verdammt!
Alex machte sich all ihre Angriffsmöglichkeiten zu nutze und ging ihrerseits in eine wirklich aggressive Offensive über. Tyr hatte es jetzt nicht mehr ganz so leicht sich zur Wehr zu setzen.
Die Axthiebe Thyras trafen die Arme, die Schultern und – zu meinem Verdruss – den Oberkörper. Jedoch waren kaum Schnitte auszumachen oder Schmerzen. Mein Geist suchte nach der Begründung, aber immer wenn ich versuchte mich zu konzentrieren schien es, als würde Tyr wanken.
Keine gute Idee, weil er so ein leichtes Opfer für Alex und Thyra war. Mal abgesehen von einem sehr wütenden Piraten im Inneren dieser kleinen Frau!
Langsam durfte ich dann auch einmal eingreifen und begann sie entsprechend meines Trainings zu attackieren!
Schnell hatten wir beide in einen Kampfmodus gefunden, der eher wie ein Training anmutete, aber dennoch herausfordernd war.
Ihr Waffen- und Schildarm begannen zu zittern, weil ich dort gezielter angriff mit meinem Schwert und den versteckten Klingen.
Ich traf ihre Flanke und zeichnete sie mit einem Schnitt welcher ein blutiges Muster auf ihrer Tunika hinterließ. Meine versteckte Klinge löste eine Schnalle ihres Schildes. Ich versuchte sie so mürbe zu machen.
Plötzlich schubste mich Tyr – im wahrsten Sinne des Wortes – mal wieder aus dem Bild und schrie meine Frau an.
„Ich bin es leid immer das Opferlamm zu sein. All die armen Seelen die ich begleitet habe sind untergegangen wie Atlantis!“ perplex starrte ich auf meine Frau, welche mich ebenso mit großen Augen musterte. Was war das jetzt bitte für eine Wendung? Sprach er von den Menschen, die er vorher im Namen Odins übernommen hatte um sie auszubilden? Ich erinnerte mich dunkel an die Worte von damals in Philadelphia bei einem der ersten Probetrainings. Eine andere Erklärung gab es für diese seltsame Aussage meiner Meinung nach nicht.
„Nein… sind sie nicht.“ flüsterte Alex, als sie sich langsam auf UNS zubewegte. Weiterhin spürte ich den Kriegsgott in mir und zwar sehr stark. Das Schwert war immer noch drohend in ihre Richtung erhoben!
Plötzlich zuckte ihr Waffenarm und ich ahnte, sie plante einen Überraschungsangriff.
Sie kam aber nicht dazu, weil mein Körper sich gefühlt drohte in seine Bestandteile aufzuteilen. Zumindest dachte ich das!
Um mich baute sich ein flimmernder Schleier auf, so als schaue man in die Flammen eines Lagerfeuers. Meine Haut überzog sich mit einem glänzenden Film, der aussah wie Metall und dann langsam von den Poren eingesaugt wurde. Fasziniert starrte ich auf dieses Prozedere, spürte aber gleichzeitig diese unsäglichen Schmerzen, als würden alle Knochen in mir bersten und meine Haut augenblicklich verglühen! Es war grauenhaft, aber auf eine absurde Art auch wieder belebend!
Das in Worte fassen fällt mir immer noch schwer!
„Alex, bitte lass diese Bilder meiner Vergangenheit in meinem Kopf! Wir waren uns einig, dass sie wichtig für unsere Persönlichkeiten sind!“ flehte ich sie still an, weil ich Tyr gerade versuchte zu verdrängen!
„Ich werde auch nichts dergleichen versuchen!“ sprach sie leise.
Bevor meine Frau ihren Plan mich anzugreifen doch umsetzen konnte, standen wir mit einem Male in völliger Dunkelheit hier. Es war nichts mehr zusehen, nicht der kleinste Umriss unserer Umwelt war auszumachen. Wir waren umgeben von NICHTS!
Das Leuchten um mich war verschwunden und plötzlich stand er als greifbare Person vor uns! TYR!
„Wie ich sehe, hat mein kleiner Plan funktioniert. Wir wollten eurer beider Fähigkeiten auf die Probe stellen. Aber es musste ein Moment sein, welchen ihr nicht vorhersehen konntet. Da bot sich dieser Tumult mit Mars geradezu an. Haytham, spürst du jetzt die Veränderung in dir?“ Ich war versucht zu antworten, dass ich wohl kaum diese Schmerzen ignorieren konnte und es sehr wohl gespürt hatte. Aber worauf wollte er genau hinaus? Welche Veränderung meinte er?
Vorsichtig tastete ich meine Arme ab, mein Gesicht, meinen Oberkörper. Es war eine Eingebung.
„Ich habe das Gefühl, als wäre meine Haut fester.“ staunte ich, als sich eine goldene Spur nach meiner Berührung bildete und sah zu meiner Frau. „Ich bin jetzt besser geschützt? Wie ist das möglich?“ Schlussfolgerte ich, erwartete jedoch auch Antworten.
Alex konnte ihr eigene Neugierde nicht verstecken und begann mich zu untersuchen. Ihre Finger strichen über meine Arme und auch hier sah meinen Goldleuchtenden Schimmer. Immer wieder stupste sie mich an, doch meine Haut gab nicht nach, so als wäre sie dicker geworden.
„Dann wollen wir doch mal sehen, wie gut dein neuer Schutz funktioniert.“ Tyrs fieses Lachen kam unerwartet und hieß mich mein Schwert zu zücken! Erneut!
Aber ich war nicht erschöpft von dem vorherigen Kampf. Im Gegenteil, ich fühlte mich gut. In mir stieg Kraft empor, die mich angriffslustig machte.
Die Geschwindigkeit meiner Schläge war selbst für den Kriegsgott überraschend, wie auch für mich und vor allem für meine Frau!
Doch ich kämpfte nicht gegen sie, sondern gegen Tyr persönlich.
Seine Treffer hinterließen nicht einen Kratzer bei mir, egal wie hart er einen Streich auch landete!
Wir gaben uns nichts und umkreisten uns stellenweise wie Adler ihre Beute!
Es war ein berauschendes Gefühl während wir uns angriffen oder auch die Schläge des anderen abwehrten! Ich konnte ein paar Hiebe verfeinern und lernte einige neue Taktiken meines Gottes.
Abrupt endete der Kampf, als Tyr leicht außer Atem abwinkte und uns kundtat, dass wir uns doch besser jetzt wieder den weltlichen Dingen wie unserem Sohn zum Beispiel widmen sollten.
Ich bedankte mich für diese kleine neue Lehrstunde mit einem ehrfürchtigen „Danke“.
„Aber bedenke, dass es immer mal wieder zu Verletzungen kommen kann, die zu tief gehen. Dann werden dir aber deine Frau oder dein Sohn sicherlich bei der Heilung helfen. Und nun, entschuldigt mich. Ich brauche… ein wenig Ruhe.“ mit einem Grinsen verschwand Tyr und entließ uns wieder in die Realität.
Schemenhaft begann sich die Plantage, der Garten, das zerstörte Herrenhaus und der Rasen wieder zu bilden.
Ein lautes „Mamaaaa… Papaaaaaa…“ von Edward riss uns gänzlich zurück auf den Boden der Tatsachen. Doch statt weiter auf uns zu zugehen blieb er unvermittelt vor uns stehen und sah uns mit großen Augen an. „Papa leuchtet!“ flüsterte er staunend und konnte den Blick nicht von mir lösen.
Diese Tatsache registrierte ich erst jetzt. Er hatte recht! Vorsichtig hob ich meinen Sohn hoch und als seine Finger meine Haut berührten umgab uns ein erneuter gelber Schleier. Immer wieder stupste er mich an, genau wie Alex es kurz vorher noch überrascht getan hatte.
Ich erklärte ihm, dass ich ab jetzt noch besser geschützt sei, damit ich auf ihn aufpassen konnte.
Etwas ließ mir aber keine Ruhe! Angeblich sei sogar mein Adlerblick verfeinert worden, doch in welcher Hinsicht genau? Ich beschloss, es einfach selber auszuprobieren und was ich nun sah, verschlug mir fast die Sprache.
Feinste Auren taten sich vor meinen Augen auf, Tierspuren und sogar die Pflanzen und Bäume umgab ein leichtes Leuchten in verschiedensten Lila-Tönen. Vögel hinterließen eine Spur in der Luft, welche ich verfolgen konnte!
Ohne nachzudenken ergriff ich die Hände meiner Frau und Edwards.
Jetzt verstand ich, dass diese Neuerung sogar die Weitergabe meiner Eindrücke beinhaltete. Damit taten sich uns noch mehr Möglichkeiten auf, zum Beispiel Feinde zu lokalisieren oder bei der Jagd effektiver sein zu können.
Voller Euphorie wäre ich am liebsten sofort losgezogen, doch zuerst kündete mein knurrender Magen von einem großen Hunger welcher gestillt werden wollte.
„Ich auch, Papa!“ bettelte Edward auf meinem Arm.
„Du lernst das bestimmt auch noch, mein Sohn. Und jetzt… ich habe Hunger, gibt es hier eigentlich auch mal ein Frühstück, oder muss ich mir mein Essen selber jagen.“
Bei meinen Worten hob Alex amüsiert eine Augenbraue und musterte mich skeptisch.
„Was denn? Mir geht es gut, mi sol.“ zur Bestätigung küsste ich sie lange und gemeinsam gingen wir zurück zum Haus.
Nachdem ich mich mit einem ausgiebigen Frühstück stärken konnte, beschloss ich mit meiner Patentochter zu sprechen.
July hatte sich seit wir wieder hier waren nicht zu dem Vorfall auf unserer Reise geäußert. Wie ich dieses Gespräch beginnen sollte, war mir noch nicht ganz klar. Wie kann man jemanden ermuntern über einen begangenen Mord zu sprechen? Man bedenke auch ihr Alter, sie war keine Erwachsene.
„July, hast du einen Moment für deinen Patenonkel?“ fragte ich vorsichtig nach, als sie gerade auf dem Weg nach draußen war um mit den anderen zu spielen.
„Aber ich wollte gerade …“ als sie jedoch meinen Blick einfing, nickte sie und folgte mir.
Im Garten suchte ich uns ein ruhiges Plätzchen im Schatten und wir setzten uns einfach auf den Rasen.
Meine Gedanken sortierend sah ich mir das kleine Mädchen an. Sie hatte soviel von Faith, hatte sie auch diese Stärke ihrer Mutter?
„Du kannst dir sicherlich denken, warum ich ein wenig mit dir alleine reden möchte, nicht wahr?“ meine Worte waren weiterhin vorsichtig gewählt, ich wollte sie nicht verschrecken und mit der Tür ins Haus fallen.
„Das weiß ich, Onkel Haytham. Du willst bestimmt wissen, wie ich mich fühle wegen dem toten Mann? Stimmts?“ natürlich wusste sie worum es ging, ich hatte eigentlich nichts anderes erwartet.
„Genau darum geht es. Weißt du? Auch ich habe als Junge einmal einen Mann mit dem Schwert niedergestreckt um meine Mutter zu schützen. Der Moment ist mir noch gut in Erinnerung und ich werde diese Bilder sicher nie vergessen können. Auch du hast dich und deine Familie schützen wollen. Daran ist nichts falsch!“ begann ich einfach zu sprechen.
„Wie alt warst du damals, Onkel Haytham? Hat der andere Mann dich auch angegriffen gehabt? Weil ich mich ja nur gewehrt habe und ich wollte nicht, dass er Imhotep auch etwas tut!“ July gingen also wirklich ähnliche Dinge durch den Kopf wie mir damals. Aber ich wollte eigentlich auf die psychischen Folgen hinaus.
„Es war genau mein zehnter Geburtstag, in der Nacht gab es einen Überfall auf unsere Familie. Mir ging es wie dir, July. Seine Familie sollte man immer beschützen, sie sollte immer an erster Stelle stehen.“ ich machte eine kurze Pause, weil ich nicht genau wusste, wie ich auf ihre Gefühle eingehen sollte.
„Glaubst du, dass du noch einmal so handeln würdest?“ fragte ich in der Hoffnung, tiefer in sie zu dringen.
„Ich denke schon, Onkel Haytham. Es war so als hätte man mir gesagt, dass ich mir das Messer nehmen soll. Trotzdem fühlt es sich nicht richtig an…“ flüsterte sie plötzlich und sah hinaus in den Garten.
„So etwas sollte sich auch nie richtig anfühlen. Das ist wichtig, das musst du dir merken! Du hast umgekehrt jedoch richtig gehandelt, instinktiv tatest du das Richtige! Imhotep, Cillian, dein Vater, dein Großvater und auch ich sind stolz auf dich! Vergiss das nicht. Du bist deswegen nämlich kein schlechter Mensch geworden.“ mittlerweile hielt ich ihre kleine Hand und sah meine Patentochter eindringlich an.
„Ich habe einen Menschen umgebracht…“ hauchte sie mit Tränen in den Augen. „Werden diese bösen Träume irgendwann aufhören, Onkel Haytham?“
„Nein, leider nicht, July. Aber du wirst sie verstehen lernen und kannst sie irgendwann als das sehen, was sie wirklich sind. Deinen Mut zu handeln, wo es notwendig war! Deinen Instinkt, das zu tun, was uns alle beschützt hat. Vergiss nicht, ich bin immer da, wenn du in Zukunft jemanden brauchst, um darüber zu reden.“ versprach ich meiner Patentochter und nahm sie in den Arm.
„Ich hab dich lieb!“ flüsterte sie an meiner Schulter.
„Ich dich auch, July!“ vorsichtig strich über ihren Rotschopf.
Für einen Moment saßen wir noch beisammen ohne ein weiteres Wort, bis es Zeit für mich wurde aufzubrechen.
Kaum dass wir am Herrenhaus ankamen, hörte ich schon die zeternde Stimme Edwards. Er wollte unbedingt noch hierbleiben!
„Min lille skat, wir können bald mal wieder zu Besuch kommen. Aber jetzt muss hier erst einmal aufgeräumt werden! Nun komm, wir wollen dich Reisefertig machen.“ erklärte Alex gerade und nahm ihn hoch.
Faith erklärte sich noch einmal, was den Kampf und das drumherum anging, obwohl es unnötig war. Ich hätte nur gerne das nächste Mal eine Vorwarnung und am besten wäre es, wenn so etwas in unserer Gegenwart nicht noch einmal passierte.
Was die Reparaturen anbelangte würde es recht teuer werden, mutmaßte ich, als ich mir das Ausmaß noch einmal genauer ansah.
Man könnte meinen, der Herbst sei ein verspäteter Sommer! Die Temperaturen waren immer noch recht hoch, weswegen die Bewässerung weiterhin anhielt.
Umgekehrt konnten wir eine gute Ernte einfahren. Vor allem beim Tabak hatte die Sonneneinstrahlung die Intensität des Aromas erhöht und ich freute mich auf die ersten Proben in ein paar Wochen!
Wie so oft war ich auch heute wieder unterwegs, um mich von der Arbeit auf den Feldern und im Falle des neu hinzugezogenen Gerbers von dem Fortschritt der Bauarbeiten zu überzeugen.
„Master Kenway, die Werkstatt und das Schlachthaus sind fast fertig. Unser Heim konnten wir bereits beziehen. Meine Frau ist glücklich hier!“ erklärte er mir vermutlich zum hundertsten Male an diesem Tag.
Wir gingen die Gebäude noch einmal ab und er erklärte mir, was er noch an Plänen hätte und welches Werkzeug noch benötigt wurde. Einige Dinge mussten neu angefertigt werden, weil sie nach den Jahren der Benutzung einfach auseinander fielen.
Gerade als wir eine Pause machten und unter einem Baum im Schatten saßen, sah ich von weitem meine Frau auf Fenrir auf uns zu reiten.
Lächelnd reichte sie mir einen Krug mit Limonade, stieg dann ab und goss uns etwas in die Becher. Eine Wohltat für die Kehle, welche wie ausgetrocknet war, fiel mir in diesem Moment auf.
„Mistress Kenway, ich danke euch. Diese Temperaturen so spät im Jahr machen einen durstig.“ da sprach der Herr mir aus der Seele.
Mir entging der Blick meiner Gattin nicht, welcher über mein leicht verschwitztes Hemd glitt. Ihre Gedanken wanderten in unzüchtige Gefilde, in die ich ihr gerne folgen wollte. Ihr Anblick mit den leicht zerzausten Haaren und glänzendem Dekolletee machten es mir schwer, nicht sofort über sie herzufallen.
Wie aufs Stichwort hörte ich sie in meinem Kopf.
Vielleicht sollten wir uns ein ruhiges Plätzchen suchen und du kannst gerne in meinem Ausschnitt auf die Suche gehen, mi amor.
Kurzerhand entschuldigte ich uns bei unserem Gerber mit den Worten, dass es Alex nicht so gut ginge und dann machten wir uns auf, einen ruhigen Ort zu finden.
Wir fanden ihn!
Nicht weit vom Ufer des Flusses entfernt in einem kleinen Wäldchen unter einem der großen Bäume lehnte ich meine Frau an den Stamm und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Lange zurückhalten war jedoch gerade nicht meine Stärke und ich küsste sie verlangend. Ihre Haut schmeckte leicht salzig! Es war himmlisch!
Ihr Körper begann auf mich zu reagieren und sie schlang ihre Beine um meine Hüfte!
So eine ungezügelte Lust hatten wir schon eine ganze Weile nicht mehr erlebt und wir schwelgten beide in diesem Gefühl.
Dieser Rausch ließ mich alles vergessen und mein Verlangen war schier zügellos. Plötzlich fanden wir uns im weichen Gras wieder, Alex unter mir. Sie klammerte sich immer noch an mich mit wohligen Seufzern.
Schemenhaft spürte ich mit einem Male die Präsenz von etwas oder jemandem, konnte mich jedoch nicht darauf konzentrieren. Im Gegenteil, nur Alex und ich zählten!
Meine Frau war ihrem Höhepunkt nahe und hätte ich sie nicht küssend zum Schweigen gebracht, wüsste vermutlich halb Virginia was wir gerade unter freiem Himmel getan hatten!
Die Erlösung ereilte mich ebenso heftig und atemlos blieb ich für einen Moment an ihrer Brust liegen.
Langsam beruhigten wir uns. In mir keimte ein Verdacht auf. Dieser Eindruck, dass uns etwas in diesem Moment geleitet hat kam nicht von ungefähr. So ähnlich war es damals auch, als Edward gezeugt wurde. Oder täuschte ich mich?
Die Erkenntnis kam uns beiden.
„Es ist soweit, mi sol.“ lächelte ich und ließ meinen Adlerblick über sie gleiten! „Ich kann es noch gar nicht fassen!“ mein Körper begann vor Freude zu zittern. Genau wie Idun es prophezeit hatte, werden wir ein weiteres Mal Eltern!
„Ich auch nicht, mi amor. Ich freue mich einfach!“ in Alex´ Stimme lagen Unglaube, Freude und pure Euphorie.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht auf Nummer sicher gehen würde, nicht wahr? Meiner Gattin gefiel meine erneute Initiative durchaus, was ich aus ihrer Lobpreisung entnahm.
Natürlich konnten wir hier nicht bis in alle Ewigkeit auf dem mittlerweile abgekühlten Waldboden verbleiben. Also machten wir uns auf nach Hause wo uns sicherlich auch das Abendessen und ein hungriger Edward erwarten würden.
Als ich Alex darauf ansprach ob wir unserem Sohn schon von seinem Geschwisterchen berichten sollten, winkte sie ab.
„Nein, wir sollten noch ein wenig damit warten, mi amor! Es ist noch etwas zu früh.“ wo sie Recht hatte.
Es dauerte nicht lange bis sich die ersten Schwangerschaftssymptome bei Alex zeigten. Dieses Mal plagte sie eine heftige Übelkeit, welche ihre Hebamme Abbigail mit Ingwerwurzel zu stillen versuchte. In zwei oder drei Monaten sollte es überstanden sein, versicherte sie mir immer wieder.
Unser Sohn beäugte seine Mutter immer häufiger skeptisch, wenn sie wieder einmal plötzlich nach draußen verschwand. Oder er bekam es mit der Angst zu tun, wenn sie sich aufgrund des Koffeinmangels nicht unter Kontrolle hatte. Kaffee war nämlich ab jetzt wieder für sie gestrichen, auch zu meinem Leidwesen muss ich gestehen.
Nach einiger Zeit beschlossen wir, Edward von der Schwangerschaft zu berichten.
Er saß auf meinem Schoß, während Alex ihm erzählte, dass er im nächsten Sommer eine kleine Schwester bekommen würde. Woher sie wisse, dass es ein Mädchen wird, erklärte sie mir mit ihrem starken Unwohlsein. So hatte sie es weder bei Yannick noch bei Edward erlebt. Wie ein Geschlecht so etwas auslösen konnte, erschloss sich mir in diesem Moment nicht.
„Wo ist die jetzt?“ hakte Edward neugierig nach und sah sich dabei um.
„Sie ist meinem Bauch, min lille skat. Noch ganz klein, aber wenn du dich auf deinen Blick konzentrierst, dann kannst du bestimmt etwas sehen.“ gebannt starrte er auf den Bauch seiner Mutter. Breit grinsend stupste er sie plötzlich an.
„Ein großer Bruder bin ich!“ seine Freude übertrug sich auch auf mich!
„Das bist du, mein Sohn. Du passt gut auf deine Mutter und deine kleine Schwester auf, oder?“ wir beide sahen jetzt zu Alex und er nickte heftig zur Bestätigung.
„Ich passe auf, Vater!“ langsam ließ er sich an meine Brust sinken und ich sah, wie er mit seinem Blick ganz weit weg zu sein schien. Sein Pate übernahm gerade eine weitere Erklärung. Es würde sicherlich etwas dauern, bis er sich an seine Rolle als großer Bruder gewöhnt hatte. Wir waren zuversichtlich, dass er es meistern wird.
Leider blieben wir von Gesellschaften und Einladungen zu Banketten nicht verschont. Das Unwohlsein meiner Gattin klang zwar allmählich ab, aber im gleichen Maße nahmen ihre Launen riesige Ausmaße an, die ich versuchte im Zaum zu halten. Kein leichtes Unterfangen, wenn man mich fragt. Auch wenn ich schon vor 3 Jahren ein wenig Übung darin bekam.
Anfang Dezember waren wir zu den Donovans eingeladen um den 32. Geburtstag der Gastgeberin zu begehen.
Master Donovan war von Jahr zu Jahr kränker und schwächer geworden, was mir verstärkt aber erst in den letzten Monaten aufgefallen war. Vermutlich lag es an seiner Frau, welche keine Feierlichkeit ausließ und ihn zu allen möglichen Veranstaltungen schleifte. Mir war diese Person einfach zuwider, wenn ich ehrlich sein darf.
Auch heute tat sie lautstark ihr junges Alter kund und ließ jede ältere Frau in ihrer Nähe spüren, dass sie sie verachtete.
„Mi sol, wenn du dich irgendwann einmal SO aufführst, wirst du monatelang nicht sitzen können!“ mahnte ich Alex, als es mir zu bunt mit Amber Donovan wurde.
„Keine Sorge, mi amor. Diese Art ist einfach unmöglich! Auch wenn dein Angebot verlockend klingt!“ ihre Wangen nahmen eine dezente Röte an, die mich lächeln ließ.
Für ein paar Augenblicke hatte ich dann doch noch Gelegenheit mich mit dem Hausherrn zu unterhalten.
In diesem Gespräch wurde schnell klar, dass er bereits über eine Annullierung oder sogar Scheidung nachdachte.
„Haytham, ihr könnt mir glauben. Ich bin dieses Frauenzimmer leid über alle Maßen!“ pöbelte er etwas lauter. Man merkte aber schnell, dass er kaum mehr Kraft zum Aufregen hatte. Mrs Donovan raubte ihm alles, im wahrsten Sinne des Wortes.
„Ich wünsche euch dabei gutes Gelingen, Master Donovan! Solltet ihr Unterstützung benötigen, sagt uns bitte Bescheid.“ bot ich mich an, weil ich mir vorstellen konnte, dass solch ein Unterfangen mitunter schwierig werden konnte.
„Ich danke euch! Und jetzt brauche ich einen guten Tropfen für meine trockene Kehle. Lasst uns auf ein erfolgreiches Erntejahr anstoßen!“ frohlockte er und wir genehmigten uns einen guten Whiskey.
Gegen Mitternacht passierte es dann!
Unser Gastgeber begann zu zittern, taumelte kurz und fiel dann vornüber auf den Boden. Ein Arzt, welcher ebenfalls gerade zugegen war, konnte nur noch den Tod feststellen.
Unfähig zu reagieren, stand ich da und starrte auf den Verstorbenen.
Ein Blick auf Mrs. Donovan jedoch zeigte uns, dass sie nicht wirklich betrübt über diesen plötzlichen Verlust zu sein schien. Im Gegenteil, ein fieses Lächeln zog sich über ihren Mund und sie sah zu einem der Bediensteten mit einem Nicken.
Hatte sie ihren Mann etwa auf dem Gewissen? In diesem Moment stieg mir ein unangenehmer Geruch in die Nase, er erinnerte mich an etwas herbstliches, genau definieren konnte ich es nicht.
Anscheinend hatte auch meine Frau ähnliches gerochen und sprach jetzt den Arzt darauf an.
„Es riecht nach Apfelkernen!“ flüsterte er und sah sich nach der vermeintlichen Witwe um. „Glaubt ihr, SIE…?“ so ganz glauben konnte er es nicht, aber er realisierte schnell, dass die Hausherrin keinerlei Anstalten machte zu trauern.
Der Verstorbene wurde kurz darauf in sein Arbeitszimmer gebracht um dort aufgebahrt zu werden. Die Totenwache übernahmen die engsten Hausangestellten und natürlich die Ehefrau selber.
„Master Kenway, würdet ihr mir noch kurz beistehen. Ich glaube, ich schaffe es nicht alleine hier mit meinem geliebten Gatten zu sein.“ hörte ich Mrs Donovan zu meinem Leidwesen kurz darauf theatralisch in ihr Taschentuch schluchzen! In ihren Augen sah man aber eine ganz andere Gefühlsregung.
Neben mir ging Alex im wahrsten Sinne des Wortes in Gefechtsstellung.
„Wehe du gehst da wieder rein! Ich warne dich, Haytham!“ drohte sie mir und sah mich giftig an.
Ich versicherte ihr, dass ich mich hüten würde mit dieser Frau auch nur eine Minute irgendwo alleine zu verbringen. Die Annäherungsversuche in den Jahren waren mir nämlich nicht entgangen. Sie war aber weder mein Typ noch war sie mir sympathisch, im Gegenteil!
Nachdem alles Notwendige in die Wege geleitet wurde, die Gäste sich nach und nach verabschiedet hatten und sich zur Ruhe begeben hatten, konnten auch wir endlich zu Bett. Wer aber nicht einschlafen wollte, war meine eigene Ehefrau.
In ihren Gedanken spielten sich die absurdesten Szenarien ab. Man kann es sich denken. Sie sah mich mit Mrs Donovan gemeinsam in einem Bett.
„Alex, könntest du bitte endlich einschlafen? Und wie oft muss ich dir noch versichern, dass ich dir nie untreu war, bin oder werde? Dieses Weib ist eine Plage und ich weiß das aus erster Hand. Mr. Donovan hatte bereits an eine Trennung gedacht, weil ihm langsam dämmerte, dass es seine Frau nur auf sein Geld abgesehen hatte.“ erklärte ich ihr in der Hoffnung, dass sie zur Ruhe kam.
„Ich kann aber meine Eifersucht nicht abstellen! Ich… bin bald wieder pottenhässlich, weil ich aus dem Leim gehe und…“ weinend hatte sie sich zu mir umgedreht.
„Nein, du trägst unser zweites Kind in dir. Das macht dich wunderschön und ich liebe dich noch mehr, wenn es denn möglich wäre, mi sol.“ sprach ich leise, während ich ihr sanft über den Rücken strich.
„Danke…“ kam es schläfrig über ihre Lippen und sie kam endlich zur Ruhe.
Am Morgen war von Mrs Donovan keine Spur zu finden. Man suchte im Haus, in den Nebengebäuden und auch im privaten Garten. Sie war einfach wie vom Erdboden verschluckt.
„Dieses mannstolle Weib ist sicherlich in einem der Arbeiterbetten und vergnügt sich wie so oft dort.“ kam es von einem Herren aus Baltimore.
„So wie sie sich gestern noch an den Kammerdiener ihres Gatten herangemacht hat, ist das durchaus eine Möglichkeit.“ lachte ein anderer Mann.
Sie hatte sich den Ruf einer Männer verschlingenden Schlange erarbeitet, was nicht unbedingt sehr schwer ist.
„Ihr Haytham sollt ja auch ein Opfer geworden sein vor einiger Zeit, habe ich Recht?“ fragte Mr Bassiter augenzwinkernd nach.
„Sie hat es versucht, ja. Das muss ich gestehen. Ihre Hartnäckigkeit hat sich aber nicht ausgezahlt und sie musste sich dann doch jemand anderen suchen.“ ein leises Lachen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich an den Vorfall von damals dachte, als ich gerade die Plantage erworben hatte.
Mrs Donovan war bei einem Empfang hinter mir her geeilt gerade als ich mir die Beine vertreten wollte.
„Master Kenway, so wartet doch. Ihr wolltet mir doch noch erklären wie dieser aromatische Tabak verarbeitet wird.“ rief sie mir nach, während sie eiligen Schrittes auf mich zu kam.
„Das müssen wir noch einmal verschieben, ich bin gerade anderweitig besch…“ bevor ich aber noch etwas erwidern konnte, stand sie auf Zehenspitzen vor mir und kam mir gefährlich nahe mit ihrem Gesicht.
„Wir könnten uns beide sicherlich besser als mit diesen dummen Menschen beschäftigen, oder was denkt ihr?“ hauchte sie und ihre Lippen glitten an meinem Hals entlang.
Rigoros schob ich Mrs Donovan von mir und sah in ihre wütenden Augen.
„Können wir nicht! Wie ihr wisst bin ich verlobt und ihr seid verheiratet. Bedeutet euch euer eigener Mann und das Versprechen an ihn so wenig?“ meine Stimme klang belehrend und wütend zugleich.
„Und ich dachte, mit euch könnte ich ein wenig Spaß haben. Pffff… verklemmte Briten sag ich nur.“ mit diesen bitterbösen Worten drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Danach bedachte sie mich bei anderen Festivitäten nur noch mit einigen wollüstigen Blicken und meine Frau mit purem Gift in den Augen, als man die beiden später vorstellte.
Unsere Kutsche war bereit, genau wie die der Eheleute Doyle.
Alex unterhielt sich gerade sehr angeregt mit Mrs Doyle, doch als ich hinzu kam, verfielen beide in Schweigen mit einem wissenden Blick.
Meine Frage, was es denn so Interessantes zu besprechen gegeben hatte, konterte Alex mit ihrer so typischen sarkastischen Art.
„Wir haben uns über die besten Möglichkeiten ausgetauscht, den perfekten Mord an seinem Ehemann zu begehen.“ grinste sie mich an.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dir das sogar noch glauben!“ auch ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie würde sich den perfekten Plan für so ein Unterfangen zurecht legen, darauf konnte man wetten oder Gift nehmen!
Anfang des neuen Jahres konnten wir zwei neue Zuwächse auf der Plantage begrüßen. Zum einen zog Mrs Fischer, die Schneiderin aus New York, mit ihrer Familie hierher und ein Schuhmacher fand seinen Weg zu uns. Er war ein 30jähriger ruhiger Herr, welcher für sich lebte. Somit hatten wir weitere Berufszweige ansässig, die die Bauern und Pächter entlasten würden.
Außerdem konnten wir das Warensortiment ein wenig erweitern!
Wir hatten daneben auch Kontakt zu Mr Elrik aufnehmen können wegen des Badausbau.
„Ich freue mich schon darauf, wenn wir nicht so schnell aus dem Wasser müssen, weil es zu kalt wird.“ frohlockte Alex eines Abends, als sie mit Edward aus dem Bad stieg und sich schüttelte.
Unser Sohn hatte von uns eine Miniatur Ausgabe der Jackdaw bekommen, welche er ausführlich bei jedem Bad testete! Ihm schien das kälter werdende Wasser nichts anzuhaben, nur seiner Mutter wurde es zu kalt.
Im Februar schneite es noch einmal recht heftig! Was Edward freute, weil er mit den anderen Kindern herumtoben konnte!
In einer Nacht nach einem dieser langen Tag draußen spielend im Schnee mit den Kindern, weckte mich Alex ängstlich!
„Haytham, etwas stimmt nicht. Ich habe Krämpfe und es wird immer schlimmer!“ schluchzte sie und ich ließ sofort den Arzt und Abbigail rufen!
Nach einer gründlichen Untersuchung stand schnell fest, dass es sich um vorzeitige Wehen handelte. Alex hatte sich überanstrengt!
Mit Bettruhe und einigen Kräutern würde sich das aber bald beruhigen, sie müsse jedoch Geduld haben.
In Alex´ Augen sah ich schon, dass das nicht gerade eine leichte Übung für sie sein wird.
Die Besorgnis, dass wir unsere Tochter verlieren könnten, blieb jedoch wie ein böser Geist im Hinterkopf hängen! Meine Frau konnte ihre Tränen kaum zügeln, als sie vorsichtig über ihren Bauch strich.
„Alex… Shhhhhh. Nichts dergleichen wird passieren. Dafür sorgen wir alle!“ nachdem alle Angestellten gegangen waren, standen neben mir auch Odin, Frigg und Idun am Bett der Schwangeren.
„Der Tee ist ein guter Anfang. Aber wir werden zur Sicherheit eine Art Band um dein Kind legen, damit es sicher in dir weiter wachsen kann. Trotzdem brauchst du etwas Ruhe.“ sprach Idun leise und strich leicht über den Bauch.
„So ist es gut. Beruhige dich, wir lassen euch nicht alleine!“ kam es jetzt von Frigg und auch der Allvater legte seine Hand auf ihre Stirn. Ich konnte es förmlich sehen, wie die Energie in Alex drang.
„Du hast genügend Kraft auch noch die nächsten Monate zu überstehen.“ langsam zogen sie sich zurück. An der Tür hörte ich plötzlich ein lautes Schniefen und „Mamaaaa!“ Rufe.
Unser Sohn hatte Angst um sie! Verständlich!
Ich holte ihn herein und gemeinsam setzten wir uns aufs Bett.
Um Edward zu beruhigen, erzählten wir ihm, dass seine Mutter sich etwas ausruhen und im Bett bleiben müsse. Aber wenn es ihr besser ginge, dann könne sie auch wieder mit ihm spielen.
Auch gaben wir ihm das Versprechen, dass es seiner kleinen Schwester gut ginge und sie sich sicherlich auch schon auf ihn freute. Vorsichtig strich Edward über Alex´ Bauch und hinterließ eine goldene Spur. Nein, das ist nicht richtig ausgedrückt. Es war ein Zeichen, eine Rune.
„Schutz für meine Lillesøster“ (kleine Schwester) er legte dabei seinen Kopf auf die leichte Wölbung. Ein Anblick der mein Herz erwärmte und ich strich ihm vorsichtig über seinen Kopf.
„Das ist lieb von dir, min lille skat!“ sprach sie leise, als sie zu mir sah. In ihren Augen war diese große Liebe zu ihm sehen, die auch mich gerade überwältigte.
Mit einem Male hörte man ein Jaulen vorm Bett. Es kam von Walka, welche mit ins Zimmer gekommen war und aufmerksam ihr Herrchen beobachtete. Wir konnten die beiden nicht mehr von einander trennen. Auch nach vielen Stunden des Diskutierens, der dicken Tränen und der Erklärung, dass die Hündin ein Wachhund sei, war dem kleinen Kenway nicht beizukommen. Also hatten wir beschlossen, dass Walka hier bei uns im Haus blieb.
Edward war mittlerweile schon wieder eingeschlafen, doch Alex war der Meinung, dass er ruhig hier bei uns schlafen sollte. Es wäre ja nur für ein paar Stunden.
Mit den Worten, dass Walka gut auf unseren Sohn achten sollte, strich meine Frau über ihren Kopf. Wie zur Bestätigung bellte Walka einmal.
Wie man sich sicherlich schon denken kann, fiel es meiner Frau schwer, diese Bettruhe einzuhalten.
Ihre Laune sank immer weiter, trotz der Bemühungen der Hebamme sie mit Kräutertees aufzumuntern. Dass es sogar ein Kraut für das Gemüt gab, war mir neu. Aber irgendwie schien auch das nicht richtig zu wirken.
Und es kam, wie es kommen musste.
Ich erhielt im März ein Schreiben der Witwe Donovan, in welchem sie mich um meine Mithilfe bat. Oder besser gesagt um meine Unterstützung anfragte. Sie wisse sich keinen Ausweg mehr. Man hätte sie übers Ohr gehauen, die Händler würden ihr auf der Nase herumtanzen und einige Angestellte hätten sie beklaut und wären dann in einer Nacht und Nebel Aktion einfach verschwunden.
So ganz konnte ich das nicht glauben, da diese Art es zu formulieren doch recht übertrieben klang.
Um mir selber ein Bild zu machen, sagte ich zu ein paar Tage meiner Zeit zu opfern, um dieser Frau unter die Arme zu greifen. Im Hinterkopf sponn sich jedoch schon jetzt der Gedanke, dass sie auch ganz andere Absichten haben könnte.
Als ich meiner Frau von meinen Reiseplänen berichtete, verfinsterte sich umgehend ihr Gesicht und sie spie mir förmlich Gift entgegen.
„Wenn du meinst, dass diese Schnepfe nichts alleine hinbekommt, außer ihren Gatten zu ermorden und sich gleich danach dir an den Hals zu werfen! Bitte, dann fahr hin. Viel Spaß!“ dieser TON!
„Was willst du mir damit unterstellen?“ auch ich kann meine Wut nicht immer zügeln. „Hatten wir darüber nicht schon des öfteren gesprochen? Ich will ihr nur helfen und vielleicht wäre es sogar möglich ihre Waren…“
„Ich will nichts mit dieser Frau zu tun haben.“ trotzig saß Alex mit verschränkten Armen am Kopfende unseres Bettes.
„Manchmal frage ich mich, womit ich dein Misstrauen verdient habe, Alex! Ich habe dir nie Anlass zur Eifersucht gegeben!“ fauchte ich sie an.
Um weiteren Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, reiste ich noch am selben Nachmittag ab.
Bei meiner Ankunft bot sich mir ein trübes Bild des Anwesens. Kaum noch etwas von dem Glanz der letzten Jahren war zu sehen. Die Farbe blätterte hier und da ab, das Unkraut nahm Überhand auf den Wegen und ganz zu schweigen von dem allgemeinen Zustand des Hauses. Es wirkte unbewohnt, oder zumindest schon länger nicht mehr genutzt.
Ein älterer Herr öffnete mir und brachte mich zur Hausherrin.
„Ah, Haytham! Es ist schön, dass ihr meiner Bitte so schnell nachkommen konntet!“ trällerte mir Mrs Donovan entgegen und fiel mir gleich um den Hals.
Dezent aber bestimmt schob ich sie von mir.
„Das ist doch selbstverständlich und ich hoffe, ich kann euch behilflich sein.“ sagte ich während ich ihren Handrücken küsste.
„Das könnt ihr sicherlich!“ säuselte sie mit einem lasziven Blick. Wäre ich doch nur daheim geblieben, ging es mir durch den Kopf.
Nach dem Abendessen, welches sehr dürftig war, begaben wir uns in das Arbeitszimmer. Ich musste mir als erstes einen Überblick über die bisherigen Finanzen verschaffen. Immer in der Hoffnung, dass Master Donovan ein gewissenhafter und ehrlicher Kaufmann gewesen war!
„Mein Gatte hat immer akribisch und penibel die Bücher geführt. Ihr werdet keinerlei Fehler finden. Also braucht ihr eure Zeit doch nicht damit …“ begann sie zu erklären. Aber ich sah, wie sie mich verunsichert beäugte.
„Wir sollten trotzdem auf Nummer sicher gehen!“ erwiderte ich in meinem geschäftlichen Ton.
Kaum dass ich es ausgesprochen hatte, fielen mir ein paar Ungereimtheiten auf.
Einige Lieferungen waren zwar vermerkt, aber man hatte die Menge und den Betrag verändert. Deutlich waren Spuren von alter Tinte unter dem neuen Eintrag zu sehen!
„Ach, da hat er sich sicherlich nur verschrieben!“ mit einem Satz stand sie neben mir, riss die nächsten zwei Seiten aus dem Geschäftsbuch und warf sie in den Kamin!
„Mrs Donovan! Ich bin nicht blind und ich erkenne einen Betrug auf Meilen entfernt!“ meine Stimme hatte sich etwas erhoben, damit sie wusste, dass mit mir nicht zu spaßen war.
Für eine Weile schwieg sie und ließ mich meine Arbeit machen. Wenig später fand ich immer mehr falsche Einträge oder gar ganze Seiten, welche verändert worden waren. Das hätte doch schon längst einem Prüfer auffallen müssen, dachte ich im Stillen. Ich konnte mir keinen Reim auf diese unsauberen – im wahrsten Sinne des Wortes - Bücher machen.
Also verabschiedete ich mich für diese Nacht um noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Morgen würden wir wieder frisch ans Werk gehen.
In meinem Zimmer war ich für einen winzigen Moment in Versuchung, die Türe abzuschließen. Nicht dass mich dieses Frauenzimmer noch in der Nacht aufsucht und … wenn ich ehrlich sein darf, mich schüttelt es bei dem Gedanken.
Nichts dergleichen passierte, Gott sei Dank.
Dafür spürte ich irgendwann meine Gattin in meinem Kopf, welche sich wieder einmal die wildesten Dinge ausgemalt hatte.
Ich versicherte Alex, dass sie sich auf mich verlassen könne und ich alleine diese Nächte hier verbringen werde.
Erleichtert konnte sie einschlafen und auch ich entspannte mich langsam.
Nach dem Frühstück in einem kalten Esszimmer, fing ich wieder an mich durch die Aufzeichnungen zu wühlen.
Immer wieder ließ Mrs Donovan Seiten verschwinden oder riss mir ganze Bücher aus der Hand. Als ich mich den privaten Berichten von Mr Donovan zuwenden wollte, wurde Mrs Donovan extrem nervös und zappelte neben mir herum.
Ich fand einen Briefwechsel mit einem Advokaten, in welchem die Scheidung besprochen wurde!
„Nur weil ich mit ihm nicht das Bett teilte, wollte er mich loswerden!“ fauchte sie lautstark! Wer es glaubt!
Dann fielen mir ein paar Schreiben in die Hände, welche aus Übersee und der Karibik stammten. Sie waren mitunter schon recht alt, 20 Jahre und älter. Was aber am auffälligsten war, waren die Templerkreuze auf den Siegeln!
„Wie kommt ihr an solche Korrespondenz, Mrs Donovan?“ hakte ich nach.
Tief einatmend warf sie mir ein überhebliches Grinsen zu.
„Ich bin nicht das kleine Dummchen, für das ihr mich haltet!“ gab sie arrogant als Antwort! „Ich werde euch jetzt eine Geschichte erzählen! Danach werdet ihr mir helfen, das garantiere ich euch. Ihr werdet gar keine andere Möglichkeit haben, weil ihr euch sonst selber hinter Gitter bringen würdet!“ diese Worte kamen so selbstsicher aus ihrem Mund, dass es mich mehr als erstaunte, aber zugleich auch neugierig machte.
Mrs Donovans Familie war dem Templerorden seit Jahrzehnten treu ergeben. Sie selber hatte sich jedoch nie berufen gefühlt ihm beizutreten. Ihre Brüder waren eh bevorzugt worden.
Alles begann mit ihrem Ururgroßvater, einem MacAllister, welcher in England dem britischen Ritus im Jahre 1635 beitrat. Damals verlief das Ganze noch hinter verschlossenen Türen und im Geheimen. Die Welt war noch nicht bereit für die Wahrheit über die Templer. Sogar Reginald hatte mir von diesen zarten ersten neuen Schritten damals berichtet. Wenn man sich die Auslöschung der Templer unter König Philipp von Frankreich vor Augen führt, kein Wunder dass man Vorsicht walten ließ.
Hier und dort gab es in ganz Britannien Gegner des Ordens, insbesondere der Bruderschaft, welche sich ebenso langsam erhob.
„Wusstet ihr, dass sogar euer Vater mit den Templern in Kontakt kam? Schon weit bevor er überhaupt als Freibeuter in See stach!“ dieses sardonische Lachen war mehr als unangenehm für mich. „Er hat dafür gesorgt, dass der Orden die Farm eures Großvaters in Schutt und Asche legte! Und was tat euer Vater? Er rannte davon!“ man könnte meinen, diese Frau sei dabei ihren Verstand zu verlieren, so irre klang sie!
„Ihr wisst gar nichts über meine Familie!“ fuhr ich sie an, doch sie ließ sich nicht beirren und erzählte weiter!
Man setzte ihren Großvater auf meinen Vater an, nachdem er sich im kleinen Rahmen bereits einen Namen im pazifischen Ozean gemacht hatte. Die Templer waren zu dieser Zeit besessen von einigen Gräbern und Ruinen, weil sie darin wertvolle und vor allem von ihren Vorgängern versteckte Reichtümer vermuteten.
So heuerte dieser MacAllister auf der Jackdaw an um näher an diese Artefakte oder auch Schmuckstücke kommen zu können. Man erzählte sich, dass mein Vater ein Händchen für solche Schätze hatte.
„Auch wenn Edward erst 20 Jahre alt war, er muss ein echter Draufgänger gewesen sein. Furchtlos und ….“ ihr wollüstiges Seufzen ließ mich schon fast würgen.
Aber alles kam anders, als eine junge Frau plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte und angeblich die Pläne des Großvaters vereiteln wollte! Es musste ein Plan her und der Templer ergriff die Chance, diese Frau zu verunglimpfen, damit er weiterhin freie Bahn hatte. Miss Alexandra Frederickson war damals an Bord gekommen und niemand wusste, wer sie war oder woher sie wirklich kam. Niemand könne also die wahren Beweggründe herausfinden, so dachte sich MacAllister.
Mir fiel die Kinnlade für den Bruchteil einer Sekunde herunter! Meine Frau? Ich wusste, Alex hatte einige Wochen mit meinem Vater auf See verbracht, aber … mir sagte der Name MacAllister nichts.
„Ahhhhh, ich sehe. Eure Gattin hat euch also nichts von ihren Mordplänen erzählt? Nein? Sie wollte den Tod eures Vaters, hatte schon alles akribisch geplant! Es stand so in ihrem Tagebuch!“ Mrs Donovan griff hinter sich und brachte eine kleine Kiste zum Vorschein. Sie holte die Bücher daraus hervor und reichte sie mir.
Es waren tatsächlich Tagebücher, oder eine Art Berichtshefte! Ich überflog einige Seiten und wurde stutzig. Das war nicht Alex´ Handschrift, zumal alles auch auf englisch war!
„Das stammt nicht von meiner Frau, wenn ihr darauf anspielt. Ja, sie heißt mit Mädchennamen Frederickson, aber diese Zeilen sind nicht von ihr, zumal sie sie auch nie in Englisch verfasst hätte!“
Etwas an dieser Geschichte stimmte ganz und gar nicht!
„Das hat sie euch glauben lassen! Miss Frederickson war eine verräterische Assassine auf Abwegen, wenn ihr mich fragt. Da kam Edward ihr gerade recht um noch ein wenig Reichtum anhäufen zu können. Was diese Frau aber nicht bedacht hatte war, dass sie beobachtet wurde und mein Großvater ihr seltsames Reisegepäck genauestens durchsucht hatte. Er fand diese Bücher! Sie sind eindeutig von ihr!“
Es ging noch weiter, dass MacAllister meinem Vater Bericht erstattete. Mein Frau wurde hinzugeholt und war schockiert, dass man sie überführt hatte. In ihrer Panik hat sie dann, angeblich, meinen Vater mit ihrem Messer attackiert und MacAllister „rettete“ meinen Vater.
„Er war meinem Großvater sehr dankbar müsst ihr wissen. So stand es in seinem Tagebuch an dem Tag, wo ER den Tod durch eure GATTIN fand!“ Ambers Stimme überschlug sich schon fast bei diesen Worten, so zornig war sie.
„DAS kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Außerdem, bedenkt bitte, warum hat man meine Frau dann nicht in Eisen gelegt und im nächsten Hafen einem Gericht überstellt? Zumal es auch einen Codex unter Piraten gibt, Mrs Donovan!“ langsam fand ich wieder Worte.
„Das sind Ammenmärchen, Haytham!“ prustete sie belustigt. „Im Orden in Havannah bekam man kurz darauf die traurige Nachricht vom Ableben meines Großvaters. Gefunden wurde seine Leiche nie. Seine Getreuen begannen selbstverständlich mit einer gründlichen Untersuchung, nahmen euren Vater unter die Lupe, sowie die gesamte Besatzung! Doch Potz Blitz! Wer war nicht mehr aufzufinden? Eure Frau! Lediglich diese Tagebücher hat sie in ihrer Eile wohl vergessen zu vernichten oder mitzunehmen.“ sie warf mir wieder einen dieser triumphierenden Blicke zu, so als warte sie nur darauf, dass ich einknickte.
„Noch einmal! DAS ist nicht die Handschrift meiner Frau! Ich weiß mit Sicherheit, dass sie nie ihre Gedanken in englisch verfassen würde. Noch heute schreibt sie sie in ihrer Muttersprache auf! Aber wenn ihr euch so sicher seid, dass sie eine Mörderin ist, dann solltet ihr handfestere Beweise vorweisen. Ansonsten werde ich jetzt gehen und …“
Amber kaute wütend auf ihrer Unterlippe herum während sie mich musterte.
„Und wo kommt sie so plötzlich wieder her? Hmmmm? Unsere Spione haben jeden Stein und jeden Grashalm umgedreht, sie haben alle Geburts- und Sterberegister von hier bis Preußen durchforstet! Jahrelang!“ das war interessant zu erfahren. Jetzt wusste ich zumindest, wo einige der unterschlagenen Summen abgeblieben waren. „Ihr könnt euch vorstellen, wie überrascht ich war, als ich den Namen eurer vermeintlichen Verlobten erfuhr. Da konnte ich dann eins und eins zusammen zählen. Ihr solltet euch in Acht nehmen, ihr werdet vielleicht der nächste auf ihrer Liste sein!“
„So wie euer Ehemann EUCH zum Opfer gefallen ist?“ ihr erschrockener Gesichtsausdruck reichte um mich wissen zu lassen, dass sie immer noch der Ansicht war, niemand würde wissen was sie an ihrem Geburtstag getan hatte!
„Mrs Donovan, wir werden das jetzt hier beenden. Die Zahlen in den Bücher sind eindeutig gefälscht! Ihr habt euch mit den falschen Leuten eingelassen und müsst jetzt dafür gerade stehen. Ich werde keinerlei Schritte gegen euch einleiten und diesen Betrug zur Anzeige bringen. Vielleicht solltet ihr in den nächsten Tagen über den Verkauf der Plantage nachdenken und euch woanders niederlassen!“ inständig hoffte ich, dass ich dieses Anwesen bald unser Eigen nennen konnte. So hatten wir das Erbe für unsere Kinder gesichert fürs erste.
„Glaubt mir, MASTER KENWAY! Ich werde eure Frau noch überführen und dann werdet ihr mich auf Knien anflehen …“ erneut versuchte sie mich zu erpressen, damit ich Milde walten lasse, was ich ja eigentlich schon gezeigt hatte. Ihre Felle sah sie davon schwimmen, genau wie ihr Geld, welches nicht mehr vorhanden war. Auf mich konnte und wird sie aus ersichtlichen Gründen nicht mehr zählen können. Doch auch das war mir vorher schon klar, das sich keinerlei finanzielle Unterstützung geben würde. Nur Hilfe bei Händlern oder ähnlichem.
„Nein, das werde ich nicht. Und jetzt werde ich mir die Beine vertreten! ALLEINE!“ als ich mich aus dem Arbeitszimmer entfernte, spürte ich ihren wütenden aber auch gleichzeitig frustrierten Blick in meinem Rücken.
Zwei Tage später reiste ich wieder ab. Im Gepäck den prophylaktischen Kaufvertrag für die Plantage!
Mein Vater hatte mir in einer der letzten Nächte diese Geschichte mit MacAllister etwas geschildert. Es war tatsächlich so gewesen, dass der Großvater meinen Vater ermorden sollte. Der Versuch scheiterte jedoch an Adéwalés beherztem Eingreifen und der Hilfe von Alex.
Der einzige Mensch, der das zeitliche damals dann segnete war eben dieser Templer. Ein Giftpfeil des ersten Maats meines Vaters streckte ihn nieder.
Irgendwann, wenn Alex wieder bei Kräften und vor allem besserer Laune war, werde ich sie nach dieser Geschichte fragen. Vorerst tat es nichts zur Sache!
Kurz nachdem ich wieder daheim war, bekamen wir Besuch von den Cormacs! Shay und ich begaben uns in mein Arbeitszimmer, während Faith hinauf zu Alex ging, weil es um Reisepläne der beiden ging.
Reisepläne war vermutlich der falsche Ausdruck.
Man wollte in die Welt der Götter reisen um einen Portalring zu finden. Genauer gesagt sollte es nach Irland gehen.
„Ich hoffe, dass Alex es verstehen wird.“ seufzte der Ire und sah mich hilfesuchend an.
Das hoffte ich ebenso. Aber nicht nur sie war involviert! Das sollten die Eheleute bedenken! Auch der Allvater hatte da ein Wörtchen mitzureden und würde es tun!
„Es ist auch schon alles geplant und wir können alsbald aufbrechen.“ versicherte mir Shay noch einmal, nachdem ich ihn über mögliche Konsequenzen und Gefahren aufgeklärt hatte. Wie genau sie das anstellen wollten, war mir nicht ganz klar. Ich ging davon aus, dass man mithilfe einiger Artefakte aus ihrem Besitz in diese andere Welt reisen konnte. Ein Portal meiner Frau wäre unnötig.
Eine tiefergehende Konversation war uns leider nicht vergönnt, weil plötzlich mein Sohn ohne Vorwarnung bei uns erschien.
„Vater, mir ist langweilig. Onkel Shay, du hast immer tolle Geschichten zu erzählen. Mama und Tante Faith reden nur über meine kleine Schwester!“ grinsend nahm ich ihn auf meinen Schoß.
„Edward, die Damen reden sicher auch über andere Dinge. Aber was hälst du davon, wenn wir drei nach draußen gehen und mit Walka ein wenig über die Felder gehen? Dabei fällt deinem Onkel sicherlich eine spannende Geschichte ein.“ mit einem Satz war er hinunter gesprungen und zerrte den Iren von seinem Stuhl hoch.
Gerade als wir in der Eingangshalle ankamen, hörten wir von oben laute Stimmen. Da war wohl ein kleines Streitgespräch zwischen Göttern ausgebrochen. Welche genau, konnte ich nicht ausmachen und hinauf eilen um nachzusehen wäre gegen meine eigen Doktrin.
Draußen konnten wir Edward etwas aufmuntern und uns mit ihm die Zeit vertreiben, doch lange hielt es ihn dann nicht bei uns.
Seine Hündin hatte ein neues Kunststück gelernt und das musste seine Mutter unbedingt sofort auch sehen!
„Haytham, er ist ein richtiger Wirbelwind.“ lachte Shay, als Edward mit wehenden Fahnen an ihm vorbei ins Haus rannte.
„Nicht nur das, Shay. Er ist mitunter auch recht frech, aber ich gehe davon aus, auch eure Kinder sind nicht immer nur kleine Engel!“ in Erziehungsfragen hatte ich mich bisher nie an den Iren gewandt und würde es vermutlich auch nicht tun. Aber ab und an kamen diese Gespräche zustande und man tauschte sich im kleinen Rahmen aus.
Die Verabschiedung der Cormacs war für Alex einer der nächsten Tiefpunkte in ihrer Schwangerschaft.
Tagelang lag sie weinend im Bett, wollte niemanden sehen oder hören! Nur Magda drang noch zu ihr durch.
Nachts versuchte ich mein Bestes sie zu trösten, doch vergebens!
„Sie werden nie wieder zurückkommen, Haytham! Ich weiß es! Sie werden dort gefangen bleiben in dieser Zeit!“ immer wieder erzählte sie mir das unter Tränen!
„Nein, glaub mir, mi sol. Das werden die Götter gar nicht zulassen!“ doch meine Worte wurden mit einer lapidaren Handbewegung einfach abgewunken!
Auch meine Ermahnung, dass sie sich nicht so aufregen sollte wegen unserer Tochter in ihrem Bauch, quittierte sie mit einem giftigen Blick.
Die nächsten Wochen verstrichen zäh wie Leim, die Temperaturen stiegen und ich musste mich langsam wieder um die Feldarbeit kümmern.
Wir hatten aber noch ein ganz anderes Projekt. Oder besser gesagt ICH hatte mir eine Überraschung überlegt. Dank Master Lucius Williams hatte ich mich mit Master Elrik zusammen gesetzt und Pläne für unser Bad ausgearbeitet. Natürlich alles heimlich ohne Alex´ Wissen.
Es sollte ein Becken im Boden eingelassen werden, welches für mehr als nur zwei Personen Platz bot. Ein Ofen mit entsprechenden Rohren sollte so verlegt werden, damit wir immer ausreichend warmes Wasser hatten. Dazu gekachelte Wände und Böden, Regale die dann der Zimmerer bauen würde.
Die Arbeiten begannen mit dem Ausheben einer Mulde im Keller des ursprünglichen Bades und ich war darauf bedacht, alles möglichst leise und heimlich von Statten gehen zu lassen.
Nach ungefähr 4 Wochen war es dann soweit und ich konnte einen ersten Blick auf dieses Wunderwerk werfen. Es war fantastisch und ich freute mich wie ein kleiner Schuljunge darauf es meiner Frau zeigen zu können. Doch das würde noch warten müssen, leider.
Mittlerweile war es Ende Mai und ich hoffte, dass Alex bald wieder auf den Beinen sein würde. Edward wurde immer quengeliger und unleidlicher. Er vermisste seine Mutter und das zu Bett bringen von ihr zusehends.
„Vater, du kannst die Geschichte nicht so gut erzählen.“ hörte ich ihn hin und wieder traurig sagen. „Und singen …“ das musste er mir nicht kundtun. Es lag nicht in meinem Repertoire.
An einem Sonntag Nachmittag saß ich nach dem Mittagessen mit ihm unter einem Baum und erzählte von meiner Reise mit Reginald durch Europa.
Begeistert hörte er zu, als ich ebenso von Spanien berichtete.
„Das ist aber weit weg, oder Vater? Ist es da auch so heiß wie hier? Wie sieht es da aus? Wie schmecken denn Oliven?“ Fragen über Fragen prasselten immer mal wieder auf mich ein, welche ich gewissenhaft versuchte zu beantworten.
„Oliven schmecken etwas bitter, aber mit dem richtigen Öl können sie sehr schmackhaft sein. In dem kleinen Dorf, in welchem wir waren, gab es weiß getünchte Häuser und die Menschen haben in der Mittagszeit Siesta gehalten! Sie arbeiten dann nicht, sondern ruhen sich aus!“ vermutlich hätte ich noch mehr erklären sollen, aber ich befürchtete, dass es meinem Sohn alsbald zu langweilig werden könnte.
Plötzlich sprang er unvermittelt auf.
„Mama, bist du wieder gesund? Kann ich jetzt meine kleine Schwester haben?“ rief er ihr entgegen und schlang seine Arme um ihre Beine. Ich hatte Alex gar nicht bemerkt muss ich zu meiner Schande gestehen.
Als sein Blick aber über ihren beachtlichen Bauch glitt, fragte er enttäuscht „Dauert das noch lange, Mama?“
„Ein wenig noch, vielleicht siehst du sie im Juli endlich, min lille skat.“ lächelnd strich sie ihm über den Kopf.
„Wie oft muss ich noch schlafen?“ so etwas hatte er noch nie gefragt.
Leider mussten wir ihm mitteilen, dass es mindestens noch 60 mal sein würde und wieder seufzte er frustriert.
„Soooooo lange?“ fragte er und drehte sich zu mir um. „Vater, warum dauert das so lange. Kannst du meiner Schwester nicht einfach sagen, dass wir sie alle haben wollen?“ plötzlich kicherte Alex haltlos, weil dieser Gedanke recht absurd war.
„Das geht nicht, wir müssen Geduld haben. Du hast ja auch nicht auf mich gehört damals. Deine Mutter und ich mussten auch warten, aber dann war es um so schöner, als du an meinem Geburtstag zur Welt kamst, Edward.“ hoffentlich würde ihm das jetzt erst einmal reichen als Erklärung.
Ich hatte an diesem Nachmittag bereits ein Bad geordert um Alex zu überraschen. Aufgeregt wartete ich, als sie Edward nach langer Zeit wieder zu Bett brachte, auf der Galerie. Wie würde sie reagieren? Würde ihr das Ganze auch gefallen? Warum fragte ich mich das? Sie war diejenige, die zuerst den Kontakt mit Master Elrik aufgenommen hatte. Die Pläne kamen zwar von mir, aber …
Ihre Augen werde ich verbinden, damit es ein wenig spannend blieb, ging es mir durch den Kopf.
Plötzlich dachte ich, dass ich vielleicht nicht zu forsch vorgehen sollte. Ich wollte nicht riskieren, dass sie wieder Wehen bekommt, auch wenn ich am liebsten über meine Frau herfallen würde nach dieser langen Abstinenz.
Vorsicht war also geboten!
Ihr glücklicher Gesichtsausdruck, als sie aus Edwards Zimmer trat, stimmte mich zuversichtlich für unseren gemeinsamen Badbesuch.
„Er hat dich vermisst, mi sol. Es tut gut zu sehen, dass Edward wieder glücklich ist.“ dabei nahm ich sie in die Arme.
„Diese Momente habe ich auch vermisst und es tut wirklich gut, mi amor. Aber ich habe noch etwas mit dir vor heute Abend.“ ihr Zwinkern ließ mich breit Grinsen. Magda hatte mir bereits davon berichtet und war überrascht, als ich dem ganzen zuvor kam.
„Ich habe es bemerkt, aber ich habe vorher auch noch eine Überraschung für dich.“ etwas verunsichert sah Alex mich an, aber folgte mir nach unten. In der Eingangshalle verband ich ihre Augen und wir gingen in den Keller weiter. An ihrer Reaktion bemerkte ich schnell, dass sie sich den Weg vorstellte und wusste, wo was war.
Im neuen bereits nach Rosen riechenden Bad angekommen, stellte ich mich hinter sie und nahm ihr die Augenbinde ab und wartete auf ihre Reaktion.
„Haytham… das ist… ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ sie drehte sich zu mir um und schlang ihre Arme um mich.
„Na endlich, dann halte deinen Mund jetzt geschlossen und küss mich einfach!“ vorsichtig küsste ich sie und zog sie enger an mich heran. Ich hatte sie so sehr vermisst. Ihren Körper! Ihren Geruch! Einfach ihre Nähe und Hingabe. Diese Sehnsucht war stellenweise schon schmerzhaft für mich gewesen!
In aller Ruhe zogen wir uns aus und ich trug meine Frau die wenigen Stufen hinunter in das Becken mit dem warmen duftendem Wasser. Für einen Moment genossen wir ausschließlich diese Wärme um uns herum.
Doch Alex wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht die Initiative ergreifen würde. In diesem Moment war ich ihr dafür mehr als dankbar, weil ich immer noch etwas gehemmt war und ihr nicht schaden wollte.
Ihre Hände öffneten mein Haarband und strichen es sanft hinunter. Ich tat es ihr gleich und meine Küsse wurde verlangender. Vorsichtig schlangen sich ihre Arme um mich und sie ließ sich langsam auf meinen Schoß gleiten.
Als ich in sie drang war es wie eine Befreiung. Es fühlte sich prickelnd an. Mein Körper lechzte nach ihr und ihren Bewegungen. Mit Bedacht fanden wir wieder unseren Einklang und ließen uns von unserer aufgestauten Lust leiten, welche immer weiter anstieg bis Alex sich laut stöhnend nach hinten lehnte und los ließ.
Dieser Anblick von ihren schimmernden glänzenden Brüsten und dem Gefühl der gleichmäßigen Kontraktionen, brachten mich ebenfalls über diese Schwelle! Ein fantastisches Gefühl von Erleichterung überkam mich.
Als Alex dann mit dem Rücken an mir lehnte, hatte sie freie Sicht auf das Werk von Master Elrik und endlich konnte sie es bewerten!
„Das ist einfach fantastisch geworden, mi amor. Master Elrik hat ganze Arbeit geleistet! Aber das muss doch ein Vermögen gekostet haben!“ flüsterte sie ehrfürchtig. Noch immer hatte sie mit hohen Summen ihre Probleme, aber ich konnte ihr ihre Sorge nehmen.
Ich erklärte ihr, dass ich einen Handel mit dem Herren abgeschlossen hatte. Dieser würde auch auf dem alten Anwesen der Donovans für einige Renovierungen sorgen. Im Gegenzug würde er Wein und Tabak vergünstigt von uns erhalten. Und der Rest war reine Verhandlungssache.
„Du siehst, der Mann ist sein Geld wert und ich habe ihn auch schon weiter empfohlen. Außerdem hat Franklin mir noch einen Plan für einen Ofen übergeben, welcher für stetiges warmes Wasser sorgt. Auch im Winter.“ das hatte ich nämlich noch gar nicht erwähnt, oder? Es gab hier einen kleinen kugelförmigen Ofen für das dauerhaft warme Wasser.
„Großartig! Ich freue mich schon darauf nach einem kalten Tag mit dir in das heiße Wasser abtauchen zu können.“ seufzte Alex wohlig und räkelte sich an meiner Brust.
Ihre Bewegungen blieben nicht ohne eine Regung meines Körpers und ich nahm meine Frau ein weiteres Mal an diesem Abend.
Doch irgendwann mussten wir uns ja auch einmal hinauf in unser Schlafzimmer begeben und schweren Herzens stiegen wir aus dem Becken.
Plötzlich hörte ich ein lautes „AUA!“ meiner Frau und sie hielt sich den Bauch, was mich alarmiert zu ihr eilen ließ. Gott sei Dank kam die Entwarnung. Unsere Tochter trat ganz gerne um sich, vermutlich um sich zu strecken. Fasziniert strich ich über diese Wölbung.
„Mi sol, sieh dir das an. Ich kann einen Fuß erkennen.“ dieser kleine Abdruck war für mich einfach erstaunlich und ich konnte meine Augen nicht davon lassen.
Ich habe noch etwas Erfreuliches kundzutun!
Dr. Ambrosch hatte sich bei uns niedergelassen, als „Aushilfsarzt“ solange unser hiesiger Lazarett-Arzt noch nicht fertig war mit seinem Studium. Der kleine untersetzte Arzt aus New York war mir noch gut im Gedächtnis geblieben und wir konnten auf seine Loyalität zählen. Er hatte einiges von den seltsamen Vorkommnissen um unsere Familie miterlebt und war verschwiegen wie ein Grab.
Kurzerhand hatte er beschlossen seinen baldigen Ruhestand auf unserem Anwesen einzuläuten!
„Irgendwie habe ich ihn ja schon vermisst.“ kicherte Alex eines Tages, als er sie einer Untersuchung unterzogen hatte.
Mitte Juni stand ein Empfang in Richmond an. Da wir aber nur zwei Tage, höchstens, dort verweilen würden, ließen wir Edward daheim bei seinem Kindermädchen. Tränenreich trennte er sich von uns, er musste lernen, dass wir nicht immer um ihn herum waren. Es war ja nicht für lange.
Während unserer Fahrt dorthin, dachte man über eventuelle Namen für unsere Tochter nach.
Alex und ich hatten ab und an einmal darüber gesprochen, aber waren nie ernsthaft zu einem Ergebnis gekommen. Wir hatten ja auch noch ein wenig Zeit gehabt, doch jetzt?
„Habt ihr eventuell einen schönen Namen für ein Mädchen im Kopf?“ Magda sah Alex ob dieser Frage überrascht an und überlegte kurz.
„Mistress Kenway, wie wäre es, wenn ihr den Namen ihrer Großmutter nehmt?“ sie sprach meine Mutter und Alex´ an.
„Der Name meiner Mutter ist einfach zu deutsch, aber der deiner wäre doch eine gute Alternative.“ grübelte sie laut nach.
„Du meinst Tessa? Aber das ist einfach zu kurz und ich finde, Edward hat ja auch zwei Namen bekommen. Wie wäre es, wenn sie deinen Namen erhält?“ warum auch immer plädierte ich zu einem Doppelnamen. Auch ich trug den Namen meines Vaters und … er hatte mir einen arabischen Namen gegeben. Welcher von einem Assassinen stammte, welcher vor fast 1000 Jahren gelebt hatte. Hytham. Soviel wusste ich.
In diesem Moment wurde mir wie so oft bewusst, dass ich nicht genug Erklärungen erhalten hatte bezüglich der Assassinen-Zugehörigkeit meines Vaters oder seines früheren Lebens im Allgemeinen. Immer noch war es ab und an überraschend, wenn mir eine außenstehende Person etwas über meine Familie oder mein Leben berichtete, was ich noch nicht wusste.
Verzeiht erneut, meine Gedanken überschlagen sich mal wieder!
Alex sah mich Stirnrunzelnd an.
„Tessa Alexandra? Nein, das klingt so hart. Meine Oma fand auch immer, dass mein Name nicht richtig passt.“ Namensgebung kann mitunter schwer werden. Wir würden in den nächsten Wochen sicherlich zu einem passenden finden.
Am Abend machten wir uns für den Empfang beim Gouverneur und seiner Gattin fertig. Alex betrachtete bei unserer Ankunft für einen Augenblick dieses schlichte Backsteinhaus.
„Kaum zu glauben, dass hier ein Gouverneur lebt. Ich hatte immer gedacht, diese Anwesen sehen stattlicher aus.“ immer noch hatte sie sich nicht so ganz in diesem Jahrhundert wiedergefunden, wie mir scheint. Würde ich umgekehrt in ihrer Zeit so ohne Weiteres zurecht kommen? Vermutlich nicht!
Benjamin Harrison V war ein Plantagenbesitzer und wurde 1726 auf der Donovan Plantage, damals noch im Besitz einer anderen Familie, geboren. Bisher kannte ich ihn nur vom Hörensagen, aber alle Berichte waren positiv. Seine Frau würde leider heute Abend nicht zugegen sein. Auch sie war in anderen Umständen und unpässlich ließ man uns wissen.
Während des gesamten Abends wurde mir bewusst, warum wir mit den ganzen Staatsmänner zusammen trafen. Schon jetzt war zu spüren, dass sich eine Gegenbewegung zum britischen Königshaus erhob. Zwar noch recht verhalten, dennoch wahrzunehmen. Wie ein Damokles-Schwert über unseren Köpfen!
„Wir sollten beizeiten zur Sicherheit eigene Truppen haben und uns möglichst unabhängig machen.“ sprach Harrison seine eigenen Gedanken aus.
„Sicher, Sir. Und ich denke, wir werden auch von der Bevölkerung Unterstützung erhalten. Außerdem ist es uns möglich, souverän leben zu können und unseren Lebensunterhalt selber zu finanzieren. Ihr wisst es so gut wie ich, dass die Weizen-, Mais-, Tabak- und auch Baumwoll-Plantagen eine wichtige Einnahmequelle sind, welche wir entsprechend nutzen können.“ erwiderte ich in der Hoffnung, dass wir glimpflich davon kämen, wenn es zum Krieg kam.
Als die Damen sich langsam zurückzogen für ihre eigenen Gespräche, begann man tiefer gehend über die derzeitige Situation hier und auch in anderen Bezirken zu sprechen.
Wir sprechen hier nicht ausschließlich über die absurden Steuern, welche den normalen Verstand übertrumpften, wenn man genauer darüber nachdachte.
Nein, es ging auch um die Truppen der Patrioten hier in den Kolonien, der Kongress wurde aktiver, die Bevölkerung erwachte endlich!
Es wurde Zeit die britischen Soldaten in ihre Schranken zu weisen, indem man ihnen Unterkunft und Verpflegung nicht immer kostenlos zur Verfügung stellte, wie es ihnen King George III. versprochen hatte.
Aber genau darin lag das Problem. Diese Herren waren entweder unterbezahlt oder erhielten teilweise gar keinen Sold! Die Kassen des Königs waren leer, das wusste jeder.
Sie würden sich nicht einfach so vertreiben lassen. Ich hatte einige Berichte über Plünderungen und körperlichen Übergriffen der Soldaten erhalten. Ins Detail, denke ich, muss ich nicht gehen. Die Skrupellosigkeit welche dabei an den Tag mitunter gelegt wurde, war erschreckend, wenn auch minimal nachzuvollziehen.
Der Frust breitete sich in der Armee immer weiter aus und man ließ ihn an unbescholtenen Kolonisten aus.
„Mir hat man schon mehrfach die Geldbörse in der Taverne gestohlen. Was soll ich sagen? Bringt man es vor einen Richter hier, passiert nichts. Niemand weiß WER es war. Plötzlich ist jeder blind, taub, stumm oder einfach nur dumm, wenn es um Zeugenaussagen geht.“ dieser Herr war ein Mitglied des Kongresses und hoch angesehen bei Gericht. Da war es schon verwunderlich, dass er keine Unterstützung bei einer Anzeige bekam.
„Verzeiht, wenn ich so offen spreche und ich hoffe auf die allgemeine Diskretion, dass diese Gespräche den Raum nicht verlassen werden!“ mahnende Worte eines Mitglieds der Loge der Freimaurer, welcher mir wohlbekannt war. Ich hatte bereits bemerkt, dass wir eine kleine Gruppe bildeten, die etwas abseits der anderen plaudernden Männern stand.
„Wir sind uns des Zuspruchs der Söhne der Freiheit sicher. Diese Gruppe erhält immer mehr Zulauf und das sollten wir uns zunutze machen, Gentlemen! In jeder Stadt könnten wir jemanden unserer Loge und des Ordens einsetzen um weitere Personen zu rekrutieren und somit die Chance auf Erfolg zu maximieren. Die britische Armee ist zwar zahlenmäßig gut aufgestellt, aber hungert stellenweise über Wochen und lechzt nach warmen Unterkünften! All das sollten wir im Hinterkopf haben, wenn wir einen konkreten Gegenangriff planen!“
„Hört! Hört!“ kam es einstimmig von uns anderen.
Im Hinterkopf sollte ich aber behalten, dass Charles, Benjamin und Jonathan derzeit noch einen wichtigen Platz in der Armee inne hatten. Bei Master Lee mit Abstrichen durch seine Verfehlungen leider und bei unserem Arzt war ich mir seiner Loyalität dem Orden gegenüber nicht mehr zu hundert Prozent sicher. Es gab immer wieder Ungereimtheiten in seinen Aufzeichnungen und Berichten! Ich sollte ein Auge auf ihn haben!
Wenn alles nach meinem noch recht bescheidenen Plan lief, könnten wir uns in der sich bald neu bildenden Armee hier in Amerika einen Platz schaffen. Das hing jedoch von meinen Männern ab, die – wie ich hoffte -, nicht so leicht unterzukriegen sind.
„Master Kenway, ich hoffe, euer Zuspruch ist uns sicher. Wie ich hörte ist auch eure Frau politisch engagiert und arbeitet ebenfalls an ähnlichen … nunja … Aktivitäten.“ Worte eines Gentleman, welcher nicht viel von Frauen mit eigener Meinung hielt. Sir Baltazar Westworthy! Ein noch sehr neues Mitglied, aber soweit ich das beurteilen konnte, der Loge sehr ergeben. Wie seine Ahnenreihe vermuten ließ. Es verging nicht ein Abend bei den Treffen, an dem er nicht auf seinen Vater zum Beispiel zu sprechen kam.
Auch meiner war ein Freimaurer, was ich allerdings erst spät erfuhr. Nicht durch Reginald, sondern durch Shay! Er hatte es von seinem alten ersten Maat und dem Chevalier erfahren. Die Zugehörigkeit war nie ein Geheimnis, nur das was man besprach verließ nicht die Räumlichkeiten der Loge!
In Zukunft werde ich wohl auch dort des öfteren zugegen sein müssen und mich mehr einbringen.
„Sir, meine Gattin agiert Hand in Hand mit mir. Ihre Arbeit umfasst den Handel in größerem Stil und somit hätten wir auch dort entsprechende Möglichkeiten einige Steuern zum Beispiel zu umgehen. Die nächsten Monate, wenn nicht Jahre werden es zeigen. Ich selber werde meine Leute entsprechend einschleusen um an Informationen zu gelangen, die es uns ermöglichen die Schritte der britischen Armee und ihre Befehle schon im Vorfeld zu unterbinden.“ erklärte ich mich und erntete ein erneutes anerkennendes „Hört! Hört!“
Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns bei unserem Gastgeber, jedoch nicht ohne eine Einladung zu uns. Selbstverständlich aber erst, wenn Mrs Harrison die Geburt gut überstanden hatte. Mittlerweile hatte ich vollstes Verständnis für dieses Unwohlsein der Schwangeren!
„Ich werde es ihr mit Freuden mitteilen, Mistress Kenway, Master Kenway. Und ich wünsche auch euch, alles Gute, aber mit diesem Mann an eurer Seite, kann nichts schief gehen.“ lachte der Herr und wir stiegen in unsere Kutsche.
In unserer Unterkunft war es eine Erleichterung aus diesem steifen Anzug zu kommen. Es war recht schwül gewesen den ganzen Abend.
„Master Kenway, ich werde euch für morgen eine leichtere Garderobe zurecht legen. Es soll wieder sehr heiß werden.“ Michael war gerade dabei meinen Gehrock und die Stiefel zu verräumen. Für heute Nacht hatte er lediglich ein dünnes Leinenhemd für mich.
Im Bett streckte ich mich ausgiebig und genoss den kühlen Windzug, welcher durchs halboffene Fenster drang.
„Mistress Kenway, so haltet doch bitte still. Ich reiße euch sonst noch die Haare raus.“ kam es entnervt von Magda hinter Alex, die verzweifelt versuchte sich ihre Strümpfe selber auszuziehen. Eine gefühlte Ewigkeit später lag sie neben mir und seufzte erleichtert.
Fasziniert betrachtete ich ihren Bauch, welcher sich in alle Richtungen ausdehnte. Unser Kind streckte sich ausgiebig. Ich wollte diese Bewegungen nicht verpassen und legte meine Hand darauf. Vielleicht konnte ich so den kleinen Wirbelwind ein wenig beruhigen?
„Kleiner Engel, lass deine Mutter jetzt ein wenig schlafen.“ Ich konnte nicht anders und küsste die warme Haut meiner Frau und als wäre das das Stichwort für den Nachwuchs herrschte plötzlich Ruhe.
„Wenn du das auch später so hinbekommst, dann darfst du sie gerne immer zu Bett bringen, mi amor.“ lachte Alex leise und gab mir einen Kuss.
Auf dem Rückweg mussten wir des öfteren Rast machen, weil Magda sich unwohl fühlte. In den letzten Tagen hatte ich eine stetig wachsende Unruhe und Nervosität meines Kammerdieners bemerkt. Jetzt wurde mir klar, woher diese kam.
„Magda, ihr seid schwanger, richtig?“ Alex direkte Art war gerade mehr als gefragt und ihre Kammerzofe hatte ein entsprechend großes Vertrauen in sie. Dennoch sah sie mich etwas ängstlich an, bevor sie antwortete.
„Ja, Mistress Kenway. Aber ich werde trotzdem weiter für euch arbeiten. Diese Übelkeit wird ja vergehen, wie bei euch, nicht wahr?“ ihre Worte kamen hektisch über ihre Lippen.
„Magda, natürlich bleibt ihr in unseren Diensten. Meine Frau könnte sich keine bessere Zofe wünschen. Michael, versprecht mir nur, dass ihr gut auf die Mutter eures Kindes achtet!“ in den Gesichtern der Eheleute breitete sich eine große Erleichterung aus, nicht gefeuert zu werden.
Das würde auf gar keinen Fall passieren! Michael war mir ein treuer Begleiter geworden und ohne ihn würde wieder etwas fehlen. Er hatte einfach einen guten Geschmack, immer passende Vorschläge für die Garderobe und vor allem ein Auge für Dinge, die für mich eher unwichtig erschienen.
Zusammengefasst: Er war mittlerweile fast unersetzlich geworden.
Auch wenn ich Private Holden noch immer schmerzlich vermisste und seinen Tod betrauerte!
In den nächsten Wochen widmete ich mich der Pläne für die Söhne der Freiheit, der zu besetzenden Stellen in einer potenziellen Armee, der eigentlichen Plantagenarbeit und der zu organisierenden Bewässerung für die Felder. Wir hatten leider vor zwei Wochen Brände auf zwei Feldern hinnehmen müssen. Wie sie zustande kamen, wissen wir nicht. Brandstiftung war es nicht laut kleinerer Untersuchungsergebnissen, sondern Mutter Natur hat vermutlich ihren Tribut eingefordert.
Um meine Zuversicht zu erklären: Seit Monaten hatten wir hier keine Diebe, Bettler oder Banditen mehr gesehen. Vermutlich hielten sie sich alle fern, weil alle Nachbarn entsprechend aufgerüstet hatten.
Sogar ich hatte mich mit neuen Waffen eingedeckt, welche in unserem neuen vergrößerten und gesicherten Kellergewölbe lagerten.
Auch die Erziehung von Edward galt es im Auge zu behalten, was nicht immer einfach war. Es war mitunter schwer ihn bei Laune zu halten bei diesen Temperaturen. Gefühlt waren sie ins Unermessliche gestiegen und raubten uns allen die Nerven allmählich!
Besonders schlimm traf es meine schwangere Frau!
„Es ist einfach zum Kotzen, mi amor! Kaum bin ich aufgestanden und angezogen kann mich Magda auch gleich wieder umziehen! Ich will einfach nicht mehr!“ jammerte sie an einigen Morgen.
Alex hatte sich am heutigen Tag für eine Abkühlung im Fluss zusammen mit den üblichen Schwimmübungen für unseren Sohn entschieden.
Beim Frühstück entgleisten Edwards Manieren leider wie so oft.
Er bekam nicht seine geliebten süßen Brötchen, sondern nur gebutterten Toast und Eier.
„Das schmeckt nicht. Ich will das nicht!“ dieser Ton in seiner Stimme ließ mich lauter werden.
„Du isst, was auf dem Teller ist, Edward. Habe ich mich klar ausgedrückt. Ansonsten kannst du mit Sybill auf dein Zimmer gehen. Aber ohne Walka!“ eine Drohung welche seit ein paar Wochen funktionierte, weil er wusste, dass ich sie in die Tat umsetzen würde!
„Ja, Vater.“ kam es kleinlaut schmollend von unserem Sohn.
Im Anschluss musste ich mich verabschieden, weil Dr. Ambrosch mich zu einem Patientenbesuch hinzu gebeten hatte. Einer der älteren Pächter war unglücklich gestürzt und hatte einen schweren Oberschenkelbruch erlitten.
„Master Kenway, es ist nicht gut bestellt um den Herren. Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen. Leider ist sein Sohn gerade unabkömmlich, er hat sich in die Armee eingeschrieben und seine Frau ist nun alleine mit ihrem Gatten. Die Nachbarn tun ihr bestes ihr beizustehen und Trost zu spenden, doch es wäre gut, wenn auch ihr dort einmal vorstellig werden könntet.“
Wir ritten ungefähr eine Stunde in westliche Richtung bis wir auf das Haus des Kranken trafen. Es lag mittig zweier Weizenfelder, gesäumt von einer geräumigen Scheune und einem Unterstand für die Pferde. Hier liebte jemand Blumen und hatte sich der Gärtnerei verschrieben. Ich vermutete dahinter die Gattin des Pächtern.
„Mrs Weinbauer hat in ihrer Heimat Böhmen in jungen Jahren viel über Pflanzen, Blumen und im Allgemeinen die Flora und Fauna gelernt. So hat sie ihren Mann auch kennengelernt.“ erzählte mir der Doktor auf dem Weg zur Tür.
Im Inneren war es erstaunlich kühl. Für einen Moment atmete ich nach der Begrüßung erleichtert durch und begab mich dann ins Zimmer des Verletzten.
„Mr Weinbauer! Ihr seht heute ja schon viel besser aus. Habt ihr noch Schmerzen?“ fragte der Arzt nach und begann ihn zu untersuchen.
„Oh, Dr. Ambrosch, Master Kenway! Mit euch habe ich gar nicht gerechnet…“ er versuchte sich zu erheben, einfach aus Reflex mutmaßte ich und stoppte ihn augenblicklich. Wir sollten keine weiteren Verletzungen heraufbeschwören.
„Bleibt liegen, Mr Weinbauer! Eure Knochen müssen erst wieder verheilt sein.“ bat ich ihn. „Aber erzählt, wie ist es zu diesem Unfall gekommen?“ hakte ich nach, weil ich einfach zu neugierig war. Meine Frau schien auf mich abzufärben.
„Sir, ich wollte einige Schindeln auf dem Scheunendach erneuern, die der Sturm zerstört hatte. Dass sich aber bereits so viel Moos dort oben gebildet hatte, hatte ich nicht bedacht und der Morgen war trübe gewesen. Alles war mit Tau bedeckt und dann … ich rutschte einfach aus und fiel hinunter. Zu meinem besonderen Verdruss stand dort noch der Karren mit dem Dreschflegel, welchen ich reparieren wollte. Ach, eins kam zum anderen, wisst ihr. Aber wenigstens lebe ich noch!“ jetzt lehnte er am Kopfende und nahm einen Schluck von dem Tee, welchen uns seine Frau gebracht hatte.
„Eine Verkettung unglücklicher Umstände könnte man sagen.“ sagte Dr. Ambrosch und bekreuzigte sich schnell.
Gerade als wir uns über die Prognose der Ernteeffizienz unterhielten, stürmte ein Diener aus meinem Haus herein.
„Master Kenway! Doktor Ambrosch! Es ist soweit…“ keuchte er und sah uns erwartungsvoll an.
„Sprecht Mann, ist …“ ich sprang auf, weil es nur um Alex gehen konnte! „Die Wehen haben eingesetzt bei meiner Frau?“ warum ich nachfragte ist mir bis heute nicht klar.
„Ja, Sir! Miss Abbigail bat mich, nach euch beiden zu schicken.“ er hatte sich etwas beruhigt und wir folgten ihm, nachdem ich mich noch einmal vergewissert hatte, dass die Eheleute Weinbauer gut versorgt waren.
Auf dem Ritt nach Hause schonte ich meine Stute nicht. Ich wollte keinen kostbaren Moment an der Seite meiner Frau verpassen. Hoffentlich kam ich noch nicht zu spät. Eine Stunde hin und eine zurück … im Kopf überschlug sich gerade alles. Drei Stunden, 4 Stunden … wie viel Zeit war schon vergangen?
„Master Kenway, so wartet doch! Das Kind wird nicht einfach herausfallen!“ rief mir der Arzt noch hinterher, welcher abgeschlagen mit seinem alten Hengst hinterher trottete.
„Das weiß ich!“ rief ich über meine Schulter, ließ mich aber nicht von meinem Tempo abbringen!
Daheim sprang ich einfach von Brida, eilte die Stufen hinauf in unser Schlafzimmer und musste erst einmal tief Luft holen, ehe ich Alex genauer betrachten konnte.
„Mi sol, wie geht es dir. Wie weit ist es? Komme ich zu spät?“ immer noch schwer atmend stand ich vor ihr.
„Du kommst genau richtig, mi amor. Es wird aber sicherlich noch etwas dauern. Deine Tochter macht sich noch hübsch, dass nimmt noch einige Zeit in Anspruch.“ plötzlich brach sie in Tränen aus. Alex erklärte mir mit schniefenden Unterbrechungen, dass ihre Großmutter das einmal während der Schwangerschaft mit Yannick zu ihr gesagt hatte. In diesem Moment vermisste sie, verständlicherweise, ihre Familie.
Tröstend legte ich meine Arme um sie in der Hoffnung, es würde ihr helfen. Langsam wurde sie ruhiger unter meinen Berührungen. Abbigail bat mich leise darum, die Ärmel hochzukrempeln und die Stiefel schon einmal auszuziehen.
„Man weiß ja nie, was noch passiert. Wir stehen noch am Anfang der Geburt, Master Kenway.“ sprach sie leise, während sie immer ein Auge auf Alex hatte.
Aus einer Intuition heraus ließ ich meinen Adlerblick über sie gleiten und staunte nicht schlecht.
„Edward hatte dieses stetige violette Leuchten, unsere Tochter scheint sich noch nicht entschieden zu haben. Von Gold über blau bis hin zu rosa sehe ich alles. Aber keine Sorge, nichts rotes, mi sol.“ da ich für einen winzigen Moment die Besorgnis in ihrem Blick sah, erläuterte ich meinen Eindruck dahingehend noch einmal explizit.
Zwei weitere Stunden später kam die nächste Untersuchung und mittlerweile war auch Dr. Ambrosch anwesend. Er tastete ihren Bauch ab, stutzte kurz und fühlte noch einmal über die Seiten. Besorgt sah er sie an.
„Mistress Kenway, euer Kind scheint sich noch ein wenig gedreht zu haben. Es liegt jetzt quer. Das verstehe ich nicht, soviel Platz ist gar nicht vorhanden, zumal ihr auch jegliches Wasser verloren habt.“ er setzte seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken.
„Aber ist das jetzt schlimm? Wenn ich weiter laufe, kann sie sich doch noch einmal wieder nach unten schieben oder nicht?“ in ihrer Stimme hörte man regelrechte Panik heraus.
„Noch seid ihr nicht soweit geöffnet, also schreite ich auch noch nicht ein. Lasst uns vielleicht noch eine Stunde abwarten.“ er legte seine ganze Zuversicht in diese Antwort. Mir erschloss sich leider nicht, wie so etwas möglich war und wie dann die Geburt überhaupt von statten gehen sollte. Wie ich mehrfach schon erwähnte, meine medizinische Kenntnisse beschränken sich auf leichte Schuss- und Schnittverletzungen wenn es hoch kommt.
Es war also wieder an der Zeit, dass meine Gattin ihren Marsch durch unser Schlafgemach fortsetzte, genau wie damals bei Edward. Wo war er überhaupt? Ich hatte ihn noch gar nicht gesehen, geschweige denn gehört.
Sybill würde sich sicherlich seiner angenommen haben, redete ich mir ein, damit ich einen freien Kopf für Alex behielt.
Die Standuhr im Eingang schlug sechs mal, als Dr. Ambrosch erneut meine Frau untersuchte.
„Mistress Kenway, es ist soweit. Aber eure Tochter liegt immer noch quer. Wir werden jetzt versuchen sie zu drehen. Das kann etwas schmerzhaft werden.“ sprach Abbigail leise. Die beiden Geburtshelfer baten mich am Kopfende Platz zu nehmen, während Alex sich vor mich legte. So konnte ich sie halten und beruhigen, hoffte ich!
Mit vereinten Kräften drückten, schoben und massierten die Hebamme und der Arzt ihren Bauch. Diese Schmerzen während dieser Behandlung vermag ich nicht zu beurteilen, aber sie müssen durch Mark und Bein gehen, so wie Alex sich in meinem Griff wand und jammerte. Ich würde ihr gerne einen Teil abnehmen, doch das war leider nicht möglich!
Mit einem Male knackten meine Fingerknochen und mich durchzuckte ein beißender Schmerz.
„Auaaaa“ brachte ich hinter zusammen gebissenen Zähnen hervor.
„Stell dich nicht so an, du hast mir das doch angetan. Aber du wirst dich noch wundern! Nie wieder lass ich dich in meine Nähe. Hörst du? Nie wieder!“ schrie sie mich an. Kannte ich nicht sogar noch schlimmere Verfluchungen von ihr? Dieser Gedanke ließ mich meine eigenen Pein ein wenig vergessen.
Plötzlich riefen Dr. Ambrosch und Abbigail zeitgleich, sie solle pressen, es wäre soweit. Alex tat wie ihr geheißen. Diese Kraft dieser kleinen Frau stieg noch einmal um das hundertfache an. Es war wie ein Wunder!
„Mi sol, du machst das großartig!“ eigentlich feuerte ich sie an, weil mir die passenden Worte nicht in den Sinn kamen. Reichte mein Zuspruch? „Ich bin bei dir, mach weiter… du schaffst das!“
Im nächsten Moment schrie meine Frau auf und krallte sich noch fester an mich. Der Schweiß rann ihr über das Gesicht und den gesamten Körper, während Abbigail und Dr. Ambrosch etwas hektisch mit Handtüchern zwischen den Schenkeln meiner Frau agierten.
„Was ist denn los?“ ich war ebenfalls verunsichert.
„Master Kenway, das zu erklären, wäre jetzt unpassend. Nur soviel sei gesagt, wenn ich den Druck, den der Kopf eures Kindes gerade ausübt, nicht etwas unterbinde kann es passieren, dass … es einen unschönen Riss gibt, welchen ich anschließend nähen muss.“ mehr sagte der Arzt nicht und widmete sich wieder meiner Gattin.
Es war Abbigail, welche mit leuchtenden Augen kurz darauf sprach.
„Mistress Kenway, gebt mir eure Hand.“
Alex ließ ihre Hand von der Hebamme führen genau wie bei Edward damals. Ein freudiger und leicht erschrockener Ausruf drang aus ihrer trockenen Kehle.
Und dann ging es, für meine Begriffe, recht schnell. Sie legte ihr Kinn auf die Brust und mit den letzten Kraftreserven brachte sie unsere Tochter auf die Welt!
Dieser erste Schrei, der erste Blick auf unseren Nachwuchs … er wird einfach unvergesslich bleiben! Ich weiß, ich bin nicht der typische Vater. Aber ich habe mir geschworen, einige Dinge anders zu handhaben, wie ihr wisst!
„Mi sol, sie ist da. Schau.“ vorsichtig strich über ihre Wange und deutete nach unten. Noch hatte Alex nämlich nicht registriert, dass es – fast – vorbei war.
Langsam richtete sie sich etwas auf und sah auf dieses kleine Wesen hinunter.
„Min lille engel. Da bist du ja endlich.“ flüsterte Alex und gab ihr einen Kuss auf den Kopf.
„Sie ist wunderschön, wie ihre Mutter.“ ich konnte gerade meine Freude, meinen Stolz und ganzen Gefühle nicht bändigen. Meine Stimme zitterte bei diesen Worten!
Es dauerte nicht lange bis auch unsere Tochter ihren Hunger kundtat. Während meine Frau sie an ihre Brust legte, setzten die Kontraktionen für die Nachgeburt ein. Erleichtert bekamen wir kurz darauf die Aussage, dass alles in Ordnung sei.
„Herzlichen Glückwunsch zu eurer Tochter, Master Kenway, Mistress Kenway.“ Abbigail und Dr. Ambrosch sprachen fast zeitgleich.
Ich bedankte mich auch im Namen meiner Frau für diese fantastische Hilfe!
„Master Kenway, solange ich noch nicht ganz im Ruhestand bin, könnt ihr mich jederzeit zu Rate ziehen.“ zwinkerte der Arzt und verabschiedete sich. Er wollte noch einmal nach dem verletzten Mr Weinbauer sehen.
Als der Durst unserer Tochter gestillt war, übergab Alex sie mir und ich lehnte mich an das Kopfende. Endlich hatte ich ein wenig Zeit, sie zu betrachten. Ihre Haare waren rötlich-blond und die Haut leicht durchschimmernd. Mit geschlossenen Augen lag dieser kleine Mensch in meinen Armen und atmete friedlich vor sich hin. Dieser Augenblick sollte so stehen bleiben!
Ich zählte ihre Finger, ihre Zehen! Sie war perfekt!
Vermutlich hatte ich das breiteste und stolzeste Grinsen im Gesicht.
„Das hast du, mi amor.“ flüsterte Alex, als sie frisch gewaschen und neu eingekleidet auf dem Bett neben mir Platz nahm.
Mittlerweile räumte man hier wieder auf und es war geschäftiges Treiben um uns herum, was aber unsere Tochter nicht zu stören schien.
Die Hebamme hatte ihre Tasche gepackt und wollte gerade gehen, als sie sich noch einmal umdrehte.
„Wie soll denn eure Tochter heißen?“ fragte sie leise mit Blick auf uns gerichtet.
„Florence Tessa Kenway!“ dabei sah mich Alex lächelnd an. Doch mit dem Namen konnte ich, bis auf Tessa, nichts anfangen und fragte, wie sie darauf kam. „Florence Nightingale, sie wird später die Schirmherrin für alle Krankenschwestern. Sie reformiert das Sanitätswesen und wird berühmt.“
„Das finde ich wirklich passend, mi sol.“ dass ihr geschichtliches Wissen irgendwann sogar zur Namensgebung beitragen würde, hätte ich nicht vermutet. Wieder einmal war ich stolz auf sie. „Dann soll sie so heißen!“ damit stand ich mitsamt Florence auf und öffnete die Tür zur Galerie.
Dort wurde ich bereits zu meinem Erstaunen erwartet.
Es waren nicht nur Edward und Walka, nein. Auch Yannick stand dort und sah mich erwartungsvoll an. Auch unser Enkel war mit dabei.
Ich rief in die Eingangshalle hinunter, dass wir eine gesunde Tochter mit dem Namen Florence Tessa bekommen hätten, damit die Angestellten informiert waren. Mitsamt unserer Gäste betrat ich wieder unser Schlafzimmer.
„Mom, ich habe eine kleine Schwester. Ich fasse es nicht.“ beherzt nahm er seine Mutter in die Arme. Ich legte Florence in seine Arme und kniete mich neben Edward, welcher noch etwas verwirrt im Raume stand. „Du bist aber hübsch. Ich bin dein großer Bruder, Florence.“
„Mama, ist das meine Schwester?“ fragte mein Sohn leise und ging dann auf Yannick zu.
„Edward, schau. Das ist sie. Wir haben eine kleine Schwester!“ etwas entgeistert starrte der kleine Kenway auf seinen großen Bruder.
Er erkannte seinen Halbbruder nicht! Die damalige Reise war ihm nicht in Erinnerung geblieben.
Kurzerhand übernahm Yannick die Erklärung, indem er Florence wieder an Alex reichte und Edward an die Hand nahm. Die beiden Jungs verließen das Schlafzimmer und ich mit ihnen. Meine Frau brauchte etwas Ruhe! In ihren Augen lag eine überwältigende Müdigkeit, die sie dringend ad Akta legen sollte.
Vor der Tür vernahm ich dann leises Weinen von Florence und die Stimme meiner Frau.
„Min lille engel…“ ihr Flüstern war typisch für eine Mutter. Aber das Lied was ich nun hörte, war ein gänzlich neues in ihrem Repertoire und ich verweilte noch einen Moment um es genießen zu können!
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Yannick, Alexander, Edward und ich standen für einen Moment auf der Galerie und es war, als müssten wir alle erst einmal unsere Sinne und Gedanken ordnen.
„Opa, darf ich wieder zu Oma rein?“ das musste ich leider fürs Erste verneinen.
„Alex, lass deine Großmutter noch einen Moment ausruhen. Sie ist erschöpft von der Anstrengung.“ erklärte ich, während ich mit ihnen schon die Treppen hinunter ging.
„Mama war auch ganz müde, als Franziska da war. Papa, war das auch bei mir so?“ ich hätte mir diese Fragen denken können. Grinsend sah ich die beiden an, wie sie in ein Vater-Sohn-Gespräch abdrifteten.
Edward zupfte an meinem Hosenbein. „Vater, wo kommt Yannick so plötzlich her. Er sagte, dass er durch einen Spiegel gegangen ist, als er wusste, dass meine kleine Schwester geboren werden sollte.“
Wie bitte sollte ich ihm das alles erklären?
„Wir, deine Mutter und ich, kennen uns schon länger. Du hast sicherlich auch bemerkt, dass wir Fähigkeiten haben, die andere nicht besitzen. Richtig?“ Nickende Zustimmung von Seiten meines Sohnes. „Es war deine Mutter, der es vor vielen Jahren ermöglicht wurde, die Zeiten zu bereisen. Sie kann in die Vergangenheit oder auch Zukunft. Wie es ihr beliebt. Aber bedenke, das ist nicht ganz ohne Risiko. Und du weißt ja, die Götter haben ein Auge auf uns. Auch auf dich, mein Sohn!“ dabei sah mich Edward etwas erschrocken und ertappt an, was mich schmunzeln ließ. Darüber hatte er wohl noch nicht nachgedacht, auch wenn sein Pate immer an seiner Seite war.
In diesem Gespräch begann ich ihm ein wenig über unsere Vergangenheit, das Kennenlernen, die Zeit mit seinem Großvater und ähnlichem zu berichten. Vieles musste ich jedoch noch auslassen! Er würde es erst später verstehen können.
Plötzlich eilte Alexander an uns vorbei, grinste breit und verschwand im Schlafzimmer.
„Seine Tante ist gerade wichtiger als ich!“ lachte Yannick und hob Edward auf seine Arme. „Und du? Erzähl mir von dir. Ich bin neugierig was du alles so den ganzen Tag machst.“ mein Stiefsohn ging dabei wieder langsam hinunter und wo Edward gerade noch verunsichert reagierte, begann er nun zu plappern. Walka gesellte sich ebenso zu ihnen.
Ich machte mich kurz im Bad unten frisch und ließ mich von Michael beglückwünschen.
„Master Kenway! Herzlichen Glückwunsch, auch im Namen meiner Frau, zur Geburt eurer Tochter. Einen wirklich hübschen Namen habt ihr gewählt für sie!“ dieser Mann war selber gerade die Ungeduld in Person.
„Ich danke euch, Michael. Und ich hoffe, dass auch ihr alsbald eurem Kind einen Namen geben könnt.“ lächelte ich über meine Schulter, während er mir den Hausmantel über die Schultern legte.
Und dann begann er mich auszufragen, in einem regelrechten Wasserfall sprudelten die Fragen, die Worte aus ihm heraus. Ich versuchte mit besten Gewissen und Wissen zu antworten, weil ich dem jungen Vater keine Angst einjagen wollte.
„Und macht euch um die Anstellung eurer Frau keine Gedanken! Wir werden eine temporäre Lösung finden und sie wird sicher schnell wieder ganz für Mistress Kenway da sein können! Habt Vertrauen, Michael!“
Mit diesen Worten ging ich auf die Suche nach meinem Stiefsohn, welcher mit den Jungs im Wintergarten saß und sich das Dinner bereits schmecken ließ.
Ich setzte mich dazu und bemerkte erschreckend, dass auch ich wie ausgehungert war. Den ganzen Tag hatte ich nichts zu mir genommen, nur ab und an einen Schluck Tee!
Nachdem wir uns alle gestärkt hatten, die jungen Herren mit Milch, während Yannick und ich uns dem alkoholischen guten Tropfen ausgiebig gewidmet hatten, beschlossen wir der frisch gebackenen Mutter einen Besuch abzustatten.
Die Treppe stellte seltsamerweise einen stark schwankenden Untergrund dar und ich musste das Geländer zur Hilfe nehmen um nicht wieder hinunter zu segeln.
Dieser neue schottische Whiskey war mit Bedacht zu genießen wurde mir klar, aber jetzt war es zu spät.
Wir öffneten die Tür oder eine der drei Türen vor uns?
„Vater! DORT ist die Klinke.“ es war wie bei Sesam-öffne-dich! Magisch! Wir standen im besagten Schlafzimmer und sahen auf meine Frau hinunter, welche uns ebenso fragend betrachtete.
„Mi sol, ich bin so stolz auf dich.“ ich musste es einfach noch einmal aussprechen und ging auf das Bett zu. Doch der Läufer davor brachte mich fast zu Fall, verdammt! Vorsichtig beugte ich mich zu Alex hinunter und gab ihr einen Kuss.
„Mom, dein Mann kann ja eine richtige Plaudertasche sein.“ das war Yannick der sprach. War ich das wirklich? Was hatte ich denn so aus dem Nähkästchen geplaudert um es in der Sprache der Damenwelt auszudrücken!
Wissend zwinkerte mir mein Stiefsohn zu und legte beschützend den Arm um meine Schultern.
„Ein Gentleman genießt und schweigt.“ mein Grinsen sollte über meine alkoholbedingte Unwissenheit hinweg täuschen.
„Aha, und wer von euch ist einer dieser Gentlemen, wenn ich fragen darf?“ Alex hatte bereits eins und eins zusammengezählt, ich hätte es mir denken können. Sie nahm uns nicht wirklich ernst. Sie sähe uns vermutlich auch lieber in einem der Betten der Gästezimmer damit wir den Rausch ausschlafen konnten. In diesem Moment war das einer meiner begehrtesten Gedanken und Wünsche seit langem!
„Ich bin das!“ kam es von Alexander und Edward Junior gleichzeitig. Die beiden Jungs sahen sich an und kicherten drauf los.
„Na dann, meine kleinen Gentlemen, wollt ihr mir nicht etwas Gesellschaft leisten? Erzählt mir etwas.“ dieser Sarkasmus in ihrer Stimme entging meinem recht vernebeltem Verstand in keinster Weise!
„Ihr beide solltet vielleicht ein wenig ausnüchtern. Im Gästehaus habt ihr sicherlich noch Platz.“ vielleicht sollten Yannick und ich einfach diesem Ratschlag Folge leisten, nur um Streitereien zu vermeiden.
Entsetzt dachte ich an diverse Stimmungsschwankungen plötzlich nach der Geburt von Edward!
Alles in mir schrie: RAUS HIER!
„Ruh dich aus, Mom!“ rief Yannick noch über seine Schulter hinweg, als ich ihn schon aus dem Zimmer bugsierte.
„Was denn…“ nuschelte er, als ihm klar wurde, dass auch er nicht mehr ganz nüchtern war. „Oh, ich verstehe. Wo kann ich schlafen?“ fragend sah sich mein Stiefsohn um.
„Komm, im Gästezimmer hier oben ist eine Menge Platz, aber ich warne dich! Schnarchst du, dann hast du eine kurze Lebenserwartung.“ meine Zunge war schwer wie Blei von diesem Whiskey. Jesus, was war da drin?
Im Morgengrauen suchte ich das Weite, weil dieser Junge mir mit seiner Zappelei und dem ständigen Gerede im Schlaf, jedwede Erholung versagte! Genervt und leicht frustriert ging ich zu meiner Frau. Leise schlupfte ich ins Bett und genoss diese Stille in diesem Raum. Nur das Atmen der beiden Damen neben mir, die kühle Brise durch die leicht geöffneten Fenster und dieses dämmrige Zwielicht beruhigten mich und ich schlief endlich ein.
Doch auch hier war mir kein langes Ruhen vergönnt.
Schon bald vernahm ich leise quengelnde Laute meiner Tochter neben mir.
Vorsichtig beugte ich mich zu ihr, küsste ihre Stirn und gleichzeitig flüsterte ich meiner Frau ein „Guten Morgen“ zu.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ fauchte sie mich trotz ihrer Müdigkeit an.
„Konntest du nicht schlafen? Hast du noch Schmerzen? Brauchst du etwas?“ versuchte ich sie etwas zu beruhigen.
„Nein, ich konnte nicht schlafen. Nein, ich habe keine Schmerzen, zumindest fühle ich gerade nichts, weil ich übermüdet bin. Und ja, ich brauche Kaffee!“ die letzte Bemerkung kam mit einer ziemlichen Inbrunst über ihre Lippen, welche natürlich unsere Tochter gänzlich weckte.
Alex´ schlechtes Gewissen zeigte sich sofort in ihrem Gesicht. Daher beschloss ich selber aufzustehen und meiner Gattin noch ein wenig Ruhe zu ermöglichen.
„Gib sie mir, ich übernehme für dich und du… schlaf jetzt etwas.“ ein Kuss und ich stand mitsamt Florence auf.
Mittlerweile war es 8 Uhr durch, das leise Lärmen der Angestellten die das Frühstück richteten war im Hause zu hören.
Auf der Galerie traf ich auf Yannick und Alexander.
„Guten Morgen, Opa! Ist Oma auch schon wach?“ strahlend sah er seine Tante auf meinem Arm an.
„Nein, sie schläft noch. Lass uns nach unten gehen und schauen, was Miss Tabea leckeres für uns zu essen gemacht hat.“ ich selber verspürte nämlich ein leichtes Hungergefühl und den Wunsch ein wenig warmen Tee zu bekommen.
„Ich vermisse die süßen Brötchen von Mrs Wallace, Haytham. Apropos! Ich habe sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen.“ fragend sah sich mein Stiefsohn um.
„Sie wird sicherlich gerade Edward fertig machen und dann zu uns stoßen. Und jetzt … runter mit euch. Ich brauche etwas in den Magen.“ man folgte mir wie geheißen hinunter in den Wintergarten, wo auch der Tisch bereits fertig gedeckt war.
Wir saßen gerade, als auch Edward mit Sybill erschien.
„Guten Morgen, Vater.“ er war wie ausgewechselt. Diese ruhige, höfliche und manierliche Art legte er nur an den Tag, wenn ich ihn vorher gerügt hatte.
Master Edward ist etwas verunsichert wegen des Besuchs, Master Kenway. Er versucht zu verstehen, wie das alles möglich ist. Außerdem ist er etwas scheu, seinem großen Bruder gegenüber. Wir sollten ihm Zeit geben. Das legt sich sicher bald. Hörte ich Sybill in meinen Gedanken während sie sich mit uns an den Tisch setzte.
„Mrs Wallace, ich habe euch und eure Kochkünste vermisst.“ begann Yannick mit vollem Mund zu reden und strahlte meine damalige Haushälterin an
„Danke, Master Frederickson. Aber meine Nachfolgerin leistet fantastische Arbeit.“ lächelte sie bescheiden in seine Richtung.
Edward hingegen schien keinen rechten Appetit zu haben. Er starrte auf seinen Teller, dann zu Florence, welche jetzt in ihrem Körbchen neben dem Tisch schlief.
„Was ist los mein Sohn?“ fragte ich leise.
„Nichts, Vater. Ich … bin nur müde.“ nuschelte er, als er von seinem Toast abbiss.
Vielleicht sollte ich ihn wirklich nicht weiter drängen und abwarten, dass er von alleine Fragen stellte.
Yannick und ich beschlossen, nach dem kleinen Mahl mit den Jungs hinaus zugehen und vielleicht etwas im Fluss zu schwimmen. Der Vorschlag wurde begeistert angenommen und es schien, als würde Edward weiter auftauen.
Zumindest erzählte er von seiner kleinen Flotte, die er seinem Onkel dann zeigen wollte.
Gesagt getan! Mrs Wallace übernahm fürs erste Florence und wir Herren machten uns auf nach draußen.
Wir sollten über ein Kindermädchen für unsere Tochter nachdenken. Darauf angesprochen sah mich Sybill freudig an.
„Master Kenway, ich hätte auch schon die passende Person dafür. Sie war damals Kindermädchen und später Gouvernante bei einer angesehenen Familie in New York zu der Zeit, wo auch ich dort war und bei euch angestellt wurde. Sophia ist eine sehr liebe und vor allem kinderliebe Frau. Sie geht in ihrer Berufung vollends auf.“ bei dem Wortschwall röteten sich ihre Wangen vor Freude.
„Dann ist es abgemacht, ich kann euch da sicher vertrauen und erwarte alsbald einen Besuch von Miss Sophia.“ die Dame war nicht verheiratet, 29 Jahre alt und hegte keinen eigenen Kinderwunsch. In wenigen Tagen sollte sie hier sein, versicherte mir Sybill noch einmal.
Die Abkühlung im Fluss tat sogar mir gut und ich fühlte mich seltsam befreit und erleichtert. Mein Kopf klärte sich, der Kater verschwand langsam und dieses Spiel mit den kleinen Schiffen meines Sohnes lenkte mich weiter von Alltagssorgen ab.
„Eddy, du kannst ja richtig gut schwimmen!“ rief mein Enkel und eilte ihm hinterher. Die beiden hatten ihren Spaß, tauchten sich gegenseitig unter oder Alex hob ihn etwas hoch um ihn wieder ins Wasser zu werfen.
Irgendwann zog ich mich auf den kleinen Steg zurück, wo uns eine kleine Stärkung bereits erwartete.
„Haytham, die beiden kommen wirklich gut miteinander aus. Man könnte fast meinen sie seien Geschwister. Weißt du, es ist immer noch seltsam, dass ich jetzt zwei Geschwister dazu bekommen habe. Dieses Gefühl eines großen Bruders ist irgendwie noch nicht wirklich bei mir angekommen.“ bei diesen Worten sah er auf die Jungs vor uns und schüttelte grinsend seinen Kopf.
„Wer weiß, vielleicht kommt es ja doch noch irgendwann. Manche Dinge brauchen einfach Zeit.“ mutmaßte ich.
Gegen halb 11 eilte Mrs Wallace mit einer weinenden Florence auf dem Arm zu uns.
„Master Kenway, sie weint und ich kann sie nicht beruhigen.“ damit reichte sie mir meine Tochter.
Aber auch als ich sie versuchte zu trösten, scheiterte ich kläglich. Vermutlich hatte sie wieder Hunger, es waren schließlich einige Stunden vergangen.
„Lass mich zu Mom gehen.“ bot sich Yannick grinsend an. Meine Frau war nicht gut zu sprechen auf mich, dass wusste er und konnte sich denken, dass ich mir weitere Tiraden ersparen wollte. Also marschierte er kurzerhand mit einem Hausmantel bekleidet zu seiner Mutter.
Ich hingegen holte die Jungs aus dem Wasser und wir beschlossen, etwas in den Garten zu gehen.
„Hey, Alex! Ich muss dir zeigen wie ich schon in die Bäume klettern kann!“ rief Edward und rannte, nachdem er sich wieder angezogen hatte, Richtung des Obstgartens. Nur seine Ausdrucksweise war etwas, wie soll ich sagen, ungewohnt wie die seiner Mutter ab und an. Der Einfluss Yannicks und unseres Enkels, auch wenn er nur kurz war, hinterließ bereits Spuren. Aber rügen würde ich meinen Sohn jetzt nicht. Auch er brauchte eine gewisse Eingewöhnungszeit mit den neuen Eindrücken.
Sie waren also beschäftigt und ich begann mich ebenfalls wieder einzukleiden.
Langsam schlenderte ich zu den Jungs und beobachtete wie sie sich gegenseitig anfeuerten, höher zu klettern oder sich Kopfüber an die Äste zu hängen!
Immer wieder schreckte ich zusammen, wenn einer der beiden sich fast nicht mehr halten konnte und drohte zu stürzen.
„Master Kenway, ich werde heute Abend noch einmal nach eurer Frau sehen. Ihr geht es aber sehr gut, auch wenn sie etwas unter Schlafmangel leidet. Ich wünsche euch noch einen guten Tag.“ hörte ich die Stimme der Hebamme neben mir. Ich hatte sie gar nicht bemerkt.
„Oh, natürlich Abbigail. Das freut mich zu hören. Dann sollte ich wohl einmal nach meiner Gattin sehen und fragen, ob ich etwas für sie tun kann.“ - und hoffentlich würde sie mich nicht wieder so anfahren wie heute morgen – ging es mir durch den Kopf.
„Die beiden verstehen sich sehr gut, mi sol. Man könnte meinen, sie seien Brüder. Nicht Onkel und Neffe.“ machte ich mich leise bemerkbar, als ich sah, wie Alex am Fenster stand und die Jungs beobachtete. Sie hatte mich noch gar nicht bemerkt.
Meine Arme legten sich wie selbstverständlich um sie bei diesen Worten.
„Es ist schon eine seltsame Konstellation, findest du nicht? Aber wie geht es Edward mit seiner kleinen Schwester. Meinst du, er versteht es schon und ist nicht eifersüchtig auf sie. Weil ich vermute, dass ich mit ihr mehr zu tun habe, als mit ihm. Florence ist… unruhiger. Ich kann es nicht mal richtig beschreiben.“ in ihren Augen sah ich, dass sie wirklich verunsichert war und – wie wir alle in diesem Moment – noch nicht ganz vertraut mit der neuen Situation war.
„Edward wird sicherlich eifersüchtig reagieren. Das ist aber völlig normal, bis jetzt warst du immer greifbar für ihn. Aber ich denke, wir werden das gemeinsam schaffen, außerdem habe ich auch schon mit Sybill über ein Kindermädchen für unsere Tochter gesprochen. Übermorgen soll die Dame hier vorstellig werden. Eine Sophia Cappel, 29 Jahre alt und unverheiratet. Mrs. Wallace kennt sie noch aus New York und sprach lobend von ihr.“ Alex sah mich grinsend an.
„Im Grunde ist sie schon eingestellt, oder?“ kicherte sie, weil sie genau wusste, dass es abgemacht und eigentlich auch schon in trockenen Tücher war.
„Es ist nur noch pro Forma.“ ein leises Lachen konnte ich mir nicht verkneifen.
„Ich habe Hunger, mi amor. Ist noch etwas vom Mittagessen übrig, oder habt ihr Männer alles verspeist?“ Ich hatte zwar selber noch nichts davon gesehen, aber was bitte dachte sie von uns?
„Wo denkst du hin? Auch wenn ich mir bei Edward nicht ganz sicher bin, weil Walka jedes mal sehr satt nach dem Essen aussieht.“ die Hündin wurde von Edward immer mit ein paar Stücken Fleisch oder Gemüse bei Laune gehalten trotz aller Mahnungen meinerseits.
Das Ankleiden meiner Frau übernahm ich, weil es mir ein Bedürfnis war, ihr zu helfen und ihr das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine war.
Erstaunlich, wie mich diese Frau in den wenigen Jahren zu einem ganz anderen Menschen hat werden lassen, ging es mir wie so oft durch den Kopf und ich schüttelte ebendiesen versonnen lächelnd.
Im Anschluss gingen wir hinunter auf die Terrasse, wo bereits das Essen für uns bereit stand. Florence lag wieder in dem Körbchen im Schatten neben uns.
„Mom, darf ich ein Foto für Melissa und Franziska machen? Die beiden würden sicher gerne sehen, wie meine kleine Schwester aussieht.“ da sprach der stolze große Bruder aus ihm.
„Ja, darfst du.“ es kam zwar wie selbstverständlich von meiner Frau, aber ich sah, dass ihre Gedanken schon wieder um potenzielle unangenehme Fragen kreisten. Woher stammt das Bild, wer ist darauf zu sehen und so weiter. Ihr teilweise doch recht abnormaler Verfolgungswahn war nicht immer einfach zu verstehen.
So saßen wir wie eine normale Familie beisammen und genossen diese Gesellschaft.
„Oma, wann bist du zur Schule gekommen?“ kam es plötzlich von Alex.
„Das war…“ grübelnd sah Alex in die Ferne. „… das muss 1983 gewesen sein. Warum fragst du?“ diese Jahreszahl war einfach unglaublich. Über 200 Jahre weiter als wir hier waren. Ein leichter kalter Schauer lief mir bei dem Gedanken über den Rücken.
„Das ist ja schon so lange her, hattet ihr damals überhaupt schon richtige Schulen?“ man könnte meinen, dass er glaubte sie wäre im Mittelalter zur Schule gegangen. Wobei ich mich selber oft gefragt habe, wie Alex sich beim Lernen gemacht hatte. Eine Vorstellung von ihr in diesem Alter hatte ich beim besten Willen nicht.
„Wie kommst du denn darauf? Natürlich gab es die. Ich bin ganz normal, wie du auch unterrichtet worden. Gut, wir hatten keine Taschenrechner, oder Smartboards und ähnliches. Aber im Grunde, war es ähnlich. Meine Oma zum Beispiel ist nur mit einer Schiefertafel zum Unterricht gegangen und die Lehrer waren viel strenger damals. Da gab es schon mal welche auf die Finger mit dem Lineal oder so.“ wieder so eigenartige Begrifflichkeiten.
Das Lineal! Ja, auch ich kannte es noch vom alten Mr Fayling!
„Wie? Die Lehrer durften das? Das tut doch weh!“ rief Alex und sah mit entsetztem Gesichtsausdruck zu meiner Frau.
Kurzerhand erklärte sie, dass auch in ihrer Zeit des öfteren Schlüsselbunde geflogen seien oder auch Kreide einem an den Kopf flog, wenn man unaufmerksam war!
Das war mein Zeichen! In kurzen Worten schilderte ich meine Erlebnisse mit den Hauslehrern oder auch mit Reginald. Die Strenge war natürlich nicht mit der in der Zeit von unserem Enkel zu vergleichen, dennoch sollte er wissen, dass es auch ganz anders zugehen konnte.
„Ich will nicht, dass mein Onkel gehauen wird. Das… finde ich doof!“ jetzt war es um Alexander gänzlich geschehen und er schlang die Arme um Edward! Er wollte ihn mitnehmen, wenn es nach ihm ginge, um ihm diese Tortur zu ersparen.
„Was ist ein Lehrer?“ fragend sah mich mein Sohn an! Bisher hatten wir nie darüber gesprochen, warum auch? Es gab noch keinen triftigen Grund, er würde erst in einem Jahr oder später eingeschult werden.
Wir würden ihn mit den anderen Kindern später unterrichten lassen. Hauslehrer sind, meiner Meinung nach, hier nicht notwendig und würden ihn als Außenseiter dastehen lassen. So etwas wollte ich ihm ersparen.
„Mr. Hathaway ist sehr nett. Auch wenn sein Gott unsichtbar ist.“ mich ließ diese Erklärung schmunzeln, weil ihm genau das in Erinnerung geblieben war. Andere Götter konnte er ja seit einiger Zeit sehen, was ihn aber nicht im Geringsten zu verunsichern schien.
Schon am nächsten Morgen verabschiedeten sich Yannick und Alexander und wünschten uns alles Gute. Als sie mitsamt des Portals verschwunden waren stand meine Frau für einen Moment wie erstarrt da, bis Florence sie an ihre Mahlzeit erinnerte…
Meine Frau sollte Recht behalten!
Florence war das genaue Gegenteil ihres großen Bruders. Wo Edward ruhig, friedlich und ausgeglichen war, schlug es bei ihr um in eine große innere Unruhe. Wir hatten keine Nacht, in welcher sie mehr als ein oder zwei Stunden schlief.
Alex stillte sie gefühlt im Minutentakt!
Ganz zu schweigen von unerklärlichen Schreiattacken, welche mitunter über eine Stunde gingen, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten.
Meine Hemden waren des öfteren voll gespuckt und die Wäscherinnen in unserem Haushalt waren schon fast angehalten, Nachtschichten einzulegen!
Das alles zerrte an unseren Nerven! Jeder schien eine kurze Erholungsphase gebrauchen zu können.
Es kam aber auch vor, dass wir ganze 7 Stunden nichts von Florence vernahmen. Dieses Mädchen war, wie Alex es richtig bemerkte, unberechenbar.
Ende August ließ ich es mir dennoch nicht nehmen und lud zu einem kleinen Empfang zu Ehren unserer Tochter.
Alle Einladungen wurden mit Glückwunschbekundungen angenommen.
Sogar Elias ließ es sich nicht nehmen persönlich zu erscheinen, was meine Gattin besonders erfreute.
Sie hatte im Allgemeinen sehr viele der Gäste schon eine Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Der Allvater sprach an diesem Abend die anstehende Weihe, wie wir sie für Edward auch angestrebt hatten, an und fragte, wann es soweit sein sollte. Noch hatten wir gar nicht darüber gesprochen, weil einfach keine Gelegenheit geschweige denn Zeit dafür gewesen wäre.
Der Abend begann mit den üblichen Begrüßungen und einem Aperitif im Salon, ehe wir uns in das Esszimmer begaben.
Die Gespräche begannen sich um die alltäglichen Belange zu drehen, wie Kindererziehung, Neuzuwachs auf den Plantagen der Nachbarn oder aber auch – leider – Verluste von Familienangehörigen.
Im Laufe des Abends hatte ich bemerkt, dass es Mrs Hemslow sichtlich schlecht ging. Ihr Gatte nahm mich beiseite, nachdem er ihr bei einem ihrer Hustenanfälle beiseite gestanden hatte.
„Master Kenway, leider muss ich euch mitteilen, dass wir uns alsbald auf den Weg in unsere alte Heimat machen werden. Wie ihr sehen könnt, geht es meiner Frau nicht gut und der Arzt rät zu einer Luftveränderung, sonst wird sie das neue Jahr nicht mehr erleben.“ in seinen Augenwinkeln glitzerten Tränen, als er in ihre Richtung sah.
„Das schmerzt mich zu hören, Master Hemslow. Werdet ihr also wieder nach England zurück gehen? Ihr hattet erzählt, dass eure Familie dort ein großzügiges Anwesen noch immer besitzt.“ ich musste mich zügeln um nicht gleich auf einen möglichen Kauf der Plantage zu kommen.
„Das ist richtig. Wir werden uns dort wieder niederlassen und ich hoffe, dass Margret sich ein wenig erholen kann. Vielleicht schwindet ihr Lungenleiden ja vollends.“ immer noch sah er traurig zu seiner Gattin.
Kurzerhand bat ich ihn in mein Arbeitszimmer, damit wir ungestört reden konnten.
„Master Hemslow, verzeiht, wenn ich so mit der Tür ins Haus falle. Aber … habt ihr schon einen Käufer für eure Plantage hier?“ fragte ich etwas zögerlich, als wir uns vor dem Kamin auf das Sofa gesetzt hatten.
Lächelnd sah er mich an.
„Ich wusste, dass ich mich auf euren Geschäftssinn verlassen kann, Haytham. Wenn ich ehrlich sein darf, würde ich euch gerne als Käufer sehen.“ also hatte auch er leichte Hemmungen gehabt mir sein Anwesen zu offerieren.
„Es wäre mir eine Ehre, Sir.“ brachte ich mit leicht zugeschnürtem Hals über die Lippen.
Wir besprachen noch ein paar kleinere Details, der Vertrag selber würde aber erst noch ausgearbeitet werden von unseren Advokaten. Schnell waren wir uns jedoch einig, dass der Kaufpreis mehr als fair war.
„Ich möchte keinen Reibach damit machen. Es ist nur wichtig, dass ich weiß, WER sich dort um alles kümmern wird.“ Master Hemslow war ein bescheidener Mann und das gefiel mir schon damals, als ich ihn das erste Mal getroffen habe.
Im Anschluss gesellten wir uns wieder zu den anderen und wir sahen, wie sich Mrs Hemslow von ihrer Zofe hinausbegleiten ließ. Sie bedurfte dringender Bettruhe.
Ich hingegen sah meine Frau bei einem jungen Mann stehen, welchen ich noch gar nicht bemerkt hatte heute Abend.
Sein Äußeres wirkte kühl und unscheinbar, aber etwas an seiner Ausstrahlung war anders. Ich ließ meinen Blick über ihn gleiten nur zur Sicherheit! Seine Aura erstrahlte Goldleuchtend, was mich umgehend beruhigte. Was jedoch konnte ihn so besonders machen?
Viel Zeit zum Nachdenken bekam ich nicht, weil er sich in meine Richtung bewegte.
„Master Kenway, Master Hemslow!“ begrüßte er uns mit einer tiefen Verbeugung. „Mein Name ist Rory Gillehand, ein Cousin der Familie Bassiter. Es ist mir eine Ehre heute hier sein zu dürfen, Sir. Ich gratuliere euch zur Geburt eurer Tochter.“ wieder neigte er seinen Kopf.
„Ich danke euch, Mr Gillehand. Wie ich sehe, hat meine Frau euch schon ein wenig unterhalten und ich muss mich entschuldigen, dass man uns noch nicht vorgestellt hat. Was führt euch aber hier in die Kolonien, wenn ich fragen darf?“ hakte ich vorsichtig nach. Nach seinem Akzent zu urteilen war er Brite, wenn nicht sogar Londoner, schlussfolgerte ich.
„Ich muss gestehen, dass ich bis vor wenigen Stunden noch nicht so recht wusste, ob ich mich hier in Amerika niederlassen werde. Ich bin Advokat und habe eine kleine Kanzlei in London. Mich von meiner Heimat zu trennen erschien mir immer unvorstellbar, doch jetzt, dank eurer wehrten Gattin, Master Kenway, kam ich ins Grübeln.“ ich wurde bei diesen Worten hellhörig. Was hatte Alex ihm für ein Hirngespinst eingepflanzt?
„Ins Grübeln sagt ihr.“ es war Master Hemslow der sich zu Wort meldete. Sein Blick wanderte von mir zu Mr Gillehand.
„Man trug mir zu, dass ihr euch wieder in eure Heimat begeben wollt und euer Anwesen vermutlich gedenkt zu verkaufen oder zu verpachten. Sir, mein Gedanke ist der, dass ich mich als Käufer gerne zur Verfügung stellen würde. Es ist vielleicht etwas übereilt oder auch überstürzt. Aber Mistress Kenway ist auch der Ansicht, dass man seinen Weg nur mit dem ersten Schritt beginnen kann. Und meiner sieht vor, mich hier in den Kolonien niederzulassen, in Richmond mich einer Kanzlei anzuschließen und eine Plantage zu erwerben. Mein Traum ist es, auch wenn es sich für eure Ohren kindisch anhören mag, Gentlemen, Pferde züchten zu können. In einem bescheidenen Rahmen versteht sich.“ dieser kleine Vortrag kam aus einem jungenhaften Gesicht mit vor Begeisterung leuchtenden Augen.
Diese Worte waren wohl durchdacht gesprochen. Dieser Mann wusste, was er wollte und setzte es, sobald sich ihm eine Gelegenheit bot, auch um. Meine Frau hatte ihm nur einen kleinen Anstoß gegeben.
Doch das missfiel mir gerade zutiefst. Zuerst hätte sie mit mir über ihre Idee sprechen sollen. Wie stellte sie sich das jetzt für Master Hemslow vor? Würden Mr Gillehand und ich jetzt als Konkurrenten – wie ich vor Jahren hier bei den Dufresnes mit dem Franzosen auch – um die Plantage feilschen?
Haytham, genau wie deine Frau siehst du nicht, WER dieser junge Mann ist. Oder besser gesagt, welchen Gott wir ihm vor ein paar Jahren zur Seite gestellt haben, hörte ich Odin plötzlich in meinem Kopf. Noch einmal betrachtete ich Rory eingehend, aber mir wollte partout nicht einfallen, wer über ihn wachte.
Das Augenrollen des Allvaters konnte ich beinahe hören, als er mich eindringlich auf den Beruf des Herrn vor mir hinwies. Advokat und Richter!
Du kommst nicht drauf, dann sag ich es dir! Forseti! Gott des Rechts und Gesetzes! Mit diesen leicht zornigen Worten verschwand er wieder aus meinem Geist. Wusste Mr Gillehand das eigentlich? War ihm bekannt, dass Odin gerade hier unter unseren Gästen weilte?
Plötzlich leuchteten seine Augen golden für den Bruchteil einer Sekunde. Über seine Lippen huschte ein wissenden Lächeln in meine Richtung! Natürlich war ihm all das bekannt, nur konnte er es schlecht vor Master Hemslow offenlegen.
Wir könnten tatsächlich so einen Herren in unseren Reihen gebrauchen. Jemanden, der sich mit unseren Belangen ebenso betrauen ließ, wie auch einen Posten bei Gericht beziehen sollte. Somit hätten wir einen weiteren Verbündeten für schwierige gesetzliche Angelegenheiten!
„Mr Gillehand, wenn das so ist, dann solltet ihr eure Finanzen offenlegen und mir ein Angebot machen. Master Kenway hat mir bereits eine gewisse Summe in Aussicht gestellt. Um eines muss ich euch jedoch im Vorfeld bitten, weil ich euch nicht ausreichend kenne. Eine Bürgschaft wäre von Vorteil und da dachte ich an eure Cousine und euren Cousin. Sie sind mir vertraut und ich kenne sie schon seit Jahren.“ Master Hemslow machte Nägel mit Köpfen.
Ganz Recht war mir das nicht, weil es nicht – wie würde Alex es jetzt nennen – auf meinem Mist gewachsen war. Meinen Unmut ließ ich mir dennoch nicht anmerken und wir zogen uns für einen kurzen Moment zusammen mit Master Bassiter in mein Arbeitszimmer zurück.
Im Grunde gingen diese Verhandlungen recht schnell von statten. Die Herren waren sich einig, dass eine um einen kleinen Prozentsatz höhere Summe als die meine geboten wurde. Rorys Cousin war sichtlich stolz auf seinen Neffen. Wer war ich also, das zu zerstören. Ich ließ sie gewähren, dann würde ich für unsere Kinder ein anderes Erbe finde. So war nämlich mein erster Gedanke gewesen. Unser Vermögen und die Grundstücke zu erweitern für sie.
Wir verblieben so, dass ich mein Angebot zurückzog, dafür aber in Richmond ein Haus kaufte oder anmietete, je nach dem was sich am schnellsten anbot. Dort sollte die Kanzlei des jungen Mannes eingerichtet werden und gleichzeitig – natürlich ohne dass ich es offen hier aussprach vor Master Bassiter und Master Hemslow – ein weiteres Büro für unseren Orden und die Bruderschaft.
Es war von Vorteil für Mr Gillehand sich sofort selbstständig und nicht abhängig von einer anderen Kanzlei machte. Er musste sich möglichst schnell einen Namen machen, damit wir auf ihn zurückgreifen konnten, sollten einmal brenzlige Situationen auf uns zukommen. Nein, ich spreche hier nicht von Bestechungen, Unterschlagungen und Morden. Es geht schlichtweg um Dinge im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit den Assassinen. Oder später vielleicht auch die unberechtigten Beschlagnahmungen von unserem Eigentum und ähnlichem. Alex hatte so etwas bereits angedeutet vor einiger Zeit.
Als wir wieder zu meinen Gästen stießen, war es für die meisten Zeit aufzubrechen. Die Fahrten zurück gingen über mehrere Stunden für einige von ihnen.
Die Bassiters, Hemslows und auch Mr Gillehand blieben im Gästehaus über Nacht.
Ich verabschiedete sie alle noch und ging dann für einen Moment in den Salon und stand gedankenverloren vor dem Kamin ein Glas Whiskey in der Hand.
Sollte ich Alex jetzt ins offene Messer rennen lassen und sie glauben lassen, dass ich mehr als wütend über ihre doch recht unbedachte Handlung war? Irgendwie war mir danach, sie zu ärgern. Wie du mir, so ich dir!
Ich trank das Glas in einem Zuge leer, stellte es grinsend auf den Kaminsims und begab mich nach oben in unser Schlafzimmer, wo Michael mich schon erwartete.
Aber auch Sophia war noch bei Florence.
„Master Kenway, eure Tochter schläft bereits friedlich. Sie hat keinen Mucks mehr gemacht.“ flüsterte sie, während ich mich ins Ankleidezimmer begab.
„Danke, Sophia.“
In wenigen Augenblicken hatte mich mein Kammerdiener für die Nacht umgekleidet.
„Master Kenway, kann ich sonst noch etwas für euch tun?“ fragte er nach, als ich mich zu Bett begab.
„Nein, Michael. Auch für euch war es ein langer Tag. Wir sehen uns morgen früh wie gewohnt wieder. Gute Nacht.“ entließ ich ihn für heute.
Auch meine Frau war schnell fertig und als sie sich zum Bett umdrehte, konnte ich mir einen mürrischen Blick nicht verkneifen.
„Mi sol, warum hast du ohne mich einzuweihen, Mr. Gillehand diese Idee in den Kopf gepflanzt?“ meine Stimme passte vermutlich zu meinem Ausdruck im Gesicht.
„Ich bin einer Intuition gefolgt. Du wirst doch sicherlich bemerkt haben, dass er für uns eine wichtige Rolle spielen kann und nicht ohne Grund hier erschienen ist, oder?“ Ihr war also bekannt, dass wir es mit einer neuen Gottheit in unserer Mitte zu tun hatten.
„Ich habe es gesehen, Alex. Ich hatte dich aber schon des öfteren darum gebeten, solch wichtige Dinge vorher mit mir zu besprechen oder mich wenigstens vorzuwarnen. Außerdem hatte ich kurz vorher mit Master Hemslow über einen möglichen Kauf ihrer Plantage gesprochen, weil ich für Edward und Florence ein entsprechendes Erbe aufbauen möchte!“ ich war immer noch etwas wütend auf ihre forsche Art Mr Gillehand gegenüber.
„Das… wusste ich ja nicht, aber wir haben doch schon die Donovan-Plantage. Reicht das nicht fürs Erste. Zumal wir in Richmond dringend noch ein Büro für Bruderschaft und Orden einrichten müssen. Also brauchen wir auch dort noch Immobilien.“ innerlich rollte ich mit den Augen. Sie hatte immer ein Gegenargument parat, welches stimmig war. Verdammt!
„Auch darüber habe ich schon nachgedacht. Aber… ich bin jetzt mit den beiden Herren so verblieben, dass Mr Gillehand seine Finanzen offen legt und so ein Angebot abgibt für Master Hemslow. Er verlangt kein Vermögen, er wünscht sich lediglich sein Eigentum in gute Hände abgeben zu können. Die Bassiters haben oder besser werden für ihren Cousin bürgen. Ich gehe davon aus, dem Kauf steht nichts mehr im Wege. Wir haben auch über diese Immobilie in Richmond gesprochen und sind überein gekommen, dass wir ein größeres Haus kaufen werden, in welchem auch Mr. Gillehand seine Kanzlei bekommt. Er wird sich als Advokat selbstständig machen. Versteh mich nicht falsch, dein Vorschlag, dass er sich einer bereits bestehenden Kanzlei anschließt ist kein schlechter Ansatz, aber Mr. Gillehand sollte sich nicht abhängig machen. Somit hätten wir auch den ersten Assassinen, welcher sich dort niederlässt! Ich würde sagen, damit hätten wir einen guten Anfang, oder bist du anderer Meinung?“ Jetzt hatte ich mich genug geärgert über meine Frau, dachte im Stillen und grinste sie breit an, was Alex natürlich nicht besonders lustig fand.
Ihre hochgezogene Augenbraue sprach förmlich bände, als sie sich auf den Ellbogen stützte und mich ansah.
„Du genießt es wirklich, mich immer zu verunsichern, mi amor. Kann das sein? Und um deine Frage zu beantworten, nein ich bin ganz deiner Meinung.“ während sie sprach rutschte sie immer näher zu mir, bis sie mir einen vorsichtigen Kuss geben konnte.
Es fühlte sich fantastisch an ihre weichen Lippen auf meinem Mund zu spüren und den Wein darauf kosten zu können. Es schmeckte sprichwörtlich nach mehr.
Seit unsere Tochter auf der Welt war, mussten wir auf unsere Zweisamkeit verzichten. Das Wochenbett natürlich einmal ausgenommen, das war eine medizinische Angelegenheit, genau wie bei Edwards Geburt.
Wie es schien, ging es Alex aber immer besser und ich konnte ihre Sehnsucht spüren, als sie sich an mich schmiegte. Mir erging es nicht anders. Mich zügeln fiel mir immer schwerer in diesem Moment, sie machte mich einfach schon fast willenlos.
Alex´ Hände glitten mit Bedacht über meine Brust bis hinab zu meinem Bauch … mit einer Hand hielt sie auf und mit der anderen löschte ich die Kerze auf meiner Seite. Langsam zog ich sie aus dem Bett und wir gingen hinüber ins Ankleidezimmer, dort wären etwas ungestörter. Hinter uns schloss ich die Tür, lehnte mich dagegen und sah auf meine Gattin hinab. Sie hatte wieder diese rosigen Wangen vor Begierde, welche mich ebenso auf unzüchtige Gedanken brachten.
„Ich habe dich vermisst, mi sol. Lass mich dich fühlen!“ es war jetzt an mir, meine Hand über ihren Körper gleiten zu lassen und ich fand schnell mein Ziel. Das Piercing! Alex´ trug es seit kurzem wieder, unter der Geburt musste sie es entfernen aus gesundheitlichen Gründen, sagte sie mir.
Bei meiner Berührung zitterte sie leicht und ein wohliges Seufzen drang aus ihrer Kehle. Als ich meine Lippen über ihre Halsbeuge gleiten ließ, fühlte ich die entstehende Gänsehaut.
„Dreh dich um.“ sprach ich leise, während ich sie auf das Sofa hier dirigierte. In mir stieg diese Lust nach unseren ganz eigenen Spielen stieg in mir auf. Wie von selbst bekam ich ihren Po zu packen und deutete ihr so meine Absicht! „Ich glaube, es gibt einiges, was du wieder vergessen hast, mi sol. Nicht wahr.“ meine Stimme klang leicht krächzend, weil ich mich arg zügeln musste in diesem Moment.
„Mehr als euch lieb ist befürchte ich, Master Kenway.“ hauchte sie leise stöhnend.
Dann solltest du jetzt besser genau zuhören, Mistress Kenway. Die Lust übermannte mich einfach und ihre sehr ansprechende Kehrseite in meinem Blickfeld ließ mich alle Manieren vergessen! Meine Hände griffen in ihre Haare, zogen sie mit zugewandten Rücken zu mir hoch und ich drang in sie, ohne einen Widerstand. Ein himmlisches Gefühl! In Zukunft keine Alleingänge mehr bei solchen Entscheidungen, Mistress Kenway. Habe ich mich verständlich ausgedrückt? Meine Hände halfen ihr, mir eine Antwort zu geben.
Ja, das habt ihr, Master Kenway. Bitte, lass mich kommen… stammelte sie die Worte, während sie mich flehend über die Schulter nach Erlösung ansah. Sollte ich ihr diese so ohne weiteres erlauben? Ich wollte es ebenso und wollte ich mich auch nicht mehr zurückhalten. Also erhöhte ich erst ein wenig das Tempo, bis ich meine Frau unter mich drehte und sie bei ihrem Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes im Auge behalten konnte. Das war immer wieder ein, wie hatte Alex es einmal gesagt, der Kick der mich über die Schwelle brachte.
Kurz darauf atmete sie schwer an meiner Schulter, aber erleichtert. Ihre grünen Augen leuchteten dankbar, als sie mich ansah.
„Ich helfe dir doch gerne dabei, mi sol.“ meine Worte bescherten ihr zusätzlich ein leichtes Grinsen. Ihre Hilfe war natürlich auch immer wieder gerne von mir angenommen, muss ich gestehen.
Leise gingen wir wieder in unser Schlafzimmer.
Meine Frau sah noch kurz nach Florence, welche friedlich in ihrer Wiege lag und schlummerte. Hoffentlich würde sie diese Nacht etwas länger durchschlafen, auch wir waren leicht übermüdet.
Eine kurze Nacht war uns beschieden, leider.
Kaum dass wir am Morgen richtig wach waren, klopfte es und Edward bat um Aufmerksamkeit.
Mitsamt Walka stürmte er, nachdem Alex ihm erlaubt hatte hereinzukommen, auf unser Bett und warf sich auf mich. Ohne Rücksicht auf seine Mutter oder kleine Schwester!
Meine Taktik bestand darin, den kleinen Wirbelwind in seine Schranken zu weisen, indem ich ihn kitzelte bis er keine Luft mehr bekam.
„Aufhören … ich …“ plötzlich sah er erschrocken Richtung seiner säuerlich dreinblickenden Mutter. Seine Entschuldigung flüsterte er um den Schaden zu begrenzen und streichelte seiner kleinen Schwester vorsichtig über die Wange.
Sein Blick ging in meine Richtung.
„Papa, wir müssen doch leise sein!“ immer noch sprach er leise.
„Dafür ist es zu spät … und wie heißt das, Edward?“ er hatte wieder auf Deutsch mit mir gesprochen, aber ich wollte ihn nicht tadeln sondern nur an seine Zweitsprache erinnern.
„Tut mir leid, Vater!“ sein Seufzen ging in ein herzhaftes Gähnen über.
Wie aufs Stichwort war ein lautes „Wuff“ vor unserem Bett zu vernehmen. Edward legte sich bäuchlings in Richtung seiner Hündin, welche brav auf dem Läufer wartete.
„Du hast Hunger, oder? Ich auch.“ Wer konnte es ihm verübeln, wir konnten alle sicherlich eine kleine Stärkung vertragen.
Während ich ihm vorschlug schon einmal zu Mrs Wallace zu gehen und sich anziehen zu lassen, gähnte auch ich ausgiebig. Ein Tee wäre jetzt genau Recht um meinen müden Geist zu wecken.
Also stand ich auf und begann mir mein Gesicht zu waschen. Michael würde gleich zum Ankleiden und Rasieren erscheinen.
Vom Bett hörte ich Alex mit Florence reden.
„Hoffentlich schläfst du jetzt noch ein bisschen, min lille engel!“ flüsterte sie und stand an der Wiege.
Ihr Anblick war, wie soll ich es ausdrücken, ziemlich erschreckend. Aber ein breites Grinsen konnte ich mir dennoch nicht verkneifen und sah sie an.
„Was ist so lustig?“ fragte Alex maulig als sie meinen Gesichtsausdruck sah.
„Mi sol, du siehst aus, als hättest du einen Orkan auf hoher See überstanden. Schau in den Spiegel.“ dieses Kichern war nur schwer zu unterdrücken.
„Ach du heilige Sch…“ entfuhr es meiner Frau, als sie ihr Spiegelbild sah und sich dann auf die Bettkante sinken ließ. „Ich sehe ja fürchterlich aus.“
„Wenn ich jetzt sage, du sahst schon schlimmer aus, macht es das Ganze wohl nicht besser?“ Das hätte ich besser nicht gesagt, denn plötzlich flog mir einer ihrer Hausschuhe entgegen.
Es dauerte nicht lange, da hatte ihre Kammerzofe sie wieder hergerichtet zu ihrer Zufriedenheit und ich muss sagen, auch zu meiner.
Unten auf der Terrasse wurden wir von einem tadelnd dreinblickenden Edward Junior erwartet.
„Ihr seid aber spät dran zum Frühstück, pünktlich muss man sein. Das hast du mir immer gesagt, Vater.“ damit setzte er sich wieder und genoss seinen Toast mit Rührei.
Es erstaunte mich in diesem Moment, dass unser Sohn auf der einen Seite anderen gerne Streiche spielte und nicht immer auf uns hörte, aber dann solch ein gutes Benehmen an den Tag legen konnte. Oder lag es an den Gästen die noch anwesend waren?
„Danke für die Erinnerung, mein Sohn.“ sagte ich kopfschüttelnd und nahm ebenfalls Platz.
Meiner Frau jedoch war kein entspanntes Mahl vergönnt. Sie hatte kaum ihr Ei und den Toast auf dem Teller, da eilte Sophia zu ihr mit einer weinenden Florence.
„Mistress Kenway, Miss Florence hat anscheinend wieder Hunger.“ entschuldigte sie sich und übergab unsere Tochter an ihre Mutter. Gemeinsam gingen sie hinein, damit Alex in Ruhe Florence stillen konnte.
„Haytham, eure Tochter ist wirklich ein kleiner Engel. Aber das wird sich sicherlich noch legen, dass sie so oft wach ist. Also bei meinen Kindern war es ja ähnlich …“ begann Mrs Bassiter ihre Erinnerung an diese Zeit kundzutun.
Mr Gillehand lächelte dabei des öfteren, als er meinen etwas genervten Ausdruck wahrnahm. Die Dame überspitzte ihre Erzählung und kam eigentlich nicht so wirklich auf den Punkt.
„Und dann schlief der kleine Henry von heute auf morgen einfach durch! Einfach so! Ich konnte es mir natürlich nicht erklären, aber es lag vermutlich an meiner Fürsorge und Ruhe für ihn, nicht wahr?“ Sie sah ihren Gatten heftig nickend an, damit er ihr auch zustimmte.
„Natürlich, Liebes! Nur daran hat es gelegen.“ versicherte Master Bassiter ihr ohne wirklich zugehört zu haben. Man konnte förmlich das Fragezeichen über seinem Kopf schweben sehen.
Mit Mr Gillehand verabredete ich mich für die kommende Woche in Richmond um dort eine passende Immobilien für unsere Arbeit und vor allem Zwecke zu suchen.
„Ich freue mich schon darauf, mich hier in den Kolonien niederzulassen. Wirklich daran geglaubt hatte ich nicht, wenn ich ehrlich sein darf, Master Kenway. Aber Master Hemslow und ihr habt mir aufgezeigt, dass ich eine Entscheidung treffen muss. Auch eurer Gattin gilt mein großer Dank!“ er war jung und suchte eine gewisse Herausforderung, welche seinem innewohnenden Gott gerecht wurde. Wir hätten mit ihm eine weitere Institution in wichtigen Bereichen der Politik.
Ich war zuversichtlich, dass dieser Herr sich schnell einen Namen machen würde und somit zügig bei Gericht aufsteigen konnte. Fürsprecher konnte ich ihm leider nicht an die Seite geben, weil wir in der Armee die Hauptanker hatten. Man konnte aber ja die Fühler weiter ausstrecken nach neuen Bereichen, nicht wahr?
Master Mormon würde ich umgehend ein Schreiben zukommen lassen, um ihn zu informieren, dass wir unsere Arbeit weiter ausdehnten. Ich wusste, dass auch er sich in London und Umgebung bemühte Rekruten zu akquirieren und sich ihrer Ausbildung anzunehmen. Auch dort wuchs diese Zusammenarbeit zwischen Orden und Bruderschaft stetig weiter.
Trotzdem hatte ich oft noch die Befürchtung, dass das Ganze nur von kurzer Dauer sein könnte.
Nachdem die Gäste sich auf ihren Heimweg gemacht hatten, ging ich in mein Arbeitszimmer um eben dieses Schreiben anzufertigen und mich noch einmal mit unseren Finanzen auseinander zusetzen.
Ich sah Alex´ fragenden Blick, als ich ihr mein Vorhaben mitteilte und versicherte ihr, dass ich nur auf Nummer sicher gehen wollte, wir hätten genügend Mittel zur freien Verfügung für den Kauf eines Hauses beziehungsweise Büros. Ganz so preisgünstig würde es zentral in Richmond aber nicht sein.
Ich durchforstete die Konten und stellte mal wieder erfreut fest, dass mein Erbe weiterhin stabil blieb. Nicht alleine wegen der neuerworbenen Häuser und deren Vermietung, sondern auch weil Vater klug vorgesorgt hatte!
Würde auch ich für meine Kinder eine solche Sicherheit später bieten können? Es war erneut diese Angst, dass man seinen Pflichten als Eltern nicht gerecht werden könnte, dass man Fehler machte!
Tief durchatmend sah ich auf die Buchungen und wusste plötzlich, dass ich auf einem guten Weg genau dorthin war. Die Kinder würden sich auf ihr Erbe verlassen können!
Für unser Büro in Richmond schwebte mir ein mehrstöckiges Haus vor, ein großes Grundstück musste es nicht sein. Wir brauchten nur entsprechend mehrere Räume, wo alle Fraktionen gut untergebracht werden konnten. Außerdem wäre ein großer Gemeinschaftsraum von Vorteil für Versammlungen jedweder Art.
Dabei fiel mir auch wieder ein, dass noch ein Treffen der Loge stattfinden sollte und zwar in der Zeit wo ich mich dort nach einer geeigneten Immobilie umsehen wollte. Das träfe sich gut, ich brauchte nach dieser langen Zeit einfach ein wenig tiefergehende Gespräche und Diskussionen rund um alles was uns im allgemeinen beschäftigt. Mehr ist dazu nicht zu sagen für diesen Moment.
Ich hoffte darauf, dass wir verstärkt von Richmond aus agieren konnten und von dort aus alles steuern konnten. Mit einigen Zweigstellen in Philadelphia vielleicht, Boston und New York waren selbstverständlich schon in der Liste, könnten wir ein Netzwerk aufbauen mit vielen Möglichkeiten und auch entsprechenden Ressourcen für die Nachrichtenverbreitung. Nicht nur berittene Boten waren für uns tätig, auch Schiffskapitäne, Kutscher, Privatpersonen, Kleriker und nicht zu vergessen die Obrigkeiten bei Gericht oder der Armee.
Wir kamen unserem Ziel immer näher, jedoch war mir bewusst, dass wir und ich wiederhole mich sicherlich, nie 100 Prozent erreichen werden können. Dennoch war ich in diesem Augenblick zuversichtlich wie schon lange nicht mehr.
Mit diesem euphorischen Gefühl ging ich auf die Suche nach meiner Frau, es war Zeit fürs Abendessen wie ich feststellte.
„Master Kenway, eure Gattin ist in ihrem Arbeitszimmer.“ teilte mir ein Diener mit.
Die Tür stand offen und ich warf einen Blick hinein.
Alex saß an ihrem Schreibtisch, vertieft in ein Buch wie es aussah.
Auf ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen, ihre Wangen waren leicht gerötet. Ein wirklich wunderschöner Anblick der mich ebenso lächeln ließ.
Wie so oft bemerkte sie mich nicht auf Anhieb, also fragte ich nach, an was sie gerade dachte. Natürlich war ich neugierig und konnte mich diesbezüglich nicht zusammenreißen.
„Ich habe dich gerade gesehen im Fort Arsenal, wie du nicht von mir zu Shay gelassen wurdest, weil ich ein wenig perplex war.“ bei ihrem Lachen wurde ihr Gesicht noch röter.
„Das war tatsächlich sehr kurios. Aber du hattest hoffentlich keine schmutzigen Gedanken in diesem Moment? Soweit waren wir noch nicht.“ Der Moment damals, als ich zu Shay wollte! Sie starrte mich tatsächlich nur an und schon kreisten die Erinnerungen an die Zeit auch in meinen Geiste umher. Zumindest die, an die ich mich erinnern konnte. Hinter ihr stehend, lehnte ich mein Kinn auf ihren Kopf und umschlang sie leicht.
„Nein, ich versuchte nur eins und eins zusammen zu zählen und mein Wissen zu ordnen. Aber… ich muss zugeben… du hattest schon eine gewisse Wirkung…“ es war mehr ein Flüstern was ich vernahm von ihr.
„Hatte ich das, ja?“ ich fühlte mich geschmeichelt und kicherte leise. „Wer hätte gedacht, dass wir wirklich irgendwann hier zusammen leben würden.“ Langsam strich ich hinab zu ihren Händen und griff ihre Finger.
„Ich denke oft an diesen Moment, als ich mit dir am Kai stand und die Jackdaw einlief. Für einen Moment hatte ich Angst, du würdest mich loswerden wollen.“ es schwang eine gewisse Melancholie in ihrer Stimme mit, die sie zittern ließ.*
„Dabei habe ich es nur gut gemeint, mi sol. Manchmal seid ihr Frauen wirklich unergründlich und macht es uns nicht leicht!“ Nein, ich wollte nicht, dass sie in diese Stimmung verfällt und brachte einen theatralischen Ton in meine Worte.
„Natürlich, WIR sind schwer zu verstehen. Und was ist mit euch Männern?“ Sie drehte sich dabei etwas zu mir und ich hob nur fragend eine Augenbraue.
„Also ich bin recht einfach gestrickt, mi sol. Tu einfach das, was ich sage und ich bin zufrieden.“ Warum auch immer spürte ich mit einem Male eine tiefe Lust auf Alex in mir. Ich wollte sie haben.
„Und WAS soll ich nun tun, Master Kenway?“ dieser Tonfall war mein Stichwort, wir waren uns wie so oft ohne viele Worte einig.
In Seelenruhe ging ich zur Tür, schloss sie und drehte den Schlüssel entsprechend langsam. Dann ginge ich schnellen Schrittes auf meine Frau zu.
„Halte einfach still…“ dabei kniete ich mich vor sie, schob ihre Röcke beiseite und ließ sie meine Zunge und Lippen fühlen. Ihre Vorfreude war mir wohl bekannt und ich kostete sie ausgiebig.
Aber nicht so ausgiebig wie Alex es sich erhofft hatte, vermutete ich bei ihrem gefrusteten Seufzen als ich mich erhob und sie hochzog. Nein, ihren Höhepunkt wollte ich sie anders erleben lassen! Außerdem stand mir auch etwas intensivere Zuwendung ihrerseits zu. Auf dem Sofa vor dem Kamin ließ ich sie nun vor mir knien.
„Deine Zunge, mi sol…“ Ich wusste, dass sie diesen Befehlston mehr als anregend fand. Er kam mir aber wie selbstverständlich über die Lippen und ich spürte ihren Mund wie er mich umschloss. Meine Hände vergruben sich wie von alleine in ihren Haaren und dirigierten sie nach meinen Wünschen.
Doch das reichte mir nicht, ich wollte mein Recht als Ehemann einfordern und ehe sie sichs versah, lag sie auf dem Polster unter mir und ich nahm meine Frau.
„Du hast es verstanden! Jetzt weiß du, womit du mich mit Sicherheit immer friedlich stimmen kannst, Mistress Kenway.“ brachte ich etwas atemlos hervor, als ich über die Schwelle ging und Alex mit hinüber nahm. Dieser Moment weilte leider nicht sehr lange, weil sich unsere Tochter kurz darauf mit lautem Weinen bemerkbar machte und schon erwachte die Mutter in meiner Gattin.
„Das lässt sich sicherlich einrichten, Master Kenway. Ihr braucht nur Zeit und Ort sagen und ich stehe euch zur Verfügung. Wenn… ich denn die Gelegenheit habe…“ lachte sie, als sie sich unter mir wegdrehte und aus dem Zimmer eilte.
Manchmal war es, als würde ich mit einer Gestaltwandlerin verheiratet sein.
Und schon kreisten meine Gedanken um Loki und die Götter.
Eine Woche später packte ich mit Michael meinen Reisesack zusammen. Es war Zeit aufzubrechen.
„Master Kenway, seid ihr sicher, dass ich euch nicht begleiten soll. Es wird sicherlich eine Weile dauern, ehe ihr wieder zurückkehren werdet.“ fragte er erneut nach.
„Macht euch keine Sorgen, so lang wird es nicht werden. Und außerdem muss auch ich in Übung bleiben für die tägliche Körperpflege.“ dabei konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, weil mir beinahe noch „Und ich bin keine 3 Jahr alt“ herausgerutscht wäre. Ich erinnerte mich zu gut an meine Kindermädchen damals in London. Lasst mich aber nicht wieder von alten Zeiten anfangen!
Die Sachen waren gut verstaut, Ms Tabea hatte mir Reiseproviant in rauen Mengen eingepackt – vermutlich für eine ganze Kompanie – und meine Familie stand vor mir um mich zu verabschieden.
Ich hatte mich für Brida entschieden, keine Kutsche. Darauf angesprochen von Alex erklärte ich ihr, dass mir die frische Luft lieber sei und ich so ein wenig meinen Kopf frei bekommen konnte. Natürlich bin ich zu Pferd auch schneller und freier in meinen Pausen, als mit der Kutsche und einer weiteren Person.
Edward war aber überhaupt nicht mit meiner Reise einverstanden. Er weinte auf dem Arm seiner Mutter und wollte unbedingt mitkommen oder am besten dass ich bliebe.
Ich war zuversichtlich, dass Alex unseren Sohn ablenken würde und ihm meine Abwesenheit alsbald gar nicht mehr so auffallen würde.
War ich damals aber nicht genauso traurig, wenn Vater wieder einmal zu seinen „Reisen“ aufbrach und erst Wochen später wieder daheim eintraf? Nur war ich nicht im Bilde in den Jahren, wohin er unterwegs war. Mein Sohn wusste es, konnte es aber anscheinend noch nicht richtig verstehen.
Bevor ich jedoch in Trübsal blasen überging, verabschiedete ich mich und ritt los.
Die erste Nacht verbrachte ich in einer überraschend angenehmen Herberge am Wegesrand. Sie war gut besucht, die Gäste allesamt keine Trunkenbolde oder Bettler und die Zimmer waren sauber.
„Sir, wenn ihr hungrig seid, wir haben noch etwas Eintopf da. Ich könnte euch etwas davon aufwärmen.“ die Bedienung sah mich erwartungsvoll lächelnd an.
„Danke, eine Stärkung könnte ich tatsächlich gut gebrauchen.“ mir knurrte wirklich der Magen stellte ich fest. Brida wurde bereits gut versorgt, fehlte also nur noch ich selber.
Wenig später erschien die Dame mit einer gut gefüllten Schüssel und etwas Brot wieder an meinem Tisch.
Nachdem ich mit meinem Mahl fertig war, war es Zeit mein Zimmer aufzusuchen, weil ich nicht den Wunsch hegte mich mit den anderen Personen hier zu unterhalten. Die Müdigkeit kroch langsam in meine Knochen und ich hatte geschätzt noch mindestens zwei Tage vor mir. Hoffentlich hielt sich das Wetter.
Die Matratze hätte etwas besser gefüllt sein können und zu meinem Verdruss waren die Seile darunter nicht sehr fest gespannt. Für eine Nacht sollte es aber gehen und ich drückte ein Auge zu, weil sonst alles andere bisher zu meiner Zufrieden war.
Das Frühstück war überschaubar, dafür schmackhaft. Ich ließ mir ein paar Dinge als Wegzehrung einpacken und für meine Stute gab es ein paar Äpfel und Möhren.
Dieser Tag zog sich elendig langsam dahin, weil mir niemand auf diesem Weg begegnete. Die Route führte mich durch ein kleines Waldgebiet, wo ich schon aus reiner Gewohnheit in Hab acht Stellung ging. Man weiß nie, wer sich in den Büschen und Schatten der Bäume versteckt.
Als ich aus diesem Dickicht wieder herausritt, es muss mittlerweile schon später Nachmittag gewesen sein, konnte ich aufatmen. Lediglich hier und dort hatte ich ein paar verdächtige Geräusche gehört, jedoch nie etwas bedrohliches mit meinem Blick wahrnehmen können. Trotzdem war ich froh, wieder in freiem Feld unterwegs sein zu können.
Diese Nacht verbrachte ich unter freiem Himmel, Gott sei Dank blieb ich von Regen und Unwetter verschont.
Der nächste Morgen begann leider nebelig und es fiel mir schwer mich wieder in Bewegung zu setzen. Sogar meine Stute schien keine rechte Lust zu haben.
Nach einer halben Stunde auf ihrem Rücken fühlte ich mich besser und auch Brida ergab sich ihrem Schicksal.
Gegen Mittag kreuzten ein paar Händlerkutschen und einige Karren meinen Weg, welche auf dem Weg nach Philadelphia waren, aber einen unerwarteten Zwischenstop in Richmond machen mussten.
„Es ist immer das gleiche mit diesen Reichen! Erteilen Aufträge, wissen aber gar nicht, was für Umwege man da auf sich nehmen muss. Von dem Zeitverlust mal ganz abzusehen.“ fluchte einer der Kutscher, als ich neben ihm her ritt.
„Ich hoffe aber, ihr kommt noch rechtzeitig an eurem eigentlichen Bestimmungsort an und habt dort dann keine Unannehmlichkeiten zu erwarten.“ erwiderte ich, weil ich seine Wut durchaus verstehen konnte. Wer wollte schon länger unterwegs sein als nötig.
„Danke, Mister! Das hoffen wir alle. Die Fracht ist zwar nicht wertvoll oder verderblich, aber die Käufer warten schon seit geraumer Zeit darauf.“
Nach ungefähr zwei Stunden verabschiedete ich mich und spornte meine Stute an. Auch ich wollte nicht noch mehr Zeit im Sattel verbringen.
Als es bereits dämmerte sah ich die ersten Häuser Richmonds auftauchen und atmete erleichtert auf.
Aus meiner Rocktasche fischte ich die Adresse meiner Unterkunft, es war an der Hauptstraße gelegen. Von dort wollten Rory und ich die nächsten Tage einige Immobilien besichtigen.
Kaum dass ich in der Stadt war, bemerkte ich die ersten skeptischen Blicke. Aber nicht nur die. Ich spürte ein Kribbeln im Nacken, so als würde ich beobachtet werden. Mein Blick förderte leider nichts verdächtiges zu Tage, weswegen ich möglichst gleichgültig wirkend weiter ritt.
Die Herberge für die nächsten Tage war hell erleuchtet und man hörte aus dem Inneren Stimmengewirr und Gesang.
Ich brachte Brida im Stall unter, nahm mein Reisegepäck und begab mich in den Schankraum in der Hoffnung noch etwas warmes zu essen zu bekommen. Auf meine Frage hin, sah mich der Wirt kopfschüttelnd an.
„Sir, es ist schon spät und um diese Zeit werde ich sicherlich die Köchin nicht mehr bemühen etwas aufzuwärmen. Morgen früh bekommt ihr ein ordentliches Frühstück. Aber das kostet extra!“ seine genervte Art entging mir nicht.
„Wie ihr meint, habt ihr wenigstens noch ein Zimmer …“ zu mehr kam ich nicht.
„Ihr könnt im Hinterzimmer neben der Vorratskammer schlafen. Da steht ein Feldbett für Notfälle. Mehr haben wir nicht frei.“ mit einem Wink schickte er mich zu einem Durchgang der nach hinten führte.
Es war stockdunkel in dem Gang und mir stiegen unangenehme Gerüche entgegen. Unter anderem nach verfaulendem Obst und diversen Körperausscheidungen. Jesus! Wo war ich hierhin geraten? Rory konnte unmöglich von dem Zustand dieses Gasthauses gewusst haben.
Das „Hinterzimmer“ entpuppte sich als weiterer Abstellraum, mehr nicht. Wenigstens war das Feldbett vorhanden.
Ich beschloss, dass ich in den sauren Apfel beiße und eine Nacht hier notgedrungen verbringe. Ich brauchte einfach etwas Schlaf nach dem Reisetag. Morgen Vormittag traf ich mich ja schon mit unserem Advokaten und hoffte, dass wir eine andere Unterbringung auftreiben konnten.
Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil ich vor der Tür leise Stimmen hörte.
„Dieser Typ sah reich aus, lass uns doch einfach nachsehen!“
„Bist du dir sicher? Nicht, dass wir uns noch lächerlich machen vor den anderen.“
„Nein, bestimmt nicht. Sei nicht immer so ein Schisser, verdammt!“
Schabende Geräusche im Schlüsselloch, ein Klacken des Türschnappers, leises Quietschen der Scharniere, als die Türe langsam geöffnet wurde.
Davon wäre JEDER wachgeworden. Also waren die beiden Herrschaften keine Profis und ich hätte leichtes Spiel.
Fast lautlos hatte ich mich bereits von meinem Nachtlager erhoben und hatte meine Hand an der kleinen Petroleumlampe neben meinem Bett.
Als sie die Tür hinter sich schlossen, drehte ich den Regler auf und erhellte sekundenschnell den kleinen Raum.
Erschrockene Gesichter sahen in meine Richtung, mussten sich jedoch erst an das Licht gewöhnen.
„Hey man! Was…“ entfuhr es dem einen Mann.
„Gentlemen, was kann ich für euch tun?“ grinste ich die beiden an.
„Wir … also …“ stotterte der andere.
„Wenn ihr plant, jemanden auszurauben, solltet ihr es nicht direkt vor der Tür machen. Was ebenso wichtig ist, arbeitet an eurer Schlösserknacken-Technik. Das ist ja grauenhaft, davon wäre ein Tauber wach geworden.“ mit verschränkten Armen stand ich jetzt vor ihnen.
Beide waren noch recht jung, keine 20 Jahre alt. Ihre Kleidung war aber keineswegs abgewetzt oder dreckig, auch sahen sie nicht ungepflegt aus.
„Natürlich, wir werden daran arbeiten. Eine ruhige Nacht wünsche wir euch, Sir!“ auch die Ausdrucksweise war eher gebildet.
„Mister, bitte sagt dem Wirt nichts davon. Er … ist mein Onkel und lässt mich für sich arbeiten, damit ich mir mein Patent kaufen kann!“ flehte der andere junge Mann.
„Kommt mir zu Ohren, dass ihr nicht nur mich bestehlen wolltet oder schon anderen die Taschen erleichtert habt, dann werde ich meinen Mund sicherlich nicht halten! Und jetzt geht!“ mein Befehlston duldete keine Widerworte und die jungen Burschen schlichen mit eingezogenem Schwanz von dannen. Grinsend sah ich ihnen nach. Sie waren keine geborenen Diebe oder Banditen, sicher nicht und sie würden es auch nie werden.
Im Schankraum erwartete mich nicht nur das versprochene Frühstück, nein, auch Rory saß bereits an einem der Tische. Ich gesellte mich dazu.
„Master Kenway, es freut mich euch wohlbehalten hier zu sehen. Ich hoffe, euer Ritt war nicht zu beschwerlich?“ fragte er, während er sich sein Porridge schmecken ließ.
„Danke der Nachfrage, Master Gillehand. Ich bin zügig durchgekommen, ohne größere Zwischenfälle oder ähnlichem. Ihr seht erholt aus, ich gehe davon aus, auch eure Reise verlief zu eurer Zufriedenheit?“ ich ließ den nächtlichen Besuch der beiden Herren vorerst weg, weil der Wirt in der Nähe war.
„Das freut mich zu hören. Ja, ich muss sagen, es war recht kurzweilig.“ damit war das Begrüßungsgeplänkel abgeschlossen, verzeiht meine etwas lapidare Ausdrucksweise, aber auch ich verspüre nicht immer den ausgeprägten Drang nach Manieren und Etikette.
In diesem Falle drängte mich der Wunsch die zu besichtigen Gebäude in Angriff zu nehmen.
Die erste Immobilie lag im nördlichen Teil von Richmond, umgeben von kleineren Geschäften und einfachen Familienhäusern.
„Hier ist die Beschreibung des Eigentümers.“ Der Advokat reichte mir eine Art Exposé und ich las es mir kurz durch. Vielversprechend, ging es mir durch den Kopf.
„Gentlemen! Wer von euch ist … Moment … Kenway?“ rief der Wirt durch den Raum in unsere Richtung.
Ich hob die Hand, weil ich annahm, er wolle nur meinen Wunsch nach Tee oder Kaffee erfragen.
„Da ist ein Brief für euch abgegeben worden!“ rief er erneut und wedelte mit dem Schriftstück über seinem Kopf.
Augenrollend sah ich zu Rory, erhob mich und holte mir die eingegangene Notiz. Diesem Herrn sollte man noch einmal gutes Benehmen und Höflichkeit beibringen.
An unserem Tisch brach ich das Siegel und las die Zeilen mit langsam aufkommender Wut und Verärgerung!
„… muss ich euch mitteilen, dass Mr Steward leider vorgestern von uns gegangen ist. Es ist nun strittig, ob man das Haus noch veräußern möchte oder nicht. Wir, die Erben, werden uns beraten und euch alsbald eine Nachricht zukommen lassen…“
War das ein unglücklicher Zufall oder steckte mehr dahinter? Wir würden also die nächste Immobilie vorziehen und in Augenschein nehmen müssen, während wir auf weitere Neuigkeiten warteten.
Das zweite Gebäude auf der Liste war ein dreistöckiger Ziegelsteinbau mit weißen Fenstern und einem kleinen Vorgarten. Im hinteren Bereich befand sich ein kleiner Garten, welcher aber keiner großen Pflege bedarf.
Insgesamt gab es 12 Räume, von denen 2 die Größe für Versammlungen oder Besprechungen boten. Im unteren hinteren Bereich gab es eine Küche und den Zugang zu einem Keller. Für Verpflegung konnte man hier also auch sorgen. Außerdem bot der Keller die Möglichkeit für die Lagerung von Waffen und ähnlichem.
Also ließen wir einen Boten eine Notiz an den Eigentümer schicken, in welcher wir um einen früheren Besichtigungstermin baten.
Nach einer Stunde kehrte dieser wieder mit einer Antwort zurück.
„… ist es mir heute nicht möglich, persönlich bei der Besichtigung dabei sein zu können. Meine Angestellten sind aber in Kenntnis gesetzt und werden euch herumführen und eventuelle Fragen beantworten. Für eine ausführliche Besprechung würde ich mich freuen, nehmet ihr meine Einladung zum Dinner am morgigen Abend an…“
DAS ließe sich einrichten und wir machten uns auf den Weg.
Etwa 30 Minuten später standen wir vor einem mehrgeschossigem ziemlich schäbigem Gebäude. Meine Enttäuschung konnte ich kaum verbergen, ebenso erging es Master Gillehand.
„Das kann nicht sein Ernst sein.“ entwich es ihm zischend.
Die Fensterläden hingen, wenn denn noch einer wirklich befestigt war, schief an den Wänden, die Farbe blätterte an den Rahmen ab und von dem ganzen Unkraut im Vorgarten und dem Moos auf dem Weg einmal ganz zu schweigen. Sollten hier tatsächlich noch Bedienstete arbeiten, sollte man diesen kündigen und arbeitsamere Personen einstellen! Der Anblick war einfach grauenhaft.
„Master Gillehand, wir stimmen sicherlich überein, dass wir uns die Innenräume nicht anzusehen brauchen?“ hakte ich mit tiefstem Sarkasmus nach.
„Nein, nicht wirklich…“ immer noch hatte er seine Sprache nicht wieder erlangt.
Wir gingen zu unserer oder besser meiner Unterkunft zurück und ich packte umgehend meine Sachen wieder.
Rory hatte schon eine bessere Übernachtungsmöglichkeit gefunden, wo wir beide unterkommen würden.
Dort trafen wir ungefähr eine Stunde später ein. Erleichtert atmete ich auf, als ich ins Innere trat. Sauber, aufgeräumt und ein Herbergswirt der Manieren hatte.
Mein Zimmer war ebenso nach meinem Gusto und ich verräumte meine Habseligkeiten, ehe ich mich wieder hinunter zu meinem Begleiter begab.
Wir aßen noch zu Mittag und berieten, wie wir weiter vorgehen sollten.
Gerade als wir über die nächste Besichtigung sprachen, traten vier Herren ein und setzten sich an den Nebentisch. Ihre Blicke glitten durch den Raum und fixierten uns, so mein Eindruck.
Hatte ich mir dieses Gefühl, beobachtet zu werden, doch nicht bloß eingebildet?
Mein Blick zeigte, dass die Gentlemen neben uns keineswegs mit guten Absichten erschienen waren. Ihre Auren waren rot!
Auch der Advokat hatte sie bemerkt und sah mich fragend an.
„Ich bin der Meinung, wir sollten uns dort noch einmal umsehen.“ sprach ich etwas lauter, damit die Herren es auch hoffentlich mitbekamen.
„Da stimme ich euch zu.“ und Rory erhob sich. Gemeinsam gingen wir hinaus, Richtung Stall. Dort duckten wir uns links und rechts neben das Tor und warteten.
Kurz darauf hörten wir Schritte vor dem Eingang. Zögerlich wurde der Riegel angehoben und die Tür aufgeschoben.
4 in dunkle Mäntel gekleidete Personen traten ein. Man vernahm kaum einen Laut von ihren Bewegungen! Für den Bruchteil eines Moments ging mir wieder „Ninjas!“ durch den Kopf. Oder waren es einfache Assassinen? Verzeiht, so war es nicht gemeint!
Ohne von uns Kenntnis zu nehmen gingen sie weiter ins Innere um sich umzusehen. Was uns die Gelegenheit verschaffte von hinten anzugreifen. War das aber nötig, noch hatten sie uns nicht angegriffen.
Rory deutete nach links und folgte den Herrschaften dort. Ich ging in die entgegengesetzte Richtung.
„Sie müssen doch hier irgendwo sein.“ flüsterte man sich zu.
„Wir sind jetzt schon so weit gekommen, wir dürfen einfach nicht versagen!“ hörte ich den anderen ebenso leise sprechen.
Bevor ich jedoch bei ihnen war, drehten sie sich um und ich stand mitten im Gang des Stalles! Verdammt!
„Ah, wir müssen nicht weiter suchen!“ rief der Herr vor mir und griff ohne weitere Ansprache an.
In meinem Rücken vernahm ich plötzlich auch Kampfgeräusche, also hatte man dort Rory auch bemerkt.
Dieser Kampf muss ich ehrlich gestehen, war herausfordernd. Die Männer waren hervorragend ausgebildet, ließen sich nicht in die Karten schauen und es war schwer den nächsten ihrer Schritte zu erahnen. Ich hatte meine Schwierigkeiten einen Rhythmus zu finden.
Die versteckten Klingen waren nicht ohne und im Doppelpack nicht zu unterschätzen! Ich besann mich auf mein Training und konterte den ein oder anderen Schlag!
Trotzdem wurde ich getroffen, nicht nur einmal!
Meine eigenen Treffer hielten sich leider in Grenzen.
Meine Frustration stieg und mit ihr erhob sich immer mehr Tyr, welcher mich verdrängte oder besser gesagt, er fusionierte mit mir.
Was ich nicht bedacht hatte war, dass man dieses Szenario auch von außen sah und die Angreifer beide mit großen Augen vor mir standen.
„Was ist das für eine böse Magie?“ rief einer mit zitternder Stimme.
Ihre Angst tat ihrem Kampfgeist aber keinen Abbruch, soviel zum Thema gut trainiert.
Jetzt hatte ich aber auch eine weitere Verteidigung in mir und nutzte diese aus oder besser Tyr ließ sie mich nutzen. Langsam verstand ich auch Alex, welche ihre Vorfahrin gerne mit einbezog. Es war ein berauschendes Gefühl von Überlegenheit!
Stahl traf auf Stahl, ihre Armklingen prallten an meinem Schwert und meiner eigenen Klinge ab.
Sie griffen von oben gleichzeitig an, ich ging in die Knie und zog Klinge und Schwert durch ihre Körpermitte. Machte aber leider kaum Schaden, weil ihre Kleidung sie gut schützte.
Euer Mantel ist aus sehr festem Stoff gemacht. Dieser Satz kam mir wie aus dem Nichts ins Gedächtnis. Damals im Fort George hatte Alex mich auf das Material meines Gehrocks angesprochen. SIE wusste schon damals, dass er anders als normale Uniformen gefertigt wurde.
Ich musste die Schwachstellen herausfinden. Am naheliegendsten waren die Beine! Einmal dort getroffen konnte ich sie auf die Knie zwingen und entsprechend ausschalten. Gesagt, getan!
So einfach machte man es mir aber nicht. Einer griff mich von der linken Seite an und durchtrennte beinahe die Halterung meiner eigenen Klinge. Reflexartig zuckte ich zurück und traf dabei seinen Kumpanen der sich von der anderen Seite versuchte an mich heran zumachen. Seine Wange war meiner Schwertschneide zu nahe gekommen. Pech für ihn, Glück für mich!
Etwas aus dem Kampf gerissen, sah ich meine Chance diesen Herren wenigstens noch weiter mürbe machen zu können.
Seine Schwerthand! Ich führte einen schnellen Streich mit meiner eigenen Waffe von links oben nach rechts unten aus, was einen unschönen tiefen Schnitt auf dem Handrücken hinterließ. Ein lauter Frustschrei und sein Schwert glitt fiel scheppernd auf den Boden.
Der andere Herr war aber keineswegs außer Gefecht gesetzt und befand nun, dass er seinen Freund rächen müsse, indem er mir seine Pistole an den Kopf hielt.
Jetzt war ich es, der irritiert dreinschaute.
Nein, ich würde mich sicherlich nicht ergeben.
„Und jetzt lass dein Schwert fallen!“ weiterhin sah ich den Lauf der Pistole.
Langsam ging ich in die Hocke und legte mein Schwert ab, dabei warf ich einen Blick auf den Verletzten. Er war blass und hatte sich ein Stück Stoff seines Hemdärmels um die Hand gewickelt, aber das Blut tropfte unaufhörlich weiter. Von ihm ging jetzt keine Gefahr mehr aus und von Rory hörte ich beruhigende Geräusche eines Kampfes. Auch wenn es seltsam klingen mag, das war ein Zeichen, dass er noch am Leben war.
In meiner Position hatte ich die Gelegenheit meinen Dolch ungesehen aus dem Stiefel ziehen zu können. Damit versteckt in meiner Hand erhob ich mich wieder, lächelte den Mann vor mir an.
„Kluger Mann! Und jetzt reden wir!“ sein anderer Arm wollte mich gerade herumdrehen und zum gehen bringen, als ich meinen Moment sah.
Meine linke Hand beförderte die heimliche Waffe hervor und schlug die Hand mit der Pistole zur Seite. Vor Schreck drückte der Angreifer ab und ich spürte wie die Kugel dicht an meinem rechten Arm vorbeirauschte.
So aus dem Gleichgewicht gebracht war es mir möglich ihn herumzudrehen und in den Schraubkasten zu nehmen mit dem Dolch an seinem Hals.
Schnaufend versuchte sein Freund ihn davon abzubringen, den Mund aufzumachen.
„Sag … nichts!“
Plötzlich ertönte noch ein Schuss und ein lauter Schrei war zu hören. Dann herrschte Stille, bis auf das hektische atmen meiner beiden Herren hier.
Dann näherten sich schlurfende Schritte, eine Hand legte sich auf meine Schulter.
„Haytham! Ihr seid wohlauf und wie ich sehe, gibt es einiges zu klären.“ auch er hatte Probleme mit der Luft wie es schien. Rory widmete sich dem Verletzten und hievte ihn auf eine der umstehenden Kisten. Wir sahen die Schweißperlen glitzernd auf seinem aschfahlen Gesicht, die Ohnmacht war nicht mehr weit.
„Redet endlich und ihr könnt eurem Freund noch helfen!“ ermahnte ich meinen Angreifer während ich die Schneide des Dolches fester auf seine Haut drückte.
Der Advokat zückte seine eigene Pistole und hielt sie ihm als zweite Warnung vors Gesicht.
„Sprecht!“ schnaubte er, aber es kam kein Laut über die Lippen des Herren, lediglich schüttelte er seinen Kopf.
Rory sah mich an. Laufen lassen konnten wir sie nicht! Aber war es wirklich nötig sie umzubringen? Diese Zwickmühle war mehr als unangenehm, muss ich gestehen!
Doch nicht ich traf eine Entscheidung, es war Tyr der sich jetzt ins Spiel brachte und vor uns in Erscheinung trat. Seine leuchtende neblige Silhouette strahlte in dem etwas dämmrigen Licht hier drin und ließ den Herren vor mir erschrocken zusammenzucken.
„Was in aller Welt… ich dachte … es seien nur Ammenmärchen …“ diese Stimme war plötzlich nicht mehr so selbstsicher wie vor wenigen Minuten noch, sie zitterte vor Angst.
„Wie ihr seht werden auch Geschichten einmal wahr und ich rate euch gut! Gebt Antwort!“ die tiefe Stimme meines Gottes dröhnte bedrohlich in unseren Ohren.
„Ich … wir … der Meister hat … uns den Auftrag gegeben. Eine Einigung ist … keine Option für ihn und uns auch nicht! Bruderschaft und Orden können nie … Frieden schließen! Ihr werdet hier … keinen … Unterschlupf für … diese ganzen … Heuchler und … Verräter finden! … Dafür werden wir … sorgen…“ ich wollte einen Namen haben!
„WER ist euer Mentor?“ hakte ich lauter nach und hörte ein verächtliches Prusten.
„Der wird euch nicht … weiterhelfen …“ fauchte er, während er sich weiterhin in meinem Klammergriff wand wie ein Aal.
„Doch, das glaube ich schon! Wir sollten ihm vielleicht einmal einen Besuch abstatten!“ Rory war mittlerweile auch nicht mehr die Ruhe in Person, wie ich seiner Stimme entnahm.
„Er versteckt … sich! Finden werdet … ihn nie!“ spie er japsend.
„Das ist nicht euer Problem. DER NAME!“ brüllte Tyr ihn jetzt an und stand dicht vor ihm.
Wir sahen, wie die Hand des Gottes nach vorne fuhr und IN den Körper des Herren griff. Die Schmerzensschreie unterband ich indem ich ihm die Hand über den Mund drückte. „SPRECHT!“ diese Worte waren nicht laut, aber sie drangen durch Mark und Bein.
Stotternd und schwer atmend versuchte er nun zu reden.
„Darijo Kovačić… sein Name ist Darijo Kovačić…“ frustriert ließ er die Schultern hängen.
„Und wo finden wir ihn?“ hakte Rory nach.
„Auf der anderen Flussseite … unser Büro … ist ein altes … Lagerhaus.“ immer wieder holte er tief Luft.
Gerade als ich ihn loslassen wollte, riss er mit letzter Kraft meine Hand hoch und erdolchte sich im wahrsten Sinne des Wortes selber!
Der levantinische Weg …
Mir lief das Blut warm über die Hand in meinen Ärmel und ich ließ den Herren einfach los!
Tyr hatte sich von jetzt auf gleich einfach wieder zurückgezogen.
Der letzte unserer Widersacher hing schief auf seiner Sitzgelegenheit mit offenen Augen und Mund. Beim genaueren Betrachten bemerkte ich ein Messer in seiner gesunden Hand und Blut, welches an der Seite seines Halses herunterlief. Viel konnte es ja nicht mehr sein. Verzeiht, das klingt makabrer als ich es wollte. Doch seine Verletzung an der Hand hatte ihn schon einiges an Blut gekostet, nicht wahr?
„Wir müssen diese Männer irgendwie ungesehen von hier wegschaffen!“ der Advokat war etwas nervös geworden und er hatte Recht.
Ich inspizierte das Grundstück hinter dem Stall. Es gab eine große Grube in welcher das dreckige Stroh entsorgt wurde. Kurz gesagt, wir durchsuchten die Körper der Toten und fanden noch ein paar interessante Notizen. Danach schafften wir sie ins Freie und begruben sie in dieser Mulde. Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis man sie finden würde.
Auch wenn wir hier die entsprechenden Personen hatten, die diese Arbeit für uns erledigen würden, war ich heute nicht gewillt, sie in Anspruch zu nehmen. Ich befürchtete, dass wir noch mindestens einmal ihrer Hilfe benötigen würden.
Im Anschluss hatten wir endlich Zeit uns um unsere eigenen Wunden zu kümmern. Ich selber war bis auf ein oder zwei kleinere Schnitte verschont geblieben dank meiner Hautbeschaffenheit!
Rory hingegen hatte eine Wunde an der rechten Schulter und am Oberschenkel, nicht tief und recht oberflächlich! Gott sei Dank!
„Da glaubt man, man ist geübt mit dem Schwert und dann fuchteln diese Assassinen mit ihren geheimen Klingen herum. Der eine hatte eine gezackte Schneide, wie ein Brotmesser!“ erzählte er mir, während wir uns aufmachten in unsere Herberge. Er hatte sie einfach mitgenommen, genau wie wir die anderen auch ihrer Waffen entledigt hatten. Sie würden sie nicht mehr brauchen, oder?
Nachdem der Advokat verarztet war, dank der Gattin des Herbergswirtes, machten wir Pläne für das weitere Herangehen.
„Die Beschreibung des Hauses ist sehr vage, Haytham. Das kann Tage dauern, bis wir das richtige gefunden haben.“ merkte Rory stirnrunzelnd an, als er über den Notizen gebeugt hing.
Es war dort unter anderem die Sprache von einem weiteren Treffpunkt, wenn man uns ausgeschaltet hatte.
„Wir sollten dem nachgehen. Vielleicht können wir sie belauschen und finden so den Meister.“ dachte ich laut nach.
„In zwei Stunden wäre es soweit.“ er besah sich die Karte der Stadt und deutete auf eine Straße, welche unweit unserer Herberge lag. Dort gab es, laut Notiz, eine Taverne namens „The Monks Wine“ wo man sich gegen 9 Uhr abends treffen wollte. Warum trug man aber solche Dinge bei sich, wenn es doch so geheim bleiben sollte?
Wir hatten demnach Zeit um etwas zu essen und uns frisch zu machen.
Für einen Moment zum Verschnaufen saß auf meinem Bett. Meine Gedanken gingen zu meiner Frau und den Kindern. Hoffentlich ging es ihnen gut. Mir war nämlich der Gedanke gekommen, dass auch sie im Grunde in Gefahr waren. Jederzeit konnten diese Widersacher unseres Projektes daheim auftauchen! Sollte etwas passieren war ich aber zuversichtlich, dass Alex mich umgehend informierte.
Ich atmete tief durch und stand wieder auf. Es war Zeit für die Observation!
Da es bereits dunkel war, zog ich meinen schwarzen Mantel über mit der Kapuze und legte meine Waffen an. Die Pistolen waren beide geladen und steckten sicher in ihrem Halfter, was mir ein beruhigendes Gefühl gab.
Auf dem Korridor vor meinem Zimmer traf ich auf den Advokaten und gemeinsam machten wir uns auf den Weg.
Es war wirklich nur ein Fußweg von ungefähr 20 Minuten da tat sich schon das Schild der Taverne vor uns auf. Ebenso hörte man das übliche Stimmengewirr untermalt mit Musik aus dem Inneren!
„Haytham, ihr … darf ich euch etwas fragen?“ mein Begleiter blieb plötzlich stehen.
„Natürlich! Immer raus mit der Sprache, Rory.“ forderte ich ihn auf.
„Wenn ihr euren Blick nutzt, wisst ihr mit Sicherheit, wer gute oder schlechte Absichten hat?“ in seinen Augen lag eine gewisse Skepsis, ich wusste dass ER diese Fähigkeit nicht besaß und sich, in diesem Moment, auf mich verlassen können musste.
„Auf jeden Fall. Es ist meistens absolut sicher, nur selten kann man es nicht zu 100 Prozent ausmachen. Macht euch keine Sorge, ich werde euch nicht Unschuldige angreifen lassen.“ versicherte ich ihm.
„Das hatte ich auch nicht für eine Sekunde gedacht, Haytham.“ erleichtert atmete er aus.
„Rory, warum fragt ihr das auf einmal?“ hakte ich nach, weil es etwas seltsam und gerade nicht passend war.
„Ich möchte mich nicht schuldig machen! Das ist alles.“ ob es die ehrliche Antwort war, weiß ich nicht. Vielleicht bekäme ich noch eine andere Erklärung, später.
Die Tür schloss sich hinter uns und wir standen in einem vollen von Rauch geschwängerten Schankraum.
Ein Tisch wäre keine Option, also suchten wir uns einen freien Platz in der Nähe des Tresens.
„Was darfs sein, Gentlemen?“ sprach uns auch schon der Wirt an.
„Zwei Ale.“ rief Rory um die Lautstärke hier zu übertönen.
Kurz darauf reichte er mir meinen Krug und ich begann mich umzusehen.
Durch den Rauch brannten meine Augen ein wenig, aber mein Blick blieb Gott sei Dank klar. Doch ich sah keinerlei rote Auren hier, auch als ich nach oben blickte. Es könnte ja sein, dass man sich in der anderen Etage etwas privater traf. Fehlanzeige!
Waren diese Nachrichten vielleicht nur eine Finte für uns?
„Seht ihr schon etwas?“ flüsterte mein Begleiter neben mir.
„Nein, überhaupt nichts.“ erwiderte ich frustriert und nahm einen großen Schluck von meinem Getränk.
Gerade als ich entnervt einigen Kartenspieler zusah, öffnete sich die Tür und eine Gruppe von 3 Damen und 4 Herren betrat die Taverne. Ich brauchte meinen Adlerblick nicht einmal um zu wissen, dass dies die besagten Personen waren, auf die wir warteten.
Wie ich schon vermutet hatte, begaben sie sich nach oben um dort ungestört reden zu können.
„Rory, wenn alle oben sind, schleichen wir hinterher. Dort hinten ist ein weiterer Aufgang.“ von dort wäre es unauffälliger und ich wollte ungern gleich entdeckt werden.
Nickend hob er seinen Krug und blickte ihnen hinterher.
Eine Bedienung eilte kurz darauf nach oben und wir begaben uns von der anderen Seite dorthin.
Hier war es etwas ruhiger, aber nicht weniger stickig vom Rauch.
Ein paar Meter entfernt saßen sie an einem runden Tisch auf dessen Mitte eine kleine Laterne stand.
Das Licht warf seltsame Muster auf ihre Gesichter und ließ sie alle unwirklich erscheinen.
Konzentriere dich und hör ihnen zu, ermahnte ich mich selber.
Es dauerte etwas, bis ich ihre Stimmen klar wahrnehmen und trennen konnte.
Eine der Frauen sprach zu erst.
„Wie es scheint, haben wir heute die ersten Verluste zu vermelden.“ frustriert sah sie in die Runde.
„Das wird Master Kovačić nicht freuen, Margret.“ ereiferte sich ein Herr neben ihr.
„Ach, was ihr nicht sagt, Richard! Und was sollen wir nun tun?“ ihr Blick ging wieder von einem zum anderen.
„Der Templer und sein Helfer dürfen hier nicht Fuß fassen! Ganz einfach! Wir haben jetzt schon einige der Verkäufer überzeugt, sich von ihrem Angebot zurück zuziehen. Also …“ Margret ließ den Mann ihr gegenüber nicht ausreden.
„Das reicht nicht, wie es aussieht! Die Mittel für Käufe stehen uns nicht zur Verfügung. Wir müssen, nunja, andere Überzeugungsarbeit leisten.“ dieses sardonische Grinsen in ihrem Gesicht ließ sie wie eine Hexe wirken.
„Also schön. Welche Häuser stehen derzeit noch zum Verkauf?“ fragte eine junge Frau nach.
„Jessy, ihr habt doch die Liste auch erhalten! Schaut nach und tut eure Arbeit! Ihr seid keine Novizin mehr, oder?“ maulte einer der Männer am Tisch.
„Halt deinen Mund, Paul!“ fauchte sie und kramte einen Zettel aus einer Tasche. „Die markierten Häuser habe ich, aber ich kann ja schlecht alleine…“ Paul fiel ihr ins Wort.
„Doch kannst du. Versteck dich gut und überrasche den noch lebenden Eigentümer. Es ist derzeit eine Sterbewelle unterwegs, wie es scheint.“ glucksend sah er zu seinen Mitstreitern, erntete aber nur augenrollendes Kopfschütteln. „Was denn? Die Leute brauchen eh wieder eine Erklärung für diese mysteriösen Todesfälle.“ wo er Recht hatte!
„Denkt daran, dass wir nichts damit zu haben und wir außen vor bleiben. Nichts darf auf uns zurückzuführen sein.“ sprach ein weiterer Herr mahnend.
„Jesus Magnus! Wir machen das nicht erst seit gestern!“ Margret schien irgendwie die Führungsrolle der kleinen Gruppe innezuhaben. Zumindest machte sie einen kompetente Eindruck in meinen Augen.
Ich arbeitete die für uns interessanten Gebäude in Gedanken ab. Wir hätten noch ungefähr 5 weitere Immobilien zu besichtigen. Es wäre von Vorteil, wenn wir diese Auflistung hätten. Vielleicht könnten wir einige der Eigentümer vor dem Tode bewahren!
„Rory, wir sollten uns noch Verstärkung hinzuholen, damit wir mehrere Objekte beschützen können oder besser deren Besitzer. Mir ist nicht wohl bei dieser Sache.“ flüsterte ich und hörte am Tisch weiter zu.
„Ich weiß auch schon, wer uns hier helfen kann.“ lächelte mein Begleiter.
„Wer ist eigentlich auserkoren dem Meister Bericht zu erstatten?“ fragte Paul nach.
„ICH!“ fauchte Margret, dass sie nicht noch mit der Faust auf den Tisch schlug, war alles. Dieser Gang würde für sie nicht erfreulich enden, wenn ich sie richtig deutete. „Morgen Abend ist er wieder hier und ich muss ihm Rede und Antwort stehen.“ frustriert ließ sie ihren Kopf in ihre Hände fallen.
„Stell dich nicht so an. Du hast ihn schon so oft um den Finger gewickelt.“ dieses anzüglich Lachen brachte die Dame nur noch mehr in Rage! Bedrohlich langsam stand sie auf und ging um den Tisch herum um sich vor ihm aufzubauen.
„WIE BITTE?“ so schnell konnte niemand reagieren, da war die versteckte Klinge gezückt und lag am Hals des Herren. „Erklär dich, Azikiel!“
„Du weißt, was ich meine…“ flüsterte er, aber nicht aus Angst, sondern weil er ein Ass im Ärmel hatte. Er hatte anscheinend tiefergehende Informationen, welche die Dame in gravierende Unannehmlichkeiten bringen konnten.
Ohne ein weiteres Wort ließ sie von ihm ab und setzte sich wieder.
Die weitere Unterredung war eher belanglos, weil sie keine Namen, Adressen oder ähnliches mehr miteinander teilten. Also mussten wir diese Liste von Jessy bekommen, damit wir ihnen zuvor kommen konnten. Da hier oben aber keinerlei weitere Gäste waren, kam stehlen nicht in Betracht.
Wir müssten ihr unten oder draußen auflauern.
Rory ging vorsorglich hinunter, ich hingegen blieb hier. Vielleicht würden die Gespräche ja doch noch nützliche Hinweise ergeben.
„Ich bin gespannt wie diese Verbrüderungs-Horde sich mit den Erben herumschlägt. Ich sehe schon ihre Gesichter, wie sie sich die Zähne an ihnen ausbeißen, weil sie nicht weiterkommen.“ lachte dieser Paul.
„Die nächsten Tage sollten wir aber ein wenig bedeckter die Verkäufer auffordern ihre Absichten zu ändern. Vielleicht hat der Meister noch Geldreserven, welche als kleine Anzahlung herhalten können.“ Margret war also tatsächlich eine wichtigere Persönlichkeit in den Reihen dieser Bruderschaft. Ob sie sich jedoch so gut mit Bestechung auskannte, war fraglich. Wir standen ja auch nicht mit leeren Händen hier.
Mir blieb jetzt nichts anderes übrig, als mich ebenfalls wieder nach unten zu begeben und auf besagte Jessy zu warten.
Morgen würden wir vielleicht noch etwas mehr in Erfahrung bringen können. So hoffte ich.
Im Schankraum lehnte mein Mitstreiter am Tresen und betrachtete die Gäste um sich herum.
„Wisst ihr was ich nie so ganz verstehen werde? Hier gibt es einige Familienväter die über ihre Frauen herziehen, sie wären schlechte Ehefrauen, hätten keine Ahnung von der Kindererziehung und so weiter. Doch selber sitzen diese selbsternannten perfekten Gatten hier und betrinken sich teilweise bis zur Besinnungslosigkeit. Ich finde es da nicht verwunderlich, dass einige Damen da nicht mehr mitspielen wollen.“ kopfschüttelnd sah er in sein Ale.
„Vielleicht haben diese Herren auch einfach kein gutes Auge bei der Wahl ihrer Auserkorenen gehabt. Oder sie hat sie getäuscht und etwas vorgegaukelt, damit sie als Ehefrau überhaupt in Frage kommt. Versteht mich nicht falsch, natürlich gibt es auch diese anderen unfähigen Frauen, aber eine Ehe ist ein Geben und Nehmen. Ein Gleichgewicht.“ ein ähnliches Gespräch hatte ich vor langer Zeit einmal mit Alex.
„Die richtige Person für das Zusammenleben und die Heirat zu finden ist wahrlich nicht einfach. Auf der anderen Seite beneide ich die Damen und Herren aus höheren Ständen nicht, welche ihre Ehepartner einfach zugeteilt bekommen.“ dabei schüttelte er traurig den Kopf.
„Ich bin ebenso froh, meine Frau selber gefunden zu haben, oder besser gesagt, sie hat mich gefunden.“ grinsend klopfte ich Rory auf die Schulter als ich auch schon unsere Zielperson auf der Treppe ausmachte.
„Sie kommt …“ flüsterte ich.
Die Dame ging Richtung Ausgang, zögerte an der Tür jedoch für einen Moment und sah sich noch einmal suchend im Schankraum um. Hatte sie unsere Blicke gespürt oder suchte sie nach jemand bestimmten? Mit einem Schwung drehte sie sich um und verließ die Taverne.
Wir warteten noch einen kleinen Augenblick und taten es ihr dann gleich.
Draußen war es unangenehm diesig und nebelig geworden. Das Wetter schlug mal wieder um, was die Verfolgung leider erschwerte.
Mein Blick förderte in einiger Entfernung vor uns eine leicht rot schimmernde Aura zutage, welcher wir mit ausreichend Abstand folgten.
Es ging kreuz und quer durch die Straßen von Richmond ohne ein wirkliches Ziel hatte ich den Eindruck.
Nach über einer halben Stunde blieb unser Ziel abrupt stehen und sah sich erneut um. Die Gegend hier war kaum beleuchtet, da die meisten Bewohner bereits schliefen und kein Licht mehr aus den Fenstern drang. Von Laternen die an den Wänden hingen mal ganz zu schweigen. Hier kümmerte sich wohl niemand darum.
Also musste ich wohl oder übel weiter den Fokus behalten.
„Haytham, dort!“ Master Gillehand stupste mich an und deutete in Richtung eines sich auf uns zu bewegenden Lichts. Jemand mit einer Laterne durchbrach die Dunkelheit hier und als er bei Jessy vorbei ging, konnte ich sie kurz ausmachen. Wir waren der richtigen Person gefolgt, Gott sei Dank.
Sie stand immer noch reglos dort und machte den Eindruck, als warte sie auf etwas.
Und tatsächlich. Nur wenige Minuten später leistete ihre eine weitere rot schimmernde Silhouette Gesellschaft. Ich sah meinen Kompagnon grinsend an. Dem Anschein nach, hatte Jessy noch eine Verabredung mit ihrem Liebsten.
Dann fiel mir ein, dass wir jetzt so noch schlechter an diese vermaledeite Liste kommen könnten.
„Rory, wir werden die Betrunkenen mimen und sie ablenken. Sie hat die Notizen in ihrer Tasche am Gürtel. Ich denke, dass ich sie ihr entwenden kann, ohne erwischt zu werden. Schaut nicht so erschrocken, auch den heimlichen Diebstahl brachte man mir bei. Nur für den Notfall versteht sich.“ immer noch grinsend machten wir uns in Richtung der beiden auf.
Schwankend und lallend näherten wir uns ihnen und unsere Blicke trafen sich. Der Herr war ebenfalls in der Taverne gewesen und sah abfällig von einem zum anderen.
Rory täuschte einen Übelkeitsanfall vor und hielt sich dabei am Mantel des Gentleman fest.
So war auch Jessy abgelenkt, welche ihren Partner von meinem befreien wollte. Mich schien sie nicht für wichtig zu erachten. Somit hatte ich leichtes Spiel, durchtrennte mit schnellen Bewegungen die Schnüre der Tasche und schob sie unter meinen Gehrock.
„Hey, wenn du … hau ab du Widerling!“ der Herr schlug Rorys Hände von sich, welcher jetzt lautstark rülpste und sich gestikulierend versuchte zu entschuldigen.
„Verschwindet!“ rief Jessy uns noch zu, als wir uns weiterhin wankend aus dem Staub machten.
Kaum dass wir um die Ecke waren, hörten wir lautes Fluchen und Schritte in unsere Richtung. Verdammt, sie hatte tatsächlich den Diebstahl schneller bemerkt als gedacht. Jetzt hieß es die Beine in die Hand nehmen.
Wir rannten was das Zeug hielt durch die dunklen Gassen, bis ich beschloss, dass wir uns trennten.
Master Gillehand blieb hier unten auf sicherem Boden, nachdem ich ihm noch unsere Beute aushändigte und ich machte mich auf um die Dächer zu erklimmen. Hier in Richmond war es jedoch nicht ganz so einfach. Die Gebäude standen teils sehr weit auseinander, hatten rutschige schräge Dächer und Ziegel. Einige Male verlor ich den Halt und geriet nahe an einen Vorsprung, konnte mich jedoch immer wieder hochziehen.
Das Klacken der losen Dachpfannen unter meinen Stiefeln war kaum zu überhören. Sie würden mir eher folgen hoffte ich.
Ich fand meine Orientierung schnell wieder, als ich den Glockenturm der Kirche, die in der Nähe unserer Unterkunft war, erkannte.
Ab jetzt suchte ich ebenfalls wieder die Straßen auf und würde mich in einer dunklen Ecke für ein Weilchen verstecken. Einfach um sicherzugehen, dass man mich jetzt aus den Augen verloren hatte.
Mein Blick zeigte mir keine roten Auren in meiner Nähe an, was mich beruhigte. Lediglich Rorys goldene Umrisse waren auszumachen, welcher sich ebenfalls in einem kleinen Schuppen verborgen hielt.
Gerade als ich aus meinem Versteck wollte, hörte ich Stimmen.
„Sie waren doch gerade noch hier. Und jetzt erklär mir bitte wie es möglich ist, dass ein lahmer Templer sich wie ein Assassine benimmt!“ der Gefährte von Jessy war sichtlich verwirrt und wütend.
„Woher soll ich das wissen, ich weiß doch noch nicht einmal ob es einer war. Wir müssen meine Tasche aber wieder bekommen!“ die Dame war ebenfalls außer sich und sah sich um.
„Kannst du etwas mit diesem Wunderblick ausmachen, Jessy?“ hakte ihr Begleiter nach.
„Nein verdammt nochmal.“ ich sah, wie sie ihre Schulter sacken ließ.
Ich war versucht mich auf den Weg zu unserer Unterkunft zu machen, als mein Mitstreiter neben mir auftauchte. Es war mir gerade noch möglich meinen Mund vor Schreck zuzuhalten.
„Rory, seid ihr denn des Wahnsinns?“ jetzt war ich es, der mürrisch klang.
„Entschuldigt, Haytham. Aber seht, die beiden haben aufgegeben und gehen wieder in Richtung der Taverne wenn ich mich nicht täusche.“ erstaunt sah ich ihn an. Wie konnte er das in dieser Dunkelheit ohne eben den Adlerblick erkennen? „Es mag sich seltsam anhören, aber ich spüre wie sie sich entfernen, ich sehe es nicht wirklich.“ So musste es einem Blinden gehen, ging es mir durch den Kopf. Doch diese Entfernung war schon nicht ohne, dass er die beiden Personen so gut wahrnehmen konnte war erstaunlich!
Trotzdem schlichen wir uns langsam und möglichst lautlos gen Unterkunft.
Dort angekommen atmeten wir beide erleichtert auf und gingen hinauf zu unseren Zimmern.
„Haytham, hier die Tasche. Wir sollten vielleicht morgen früh einen Blick hinein werfen. Oder könnt auch ihr eure Neugierde gerade nicht bändigen?“ grinste er mich über unsere Beute hinweg an.
Auch ich wollte wissen, was uns spannendes erwarten würde.
Im Zimmer von Master Gillehand entzündeten wir die zwei Laternen am Tisch und die Kerzen auf den Nachtschränken. Das musste reichen.
Besagte Tasche war ein Lederbeutel, abgenutzt, spröde und sehr alt.
Der Inhalt jedoch war alles andere als langweilig!
Zuerst lasen wir die Liste der Immobilien, welche noch nicht umgestimmt werden konnten. Darunter fanden wir 3 für uns wichtige Häuser und erfuhren auch gleich die Namen der Eigentümer und ihre Anschriften, wenn sie denn nicht direkt dort lebten.
Leider war ein Herr tatsächlich nicht hier zugegen, sondern verweilte seit 4 Monaten in Italien bei seiner Familie. Um ihn mussten wir uns vermutlich keine Sorgen machen, hoffte ich.
Die anderen beiden hingegen lagen außerhalb Richmonds etwas ländlich und ihre Besitzer lebten noch vor Ort. Sie hatten sich erst vor kurzem zu einem Verkauf entschlossen erfuhren wir jetzt.
„Dann wissen wir ja, wo wir morgen als erstes ansetzen werden.“ Rory war sichtlich erfreut und guter Dinge.
Das schlug jedoch prompt um, als wir noch ein Schreiben zu Tage beförderten in welchem man vor uns warnte. Die Beschreibungen unserer Personen waren jedoch recht vage und schmeichelten uns keineswegs. Nun gut, sollten sie auch nicht, aber wenn man so etwas über sich liest, dann ist es schon etwas seltsam, nicht wahr?
Wie oft hatte ich den Begriff „schnöseliger Brite“, „Neureicher Prahler“ oder auch „verlogener Templer“ gehört? Ich hatte seit Jahren aufgehört zu zählen.
Master Gillehand wurde sogar als „rechte Hand des Teufels in Person“ bezeichnet. Oder als Handlanger des Verbrüderungskults. DAS war tatsächlich mal etwas neues und ließ mich weiter lesen.
„… ich mahne euch zur Vorsicht, Brüder und Schwestern! Wir haben es hier mit anderen Mächten zu tun als sonst üblich. Mir sind absonderliche Vorkommnisse zu Ohren gekommen. Von einer leuchtenden Amazone mit Äxten und ihrem Partner, welcher unfassbare Reflexe haben soll…“ ich staunte nicht schlecht über diesen Unfug, der über uns verbreitet wurde.
Umgekehrt kam uns das zugute, so hielt man die Menschen auf Abstand!
Aber warum hatte man dann gerade eben beim Raub weder Rory noch mich erkannt?
„Es gibt keine Bildnisse von uns oder eurer Gattin, Haytham. Jeder könnte auf diese Beschreibung passen, oder nicht?“ Da hatte er auch wieder recht.
Wohl oder übel mussten wir bis morgen warten und uns um den eigentlichen Drahtzieher Darijo Kovačić kümmern.
Nicht zu vergessen die von Rory angekündigte Hilfe für unser Unterfangen hier in Richmond!
Die Nacht blieb ruhig, im Gegensatz zu mir. Mein Schlaf war unruhig und ich hatte meinen Dolche griffbereit unter meinem Kissen. Diese Art von Vorsicht kannte ich schon aus der Zeit, als ich wegen Braddock Bedenken hatte, dass er mir im Schlaf auflauern könnte damals.
Etwas übermüdet ging ich hinunter in den Schankraum um mein Frühstück zu bekommen. Master Gillehand war noch nicht anwesend, also hatte ich noch einen Moment des Innehaltens und konnte so meine Sinne sammeln.
„Guten Morgen, Haytham.“ grüßte mich mein Advokat fröhlich und setzte sich mir gegenüber.
„Ihr scheint bester Dinge zu sein, Rory. Euch auch einen guten Morgen.“ lächelte ich zurück.
„Auch wenn ich kaum ein Auge zu gemacht habe, so bin ich doch voller Tatendrang heute. Wisst ihr, solch spannende Unternehmungen habe ich bisher nie wirklich erlebt.“ erzählte er mit einem Mund voller Toast.
„Dann wird es Zeit für Abenteuer.“ irgendwie hatte er mich angesteckt mit seiner guten Laune und ich ließ mich mitreißen.
Unser Kontaktmann in Richmond, von welchem Master Gillehand sprach, war ein Herr mittleren Alters, ehemals Advokat, jetzt im Ruhestand. Er kannte sich hier hervorragend aus, vor allem was Eigentümer- oder Besitzerwechsel von Häusern anging. Noch immer behelligte man ihn mit Neuigkeiten bezüglich neu zugezogenen oder dem Ableben von Bürgern. Schlicht gesagt, man vertraute ihm den neuesten Tratsch an.
Vor seinem Haus blieb ich mit offenem Mund stehen. Es war ein kleiner Backsteinbau mit niedrigem Dach und etwas abgewetzten Fensterläden, wenn auch der Vorgarten gepflegt wirkte.
Wir wurden von einem Bediensteten in das Arbeitszimmer besagten Herren gebracht und man versorgte uns mit Erfrischungen.
Kurz darauf erschien der Hausherr, schlurfend auf einen Stock gestützt. Jetzt war mir auch klar, warum er sich zurückgezogen hatte. Seine Gesundheit ließ ihn im Stich.
Ich vergaß seinen Namen zu erwähnen, oder?
Aidan Potts begrüßte uns herzlich und ohne um den heißen Brei zu reden, fragte er auch sofort nach, womit er uns behilflich sein könne. Vermutlich waren das die Momente, die ihn noch nicht ganz haben aufgeben lassen. Er war immer noch eine hilfreiche Institution für seine Freunde und Mitmenschen.
„Gentlemen, wie kann ich euch nun weiter helfen?“ fragte er etwas schleppend. Erst jetzt fiel mir auf, dass seine linke Gesichtshälfte etwas nach unten hing. […] das deutet auf einen Schlaganfall hin, im Gehirn der Menschen wird etwas unterbrochen […] hörte ich Alex in meinen Gedanken. Trotzdem sollen viele noch bei klarem Verstand sein und ich hoffte, dass Aidan das war.
„Master Potts, es ist mir eine Ehre einen guten Freund von Master Gillehand kennenzulernen. Haytham Kenway, zu euren Diensten.“ stellte ich mich vor, weil mich meine Manieren übermannte.
„Aidan, es geht um einige Häuser und deren Besitzer, welche wir erwerben wollen oder uns zumindest ansehen wollen. Leider scheinen die Assassinen uns einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen und das dürfen wir nicht zulassen. Sie greifen wie so oft in Belange ein, welche sie nichts angeht. Zumal sie ihr Credo auch zutiefst damit verletzen.“ erstaunt sah ich Rory an.
Wusste Master Potts vom Orden und der Bruderschaft? War er … unauffällig besah ich mir seine rechte Hand und registrierte einen goldenen Ring am Ringfinger mit einem Templerkreuz darauf.
„Warum habt mir nicht erzählt, dass euer Freund ebenfalls zu uns gehört?“ hakte ich leicht verstimmt nach, weil es mir wie so oft zuwider war, nicht im Bilde zu sein!
„Verzeiht, Master Kenway. Rory hat es sicher nicht böse gemeint.“ versuchte er mich zu beschwichtigen.
„Haytham, ich hatte es schlichtweg einfach vergessen, weil es mir vermutlich nicht wichtig erschien.“
„Also schön.“ auch wenn ich der Meinung bin, dass man so etwas wichtiges kaum vergessen kann.
Master Potts erzählte von seiner Zugehörigkeit, seiner Familie welche schon seit Jahrzehnten dem Orden loyal war und seinem Informationsnetz.
Ein sehr ausgeprägtes und vor allem illustres Netz möchte ich sagen. Als der Name Reginald Birch fiel musste ich mir einen bissigen Kommentar verkneifen, doch Aidan wusste über seinen Tod und die Umstände Bescheid.
„Ihr habt richtig gehandelt, Master Kenway. Reginald war, es tut mir leid das zugeben zu müssen, eingefahren in seinem Fanatismus was die Vorläufer anging. Nichts anderes interessierte ihn und mir kam auch zu Ohren, dass sein treuester Freund, Edward Braddock, euch nicht sehr wohlgesonnen war.“
Das war noch untertrieben wie ich aus einigen Briefen an meinen ehemaligen Mentor wusste. Er fragte sogar, ob er sich meiner nicht endlich entledigen dürfte, weil er befürchtete, dass ich der Wahrheit zu nahe kam.
Wieder einmal überkam mich eine gewisse Ohnmacht, weil man mir oft nicht die Wahrheit erzählt hatte. Mir wurde immer wieder einzig Schweigen entgegen gebracht. Aber meine Vergangenheit tut jetzt nichts zur Sache.
Aidan erklärte, dass einige der Häuser die zur Auswahl standen, mehr als baufällig waren, weil die Eigentümer in finanzieller Not waren. Sie waren nicht in der Lage, Reparaturen und ähnliches zu bezahlen.
„Die Steuern treiben einen zusätzlich in den Wahnsinn, Master Kenway. Auch mich! Ich warte immer noch darauf, dass ich meinen Tee nicht mehr genießen kann, weil er nach britischem Machtgehabe schmeckt.“ er sollte es vermutlich sogar noch erleben, dachte ich bitter.
Wir erhielten eine ausführliche Liste der Personen mit zum Verkauf stehenden Immobilien, nebst Unterhändlern oder Advokaten. Hier in der Stadt gab es noch nicht sehr viele, weswegen oft der selbe Name fiel.
Roger Jenkins war ein mehrfach gelesener Name.
„Er kann euch sogar, wenn ihr es wünscht, ein Haus auf einer einsamen Insel im Pazifik besorgen.“ lachte Aidan, als ich nachhakte wer der Herr denn sei.
„Das klingt doch vielversprechend.“ schmunzelte ich. In Gedanken sponn ich es weiter, was wäre wenn ich mit meiner Frau so etwas erwerben würde?
„Haytham, woran denkt ihr gerade. Ich sehe euch selten so selig lächeln.“ Rory sah mich grinsend an.
„Verzeiht, ich … zurück zu unserem Thema, Gentlemen. Dieser Mister Jenkins könnte uns noch helfen für weitere Projekte. Wenn er sogar in Übersee tätig ist und entsprechende Kontakte hat, dann immer her damit.“ frohlockte ich.
Als wir Master Potts verließen, hatten wir nicht nur neue mögliche Kaufoptionen, nein, wir hatten auch noch weitere Kontakte, welche uns in Zukunft noch nützlich sein könnten. Sie alle gehörten zwar dem Orden an, könnten aber sicherlich überzeugt werden, mit der Bruderschaft eine Übereinkunft zu treffen. Denn um mehr ging es nicht.
Ein Blick auf meine Taschenuhr sagte mir, dass wir uns aufmachen sollte zur ersten Besichtigung am heutigen Tag. Hoffentlich war der Besitzer noch nicht den Assassinen zum Opfer gefallen.
Wir standen eine dreiviertel Stunde später vor einem weißgetünchten Haus mit gepflegtem Vorgarten, sauberen Fenstern und der Größe eines Puppenhauses!
„Wie viele Zimmer sollten es hier sein?“ fragte ich skeptisch nach.
„Es tut mir leid, aber ich wusste auch nicht, dass es für Zwerge ausgelegt ist.“ neben mir hörte ich ein leises Prusten.
Ich sprang über meinen Schatten und wir klopften. Wer weiß, vielleicht sah es im Inneren ja doch ganz anders aus.
Auf unser Klopfen reagierte niemand, also versuchte ich es noch einmal etwas energischer.
Auch dann kam keine Antwort
Wir gingen um das Haus herum, vielleicht konnten wir einen anderen Eingang finden. Warum auch immer, ich wollte unbedingt die Räumlichkeiten sehen!
Wir waren gerade um die Ecke gebogen und hatten einen Fuß auf die dortige Terrasse gesetzt, da hörten wir ein lautes Poltern und Schmerzensschreie!
Sekundenschnell öffneten wir die Tür, welche vermutlich zur Küche führte und lauschten noch einmal, ob noch mehr zu vernehmen war.
Leises Stimmengemurmel war von oben zu vernehmen. Leider konnten wir nichts verstehen.
Wir schlichen weiter vorbei an dem noch warmen Ofen und mein Blick sagte mir, dass hier unten niemand war. Dafür waren im ersten Geschoss drei Personen und ein Leichnam, leider.
Am Fuße der Treppe blieben wir kurz stehen und lauschten noch einmal.
Sie alle blieben an Ort und Stelle und somit gingen wir mit Bedacht die Stufen hinauf. Gott sei Dank knarrten sie nicht.
Von uns aus gesehen links war der Tatort und ich versuchte erneut mit meinem Blick einen Überblick zu verschaffen. Endlich konnte man die Herrschaften auch verstehen.
„Das war leichter als gedacht, wer hätte vermute können, dass er schon bettlägerig ist und sich kaum noch rührt.“ die Art wie der Mann es sagte, brachte mir Übelkeit. Ich gebe zu, auch ich war recht skrupellos, doch ich würde niemals so über einen Toten sprechen. Ekelhaft!
Zum ersten Mal ging mir durch den Kopf, warum Assassinen so unbedacht handelten. Hieß es nicht, das Unschuldige verschont werden sollten. Sollten sie sich nicht verdeckt halten und die Bruderschaft nicht gefährden? Was bitte waren das für Meuchelmörder denen ich in den letzten Jahren begegnet bin? Sie alle scherten sich nicht um ihr Credo!
Ich sollte beizeiten eine Versammlung einberufen, damit wir das diskutieren konnten. In der Loge wollte ich diesbezüglich ebenfalls ein paar Worte sprechen. Vielleicht bekäme ich eine erklärende und plausible Antwort von meinen Logenbrüdern.
Die Sitzung war für den kommenden Freitag einberaumt und ich muss gestehen, ich freute mich. Sollte ich Master Gillehand eventuelle ebenfalls die Chance geben, sich uns anzuschließen. Auch er machte den Eindruck, dass gewisse Dinge einfach nur diskutiert werden mussten um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich werde es im Hinterkopf behalten.
Zurück zum hiesigen Geschehen und dem Verstorbenen.
Rory und ich zogen gleichzeitig unsere Schwerter und ich aktivierte zusätzlich meine versteckte Klinge.
Wir schlichen weiter zum Tatort und das Gespräch wurde lauter.
„Dann wollen wir mal für eine angemessene Beerdigung sorgen!“ hörte ich eine männliche Stimme in der Nähe der Tür.
Wir hörten ein Rascheln, dann ein leises `klack` immer und immer wieder.
„Das Holz ist aber auch feucht. Gib mir das Buch vom Nachttisch!“ befahl eine andere Stimme.
Kurz darauf vernahm man ein erfreutes sarkastisches „Ahhhh… was für ein schönes Feuerchen… Wie dumm! Der Teppich brennt!“
Mit Schwung wurde die Tür zum Zimmer aufgerissen und drei Personen standen uns gegenüber.
„Moment… was macht ihr hier?“ ungläubige Augen sahen uns an, ehe sie realisierten, dass sie einen Fehler begangen hatten.
Aus der offenen Tür hörten wir bereits das Knistern eines Feuers und das typische gelb-rote Flackern warf unheimliche Muster auf die Wände.
„Wir sind anscheinend zur Rettung dieses wunderschönen Hauses genau zur richtigen Zeit erschienen, Gentlemen.“
Bei meinen Worten grinste mich der erste Herr breit an, zog in aller Seelenruhe sein Schwert und ging langsam auf mich zu.
„Ihr seid zu spät, meine Herren. Bedauerlicherweise hat der Hausherr so sehr gefroren, dass er den Kamin anfachen wollte und dabei zu viel des Rauches eingeatmet hat. Wir konnten ihn nicht mehr retten.“ während er sprach, spielte er mit seiner Waffe ein wenig, aber mehr um Eindruck zu schinden.
„Was für ein Pech für uns, nicht wahr?“ ich sah zu Rory, welcher ebenfalls sein Schwert in der Hand hielt. Wer würde beginnen?
Wir wandten uns zum Schein der Eingangstür zu, als der erkorene Anführer lauter wurde.
„Nichts da, ihr werdet heute nirgendwo mehr hingehen.“ jetzt wussten wir, dass nicht wir den Kampf beginnen mussten.
Mit Schwung und gleichzeitig gezücktem Schwert drehte ich mich um, gerade rechtzeitig um den ersten Angriff meines Kontrahenten abzuwehren.
Natürlich blieb es nicht dabei und wieder einmal sah mich Gegner mit einer hervorragenden Ausbildung gegenüber, auch wenn sie ihr Credo vergessen zu haben scheinen.
Links antäuschen, rechts zuschlagen. Das war nicht schwer, das gehörte zum Grundtraining. Nach einigen Hieben wurde es aber anspruchsvoller und ich schöpfte aus meinen Erfahrungen, ebenso der Herr mir gegenüber.
Seine versteckte Klinge war länger als die herkömmlichen und kam mir des öfteren unangenehm nahe. Diese galt es auf jeden Fall im Auge zu behalten und nach einer Schwachstelle zu suchen.
Ich fand sie.
Er war Linkshänder, somit war die versteckte Klinge am rechten Unterarm mit den üblichen Schnallen befestigt. Mein Blick förderte keine weiteren Waffen zutage und ich konzentrierte mich auf mein Vorhaben, möglichst so, dass er es nicht bemerkte.
Mein Glück war mir hold, als er von unten ausholen wollte mit der rechten Seite um mir die Klinge in die Nieren zu rammen. Beim Ausweichen und abwehren, stolperte ich gegen Rory, welcher hinter mir mit dem anderen Mann kämpfte.
„Ahhhhhhh verdammt!“ rief er schmerzerfüllt und hielt sich seine rechte Seite. Über seine Hand lief bereits Blut und sein Atem ging hektisch.
„Haltet durch!“ dieser Befehlston war nicht beabsichtigt, aber ich musste mich gegen das Schwert des dritten Mannes plötzlich auch noch wehren.
Der hatte sich dezent im Hintergrund gehalten um zuzuschlagen, wenn wir bereits geschwächt sind.
Mein Mitstreiter wäre jetzt leichte Beute, also musste ich mich beeilen um die Assassinen außer Gefecht zu setzen.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich, dass die Flammen seltsamerweise nicht weiter um sich griffen, ebenso hielt sich die Rauchentwicklung im Rahmen. Bis jetzt zumindest.
Ich hörte, wie ein Schwert zu Boden fiel, dann einen Schuss in dessen Anschluss ein dumpfes Poltern zu hören war. Aus dem Augenwinkel sah ich wie der erste tot am Boden lag mit einem Loch auf der Stirn.
Zwei waren übrig, das konnte ja nicht so schwer sein.
Bei jedem Treffer den ich einstecken musste, spürte ich, wie meine Haut zwar leicht angeritzt wurde, aber diese Festigkeit ließ keine tiefe Wunde zu.
[…] aber unsterblich und unverwüstlich bist du dennoch nicht, tiefe Stiche können immer noch deinen Tod bedeuten […] Das waren Tyrs Worte damals und ich setzte alles daran, dass ich jedem gezielten Streich auswich.
Rory hatte sich etwas gesammelt und half so gut es ging. Sein Blick wurde von Minute zu Minute glasiger.
Er landete mit seinem Schwert einen tiefen Schnitt am Handgelenk eines der Herren und veranlasste diesen seine Waffe fallen zu lassen. Hektisch versuchte er sich etwas darum zu wickeln, aber mein Kompagnon ließ ihm keine Zeit!
Mein eigener Angreifer riss mit einem Male seine Pistole aus dem Gürtel, zielte und drückte ab. Ich spürte die Kugel Millimeter dicht an meiner linken Schläfe vorbei rauschen!
Er fluchte lautstark und griff dann wieder mit dem Schwert an. Seine Frustration konnte er kaum mehr unterdrücken.
Das gab mir die Gelegenheit mich zu sammeln und mit schnellen gezielten Schnitten seine Klingenhalterung zu entfernen. Abgelenkt von der Tatsache, dass sie jetzt am Boden lag, konnte ich ihn mit einem Kinnhaken von mir weg befördern und stach dann mit meinem Schwert tief in seinen Brustkorb, drehte es noch einmal und zog die Klinge wieder heraus.
Entsetzt und schwer atmend sank er an der Wand hinter sich zusammen.
„Ihr habt gut gekämpft, Mann…“ seine Hand presste sich auf die Wunde, aber es würde nur wenige Minuten dauern, ehe er das Bewusstsein verlor um dann ebenso schnell seinem Schöpfer gegenüber zutreten.
Rorys Widersacher war mittlerweile tot und er selber kniete auf dem Boden mit einem provisorischen Verband aus dem Halstuch eines der Assassinen.
„Könnt ihr laufen?“ fragte ich, während ich mein Schwert und die Klinge reinigte.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir es hier ja auch noch mit einem Brand zu tun hatten! Der Rauch hielt sich immer noch in Grenzen, was mich erstaunte.
Im Zimmer des Getöteten war der Teppich vor dem Kamin zwar völlig zerstört, jedoch waren die Flamme nicht auf andere umstehende Möbel oder die Vorhänge übergegangen. Irritiert sah ich mich um und stellte fest, dass der Boden aus robusten Fliesen bestand und somit war der Brand schnell kleiner geworden, weil nur das Buch, das jetzt völlig verkohlt in der Mitte lag, nicht ausgereicht hatte als Brandbeschleuniger.
Das Holz war tatsächlich viel zu feucht, als dass es so schnell zu brennen begonnen hätte.
Der kleinen Brandherd in der Nähe des Bettes war schnell gelöscht und meine erneute Inspektion ergab keine Gefahr mehr. Glück im Unglück würde ich mal sagen!
„Wir sollten die Angehörigen benachrichtigen.“ hörte ich Rory hinter mir keuchend sagen.
„Und ihr müsst dringend zu einem Arzt.“ stützend lehnte er sich auf mich und wir gingen hinaus auf die Straße, wo wir schon von ein paar Schaulustigen erwartet wurden.
Von draußen hatte man die Flammen gesehen, aber keinen Rauch, weswegen man sich entschieden hatte nicht einzugreifen. Außerdem hätte man ja gewusst, dass wir da wären. Natürlich wussten sie das.
Es hätte aber auch ganz anders ausgehen können, doch jetzt brachten die Spekulationen nichts mehr.
Ich winkte eine Kutsche für Rory heran, verfrachtete ihn hinein und gab dem Kutscher Anweisung einen Arzt aufzusuchen und mir dann anschließend Bericht zu erstatten.
Für mich hieß es jetzt, die Leichen zu entfernen und nachzusehen, ob sie noch interessante Hinweise oder Dinge in ihren Taschen mit sich führten.
Wieder im Haus öffnete ich einige Fenster um den an der Decke hängenden Rauch etwas hinaus zu bringen, es kratzte fürchterlich im Hals mit einem Male.
Die drei Assassinen bargen keinerlei Informationen für uns, die wir nicht schon hatten. Mit Laken deckte ich sie provisorisch zu, um sie später abzuholen. Für derlei Tätigkeiten hatten wir auch hier in Richmond unsere Leute.
Als ich mir den verstorbenen Hausherrn dann endlich einmal ansehen konnte, musste ich feststellen, dass er nicht so alt war, wie die Mörder es gemutmaßt hatten. Er mag vielleicht so Anfang 60 gewesen sein, kaum graue Haare. Auch ihn bedeckte ich mit seiner Decke und ging langsam wieder nach draußen.
Wie sollte ich seiner Familie dieses Desaster nur erklären?
„Lasst mich durch, mein Vater lebt hier!“ rief eine junge Frau aus der Menge, die sie dann im wahrsten Sinne des Wortes auf den Gehweg spuckte. Kurz taumelte sie so befreit, richtete ihr Kleid um in Richtung Haus zu gehen. Als sie mich sah, in meiner doch recht blutverschmierten Garderobe, stutzte sie kurz und kam dann auf mich zu.
„Sir, seid ihr verletzt? Geht es meinem Vater gut?“ hektisch sah sie von mir zum Gebäude.
„Miss, mein Name ist Haytham Kenway, zu euren Diensten.“ ich verbeugte mich lediglich, da meine Hände schmutzig waren.
„Erfreut eure Bekanntschaft zu machen, Harriet Cartrigde.“ in ihren Augen keimte Angst auf. „Ist etwas mit meinem Vater passiert?“ ihre Worte kamen leise und zögerlich.
„Miss Cartrigde, ich bedaure euch mitteilen zu müssen, dass euer Vater verstorben ist. Wir kamen leider zu spät.“ bevor sie ins Innere eilen konnte, hielt ich sie zurück. „Ihr solltet nicht hinein gehen, es gab ein Feuer und ich möchte euch diesen Anblick ersparen.“ natürlich war es nicht alleine dem Brand geschuldet, wir müssten erst aufräumen, ehe die Familie alles in Augenschein nehmen durfte.
Sie brachte kein einziges Wort mehr heraus, weinte laut und lehnte sich, so dreckig wie ich war, an meiner Brust. Hilfe kam fast zeitgleich von einer anderen Frau aus der Menge, welche sich ihren Weg ebenso bahnen musste.
„Harriet mein Schatz, was ist …“ ihr Blick ging von oben bis unten über mich und der Gesichtsausdruck verhieß nichts gutes. „Ihr Sir, was habt ihr nur getan?“
Etwas sprachlos drehte ich Harriet zu ihr um und in ihre Arme.
„Ich habe versucht ein Leben zu retten, doch leider kamen mein Freund und ich zu spät. Es gab einen Brand und Master Cartrigde hat es leider nicht geschafft.“ erklärte ich in der Hoffnung, dass sie mir glauben würde.
„Dann seid ihr diese Brut, die uns vom Verkauf abhalten wollte, richtig? Musstet ihr aber gleich soweit gehen?“ das konnte sie nicht ernsthaft glauben! „Schämen solltet ihr euch…“
Langsam verlor ich die Geduld mit den Damen.
„Wenn ihr mir nicht glauben wollt, geht ruhig hinein. Ich wollte euch den Anblick ersparen, aber bitte…“ ich wies einladend in Richtung der Eingangstür.
Mit hocherhobenem Kopf ging sie mit Harriet hinein und da es kein Obergeschoss gab, fiel ihr Blick sofort auf die toten Assassinen.
Man hörte einen spitzen Schreckensschrei und kurz darauf ein lautes Schluchzen.
Ich schloss hinter mir die Tür, damit keine neugierigen Nachbarn das Ganze zu sehen bekamen.
Die Frauen standen am Bett des Hausherrn, Harriet kniete daneben, während die andere mit verschränkten Armen einfach da stand.
„Wer war das?“ es war ein bedrohliches Flüstern aus dem Mund der Tochter. „Wer wagt es meinem Vater so etwas anzutun!“ schrie sie plötzlich und kam langsam auf mich zu.
Ich schilderte ihnen, was hier abgelaufen sein könnte, denn alles haben auch wir nicht mitbekommen. Vielleicht gab es ja auch einen Kampf vorher.
„Findet ihren Anführer und bringt ihn an den Galgen!“ mit diesem düsteren Ausdruck in den Augen ging sie an mir vorbei mit ihrer Freundin, wie ich vermutete, und verließ das Haus ohne noch einmal zurück zu sehen.
Ich würde mein Bestes geben, versicherte ich leise, doch sie hörten es schon nicht mehr.
Mir blieb nur noch die Türe zu schließen und mich selber auf den Weg zu machen. Ich musste einen Boten zu unseren Leuten schicken, die hier aufräumen sollten und dann wird auch der Hausherr in einem angemessenen Rahmen bestattet werden. Sicherlich wollte die Tochter dies übernehmen. Mehr Anhaltspunkte hatte ich bis jetzt leider noch nicht.
Ich machte mich zu Fuß auf den Weg zurück zu unserer Unterkunft und hoffte, dass ich bald Nachricht von Rory oder dem Arzt erhielt.
Der Wirt kam schon auf mich zu kaum dass ich den Schankraum betreten hatte.
„Master Kenway, euer Freund ist bereits auf seinem Zimmer und der Arzt ist noch bei ihm. Ich soll ausrichten, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht und nichts zu befürchten sei. Ich sage euch, Sir, die Straßen sind einfach nicht mehr sicher vor diesen Strauchdieben die einem überall auflauern.“ man hatte ihm also eine plausible Erklärung gegeben, Gott sei Dank.
„Ich danke euch, Sir. Ich werde dann mal nach Master Gillehand sehen.“
Auf der Treppe kam mir ein Mann mit großer Tasche entgegen. Vermutlich der Arzt, dachte ich und sprach ihn an.
„In der Tat, ich habe Master Gillehand so gut es ging versorgt. Aber sagt ihm noch einmal, dass er sich etwas schonen sollte die nächsten zwei oder drei Tage. Die Wunde ist nicht tief und sollte alsbald verheilt sein.“ er klopfte mir auf die Schulter und eilte weiter an mir vorbei.
Im Zimmer erwartete mich ein gähnender Rory, der am Kopfende lehnte und ein Buch in Händen hielt.
„Oh, Haytham. Ihr seid endlich hier. Habt ihr noch etwas in Erfahrung bringen können?“
Leider musste ich ihn enttäuschen. Wir müssten uns jetzt mit dem Drahtzieher beschäftigen, erklärte ich ihm. Je länger wir warteten, desto mehr Opfer könnte es geben und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.
„Ich bin euch aber vorerst keine große Hilfe.“ betrübt sah er auf seinen Verband.
„Ihr kuriert euch aus und ich bin mir sicher, dass ihr schnell wieder auf den Beinen sein werdet, Rory. Währenddessen werde ich mich noch etwas umhören und den Trupp zur Bereinigung des Hauses aufsuchen.“
Wir verblieben so, dass ich ihn auf dem Laufen halte, was ja selbstverständlich war.
So langsam sollte ich mich aber auf den Weg machen und unsere Leute aufsuchen. Außerdem wollte ich noch einmal bei Master Potts vorbeischauen und ihn nach der Tochter des Verstorbenen befragen.
Zwei Stunden später saß ich bei besagtem Advokaten a. D. im Arbeitszimmer und berichtete ihm von unserem Vormittag.
„Das hätte auch ganz anders ausgehen können, Master Kenway. Ich bin froh, dass ihr heile aus der Sache herausgekommen seid. Master Gillehand ist ein harter Bursche, der wird morgen wieder herum springen wie ein junges Reh.“ lachte er und verschluckte sich fast an seinem Tee dabei.
„Ihr habt sicherlich recht, Master Potts. Um noch einmal auf die Tochter zurück zukommen, kennt ihr sie vielleicht näher und wisst wo sie wohnt? Ich würde mich gerne mit ihr in Verbindung setzen, nur um sicher zustellen, dass sie nicht auch noch Opfer dieser hiesigen Assassinen wird.“ meine Bedenken teilte Aidan natürlich.
„Sie lebt mit ihrem Gatten unweit der Kirche in einem stattlichen Haus, sie haben 3 Kinder und sind recht wohlhabend habe ich gehört. Mr Cartrigde ist Apotheker soweit ich weiß, aber … er ist leider nicht gut zu sprechen auf die Gegner der Krone.“ die letzten Worte flüsterte er so als befürchtete er belauscht zu werden.
Das war natürlich eine interessante Information, wenn auch in diesem Moment nicht sonderlich von Belang. Aber es war gut zu wissen, gerade auch für später, wer auf unserer Seite stand und wer nicht.
Mein Weg führte mich nach meinem Besuch beim Advokaten Richtung Kirche. Somit hatte ich noch etwas Gelegenheit mir die Stadt etwas anzusehen.
Dieses leise Brodeln, diese aufkommende Frustration, war deutlich zu spüren. Wenn ich eine Beurteilung abgebe müsste, würde ich sagen, es hielt sich die Waage.
Hier und da schnappte ich leise Gespräche auf.
Die einen hofften auf die Unterstützung von King George und seinen Truppen damit alles besser würde.
Auf der anderen Seite standen die Patrioten, die sich immer mehr im Stich gelassen fühlten von der britischen Krone.
„Ihr seht auch wie so ein Freund der Krone aus!“ pöbelte man mich von der Seite an, als ich gerade bei einem Geschäft innehielt und mir die Auslage ansah.
„Entschuldigung, wie war das bitte?“
„Ach kommt schon, ihr habt mich schon verstanden.“ der Herr war offensichtlich nicht auf Seiten der Briten.
Um einem Streit oder im schlimmsten Falle Handgemenge aus dem Weg zu gehen, erklärte ich, dass ich weder auf der einen noch auf der anderen Seite stand.
„Natürlich, Sir! Das ist ja auch am einfachsten. Immer dahin eilen, wo es sicher ist. So seht ihr auch aus, wie ein Feigling!“ in seinen Augen blitzte es und seine Hand zuckte am Knauf seines Schwertes.
Gerade als ich ihm meinen Standpunkt noch einmal begreiflich machen wollte, möglichst ohne Einsatz meines Schwertes versteht sich, schob man mich zur Seite.
„Stanley, lass die Leute einfach in Ruhe und belästige sie nicht.“ ein anderer Mann stand jetzt neben ihm und hatte den Arm um seine Schulter gelegt.
„Ich hasse diese …“
„Pssssssst … red nicht weiter, du bringst dich wieder in die Zelle mit deinem Gerede!“ widerwillig wurde dieser Stanley jetzt die Straße hinunter gebracht.
Mein Blick glitt über die Menschen um mich und sie alle drehten sich pikiert zur Seite und taten, als hätten sie gerade etwas wichtiges auf dem Straßenpflaster gefunden.
Ich ging grübelnd weiter.
Zum ersten Mal dachte ich über mein Auftreten, meine Kleidung und ähnliches nach. War es wirklich so offensichtlich, dass ich Brite war? Ich legte Wert auf meine Garderobe, aber was war so falsch daran. Oder war es vielleicht der einfache Neid, dass wir durch unser Geld besser gestellt waren?
Beizeiten werde ich mich mit Alex darüber beraten. Mich interessierte ihre Sicht auf diese Situation einfach.
Es war nicht schwer die Familie des Verstorbenen ausfindig zu machen. Das Haus war wirklich prächtig, gepflegt und beherbergte die Apotheke des Gatten im Erdgeschoss.
Da ich keinen anderen Eingang sah, betrat ich das Geschäft und sah mich einem kräftigen Herren gegenüber, welcher über einen Mörser gebeugt stand und etwas zerkleinerte.
Als er auf mich aufmerksam wurde, erhellte sich sein Blick.
„Was kann ich für euch tun, Sir? Ihr seht nicht krank aus.“ sein Akzent hatte diesen typisch schottischen Klang stellte ich lächelnd fest. Er behagte mir, weil Faith, wenn sie nicht auf ihre Aussprache achtete, durchaus auch darin sprach.
Wie ging es ihr eigentlich? Wir hatten eine Weile nichts voneinander gehört, ging es mir durch den Kopf.
Doch zurück zum schottischen Apotheker.
„Mr Cartrigde nehme ich an? Mein Name ist Haytham Kenway.“ ich verbeugte mich leicht.
„Ah, ihr seid der Herr, der meinen Schwiegervater gefunden hat, richtig? Habt ihr schon für Gerechtigkeit gesorgt?“
Verdutzt schaute ich ihn an.
„Wie meint ihr das? Die Herren, welche ihn auf dem Gewissen haben, weilen nicht mehr unter uns und …“
„Das ist doch gut, dann können wir ja alle wieder in Frieden leben!“ er klang erleichtert aber auch so, als wolle er damit das Gespräch und den Vorfall vor allem, unter den Teppich kehren.
„Ihr missversteht mich, ich versprach eurer Gattin mich um die Drahtzieher zu kümmern. Diesen haben wir noch nicht ausfindig machen können.“ erklärte ich ihm.
„Das solltet ihr lieber lassen.“ nuschelte er mit einem Male leise und sah sich um.
„Und warum sollte ich das?“ musste man ihm alles aus der Nase ziehen?
„Ihr versteht nicht …“ er beugte sich vertraulich über den Tresen und winkte mich zu sich. „Mit diesen Leuten ist nicht gut Kirschen essen, wenn ihr versteht was ich meine. Mein Haus steht auf ihrer Liste, welches als nächstes dran wäre, sollte ich mich ebenfalls für einen Verkauf entscheiden.“ immer noch sah er sich ängstlich um.
„Mr Cartrigde! Genau deswegen bin ich doch hier! Ich möchte euch helfen, damit ihr keine Angst mehr haben müsst. Aber es wäre hilfreich, wenn ihr mir eventuell noch ein paar nähere Informationen geben könntet. Zum Beispiel an wen ich mich … nun ja … wenden könnte um den Kopf der Organisation zu finden.“ aufmunternd nickte ich ihm zu.
„Ihr wollt das wirklich wagen, Sir? Diese Männer sind gefährlich, wisst ihr?“ natürlich waren sie das.
Nachdem ich ihm zig mal versicherte, dass ihm und seiner Familie nichts zustoßen wird, begann er mir von dem Besuch der Assassinen bei ihnen zu erzählen.
Sie hatten sich gar nicht erst die Mühe gemacht, sich zu verstellen, sondern sind gleich mit der Tür ins Haus gefallen.
Ein Verkauf an mich oder, wie man es nannte, ähnlichen Neureichen sollte nicht zustande kommen. Im Gegenteil, diese Herrschaften wollten sich als potenzielle Käufer aufstellen lassen. Dem Apotheker hatten auch andere Immobilienbesitzer berichtet, dass sie bedroht wurden.
„Master Kenway, ich bitte euch. Dem muss ein Ende gesetzt werden. Meine Frau ist außer sich und traut sich seit heute nicht mehr aus dem Haus. Wie sollen wir die Beerdigung ihres Vaters so veranlassen? Diese Leute werden uns sicherlich überall finden und auflauern, nicht wahr?“ er hatte echte Angst und ich konnte sie ihm nicht gänzlich nehmen.
„Ich verspreche euch, ich werde mich um dieses Problem kümmern. Bis dahin, haltet euch bedeckt und passt auf eure Kinder auf.“ mehr konnte ich beim besten Willen gerade nicht machen.
Mit einem mulmigen und vor allem unbefriedigten Gefühl verließ ich die Apotheke. Jetzt war ich nicht wirklich schlauer als vorher. Einzig klar war, dass ich den Anführer ausfindig machen musste und das möglichst in kurzer Zeit.
Diese Bruderschaft arbeitet schnell und hatte wahrscheinlich auch schon Wind von ihren drei Brüdern bekommen.
Wie war das noch mal? Das Gebäude ist auf der anderen Flussseite und gleicht einem Lagerhaus, oder wie war das?
Warten konnte ich jetzt nicht auf meinen Partner, also musste ich alleine handeln, was mir nicht unbedingt recht war. Es ging aber nicht anders.
Die andere Flussseite bot ein etwas anderes Bild der Stadt und der Bevölkerung. Hier war mehr Handel und Lager angesiedelt, die Anlegestellen waren ein zentraler Punkt für die eigentlichen Händler.
Doch wie sah ein Büro oder Lagerhaus der Assassinen wirklich aus? Ab jetzt hieß es, Augen offen halten und den Blick nutzen.
Langsam schritt ich die Straße entlang, begegnete den üblichen Arbeitern, Helfern und Handlangern. Meine Börse hatte ich sicher verstaut in der Innentasche meines Gehrocks. Ich spürte immer mal wieder, wie jemand versuchte etwas aus meinen Taschen zu fingern. Diese kleinen Taschendiebe würden sich an mir die Zähne ausbeißen, dachte ich schmunzelnd.
Die Gebäude für die Waren waren entweder groß und gut in Schuss, oder aber sie waren klein und verfielen bald.
Sollte man, wenn man sich bedeckt halten wollte, nicht solch einen Unterschlupf bevorzugen? Oder prahlte man lieber um keinen Verdacht zu erwecken? Mein Klischee-Assassinen-Wissen sagte mir, dass sie sich eher in klapprigen alten Schuppen niederließen, als zu sehr aufzufallen.
Ein Lager nach dem anderen wanderte ich ab, fand aber keinerlei Hinweise auf verdächtige Aktivitäten oder Personen.
Frustriert ging ich noch einmal weiter in die Mitte der Häuser, wo auch ein großer Markt war.
Und dann sah ich ihn! Einen Herren, welcher mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze an einer Hausecke lehnte und unauffällig tat. Ich beobachtete ihn eine Weile und dann endlich bewegte er sich zwischen den Häusern hindurch. Meine Wenigkeit war ihm aber dicht auf den Fersen.
Meinen Adlerblick hatte ich ununterbrochen aktiv, weil ich befürchtete, etwas zu verpassen oder zu übersehen und gerade weil ich alleine unterwegs war, wäre das fatal!
„Ihr könnt jetzt ruhig stehenbleiben, Sir.“ hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir!
Erschrocken fuhr ich herum und sah einen Mann vor mir, der mich böse grinsend betrachtete. „Glaubt ihr, wir würden euch nicht bemerken oder euch ebenso beschatten?“ er ergriff meinen Oberarm und führte mich so in Richtung eines zweistöckigem Lagerhauses wenige Meter von uns entfernt.
Siedendheiß fiel mir Rory ein, welcher sich kaum zur Wehr setzen konnte in seinem Zustand. Ging es ihm gut, oder hatte man ihm einen Besuch abgestattet?
„Natürlich tut ihr das, jeder würde sich absichern wollen, nicht wahr? Und was passiert jetzt? Wollt ihr ein Exempel an mir statuieren und mich bösen Templer eliminieren?“ es fiel mir arg schwer, diese Gelassenheit an den Tag zu legen, mir war definitiv nach anderem zumute.
„Nein, das wäre Verschwendung, außerdem, was würde eure Frau dann tun? Sie würde als Rachegöttin über uns herfallen.“ flüsterte er mir ins Ohr und dieser warme Atem trieb mir gepaart mit den Worten eine unwohle Gänsehaut über den Rücken.
Man schob mich weiter in das Gebäude und in dessen Mitte. Ringsum waren Treppen und Leitern, Meterhoch gestapelte Ballen Wolle und Kisten mit unbekanntem Inhalt. Überall sah ich rote Auren. Sie waren taktisch einwandfrei positioniert und erschwerten einen Fluchtversuch, wenn sie ihn nicht sogar gänzlich unterbanden!
Denk nach, denk nach. Ich musste Ruhe bewahren und griff auf mein Training mit Reginald zurück, wo er mich darin unterwies die Gefühle zu kontrollieren und rational zu denken!
Mein Atem ging ruhiger und ich konnte mich wieder auf das Geschehen vor mir fokussieren.
„Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da?“ die Stimme ertönte hinter einem Pfeiler. „Haytham Kenway persönlich, aber wo ist euer Begleiter? Hat er sich etwa verletzt?“ höhnte sie weiter.
„Eine kleine Schnittwunde, mehr nicht.“ erklärte ich mich.
„Schade dass wir diese Männermordende Amazone nicht zu Gesicht bekommen! Wie gerne würde ich zwischen ihren Schenkel meinen letzten Atemzug aushauchen!“ lachte diese personenlose Stimme weiter.
„Das könnte ich durchaus für euch arrangieren, wenn ihr es wünscht.“ ruhig atmend stand ich umringt von diesen Menschen da und wartete.
Wartete darauf, dass man mich angriff oder sich mir zeigte. Meine langsam aufkeimende Ungeduld ließ ich mir nicht anmerken. Stattdessen nahm ich gelangweilt meinen Dreispitz herunter und klopfte ihn in aller Ruhe aus.
„Ihr sagt ja gar nichts, ist euch die Lust auf dieses Spektakel plötzlich vergangen?“ immer noch bemühte ich mich um Gelassenheit.
„Nein, ich bevorzuge euch. Einen echten Kampf um das Territorium! Was haltet ihr davon?“
Diese Frage kam überraschend.
„Denkt ihr nicht, dass die Bedingungen gerade mehr als unfair wären?“
Dieses Lachen war unangenehm diabolisch und erschauderte mich.
„Das ist doch der Spaß daran, Haytham! Ich darf euch doch so nennen, oder?“
Mir wurde klar, dass man mich schlichtweg provozierte.
Doch ich konnte das Spielchen genauso gut mitmachen.
„Was für Regeln schweben euch vor? Ganz ohne wäre es zu einfach!“ fragte ich in den Raum hinein.
„Templergroßmeister gegen Assassinengroßmeister! Nicht mehr und nicht weniger!“ hörte ich ihn sagen.
„Was ist mit der Waffenauswahl, wem obliegt sie?“ hakte ich nach.
„Wir wissen um eure versteckte Klinge, von daher ist alles fair. Findet ihr nicht?“ dieses Lachen klang nicht fair, aber sei es drum. Ich musste mich hier egal wie behaupten.
„Soll es hier und jetzt stattfinden?“
Ein einheitliches Gelächter ertönte gepaart mit der Frage „Was dachtet ihr denn?“
Aus dem Schatten des Pfeilers trat langsam eine Gestalt hervor.
Ein Mann, ungefähr 40 würde ich ihn schätzen. Die Haare zu einem Zopf gebunden, feine Garderobe und gut bewaffnet.
„Wir sollten uns trotz aller Widrigkeiten dennoch erst einmal vorstellen, das gebietet der Anstand, nicht wahr?“ in seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen, als er mir die Hand reichte. „Darijo Kovačić, zu euren Diensten!“ mit einer ausladenden Bewegung verbeugte er sich vor mir. Sein Cape fiel in Wellen dabei über seine Schulter und zeigte eine ähnliche Zeichnung wie meines. Freimaurer?
„Nun tut nicht so überrascht Haytham! Auch wenn ich bisher für euch unsichtbar war, heißt es nicht, dass ich unwissend bin.“ er wusste also genauestens Bescheid. Bei der nächsten Versammlung hieß es also Obacht!
„Das trifft sich gut, dann werden wir uns in den nächsten Tagen ohnehin erneut über den Weg laufen.“ Freitag um genauer zu sein.
„Bis dahin werdet ihr nicht mehr hier sein, so ist der Plan.“ ereiferte sich der Herr und plusterte sich auf wie ein Pfau.
„Was würde meine Frau dazu sagen?“ dieser Satz kam ohne Nachzudenken über meine Lippen.
„Ich denke, sie wird auch mit meiner Wenigkeit Vorlieb nehmen. Schließlich gewöhnt man sich an alles. Sogar an britische Neureiche wie euch! Nicht wahr?“ die letzten Worte kamen sehr aggressiv über seine Lippen, was davon zeugte, dass er ein Problem mit der besser betuchten Gesellschaft zu haben scheint.
Je mehr ich mich mit ihm unterhielt, um so mehr offenbarte er, unwissend, seinen Charakter und sein Denken.
Weder tolerierte er machthungrige Politiker, noch wollte er die Reichen weiter unterstützen. Ebenso wenig stand ihm der Sinn danach den Templern noch mehr Raum für ihre Macht zu geben!
In vielen großen Städten hatte man deshalb begonnen, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen! Immobilien wenn möglich aufkaufen, die Bevölkerung auf die Bruderschaft einzuschwören und ähnliches.
Was aber nicht bedacht worden war, dass wir nicht tatenlos zusehen werden, wie man sich unserer Sache so massiv entgegenstellt. Diese Gruppierung, wie einige andere auch – sogar Reihen des Ordens! - empfand es als unnatürlich sich mit der Gegenseite zu verbrüdern. Leider waren es diese kleinen Abspaltungen die uns in Zukunft immer wieder Steine in den Weg legen werden!
Und dann begann der Kampf völlig unvermittelt zwischen uns. Er hatte den ersten Schlag, weil ich nicht so schnell mein Schwert ziehen konnte. Selten bin ich so überrumpelt worden!
Man hatte einen Kreis um uns gebildet, groß genug damit wir ausreichend Platz für Konterparaden und ähnliche Angriffe hatten.
Ich konnte nur hoffen, dass hier mit fairen Mitteln gekämpft werden wird!
Stahl traf auf Stahl und hallte in diesem hohen Raum wieder.
Darijo umkreiste mich langsam, beobachtete mich genauestens.
Er gab mir damit Zeit dasselbe bei ihm zu tun.
Seine Aura war aber nicht wie angenommen leuchtend rot, eher wechselte der Farbverlauf sanft hin und wieder ins goldene!
„Eure Augen verraten euch, Haytham.“ höhnte er als auch schon ein neuer Angriff von ihm kam.
Aber dieses Mal konterte ich und konnte ihn so wieder auf Abstand bringen.
In meinem Kopf speicherte ich seine einzelnen Schläge, Paraden und sein Gebaren im allgemeinen. Solide Ausbildung mit dem Schwert, das bemerkte man sofort.
Zu Anfang war ich mehr darum bemüht seine Angriffe abzublocken und mich zu schützen, weil sein Stil noch nicht gänzlich für mich klar war. Schwungvolle ausholende Bewegungen, kurz darauf drosch er wie ein Irrer auf mich ein. Seine tänzelnde Art war ein zusätzlicher Faktor, der mich etwas aus dem Konzept brachte.
Es musste doch eine erkennbare Linie geben, etwas worauf ich meine eigenen Hiebe bauen konnte.
Gefühlt kämpften wir hier Stunden! Von den Umstehenden kamen hin und wieder jubelnde Zurufe für meinen Gegner. Mich hingegen bedachte man mit Nichtachtung. Vielleicht sollte ich mir das zunutze machen.
Im Bruchteil einer Sekunde formte sich plötzlich ein Ablauf und ein Bild seiner Taktik. Wie gezeichnet, Schritt für Schritt sah ich es vor mir! Bevor ich mich jedoch gänzlich darin verlor, begann ich diese Eingebung für mich umzusetzen und ging langsam aus der Defensive heraus.
Bisher hatte ich auch noch Glück gehabt und keinerlei tiefere Verletzung einstecken müssen. Somit war ich noch recht frisch für den Kampf.
Jetzt sollte meine Stunde schlagen!
Wie es nämlich aussah, war Darijo etwas erschöpft!
Ich musste schnell handeln und nicht lange nachdenken!
Mein Schwert begann wie von alleine eine Parade, welcher er überrascht entgegensah, aber nicht ganz so schnell entgegenwirken konnte.
Von oben links antäuschen, mit der versteckten Klinge aber angreifen!
Wieder und wieder attackierten wir uns mit den verschiedenen erlernten Methoden. Dieser Kovačić war mit Vorsicht zu genießen. Zu Beginn! Jetzt wurde er ungehaltener, war aber keineswegs überrascht von meiner offensiven Haltung!
Er blockte meine Angriffe, ich blockte seine.
Er hieb auf meine Flanke ein, ich stach mit der Klinge auf seiner ein!
Ein Hin und Her der Sonderklasse. So etwas hatte ich selten erlebt.
Wie vom Blitz gerührt stand er mit einem Male vor mir, ließ sein Schwert sinken und die Assassinen-Waffe einrasten.
Durch unser Publikum ging ein erstauntes Raunen, welches auch aus meiner Kehle drang.
Wir sahen uns an, sagten beide kein Wort. Mein Atem wurde nach und nach wieder gleichmäßig.
„Haytham! Ich habe selten einen solch interessanten Kampf bekommen. Kann es sein, dass wir beide einfach nur aus dem anderen schlau werden wollten? Dass wir uns gegenseitig analysiert haben? Hier wird es wohl keinen wahren Gewinner geben, leider muss ich zugeben.“
Seine Worte ließ ich auf mich wirken, ehe ich antwortete.
„Darijo, ihr habt recht mit eurer Annahme. Aber sollten so nicht alle Konflikte mit einem Schwert beginnen. Man studiert den Gegner um zu wissen, wo die Schwachstellen sind zum Beispiel.“
Sein Grinsen war nicht bösartig, es deutete von Zustimmung.
„Wie können wir uns also einigen? Euren Traum von einem friedlichen Miteinander kann und will ich nicht teilen!“
DAS war eine gute Frage!
Langsam ließ ich mein Schwert in die Scheide gleiten und sah ihn für einen Moment schweigend an.
Um uns herum wurden das Gemurmel und die unzufriedenen Stimmen lauter. Es reichte ein Blick von Darijo um sie verstummen zu lassen, wenn auch widerwillig.
„Es wird keine Einigung geben, Master Kovačić! So einfach ist das. Was wir wollen ist eine solide Basis aufbauen, nicht bloß einen Traum leben, ob es euch nun gefällt oder nicht. Eine friedliche Koexistenz wäre denkbar, aber auf Dauer wohl kaum umsetzbar! Ein ewiger Krieg ist umgekehrt auch keine Lösung!“ Unterschrieb ich mit diesen Worten gerade mein Todesurteil? Mich durchlief ein kalter Schauer der Erkenntnis.
„Dieser Krieg herrscht doch nun schon seit tausenden Jahren, oder nicht? Jetzt wird er wieder angeheizt durch neue Konflikte und politische Einflüsse. Unsere Bruderschaft ist auf der Suche nach einem gewissen Gleichgewicht und nicht nach Macht!“
Suchten sie nicht genau DANACH? Auch sie wollten eine Redegewalt haben. Die Assassinen suchten ebenso nach einer Art Herrschaft über die Menschen. Sie hieß in ihrem Falle, dass die Menschen frei sein sollten. Doch das war der Auftakt oder besser Aufruf für ein heilloses Chaos, sah man das nicht?
Irgendjemand musste eine Position einnehmen, eine übergeordnete um dem Ganzen Einhalt zu gebieten.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Connor, in welchem er genauso von Freiheit sprach. Gleichzeitig ging mir durch den Kopf, dass ich diesem Prozess erst einmal freien Lauf lassen sollte, in der Hoffnung, dass sie alle zur Besinnung kamen. Irgendwann würde ihnen allen auffallen, dass es Führung brauchte.
„Dann lasst uns einen Pakt schließen. Zeitlich begrenzt, versteht sich! Ihr geht eurer Wege vom Orden unbehelligt und umgekehrt werden wir unsere Ziele weiter verfolgen. Die Krone wird in absehbarer Zeit unsere internen Differenzen durchkreuzen und es wäre ratsam, wenn wir einen gemeinsam Pfad einschlagen würden. Die Entscheidung obliegt nun euch und euren Brüdern und Schwestern!“
Tief durchatmend und nicht wissend, ob ich mich nicht doch zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, stand ich immer noch angespannt in diesem Kreis aus Assassinen.
„So ist das also, ihr wollt mich glauben lassen, dass ihr als Templer eurem König nicht loyal zur Seite steht? Gerade ihr, Haytham! Britischer als ihr ist wohl kaum jemand!“ Dann hatte er noch keine Bekanntschaft mit Charles gemacht, ging es mir durch den Kopf.
„Wollt oder könnt ihr nicht verstehen? Das große Ganze basiert nicht auf Bruderschaft und Orden. Es fußt auf einer Gemeinschaft welche entstehen sollte hier in den Kolonien. Dafür seid ihr doch hier, oder etwa nicht?“
Sein Blick verdüsterte sich wieder zusehends und grimmig sah er mich an.
„Eine Gemeinschaft basierend auf den Lehren der Templer! Nein Danke!“ mit einem Male riss er sein Schwert erneut empor und griff mich an.
Ich hatte es versucht, die Einigung war kläglich gescheitert. Dann sollte es eben in einem Kampf ausgefochten werden.
Dieses Mal jedoch nahm ich keine Rücksicht, ich schlug mich im wahrsten Sinne des Wortes durch.
Hiebe, Schläge, Konterparaden … Die Worte und Anweisungen meines Vaters bei unserem gemeinsamen Training im Freizeitraum am Queen Anne´s Square kamen hoch. Ich sah den Raum wieder vor mir!
Mein Körper reagierte intuitiv und für einen winzigen Moment hatte ich das Gefühl außerhalb von ihm zu sein um alles genau analysieren zu können.
Doch es war Tyr, der es sich jetzt nicht nehmen ließ, etwas versteckt und ungesehen, meinem Gegner gehörig Kontra zu bieten.
Wie durch einen Nebel drangen Rufe an mein Ohr.
Darijos Kraft war schier endlos, genau wie sein Kampfgeist. Gekonnt griff er mich immer wieder an, schwang in großen ausholenden Bewegungen sein Schwert und ließ mich seine versteckte Klinge nicht vergessen.
Er tänzelte mit Leichtigkeit um mich herum.
Seine Taktik dahinter war, mich zu provozieren und mürbe zu machen.
Jedoch wich ich ebenso geschmeidig wie auch schnell seinen Attacken aus oder konterte sie.
Meine Muskeln in den Armen begannen zu brennen, was mich aber nicht dazu veranlasste aus dem Kampf zu gehen.
Aus Minuten wurde eine Stunde, oder auch mehr. Unser Zeitgefühl verblasste allmählich.
Mir rann der Schweiß die Schläfe hinunter. Meine gesamte Kleidung war klamm mittlerweile.
Aufgeben kam aber nicht in Frage!
Wenn wir schon keinen Kompromiss finden konnten, so musste es eben auf Leben und Tod ausgetragen werden!
Darijos Atem ging schwer, als er erneut dicht vor mir zum Stehen kam, nachdem er versucht hatte mich mit einem Stich auf Bauchhöhe treffen.
Sein Gesicht glänzte ebenso von diesen schweißtreibenden Attacken.
Hier und da war mein Gehrock mittlerweile in Mitleidenschaft gezogen worden stellte ich plötzlich fest, als ich auch bei meinem Gegenüber die gleichen Schnitte sah. Er hingegen blutete an diesen Stellen.
Als hätte er meine Gedanken erraten fragte er, ob ich einen Schutz unter meiner Kleidung trug.
„Ihr verliert nicht einen Tropfen eures heuchlerischen Blutes. Es ist als würde ich mit stumpfen Waffen kämpfen.“ in seine Stimme schlich sich so etwas wie eine ängstliche Vorahnung, so als hätte er es mit dunkler Magie zu tun.
Grinsend antwortete ich, dass er wohl einen besseren Schmied aufgesucht hätte um seine Klinge zu schärfen.
Langsam gewann ich die Überhand, nicht im Kampf, nein!
Die Tatsache, dass ich für ihn übernatürliche Fähigkeiten besitzen musste, brachte ihm ein gewisses Unwohlsein und ließ ihn unkonzentrierter werden.
In meinem Rhythmus bleibend, schwang ich mein Schwert weiter und landete immer häufiger Treffer, wenn auch nie sehr heftige.
Im Grunde wollte ich diesen Mann nicht töten, es sei denn, er ließ mir keine Wahl.
Leider hatte Darijo wohl einen Todeswunsch und griff mich mit einer Heftigkeit und Wut an, dass ich für einen kurzen Moment erschrocken zurückwich.
Sein Schwert konnte ich parieren, gleichzeitig traf ich mit meiner versteckten Klinge sein Handgelenk und verpasste ihm einen tiefen Schnitt. Seine Waffe fiel zu Boden, während er entsetzt auf seinen Unterarm starrte, bis er realisierte, dass er die Wunde irgendwie verbinden musste. Das Blut pulsierte heraus, bei jedem seiner Herzschläge. Ein faszinierender Anblick muss ich gestehen!
Langsam wich jede Farbe aus seinem Gesicht, seine Haut färbte sich gräulich, ehe er auf die Knie sank. Mit der anderen Hand drückte er ein Taschentuch auf die verletzte Stelle. Dieser klägliche Versuch sich vor dem Verbluten zu schützen scheiterte, da ich zum einen schräg die Haut aufgeschnitten hatte und die Adern sich, vermutlich, nur mit chirurgischer Hilfe schließen lassen würden.
Mein Blick glitt über die Zuschauer, welche sich keinen Millimeter rührten. Keiner sagte ein Wort. In ihren Gesichter sah ich zum Teil Enttäuschung, Trauer und auch Angst. Aber niemand machte Anstalten mich anzugreifen.
Warum nicht?
Schwer atmend sah Master Kovačić zu mir auf, aschfahl im Gesicht, welches mit einem Schweißfilm überzogen war.
„Beendet es, Master Kenway! Ich werde diese Verletzung nicht schnell genug behandeln lassen können! Also …!“ ein leichtes Nicken und sah ich tatsächlich ein Flehen in seinen Augen?
Noch einmal ließ ich meinen Blick über die Menge um uns schweifen, holte dann mit meinem Schwert aus und durchtrennte seine Kehle, welche er mit nach hinten gestrecktem Kopf mir darbot.
Röchelnd kippte er zur Seite und war nur Sekunden später tot.
Ich wischte meine Klinge mit meinem Taschentuch sauber und ließ sie in die Scheide gleiten.
„Euer Meister ist tot. Was habt ihr nun vor?“
„Wir werden ihn würdig bestatten.“ sprach ein junger Mann in meiner Nähe. „Und euch Sir rate ich, in Zukunft mit offenen Augen zu schlafen.“
Wie aus dem Nichts sprang eine Frau im wahrsten Sinne des Wortes auf mich zu, riss mich dabei zu Boden und hielt mir ihrerseits jetzt die Klinge an die Kehle!
„Dafür werdet ihr, eure Familie und Freunde büßen!“ schrie sie mich an und ich spürte Tropfen ihres Speichels auf meinen Wangen.
Ich nahm ihre leicht zuckenden Muskeln der Klingenhand wahr und konnte mich so noch mit meinen eigenen Waffen wehren. Besser gesagt, ich stach in ihre linke Flanke auf Nieren Höhe und warf sie in ihrer Schockstarre von mir herunter.
„Auch das werden wir … euch nicht verzeihen …“ flüsterte sie stöhnend ehe sich ihre Augen verdrehten im Todeskampf.
Jetzt kam Bewegung in die Assassinen.
„Euer Ruf ist also nicht bloß ein Schauermärchen! Ihr seid skrupellos und eure Klinge macht vor nichts halt!“ fauchte ein Herr neben mir.
Langsam stand ich auf und säuberte erneut meine Waffe.
„Dann wisst ihr ja jetzt, worauf ihr euch einstellen solltet. Und eines sei noch gesagt. Ich schlafe grundsätzlich immer mit einem offenen Auge.“ ich ließ es mir nicht nehmen, diesen Satz mit einem bösen Grinsen und verächtlichem Schnauben zu untermalen.
In der herrschenden Stille beschloss ich, zu gehen. Sie würden mich sicherlich nicht aufhalten und ich bezweifelte, dass man mich verfolgen würde.
An der Tür drehte ich mich noch einmal um und sah wie sie um ihre Toten standen.
In mir kroch eine Gänsehaut empor, geboren aus einer Mischung aus Angst, Vorahnung und gleichzeitiger Unwissenheit.
Was mich in den nächsten Tagen erwarten würde, stand in den Sternen. Aber wir mussten auf alles gefasst sein.
Wieder an der frischen Luft, atmete ich tief durch und machte mich auf den Weg zu Master Gillehand.
Er würde sicherlich schon auf meinen Bericht warten. Hoffentlich hatte man ihm noch keinen Besuch abgestattet. Ganz wiederhergestellt war seine Gesundheit noch nicht!
Auf der Straße beäugte man mich oftmals stirnrunzelnd aufgrund meiner doch recht ramponierten Kleidung. Ich sollte nach einem Schneider Ausschau halten solange wir noch hier in Richmond verweilten.
Meine Gedanken schweiften noch einmal zum Kampf und diesen Assassinen um Master Kovačić. Etwas an ihrem Verhalten war anders als bei den anderen Bruderschaften. Sie hatten keine Anstalten gemacht, gemeinsam Rache zu üben, obwohl sie die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Sie waren mir haushoch überlegen. Warum also ließ man mich gehen?
Planten sie tatsächlich mich im Schlaf zu ermorden? Oder schlimmer noch! Wollten sie wirklich meine Familie meucheln? Ich war versucht Alex gedanklich zu kontaktieren, einfach um sie zu warnen. Sollte ich sie in Panik versetzen, jetzt wo sie alleine daheim war? Ich beschloss noch zu warten und die nächsten Tage abzuwarten.
Ich weiß, das klingt im ersten Moment etwas unvorsichtig und man könnte annehmen, sie seien mir nicht wichtig. Umgekehrt kann meine Gattin sich auch sehr gut verteidigen und ist ja nicht alleine. Immer noch hatten wir die Wachen auf der Plantage.
Rory erwartete mich bereits, wie es schien.
„Master Kenway! Ihr seid wohlauf!“ die Erleichterung in seinem Gesicht war kaum zu übersehen.
Ich schilderte ihm in kurzen Sätzen was in diesem Lagerhaus passiert war und meine Besorgnis darüber, dass wir vorerst nicht sicher waren.
„Mich beschleicht das Gefühl, dass hinter dieser seltsamen Bruderschaft mehr steckt, als nur der Wunsch eine Vereinigung der Bünde zu verhindern. Vor allem finde ich es unheimlich, dass man euch einfach so hat gehen lassen.“ verstohlen sah er sich bei seinen Worten um.
„Keine Angst, sie sind mir nicht gefolgt. Vorsicht sollten wir dennoch walten lassen. Daher schlage ich vor, dass wir uns ein Zimmer teilen werden. Vier Ohren und Augen sehen und hören mehr als zwei.“
In Rorys Zimmer stand noch ein weiteres Bett, was meinem Plan natürlich entgegenkam. Also verräumte ich meine Habseligkeiten aus meinen Räumlichkeiten hierher, gab aber dem Herbergswirt nicht Bescheid. Wir sollten so wenige Informationen wie möglich mit Fremden teilen in den nächsten Tagen.
Als ich mich eingerichtet hatte, erschien ein Herr mit kleiner Tasche hier.
„Master Gillehand, ich freue mich, dass es euch besser geht.“ der Arzt untersuchte die Wunde, verband sie noch einmal und gab dann grünes Licht für den Patienten. „Ihr müsst euch noch etwas schonen, also lasst das Bäume fällen in den nächsten Tagen.“ lachte er und verließ uns, nachdem ich ihn noch bezahlt hatte.
„Ihr habt ihn gehört, Rory.“ schmunzelte ich, während ich an dem kleinen Schreibtisch mein Tagebuch fortführte.
„Es beschämt mich, dass ich euch keine Hilfe war und sein werde in nächster Zeit.“ seufzte er frustriert und nahm einen großen Schluck seines frischen Ales. „Diese Plörre ist auch eher gewöhnungsbedürftig.“ gab er prustend von sich, als er sich verschluckt hatte.
„Ihr solltet lieber Tee präferieren. Er ist gesünder für euch in dieser Lage.“ lachte ich leise. „Macht euch aber keine Vorwürfe eures Gesundheitszustands wegen. Sollte es hart auf hart kommen, weiß ich, dass ich mich auf euch verlassen kann.“
„Ich werde mein bestes geben, Haytham.“
Das wusste ich und war dankbar für seine Begleitung und auch Freundschaft.
Die Nacht war, wie erwartet, unruhig! Bei jedem kleinsten Geräusch schreckte ich hoch mit meinem Dolch in der Hand.
Irgendwann im Morgengrauen stand ich auf, wusch mich und zog mich an.
Auch Rory hatte so gut wie kein Auge zugetan und war, wie ich auch, etwas übellaunig.
Ich half ihm beim Ankleiden, weil die Seite immer noch schmerzte und er die Arme kaum über den Kopf bekam.
Beim Frühstück im Schankraum besprachen wir unseren Tagesplan.
Es waren noch 4 Häuser auf unserer Liste, welche es abzuhaken galt.
„Seit ihr sicher, dass ihr euch in der Lage fühlt, mich zu begleiten?“ hakte ich etwas besorgt nach.
„Ihr habt den Arzt gehört? Ich muss ja nicht in den Wald um für euch Feuerholz zu schlagen.“ lachte er und genoss sein warmes Porridge.
Ich hingegen widmete mich dem Toast und den Eiern. Trotz Schlafmangel hatte ich einen gesegneten Appetit.
Eine Stunde später standen wir vor der nächsten Lokation.
Ich bin ein Mensch, welcher bei der erstbesten Gelegenheit ins Schwärmen kommt, aber bei diesem Haus war ich sprachlos.
Es war perfekt!
Zwei Geschosse, Ziegelbau, gepflegt und hatte eine gute Lage in der Stadt. Nicht zu zentral, aber dennoch gut fußläufig zu erreichen.
Weiße Fensterläden, Blumenkästen an den Fenstersimsen und zu meiner Freude gab es, laut der Beschreibung, einen Stall für Pferde und eine Kutsche im hinteren Bereich des Grundstücks. Der Kiesweg dorthin war rechts neben dem Gebäude.
Auch mein Partner staunte bei diesem Anblick.
„Es ist wirklich wunderschön.“
Beide gingen wir jetzt erwartungsvoll zum Eingang, in der Hoffnung nicht wieder von diesen merkwürdigen Assassinen überrumpelt zu werden.
Uns öffnete ein junger Herr in Diener-Livree und führte uns in den Salon im Erdgeschoss, wo uns der Hausherr bereits erwartete.
Hieraus ließ sich hervorragend ein zentraler Stützpunkt für unsere Unternehmung einrichten, frohlockte ich in Gedanken!
Unser Gesprächspartner selber war leider sehr schweigsam und wir mussten ihm alle relevanten Informationen aus der Nase ziehen. Es war ein gefühlt ewig dauerndes Gespräch.
Wir erfuhren, dass er zu seinem Sohn aufs Land ziehen wollte. Dieser hatte kein Interesse am Stadtleben und widmete sich lieber der Aufzucht von Hunden und Pferden.
Seiner Tochter war es zu viel Arbeit, sie wandte sich lieber ihrem `Lotterleben` zu, so die Aussage des Vaters mit einem angeekelten Blick. Wir hakten selbstverständlich nicht nach, im Grunde kam uns das nur zu Gute.
Wir unterbreiteten ihm unser Angebot, welches etwas UNTER seinen Vorstellungen lag. Da er den Eindruck erweckte, dringend verkaufen zu wollen, hoffte ich auf eine entsprechende Zusage.
„Ihr seid ganz schön dreist, Mister Kenway.“ maulte er zähneknirschend und leerte sein Brandyglas in einem Zug.
„Es ist ein Vorschlag meinerseits, ihr könnt ihn ablehnen oder annehmen.“ Rory war sich seiner Position als Advokat bewusst und wir sahen, dass der Besitzer bereits grübelte.
„Gebt mir etwas Bedenkzeit, Gentlemen. Es gibt ja auch noch … andere Interessenten.“ die letzten Worte betonte er extra deutlich. Uns entlockte er damit aber keineswegs ein höheres Angebot. Seine Wangen röteten sich, als ihm wütend klar wurde, dass mit uns nicht so einfach zu verhandeln ist.
„Dann wünsche ich euch noch einen guten Tag, Sir. Wir erwarten eure Antwort in den kommenden Tagen.“ verabschiedeten wir uns von ihm.
So leicht sollte er es nicht haben. Außerdem war ihm diese Bruderschaft noch nicht zu nahe getreten wie es scheint. Was uns zusätzlich in die Karten spielte. Ich hoffte, dass es auch so blieb.
Auf dem Weg zu einer weiteren Besichtigung ließ ich hin und wieder meinen Adlerblick über die Menschen auf der Straße gleiten. Hier und da sah ich rote Silhouetten, welche tatsächlich mit uns Schritt hielten.
Sie waren uns also wirklich auf den Fersen, aber machten keine Anstalten uns in irgendeiner Form anzugreifen. Die Assassinen spionierten uns aus. Wir würden es nicht anders machen, ging es mir lächelnd durch den Kopf.
Vor dem nächsten Objekt unserer Begierde angekommen, stand ich etwas überrascht auf einem gepflasterten Pfad zur Eingangstür.
Man stelle sich unser Haus in Virginia vor, nur in einer kleineren Variante und mit zwei Metern Vorgarten. Es war wie eine Miniaturausgabe unseres Eigenheims in blaugetünchten Wänden.
Ich mache es kurz, die Räumlichkeiten waren zu klein und vor allem gab es einfach zu wenige, als das wir uns hier etablieren konnten. 4 Zimmer, davon ein großer Salon, im Erdgeschoss und die erste Etage bot nur zwei Räume mit einer immensen Schräge durch das Dach.
Das Gespräch mit dem Eigentümer war entsprechend schnell beendet und wir hofften darauf bei der nächsten Besichtigung etwas vernünftiges geboten zu bekommen.
Es war früher Nachmittag und mir knurrte allmählich der Magen. Wir beschlossen eine Taverne aufzusuchen um etwas zu essen.
Die Tische waren kaum besetzt, die Gäste waren noch rar gesät.
Eine Bedienung eilte entsprechend schnell auf uns zu um nach unseren Wünschen zu fragen. Dabei beugte sie sich weit zu uns herunter und ließ, im wahrsten Sinne des Wortes, tief blicken.
Erst als ich mich räusperte, bemerkte sie ihren Fehler, auch wenn ich gestehen muss, dass ihre Brüste nicht unbedingt unansehnlich waren.
Grinsend sah mich mein Begleiter an und zog wissend eine Augenbraue hoch.
„Haytham, fällt es euch nicht ab und an schwer, eurer Frau treu zu bleiben?“ er meinte diese Frage wirklich ernst.
„Nein, Rory. Ich … wie soll ich es erklären? Die Verbindung zu Alex ist so tief und innig, dass sie vermutlich meinen Fehltritt sofort spüren würde. Außerdem habe ich keinen Grund mit einer anderen Frau meine Gelüste auszuleben, weil ich sie ganz einfach …“ sollte ich ihm von unserer wortlosen Kommunikation erzählen, würde es ihm nicht vielleicht unangenehm sein?
„Ah, ich verstehe.“ in seinen Augen blitzte für eine Sekunde dieses goldene Leuchten auf und ich wusste, dass ich nichts weiter erklären musste.
Aber warum hatte ich ihn noch nie mit einer Frau zusammen gesehen? Selbst wenn, wie gerade eben, eine kurvige Dame in seiner Nähe war, ließ ihn das völlig kalt. So hatte ich zumindest den Eindruck.
„Aber sagt, habt ihr nicht auch irgendwann einmal den Plan eine Familie zu gründen?“ fragte ich ins Blaue.
„Ich bin kein Mensch für diese Art Bindung, Haytham. Ich fühle mich nicht berufen Ehemann und Vater zu sein.“ diese Worte brannten sich in mein Gedächtnis und hinterließen einen seltsamen Beigeschmack!
Wir beschlossen, dass wir für heute genug gesehen hatten und machten uns auf zu unserer Unterkunft.
Dort orderte ich ein Bad, weil ich seit Tagen nur eine notdürftige Wäsche hatte. Ich fühlte mich schlichtweg unwohl. Auch mein Begleiter ließ sich in einem der Zuber neben mir, welche getrennt mit Vorhängen waren, nieder und seufzte erleichtert.
„Es ist eine solche Wohltat, warmes duftendes Wasser um sich zu spüren.“
Wie gut ich ihn verstehen konnte.
„Solltet ihr irgendwann einmal ein paar Tage unser Gast sein, dann müsst ihr unser Bad, welches Master Eldric entworfen hat, in Anspruch nehmen. Warmes Wasser, so lange wie ihr es wünscht …“ auch ich stöhnte bei dieser Entspannung meiner Muskeln im Bad.
„Darauf werde ich auf jeden Fall zurück kommen.“
Wir genossen diesen kleinen Luxus noch eine Weile, ehe wir uns wieder in unser Zimmer begaben.
Rory erzählte mir von seiner Kindheit in England, als wir am Kamin saßen. Sie war nicht einfach, er war eines der mittleren Kinder und man übersah ihn plump gesagt sehr oft.
„Dieses Gefühl, ich sei unsichtbar, hat sich in mein Gedächtnis gebrannt, weswegen ich noch heute nicht mit zu viel Aufmerksamkeit umgehen kann. Ich habe es rundheraus gesagt nicht gelernt oder besser gesagt kennengelernt.“
Es gab ihn nicht, so formulierte er es. Seine Tante und sein Onkel hatten sich als einzige seiner angenommen, als er 15 Jahre alt geworden war. Die Bassiters waren zu dem Zeitpunkt schon hier in den Kolonien und wünschten sich, ihm helfen zu können.
So ergab es sich, dass er seine Ausbildung in England machte und seinen Abschluss mit Auszeichnung bestand.
Kurz darauf brach er dann nach Amerika auf, in der Hoffnung, dass er hier etwas bewirken kann und, wie Rory betonte, endlich auch sichtbar sei.
Seinen Gott an der Seite hat er während einer der Überfahrten hierher kennengelernt.
„Ich las in einem der Gesetzbücher und plötzlich verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen. Für einen Moment hatte ich Angst, ich hätte einen Anfall und würde gleich sterben! Doch dann erschien diese … Gestalt in meiner Kabine. Ich werde die Worte nie vergessen, die Forseti mir mit auf den Weg gab.“
Recht und Ordnung!
Gerechte Strafen!
Es war seine Aufgabe die Waagschale in Balance zu halten! Aber er könne es nur mithilfe von, jetzt wurde es mir bewusst, uns allen!
Wir trugen alle zu diesem Gleichgewicht bei! Rory war der Ruhepol an welchem wir uns orientieren konnten.
Diese Erkenntnis durchfuhr mich wie ein Blitz und hinterließ dieses angenehme Gefühl von Aufklärung!
Mitten in der Nacht erwachte ich, weil ich Alex in meinen Gedanken spürte.
Mi amor, bist du da? Flüsterte sie in meinem Kopf. Ich vermisse dich!
Ich wollte nicht, dass Rory dieses kleine Zwiegespräch mitbekam, also ging ich hinüber in mein altes Zimmer. Das Bett war, wie gewohnt, frisch gemacht und ich zündete die Kerze auf dem Nachttisch an.
Ich dich auch! Was machst du gerade, mi sol? Mir entwich ein leises Stöhnen, als ich meine Frau vor mir sah, wie sie in unserem Bett lag, mit nichts als ihrer Haut am Leib.
Ihr frivoles Grinsen veranlasste mich mich selbst zu berühren, ich spürte die Lust in mir aufsteigen und das Pulsieren in meiner Hand.
Zwischen ihren Schenkeln sah ich ihr gläsernes Spielzeug, welches in ihr verschwand! Ihr wollüstiges Stöhnen dabei, brachte mich an den Rand des Wahnsinns. Ich konnte ihre Wärme fast spüren, ihren Duft förmlich riechen. Nein, ich brauchte keine andere Frau! Ich brauchte SIE!
Es war ein unglaubliches Gefühl Alex dabei zuzusehen, wie sie sich selbst verwöhnte, aber zu wissen, dass sie nur mir gehört und …
Ich ließ los! Meine Beherrschung war dahin!
Mi sol, ich wusste nicht, dass es so intensiv sein kann. Etwas Atemlos brachte ich diese Worte heraus.
Das sollten wir wiederholen, mi amor. Du weißt ja, ich sehe dir gerne zu. Man sah die Röte in ihre Wangen schießen bei diesen Worten. Wieder einmal fragte ich mich, warum sie ab und an so schüchtern reagierte. Aber diese Art war einfach liebenswert!
Das habe ich bemerkt. Keine Sorge, du wirst sicherlich noch einige Male in diesen Genuss kommen. Und jetzt… schlaf gut! Ich liebe dich! Lächelte ich mehr als befriedigt und hätte diese Frau in diesem Moment gerne in meine Arme geschlossen.
Ich liebe dich, mi amor. Vergiss mich nicht. Wie sollte ich sie vergessen? Alex war mein Schicksal und ich vermisste sie unendlich!
Der nächste Tag begann regnerisch und kalt. Man traute sich kaum aus dem warmen Bett.
Leider hatten wir noch ein paar Termine um unser Büro hier für die Zukunft zu finden.
Dass uns diese Entscheidung schon fast abgenommen werden würde, ahnten Rory und ich noch nicht, als wir beim Frühstück saßen.
Ein aufgeregter Bote erschien an unserem Tisch und reichte mir einen Brief. Das Siegel war mir unbekannt, nur das Symbol der Bruderschaft erkannte ich.
„Oh, sie schicken keine Tauben mehr?“ kam es sarkastisch von Master Gillehand.
Grinsend sah ich ihn über den Rand meiner Tasse an.
„Auch die Assassinen entwickeln sich weiter, wie es scheint.“ gab ich im selben Tonfall zurück.
In diesem Schreiben bat man um ein Gespräch. Zeitpunkt und Ort waren ebenfalls schon vorgeschlagen. Wir sollten lediglich unsere Zustimmung geben.
Heute Nachmittag, in dem Lagerhaus auf der anderen Flussseite erwartete man uns.
Außerdem wurde betont, dass niemand einen Anschlag auf uns planen würde. Man suche ausschließlich das Gespräch und dann…
Ja, dann sähe man weiter!
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ritten wir zum vereinbarten Treffpunkt.
Wir könnten noch ein paar andere Männer und Frauen mobilisieren. War das aber von Nöten? Ich wollte ungern andere Personen in Gefahr bringen, schließlich ging es in erster Linie `nur` um eine Immobilie und nicht um die Weltherrschaft.
Das Tor war offen und wir konnten ohne jedwede Ablenkung eintreten.
Im Inneren bot sich mir das Bild wie vor einigen Tagen auch.
Eine Gruppe von Assassinen stand uns gegenüber.
„Ihr seid gekommen.“ hörte ich einen Mann sagen, sah aber nicht, WER gesprochen hatte.
„Was für ein lächerliches Spielchen wird hier getrieben? Natürlich sind wir hier! Die Höflichkeit gebietet es!“ Rory war sichtlich ungehalten ob dieser unnützen Ansagen.
„Macht euch bereit zu sterben! Hier und heute werden wir ein Zeichen setzen! Mit euren Köpfen auf Pfählen als Warnung für alle anderen die sich uns verweigern!“ diese Stimme klang irre.
Für einen Moment fühlte ich mich in die Erzählungen von Alex versetzt, wo sie Geschichten über die Barbaren im Teutoburger Wald oder den Wikingern erzählte. In welchem Jahrhundert waren diese Personen hier bitte gestrandet? Es kam mir so vor, als wären sie unwissende Zeitreisende aus der Vergangenheit!
Wir hätten doch noch ein paar Brüder und Schwestern in Kenntnis setzen sollen!
Jetzt war es zu spät und uns blieb nichts anderes übrig, als uns zu wappnen.
Rory und ich standen Rücken an Rücken und sahen uns um.
Es bildete sich, wie erwartet ein Kreis und man beobachtete uns fürs erste.
Mittlerweile war mir bewusst, dass man uns damit mürbe machen wollte. Aber ich baute auf meine eigene mentale Stärke dem standzuhalten.
Der Advokat tat es mir gleich, auch er schätzte die Situation richtig ein. Trotz seiner noch nicht ganz verheilten Wunde, zeigte er keinerlei Schwäche. Im Gegenteil! Sein Körper strahlte dieses Selbstvertrauen aus, welches sogar mich mit einbezog. Eine Art Kraft durchströmte unser beider Geist.
Als ich unsere ´Gastgeber´ wieder wahrnahm um in den Kampf zu starten, sahen mich große Augen an.
Master Gillehand und ich standen in einem Kegel wie aus Sonnenlicht gemacht.
Seine Worte hallten von den Wänden wieder.
„Wie oft wollt ihr es jetzt noch versuchen? Euer Meister ist tot und kaum ein Hausbesitzer steht auf eurer Seite. Mit Gewalt werdet ihr nichts erreichen, lediglich Angst schüren. Aus ihr wird der Wunsch nach Schutz geboren, aber sie suchen ihn nicht bei EUCH! Nein, die Damen und Herren suchen ihn ganz woanders.“ seine Stimme hatte einen völlig anderen Klang als üblich, noch nie hatte ich ihn so gesehen und gehört.
„Ihr wollt uns erklären, dass Einschüchtern keine Option ist, aber selber macht ihr hier gerade nichts anderes. Nein, wir geben nicht klein bei! Nicht wir!“ es waren vereinzelte Stimme, kein Kollektiv. Also waren sie sich nicht einig und das war immer ein schlechtes Zeichen. Für uns aber hieß das, wir könnten den ein oder anderen auf unsere Seite holen. Es bestand keine Einigkeit in den Reihen der Assassinen.
Bei euch Templern auch nicht, Haytham! Du solltest, wenn hier alles erledigt ist mal ein Auge auf deine Gefolgsleute haben. Hörte ich plötzlich meinen Vater in meinem Kopf.
Nun gut, das musste warten!
Zwei gegen ungefähr 15 war kein fairer Kampf wenn man mich fragte!
Langsam zog ich mein Schwert, ebenso Rory und wir warteten auf den Angriff.
Nein, ich würde den Teufel tun und mich zu dieser Situation auch noch verbal äußern in diesem Raum. Sie wollten uns damit einschüchtern und zum Aufgeben bringen. Aber waren sie auch wirklich bereit zu kämpfen? Keine einzige Person hier zuckte auch nur mit der Wimper.
Wie aus dem Nichts traten zwei Schatten aus der Menge hervor.
Also hatte man beschlossen, einen fairen Kampf auszutragen.
Vor uns standen eine mehr als imposante Frau und ein Herr, welcher mich um einen halben Kopf noch überragte. Imposant meine ich nicht im Hinblick auf ihre Fülle! Nein, ihr Erscheinungsbild und ihre Kleidung waren entsprechend auffällig.
„Ich sehe schon! ´Oh eine Frau, da hab ich ja leichtes Spiel´“ ihr Lachen hatte einen nicht zu ihrem Erscheinungsbild passenden Ton! Er war schon fast zu sanft.
Um den Schein zu wahren zog ich lediglich eine Augenbraue hoch und hob mein Schwert. Sollte sie doch glauben, dass ich mich ihr überlegen fühlte.
Auch mein Mitstreiter hatte sich mit seinem Partner bereits bekannt gemacht und focht die ersten Schläge und Paraden.
„Kommt schon!“ rief sie mir entgegen, während sie sich kreiselnd um mich herum bewegte. Ich selber fokussierte ihre Person, ihre Aura! Nahm ihre Bewegungen in mich auf um ein Muster herauszuarbeiten.
Hier und da attackierte ich sie, aber immer nur halbherzig. Mir war ihre Reaktion wichtig. Ich wollte sehen, worauf sie ansprang!
Leicht zu durchschauen war die Dame nicht, aber ab und an sah man ihren Frust, dass keine Gegenwehr kam. Ein ungeduldiger Gegner war immer gut!
Also begann ich mich entsprechend zu verhalten. Stich hier, versteckte Klinge vorschnellen lassen, ihrem Angriff ausweichen und dann hektisch nach der nächsten Strategie suchen. Ich profitierte von meinem Vater, Reginald, meiner Frau und allen anderen Kampfpartner mittlerweile.
Sie alle hatten mich gelehrt, nicht blauäugig alles zu glauben, was ich sah.
Die Dame stand plötzlich wie von der Tarantel gestochen vor mir mit lautem Kampfgebrüll und ausgebreiteten Armen!
In ihren Augen loderte unendlicher Hass auf!
Dieser Angriff überraschte mich ehrlich gesagt völlig kalt. Mit dieser Stärke hatte ich nicht gerechnet. Sie statuierte ein Exempel, wie es mir schien.
Oder wollte sie etwas kompensieren? War sie nicht gut auf die Männer zu sprechen? All das ging mir durch den Kopf, während ich mich verteidigte.
Es war nicht einfach den Fokus zu behalten, aber auch sie hatte einen gewissen Rhythmus beim Kämpfen. In diesen fand ich mich schnell rein und es war fast wie ein – verzeiht – Tanz auf dem Parkett. Elegant, vorausschauend und einstudiert. So als würde man auf der Bühne eine Szene aufführen.
Ihre Art war meiner ähnlich!
Diese Bewegungen kannte ich, genauso wie die Abläufe der Klinge und der Attacken!
Ein Muster bildete sich heraus, welches ich so oft schon erlebt hatte. Sie war gut ausgebildet, keine Frage, aber es lief ein strikter Ablauf in ihrem Kopf ab. Entweder war sie noch recht neu in diesen Reihen oder aber sie war, wie sagte man so unschön, Kanonenfutter!
Letzteres hoffte ich nicht! Es wäre schlichtweg menschenverachtend meiner Meinung nach.
Wir versuchten gegenseitig Schwachpunkte auszumachen, ein Muster zu finden … Irgendwann standen wir uns gegenüber und sahen uns leicht erschöpft an.
„Ihr seid gut, Miss!“
„Misses! Mein Gatte hat ein Auge auf mich!“ erwiderte sie etwas atemlos mit den Händen in die Hüfte gestützt
„Er kann sich glücklich schätzen, euch als Frau zu haben. Diese Gleichberechtigung ist selten.“ erwiderte ich mit einer Verbeugung.
„Selten habe ich einen solch aufgeklärten Mann im Kampf vor mir gehabt.“ sah ich da etwa ein Lächeln in ihrem Gesicht?
„Bedankt euch bei meiner Gattin!“ mehr Worte waren gerade nicht nötig.
Plötzlich fiel uns beiden wieder ein, dass wir hier ja Publikum hatten, welches etwas geboten bekommen wollte.
Breit grinsend holte sie mit einem weit geführten Bogen aus um mich von oben anzugreifen.
Ihre Muskelbewegungen hatte ich aber genauestens im Auge behalten, so konnte ich recht schnell erahnen was sie vorhatte und konterte mit meinem Schwert ihre Klinge. Die Angriffe ihrerseits balancierten zwischen Defensive und Offensive, gepaart mit kleineren Verschnaufpausen um mich zu analysieren.
Diese Ausdauer war beeindruckend muss ich gestehen!
Und dann hatte sie ihren Moment, einen welchen ich unbeabsichtigt wie auf einem silbernen Tablett darreichte. Ich war von Rorys Kampf abgelenkt worden, als dieser in meinen Rücken stolperte.
„Verzeiht, verzeiht!“ rief er, fing sich wieder und bearbeitete seinen Kampfpartner weiter.
Ich hingegen musste jetzt eine Schlagabfolge einstecken die es in sich hatte. Die Dame hatte nur auf so eine Gelegenheit gewartet und schnitt ziemlich tiefe Wunden in meine Oberarme und meinen linken Oberschenkel.
Diese Schmerzen fühlten sich wie brennende Kohlen auf der Haut an. Ehe ich mich versah, erstarb dieses Gefühl und ich spürte ein unangenehmes Ziehen, als sich meine Haut wieder schloss. Das Ganze ließ mich schwer atmen und meine Konzentration für die Konfrontation war unterbrochen.
„Nun kommt schon! So einfach lasst ihr mich hier gewinnen? Ihr beleidigt meinen Stolz!“ rief sie mir entgegen und umrundete mich weiterhin leichtfüßig.
„Keine Sorge, Mam! Ihr kommt schon noch auf eure Kosten!“ sollte ich alle moralischen Aspekte über Bord werfen und … sie war ebenbürtig! Sie wollte es so und ich beschloss mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Fähigkeiten, einschließlich meines Gottes des Kampfes, zu verteidigen und ihr zu zeigen, wo ihr Platz als Assassine war!
Die Wunden wurden zur Nebensache.
Mein Augenmerk lag auf ihren Schwachstellen, welche sie mir offen darbot.
Als sie bemerkte, dass sich meine Taktik änderte und dass sie kaum noch gegen mich angehen konnte, änderte sie ihre eigene und beschloss aggressiv vorzugehen. Aggressiv und leider auch schnell unkontrolliert werdend!
Wut war kein guter Ratgeber im Kampf, er lässt dich blind für deinen Gegner werden. Das hatte mir Reginald einmal gesagt!
Die Blindheit der Dame nutzte ich und brachte sie völlig aus dem Konzept mit meinem Angriff und den Paraden!
Blut tränkte ihre Ärmel und rann an ihrer rechten Wange herunter. Ungläubig strich sie sich mit dem Finger darüber.
„Das wird euch noch leidtun!“ rief sie mir entgegen und attackierte mich erneut mit einem von unten geführten Streich, welchen ich mit der versteckten Klinge und Leichtigkeit abblocken konnte.
„Gebt ihr jetzt auf, oder wie soll das hier enden? Eure Freunde scheinen sich schon zu langweilen.“ merkte ich in dieser kleinen Pause an, als ich sah wie die Umstehenden sich zu zerstreuen begannen. Damit hatte ich weiß Gott nicht gerechnet, aber sei es drum.
Rory hingegen hatte seinen Kontrahenten kampfunfähig gemacht und wartete auf mich.
„Haytham, ich habe selten einen solch spannenden Schlagabtausch zu Gesicht bekommen. Aber … wir sollten beizeiten einen Sieger festlegen, oder was meint ihr?“ diese Worte richtete er an die Allgemeinheit in der Halle.
„Hört! Hört!“ riefen einige und applaudierten!
„Dass ich einen verhassten Templer einmal anfeuern würde, hätte ich nicht gedacht!“ kam es aus einigen Mündern.
„Wir sollten uns vielleicht neu formieren und zurückziehen.“ hörte ich leisere Stimme aus der Menge.
„Ihr habt gewonnen!“ atemlos stand Misses nun vor, leider wusste ich immer noch nicht ihren Namen, und senkte erschöpft das Schwert. „Ich muss gestehen, es war mir eine Freude mit euch kämpfen zu dürfen. Eine echte Herausforderung, Master Kenway.“ eine gewisse Anerkennung klang in diesen Worten mit und ließ mich lächeln.
„Danke, auch ihr habt mir alles abverlangt und habt euch gut geschlagen!“ ich reichte ihr meine Hand.
Als sie sie nahm, spürte ich ein Kribbeln auf meiner Haut, welches sich durch meinen Arm hinauf zu meinem Kopf bahnte. Bilder von einer ungezügelten Leidenschaft tauchten vor meinem inneren Auge auf und ließen mich aufkeuchen!
„Wir sollten es hierbei belassen, Misses!“ plötzlich hatte ich die Befürchtung, dass es ein Trick von ihr sein könnte um mich so abzulenken, dass sie mir den Todesstoß versetzen konnte.
Enttäuscht sah sie mich an, entriss mir ihre Hand und verbeugte sich vor mir.
„Das wollte ich ebenso vorschlagen!“ sie hatte demnach also wirklich sehr anzügliche Gedanken gehabt, welche sie nun nicht umsetzen konnte.
Wie würden wir aber jetzt verbleiben? Der Anführer war eliminiert, die Assassinen waren zwiegespalten und die Immobilien standen immer noch zum Verkauf.
Auf diese Frage hin bat man uns am morgigen Tag zu einem unserer favorisierten Häuser zu kommen. Dort hätte man Quartier bezogen und organisierte die Bruderschaft.
Einen Namen erfuhr ich nicht von ihr, ebenso wenig wusste Rory, gegen wen er angetreten war.
„Ich hätte gerne gewusst, wer mir dort gegenüberstand! Er war hervorragend ausgebildet, Haytham. Ab und an blitzten Bilder vor meinem inneren Auge auf und ich konnte sehen, was er plante. Umgekehrt schien er zu erahnen, was in mir vorging. Es war mehr als faszinierend und ehrlich gesagt, habe ich meine Verletzung völlig vergessen in den letzten Stunden.“ das kam überrascht aus seinem Mund, als er sich auch schon wieder die Seite hielt.
„Lasst mich gleich einmal nachschauen, aber ihr seht rosig aus und es scheint euch gut zu gehen.“ erwiderte ich etwas abwesend, weil meine Gedanken bei diesen frivolen Bildern hängen geblieben waren. Tief durchatmend ermahnte ich mich nicht daran zu denken. Erschrocken musste ich mir eingestehen, dass ich sie nicht so einfach aus meinem Kopf verbannen konnte.
Der gesamte Weg zurück zu unserer Unterkunft war mit Grübeleien gepflastert und ich nahm kaum etwas von meiner Umgebung wahr.
„Bei Odin! Haytham! Was ist los mit euch?“ Master Gillehands Hände schüttelten mich an den Schultern.
„Was? Nichts, ich war nur in Gedanken!“ erwiderte ich mürrisch.
„DAS sehe ich und nicht nur DAS!“ seine Augen sahen mich wissend an.
Ertappt spürte ich eine leichte Röte in meine Wangen steigen.
„Diese Frau war anders, findet ihr nicht?“ hakte ich wie beiläufig nach.
„Natürlich ist sie das, sie trägt das Zeichen Balders. Genau wie eure Frau auch!“ im ersten Moment konnte ich ihm nicht folgen, doch dann schoss dieser Gedankenblitz in meinen Kopf. Dieses Sonnensymbol auf der Haut meiner Frau… aber ich hatte es bei meiner Gegnerin nicht wahrgenommen.
Langsam zählte ich eins und eins zusammen. Diese Verbundenheit würde sich auf Alex übertragen, ob ich es wollte oder nicht. Mir war trotzdem nie ganz klar geworden, was dieses Symbol wirklich für Auswirkungen haben würde. Ging es einfach nur darum, Personen auszusortieren?
Nicht alle sollen auf unserer Seite stehen, so wusste ich es noch!
Wir würden morgen ein paar mehr Antworten bekommen und uns auch einigen können. Ich setzte all meine Hoffnung darein!
Wir aßen noch zu Abend und ich zog mich recht schnell in mein altes Zimmer zurück, weil ich keine Veranlassung mehr sah, mir mit Rory diesen Raum zu teilen. Die Gefahr war gebannt, wie ich hoffte.
Erschöpft stand ich vor der Waschschüssel und betrachtete mein mit Bartstoppeln übersätes Gesicht. Wie ein Vagabund sah ich aus.
Widerwillig mischte ich den Rasierschaum und nahm das Rasiermesser zur Hand. Es half ja nichts, ich sollte wenigstens für ein angemessenes Aussehen sorgen, auch wenn ich mich gerade nicht danach fühlte.
Das Messer wog schwer in meiner Hand und ich befürchtete, dass ich mir unzählige Schnitte zufügen würde. Doch es blieb bei zwei kleinen Kratzern, Gott sei Dank.
Mit dem Handtuch wischte ich mir die Seifenreste ab und betrachtete das Ergebnis im Spiegel.
Ihr seht fantastisch aus, Haytham. hauchte mir meine Kampfpartnerin von vorhin entgegen.
Erschrocken wich ich einige Schritte zurück.
Was wurde hier bitte gespielt?
Es konnte nicht nur an dieser Tätowierung liegen. Ausgeschlossen!
Etwas anderes war hier am Werk.
Noch nie hatte ich an andere Frauen gedacht, seit ich mit Alex zusammen war!
Wieder versuchte ich meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, meinen Verstand zu beruhigen.
Ich wurde ruhiger, langsam aber stetig.
Mein Geist begann die Vorkommnisse zu sortieren und es klärten sich Einzelheiten heraus.
Ich hatte Revue passierend tatsächlich diese MARKIERUNG bei der Dame gesehen, auf dem Handrücken. Sie war mehr als offensichtlich. Dennoch war mir dieses Detail nicht sofort ins Auge gesprungen, vermutlich weil ich mich auf andere Dinge konzentriert hatte.
War das aber nun ein gutes Zeichen oder war ich zu unaufmerksam?
Ich besann mich auf meine Frau, wollte mit ihr meinen Tag teilen. Aber etwas hinderte mich daran ihr näher zu kommen.
Immer wieder drängte sich meine Kampfpartnerin in den Vordergrund. Breit grinsend und zu meinem Leidwesen auch nur noch leicht bekleidet.
Lass dich einfach fallen. Was soll schon schlimmes passieren. Hauchte ihre Stimme in meinem Geist.
Ich stützte mich auf die Kommode und sah starr in mein Spiegelbild. Diese Frau durfte sich meiner nicht bemächtigen! Es kostete mich all meine Fähigkeiten mich nicht zu verlieren in ihren Worten.
Sie sprach sanfte aufmunternde Worte um mich zu bezirzen, fand immer wieder in meinen Geist.
Du bist schwer zu kriegen! Das gefällt mir! Klang es atemlos.
In diesem Moment blitzte der Gedanke auf, dass ich einfach Alex hinzuholen sollte. Schließlich wären die beiden ja durch diese Tätowierung verbunden.
Was? Warum sollte sie… Ich verstehe… jetzt hörten sich ihre Worte schlichtweg enttäuscht an und sie verschwand plötzlich aus meinem Kopf.
Erleichtert atmete ich tief durch, wusch mir noch einmal mit dem kalten Wasser durchs Gesicht, als ich auch schon meine Frau vernahm.
Haytham, ist alles in Ordnung? Ich fühle, dass du ziemlich durch den Wind bist.
Was bitte sollte ich ihr denn jetzt sagen? Dass ich wollüstige Gedanken bei einer anderen Frau hatte? Wir hatten uns geschworen immer mit offenen Karten zu spielen, aber es schien mir gerade in diesem Moment keine gute Idee zu sein und ich beschloss diese Momente wegzuschließen. Vielleicht ergibt sich ja beizeiten einmal die Gelegenheit diese Ereignisse zur Sprache bringen zu können.
Ich bin erschöpft. Heute stand ich einem faszinierendem Gegner gegenüber, der mir alles abverlangte. Meine Stimme klang wie gewohnt ruhig, stellte ich erleichtert fest.
Ich berichtete Alex in den nächsten Stunden von meinem Tag, ebenso erhielt ich einen kleinen Statusbericht von daheim. Diese Ablenkung tat mir gut und ich fühlte mich wieder ganz zu meiner Gattin hingezogen.
Danke für diesen wundervollen Höhepunkt, mi amor. Flüsterte ihre etwas atemlose Stimme etwas später in meinem Geist.
Ich habe zu danken, mi sol. Ich liebe dich. Auch mein Atem ging etwas stoßweise, weil sie mir mit ihrer, ich nenne es mal so, Darbietung über die Schwelle geholfen hatte.
Entspannt schlief ich in dieser Nacht ein in der Hoffnung keinen fremden Damen in meinen Träumen zu begegnen.
Zu meiner Freude gesellten sich am nächsten Tag kurz bevor wir uns zu unserem Treffen aufmachten auch noch Master Pitcairn und Johnson zu uns.
Beide waren wegen geschäftlicher Dinge hier in Richmond und hatten von diesen dubiosen Morden und Verkäufen erfahren.
Gerade William wäre dankbar, wenn wir hier ein Büro einrichten könnten, wo er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte, ohne sich in einer Taverne oder Gasthaus einmieten zu müssen.
Zu viert machten wir uns schließlich auf den Weg zu den Assassinen.
Wie man uns gesagt hatte, war es eines der Gebäude, die verkauft werden sollten. Dort standen wir für einen Moment davor und bestaunten dieses wunderschöne Bauwerk. Bei genauerem Betrachten wurde uns aber bewusst, dass es für unsere Zwecke nicht ganz geeignet war. Es gab nicht genügend Zimmer, es waren zwar 2 Etagen mit leider nur 5 Zimmern. Recht schnell müssten wir, so vermutete ich, uns nach etwas anderem umsehen.
Unser letzter Verkäufer hatte sich noch gar nicht wegen unseres Angebotes bei uns gemeldet, fiel es mir wieder ein. Wir sollten ihm vielleicht noch einen Tag Zeit lassen.
Man begrüßte uns wie gewohnt aus einem Kreis Assassinen heraus in einem großen Salon.
Hier und da standen Hocker oder Sessel oder kleinere Beistelltischchen. Hier fehlte mir eine gewisse Struktur, es war nichts halbes und nichts ganzes. Nun gut, es sollte ja nicht unser Haus werden.
„Ihr habt dieses Mal also Verstärkung mitgebracht, wie ich sehe.“ diese zynischen Worte kamen von meiner Kampfpartnerin, welche mich abfällig zudem noch musterte.
„Die Gentlemen waren gerade in der Nähe und haben uns einen Besuch abgestattet. Da sie mit uns gemeinsam das zukünftige Büro beziehen werden, waren sie neugierig geworden.“ Rory hatte wieder seine so typische sachliche Art angeschlagen, wie man es von einem Rechtsanwalt erwartete.
„Wenn ihr es so nennen wollt.“ lachte ein Herr in der Menge.
Ich mache es kurz!
Es gab keine Kampf, es bliebt bis auf ein paar Ausrutscher recht sachlich und zivilisiert. Wir einigten uns darauf, dass wir das Gebäude wo wir noch auf die Antwort des Verkäufers warteten, ohne weiter behelligt zu werden erwerben sollten.
Außerdem handelten wir einen Waffenstillstand aus, welchen die Mehrheit der hier anwesenden Meuchelmörder mehr als bereitwillig befürwortete.
Man sah hier und da in den Gesichtern, dass wir einen regen Zulauf bekommen würden in der nächsten Zeit. Natürlich würde ich mich oder besser WIR darüber freuen. Vorsicht war aber immer noch geboten.
Wir würden nie ALLE zu einer Vereinigung bringen und ja da wiederhole mich immer gerne. Es ist aber eine Tatsache, die wir nicht vergessen durften!
Gerade als wir uns verabschiedet hatten, bat mich die Dame mit der Tätowierung um ein privates Gespräch.
„Ich schwöre, ich will euch nicht die Kleider vom Leibe reißen.“ gab sie augenrollend als Erklärung.
Im hinteren Garten des Grundstücks gingen wir eine Weile wortlos spazieren.
„Ich muss mich bei euch entschuldigen, Master Kenway.“ ihre Stimme klang dabei kleinlaut und sie sah mich auch so an.
„Vor allem wäre es reizend, wenn ich endlich einen Namen erfahren dürfte, Misses.“ In mir war meine Großmeisterrolle erwacht und ließ mich kühl und bedacht agieren.
„Sonya Elvira Murdoc. Mein Mädchenname tut nichts zur Sache, meine Eltern sind für mich gestorben.“ ihre Worte klangen bitter mit einem feinen Ton der Trauer.
„Mrs Murdoc, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen.“ ich überging ihre Worte bezüglich ihrer Wurzeln, es ging mich schlichtweg nichts an.
„Darf ich offen sprechen?“
Nickend erteilte ich die Erlaubnis.
Sie kam auf die Tätowierung und ihre Verbundenheit mit Balder zu sprechen. Auf die Frage, ob ich wüsste, was es mit den nordischen Göttern auf sich hätte, fiel es mir schwer nicht laut zu Prusten.
„Mrs Murdoc, ist euch nicht aufgefallen, dass Master Gillehand wie auch ich, nicht alleine agieren? Außerdem ist meine Frau tief verwurzelt in ihrem Glauben an den Allvater.“
Bei meinen Worten weiteten sich ihre Augen ungläubig.
Ich hätte vielleicht sogar noch als Bestätigung meine eigene Tätowierung zeigen können, doch dafür hätte mich halb entkleiden müssen und DAS war genau jetzt nicht angebracht. Also beließ ich es bei einer Erwähnung.
Staunend sah sie mir in die Augen und ein leichter goldener Schimmer flackerte in ihnen auf.
„Dann war auch unsere Begegnung schon vorbestimmt von den Schicksalsgöttinnen.“ mit einem Male änderte sich ihre Art und sie begann, im wahrsten Sinne des Wortes, zu plappern.
Sie erzählte von ihren Plänen, von einer Einigung des Ordens und der Bruderschaft. Ihre Leute die sie um sich geschart hatte, standen zu 100 Prozent auf ihrer Seite und würden sich uns sicherlich gerne anschließen.
„Was den Rest angeht, da muss ich vermutlich nicht mehr viel erklären. Wir müssen mit Gegner rechnen, stimmt es?“
Damit hatte sie Recht und wir verblieben so, dass auch dieses Haus hier zu unseren Büros werden würde. Eine Art Ausweichmöglichkeit.
Als es bereits zu dämmern begann fand ich mich in unserer Unterkunft bei Rory wieder ein. William und Jonathan waren noch geblieben um die neuesten Entwicklungen zu erfahren.
„Fantastisch, Haytham. Ich muss ehrlich gestehen, ich bin erleichtert, dass es so glimpflich abgelaufen ist.“ Master Johnson klopfte mir dabei auf die Schulter.
Ein Bote erschien an unserem Tisch und übergab eine Nachricht des Eigentümers unseres, hoffentlich, zukünftigen Büros.
Wie erwartet war er auf unser Angebot eingegangen, aber wir sollten uns nichts darauf einbilden, er hätte die anderen Interessenten nur mit Mühe von seiner Entscheidung überzeugen können.
Wer es glaubt, dachte ich grinsend. Niemand anderes war auf sein Angebot angesprungen! Aber sei es drum. Wir hatten den Zuschlag und stießen schon einmal auf unseren Triumph hier in Richmond an.
Jetzt würde es sich zeigen, wie viel Erfolg wir mit allem haben würden.
Innerlich war ich aufgeregt wie ein kleiner Junge vor Weihnachten, musste ich mir eingestehen.
Dem Boten gab ich die Antwort kurz darauf mit an die Hand und in den nächsten Tagen sollten wir uns mit den Advokaten in Verbindung setzen. Wie gut, dass ich einen persönlichen Anwalt an der Hand hatte.
In Rorys Augen stahl sich ein goldenes Leuchten bei meinen Worten!
Auf eine glorreiche Zukunft! Hörte ich ihn in meinem Kopf.
Auf das wir weiter prosperieren werden! Sprach ich meinerseits.
Zwei Tage später saßen wir mit dem Verkäufer und seinen Anwälten um einen Tisch in unserem zukünftigen Büro.
Die Verträge waren nicht so einfach ausgehandelt, wie ich gehofft hatte. Der Herr war zäher wie eine alte Schuhsohle und stur wie ein Ziegenbock!
Da er sich seiner Sache sicher war, dass wir definitiv keinen Rückzieher mehr machen würden, gab er seine überhebliche Art und Arroganz zum Besten!
Meine Geduld wurde an diesem Nachmittag auf eine harte Probe gestellt und ich hoffte, nicht aus der Haut zu fahren bevor die Sache unter Dach und Fach war.
Gott sei Dank war Rory als besonnener Mensch an meiner Seite und war die Ruhe in Person.
Zum ersten Mal sah ich ihn in seinem Element, dem Verhandeln, den rechtlichen Tricks ausweichend und so weiter. Mit ihm an unserer Seite würden wir nicht so leicht ausgebuhlt werden können.
Als es bereits dunkel geworden war, trocknete die Tinte unserer Unterschriften auf dem letzten Blatt eines 6seitigen Kaufvertrages!
Erleichtert atmete ich aus und erhob mein Glas.
„Auf einen gelungenen Kaufabschluss!“ frohlockte ich und erntete einen zerknirschten Gesichtsausdruck des nun ehemaligen Eigentümers.
„Ich gratuliere euch.“ die Fingerknöchel stachen weiß hervor, als er sein Glas ebenso erhob, dass ich befürchtete er würde es zerdrücken.
Die ganze nächste Woche beschäftigten wir uns mit der Einrichtung des Hauses. Rory brauchte für sein Büro entsprechende Möbel, die wir bei einem Tischler in Auftrag gaben. Außerdem musste der Keller passend für uns ausgebaut werden und mit Regalen und Waffenständern ausgestattet werden. All das war sicherlich kostspielig, aber ich wusste, wofür ich es investierte. In die Zukunft aller Menschen!
Ich traf mich mit einigen der hiesigen Assassinen um eine Raumverteilung zu besprechen. Da man aber nicht nur ein Haus sondern gleich ZWEI zur Verfügung hatte, war es schnell geklärt und wir richteten auch postwendend einen Post- und Botenweg ein.
Die Routen über Land oder See konnten wir gut absichern und es wob sich ein wahres Spinnennetz auf der Karte.
Auch das war für mich faszinierend zu sehen.
Dieser Fortschritt war immens! Niemals hätte ich damit gerechnet.
In den Tagen hatten wir unter anderem auch Gespräche mit angehendem Personal, wir brauchten die üblichen Bediensteten um alles am Laufen zu halten.
Das war nicht ganz so einfach, wie ich etwas entmutigt feststellen musste.
Meine eigenen Worte damals für Shay gingen mir dabei ab und an durch den Kopf.
„Gutes Personal zu finden ist nicht so einfach!“
Ich sollte recht behalten.
Wer ungewaschen und mit verranzter Kleidung hier zum Gespräch erschien, konnte gleich wieder gehen. Oder wenn man die Person gegenüber kaum verstehen konnte, war es keine Option sie in unsere Dienste zu nehmen.
Wir brauchten tüchtige, wortgewandte und vor allem verschwiegene Menschen.
Diese gab es aber nur rar gesät hier in Richmond.
Einen kleinen Hausstand konnten wir dennoch aufbauen und eine Haushälterin war schnell gefunden bei all den Bewerbern.
Wehmütig dachte ich für einen Moment an Sybill damals in New York. Wer hätte gedacht, dass sie nicht das war, was sie darstellte ohne es selber zu wissen. Grinsend ging ich für einen Moment in den Garten um frische Luft zu schnappen.
Dann endlich Ende September hatten wir alles hier erledigt und konnten uns auf den Rückweg machen.
Die Angestellten hatten ihre Anweisungen, Aufgaben und wussten an wen sie sich wenden konnten, sollte etwas passieren.
Jonathan und William würden noch zwei oder drei Wochen hier verweilen und ein Auge auf alles haben.
„Nur damit ihr beruhigt seid, Haytham.“ lachte Master Johnson, als er mich verabschiedete.
„Ich danke euch, William!“ langsam wendete ich Brida und begab mich auf den Rückweg.
Eines durfte ich aber nicht vergessen! Ich hatte meinem Sohn ein Mitbringsel versprochen. Also hielt ich an einem kleinen Geschäft, welches Holzspielzeug und ähnliches anbot. Schnell fand ich etwas passendes für Edward. Einen Piraten mit hocherhobenem Schwert! Diese Details waren fantastisch ausgearbeitet und ich wusste, er würde diese Figur lieben.
Je näher ich unserem Zuhause kam, desto ungeduldiger wurde ich. Nicht nur das, auch mein Verlangen nach meiner Frau wuchs und ließ meine Wangen rot werden.
Kichernd sah mein Begleiter mich an.
„Ihr liebt Alex, nicht wahr? Ich habe noch nie zwei Menschen gesehen, die so innig verbunden waren.“ seine Worte waren in keinster Weise lächerlich gemeint, sie waren sein vollster Ernst.
„Auch wenn ich es mir erst recht spät eingestanden habe, aber ja! Ihr habt Recht. Diese Frau hat mich im wahrsten Sinne an sich gebunden, durch das Schicksal. Aber wem sage ich das.“ grinste ich, weil mir bewusst wurde, dass ich ihm gar nicht immer alles ins Detail erklären brauchte.
„Die Nornen sind unergründlich und lassen sich nicht so schnell in die Karten schauen.“ lachte er, als er sein Reittier auf der vor uns leeren Straße antrieb.
So schnell ich auch daheim sein wollte, umso bedächtiger ritt ich die Auffahrt zu unserem Haus entlang und nahm alles mit einem tiefen Atemzug in mich auf. Jeder Ort hat seinen ganz eigenen Geruch, ist euch das schon einmal aufgefallen? In mir breitete sich umgehend das Gefühl nach Heimat aus und ich ritt weiter.
Von weitem sah ich schon Edward auf der Koppel bei seinem Pferd mit Mackenzie. Er war gewachsen, oder täuschte ich mich? Ab und an gehen mir seltsame Gedanken durch den Kopf.
Als er mich bemerkte, rannte er laut schreiend auf mich zu und ließ mich fast nicht absteigen.
„Papaaa! Du bist wieder da!“ seine Arme schlangen sich um mich, als ich eine Möglichkeit fand abzusteigen.
„Master Kenway, es freut mich euch gesund wieder zusehen. Ich werde Brida gleich absatteln und sie abreiben. Sie braucht vermutlich etwas Ruhe nach dieser Reise!“ damit brachte er meine Stute in den Stall.
„Papa, hast du tolle Sachen gemacht? Hast du mir was mitgebracht?“ fragte Edward ungeduldig als ich ihn auf meinen Arm hob.
„Oh, ich habe ganz viel erlebt und ich habe mal wieder die bösen Männer verscheucht, die uns übel mitspielen wollten. Und ja, Edward, ich habe etwas für dich. Aber das gibt es nachher. Lass mich deine Mutter begrüßen und ich habe großen Durst. Hast du mir noch etwas von der Limonade übrig gelassen, oder muss ich jetzt dieses langweilige Wasser trinken?“ Ich küsste seine Stirn, als ich auch schon Alex mit Florence auf dem Arm auf der Treppe sah.
„Nein, ich hab was übrig geblieben für dich.“ vor Aufregung warf Edward mal wieder alles an Sprachen durcheinander, aber es war die Aufregung und ich verkniff mir eine Korrektur.
Als meine Frau bei uns erschien, bemerkte ich ihren forschenden Blick. Sie wollte sichergehen, dass ich keine Verletzungen hatte. Was ihr aber auffiel war mein ungepflegtes Auftreten, nicht nur im Gesicht sah ich vermutlich wie ein Wegelagerer aus. In ihrem Kopf tauchten Bilder unseres Bad auf und noch so einiges mehr …
Ich kann dich lesen, mi sol. Sprach ich im Geiste mit ihr.
„Ich habe dich vermisst, mi sol.“ vor Edward sollten wir nicht so geheimnisvoll agieren. Ich ließ ihn herunter und nahm Alex mit Bedacht in den Arm, weil sie unsere Tochter trug.
„Ich dich auch, mi amor. Ich bin froh, dass du heile wieder hier bist.“ Ihr Kuss war eine Wohltat für meine Lippen und ich kostete diesen kurzen Moment in vollen Zügen aus. Dabei glitt meine Hand wie von alleine hinunter zu ihrem Hintern.
Ich habe dich auch vermisst. Es war mehr ein Hauch meiner Stimme der im Kopf entstand.
„Ihhhhh, warum tut ihr das immer?“ kam es angewidert von unserem Sohn, welcher sich die Hand vor den Mund hielt.
„Weil wir uns lieb haben, mein Sohn. Auch du wirst das eines Tages kennenlernen.“ Ich hob ihn wieder hoch und wir gingen gemeinsam ins Haus. Es war gerade Zeit fürs Abendessen und auch Florence machte sich bemerkbar.
Nachdem ich mich schnell etwas frisch gemacht hatte, weil ich doch ziemlichen Hunger verspürte, ging ich hinunter in den Wintergarten, wo meine Familie schon auf mich wartete.
Unsere Tochter lag bei Alex auf dem Arm und nuckelte friedlich an einer kleinen Flasche, die vermutlich mit Milch gefüllt war. Etwas erstaunt sah ich sie an.
„Florence wollte nicht richtig an meiner Brust trinken und ich hatte Angst, dass sie … nicht genug Nahrung bekommt. Außerdem hat sie sehr oft meine Milch wieder ausgespuckt. Also habe ich mich entschlossen, sie mit Ziegenmilch zu füttern. Sieh nur, sie mag das und was vor allem wichtig ist, Florence ist sogar richtig gewachsen seit dem Zufüttern.“ lächelte sie selig mit Blick auf unsere Tochter.
„Wenn es damit für dich und unsere Tochter besser ist, dann mach es ruhig weiter.“ erwiderte ich kauend zwischen zwei Bissen.
Im Anschluss brachte sie die Kinder zu Bett mit den Kindermädchen und ich ließ mich seufzend vor dem Kamin in meinem Arbeitszimmer nieder.
Wieder zu Hause zu sein ist einfach eine Wohltat.
Ich ging einige der in meiner Abwesenheit eingetroffenen Briefe durch, spürte aber bald, dass ich kaum noch aufnahmefähig war. Die Tage auf dem Rücken von Brida forderten ihren Tribut. Gerade als ich alles zurücklegen wollte, erschien Alex in der Tür.
„Mi amor, musst du wirklich noch arbeiten? Hat das nicht Zeit bis morgen?“ fragte sie schmollend.
„Es hat Zeit, ich wollte nur schon einmal alles ausgepackt haben, mi sol. Ich lasse mir doch meine wohlverdiente Pflege von dir nicht entgehen.“ ich hatte schon geahnt, dass ein Bad im Keller auf uns wartete. Dafür kannte ich sie zu gut und wir waren beide mehr als ausgehungert und gierten nach dem jeweils anderen!
„Dann komm und lass mich nicht warten.“ damit zog sie mich einfach hinter sich her.
Kurz darauf lehnte sie entspannt mit dem Rücken an meiner Brust im Becken mit dem wohlriechenden warmen Wasser.
Dieser Moment der Nähe, dieses sich wieder körperlich langsam annähern genoss ich ausgiebig, genau wie Alex. Meine Arme schlangen sich um sie, ich wollte ihre weiche Haut wieder spüren.
Langsam drehte sie sich zu mir um, nahm das Rasierzeug vom Beckenrand und begann meine Wangen einzuschäumen.
„Warum hast du Michael eigentlich nicht mitgenommen?“ etwas angespannt bei dieser Frage begann sie mich zu rasieren. Immer noch hatte sie Angst mich dabei zu verletzen.
„Ich ging davon aus, dass es nur zwei Wochen werden würden. Ich konnte ja nicht ahnen, was mich dort noch erwartet.“ seufzte ich erschöpft und begann von einigen Vorkommnissen zu berichten.
„Aber den Rest erzähle ich dir in den nächsten Tagen, mi sol.“ erklärte ich mit rauer Stimme, weil in mir eine tiefe Lust auf meine Frau emporstieg, welche ich nicht mehr unterdrücken wollte und konnte!
„Da bin ich schon gespannt.“ hauchte sie, als meine Hände über ihren wohlgeformten Hinter glitten.
Wir konnten beide unsere aufgestauten Gefühle nicht bremsen oder geschweige denn bändigen und ich nahm meine Gattin einfach. Es war diese tief in uns schlummernde Leidenschaft, die wir nicht immer erklären konnten.
Alex lehnte vor mir mit dem Rücken zu mir am Beckenrand, meine Hände lagen auf ihren Hüften und ich stand hinter ihr und genoss diesen Anblick.
Jede Bewegung brachte uns weiter zu einem seit Wochen ersehnten Höhepunkt, welcher mit einem meinerseits lautem Aufstöhnen kam. Ebenso ließ Alex los und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
„Wow…“ keuchte sie schwer atmend, während sie sich noch immer am Rand abstützte.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich diese Reaktionen bei dir liebe. Es ist einfach fantastisch!“ dabei drehte ich sie vorsichtig zu mir um, um ihr in die Augen sehen zu können. „Ich könnte dir stundenlang dabei zusehen und auch zuhören.“
Alex´ Gedanken kreisten um unsere gemeinsame Leidenschaft und schwenkten dann unerwartet in eine andere Richtung mit einem breiten Grinsen.
„Jetzt siehst du wieder wie mein Großmeister aus!“ dabei strich sie über meine glatten Wangen.
„Wie sah ich denn vorher aus? Lass mich raten, wie ein Wegelagerer vermutlich. So habe ich mich zumindest gefühlt.“ lachte ich, weil ich es ja selber wusste.
Nach einer ausgiebigen Zeit der Zweisamkeit gingen wir hinauf in unser Schlafzimmer, wo ich mich seufzend auf die Matratze warf.
„DAS ist auch etwas, was ich vermisst habe. Diese harten, pieksenden Strohmatratzen kann ja kein normaler Mensch vertragen!“ ich räkelte mich ausgiebig, weil ich diesen Komfort wirklich vermisst hatte.
„Ich glaube, ich kann es mir vorstellen wie es unterwegs zuging. Ich möchte nicht mit dir tauschen, mi amor. Und jetzt schlaf und genieße das weiche Bett.“
Alex beugte sich über mich und gerade sich als ich unsere Lippen berührten hörten wir lautes Bellen von der Galerie!
In Sekunden hatten wir uns etwas übergezogen und eilten auf die Galerie um dem Ganzen auf den Grund zu gehen.
Walka stürmte weiterhin laut bellend auf uns zu und im Schlepptau ein ebenso aufgeregter Edward welcher weinte. Aus den Augenwinkeln sah ich wie die Angestellten nacheinander hier erschienen.
„Mamaaaaaaaaa… der böse Kapitän…“ brüllte unser Sohn, zeigte immer wieder auf sein Zimmer!
Unser Sohn glühte förmlich, sein Körper war über und über mit leuchtenden Zeichen übersät. Florence war ebenso erwacht und schrie wie am Spieß.
Alex stand zitternd neben mir, während ich mich auf meinen Blick konzentrierten, in der Hoffnung genügend Informationen sammeln zu können.
„Er ist hier! Sybill, ihr geht mit den Kindern und Sophia in den Keller. Ihr anderen auch! Jetzt!“ es klang mehr wie ein Fauchen, aber laut rufen wollte ich wenn möglich vermeiden.
Man befolgte meinen Befehl und wir deckten uns mit Waffen aus einem versteckten Schrank hier auf der Etage ein. Langsam schlichen wir uns in Richtung Edwards Zimmer.
Hrymrs Umrisse nehme ich links neben der Tür wahr, aber er ist nicht alleine, wie es scheint. Erklärte ich Alex im Geiste und gleichzeitig gab ich Anweisungen per Handzeichen an unsere Wachen, welche ebenfalls mit uns kamen.
Plötzlich spürte ich ein unangenehmes Gefühl in meinem Kopf, jemand versuchte mich zu infiltrieren, mich zu manipulieren. In Sekunden hatte ich mich abgeschottet, so auch meine Frau. Hoffentlich reichte es aus!
Die Umrisse unseres Feindes waren breit und deuteten auf mehrere Angreifer hin. Doch weit gefehlt!
Ich sah noch wie Alex sich mit einem Schild wappnete und dann flog ein kleines Wurfmesser auch schon an meinem Kopf vorbei und schlug in die Wand neben mir.
Meine Reflexe reichten aus um weiteren Geschossen auszuweichen. Es schien kein Ende in Sicht! Gefühlt tausende dieser Messer flogen uns um die Ohren.
Für den Bruchteil einer Sekunde stutzte ich, weil hinter uns oder am Boden keine von diesen Dingern lagen. Merkwürdig! Doch zum Nachdenken war keine Zeit, wie uns nun auch unser Widersacher kundtat.
„Ihr glaubt, ihr könnt mich so von euch fernhalten? Wie naiv seid ihr Menschen eigentlich? Auch wenn du Odins Tochter bist, du wirst mich nie besiegen!“ dröhnte diese fiese Stimme uns entgegen und dann trat er auf uns zu, in seiner körperlichen Gestalt! Nein, das konnte nicht sein. Einfach unmöglich.
Vor uns stand tatsächlich Eugene Avdeyev! Ich erinnerte mich an ihn, sein Bild war auf diesem Gerät von meiner Frau zu sehen, als wir es in London näher inspizierten. Wie war es möglich, dass er hier völlig ungesehen in unser Haus einmarschieren konnte.
Etwas stimmte hier ganz und gar nicht!
Wie ausgewechselt kamen unsere Wachen auf uns zu mit leuchtend roten Augen und begannen uns anzugreifen.
Immer wieder sah ich, dass Alex fahrig reagierte und abgelenkt wurde durch etwas. Oh bitte nicht
In Edwards Zimmer hatten wir kaum eine Chance uns richtig verteidigen zu können gegen diese Männer. Und dann fiel mir auf, dass der Russe gar nicht mehr mit im Raum war.
Es war nicht die Zeit mir darüber Gedanken zu machen, wir versuchten stattdessen unsere Männer zurück zu drängen, damit wir auf der Galerie vielleicht auch eine Fluchtmöglichkeit bekamen.
„Ihr habt uns jetzt lange genug schikaniert! Für einen Hungerlohn sich die ganze Nacht für so eine verlogene Hexe um die Ohren zu hauen! Mit euren abscheulichen Ritualen ist jetzt Schluss!“ Schwert schwingend griff der Erste meine Frau an, welche zwar überrascht schien, aber dennoch im Verteidigungsmodus war.
„Das wird euch noch leid tun, dass ihr euch an meiner Familie vergangen habt, scheiß Templer! Das wirst du mir büßen!“ brüllte mir der nächste in der Reihe entgegen und hieb auf mich ein.
Ich spulte also mein Training ab und verteidigte mich so gut es ging auf diesem doch recht eng bemessenen Raum.
Hin und wieder spürte ich einen Schub meiner Gattin, welche uns alle mit einer Mauer vor Eugene schützen wollte. Hoffentlich ging das gut, sie sollte lieber sich selber schützen!
Einer der Männer begann jammernd an der Wand herunter zu sinken, mit der Bitte, Alex möge aufhören.
Plötzlich ließ man mich in Ruhe, was mich völlig irritierte und verloren im Raum stehen ließ. Alles schien sich auf meine Frau zu konzentrieren.
Sie wurde immer weiter in diesen Kreis gezogen, ohne es zu bemerken. Ihre Wand im Kopf begann zu bröckeln!
„Alex wir müssen den harten Weg einschlagen!“ befahl ich ihr, weil es keinen anderen Ausweg mehr gab. Leibwache hin oder her, es galt unser eigenes Leben zu schützen!
Dann hörte ich die Stimmen der Götter fast alle zeitgleich in meinem Kopf!
Ihr seid nicht alleine!
Goldene Umrisse formten einen Kreis um die Männer, in dessen Mitte sich ein Netz ausbreitete.
Mit dem Befehl JETZT! Konzentrier dich auf ihre Gedanken! sollte Alex ihnen die Wahrheit zeigen!
Dem ersten Anschein nach, hatte sie auch Erfolg. Doch dieser währte nicht lange. Hrymr hatte sich wieder einschleichen können, während sie in allen Köpfen Mauern errichtete. Hinter ihr bröckelten sie wieder, weil ER sie niederriss!
Das würde nicht mehr lange gut gehen, doch ich war betäubt und konnte nur zusehen. In den Kopf meiner Frau vorzudringen wagte ich nicht, weil ich sie nicht, so seltsam es auch klingen mag, stören wollte.
Gerade als sie einen unserer Männer in der Mangel hatte, hörte ich ein leises Zischen wie aus dem Nichts an mein Ohr dringen.
Mit einem Male hielt sich Alex die Seite und schwankte bedrohlich hin und her. Es gelang mir jedoch nicht, sie aufzufangen, weil eine unsichtbare Hand sich ihrer bemächtigt zu haben schien.
Ihr glasiger Blick wanderte über die erschrockenen Wachen bis zu mir. Ein kaltes widerliches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.
„Er ist es nicht wert, du hast Recht. Es wird Zeit, dass ich gehe!“ rief sie und lief wie schlafwandeln hinaus auf die Galerie. Ich konnte ihr nur fassungslos hinterher starren. Was zum Teufel war gerade passiert?
„Haytham, hör mir zu! Hrymr hat sie mit einem Gift gefügig gemacht. Wir können jetzt nicht mehr in ihren Geist vordringen, auch du nicht. Mach dich auf das Schlimmste gefasst, auf Bilder, welche du nie sehen wolltest. Wir können nur hinterher gehen und versuchen, das schlimmste zu verhindern.“ Der Allvater hatte sich vor mir manifestiert und langsam erschienen sie alle.
Ich begann zu zittern, aus Angst vor dem was uns bevorstand.
„Muss ich meine eigene Frau mit allen Mitteln … Das kann nicht euer Ernst sein!“ diesen Gedanken auszusprechen kostete mich immense Kraft.
Vaters Hand legte sich auf meine Schulter.
„Wenn wir es verhindern können, bleiben alle unbeschadet. Versprochen.“
Für diese Worte erntete er einen skeptischen Gesichtsausdruck Tyrs.
„Versprich nicht immer etwas, was nicht zu halten ist.“ Thor war etwas ungehalten.
„Und jetzt sollten wir ihr hintergehen. Wer weiß was im Keller …“ erschrocken fiel mir ein, dass unsere Kinder mit ihren Nannys und die Angestellten dort ausharrten.
So schnell war ich noch nie die Stufen einer Treppe hinunter gerannt! Gefühlt flog ich darüber hinweg und erreichte kurz nach Alex den vermeintlichen Versammlungsraum im Keller. Ein Wimmern von Edward und Florence brach mir schier das Herz, wohingegen Sybill mit goldleuchtenden Augen Alex in die Schranken wies. Ohne Erfolg leider!
Meine Frau stand kalt lachend vor ihnen und deutete auf unseren Sohn, welcher noch versuchte ihre Erinnerungen anzuzapfen. Ebenfalls funktionierte das nicht.
„Ihr habt es nicht verdient!“ mit diesem Kampfruf schwang sie ihre Äxte und ließ sie nur um Haaresbreite an Edward Junior vorbei jagen!
Vater hatte jetzt genug gesehen und donnerte mit lauter Stimme drauf los! Doch das interessierte sie nicht, sie ging zu einem neuen Angriff über.
„Jetzt reicht es mir!“ hörte ich ihn noch und schon holte er mit der Faust weit aus und schlug ihr ins Gesicht.
Es mag sich seltsam anhören, aber für einen kurzen Moment war ich wütend auf ihn, weil er meine Frau schlug. Aber er hatte Recht, anders würden wir sie nicht zur Besinnung bringen können.
Ich selber übernahm die Kinder, redete beruhigend auf sie ein, während ihr Großvater sich mit ihrer Mutter begann zu prügeln.
Ebenfalls klingt es merkwürdig, wenn ich jetzt sage, dass es recht faszinierend war den beiden zuzusehen.
„Was denkst du eigentlich, was du hier tust. Auch mich wirst du nicht einfach so besiegen. Na los, tragen wir es endlich aus!“ rief mein Vater erneut und begann sie mit dem Schwert zu attackieren!
Diese Körperbeherrschung von ihm war mir noch gut in Erinnerung von unserem damaligem Training. Leichtfüßig tänzelte er provozierend um sie herum, stach hier zu, setzte zu einem Hieb an und schlug dann mit der versteckten Klinge zu.
Alex hatte es mit einem Male nicht mehr so leicht und langsam sah man, dass ihr Verstand wieder die Oberhand gewann. Aber eben nur sehr sehr langsam in winzigen Schritten.
„Das ist alles, was du drauf hast? Das ist lächerlich, Alex. Komm schon! Du kannst mehr, erinnere dich an dein Mantra! Was hast du auf der Jackdaw gehört?“
Blocken, parieren, Fußarbeit, Balance, aufpassen, vorausschauen. Sie wiederholte diese Worte, Worte welche auch mir im Gedächtnis geblieben waren!
„Wo lebst du, Alex?“ seine Stimme wurde fordernder. „ALEX! WO LEBST DU?“ brüllte er meine Frau plötzlich an. Gleichzeitig gab er ihr noch einmal eine gehörige Ohrfeige nach welcher Alex sich die Wange völlig erstaunt hielt.
„Das weiß ich nicht, ich bin nirgendwo zuhause! Ihr verarscht mich doch alle nur! Ich will nach Hause!“ schrie sie! Ihr Blick wanderte zu dem Armreif und dann sah ich diese Erkenntnis in ihren Augen! Sie wollte ein Portal in ihre Zeit öffnen!
Kapitel 43
~~~ Chaos im Kopf ~~~
„Mamaaaaaaaaaaa! Ich hab dich doch lieb! Mamaaaaa! Bleib hier!“ Edward ließ sich nicht festhalten und klammerte sich wimmernd an Alex´ Bein!
Wieder flackerte ein immenser Hass in ihren Augen auf und ihr Blick glitt zu mir. Man pflanzte ihr immer wieder mein Bild in den Kopf und erklärte mich zum Erzfeind, gleichgesetzt mit den Kindern.
„Geh weg!“ mit diesen Worten schubste sie ihn von sich. Mir zerbrach das Herz bei dieser Aktion und mein Hass auf Alex stieg blitzschnell in die Höhe.
Na, willst du auch eine kleine Portion von dem spüren, was deine Frau gerade durchmacht? Höhnte dieser Gott plötzlich in meinem Kopf.
Um Gottes Willen, meine Konzentration war zusammengebrochen, weil ich meinen Fokus auf meine Familie gelegt hatte!
Die Mauer! Ich sah, wie sie sich wieder aufbaute und dann klang dieses unangenehme Gefühl von besessen sein prompt auch ab.
Edward ließ nicht locker und bettelte weiter, dass sie bleiben sollte! Sie solle hier bleiben.
Hartnäckig wie er war, zerrte er sie so auf die Knie, schlang seine Arme um ihren Hals, obwohl sie steif auf dem Boden hockte.
Ich bin dein lille skat, Mama! Hast du das vergessen? Flüsterte seine Stimme auch in meinem Kopf und es trieb mir die Tränen in die Augen.
Jetzt war es an mir, sie wieder in das Hier und Jetzt zu führen!
„Mi sol, bitte! Wach auf! Denk an unsere Kinder Edward und Florence, erinnere dich an Faith, deine Schwester und an unsere Hochzeit! Bitte! Oh Gott, ich liebe dich doch!“ auch ich kniete jetzt mit ihr dort und hatte meine Hände auf ihren Wangen. Aber ihre Augen waren immer noch nicht wieder klar, sie starrten durch mich hindurch.
„Alex, muss ich ernsthaft andere Seiten aufziehen, dass du wieder zu uns kommst, hmmmmmm?“ bei diesen Worten meines Vaters klärte sich ihr Blick etwas und sie grinste breit in seine Richtung.
„Ja, musst du wohl! Du bist ein Idiot, aber das weißt du ja!“ Ihre lose Zunge hatte sie also nie ad Akta gelegt wie es schien. Aber es war gut sie so reden zu hören.
Mein Kind, wir haben ihn vertrieben. Du musst wieder zurück kommen! Odin klang sichtlich erschöpft und erst jetzt realisierte ICH, dass ich mich daran gar nicht beteiligt hatte.
Das war auch nicht nötig, es war wichtig, dass sie deine Nähe spürt, deine Stimme hört. Und jetzt war es, als würde meine Frau in sich zusammenfallen. Ohne ein weiteres Wort lag sie auf dem kalten Boden.
Wir brachten sie hinauf in unser Schlafzimmer und erst jetzt wurde mir klar, dass es schon taghell war. Wir hatten die ganze Nacht so verbracht? Es kam mir gar nicht so lange vor. Aber da wären wir wieder bei der Zeitrechnung der verschiedenen Welten, wenn Götter anwesend waren. Ich würde es nie richtig verstehen können.
Sybill und Sophia kümmerte sich um unsere Kinder, welche sich langsam beruhigten, nachdem ich versicherte, dass es ihrer Mutter bald wieder besser gehen würde.
„Vater, aber das ist doch nicht wahr, oder? Mama hat mich doch lieb! Das hat sie immer gesagt.“ dabei kullerten Tränen über seinen Wangen.
„Sie wird dich immer lieb haben, mein Sohn. Das was du heute gesehen hast, war der böse Kapitän der sie all diese Dinge hat sagen und tun lassen! Hab keine Angst mehr!“ ich wischte ihm über die Wange und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ich hab dich lieb, Vater!“ seine Lippen berührten meine Wange und es war, als würde auch ich wieder ruhiger werden. Lächelnd sah ich ihnen hinterher und ging dann wieder zu Alex.
„Wir werden euch in nächster Zeit weiter schulen um solche Angriffe besser zu überstehen. Ihr erhaltet ALLE ein Training. In Philadelphia erwarte ich euch in ein paar Wochen, wenn es Alex besser geht.“ der Allvater war sichtlich ausgelaugt und zog sich ohne weitere Worte zurück.
„Ihr habt eine Menge an Illusionen letzte Nacht zu sehen bekommen.“ seufzte Tyr neben mir, als er sich auf der Galerie umsah. Die Messer? Das waren wirklich nur Trugbilder! Dann hatte ich mir das wirklich nicht eingebildet, als sie nirgends zu finden waren.
„Auch die gehörten zu seinem Plan. Fast hätte er auch noch Alex mitgenommen. Wir können von Glück reden, dass er noch etwas geschwächt war und hier nicht in seinem Element auf See und seinem Schiff agierte!“
Also mussten wir weiterhin aufpassen, gerade auch wenn wir mit der Jackdaw mal wieder unterwegs waren.
„So sieht es aus, Haytham!“ Vater stand neben mir am Bett von Alex. „Diese Frau ist unfassbar anstrengend, aber wem sage ich das.“ lachte er und klopfte mir auf die Schulter.
Plötzlich regte sie sich und drehte sich leicht hin und her.
Ich… fühle mich nicht gut. Wo sind meine Waffen? Hat mir mein Bruder sie schon wieder weggenommen um mich zu ärgern? Wenn ich Ragnall in die Finger bekomme, dann Gnade ihm Odin! Hörten wir sie in unseren Köpfen reden. Alex versuchte zurück zukommen. Schaffte es aber immer noch nicht ganz sich von den Illusionen zu lösen!
Mit einem Male schien sie von innen zu leuchten und ich hörte eine warme Frauenstimme mit ihr sprechen.
Hab keine Angst, ich bringe dich nach Hause. Das ist meine Aufgabe!
Alex öffnete vorsichtig die Augen, blinzelte jedoch, weil es zu hell für sie war.
Ruckartig schnellte sie hoch, wankte wieder erschreckend hin und her und wir schafften es gerade noch rechtzeitig, ihr den Nachttopf hinzu halten ehe sie sich auf den Teppich erbrach!
Ich machte ein Tuch in der Waschschüssel nass und strich ihr damit über das Gesicht. Sie lehnte blass und erschöpft am Kopfende in den Kissen.
Wieder schlug sie die Augen auf, aber immer noch waren sie wie vernebelt und sahen mich fragend an.
„Mi sol, du bist wieder da!“ erleichtert ergriff ich ihre Hand.
Gleichzeitig sah ich in ihren Gedanken, dass sie eine Verbindung versuchte herzustellen. Sie assoziierte mich mit meinem britischen Akzent, der sie allem Anschein nach nervte. Oder vielleicht war es auch meine Person.
„Och nein, nicht du schon wieder!“ entschuldigt, aber ein leises Glucksen konnte ich mir leider nicht verkneifen. Diese Worte klangen so surreal und seltsam.
„Ja, ich schon wieder und ich habe dich gewarnt. Es gibt kein Entkommen, wenn wir erst einmal verheiratet sind, mi sol.“ antwortete ich jetzt leise und küsste ihre Stirn.
Und dann war es, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst.
Wieder schreckte sie hoch, sah sich erschrocken um, tastete an sich herunter, besah sich unser Schlafzimmer… alle Sinne schienen gleichzeitig wieder erwacht zu sein. Mich erschreckte sie in diesem Moment nicht minder, muss ich gestehen!
„Was habe ich getan? Ich … wollte das nicht!“ ihr Blick glitt von einem zum anderen. Mittlerweile war auch unser Sohn wieder hier und krabbelte aufs Bett zu seiner Mutter.
„Es tut mir leid…“ ihre Worte waren kaum zu hören, so unangenehm waren sie ihr. Ihr schlechtes Gewissen, welches sie zurecht leider haben musste, trieb ihr die Röte in die Wangen.
„Mach das nicht mehr! Ich… Angst… ich will auch artig sein. Nicht mehr böse sein. Tante Fais ist auch wieder lieb!“ Die Einsicht, dass Alex ihr eigen Fleisch und Blut bedroht und weggestoßen hatte, zeichnete sich jetzt überdeutlich in ihrem besorgten Gesicht ab.
„Es tut mir leid! Es tut mir so leid! Vergib mir!“ immer wieder sprach sie diese Worte und drückte Edward dabei an sich.
Wie lange wir hier alle versammelt dastanden, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Unsere Bediensteten waren sichtlich überfordert, genauso wie die Wachen, die zusätzlich noch völlig erschöpft waren. Sie alle bekamen von mir die Anweisung, sich auszuruhen und wir sähen morgen weiter. Einen Tag konnten wir auch einmal auf uns gestellt bleiben, dachte ich im Stillen. Dieser Vorschlag wurde dankend angenommen.
Florence lag auf meinen Armen und gähnte herzhaft. Ihr Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln und ließ mich meine Liebe zu ihr um so deutlicher spüren. Dieser kleine Augenblick tat meiner Seele gut.
Der Allvater hatte kurz vorher noch erwähnt, dass wir allen Anwesenden entsprechend alternative Bilder oder Geschichten einpflanzen sollten beizeiten. Das würden wir später dann machen.
„Haytham, es tut mir leid! Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich habe doch diese Wand geschaffen und auf einmal…“ mit zitternden Lippen und Tränen in den Augen brach sie ab und sah zu mir auf.
„Es ging nicht, weil man dich mit einem Giftpfeil außer Gefecht gesetzt hatte, Alex. Wir konnten nur zusehen und versuchen das schlimmste zu verhindern. Aber wir waren nicht alleine!“ vorsichtig beugte ich mich zu ihr hinunter und strich ihr beruhigend über die Wange.
„Aber es fühlte sich wieder für einen Moment so an, mi amor. Dieser Hrymr ist unberechenbar, Avdeyev ist unberechenbar! Wir müssen ihn aufhalten!“ das war aber kein leichtes Unterfangen und bedarf einer sorgfältigen Planung, welche vorerst noch nach hinten geschoben werden musste. Zuerst galt es, sie wieder auf die Beine zu bringen.
Erinnerungen tauchten in ihrem Kopf auf! Der Empfang bei den Pritchards, die Entführung …
Doch plötzlich wurde sie still und atmete völlig ruhig durch.
Eine goldschimmernde Frau stand an ihrer Seite und sprach mit ihr. Doch die Worte kamen aus einer ganz anderen Richtung! Sie kamen von meiner Tochter auf dem Arm! Entgeistert starrte ich sie an und lauschte ihnen.
„Es gibt diese Einflüsse, welche man einfach nicht steuern kann. Es ist kein Schiff, welches du entsprechend eines Kurses führen kannst. Lerne diese Momente zu erkennen, lerne dass du nicht alleine bist und dass es Hilfe gibt! Nur darfst du dich nicht ganz blind darauf verlassen, es mag auch Augenblicke geben, in denen wir nicht eingreifen können. Aber ich werde an deiner Seite sein, an der Seite meiner Mutter, meines Vaters und meines Bruders.“
Alex und ich sahen uns fragend an. WER hatte zu uns gesprochen, dass es vermutlich die Patin unserer Tochter sein könnte, war uns bewusst. Doch wer war sie?
„Kannst du es dir nicht denken? Wir reisen an der Seite eines jeden und bringen ihn nach Hause. Wir sind viele und beschützen die, die uns wohlgesonnen sind. Ich habe die Menschen vor Hafnir bewahrt! Mein Name ist dir sicher bekannt, Kind.“ diese vollmundig klingende Stimme fühlte sich wie Balsam an und ich kam ins Grübeln.
Meine Frau kam mir jedoch zuvor und klärte mich in Gedanken auf.
Hafnir! Der Drache, welcher von Brünhild der mutigen Walküre mit dem Schwert zur Strecke gebracht wurde!
Brünhild war eine der Walküre und würde also demnach die Patin unserer Tochter werden.
Meine Tochter hatte eine kampferprobte Frau an ihrer Seite! Auf eine absurde Art beruhigte mich
das plötzlich!
Kurz darauf begannen wir mit den Göttern gemeinsam allen Beteiligten und Zeugen neue Bilder einzupflanzen. Bilder von marodierenden Plünderern und einem Überfall! Man könnte fast meinen, wir schrieben einen Abenteuerroman, so hanebüchen waren die Beschreibungen!
Nachdem wir Edward noch einmal beruhigt hatte, indem wir ihm erklärten, dass dieser böse Kapitän bald Geschichte sei, konnten wir alle etwas zur Ruhe kommen. Auch ich spürte eine tiefe Erschöpfung.
Ich lauschte einem Gespräch zwischen meiner Frau, meinem Vater und Odin.
Du kannst es fühlen, mein Kind. Jetzt ruh dich aus und ich werde dir in den nächsten Tagen beibringen, wie du diesen Unterschied erkennen kannst. Odin war ebenfalls sehr müde, seine Stimme war entsprechend „ausgepowert“. Vermutlich hatten er und die anderen einiges an Kraft aufbringen müssen, um Hrymr von uns fernzuhalten. Er war auch nicht wirklich körperlich anwesend gewesen vorhin, weil sein Schiff sicherlich für Aufsehen gesorgt hätte. Avdeyev war wie ein Geist in unser Haus geschlichen und hatte gewartet, bis er zuschlagen konnte.
Warum ermüdet dieser Hrymr uns alle so? Was ist anders an ihm, als an Ymir oder Egil oder den anderen? Wollte ich wissen.
Er ist von Natur aus mächtig und hat viele Schlachten begangen und auch gewonnen. Seine Waffen geben ihm Kraft und Durchhaltevermögen. Sein Schiff erlaubt es ihm, sich immer wieder zu regenerieren, sie ist sein Lebenselixier! Seine Naglfar! Sie gab ihm diese Zuversicht, die mir auch meine Jackdaw gab.
Oh ja, ich liebe meine Brig. Ich habe sie mir hart erkämpft und ich würde sie auch nicht kampflos aufgeben. Hörte ich die leicht belustigte Stimme von Edward Senior und ich sah ihn wieder vor mir, wie er am Ruder seiner Jackdaw stand, mit der Sonne im Gesicht und diesem seligen und völlig befreiten Ausdruck im Gesicht.
Ein Anblick der mich an seinen Enkel erinnerte, wenn er seine Hündin ansah oder wenn er sein Pferd an der Loge führte. Jeder Kenway schien eine gewisse Liebe zu entwickeln und ich war gespannt, welche es bei Florence sein würde.
Bis zum Nachmittag gönnten wir uns diese Ruhe und ich schlief neben meiner Frau ein, welche jedoch immer unruhiger wurde und begann zu schwitzen.
Ich bat Dr. Ambrosch in einer Nachricht hierher zu kommen.
Mittlerweile war meine Frau nicht ansprechbar, es war wieder eine Art Ohnmacht hervorgerufen von diesem Gift.
Der Arzt verband die Wunde nachdem er sie gründlich gereinigt hatte und übergab mir ein Fläschchen mit einer undefinierbaren Flüssigkeit darin. Sie stank förmlich zum Himmel.
„Eure Gattin soll davon alle 2 Stunden einen kleinen Löffel zu sich nehmen. Am besten mit einem Getränk ihrer Wahl.“ erklärte er, als wir hinunter gingen.
„Ich danke euch, Dr. Ambrosch.“ verabschiedete ich ihn an der Tür und ging in die Küche zu Miss Tabea.
„Diese Tinktur soll meine Frau regelmäßig zu sich nehmen, sorgt bitte dafür, dass daran gedacht wird.“ eigentlich war es nicht meine Intention so harsch zu klingen, aber ich machte mir Sorgen um ihre Gesundheit!
„Natürlich, Master Kenway.“ knickste die neue Haushälterin und gab entsprechend die Anweisungen bereits weiter.
Noch immer war ich etwas durch den Wind und suchte Ablenkung in meiner Arbeit. Mein Studierzimmer war genau der richtige Ort dafür und ich besah mir die liegen gebliebene Korrespondenz genauer.
Bittsteller für den Gouverneur, ein Brief eines Logenmitglieds war auch darunter, wo man mich um die Teilnahme an einer großen Versammlung bat im nächsten Jahr und so weiter. Einiges beantwortete ich und übergab 2 Stunden später einem Boten die Nachrichten.
Wusste Alex eigentlich von meiner Zugehörigkeit der Freimaurer? Sie hatte irgendwann einmal die Symbolik auf meinem Cape angesprochen, aber ist nie tiefer darauf eingegangen, ebenso war es mir nicht wichtig erschienen. Ich würde es außerdem gerne sehen, wenn auch mein Sohn in diese Fußstapfen tritt.
Mein Sohn!
Da war dieser kleine Stich in meinem Herzen und ich spürte tief in mir, dass ich ZWEI Söhne hatte. Ich hoffte, den älteren in nächster Zukunft kennenlernen zu können und um vielleicht ein paar Missverständnisse aus dem Weg räumen zu können.
Mit diesen Gedanken legte ich mich noch für einen Moment auf das vor dem Kamin stehende Sofa, ehe ich wieder hinauf zu meiner Frau ging.
Plötzlich rüttelte jemand an meiner Schulter.
„Master Kenway! Geht es euch nicht gut?“ Das war Michael!
Ich fuhr hellwach hoch, aus Angst, dass wieder etwas passiert war.
„Mir geht es gut, ich bin nur eingenickt. Was ist … ist alles in Ordnung?“ hakte ich nach und strich mir über das Gesicht um den Schlaf loszuwerden.
„Nichts ist passiert, keine Sorge. Ich war nur auf der Suche nach euch. Es ist schon früher Morgen und ich dachte, ihr könntet eine Rasur und frische Kleidung präferieren, Sir.“ verlegen stand er an meiner Seite und wusste nicht wohin mit sich.
„Verzeiht, ich muss einen schrecklichen Anblick bieten. Wir sollten für ein angemessenes Erscheinungsbild sorgen, ihr habt Recht, Michael.“ mit steifen Knochen erhob ich mich und begab mich hinauf in unser Schlafzimmer und von dort ins Ankleidezimmer.
Nachdem ich wieder wie ein Mensch aussah und saubere Sachen trug, beschloss ich meine Frau zu wecken.
„Vater, geht es Mutter jetzt besser?“ erschrocken drehte ich mich um, als Edward plötzlich in der Tür stand.
„Ich wollte gerade nach ihr sehen, mein Sohn. Ich hole dich, wenn sie wach ist, ja?“ natürlich wäre er lieber gleich mitgekommen, aber ich wollte meine Frau für einen Moment für mich alleine haben. Einfach nur um mit ihr die Ereignisse besprechen zu können, wenn es ihr denn gut ginge.
Zurück im Schlafzimmer fand ich eine schlafende Gattin vor mit völlig entspannten Gesichtszügen. Ich fühlte mich an den Moment erinnert, als sie neben mir im Fort George in meinem Bett schlief, ungewollt wohlgemerkt. Lächelnd betrachtete ich sie noch einen Moment, ehe ich sie leise weckte.
Meine Worte brachten ein genervtes Stöhnen ihrerseits hervor, ehe sie realisierte, dass ich es bin und nicht der von ihr gehasste Templer - Irgendwie lässt sich das nie wirklich richtig beschreiben, geht es mir gerade durch den Kopf - Sei es drum.
„Wie spät ist es?“ fragte sie mit rauer Stimme leise.
„Es ist 7 in der Früh, Alex. Du hast jetzt fast 18 Stunden geschlafen. Aber wenn du noch länger brauchst…“ sie sollte sich nicht unter Druck setzen sondern erholen.
„Nein… nein. Du brauchst ja auch deinen Schlaf. Du hast doch auch genug mitgemacht und… Haytham, ich fühle mich schuldig! Ich habe euch alle wieder in Gefahr gebracht! Ich kann euch nicht schützen!“ Warum in Teufels nahmen erwachte sie und hatte sofort solche Gedanken? Wie machte sie das?
„Alex, hör mir zu! Ich kann dir versichern, dass wir immer wieder einen Weg finden, der uns von dem Bösen loslöst! Aber es ist wichtig, dass ich und auch du daran arbeiten Fiktion von Realität zu unterscheiden. Ich habe es gestern auch erlebt und war kurz davor dich umzubringen! Es war einfach grauenhaft, aber ich fühlte es, es war in dem Moment richtig! Du hast es ebenso bei mir und Edward gespürt. Elias hat mich schon instruiert und wir werden in den nächsten Wochen nach Philadelphia reisen um mit ihm zu trainieren. Wir werden ALLE nicht mehr drum herum kommen.“ dabei strich ich ihr sanft über die Wangen um sie zu beruhigen.
„Unsere Tochter hat Brünhild inne, wusstest du das? Sie hat mich… hier wieder hergebracht. Und ich bin ihr unendlich dankbar dafür.“ Tränen liefen ihr dabei über die Wangen und ich spürte ihr inneres Chaos. Es würde noch Tage dauern, bis alles geordnet war.
„Ich liebe dich und ich bin und bleibe hier! Da kann auch dieser verfickte Hrymr kommen, der wird mich nicht mehr davon abbringen!“ Diese Worte kamen überraschend und ihre lose Zunge wurde mir wieder vor Augen geführt!
Dieser kleine Zusatz, sie bliebe und liebe mich, ließ mich darüber hinweg sehen!
Unser Sohn hatte eine ziemlich ungeduldige Ader, wie seine Mutter und stand jetzt klopfend vor der Tür und bat um Einlass.
„Ja, komm rein min lille skat.“ sagte Alex und mit Schwung flog unsere Zimmertür auf. Ein wuscheliger Sohn mit seiner Hündin rannte auf uns zu und aufs Bett.
Mit einem „NEIN!“ blieb Walka aber brav auf dem Teppich vor unserem Bett sitzen. Edward hingegen war seine Erleichterung, dass es seiner Mutter gut ging, ins Gesicht geschrieben.
Kurz danach erschien Sophia mit Florence auf dem Arm.
„Miss Florence ist bereits gewickelt, Mistress Kenway. Die Milch lasse ich schon mal warm machen.“ mit einem Knicks ging das Kindermädchen wieder hinaus und hinein kam eine Mrs. Wallace, welche mit einem bösen Blick auf ihren Schützling sah.
„Master Edward, hatte ich euch nicht gesagt, zu warten, bis ich euch angekleidet habe.“ bei diesen mahnenden Worten sah unser Sohn ertappt zu ihr hinüber.
„Ja, Mrs. Wallace.“ nuschelte er leise und kroch vom Bett. Beide gingen in sein Zimmer.
„Sie hat ihn wirklich gut unter Kontrolle. Auch wenn er immer wieder versucht ihr zu entwischen.“ ein leises Lachen konnte ich mir nicht verkneifen, während ich meiner Tochter über den blonden Flaum strich.
„Gib es zu, du hast das bestimmt auch damals versucht, mi amor. Du kannst nicht immer der brave kleine Junge gewesen sein.“ ihr breites Grinsen veranlasste mich ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern.
„Nein, war ich nicht. Aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, ich konnte Edith immer um den Finger wickeln. Sie hat selten meinem Vater…“ doch eine tiefsitzende Angst vor Strafe von meinem eigenen Vater ließ mich innehalten.
So so, mein Sohn. So ist das also gewesen! Muss ich vielleicht noch im Nachhinein etwas wissen? Mit einem gespielt strengen Ausdruck im Gesicht sah er mich an, als er am Fußende des Bettes auftauchte.
„Nein, Vater. Ich denke, da gibt es nichts.“ Mein Blick blieb auf die Bettdecke geheftet!
Haytham, glaubst du, ich weiß davon nichts? Auch wenn ich nicht immer etwas gesagt habe, oder deine Mutter. Wir wussten mehr als dir lieb ist. Sein leises Lachen entspannte mich und ich sah zu ihm auf.
„Hoffentlich werde ich das so auch später bei meinen Kindern können.“ grinste ich und stand auf. „Ich vermisse dich, Vater.“ Warum ich das sagte in diesem Moment, weiß ich nicht. Es war mir wichtig! Seine Arme schlossen sich um mich und ich fühlte mich geborgen und auch etwas verletzlich, weil die Erinnerungen an meine frühe Kindheit wieder aufkeimten.
Ich dich auch, mein Sohn. Hörte ich ihn leise sagen, dann ein energisches Räuspern! Aber wenn ich schon mal da bin, ich will meine Enkelin endlich auch mal auf dem Arm halten. Nach dieser Nacht habe ich mir das verdient!
Und im Nu lag Florence in seinen Armen. Sie sah mit großen Augen zu ihm auf. Du bist wirklich eine hübsche junge Dame, Florence. Deine Augen hast du von deiner Mutter, weißt du das? Dieses Grün würde ich immer wieder erkennen. Diesen Blick den er meiner Frau jetzt zuwarf, schürte mal wieder eine leichte Eifersucht in mir, doch ich ließ sie mir nicht anmerken. Die beiden hatten ihre Moment gehabt und jetzt war es UNSERE Zeit.
Dann hieß es packen und was soll ich sagen? Meine Frau hatte noch während sie das Bett hütete Pläne geschmiedet was alles für die Reise in welcher Menge benötigt wurde. Im Kopf hatte sie vermutlich schon all unsere Reisetruhen fertig gepackt.
„Mi amor, du weißt, dass ich gerne auf Nummer sicher gehe. Ich brauche eben diese Pläne zu meiner eigenen Beruhigung.“ lächelte sie mich an, während sie meine Habseligkeiten sorgfältig begann in meiner Truhe zu verstauen.
„Dann werde ich mich um die Pferde und die Kutsche kümmern. Ich gehe davon aus, dass du meine Hilfe nicht benötigst.“ Alex würde meine Hilfe auch gar nicht annehmen, das wusste ich aus Erfahrung.
Mackenzie und ich besprachen das Gespann für die Kutsche und ich ordnete noch an, dass Brida und Fenrir beide ebenfalls mit uns kamen. Ich wollte, genau wie Alex, unnötige Überraschungen vermeiden, sollten wir kurzfristig umdisponieren müssen.
Der Weg nach Philadelphia würde ungefähr 9 Tage dauern und ich hoffte, ohne große Verzögerungen heile dort anzukommen.
Der Allvater hatte uns eine Art Wegbeschreibung zukommen gelassen, im Geiste versteht sich. So war es ein leichtes sein Anwesen schnell ausfindig machen zu können.
Für einen kurzen Moment hatte ich wieder ein etwas seltsames Gefühl von Ehrfurcht, wenn ich daran dachte bei ihm Gast sein zu dürfen.
Ein paar Tage später brachen wir dann endlich auf und ich sah schon an Alex´ Gesichtsausdruck, dass sie leicht gereizt war.
„Florence bekommt gerade jetzt Zähne! Hätte sie nicht noch warten können, bis wir wieder daheim sind.“ seufzte sie und packte noch ein paar Fläschchen der Tinktur meiner Schwester ein.
Die Reise war nicht beschwerlich, aber die Tavernen und Gasthäuser entlang der Straße waren einfach ein Graus. Undefinierbares Essen auf den Tellern, was unseren Sohn veranlasste nichts zu sich zu nehmen, genau wie wir auch. Teilweise waren die Betten völlig verwanzt oder so dreckig, dass wir einige Male auf dem Boden schliefen.
Je näher wir unserem Ziel kamen um so sehr mehr freute ich mich auf den Komfort eines weichen Bettes und einer guten Mahlzeit.
Unser Sohn war nach zwei Tagen mehr als genervt von seiner kleinen Schwester und tat dies auch lautstark kund, als sie weinte.
„Edward, deine kleine Schwester hat Schmerzen. Und weil sie noch nicht sprechen kann, macht sie sich so bemerkbar. Meinst du, du warst anders? Du hast uns einige schlaflose Nächte damals beschert, min lille skat.“ erklärte meine Frau ihm die Situation.
„Dauert das lange, Mama?“ mit Blick in den aufgerissenen Mund seiner Schwester kam diese Frage, als wäre er ein Arzt.
„Ein paar Monate sicherlich. Und jetzt lass sie etwas zur Ruhe kommen, setz dich neben mich. Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“ Sie hegte die Hoffnung, dass ihn das ablenken würde.
Sie begann eine Geschichte zu erzählen, in der es um ein kleines Mädchen namens Rotkäppchen und einem bösen Wolf ging.
Wenn man mich fragt, eine haarsträubende Geschichte! Aber als sie an die Stelle zum Schluss kam, wo der Wolf den Bauch mit Wackersteinen befüllt bekam und in den Brunnen gestoßen wurde, begann Edward zu weinen!
„Das ist gemein…“ schniefte er und sah auf Walka hinunter, die in der Kutsche gerade zu unseren Füßen lag und schlummerte.
Um bei dieser Geschichte zu bleiben, versuchte ich ihm eine Art Lehre oder Moral daraus begreiflich zu machen. Böses wurde bestraft und gutes wurde belohnt. Ein einfaches Prinzip, wonach es sich recht gut leben ließe.
„Der Jäger kann doch mit dem Wolf reden und ihm das sagen, oder nicht, Vater?“ auch unser Sohn hatte diese oft pragmatische Denkweise, welche sicherlich nicht verkehrt ist, aber es ist schwer, dann weiter zu argumentieren. Auch wenn er für sein Alter schon sehr weit war, verstand er noch nicht alles. Es würde sicherlich noch etwas dauern.
Ein kleineres Unwetter ließ uns eine Zwangspause einlegen, die geschlagene 2 Tage andauerte.
Wenigstens war unsere Unterkunft in dem Moment recht angenehm, auch das Essen war köstlich.
Ich ließ eine großzügige Geldbörse für die Verpflegung bei den Herbergsleuten als Dank und wir würden sie sicher weiterempfehlen. Vor allem sollten sich die anderen Häuser an ihnen ein Beispiel nehmen.
Wir waren etwas über 4 Stunden wieder unterwegs, als vor uns die Zivilisation langsam begann. Die Straße verdiente wieder ihren Namen, hier und da standen die ersten kleinen Bauten.
Philadelphia breitete sich nach und nach vor uns aus.
Auf den Gehwegen herrschte reges Treiben und die Menschen hier schienen guter Dinge zu sein, was vermutlich auch dem besseren Wetter geschuldet war.
Eine weitere Biegung später fuhren wir auf das Anwesen des Dukes of Ironside zu und in mir schlich sich dieses ehrfürchtige Gefühl, dass wir im Grunde beim Allvater zu Gast sein werden.
Kaum das unsere Kutschen standen, half man den Damen hinaus, das Gepäck wurde ins Haus gebracht und die Angestellten wurde entsprechend für die neuen Räumlichkeiten eingewiesen. Ein perfekt abgestimmter kleiner Ameisenhaufen, ging es mir durch den Kopf.
Gemeinsam mit den Kindern brachte man uns zu unserem Gastgeber in den Salon. „Ahhhh, ich freue mich, dass ihr endlich einmal hier seid, Mistress Kenway, Master Kenway.“ Elias verbeugte sich tief vor mir und Alex bekam den obligatorischen Handkuss.
Seine Gattin zögerte kurz, ehe sie leise fragte, ob sie Florence einmal auf den Arm nehmen dürfte. Unsere Tochter sah sich die ganze Zeit mit großen Augen um und als ihr Blick auf die Duchesse fiel, trat ein kleines Lächeln in ihr Gesicht.
„Du bist eine hübsche junge Lady, Florence. Aus dir wird einmal eine große Anführerin, weißt du das?“ flüsterte sie unserer Tochter zu. Fragend sahen Alex und ich sie an. „Ihr wisst doch, dass wir ihr Brünhild zur Seite gestellt haben, oder? Sie wird also zu einer Walküre erzogen und ausgebildet, natürlich nur im übertragenen Sinne.“ erklärte uns Frigg.
„Soweit hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht. Wir planen ja gerade mal ihre Taufe und die Weihe.“ ein etwas irritiertes Lachen meiner Frau zeigte mir, dass sie mit dieser Neuigkeit noch nicht zurecht kam.
„Wann soll Miss Florence in die Sippe aufgenommen werden?“ fragte Elias und sah dabei lächelnd zu Edward, welcher sich an seine Seite gesellte.
„Vor Weihnachten soll die Taufe stattfinden und ich würde das Julfest in Betracht ziehen. Das hatten wir ja auch schon erzählt. Ich denke, das wäre eine schöne Zeit für die Weihe.“ Alex hatte sich darüber tatsächlich schon Gedanken gemacht, wir waren nur noch nicht ganz übereingekommen. Doch das hätte noch etwas Zeit.
Lächelnd stand Edward neben dem Duke und es schien, als höre er ihm bei etwas zu. Dann sah ich dieses Leuchten in seinen Augen und wir wussten alle, es fand eines dieser wichtigen kleinen Zwiegespräche statt.
Nach ein paar Tagen eingewöhnen, begann unser Training endlich. Ich muss ehrlich gestehen ich war neugierig und gespannt darauf.
Florence blieb solange in der Obhut ihres Kindermädchens und Alex, Edward und ich folgten Elias in den Freizeitraum.
Zu meinem Erstaunen erwartete man uns dort schon. Mein Vater war in seiner Gestalt als Heimdall anwesend und neben ihn trat Edwards Pate, Thor.
„Ihr müsst euren Geist verschließen, wie ich es jedem von euch schon beigebracht habe. Stellt euch eine massive Mauer vor, welche aus mehreren Schichten Steinen und Mörtel besteht!“ begann der Allvater ohne Umschweife und sah von einem zum anderen.
„Opaaaaaa… wollen wir…“ zu mehr kam er nicht, weil der angesprochene ihn gleich maßregelte.
„Nein, du wirst jetzt erst lernen, wie du niemanden in deinen Kopf lässt und wie du falsche Bilder erkennen kannst, Edward! Also konzentriere dich!“ diese Strenge in Vaters Stimme war mir nur zu gut bekannt.
„Ja, Großvater…“ kam es mit gesenktem traurigem Blick von meinem Sohn.
Eine Mauer errichten konnte ja nicht so schwer sein, möge man denken. Weit gefehlt!
Kaum dass ich begonnen hatte meine Gedanken zu verschließen, hörte ich neben mir ein lautes Fluchen mit gleichzeitigem Aufstampfen meiner Frau! Ich werde die Worte nicht wiedergeben, sie waren mehr als unflätig, außerdem kannte ich diese Begrifflichkeiten nicht einmal.
Noch einmal von vorne und ich ließ mich auf meine Gedanken ein, sortierte alles sorgfältig und schloss sprichwörtlich die Türen.
Wären da Mauern noch von Nöten?
„Ach sie an, da ist bist du ja.“ höhnte eine weibliche Stimme hinter mir, welche mir mehr als vertraut war. „Wie ich euch Templer doch hasse. Ihr reißt alles an euch, am liebsten hättet ihr die Weltherrschaft und würdet die Menschheit gerne unter eure Kandare nehmen. Das ist Sklaverei!“ die Wut in ihr stieg an und langsam schritt sie auf mich zu.
„Erzähl weiter. Mir gefällt diese Märchenstunden gerade.“ höhnte ich und spürte in mir diesen Hass auf die Assassinen aufkeimen.
„Willst du mich eigentlich auf den Arm nehmen, du Wichtigtuer (dieses Wort könnt ihr gerne mit einem Schimpfwort tauschen)?“ in ihr brodelte es, was ich durchaus für einen Moment genoss, ehe ich selber fortfuhr.
Ihr Verrat an der Bruderschaft war für mich unentschuldbar! Dieses vorwitzige Weib hat sich in unsere Reihen geschlichen und mich um den Finger gewickelt. Damit ist jetzt ein für alle Mal Schluss!
Ich zückte mein Schwert und stürmte mit den Worten „Endlich haben wir mal Zeit alleine. Jetzt werde ich dir zeigen, was ich mit Verrätern und Lügnern mache.“ auf sie zu.
Als hätte man die Zeit verlangsamt formten sich Äxte in ihren Händen! Für einen Augenblick war ich irritiert von diesem Bild, vor allem von ihrem plötzlichen glücklichen Lächeln.
Mein Angriff schien sie kaum zu überraschen.
Mein Schwert traf ihre Arme immer wieder, meine versteckte Klinge versenkte ich in ihrem Unterarm. Diese Art der defensiven Haltung war neu für mich und feuerte meinen Hass und die Wut noch mehr an.
Je aggressiver ich vorging um so ruhiger wurde diese Frau.
Doch ich hatte mich getäuscht, noch war sie nicht am Ende!
Mit einem lauten Aufschrei stürmte sie auf mich zu und warf mich förmlich mit ihrem Gewicht um. Damit hatte ich nicht gerechnet, oder war ich zu unaufmerksam gewesen?
Mit Schwung warf ich sie von mir und sie landete unsanft auf dem harten Boden neben mir.
Ich rappelte mich auf und hörte mit einem Male leises Wimmern aus ihrer Richtung.
Mein Blick glitt hinüber, aber dort lag nicht Alex!
Es war mein kleiner Sohn! Gekrümmt vor Schmerzen weinte er und hielt sich den Arm, aus dem langsam Blut floss.
Panisch kniete ich mich zu ihm, wollte ihn trösten, mich entschuldigen!
„Du bist auch wirklich ein leichtes Opfer für uns! Dein wunder Punkt ist dir regelrecht auf die Stirn geschrieben. Du bist zu gutmütig!“ Jetzt war es wieder Alex´ Stimme die ich hörte, aber sie war nicht hier.
„Suchst du dein Weib? Diese Schrulle, die alles kann und weiß?“ lautes Lachen kam aus einer der
dunklen Ecken und mir lief eine Gänsehaut über den Rücken.
Nein, das war nicht meine Frau die da sprach, es war … jemand anderes. Ich zermarterte mir den Kopf, wer es war!
Und dann sah ich eine Tätowierung im Dunklen aufblitzen. Eine Sonne!
Das konnte doch nicht sein!
„Haytham, ach kommt schon. Wir sollten unseren kleinen Kampf jetzt austragen und dann sehen wir ja, wer an die Spitze der Menschheit gehört.“ dieser widerliche Tonfall von ihr war kaum zu ertragen.
Miss Murdoc war also doch nicht das, was sie vorgab.
Dann sollte ich wohl andere Geschütze auffahren und mich ihr entgegenstellen.
In voller Montur ging sie langsam in einen Lichtkegel auf diesem dunklen Korridor. Ihr Gesicht war nicht auszumachen, weil ihre Kapuze der Jacke Schatten warf.
Plötzlich kam mir ein merkwürdiger Gedanke.
Was sollte ich noch mal mit der Mauer machen?
Ich starrte diese Erscheinung in dem Licht vor mir an und überlegte, was ich eigentlich machen sollte.
Miss Murdoc übernahm das Ruder zu meiner Erleichterung.
„Och komm schon, zieh dein Schwert und zeig mir, was du drauf hast, du Templerschwein!“ das ließ ich mir nicht zweimal sagen und ging in die Offensive. Weg waren meine seltsamen Gedanken.
„Ihr sollte euch besser schützen, ansonsten werdet ihr hier nicht lange überleben!“ rief ich, als ich sie mit dem Schwert an der linken völlig ungeschützten Flanke traf.
„Aua, das tut weh.“ dieser seltsam anzügliche Tonfall irritierte mich erneut. „Nicht so doll, Haytham. Wir sollten uns erst etwas kennenlernen.“
Immer mehr hatte ich den Eindruck, dass sie lediglich mit mir spielen wollte. Aber nicht im Kampf!
Nein, dieses Weib sollte mir vom Leib bleiben und ich schlug immer wieder auf sie ein. Von Rücksichtnahme war nichts in mir zu spüren. Ich wollte sie endlich aus meinem Kopf haben, sie sollte mich nicht weiter stören.
„Ah dein schlechtes Gewissen. Nun gut, dann bring mich um.“ mit ausgebreiteten Armen und schwer atmend stand sie vor mir. Von ihren Handgelenken und der linken Seite tropfte Blut auf die Steine.
Plötzlich fühlte ich ein anderes Gewicht in meiner Hand und musste mit der anderen nachgreifen!
Es war ein Zweihänder!
Die Schneide glänzte in diesem Licht um uns und blendete mich für einen kurzen Augenblick.
Mir war in diesem Moment alles egal, ich holte in hohem Bogen aus und zielte auf ihren freiliegenden Hals. Wie eine Märtyrerin stand sie da. Wartend auf ihren Tod.
Ich traf!
Ihr Kopf fiel von ihren Schultern und rollte in die Schatten um uns herum. Der restliche Körper kippte zur Seite.
Ich kniete mich herunter, wie vorhin schon einmal, nur um sicher zugehen, dass …
„Haytham, was hast du getan?“ Vaters mahnende Stimme drang in mein Ohr und ließ mich entsetzt zurückweichen! „War es nicht genug für dich, dass ich mit einem Schwert in meiner Brust starb? Wolltest du auf Nummer sicher gehen?“ diese wütenden, zornigen Worte dröhnten in meinem Kopf und ich hielt die Hände an meine Schläfen.
„Vater, ich … das war ich nicht. Ich wollte …“ mir fehlten die richtigen Worte. Ich kauerte mich an der Wand zusammen und wiegte mich hin und her.
Was hatte ich getan?
„Oh, du kannst also doch Reue zeigen, jetzt ist es zu spät dafür.“ höhnte er und baute sich vor mir auf. „Steh auf, Haytham! Du weißt, welche Strafe dir jetzt blüht, oder?“ sein Gesicht war völlig entstellt, als ich ihn ansah.
DAS war nicht VATER!
Ich schüttelte mich um wieder etwas klarer denken zu können.
Die Mauer! Da war doch was. Wo war sie? Ich musste sie suchen, nicht wahr?
Als ich wieder hoch sah, war mein Vater verschwunden und ich stand mit einem Gefühl von völliger Einsamkeit da.
„Junge, das ist doch nicht dein Ernst, oder? Was habe ich dich gelehrt?“ Reginalds Stimme tauchte wie aus dem Nichts plötzlich in diesem Raum auf.
„Deine Gefühle werden irgendwann einmal dein Untergang sein. Reiß dich zusammen und blockiere alle Einflüsse von außen!“ schalt er mich und ich fühlte mich wie ein 12 jähriger Schüler.
Er hatte Recht!
Die Blockade! Es waren diese Steine die ich aufschichten musste, damit so etwas nicht noch einmal passiert.
Gefühlt stapelte ich einen auf, dann fielen zwei wieder hinunter. Meine Zorn wuchs, aber mit ihm auch die Mauer um mich herum!
Für den Bruchteil einer Sekunde hörte ich Alex, wie sie mich weinend anflehte sie nicht auszuschließen.
Das war nicht real!
Die Mauer!
Wir mussten uns dahinter verschanzen um sicher zu sein! Verstand sie das nicht?
Schwer atmend fühlte ich, wie alle äußere Einflüsse von mir abprallten. Meine Konzentration galt mir und meinem Gedanken! Ich war allein in diesem Moment und das war gut und vor allem richtig!
Erschöpft ließ ich mich auf den Boden sinken und atmete erleichtert aus.
Mein Geist klärte sich langsam und ich tauchte im Freizeitraum des Dukes wieder auf.
Es dauerte einen kleinen Moment, ehe ich realisierte, dass all das vorhin nicht real war. Mein Blick wanderte durch den Raum.
Ich sah Elias in seiner Gestalt als Odin neben Heimdall stehen. Thor war immer noch da und kniete neben unserem Sohn.
Panisch suchte ich nach Alex, sie war nicht hier!
„Sie wird gleich wieder hier sein, es war eine wahre Herausforderung für euch alle!“ dieses Lob aus Elias Mund tat mir gut und ließ mich diese Ereignisse etwas verdrängen.
„Vater, geht es dir wieder gut?“ fragte mich Edward leise, als er versonnen über den Kopf seiner Hündin strich.
„Die Frage ist, ob es DIR gut geht, mein Sohn.“ dieses schlechte Gewissen ließ sich nicht aus meiner Stimme verbannen und ich schluckte schwer.
„Es ist alles in Ordnung, Walka hat aufgepasst.“ flüsterte er verschwörerisch und grinste mich dabei an. Das beruhigte mich und mein Herz wurde wieder leichter.
Dann endlich nach einer gefühlten Ewigkeit sah ich meine Frau wieder hier erscheinen.
„Ja, es klappt! Ich kann es.“ sie jubelte bei diesen Worten und ihre Freude war ihr ins Gesicht geschrieben!
Mein Gott meldete sich leise und flüsterte ihr zu, dass es genauso auch sein sollte. Oder war ich es? Gerade war es schwer, alles zu differenzieren.
Diese nebligen Silhouetten kannten wir schon und ich staunte, dass es bei uns allem Anschein nach auch so aussah.
„Du hast es also geschafft, eine Barriere zu erschaffen, die wirklich mehr als standhalten würde. Aber hast du auch herausgefunden, wie du Reales von Einbildung unterscheiden kannst, mein Kind?“ fragend sah der Duke auf sie herunter und sie schüttelte den Kopf.
„Nein, nicht so wirklich. Ich habe wieder einfach meiner Wut freien Lauf gelassen.“ dieses Eingeständnis fiel ihr nicht leicht.
„Genau wie ich auch, mi sol. Es tut mir leid, aber ich hatte ebenso dieses böse Gefühl in mir.“ sprudelte es aus mir heraus. In ihren Augen blitzte aber der Funke Liebe auf, der mich beruhigte.
Auch Alex befragte unseren Sohn, was ER gesehen hatte.
Noch war ich nicht weiter darauf eingegangen, aber neugierig war ich ebenso.
„Min lille skat, was hast du gesehen?“ ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Dich und Papa. Erst wart ihr böse auf mich, aber ich wusste, dass ihr mich lieb habt. Walka hat euch angeknurrt und dann wart ihr weg. Aber das wart ihr gar nicht, Mama. Du leuchtest anders.“ Noch nie hatte ich über so etwas nachgedacht musste ich mir eingestehen. Sah er mit dem Adlerblick wirklich anders als wir?
„Wie leuchte ich denn, Edward? Und… wie hat die andere Frau ausgesehen?“ er könnte uns vielleicht sogar helfen, herauszufinden, wie man den kleinen aber feinen Unterschied feststellte. Kinder hatten oft ein wesentlich feineres Gespür für so etwas.
„Papa ist wie die Sonne so hell und um dich fliegen immer leuchtende Wolken, Mama. Das ist hübsch!“ er widmete sich weiter Walka, welche mit dem Kopf auf seinem Schoß lag.
„Edward, aber weißt du noch, wie die beiden Menschen in deinen Gedanken aussahen?“ hakte ich nach.
„Das war ganz komisch, Papa. Du warst gar nicht so groß und du hattest so eine komische Nase.“ kicherte er und erzählte dann weiter. „Mama, du hattest so weiße Augen, das war unheimlich und du hast nicht so lecker gerochen.“
Um Alex Lippen spielte ein breites Grinsen ob dieses Kompliments.
„Danke, min lille skat. Du hast uns ganz toll geholfen.“
„Darum geht es tatsächlich, diese falschen Erscheinungen haben kleine aber feine Unterschiede zu den realen Personen. Ihr müsst euch nur kurz auf das Aussehen, die Mimik oder eben, wie in Edwards Falle, den Geruch verlassen. Aber ich denke, für heute reicht es erst einmal. Wir haben schon späten Nachmittag und ich habe großen Hunger.“ mit dieser freudigen Aussage hob Odin unseren Sohn hoch und Walka folgte ihnen.
„Ich hätte dich schon wieder umbringen können.“ flüsterte Alex entschuldigend, als wir alleine hier waren.
„Nein, du könntest es nicht, das weiß ich. Diesen Ansatz mit dem genauen Beobachten, hatte ich auch schon und Edward hat recht. Dein Geruch war anders… Ich will dich nicht verlieren und ich werde alles tun, damit ich diese Trugbilder endlich ausblenden kann!“ ich zog sie auf meinen Schoß, noch hatte ich nicht die Kraft mich vom Sofa zu erheben gehabt. Mein Kuss sollte meine Aussage noch einmal bestärken.
„Wir werden das hinbekommen, da bin ich zuversichtlich, mi amor. Ich will dich doch auch nicht verlieren.“ hauchte sie, als ich wie von alleine meine Hände unter ihre Röcke schob.
„Lass uns das später noch vertiefen, mi sol.“ mir versagte ein wenig die Stimme.
„Ich habe nämlich einen verdammt großen Appetit, nicht nur auf Essen.“ ich stellte sie wieder auf ihre Füße und gemeinsam gingen wir den anderen hinterher.
Mein Vater wart nicht mehr gesehen, was mir einen kleinen Stich versetzte.
Ich hätte mich gerne entschuldigt oder …
Es waren keine echten Ereignisse. Wir mussten lernen diese auszublenden!
Als wir in Richtung des Esszimmers kamen, hörte man lautes Weinen. Es kam nicht von Edward, nein es war Florence.
Und erst jetzt bemerkte ich, dass es schon recht spät war, auch wenn Elias es schon angedeutet hatte.
Diese Zeitrechnung wenn wir so abtauchen ist wohl nicht mit unserer realen zu vergleichen. Er erklärte es uns am Beispiel des Überfalls vor wenigen Wochen. Wie im Zeitraffer waren die Stunden vergangen und verschlangen die echte Zeit.
Kein Wunder also das Florence uns vermisst hatte und nun ihr Recht einforderte.
Meine Frau versuchte sie zu beruhigen, leider ohne Erfolg.
„Mi sol, lass mich mal.“ bot ich ihr an und nahm unsere Tochter auf den Arm.
Mittlerweile war ich wieder die Ruhe in Person, wenn auch noch mit seltsamen Bildern im Kopf. Aber mein Geist war frei und konnte sich auf Florence einlassen.
Ich erzählte ihr von meinem Vater, von meiner Mutter und meiner Schwester. Wie ich durch unseren Garten gestreift bin auf der Suche nach interessanten Dingen die sich unter den Steinen verbargen. Ihre klaren grünen Augen sahen mich gespannt an und ab und an öffnete sie ihren Mund, aber natürlich kam noch kein Wort über ihre Lippen. Ich war neugierig, was ihr erstes Wort sein wird.
„Dann hatte ich mit meiner Aussage ja recht, mi amor. Du kannst unsere kleine Maus wirklich beruhigen. In Zukunft darfst du sie dann auch gerne mal zu bringen.“ grinste Alex und ließ sich am Tisch nieder.
In den nächsten Tagen wurde unser Training mental wie auch körperlich ausgebaut. Alex und ich hatten entweder Einzellektionen oder gemeinsame Übungen. Auch wurde Edward mit einbezogen, wie auch unsere Wachen.
Sie mussten ebenfalls auf alles vorbereitet sein und ich übernahm gerne diese Unterrichtseinheiten.
Mittlerweile waren diese Männer Vertraute von uns und mussten über unsere Fähigkeiten Bescheid wissen. Es dauerte etwas bis sie alles verstanden, aber sie lernten schnell und mir ging wie so oft durch den Kopf, dass meine Menschenkenntnis recht gut zu sein scheint.
Als der Duke of Ironside jedoch meinem Sohn einen Dolch in die Hand gab und ihn aufforderte sich zu verteidigen, war eine meiner persönlichen Grenzen erreicht.
„Nein, er ist noch zu jung dafür.“ entrüstet war Alex aufgesprungen.
Grinsend sah der Allvater sie an.
„Ist er nicht! Vergiss nicht, was er bereits gelernt hat. Auch Edward hat ein Recht auf Verteidigung, mein Kind!“
„Versteht mich nicht falsch, Elias. Aber sein Kampftraining sollte erst mit 5 Jahren beginnen.“ versuchte ich meine Entscheidung zu erläutern. Doch er schüttelte nur mit dem Kopf.
„Vertraut mir.“ mehr sagte er nicht und kniete sich dann vor Edward hin, welcher die Waffe in seinen Händen bewunderte. „Wie fühlt es sich an, Edward?“
Mein Sohn sah mit leuchtenden Augen auf. „Kann ich damit auch ein Boot schnitzen, wie die die ich mit zum Baden nehme?“ seine Aussage ließ mich leise glucksen, weil er wirklich noch nicht so weit wie wir Erwachsenen dachte.
„Natürlich geht das damit auch, aber in erster Linie ist dieser Dolch dafür da, damit du dich verteidigen kannst. Zeigst du mir einmal, was du schon gelernt hast von deinem Paten?“ Odin sprach in diesem Moment mit ihm und gebannt sahen wir zu, was jetzt kommen würde.
Mit einer fließenden Bewegung, so als hätte jemand die Kontrolle über meinen Sohn übernommen, ging dieser in Angriffsposition. Stieß nach vorne auf ein imaginäres Ziel ein. Er zeigte einige Konter und parierte unsichtbare Angriffe, natürlich war das ganze noch recht unausgereift und wackelig. Für seine 3 Jahre war es aber schon beachtlich!
„Das hast du gut gemacht. In den nächsten Wochen lernst du sicher noch mehr dazu.“ meinte Odin stolz und wuschelte durch die dunklen Haare meines Sohnes. Vor Stolz schien er mal wieder zu wachsen.
In einer meiner Einzellektionen wurde mir der Kampf mit dem Zweihänder nähergebracht. Noch nie hatte ich eine solche Waffe in der Hand, aber es fühlte sich gut an.
Verteidigen musste ich mich gegen den Allvater persönlich, meinem Vater und Thor!
Noch war ich nicht mit allen Kampftechniken und Waffen der Wikinger oder besser nordischen Götter vertraut und staunte nicht schlecht, als mir Odin seinen Speer im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren schlug.
Es kam auf die schnellen Reflexe an, die gekonnten Konterparaden und ich musste meinen Geist frei von ihren Einflüssen halten!
„Ah, du hast gut gelernt!“ lachte Heimdall und verdrosch mich mit seinem Breitschwert! Ich hätte es doch kommen sehen müssen, verdammt!
Die nächste Attacke konnte ich aber für mich verbuchen und verpasste ihm einen Hieb in die Magengegend mit einer vollen Breitseite des Schwertes!
Für einen winzigen Moment krümmte er sich und schien schon aufgeben zu wollen, als er mit seinem Schild von oben ausholte, gleichzeitig aber sein Breitschwert von links auf meine Flanke schlagen wollte.
Die Entscheidung, was wichtiger war zu schützen lenkte mich für eine Sekunde ab und der Schmerz in meiner linken Seite ließ mich keuchend zusammensinken. Verdammt noch mal!
„Du musst schneller werden! Du kannst dich nicht auf deine Konstitution deiner Haut verlassen, Haytham!“ mahnte mich mein Vater und zog mich auf die Beine.
Eine weitere Lehrstunde in der Woche galt meiner Gattin.
„Du musst Tyr jetzt ein wenig den Vortritt lassen, Haytham.“ raunte mir Odin ins Ohr und sah mich dabei gleichzeitig mahnend an.
Noch immer hatte ich nicht ganz verstanden, WIE das vonstatten gehen sollte.
Geh mir einfach aus dem Weg … lachte Tyr und richtete sich auf, während er mich verdrängte.
Wie genau ich diesen Moment beschreiben soll, ist mir ein Rätsel. Aber ich gebe es so wieder, wie man es mich sehen ließ.
Der Kriegsgott provozierte Alex, oder besser ihre Vorfahrin in diesem Moment und sie sprang darauf an. Ihr Gemüt war nicht so gefestigt wie das meiner Gattin.
Ihre Bartaxt kam mir des öfteren gefährlich nahe, aber ihre Attacken waren noch grobschlächtig und ließen mich lachen. Das war doch nicht alles was diese Frau konnte, oder?
Ihr Schild traf mich hin und wieder, brachte mich ab und an aus dem Gleichgewicht, aber ich konnte mich immer wieder fangen und revanchieren.
Die Abläufe mussten schneller kommen, die Attacken sollten wie schon einmal erlebt aus dem FF kommen!
Vorausschauendes Kämpfen war das A und O, laut Reginald. Und ich sah ihn bei unseren Übungseinheiten wieder vor mir. Er nutzte jede Gelegenheit mich zu unterrichten, ob nun im Kampf oder wenn es um Wissen allgemein ging.
Diese Erziehung ließ ich jetzt bei Tyr und im Kampf mit Thyra einfließen.
Siehe da, sie übernahm immer mehr von ihrer Vorfahrin und vereinte sich mit ihr. Ich bemerkte eine Gewisse Freude für diesen Kampf und konnte ihr nur zustimmen.
Es machte Spaß! Es trieb uns an weiter zu lernen.
Als dann aber von Odin die Mahnung kam, es wäre jetzt genug, wollte ich schon Wiederworte geben, sah aber meinen Vater und verkniff mir diese.
Wir tauchten wieder in uns selber ein.
Alex sah mich lächelnd an, als sie meine Schnittwunde bemerkte.
„Es tut mir leid, mi amor. Aber du hast angefangen…“ Ich? Nein, ganz bestimmt nicht. Aber wer wäre ich, wenn ich das nicht kontern würde?
„Ich werde mich schon sehr bald revanchieren, mi sol. Keine Sorge.“ ohne mit der Wimper zu zucken hatte ich meine Hand auf ihrem Hintern und drückte zu.
Im Raum ertönte ein leises anzügliches Gelächter.
„Vielleicht sollten wir euch das Haus heute Nacht alleine überlassen…“ gluckste der Duke und sah in die Runde. „Aber lasst uns jetzt auf diesen Erfolg anstoßen, ihr habt euch beide bewiesen beim Kämpfen.“
Natürlich, ich hatte ja Verletzungen. Erst jetzt kam ich auf die Idee danach zu schauen, doch Edward bemerkte stolz, dass er uns schon geheilt hätte. Sein erschöpftes Seufzen ließ uns wissen, dass ihn das sehr mitnahm. Auch er brauchte noch Übung darin.
Die Tage genoss ich ehrlich gesagt. Weit ab von allen weltlichen Einflüssen und Verpflichtungen fühlte ich mich freier und tauchte in die nordische Mythologie weiter ab.
Odin hatte mich persönlich unter seine Fittiche genommen und mir die Welten gezeigt, die Wege dorthin, das Leben dort und auch die Feinde, welche auf uns lauern konnten.
Als wir die Brücke Bifrost betraten war ich verunsichert. Sie schimmerte, wie in den Erzählungen, wie ein Regenbogen.
Wenn ich einen Fuß darauf setze dann …
Dann kannst du hinübergehen, Haytham! Augenrollend stand Heimdall neben mir.
Ich fühlte mich in dieser Welt wie in einem Traum, einem wunderschönen Traum muss ich gestehen.
Mir wurden Geschichten zugetragen über die Helden der Wikinger, heroische Schlachten der Götter und so weiter. Es war als würde vor mir ein Buch liegen und ich blätterte Seite um Seite weiter. Aber es nahm schier kein Ende.
Mit meinem Sohn erhielt ich noch eine Einweisung, wie wir ihn weiter daheim unterrichten konnten.
„Lasst ihm diesen Dolch, Haytham. Es ist wichtig, dass Edward diese Sicherheit bei sich trägt. Er wird sie nicht bei Unschuldigen einsetzen…“
Halte dich fern vom Fleisch der Unschuldigen.
Halte dich in der Menge verborgen.
Kompromittiere nie die Bruderschaft.
Warum diese Worte mich zornig werden ließen, kann ich nicht einmal sagen. Sie stoben in meinem Geist auf.
Mein Sohn war kein Assassine, er gehörte nicht der Bruderschaft an.
„Bist du dir sicher, dass du das so steuern kannst?“ hakte Thor nach, als wir nach einem kleinen Kampf im Salon saßen.
„Wir wünschen die Vereinigung, ich weiß. Aber … warum machen mich diese Worte so wütend?“ mit geballten Fäusten saß ich auf dem Sofa im Salon und starrte auf das Feuer im Kamin.
„Du hast doch schon immer denselben Gedanken wie deine Frau gehabt. Eine Übereinkunft, ein gemeinsames Arbeiten der beiden Bünde. Dein Geist ist leider noch immer nicht ganz frei von den Lehren des Templerordens Haytham. Daran musst du arbeiten!“ mahnte mich der Donnergott.
„Wie?“ war alles was mir in den Sinn kam.
„Ich zeig es dir.“ seine Stimme hörte sich wie von Wind an mein Ohr getragen an und ich folgte dieser Richtung.
Die Bilder die mir gezeigt wurden, waren grauenhaft. Weder die eine Herrschaft noch die andere waren die Lösung.
Dennoch hatte ich dieses unwohle Gefühl in mir, dass der Orden die, im wahrsten Sinne des Wortes, Weltherrschaft an sich reißen wollte. Wir wollten aber doch lediglich Struktur, Ordnung und den Menschen eine Perspektive geben.
„Die Assassinen wollen im Grunde nichts anderes. Aber daran kann man arbeiten und ihr müsst die bestehende Bruderschaft, so klein sie auch sein mag, und den Ordnen hier zusammenbringen. Es wird nicht leicht, aber es wird zum Wohle aller sein.“ Thor begann mir Wege aufzuzeigen, welche sinnvoll waren einzuschlagen. Ich musste von alt eingesessenen Pfaden abweichen und mich dem Neuen öffnen.
„Du wirst bald auch deinem großen Sohn begegnen, Haytham. Sein jungfräulicher Wunsch nach Vereinigung der Templer mit den Assassinen sollte euch nicht abschrecken. Lass ihn nicht diese Hoffnung verlieren.“
Die Worte Thors gingen mir noch Tage später durch den Kopf und als ich es nicht mehr aushielt machte ich auf den Weg zu einer Taverne. Eigentlich war ich kein Mensch der sich in der Öffentlichkeit wohlfühlte, es sei denn, es ließ sich nicht vermeiden. Doch das zu erklären würde Bände meiner Tagebücher füllen.
Beim Eintreten in den Schankraum sah ich, dass ich nicht alleine hier war. Elias saß an einem Tisch in der Nähe des hinteren Ausgangs und winkte mich zu sich. Wollte ich jetzt seine Gesellschaft? Seine Ratschläge?
Ich würde wohl nicht drumherum kommen.
„Seid ihr mir etwa gefolgt?“ fragte ich etwas verkniffen, als ich Platz nahm.
Seufzend sah er in seinen Krug.
„Ich bevorzuge guten Met! Das hier schmeckt wie Pferdepisse!“ damit kippte Elias den Inhalt auf den Boden. „Ah, das ist schon besser.“ frohlockte er und nahm einen kräftigen Schluck.
Wie durch Zauberei füllte sich ebenfalls ein Krug vor mir und der Duft von Honig drang in meine Nase.
Vorsichtig nippte ich daran, weil ich immer noch den Verdacht hatte….
„Seh ich so aus, als wollte ich dich umbringen?“ seine Stimme war zwar gesetzt aber gleichzeitig mahnend. „Du weißt, dass ich das mit einem Fingerschnippen tun kann. Dafür brauche ich weder Gift noch Waffen.“
„Ich bin von Natur aus vorsichtig, Elias.“ erwiderte ich leise, hob den Krug und ließ mir den Met schmecken.
Nach zwei weiteren waren wir uns einig, dass es ab und an nötig ist sich in einer Taverne abzulenken.
Meine Befürchtung, dass er mir als Gott Ratschläge oder ähnliches erteilen wollte, bestätigte sich nicht. Der Duke war er selbst. Auch er brauchte diese Auszeit.
„Das Training mit euch Kenways strengt an, wisst ihr das?“ grinste er mich über den Rand seines Kruges an. „Edward war schon eine harte Nuss, bis er begriff was vor sich ging. Aber eure Frau…“ noch ein tiefer Schluck, dann sprach er weiter. „… war die Spitze meines bisherigen Schaffens. Bis Alex gemerkt hat, dass alles für sie bereits geplant war, vergingen Jahre und wir machten uns schon Sorgen, dass sie gar nicht ihr Schicksal erfüllen könnte.“
Elias beschrieb ihren Geist als zu breit gefächert, sie hinterfragte zu viel, sie analysierte alles immer bis ins kleinste Detail. Diese Frau suchte nach weltlichen Erklärungen, weil sie es nicht anders gelehrt bekommen hat.
Der Moment als sie dann wirklich Nägel mit Köpfen machte und ihre Reise zu mir plante, war eine enorme Erleichterung für alle.
„Euer Vater war drauf und dran sie schon viel früher einzuweihen. Er hat es einmal wirklich gewagt und hat sie in ihrer Zeit beobachtet. Das war, wenn ich mich recht erinnere, nach ihrer Heimkehr von euch, als noch alles vor uns lag. Alex hat ihn gespürt, tat es aber als Einbildung ab und wandte sich wieder ihren Aufgaben zu.“ sein leises belustigtes Seufzen konnte ich mit ihm teilen. Sie war oft noch nicht bereit sich auf diese neuen Möglichkeiten und Fähigkeiten einzulassen.
Auch mir fiel das noch immer schwer, weswegen es mir am Herzen lag, dass unsere Kinder von Anfang damit konfrontiert werden um damit arbeiten zu können.
Irgendwann nach unzähligen gefühlten Litern Met machten wir uns auf den Weg nach Hause.
Es war ein recht langer Fußmarsch, welchen wir nutzten um wieder etwas nüchtern zu werden. Ich wollte ungern meiner Gattin den Eindruck geben, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte.
„Siehst du, genau das meine ich! Lass dich einfach mal etwas gehen. Was ist so schlimm daran?“ die Worte kamen leicht nuschelig aus seinem vom Met betäubten Mund.
„Also gut, ich … versuche es…“ mir fiel das Sprechen auch nicht gerade leichter. Bei dem Gedanken kam ein leises Glucksen über meine Lippen.
Gefühlt waren wir eine halbe Ewigkeit unterwegs und wir waren immer mal wieder irritiert, in welcher Ecke wir uns befanden. Philadelphia war mitunter sehr verwinkelt, merkt euch das. Verlaufen konnte man sich schneller als einem lieb war und das lag nicht am Alkoholpegel! Nun, nicht nur.
Endlich sahen wir den kleinen Weg zum Eingang des Anwesens vor uns und gerade als wir ein paar Schritte Richtung Eingangstür machten, flog diese auf und eine wütende Frigg stand auf der Schwelle.
Sie sah aus wie eine wunderschöne Erscheinung! Das Licht des Kronleuchters in der Eingangshalle beschien sie von hinten und diese schimmernde Silhouette war beeindruckend.
„Nicht wahr? Aber diese Erscheinung ist etwas übellaunig. Lasst mich das machen…“ leicht schwankend ging er auf seine Frau zu, die ihn mit hochgezogener Augenbraue und gekreuzten Armen vor der Brust beim Versuch die Stufen hochzugehen beobachtete.
„Hast du wieder den guten Met gekostet? Du weißt, dass der …“ begann sie, aber Elias nahm sie in den Arm um küsste sie einfach.
Er winkte mich an ihnen vorbei und ich versuchte so schnell aber auch leise wie möglich in unser Zimmer zu kommen.
„Das ist nicht wahr, oder?“ fauchte Alex mich an, als ich im Schlafzimmer aufgrund der Dunkelheit gegen den Hocker vor dem Bett trat.
„Entschuldige, nichts passiert. Schlaf weiter.“ ich versuchte mich aus meinen Sachen zu schälen, was aber plötzlich nicht mehr so einfach war und ich kurz darauf aufgab. Mich einfach schlafen zu legen wie ich war, war ein wunderbarer Gedanke.
„Geh weg, du erdrückst mich!“ meine Frau hatte anscheinend schlechte Laune, dachte ich noch und …
… ich erwachte in gefühlt gleißendem Licht, mein Kopf drohte zu explodieren und an meine Ohren drang lautes Gebrüll.
„Geht das leiser? Ich brauche noch Schlaf!“ rief ich immer noch mit zusammen gekniffenen Augen.
„Nein, geht es nicht, wir wollten heute abreisen! Schon vergessen, mi amor?“ zischte mir Alex zynisch entgegen und zog die Decke von mir. „Bei Odin! Du hast in deinen Straßensachen geschlafen? Nicht einmal die Stiefel hast du ausgezogen bekommen?“
Gerade als ich etwas erwidern wollte, rief sie nach meinem Kammerdiener, welcher prompt neben mir erschien.
„Master Kenway, ich wünsche euch einen … nun ja … guten Mittag. Alles ist bereit, man wartet nur noch auf euch und … eure Lordschaft.“ er konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen, als er mich auf die Bettkante gehievt hatte.
Nach einer gründlichen Rasur und kühlem Wasser auf meiner Haut fühlte ich mich wieder wohler und vor allem auch Reisefähig.
Unten im Salon erwartete man mich bereits.
Elias saß in einem Sessel mit dem Kopf im Nacken und schien zu dösen.
„Ah, der Saufkumpan ist auch endlich wach!“ Die Duchess war, wie meine Gattin, nicht gut zu sprechen auf uns.
Mir wurde Tee und etwas zu Essen gebracht. Dankbar ließ ich es mir munden, während meine Lebensgeister langsam wieder zurück kehrten.
„Vater, bist du krank.“ fragte Edward neben mir.
„Nein, mein Sohn. Eure Lordschaft und ich sind nur sehr spät zu Bett gegangen und sind deswegen noch sehr müde.“ erklärte ich mich.
„Mutter sagt, du hast zu tief in den Krug geschaut. Macht man das, wenn man zu lange auf ist so?“
Für eine Erklärung war mein Geist noch nicht wach genug und ich verwies ihn an seine Mutter. Sollte sie ihm das bitte genauer erläutern.
Den Heimweg nutzte ich, ich muss es gestehen, um auszunüchtern. Diese Momente sind selten und ich mahnte mich wieder selber es auch bei diesen vereinzelten Trinkgelagen zu belassen.
Die Tavernen und Gasthäuser hatten sich natürlich nicht geändert auf dem Weg heimwärts, aber wir hatten von der Hausherrin und dem Küchenpersonal einen kleinen Proviant mitbekommen, welcher uns vor dem Hungertod, überspitzt gesagt, rettete.
Kaum das wir über die Schwelle unseres Hauses getreten waren, schnippte sich Alex die Schuhe von den Füßen und stöhnte wohlig seufzend.
Es war für mich immer das Zeichen, dass sie sich hier wohlfühlte. Lächelnd sah ich ihr hinterher wie sie mit den Mädchen hinaufging um die Truhen zu sortieren.
Ich hingegen blieb auf der Veranda stehen um mich selber wieder zu akklimatisieren.
„Master Kenway, es sind einige Schreiben für euch angekommen, die dringlichen habe ich links auf euren Schreibtisch gelegt. Außerdem ist noch eine Zeitung dabei, leider ist sie jetzt schon 5 Tage alt.“ berichtete mir ein Diener und schon war ich wieder in meinem Alltag angekommen, nicht wahr?
„Danke, Brian. Ich werde mich gleich darum kümmern.“ er verbeugte sich und ich ging ebenfalls hinein.
„Lasst bitte ein Bad richten, Magda!“ hörte ich meine Frau von oben.
Wir hatten es vermutlich alle nötig.
Ich besah mir kurz die Briefe, überflog ihren Inhalt und sortierte noch einmal für mich selber. Tatsächlich waren keine dringliche Bitten darunter oder ähnliches, so dass ich mich auch morgen ausgeruht an das Beantworten machen konnte.
Ich gesellte mich etwas später zu meiner Familie.
Edward schipperte mit seiner kleinen Jackdaw umher, gab Kommandos und zeterte wie ein echter Pirat ab und an. Es ist nicht zu leugnen, er hat wirklich einiges von meinem Vater übernommen.
Florence hingegen genoss das warme Wasser in den Armen von Alex und ließ sich von ihrem Bruder nicht stören. Da es aber schon recht spät war, bemerkten wir ihre Müdigkeit recht schnell und machten uns alle auf um uns wieder anzuziehen.
Im Schlafzimmer ließ sich meine Frau auf die Bettkante sinken.
„Ich habe unser Zuhause wieder vermisst, mi amor. Auch wenn ich gerne mal woanders bin, aber ich komme auch genauso gerne wieder zurück.“ dabei strich sie versonnen über die Laken.
„So sollte es ja auch sein, mi sol. Als ich die Plantage damals gekauft habe, hatte ich ebendiese Hoffnung, dass du gerne hier leben würdest.“ ich war hinter ihr aufs Bett gekommen und zog sie zu mir an die Brust.
„Du hast einen guten Geschmack bewiesen. Außerdem bin ich gerne hier, weil du ebenfalls hier bist! Das ist ein sehr netter Bonus.“ flüsterte Alex mit einem breiten Grinsen.
Das war mein Stichwort!
Ich ließ mich zwischen ihre Schenkel gleiten, gleichzeitig schob ich den Stoff ihres Nachthemdes mit meinen Bewegungen hoch.
Dann solltest du mir jetzt noch mehr danken, Mistress Kenway.
Bei meinen Worten entwich meiner Frau ein leises Seufzen und sie öffnete sich mir wie von alleine.
Diesen friedvollen leisen Moment mit ihr genoss ich, weil wir einige Zeit abstinent leben mussten während unseres Besuches in Philadelphia. Wir beide waren etwas ausgehungert wie man sich denken kann und unsere Erlösung kam schneller als erhofft. Doch ich hoffte auf eine Fortsetzung sobald unsere Kinder schliefen.
Unser Alltag hatte uns wieder voll im Griff, was ich schon am nächsten Tag entnervt feststellen musste.
Nein, es waren nicht die Bittsteller-Briefe einiger Kongress-Mitglieder oder die Nachrichten von erzürnten Kolonisten die mich erreicht hatten, es waren vor allem diese Termine zu einer Beratung in der Loge zum Beispiel. Oder es war eine Einladung zu einem Bankett in New York wo ausdrücklich erwähnt wurde, NUR ich sei erwünscht. Ich war das ein oder andere mal auf solchen Festivitäten und kann klar sagen, dass mir diese Art der Unterhaltung nicht zusagte.
Das Treffen der Loge stand für mich an erster Stelle und mein Antwortschreiben fand seinen Weg bereits einen Tag später. Natürlich wollte ich mich mit Gleichgesinnten ohne Ohren in den Wänden austauschen und mir andere Ansichten anhören, damit ich meine Sicht auf die Welt weiterentwickeln konnte. Diese Abende waren ein vortrefflicher Ausgleich zu den üblichen Bällen, Empfängen oder Zusammenkünfte des Kontinental-Kongresses.
Doch vorher hieß es die Taufe und Weihe unserer Tochter zu planen. Im Grunde lag das in Alex´ Händen und bedurfte meiner Aufsicht nicht, dennoch involvierte ich mich, weil es mir am Herzen lag.
Meine Frau erzählte mir während dieser Unterhaltungen von einem geplanten Besuch Madame De L´Isles im April. Ihre Geschäfte hatten Fahrt aufgenommen und sie würde zu gerne unsere Tochter einmal sehen. Ob ihre Stieftochter mit anreisen würde, war noch unklar.
Master de Granpré war immer noch unbedarft, was den Orden und die Bruderschaft anging. Ich hoffte, dass wir ihn weiterhin unbehelligt lassen konnten.
„Er darf alles essen, aber nicht alles wissen, Haytham.“ lächelte Alex, als sie mir von dem geplanten Besuch berichtete.
Unsere Tochter sollte am 14. Dezember getauft werden, weil meine Frau sich etwas Zeit nach meinem und Edwards Geburtstag erbat. Wir wussten nicht genau wer alles erscheinen würde.
Die Weihe sollte dann eine Woche später am 21. Dezember stattfinden.
„Mein Großvaters Geburtstag ist ein wunderschöner Tag um ihre Weihe zu zelebrieren. Und außerdem ist es der kürzeste Tag im Jahr. Ab da bleibt es länger hell und der Winter vergeht dann hoffentlich schnell.“ Alex hatte solche Daten immer wieder im Kopf um sich hier zurecht zu finden, hatte ich den Eindruck. Es gab Momente da überkam mich eine leise Angst, sie wieder an ihre Zeit zu verlieren, weil sie hier einfach nicht richtig Fuß fassen könnte.
Verzeiht, ich schweife mal wieder oder wie so oft ab.
Am Abend vor meinem Geburtstag stand sie in der Tür zum Salon und lächelte verträumt.
Ihre Gedanken galten der Geburt Edwards vor 3 Jahren und auch ich erinnerte mich noch sehr gut an diesen Tag!
„Mi sol, vermutlich wirst du es noch vor dir sehen, wenn unser Sohn verheiratet ist und selber Kinder hat.“ ich hatte meine Arme von hinten um sie geschlungen.
„Auf jeden Fall werde ich das. Er wird schon drei Jahre alt. Die Zeit rennt einfach so dahin, mi amor.“ ihre Stimme klang zittrig und sie war den Tränen nahe als sie sich an mich schmiegte. Kein Wunder bei solch einem Anlass.
„Will auch kuscheln.“ Edward zerrte dabei ungeduldig an meinem Hosenbein.
„Wie heißt das, Edward?“ auch wenn es schon spät war für ihn, trotzdem sollte er seine Manieren nicht vergessen! Als er meinen Blick sah, rollte er, wie seine Mutter es auch gerne machte, mit den Augen.
„Ich möchte auch kuscheln, Vater.“ neben mir vernahm ich ein leises Prusten, weil Alex anscheinend noch auf einen Zusatz unseres Sohnes gewartet hatte. Ja, ich war mittlerweile in ihre sarkastischen Ausdrücke eingeweiht und wusste, sie hatte noch einen mehr als unangebrachten Satz Edwards erwartet. Meine Erziehung trug aber Früchte wie ich erfreut feststellte und hob ihn hoch.
„Es ist aber jetzt Zeit fürs Bett, min lille skat. Du hast morgen Geburtstag und du möchtest doch sicherlich deinen Kuchen bekommen, oder?“ liebevoll strich sie ihm dabei über den wuscheligen Schopf.
„Machst du den Kuchen, Mama?“ Alex´ Blick ging zu mir, doch bevor ich etwas erwidern konnte, sprach sie weiter.
„Soll ich das, Edward? Aber ich bin nicht so gut im Backen wie Miss Tabea. Du magst doch ihren Kuchen oder?“ ein Leuchten trat in seinen Augen.
„Lecker ist der.“ nickte er eifrig und freudig. „Ich hab noch Hunger, Vater.“ eine kleine Süßigkeit würde ihm schon nicht schaden dachte ich und machte mich mit ihm auf den Weg in die Küche zu Miss Tabea.
Unsere Haushälterin sah für den Bruchteil einer Sekunde erschrocken in meine Richtung, fing sich dann aber sofort wieder.
„Master Kenway, Master Edward! Wünscht ihr noch etwas?“ fragte sie lächelnd nach.
„Darf ich noch einen Keks haben?“ mein Sohn zappelte dabei auf meinem Arm herum und zeigte auf die beiden Tonkrüge mit den Plätzchen.
„Wir haben uns eine kleine Nachtspeise verdient, nicht wahr mein Sohn?“ grinste ich und nahm das Gebäck dankend in die Hand. „Wie sagt man, Edward?“
Ein tiefes Seufzen und er dankte Miss Tabea für den Imbiss.
Genüsslich kauend lehnte er an meiner Schulter und wir gingen hinauf in sein Zimmer. Sybill erwartete uns schon.
Auch sie sah nicht gerade glücklich darüber aus, dass ihr Schützling noch ein Plätzchen bekommen hatte.
Während sie ihn wusch, immer darauf bedacht den Keks nicht zu berühren, und in sein Nachthemd kleidete, fragte er mich über seinen Ehrentag aus.
Ob ich mich freue, dass auch er an meinem Geburtstag mit mir feiern könne zum Beispiel. Oder warum seine Mutter ihn erst im Winter haben wollte.
Ich versuchte mein Bestes beim Beantworten seiner Fragen, doch eine wirkliche Erklärung gab es nun mal nicht.
Als er im Bett lag, gab ich ihm einen Kuss auf die Stirn und zog ihm die Decke hoch.
„Schlaf gut, mein Sohn.“
Als ich auf der Galerie stand, hörte ich meine Frau leise für unsere Tochter singen und lauschte für einen kleinen Augenblick. Immer noch war ich fasziniert davon wie viele Texte sie im Kopf hatte, um für die beiden jederzeit unterschiedliche Lieder zu haben. Dazu kam ja auch die alte Sprache. Es klang mitunter etwas seltsam, weil Alex so gut wie nie mit mir so sprach. Von Anfang an hatte sie englisch mit mir gesprochen. Wir ergänzten uns aber in diesem Bereich. Sie lernte immer mal wieder spanisch oder tiefergehendes französisch, während ich meine Deutschkenntnisse oder eben diese alte Sprache vertiefte.
Gerade als sie geendet hatte, betrat ich Florence´ Zimmer. Alex kam lasziv lächelnd auf mich zu und kniff in meine Kehrseite, als ihre Lippen meine berührten.
Eines ihrer kleinen Signale die mir ihre Liebe zeigten. Diese Lippen schmeckten nach Wein und noch viel mehr… dazu später sicher mehr, ging es mir durch den Kopf.
Florence quiekte freudig als ich an ihr Bett trat und mir das kleine Buch mit den Gedichten nahm, während sie auf meinem Arm lag.
Doch sobald ich begann zu sprechen, wurde sie ruhig und schien gebannt zu lauschen.
Es dauerte nicht lange und sie war im Land der Träume.
Ich gab Sophia das Buch und legte meine Tochter vorsichtig in die Kissen, deckte sie mit Bedacht zu und gab auch ihr einen Kuss auf die Stirn. Dabei huschte erneut ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.
Sie hat dich um den Finger gewickelt, Haytham! Hörte ich meinen Vater plötzlich.
Hatte sie das?
Ich würde meine Tochter auf ewig verteidigen, beschützen und … ich muss es gestehen … ihr keinen Wunsch verweigern.
Ich verließ ihr Zimmer grinsend, wissend, dass dieses kleine Mädchen mein Augapfel war!
Aber sei nicht wie ich, sondern trainiere sie genauso wie du deinen Sohn unterrichten würdest. Mach nicht den selben Fehler wie ich mit Jenny. Vater klang traurig und entschuldigend zugleich in diesem Moment.
Nein, das würde ich nicht!
In dieser Nacht hatte ich seltsame Träume von Trainingseinheiten die so nie stattgefunden hatten. Aber ich erlebte sie wie im echten Leben, hörte die Stimme meines Vaters und meiner Mutter, wie sie mich zu sich rief.
Solche Bilder hatte ich selten, aber wenn sie aufkamen fühlte es sich an als würde man mir einen Mühlstein auf die Schultern legen. Es war fast unmöglich diesen abzuschütteln.
Etwas erschrocken erwachte ich und sah mich in unserem Schlafzimmer um.
Es dauerte eine Weile, ehe ich mich wieder beruhigt hatte und mich wieder in die Kissen sinken ließ.
Neben mir schlief Alex friedlich mit dem Rücken an mich gelehnt. Vorsichtig schmiegte mich an sie und ihre Nähe brachte mir Ruhe für den Rest der Nacht.
Diese währte jedoch nicht lange, weil Edward unfassbar früh auf den Beinen war und mit einem lauten Getöse in unser Zimmer stürmte! Walka blieb nach einer Ermahnung von Alex vor unserem Bett auf dem Läufer und japste leise.
„Papaaaa, aufstehen. Du hast Geburtstag! Hab dich lieb. Krieg ich Kuchen, Mama?“ er saß zwischen uns und zappelte herum, damit wir auch ja wach wurden. Ich musste arg an mich halten um nicht laut zu werden. Auf dem Rücken liegend atmete ich einige Male tief durch und versuchte mich zu kontrollieren.
„Guten Morgen, min lille skat. Ich wünsche dir alles Liebe zu deinem Geburtstag. Aber nein, den Kuchen bekommst du erst beim Frühstück!“ erklärte Alex in einer Seelenruhe, die für ihren sonst so morgendlich aufbrausenden Gemütszustand mehr als erstaunlich war.
Plötzlich huschte die Erkenntnis, dass er einen Fehler begangen hatte, über sein Gesicht. Mein Blick hatte also schon ausgereicht!
„Schuldige, Vater.“ als würde er etwas kaputt machen können, legte er sich in meine Arme.
„Guten Morgen, mein Sohn. Ich wünsche dir auch einen schönen Geburtstag. Aber solltest du noch einmal mit so einem Lärm hier hereinplatzen, ziehe ich andere Seiten auf. Hast du das verstanden?“ ermahnte ich ihn eindringlich, weil … er könnte auch in sehr unpassenden Momente hier hereinplatzen.
Die Bediensteten erwarteten uns schon im Wintergarten und beglückwünschten Edward und mich.
Das Frühstück bestand für unseren Sohn aus seinem kleinen Kuchen, welchen er höflich an uns aufteilte.
„Min lille engel, hast du keinen Hunger mehr?“ in Alex´ Stimme klang leise Besorgnis mit, als sie die Flasche absetzte. Ihr prüfender Blick wurde wieder weicher, als sie keine Krankheiten feststellen konnte. Stattdessen begann unsere Tochter unruhig zu werden „Willst du zu deinem Vater, Florence?“
„Daaaaaaaaa…“ etwas überrumpelt sah ich von meiner Zeitung auf, als meine Frau mich ansprach.
„Da möchte dir jemand Gesellschaft leisten, mi amor. Leg die Zeitung beiseite, die kannst du später noch lesen.“ ohne abzuwarten reichte sie mir Florence und griff nach ihrem Kaffee.
„Willst du auch Kuchen, Flo?“ Edward war näher gerückt und hielt ein kleines Stückchen in der Hand. Wie selbstverständlich griff sie danach und begann darauf herum zu kauen. „Schau mal, ich habe ihr das richtige Essen gezeigt.“ mit stolz geschwellter Brust saß unser Sohn am Tisch und sah von einem zum anderen.
Es war eine ziemliche Sauerei die Florence auf meinem Schoß hinterließ, da half auch keine Serviette mehr. Ich würde mich umziehen müssen.
Der Tag verlief ruhig und wir konnten ein paar Freunde hier begrüßen. Edward hatte Besuch von einigen Pächterkindern mit denen er sich draußen austobte.
In mir spürte ich eine leise Eifersucht darauf, dass er in diesem Alter Freunde hatte. Ich erinnerte mich an die eigene Kindheit zurück … doch ich möchte nicht sentimental werden.
Als es am Abend Zeit für die Kinder war zu Bett zu gehen, übernahm meine Frau diese Aufgabe und ich zog mich in mein Arbeitszimmer zurück. Es galt noch einen neuen Anlegeplatz zu bauen und ich wollte mir die Karte um unser Grundstück noch einmal genauer ansehen. Es musste alles gut erreichbar sein, das stand fest.
Wir hätten noch eine Möglichkeit etwas entfernt des jetzigen Piers.
Ideal war das leider noch nicht, also suchte ich weiter und fand weiter Flussaufwärts eine kleine Bucht, auch wenn der Begriff etwas zu übertrieben war.
Dort wäre es logistisch gesehen am besten, also markierte ich diese Stelle.
Gerade als ich eine Notiz für den Zimmerer schreiben wollte um darin um einen Besprechungstermin zu bitten, stand Alex in der Tür.
„Mi amor, da ist eine zickige kleine Dame, die dich erwartet, damit du ihr Gute Nacht sagst.“ in ihrer Stimme klang so viel Zynismus mit, dass es mich schüttelte.
„Alex, bitte. Das kann doch nicht dein Ernst sein, oder? Sie wird schon einschlafen, ich schaue dann später nach Florence.“ erwiderte ich schlicht und wollte mich dem Schreiben wieder widmen.
Wütend stapfte sie auf mich zu und legte ihre Hände auf den Schreibtisch.
„Du gehst JETZT hinauf! Deine Tochter kennt noch keine Zeitrechnung und ich will nicht, dass sie sich in den Schlaf weinen muss.“ hatten wir nicht schon einmal eine ähnliche Situation mit Edward gehabt? Also schön, ich würde den Teufel tun und meiner Frau in diesem fragilen Moment zu widersprechen. Ihre Körpersprache sagte alles. Ein Nein wurde nicht geduldet.
„Ist ja schon gut. Du meine Güte, du machst mir gerade ein schlechtes Gewissen.“ ich hielt ihrem Blick stand, atmete tief durch und ging dann nach meiner Tochter sehen.
Während ich auf dem Weg nach oben dieses leichte schlechte Gewissen, welches mir Alex gegeben hatte, versuchte zu verdrängen, ging mir eine andere Frage durch den Kopf. Warum können wir uns als erwachsener Mensch an diese Zeit nicht wirklich klar erinnern? Würde man mich fragen, würde ich antworten, dass meine Eltern immer für mich da waren. Wenn auch nicht mein Vater jederzeit zur Stelle war, aber meine Mutter stand mir zur Seite.
War das auch schon in den ersten Jahren so? Eine Erinnerung gab es nicht. Wer konnte es also wirklich beweisen?
Nein, ich sollte solche Gedanken nicht haben, mahnte ich mich und öffnete die Tür zu Florence´ Zimmer.
„Master Kenway, es tut mir aufrichtig leid, aber …“ Sophia war sichtlich erschöpft und mit ihrem Latein am Ende. Wer konnte es ihr verübeln.
„Es ist nicht eure Schuld, Sophia. Ich werde ihr vorlesen und ihr werdet sehen, im Nu ist sie eingeschlafen.“ lächelte ich zuversichtlich, setzte mich zu meiner Tochter aufs Bett und begann ihr aus dem Gedichtband etwas vorzutragen.
Wie erwartet dauerte es nur ein paar Zeilen und sie schlief.
„Ich glaube, es ist eure ruhige, tiefe Stimme die sie so ruhig werden lässt, Master Kenway.“ flüsterte das Kindermädchen, als sie die Decke um Florence legte.
„Meine Frau erwähnte erst kürzlich, dass auch sie dieses Gefühl hat.“ ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und ging auf Zehenspitzen hinaus.
Wenn ich ehrlich sein soll, war mir gerade nicht nach der Gesellschaft meiner Gattin. Ich musste diese Nachricht noch anfertigen und einen der Verträge, welchen mir Rory zur Durchsicht übergeben hatte, überarbeiten.
Es ließ mir leider keine Ruhe.
Einige der Absätze musste ich entweder ganz streichen oder sie neu formulieren. Hier ging es nämlich um Steuern, welche so nicht ganz gerechtfertigt waren. Als Maßstab nahm ich das Buch, welches mir William vor kurzem überlassen hatte. Es beinhaltete nahezu alle Steuern, deren Höhe und wie oft sie erhoben wurden.
Leider verschwammen irgendwann diese ganzen Zahlen vor meinen Augen und ich spürte eine tiefe Müdigkeit in meinem Kopf. Ich sollte zu Bett gehen, ehe ich über diesen müden Punkt hinweg bin.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass alle Kerzen auch wirklich gelöscht waren, das Feuer im Kamin eingedämmt war, ging ich hinauf.
„Master Kenway, benötigt ihr mich noch?“ fragte mein Kammerdiener als ich auf halben Wege auf der Treppe war.
„Nein, Michael. Ihr könnt euch auch zu Bett begeben.“ lächelnd verbeugte er sich und wir gingen unserer Wege.
Unter der Tür zu unseren Gemächern sah ich noch Licht.
Schlief Alex noch gar nicht, hatte sie etwa auf mich gewartet? Warum hatte sie aber nichts gesagt.
„Du hast nicht bis gerade eben bei Florence gesessen, oder?“ diese Frage kam sehr zögerlich und ich vermutete, sie hatte die Befürchtung, dass ich schlechter Laune sein könnte.
„Nein, ich habe noch über einigen Verträgen und Blaupausen gebrütet.“ gab ich etwas unwirsch von mir als mich auf das Bett fallen ließ.
Alex kniete sich neben mich und sah mich fragend an.
„Mi sol, wartest du auf etwas bestimmtes?“ hakte ich skeptisch nach, weil mir diese Art suspekt war.
Sie hatte uns zwei Gläser Wein eingeschenkt und gab mir eines davon. Weiterhin misstrauisch schob ich mich zum Kopfende hoch.
„Du machst mir Angst, wenn du nichts sagst, Alex.“ es war die Wahrheit. So erlebte ich sie selten oder eigentlich gar nicht.
Mit einem einzigen Zug leerte sie ihr Glas. Ich tat es ihr gleich und behielt sie weiterhin im Auge.
Sie setzte sich auf meinen Schoß, nahm mir mein Glas ab und stellte beide auf den Nachttisch.
Jetzt wo meine Hände wieder frei waren, legte ich sie auf ihre Hüften und wartete, was jetzt passieren sollte.
Ihre warmen Hände umschlossen mein Gesicht und sie gab mir einen vorsichtigen Kuss. Erst auf die Wange, dann auf meine Lippen. Langsam konnte ich mich entspannen und ahnte, was gleich passieren könnte. Oder besser, ich hoffte, dass ich recht behalten würde.
Meine Finger strichen über ihre Haut an den Oberschenkeln und in mir stieg eine wohlige Sehnsucht nach ihr auf. Ihr Küsse wurden fordernder und wir verloren uns einfach für einen Moment nur darin. Dieser kleine Rausch ließ mich leise stöhnen, weil ich mich arg zusammenreißen musste.
Alex zog ihr Nachthemd langsam über ihren Kopf und entblößte ihre Brüste direkt vor mir. Ihre Augen ruhten weiterhin auf mir, in ihnen glomm eine tiefe Leidenschaft für einen Moment auf.
„Zieh mein Hemd aus!“ befahl ich kurzerhand. Zurückhaltung war plötzlich ein Fremdwort für mich. „Ich will dich haben, Alex.“ ihre Finger strichen über meine Haut, ihre Lippen liebkosten mich.
Mit Bedacht ließ ich mich in sie gleiten und genoss ihre Vorfreude. Leise stöhnend ließ sie sich leicht nach hinten sinken, ihre Hände stützten sich auf meine Oberschenkel.
Wir genossen einander ausgiebig und Alex ließ mich spüren, dass sie meinen Geburtstag nur für mich noch etwas zelebrieren wollte.
Etwas später hatte ich meine Hände in ihren Haaren und dirigierte sie nach meinen Wünschen.
Meine Erlösung kam heftig und ich ließ sie mich schmecken. Ihre Augen waren dabei mit einer faszinierenden Hingabe ununterbrochen auf mich gerichtet.
Wenn ich sage, dass mich dieses Vertrauen meiner Frau zu mir stolz machte, mag es sich seltsam anhören. Aber genauso war es nun mal. Wir wussten beide, was der andere begehrte und für Wünsche hatte. Worte waren in solchen Momenten oft gar nicht, mehr, von Nöten.
Die Taufe meiner Tochter und des Sohnes der Frauenanführerin Mildred, auch wenn es sich merkwürdig liest, stand an und wir begingen diesen Tag mit einem wunderschönen Fest im Versammlungshaus und einer anschließenden Feier in der Taverne in der Nähe. Die beiden Täuflinge verschliefen ihren großen Tag größtenteils, wohingegen die Erwachsenen diesen zum Anlass nahmen, sich das Ale schmecken zu lassen.
Noch immer hatte ich gewisse Berührungsängste und konnte mich nicht ganz öffnen. Dennoch war es ein gelungener Tag und ich dankte Mr Hathaway später noch gebührlich für seine hervorragende Predigt.
„Es war mir eine Freude eure Tochter in die Gemeinde aufnehmen zu können, Master Kenway. Ich bin schon gespannt auf die anstehende Weihe in einer Woche.“ der Prediger war ungelogen offen in seinem Glauben und sog begierig alles auf, was auch mal etwas andersartig war.
Ich hoffte, dass ihm das nicht irgendwann noch einmal zum Verhängnis werden würden. Die Gesetze änderten sich hier ja gefühlt auch stündlich, wenn ich ehrlich sein soll.
Die Weihe stand eine Woche später an.
Dieses mal mussten wir auf größere Vorbereitungen verzichten und kurzfristig die Feuerschalen oder die Schale mit dem Wasser unter der Weideneiche platzieren. Der Winter hatte Einzug gehalten und die Temperaturen waren weit unter den Gefrierpunkt gesunken.
Der Duke of Ironside war mit Gattin nebst den Eheleuten Jomphe erschienen. Edward war ganz außer sich und ließ sich kaum beruhigen, als er sie sah.
Doch eine leise Mahnung Iduns und er zügelte sein Temperament.
„Ich will das auch können.“ maulte meine Gattin neben mir. „Wie machen die das?“
Darauf hatte ich leider auch keine Antwort.
~~~ Auszug aus Kapitel 29 „Von schicksalhaften Zeitreisen“ ~~~
Am späten Nachmittag, als es langsam dunkel wurde, brachte man die Feuerschalen, den Tisch und alle Utensilien nach draußen. Die Bediensteten hatten einen Weg zum Baum freigeschaufelt und mit Fackeln bestückt.
Es war ein wundervoller Anblick, als wir, alle in dicke Mäntel und Umhänge gehüllt, von der Terrasse traten. Florence war auf dem Arm ihres Vaters und auch ihre Augen strahlten.
Wie schon beim letzten Mal, begann Odin die Weihe einzuläuten und es folgten die üblichen Ritualsprüche. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich das Wasser aus dem Fluss kurz vorher noch habe anwärmen lassen! Sonst würde meine Tochter einen Kälteschock auf ihrem doch recht kahlen Köpfchen bekommen.
Odin begann die Aufnahme meines Kindes in die Sippe.
Am Nornenbrunnen
Eine Eibe ewig wächst
Hoch in Himmels Hauch,
Tau tropft talwärts,
Drunten im Dunkel ein Brunnen.
An des Weltbaumes Wurzel
Sitzen und spinnen
Verhüllten Hauptes
Drei Schicksalsfrauen,
Die schweigsamen Nornen:
Urd, Verdandi und Skuld
Was Wurde, das Werdende und was nun Wird.
Florence, Dein Gang zur Quelle des Lebens hat Dich zu uns geführt. Und so versammeln wir uns heute hier, um Dich im Wasser zu weihen - als Zeichen Deiner feierlichen Aufnahme in unsere Sippe.
Komm' an den Quell,
Weih' deiner Seele,
Wecklieder, leise;
Wirst dann verstehen
Botschaft deiner Ahnen:
Wahrhaft und wert!
Liebe Florence, wir nehmen Dich auf und begrüßen Dich in unserer Mitte, auf der heiligen Mutter Erde, die uns trägt und nährt, im Kreise aller Wesen und im Kreise unserer Sippe. Wir weihen Dich mit dem Wasser des Lebens. Es ist das Wasser Deiner Heimat, es stammt aus dem James River, der an Deinem Geburtsort fließt.
Das warme Wasser lief durch unsere Finger auf den Kopf von Florence bei diesen Worten und völlig fasziniert sah sie auf die kleine Schale, wo sich ihr Gesicht spiegelte.
Bragi begann dieses Kind zu segnen und dann war auch sie in unsere Reihen aufgenommen.
Doch noch fehlte die Patin meiner Tochter. Brünhild erschien, durchschimmernd auf einem Pferd. Gekleidet in ein weißes Kleid, aber mit Brustpanzer, Schwert und Schild bewaffnet. Sie stieg ab und legte vorsichtig ihre Hand auf die Brust von Florence.
Man sah, wie sich Zeichen auf ihrer Haut auftaten, welche genau konnte ich nicht deuten. Ich kannte sie leider nicht.
Das Zeichen der Walküren, mein Kind. Sprach mein Allvater in meinem Geist.
So leise wie die Walküre gekommen war, so leise verschwand sie auch wieder und meine Tochter sah ihr mit großen Augen hinterher.
Mit einem Male dröhnte Odins Stimme durch die Dunkelheit und löste den Festkreis damit auf. Leider hatte er damit unsere Tochter erschreckt, die jetzt lautstark weinte. Frigg nahm sie auf den Arm und wiegte sie hin und her und sang. Langsam wurde das Weinen weniger und Florence war eingeschlafen.
Wir gingen nun alle wieder hinein, weil es doch recht frostig wurde und wärmten uns vor dem Kamin auf. Unsere Kinder wurden ins Bett gesteckt und wir Erwachsenen ließen den Abend mit netten Geschichten ausklingen.
Das diesjährige Silvester richteten Eheleute Doyle aus.
Im späteren Verlauf des Abends tat der Gastgeber voller Stolz kund, dass seine Gattin guter Hoffnung sei. Ich muss erwähnen, dass der Herr schon Mitte 50 war und seine Ehefrau war über 10 Jahre jünger als er. Dennoch wünschte ich alles erdenklich Gute. Wir würden uns auch erst bei einem der Empfänge im neuen Jahr wiedersehen und ich hoffte, dass alles ohne Konflikte für die beiden ablief.
„Ich danke euch, Master Kenway. Sollte ich einmal Fragen bezüglich der Erziehung haben, wende ich mich vertrauensvoll an euch.“ lachte er, als wir uns am nächsten Tag verabschiedeten.
„Das weiß ich zu schätzen, Master Doyle. Aber ich glaube, dass ihr mich dafür gar nicht benötigen werdet.“ anerkennend klopfte ich ihm auf die Schulter.
Der Januar brach trist und grau an. Die Kälte schlich sich durch alle Ritzen und ließ die Knochen schmerzen am Morgen.
Wir waren daher dazu übergegangen, Florence und Edward des öfteren bei uns im Bett schlafen zu lassen, weil es wärmer für sie war.
Ehrlich gesagt war es ein gutes Gefühl meine Tochter so in der Nähe zu haben. Ich weiß, ich hatte bis vor kurzem noch eine etwas andere Meinung. Der Gedanke daran, dass ihr aber etwas zustoßen könnte, ließ mich so über sie wachen.
Des öfteren sah ich, wie Alex sich seufzend im Salon auf das Sofa vor dem warmen Kamin sinken ließ, wenn ich hinauf zu Florence ging um ihr noch vorzulesen.
„Mi amor, du verwöhnst sie zu sehr. Was ist auf einmal in dich gefahren?“ hakte sie eines Abends nach, als wir bereits im Bett lagen.
„Es ist mein Wunsch, dass sie nie das Gefühl bekommt, ich sei nicht für sie da.“ eine etwas spärliche Erklärung, ich weiß.
„Du vergisst aber leider, dass auch noch Edward da ist und er sich vernachlässigt von dir fühlt. Denk auch daran ab und zu.“ bat sie mich und drückte dabei meine Hand.
Das wollte ich natürlich auf keinen Fall und nahm mir vor, mich wieder etwas mehr mit unserem Sohn zu beschäftigen.
Es war ein verschneiter Donnerstag, als ich durchgefroren von einer Versammlung des Kongresses in New York zurückkam. Die Reise hatte gefühlt doppelt so lange gedauert durch den sich auftürmenden Schnee überall.
Umgezogen und erfrischt ging ich in mein Arbeitszimmer, wo man mir meine Korrespondenz bereits zurecht gelegt hatte.
Etwas, nur eine kleine Veränderung hier im Raum, ließ mich aufmerksam werden. Die Regale waren unberührt, das war es nicht.
Mein Blick glitt zu Boden und da sah ich auf dem Teppich neben meinem Schreibtisch zwei Federkiele liegen. Zerbrochen!
Ich zog die Schublade mit meinen Schreibutensilien auf und traute meinen Augen nicht! Dort wo normalerweise ungefähr ein Dutzend dieser Federn lagen, war nur noch ein Bruchteil vorhanden und der auch noch beschädigt.
In meiner Wut donnerte ich sie zu und wollte schon nach Edward rufen. Besann mich eines besseren und versuchte meine Wut etwas abzudämpfen in dem ich tief ein- und ausatmete. Nach einer Weile war ich ruhiger und ging auf die Suche nach dem vermeintlichen Übeltäter.
Nach kurzer Suche fand ich ihn in seinem Zimmer, wo er gerade mit seinen Zinnsoldaten spielte und inmitten dieser Truppe sah ich die Federn liegen.
„Du warst schon wieder in meinem Arbeitszimmer, Edward. Was hatte ich dir dazu gesagt?“ fragte ich bestimmt, aber bedacht darauf nicht laut zu werden.
„Vater, aber ich brauchte diese Federkiele, weil … mein Fort damit gut gesichert ist. Schau mal.“ er deutete auf die kleine Mauer aus Bauklötzen und die in kleine Stücke gebrochenen Federn, die wie ein kleines Dach aussahen.
„Das mag sein, aber du kannst nicht einfach Sachen an dich nehmen ohne zu fragen! Das habe ich dir schon tausendmal gesagt. Außerdem woher soll ich jetzt noch neue bekommen?“ langsam wurde ich wieder lauter.
„Entschuldige.“ flüsterte er leise und sammelte die kleinen Stückchen zusammen. „Können wir sie nicht reparieren?“ dabei sah er in seine Hände.
„Nein, das geht nicht. Weil du erneut meine Mahnung ignoriert hast, bleibt Walka heute Nacht draußen!“ bevor ich noch ganz aus der Haut fahren konnte, ging ich wieder hinunter.
Ein paar Tage später beim Abendessen brach sich seine Wut auf mich Bahn.
„Vater, warum magst du mich nicht mehr?“ Edward zügelte sich, ich konnte spüren wie er regelrecht mit sich kämpfte. Er hatte wirklich gut gelernt von Thor.
„Wie kommst du darauf, Edward?“ hakte ich nach, weil ich mich in letzter Zeit mehr um seine Ausbildung gekümmert hatte.
„Mich tadelst du immer, aber Florence wird nie geschimpft.“ in seinen Augen glitzerten Tränen.
„Deine kleine Schwester hat ja auch noch nichts anstellen können, dafür ist sie noch zu klein. Du hingegen gehorchst nicht immer, als du zum Beispiel einfach wieder in meinem Arbeitszimmer dir die Federkiele genommen hast.“ mit hochgezogener Augenbraue musterte ich meinen Sohn.
„Deswegen hast du mich nicht mehr lieb?“ kam es jetzt laut schniefend und postwendend war Alex aufgestanden und ging zu ihm hinüber.
„Wie in drei Teufels Namen kommst du denn darauf, Edward? Natürlich hab ich dich lieb, genau wie deine Mutter und deine Schwester!“ ich schüttelte den Kopf als Signal für meine Frau, dass sie ihn jetzt nicht trösten brauchte.
„Ich denke, ihr beide solltet einen Moment für euch sein.“ sagte sie leise, ignorierte mich und nahm mir Florence vom Schoß.
Mit den Ellbogen auf dem Tisch gestützt sah ich ihn für einen Moment schweigend an.
„Edward, ich liebe dich so wie du bist. Wenn ich dich ab und an zurechtweise oder du eine Strafe von mir bekommst, dann ist das nicht, weil ich dich nicht mehr lieb habe. Jeder Mensch aber braucht Grenzen, Regeln und Pflichten. Wir müssen uns alle daran halten, sonst würde nichts richtig funktionieren. Verstehst du das?“
Kopfschüttelnd sah er mich an.
„Aber woher weiß ich, dass etwas falsch ist, was ich mache?“ eine gute Frage!
„Das kannst du nicht immer wissen, das stimmt. Denk aber kurz an die Sache mit meinem Verbot, dass du mein Arbeitszimmer nicht ohne Erlaubnis betreten darfst. Du hast es dennoch gemacht, etwas kaputt gemacht und dafür hast du eine Strafe bekommen.“ eine leise Erkenntnis schlich sich in sein Gesicht.
„Wenn Mutter mir das erlauben würde, dürfte ich dann hinein?“ in diesem Moment wurde mir bewusst, dass Edward noch lange nicht so weit war, wie wir bisher dachten. Sein Verstand war noch nicht bereit, solche Zusammenhängen herzustellen.
„Dann ja, aber nur, wenn sie dich begleitet. Komm, lass uns vor den Kamin gehen. Hier ist es ungemütlich am Tisch.“ ich stand auf und nahm Edward auf den Arm.
Das Feuer wärmte uns langsam und für einen kleinen Moment schaute ich in die züngelnden Flammen, ehe ich ihm weiter meine Beweggründe erklärte.
„Schau, du wirst irgendwann genau wissen, was richtig und was falsch ist. Dafür sind deine Mutter, Sybill und ich da! Wir bringen dich auf den richtigen Weg. Dazu gehören dann auch ab und an Strafen, wenn du es wieder übertrieben hast. Umgekehrt loben wir dich, wenn du zum Beispiel unseren Anweisungen Folge leistest.“
Auch Edward sah auf das brennende Holz und es machte den Eindruck, als würde er gerade meine Worte im Kopf noch einmal wiederholen.
„Wann weiß ich das alles, Vater?“ grübelte er laut.
„Es kann noch etwas dauern, mein Sohn. Aber keine Sorge, auch ich musste in deinem Alter noch viel lernen. Auch deine Mutter!“ vorsichtig zog ich ihn weiter an meine Seite.
„Du hast noch einen weiten Weg vor dir, mein Sohn. Ich möchte dir nur zeigen, wie wichtig gutes Benehmen ist oder deine Ausbildung! Vermutlich bin ich wirklich oft etwas zu streng, aber glaube mir, es ist zu deinem Besten. Auch deine Schwester werde ich nicht mit Samthandschuhen anfassen. Wenn sie nicht artig war, bekommt sie ebenfalls eine Strafe. Wir werden das aber mit deiner Mutter gemeinsam alles schaffen.“
„Werde ich dann auch ein Gentleman wie Master Bassiter zum Beispiel? Oder … wie du?“ sein Gesicht strahlte bei diesem Gedanken.
„Das hoffe ich, Edward! Ich werde dir beibringen, wie man sich in Gesellschaft von Damen verhält und sich unterhält. Du wirst lernen, wie du ein geachteter Gentleman wirst. Das wird natürlich noch nicht gleich morgen soweit sein, ein wenig Geduld musst du haben.“ grinste ich, als ich seine leuchtenden Augen sah, weil er sich wohl schon ausmalte wie es als Erwachsener dann sein wird. „Versprichst du mir das, Edward?“ fragte ich nach, nur um sicher zugehen, dass er mir auch zugehört hatte.
„Ich verspreche es!“ seine Arme umschlangen mich und wir beide konnten diese innere Ruhe spüren.
Ein leises Räuspern aus Richtung der Tür ließ mich aufblicken.
„Ich störe die Herren hoffentlich nicht?“ langsam schritt Alex auf uns zu.
„Nein, wir sind gerade fertig geworden, mi sol.“ mit Edward auf dem Arm erhob ich mich. „Und ich denke, der junge Mann braucht dringend Schlaf.“
„Vater, warum sagst du zu Mama mi sol?“ fragend sah er von einem zum anderen. Also holte ich ein wenig aus und berichtete von meiner Liebe für Sprachen, besonders betonte ich, dass Spanisch einen wundervollen Klang hatte. Seine Mutter hatte eine kleine Sonne auf ihrem Bauch und das hätte mich auf diesen Kosenamen „meine Sonne“ gebracht. Umgekehrt erklärte ich ihm, was mi amor hieße.
„Kann ich das auch lernen, Vater?“ ich wollte das schon bejahen, als ich sah, wie Alex mit dem Kopf schüttelte.
„Du musst erst einmal überhaupt in die Schule kommen, dann reden wir noch mal darüber, min lille skat. Außerdem sollten wir das langsam angehen lassen. Englisch, Deutsch und Dänisch reicht fürs erste.“ Sie gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
Als Edward endlich eingeschlafen war, saß Alex erschöpft auf der Bettkante und starrte vor sich hin.
„Ich hatte keine Ahnung, dass Edward so denkt, mi sol. Aber ich verwöhne Florence doch gar nicht, ich möchte nur, dass es ihr, genau wie unserem Sohn, gut geht.“ ich versuchte unterdessen diese vermaledeite Halsbinde zu lösen. Meine Frau kam mir zur Hilfe, bevor ich den Stoff zerreißen konnte.
„Du bist schon recht streng, von Anfang an, Haytham. Du hast ihn immer korrigiert, wenn er nicht englisch mit dir sprach zum Beispiel.“ ihre Hände lagen auf meiner Brust und sie sah zu mir auf.
„Ist es aber nicht besser, rechtzeitig seine Fehler zu korrigieren, als wenn wir zu spät beginnen ihn in seine Schranken zu weisen?“ ein berechtigter Gedanke, wie ich finde.
„Schon, aber etwas liebevoller kann man das schon machen, oder besser etwas spielerischer. Ich hoffe, ihr habt euch vorhin ausgesprochen, soweit es denn ging. Edward schaut zu dir auf, du bist sein Vater und Vorbild.“ Alex befreite mich vollends von der Halsbinde und legte sie beiseite.
„Ich bin stolz auf ihn und ich liebe ihn. Ich will… er soll nur die beste Ausbildung…“ ihre Finger legten sich auf meine Lippen.
„Ja, er bekommt das Beste, da bin ich mir sicher. Weil du dafür sorgen wirst, mi amor.“ Alex zog mich zu sich hinunter und küsste mich sanft.
Etwas später lag ich hinter ihr und spürte langsam wie die Müdigkeit mich übermannte.
„Wer hätte gedacht, dass Erziehung so umständlich und schwer sein kann.“ nuschelte ich leise und hörte ein leises kicherndes „Ja, wer hätte das nur gedacht?“ meiner Frau.
Mitte Februar erreichte uns ein Brief meiner großen Schwester aus London. Für einen kurzen Moment hatte ich Sorge, dass ihr etwas zugestoßen war. Sie war zwar immer neutral geblieben was Bruderschaft und Orden anbelangt, dennoch konnte es gut sein, dass man sie als eine Bedrohung sah. Wer weiß was in den Köpfen so mancher Menschen von Statten ging.
Ich kann aber Entwarnung geben, weil es sich um eine freudige Nachricht handelte.
… Er war ein solcher Gentleman und hat mir gezeigt, dass er
meine Gesellschaft genoss und gerne an meiner Seite war.
Dieser Mann ist eine Wohltat im Gegensatz zu diesen
anderen Rüpeln, die sich bei mir vorstellten. Ihr könnt es euch
nicht vorstellen, aber vor einem halben Jahr hatte ich einen
Antrag eines Herren bekommen, welcher, nun ja, weitaus
älter als ich war. Er begründete seinen späten Antrag damit,
dass er die letzten Jahre nicht mehr alleine verbringe wolle und war
der Meinung, ich würde genauso denken, weil ich ebenfalls
nicht mehr die Jüngste sei. Könnt ihr euch das vorstellen?
So unverhohlen ist mir noch nie jemand gekommen!...
Master Mormon hatte also nicht aufgegeben und ihr immer wieder den Hof gemacht. Lächelnd sah ich mir die Zeilen erneut an. Vor meinem inneren Auge konnte ich mir die Szenerien ausmalen, wenn sie einen Verehrer in die Flucht geschlagen hatte.
Im Mai wollte man uns hier besuchen um ein paar persönliche Einladungen abzugeben.
„Das trifft sich gut, mi amor. Wir können dann mit ihnen gemeinsam zurück nach London segeln. Auf der Jackdaw ist genug Platz, so bräuchten die beiden keine Passage auf einem fremden Schiff buchen.“ Alex war ganz aufgeregt und schmiedete schon Pläne.
„Das hört sich nach einem vernünftigen Plan an, mi sol. Und Florence wäre dann auch schon alt genug für eine Atlantiküberquerung.“ ich konnte mir diesen Zynismus nicht verkneifen.
„Ja ich weiß, Edward war noch zu jung. Wie oft möchtest du mir das noch aufs Brot schmieren?“ fauchte sie mich an, während sie versuchte unauffällig eines ihrer Bücher zu greifen.
„Nicht sehr oft, zumindest nicht, wenn du diese Launen hast, mi sol.“ geschickt wich ich diesem Wurfgeschoss aus und eilte lachend aus ihrem Arbeitszimmer.
Sie zu provozieren bereitete mir immer noch eine sehr böse Freude musste ich mir schmunzelnd eingestehen.
Der März begann noch recht kühl, aber die Pflanz- und Saatzeit begann und ich musste mich um die zu bestellenden Felder und die Pächter kümmern.
„Ah, Master Kenway!“ rief mir Mildreds Mann entgegen. „Ihr seid heute aber bereits früh unterwegs.“
„Ihr wisst doch, ich habe keine Ruhe, ehe ich mich nicht überzeugt habe, dass alles noch an seinem Platz ist.“ lachte ich und ging mit ihm über eines seiner zwei Weizenfelder.
„Dieses Jahr sollten wir hier noch einmal dem Weizen eine Chance geben und nächstes Jahr tauschen wir mit Mr Benett und dem Mais.“ überlegte ich, als ich mir die Bodenbeschaffenheit näher ansah.
„Die Probepflanzen gedeihen übrigens gerade prächtig. Wenn ihr mir folgen wollt, zeige ich sie euch.“ er führte mich in Richtung eines kleinen Gewächshauses, wo auf den Tischen unzählige Töpfe mit keimendem Saatgut standen.
„Das sieht hervorragend aus!“ wir hatten ein Experiment gestartet mit einer veränderten Weizenart, die ich aus Übersee bekommen hatte. Es war fraglich, ob wir damit hier Erfolg haben würden. Aber wie es schien, könnte es funktionieren.
Am Abend kehrte ich nach Hause zurück. Gerade als ich durch die Tür kam, bat mich meine Frau kurz zu warten und deutete auf den Salon. Dort sah ich Edward, wie er seine kleine Schwester an den Händen hielt. Sie stand auf ihren eigenen Füßen!
Überrascht sah ich zu Alex, welche vor Stolz Tränen in den Augen hatte.
Ich kniete mich hin und wartete, was nun passieren würde. Mit wackligen kleinen Schritten und konzentriertem Ausdruck im Gesicht kam Florence auf mich zu.
„Das ist ja großartig, Florence!“ kurz bevor sie doch noch hinfallen konnte, hob ich sie hoch! „Jetzt müssen wir ja noch mehr aufpassen, damit du nichts anstellst.“ grinste ich breit, als ich Alex flüstern hörte.
„Edward hat ihr das Laufen beigebracht, mi sol.“ sie deutete dabei auf die Tür zum Salon.
„Das hast du gut gemacht, Edward. Ich bin stolz auf dich.“ mit einem breiten stolzen Lächeln kam auch er auf mich zu und umarmte mich.
Von meiner Frau vernahm ich ein leises Schluchzen, als sie uns betrachtete.
Der März brachte aber auch noch ein weiteres freudiges Ereignis mit sich. Der Sohn meines Kammerdieners und seiner Frau kam zur Welt, erhielt den Namen Lionel und war der kleine Mittelpunkt für ein paar Wochen hier im Hause.
Edward wachte mit Adleraugen über ihm, erklärte seiner Schwester dass sie leise sein müsse und so weiter.
„Haytham, mir ist es eigentlich nicht recht wenn Magda so schnell wieder in meine Dienste tritt.“ ich sah wie sie sich Gedanken über ihre Zofe machte.
„Du siehst aber doch, dass alles bereits geregelt ist und denke daran, dass es hier immer noch eine andere Arbeitsmoral …“ setzte ich an, doch sie ließ mich nicht ausreden.
„Ja, ich weiß. Das Kind beim Kartoffeln ernten auf dem Feld bekommen und weiterarbeiten, als wäre nichts passiert.“ entnervt sahen mich diese grünen Augen an.
„Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, mi sol. Vertrau mir.“ bat ich sie eindrücklich.
„Okay…“ kam es lang gezogen aus ihrem Mund. Was sollte das eigentlich bedeuten?
„Das heißt soviel wie, alles in Ordnung.“ grinste sie und verschwand in ihrem Arbeitszimmer.
In der dritten Aprilwoche sollte der angekündigte Besuch hier erscheinen und meine Gattin wurde zusehends nervöser.
Alles sollte perfekt und auf Hochglanz poliert sein. Selbst für mich war es schon fast zu viel der guten Etikette, wenn ich ehrlich sein soll.
„Alex, es ist doch schon alles perfekt. Wenn die Mädchen noch öfter den Boden schrubben, dann wird das Holz morsch!“ ich musste bei meinen eigenen Worten leise lachen, weil ihre Pingeligkeit so absurd war.
„Es ist Madeleine! Sie soll nicht denken, dass ich einen schlampigen Haushalt hier führe!“ rief sie mir über die Schulter zu, als sie mit einigen frisch gestärkten Laken über dem Arm ins Gästehaus eilte.
Grinsend sah ich ihr hinterher, widmete mich dann aber wieder meiner eigenen Arbeit.
Wir hatten weitere Zugänge im Orden und auch in der Bruderschaft zu verzeichnen. Alsbald sollten die Aufnahmezeremonien für die ausgebildeten Brüder stattfinden. Ich ging die Liste der Damen und Herren noch einmal durch, las mir ihre Zeugnisse sorgfältig durch um entsprechende Beurteilungen anzufügen.
Am Nachmittag des 15. Aprils kündigten sich die Eheleute de L´Isle und de Grandpré an.
Gerade noch war meine Frau entspannt dabei ihren Kaffee zu genießen, als sie schon aufsprang wie von der Tarantel gestochen. Hastig zog sie mich mit hoch, strich mir imaginäre Flusen von meinem Gehrock, richtete meine Halsbinde und sah mich musternd an.
„So kannst du sie begrüßen.“ grinsend zog sie mich in die Eingangshalle.
Nach der Begrüßung wurde ihnen ihre Unterkunft gezeigt und nach den persönlichen Wünschen gefragt.
Die Tochter von Monsieur de Granpré, Avéline, war ebenfalls mit angereist. Bis jetzt stand nicht fest ob sie ihren Vater und ihre Stiefmutter begleiten würde.
Nach einer kleinen Erfrischung gingen die Damen ihrer Wege und ich begab mich mit Phillipp in den Salon um über die neuesten Ereignisse in New Orleans zu sprechen.
Sein Kaffeehandel florierte, jedoch erschwerten die stationierten spanischen Soldaten oftmals die Verladung oder aber die Schiffe konnten nicht in den Hafen einlaufen.
Auch dort brodelte es an allen Ecken und Enden.
„Master Kenway, ich wünsche mir doch nur, dass meine Tochter es einmal einfacher hat und ihr Erbe ohne Probleme annehmen kann.“ seufzte er in sein Brandyglas.
„Wünschen wir uns das nicht alle für unsere Kinder?“ philosophierte ich vor mich hin.
„Aber ihr müsst zugeben, es ist ein schwieriges Unterfangen, sie auf ihrem Weg weise zu beraten und zu erziehen, nicht wahr?“
Er sprach mir aus der Seele damit, auch mir ging dieser Gedanke immer wieder durch den Kopf.
Miss Tabea meldete sich plötzlich mit der Information, dass das Abendessen angerichtet sei.
Also machten wir uns auf die Suche nach unseren Frauen. Wir fanden sie unten am Fluss bei der alten Weideneiche, wo sie sich leise unterhielten. Von Alex schien jegliche Anspannung abgefallen zu sein. Ihr Blick war zufrieden, als sie sich unterhakte und wir alle gemeinsam hineingingen.
„Eure Tochter ist aber wirklich ein kleiner Engel. So brav.“ kam es liebevoll von Monsieur de Grandpré. Er hatte sie ja auch noch nicht erlebt, wenn sie übermüdet war, dachte ich grinsend.
„Avéline, ihr seid so schweigsam. Ich hoffe, euch ist die Reise nicht auf den Magen geschlagen?“ hakte Alex plötzlich nach. Erst jetzt fiel mir auch auf, dass das Mädchen etwas gedankenverloren auf ihrem Teller herumstocherte.
„Verzeiht, Mistress Kenway, aber ich habe bis gestern spät in der Nacht noch über den Geschäftsbüchern meines Vaters gesessen, dass ich diese Zahlen immer noch vor mir sehe.“ lächelnd sah sie von einem zum anderen.
„Eure Ausbildung scheint also gut zu verlaufen? Es ist immer von Vorteil, wenn die Kinder in die Fußstapfen der Eltern treten können.“ mit einem stolzen Blick zu Edward fragte ich nach.
Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich glauben, mein Sohn sei in Wachs gegossen. Er achtete penibel auf sein Verhalten beim Essen, seine Gesten und seine Worte. Er erstaunte mich!
Alex erhob sich kurz darauf um die Kinder zu Bett zu bringen, als wir alle in den Genuss dieses „kleine, braven Engels“ kamen! Bevor es jedoch noch ausarten konnte, übernahm ich Florence und ging mit ihr ohne weitere Worte hinauf. Eine Entschuldigung würde ich später den Gästen aussprechen.
Edward kam zähneknirschend hinterher.
Er würde warten müssen, bis ich wieder hinunter ginge, ehe seine Mutter ihm vorlesen konnte. Ich war aber guter Hoffnung, dass Florence recht zügig einschlafen würde. Es war ein langer Tag für sie gewesen.
Meine Tochter hatte jedoch noch andere Pläne für mich wie ich feststellen musste. Sie lag auf meiner Brust und ich las ihr ein paar Zeilen aus einem kleinen Roman vor. Ihre Augen fielen immer wieder zu und sie entspannte sich.
Als ich schon aufstehen wollte um sie schlafen zu legen, verlangte sie nach ihrem Tee mit Honig, welcher immer an ihrem Bett stand. Alex war es wichtig, dass die Kinder genügend tranken.
Ich hob den Becher an ihren Mund, während ich sie wieder auf dem Schoß hatte, als sie ohne Vorwarnung niesen musste und mir den Inhalt über das Hemd goss.
„Verzeiht, Master Kenway.“ Sophia eilte dazu, nahm Florence um sie ebenfalls wieder umzuziehen.
Ich hingegen, gab meiner Tochter einen Kuss und ging hinüber um mich neu einzukleiden.
Im Anschluss ging ich noch zu Edward, welcher hibbelig auf seinem Bett saß. Er wartete sehnsüchtig auf eine Geschichte die Alex ihm erzählen würde.
„Gute Nacht, Vater. Habe ich mich gut benommen?“ fragte er erwartungsvoll.
„Das hast du, Edward. Sehr vorbildlich hast du dich bei Tisch geschlagen.“ dabei wuschelte ich ihm durch die Haare. Eine Geste, welche ich selber als Junge immer als eine Art Unterstreichung für ein Lob empfunden hatte.
Unten im Esszimmer löste mich Alex ab, nachdem ich ihr versichert hatte, dass das neue Hemd nur mit einer Unachtsamkeit meinerseits zu tun hätte.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, machten wir uns auf den Weg um die Lager zu inspizieren.
Erst vor ein paar Tagen waren Lieferungen eingetroffen, die Kaffee und Wein beinhalteten.
„Diese Lagerhäuser sind wirklich nicht zu verachten. Der Platz ist mehr als ausreichend, auch wenn mal etwas zwischengelagert werden muss. Wie sieht es denn mit der Sicherung aus?“ fragte Phillipe nach, als er die Tore inspizierte.
„Wir haben extra Schlösser überall und es patrouillieren rund um die Uhr Wachen.“ versicherte ich ihm.
Anerkennend nickte der Mann und ging hinein.
„Dieser fantastische Geruch der Kaffeebohnen.“ seufzte er freudig.
„Monsieur de Granpré, da kann ich euch nur zustimmen. Es gibt nichts besseres.“ meine Gattin war in ihrem Element. Diese Leidenschaft für dieses Getränk konnte ich aber immer noch nicht wirklich teilen.
Um beim Thema zu bleiben, begann ich die Sicherheit auf See noch einmal zu betonen. Es war mittlerweile möglich, fast unbeschadet von A nach B zu kommen, weil wir entsprechenden Schutz zusammen mit den Handelsschiffen entsandten.
Dazu kam, dass Alex und mir ein gewisser Ruf voraus eilte. Man ließ Vorsicht walten, sobald unsere Namen in den Listen auftauchten. Ob es jedoch für die Ewigkeit war, Stand in den Sternen!
Wir hatten gerade wieder die Pferde bestiegen um einige der Felder abzureiten, als uns der Aufseher entgegenrannte.
„Master Kenway! Es wurden wieder Banditen hier gesichtet. Sie halten sich derzeit noch nicht hier auf der Plantage auf, aber haben ihr Lager nicht weit von den ersten Weizenfeldern aufgeschlagen!“
Das war doch nicht wahr!
„Dann machen auch euch diese Kriminellen das Leben schwer? Wir haben ebenso mit diesen umher streunenden Bastarden immer wieder zu kämpfen. Sie lassen sich nicht unterkriegen!“ Monsieur de Granpré war sichtlich außer sich.
Wir beschlossen dem Ganzen auf den Grund zu gehen, baten die Damen wieder zurückzureiten und folgten Mr Robinson. Leider bezweifelte ich, dass mein Begleiter wirklich kampferprobt war, er war eher der typische Händler.
Meine Begleiter und ich folgten dem Aufseher bis zu besagtem Lager. Unsere Pferde banden wir in einem kleinen Dickicht fest und schlichen uns weiter heran. Ich traute meinen Augen nicht!
Insgesamt zählte ich 5 Zelte welche um ein Lagerfeuer standen. Die Anzahl der vermeintlichen Banditen war zuerst nur schwer auszumachen, weil einige allem Anschein nach auf Erkundungstour waren.
Wir hatten aber das Glück auf unserer Seite.
„Schaut, dort hinten kommen 6 Männer aus dem Wald.“ flüsterte Monsieur de Granpré neben mir.
So langsam konnte man ihre Stärke ausmachen. Es waren insgesamt 20 Mann, welche hier herumschlichen. Mein Adlerblick brachte keine wirklich neuen Erkenntnisse, außer dass nicht alle mit einer feindlichen Aura umgeben waren.
14 von ihnen trugen die Uniform der britischen Soldaten. Bei genauerer Betrachtung fiel auf, dass sie ungepflegt, Löchrig und stellenweise auch verblichen waren. Die Waffen hingegen machten einen tadellosen Eindruck.
Nach ungefähr einer Stunde weiterer Observation beschlossen Mr Robinson, Phillipe und ich zurückzureiten um einen Plan zu schmieden, wie wir diesem Haufen abgeranzter Individuen Herr werden konnten.
Nach 2 Stunden sahen wir das Herrenhaus und ich trieb Brida an. Ich war völlig verschwitzt und staubig! Ich brauchte eine kurze Erfrischung und neue Kleidung, was mir die Möglichkeit gab, in dieser Zeit meine Gedanken zu sortieren.
Wortlos ging ich an meiner besorgt drein schauenden Gattin vorbei hinauf und rief gleichzeitig nach Michael.
Phillipe ließ sich ebenfalls neue Garderobe bringen.
Wie konnten man diese Brut von hier vertreiben? Wir könnten sie angreifen, Wachen genug wären vorhanden und ich könnte sicherlich auch in den nächsten Tagen noch Verstärkung aus Richmond zum Beispiel bekommen.
Ich vermutete aber, dass der Großteil Deserteure sein mussten und sie würden nicht so einfach mundtot zu bekommen sein. Diesen Männer war alles egal, so meine Erfahrungen in den Jahren unter Braddock und in den Niederlanden.
Unten im Salon erwartete man mich schon voller Erwartung. Etwas erschöpft ließ ich mich auf eines der Sofas nieder, nahm mir ein Glas Brandy und wollte eigentlich ruhig von unserer Beobachtung erzählen.
„Es ist schlimmer als wir dachten! Diese Gruppe ist weitaus größer als die letzte! Und wie es aussieht, sind es ausschließlich Deserteure!“ eine leichte Wut war in mir hochgekocht und ich schlug etwas zu heftig mit der flachen Hand auf die Lehne. Erschrocken sah mich Alex an.
„Master Kenway, aber im Grunde hätte man dann leichteres Spiel mit ihnen. Informiert die hier stationierten Einheiten der Armee und sie werden sich dann darum kümmern. Deserteure, dass wisst ihr, werden direkt vor das Kriegsgericht gestellt. Ich glaube kaum, dass diese Männer so etwas riskieren wollen!“ sein Ansatz war sicherlich richtig, aber auch die Androhung der Todesstrafe würde sie nicht abschrecken, wie ich ja bereits schrieb.
„Natürlich ist das mein erster Schritt. Wir müssen uns aber auch hier schützen. In diesem Moment bin ich froh, dass unsere Pächter, Bauern und sogar die Frauen ein Kampftraining bekommen haben.“ Phillipe bekam große Augen bei meinen Worten.
„Die Frauen auch? Ihr habt ihnen Waffen in die Hände gegeben?“ seine Worte klangen entsetzt. Wie man es denn wagen könne, einer Frau so etwas anzuvertrauen, ging ihm vermutlich gerade durch den Kopf.
„Monsieur de Granpré, ich habe die Damen ausgebildet, damit sie sich, wenn ihre Männer nicht zuhause sind, ebenfalls verteidigen können.“ Alex hatte die Hoffnung sein Verständnis damit zu wecken. Leider war aber dieser Herr noch weit entfernt von meiner Toleranz für Frauen mit Waffen.
In seinem Gesicht sah man diesen typischen väterlichen Ausdruck, wenn man seinem Gegenüber nicht unbedingt widerspricht, aber dennoch anderer Meinung ist.
„Ich freue mich, wenn eine Frau sich verteidigen kann. Doch muss es mit solcher Waffengewalt sein? Es sind zum größten Teil Mütter, wenn ich Master Kenway richtig verstanden habe. Sie sind geschützt durch ihre Ehemänner, so wie ihr und eure Kinder auch, Mistress Kenway.“
Mein Blick wanderte langsam zu ihr und sie atmete tief ein und aus, ehe sie antwortete und ich befürchtete schon, sie würde ihn stramm stehen lassen für seine, in ihren Augen, unverschämten Worten.
„Natürlich habt ihr Recht, Monsieur de Granpré, ich vertraue da ganz auf meinen Mann.“ ihre Stimme triefte vor Zynismus, welchen ihr Gesprächspartner jedoch nicht verstand. Lediglich Avéline, die neben ihrem Vater saß, lächelte wissend in ihre Richtung.
Phillipe und ich berieten den restlichen Abend über ein mögliches Vorgehen, eine Strategie und ähnliches.
Ich ließ vorsichtshalber noch einmal die Wachen verstärken und plädierte auch für einen engeren Nachtdienst bei den Bauern und Pächtern, bis wir dem ganzen Herr geworden sind.
„Haytham, wir sollten auch über mehr Schutz im Allgemeinen nachdenken. Wir im Süden sind teilweise auch machtlos gegen diese Banden. Ich schlage vor, wir rekrutieren in den nächsten Wochen neues Aufsichtspersonal.“ sein Vorschlag gefiel mir und wir besprachen, wie ein solches Vorstellungsgespräch ablaufen sollte. Welche Fragen gestellt werden, damit wir sicher sein konnten, nicht irgendwelche Spione später in unseren Reihen zu haben.
Aus den Augenwinkel warf mir Alex einen seltsamen Blick zu und schüttelte dann lächelnd den Kopf. Hatte ich etwas falsches ihrer Meinung nach gesagt?
Ein Sicherheitsdienst hier und im Süden war von Nöten, da führte kein Weg mehr dran vorbei. Wir mussten auch an die nächsten Jahre und die kommenden Aufstände denken. Von einem bevorstehendem Krieg sagte ich nichts, weil Monsieur de Grandpré noch nichts ahnte.
Mit Madeleine würde meine Frau über eine entsprechende Rekrutierung in den Reihen der Assassinen und Templer sprechen. Vielleicht könnte man auch Avéline von unserer Sache überzeugen, dachte ich für einen kurzen Moment.
Zwei Tage später erschien eine Gruppe britischer Soldaten mit ihrem Major bei uns und erstattete Bericht über die Vorkommnisse dieser vermeintlichen Deserteure. Man suchte schon länger nach einigen von ihnen, auch wenn nicht alle der britischen Armee angehörten! Der Major hatte sich umgehört und die Namen herausgefunden.
„Ungefähr zwei Drittel dieser Wegelagerer standen bis vor kurzem im Dienst seiner königlichen Majestät. Alle anderen versprechen sich vermutlich einfach einen warmen Platz oder reiche Beute!“ lachte dieser Mann über den letzten Satz und sah sich nach Bestätigung hier um. Diese bekam er aber nicht, weil niemand hier den britischen Soldaten wirklich wohlgesonnen war.
Es war Madame de L´Isle welche sich lautstark dazu äußerte.
„Eure Soldaten sind es, die meine Schiffe überfallen, oder meine Lager plündern, weil sie nicht ausreichend entlohnt werden! Und ich soll das auch noch alles gutheißen? Züchtigt diese Meute gefälligst, damit sie weiß, woran sie ist. Aber auf Kosten von unschuldigen Bürgern sollte dieser Kampf nicht ausgetragen werden!“ fauchte sie den Herren an, welcher immer weiter zurückwich bei jedem Wort.
„Keine Sorge, Madame! Ich sorge für eine gerechte Bestrafung!“ er versuchte autoritär und zuversichtlich zu klingen. Seine Aussage erhielt aber nur ein abwertendes Schnauben beider Damen. Sie hatten den Glauben an die Armee ein wenig verloren, zurecht, wie ich sagen muss.
Am nächsten Tag reiste diese Delegation wieder ab und ließ uns mit einem mehr als unguten Gefühl zurück.
„Mir schmeckt das nicht. Irgend etwas war an der Sache faul.“ grübelte ich laut vor mich.
„Dann bin ich nicht alleine mit diesem Gedanken. Das ging zu einfach, findet ihr nicht auch?“ auch unser Geschäftspartner war sichtlich unsicher.
Kurzerhand beschlossen wir die Sache selber in die Hand zu nehmen und ihnen hinterher zureiten.
Etwas sprachlos sah meine Frau mich an, als ich eine Stunde später auf meiner Stute saß. Neben mir hatte Phillipe sein Reittier bepackt und wir ritten los.
Was er aber nicht sah war, dass Avéline sich heimlich zum Pferdestall aufmachte mit einem kleinen Bündel auf dem Rücken. Sie wollte uns folgen?
Hoffentlich ging das gut!
Während unseres Ritts, sah ich mich hier und da mit meinem Blick um und machte Avéline in einiger Entfernung zu uns aus. Sie traute ihrem Vater vermutlich ebenso wenig einen Kampf zu, wie ich.
Lächelnd dachte ich an meine eigene Tochter, welche mir hoffentlich mehr zutrauen würde und mich nicht verfolgen würde. Umgekehrt wäre ich sicherlich derjenige, der sich Sorgen um SIE machte. Ob nun gerechtfertigt oder einfache elterliche Fürsorge.
„Haytham, ihr seht so zufrieden mit einem Mal aus.“ holte mich Phillipe aus meinen Gedanken.
„Zufrieden dass wir heute mit diesen Streunern aufräumen können!“ erwiderte ich im Plauderton, aber es war mein Ernst mit diesen Worten.
„Ich bin gespannt, wie der Major mit seinen Leuten umgehen wird. Ich gehe davon aus, dass es Soldaten aus seinem Regiment sein müssten, sonst würde er sich nicht persönlich darum kümmern wollen.“
Erwähnt hatte er es zwar nicht explizit, aber es könnte wahr sein. Wir sollten auf der Hut sein.
Nach zweieinhalb Stunden kamen wir am besagten Lager der Deserteure an.
Von weitem hörte man lautes Stimmengewirr, Stahl klirrte auf Stahl und Hufgetrappel war auszumachen.
Beim genaueren Betrachten herrschte dort ein reges Handgemenge.
Soviel zum Thema, dass diese Fahnenflüchtigen und Banditen sich freiwillig ergeben würden.
Gute Worte würden nicht reichen.
Ich schwang mich von Brida um dem Major zu helfen und mein Begleiter zögerte für einen kurzen Moment. Er war kein Mann des Kampfes, das wurde jetzt deutlich.
Doch dann stieg er von seinem Pferd, straffte die Schultern, zog sein Schwert und trat neben mich.
Ich nickte ihm zu und gemeinsam begannen wir einen nach dem anderen Bewegungsunfähig zu machen.
Ob nun ein Schlag mit dem Schwertgriff oder dem Kolben der Pistole um sie bewusstlos zu bekommen oder eine Fleischwunde, welche sie Kampfunfähig machte.
Die Zahl der Deserteure und deren Anhänger war größer als zunächst angenommen. Es schienen sich ihnen noch einmal ein Dutzend mehr angeschlossen zu haben.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie Phillipes Tochter auf einen Baum in der Nähe kletterte, sich positionierte und ein Blasrohr zur Hand nahm. Zielsicher traf sie einen nach dem anderen mit einem Pfeil, welcher mit einem Schlafgift getränkt war, mutmaßte ich, als die ersten einfach zu Boden sackten.
Es dauerte im Grunde nicht allzu lange und wir konnten sie alle fesseln und die gröbsten Wunden versorgen. Sterben sollten sie auf gar keinen Fall, bevor sie ihrer gerechten Strafe zugeführt worden waren!
„Ich habs euch gesagt, diese Plantagenbesitzer machen kurzen Prozess mit uns. Siehst ja, kommen mit ner halben Armee hinter uns her.“ pöbelte ein Herr mittleren Alters, verfilzten Haaren und Bart.
Ein anderer spuckte uns angewidert vor die Füße.
Der Major selber war die Ruhe in Person und ging mit verschränkten Händen auf dem Rücken an dieser Meute entlang.
„Eure Namen, das Regiment! Wenn ich bitten darf!“ befahl er den Männern, aber keiner machte Anstalten diesem nachzukommen. „Oh, ich verstehe. Ihr wollt ganz schlau sein und glaubt, so könntet ihr eurer Strafe entgehen!“
Seine Männer hoben ihre Gewehre, legten an und zielten auf einen Fingerzeig von ihm.
„Ihr werdet nicht hier und jetzt erschossen, dass wäre zu einfach. Aber wenn ihr mir und meinem Schreiber nicht eure Identität geben wollt, dann werden wir für ein paar kleinere Blessuren sorgen, die euch zum Reden bringen werden!“ rief er ihnen entgegen und marschierte weiter auf und ab.
Kein Ton kam von Gefangenen, nicht einmal ein abfälliges Schnauben!
Sie waren alle verstummt!
Die Hand des Majors senkte sich und die erste Salve wurde auf die Füße der Männer gerichtet.
Erst vernahm man den Knall des Schusses, dann lautes Geschrei der Verwundeten, welche sich verzweifelt versuchten auf den Beinen zu halten! Langsam verzog sich der Rauch der Musketenschüsse und zurück blieben schmerzverzerrte Gesichter.
„Nachladen!“ kam der nächste Befehl und jetzt sollte allen klar sein, dass der Herr hier vor ihnen nicht scherzte!
„Anlegen!“ in den Reihen der Gefesselten keimte Angst auf, ihr Zittern war deutlich wahrzunehmen.
Gerade als er den Befehl zum Schießen geben wollte, brüllte einer von ihnen „Johnathan Whittacker, 12. Regiment unter eurem Befehl!“ und ließ sich kraftlos auf den Boden sinken.
Der Schreiber war so überrascht, dass er fast vergaß alles zu notieren. Auf einmal besannen sie sich alle und folgten dem Vorredner.
Nach einer geschlagenen Stunde waren alle Namen notiert und der Major war mit sich und seiner Arbeit zufrieden.
„Es freut, mich dass ihr so kooperativ ward, Gentlemen!“ diese Ironie in seiner Stimme ließ mich grinsen, auch wenn ich den Begriff „Gentlemen“ in diesem Zusammenhang eher nicht genutzt hätte.
Man hatte vorsorglich für Karren gesorgt, auf welche jetzt die Gefangenen gehievt wurden, nachdem wir sie noch notdürftig mit Verbänden versorgt hatten.
Von Avéline war nichts mehr zu sehen, aber ich wusste, sie hielt sich hier noch irgendwo auf. Sicher waren wir nämlich noch nicht und sie würde warten, bis wir weiter ritten.
„Wir werden sie jetzt nach Richmond bringen, dort bleiben sie bis zu ihrer Verurteilung im Gefängnis. Ich vermute, es wird nicht einmal eine Woche bis zur Verkündung vergehen.“ lachte der Befehlshaber neben mir und klopfte mir auf die Schulter.
Er schien richtig Freude an seiner Arbeit zu haben, dachte ich kopfschüttelnd.
Wir würden diese Truppe jedoch nicht ganz bis nach Richmond begleiten.
„Das ist auch nicht nötig, Master Kenway. Ich bin euch für eure Hilfe dennoch sehr dankbar und hoffe auf eure Mithilfe, sollte es noch einmal einen ähnlichen Vorfall hier geben.“ damit sprach er nicht nur Banditen und Überfälle an, sondern zwischen den Zeilen verlangte er absolute Loyalität der britischen Armee und Krone gegenüber. Wir würden sehen, wie sich alles entwickelt. Doch das sagte ich natürlich nicht.
„Ich werde zur Stelle sein um meinen Grund und Boden zu verteidigen und meine Familie zu schützen, Sir.“ antwortete ich stattdessen mit einem gefälschten Lächeln auf den Lippen.
Am nächsten frühen Nachmittag hatten wir das kleinen Dörfchen erreicht, wo sie Rast machen und noch einmal die Gefangenen verarzten wollten.
Außerdem brauchte man noch etwas Proviant und ein kleines Mittagessen.
Im Anschluss daran verabschiedeten Phillipe und ich uns.
„Ihr solltet bei der bevorstehenden Hinrichtung dieser … fehlgeleiteten Individuen anwesend wie ich finde. Ihr habt es euch verdient.“
Verdient, ja? Es gab Menschen, welche mir nie sympathisch werden würden. Dieser Major gehörte definitiv dazu und ich hoffte, ihm nie wieder begegnen zu müssen.
„Wir werden in einer Woche zu euch stoßen.“ versprach zähneknirschend und verkniff mir jeglichen weiteren bissigen Kommentar.
Dann endlich konnten wir umkehren und ich sah, wie sich ein Schatten hinter dem Stall löste und sich von uns entfernte. Diese junge Assassine hatte eine fantastische Ausbildung genossen. Wer nicht so geübt war in seiner Beobachtung würde sie nicht entdecken!
Phillipe und ich unterhielten uns über diese etwas ungewöhnliche Einladung.
„Ich denke, es wird besser sein, wenn wir ohne die Damen daran teilnehmen werden. Ich bezweifle, dass sie diesem Spektakel ohne Ohnmachtsanfall nicht bewohnen können.“
Mir lag auf der Zunge, dass er sich gerade sehr täuschte und gerade unsere beiden Frauen nicht so zartbesaitet waren, wie er vermutete.
„Meine Gattin wird sicherlich nicht nein zu einer kleinen Reise sagen, Phillipe. Wenn wir dort sind, können wir ja immer noch entscheiden, ob wir alleine dorthin gehen oder in Begleitung.“ formulierte ich meine Gedanken mit Bedacht.
„Es kommt ja auch auf ihre Verfassungen an, wenn ihr versteht was ich meine.“ raunte er mir verschwörerisch zu.
Ja, ich verstand ihn.
Als ich die lange Auffahrt zu unserem Haus erblickte, war ich unendlich froh und freute mich auf ein Bad, gutes Essen, ein Glas feinem Whiskeys und meine Gattin!
Auf der Koppel war mein Sohn gerade dabei sein Pferd an der Longe zu führen. Plötzlich sah Edward in unsere Richtung, ließ alles stehen und liegen und rannte zu mir.
„Vater, du bist wieder da!“ Ich stieg von Brida um ihn auf den Arm zu nehmen.
„Ich habe mich sehr auf zuhause und dich gefreut, mein Sohn. Komm, Monsieur de Granpré und ich haben einen Mordshunger.“ erklärte ich ihm.
„Miss Tabea hat heute aber wieder diese eklige grüne Suppe gekocht. Die schmeckt nicht!“ dabei schüttelte er sich. Ich erinnerte mich an dieses Gericht. Es bestand aus Spinat, grünem eingelegtem Kohl und Kartoffeln, wenn ich richtig lag. Sie war schmackhaft, aber für Kinder sicherlich kein Gaumenschmaus.
„Dann schauen wir nachher einmal, ob wir nicht ein paar süße Brötchen bekommen können. Aber sag es nicht deiner Mutter.“ flüsterte ich, als besagte Dame sich uns näherte.
„Kaum wieder daheim schon große Geheimnisse vor mir?“ lachte sie und gab mir einen sanften Kuss.
„Wie kommst du nur darauf, mi sol. Wir Männer haben nur hier und da Dinge, die die Damenwelt nicht verstehen kann. Nicht wahr, Phillipe?“ grinste ich in seine Richtung und er nickte wissend.
Nachdem ich wieder in sauberen Sachen steckte, eine schnelle Mahlzeit bestehend aus Rührei und gebuttertem Toast bekommen hatte und mich mit einer Tasse Tee auf der Terrasse niederließ fühlte ich mich wieder wohler in meiner Haut.
Wir berichteten von den bevorstehenden Verhandlungen und daraus resultierenden Hinrichtungen. Die Bitte um unsere Anwesenheit dazu sprach ich ebenfalls an und Alex zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Das nenne ich eine seltsame Einladung, mi amor. Aber nun gut. Wann werden wir aufbrechen?“ hakte sie nach und begann im Geiste schon die Truhen zu packen.
„Wir sollten in 4 Tagen aufbrechen, dann sind wir rechtzeitig zur Verkündung in Richmond.“ im Kopf hatte ich ausgerechnet, wie lange wir unterwegs wären, wenn wir mit Kutschen und Kindern reisen würden. So wären die 7 Tage, welche der Major veranschlagt hatte, einzuhalten.
„Ihr wollt euch so eine schreckliche Szenerie ansehen, Mistress Kenway? Seid ihr sicher?“ hakte Phillipe nach und sah dabei auch zu seiner eigenen Gattin.
„Die Bitte dort zu erscheinen können wir schlecht einfach ausschlagen, nicht wahr? Es wäre unhöflich denke ich.“ erwiderte meine Frau souverän.
Auch Madeline stimmte zu, dass es ein Fauxpas wäre, diese Einladung nicht anzunehmen.
Achselzuckend sah mich der Herr an und grinste dabei, so als wolle er sagen, dass man gegen die Damen besser nicht wettern sollte.
Wo er Recht hatte! Dachte ich im Stillen!
Richmond, 29. April 1767
Wir kamen nach den geplanten 4 Tagen endlich an unserem Büro an.
Erst jetzt fiel mir ein, dass Alex es ja noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatte! Ihre Augen wanderten über die Fassade, den Vorgarten und sie nickte staunend.
„Hier haben wir wirklich genügend Platz, mi amor. Und schau mal, Rory hat sogar schon ein Schild mit seinem Namen angebracht.“ vorsichtig strich sie über die Messingplatte am Eingangspfosten.
„Es gibt auch schon die ersten Rekruten aus beiden Reihen, welche sich hier mit niedergelassen haben.“ flüsterte ich, so dass Monsieur de Granpré es nicht hören konnte.
„Fantastisch!“ lächelte sie und ging hinein.
Die Truhen wurden in unsere Gemächer gebracht und die Kinder konnten sich hinten im Garten etwas austoben, mit ihren Kindermädchen und einer Wache versteht sich. Für Erfrischungen war gesorgt durch das gute Küchenpersonal hier vor Ort.
Mr Gillehand saß uns jetzt gegenüber in dem Versammlungszimmer und klärte uns über den letzten Stand der Dinge auf.
„Die Hinrichtung der Männer findet übermorgen statt. Der hiesige obere Richter hat heute Vormittag das Urteil gesprochen. Außerdem haben die Schuldigen alle Taten zugegeben, welche ihnen vorgeworfen wurden. Es ist schrecklich! Diese Männer haben einen regelrechten Streifzug von New York über Boston hierhin gemacht. Man könnte auch meinen, sie hätten eine Schneise der Gewalt hinterlassen!“ angewidert schüttelte er den Kopf.
Ich konnte mir denken, was sie alles verbrochen hatten und mir lief es eiskalt den Rücken herunter.
„Ganze Familien hat man ausgelöscht, nur um an genügend Geld zu kommen.“ Gillehands Blick war immer noch betrübt und er sah in seine Teetasse.
„Sie werden ihre gerechte Strafe erhalten und das ist dass Wichtigste!“ kam es entschieden von Monsieur de Granpré und seine Frau nickte zustimmend.
Der Anwalt berichtete darauf von seinen ersten Erfolgen vor Gericht. Langsam machte er sich einen Namen. Endlich konnten wir auf einen loyalen Mann vor Gericht zurückgreifen. Auch hatte er bereits an einigen Gesellschaften von zwei Richtern teilgenommen, wo man ihm auch gleich nahegelegt hatte, sich nach einer Frau umzuschauen. Bei diesem Satz musste er lachen. Im Grunde war er immer noch nicht soweit, sich zu binden, erklärte er uns. Niemand würde ihn zwingen, ich am allerwenigsten.
An diesem Abend stand eine Gesellschaft bei bereits erwähntem oberen Richter, Mr. Jakub Burns an.
Meine Gattin hatte es sich nicht nehmen lassen, auch für solche Anlässe vorzusorgen und so stand sie in einem ihrer Monturen ähnlichen Kleider vor mir und Michael hatte eine Garderobe für mich passend dazu eingepackt. Alex sah mal wieder umwerfend aus, wenn sie zurecht gemacht war, dachte ich stolz!
Als wir beim Richter eintrafen, sah ich schon, dass wir mit zu den letzten zu erwartenden Gästen gehörten. Beim Eintreten hörte man Musik im Hintergrund und lautes Stimmengewirr. Außerdem schlug uns eine Mischung aus Parfüm, Puder und Essen in die Nase.
Wir wurden zu Mr Burns gebracht und unser Advokat stellte uns alle vor.
„Ich bin erfreut, die Gönner unseres jungen Mr Gillehand einmal persönlich kennen zu lernen.“ er verbeugte sich tief vor uns. Neben mir musterte Alex ihn und nickte anerkennend. Er hatte meine Größe, schulterlanges graumeliertes Haar, welches im Nacken mit einem schwarzen Band gehalten wurde. Sein Gesicht war freundlich, ließ aber keinen Zweifel daran, dass er streng und gleichzeitig gerecht handelte.
„Er passt in die Rolle als Richter.“ klärte sie mich flüsternd auf, als ich sie fragend ansah. Damit hatte sie absolut Recht, wenn ich mir ihn mit entsprechender Robe und Perücke noch vorstellte.
„Wir sind ebenfalls erfreut, euch kennenzulernen und ich möchte mich, auch im Namen meiner Frau, noch einmal für die Einladung bedanken.“ ich reichte ihm meine Hand.
In diesem Moment fühlte ich mich ein wenig wohler, ich hatte tatsächlich solche Anlässe vermisst. Hier ging es nämlich recht gesittet zu, nicht wie bei einigen ausschweifenden Festen der oberen New Yorker Bevölkerung. Doch ich komme schon wieder vom Thema ab.
Ich genoss diesen Abend mit meiner Frau an meiner Seite! Auch Alex blühte wieder etwas auf und ich konnte meine Tanzküste zum Besten geben.
„Wie habe ich es vermisst, dich ganz für mich alleine zu haben. Ohne Zwangsetikette am Hofe oder ähnlichem.“ hauchte sie an mein Ohr, während ich sie über die Tanzfläche führte.
Zustimmend gab ich ihr wortlos einen Kuss und erntete ein wollüstiges Seufzen.
Als Alex kurz hinaus ging um frische Luft zu schnappen, gemeinsam mit Madeleine, gesellte ich mich zu Richter Burns, Phillipe und Mr Gillehand.
Es ging jedoch nicht um die anstehenden Hinrichtungen, sondern um die hiesigen Immobilienpreise und die damit einhergehenden Steuern, welche die Krone für Grund und Boden veranschlagte. Ja, das war mir nicht entgangen, jedoch fielen diese Beträge noch recht niedrig aus.
„Wer weiß wann King George beschließt uns vorzuschreiben wie unsere Häuser auszusehen haben.“ lachte Jakub und verschüttete dabei ein wenig seines Brandys.
„Hoffen wir, dass wir weiterhin recht unbehelligt unser Leben hier leben dürfen.“ wandte Monsieur de Granpré ein.
„Hört! Hört!“ kam es laut vom Richter.
Gegen Mitternacht verließen wir das Fest und machten uns auf in unser Büro, aber nicht ohne eine erneute Erinnerung, dass die Hinrichtungen vor dem Gericht stattfinden werden und dass man uns erwarte.
Nein, das würden wir tatsächlich nicht vergessen, wie auch?
1. Mai 1767
Als wenn ich es geahnt hätte, bettelte unser Sohn am Morgen beim Frühstück uns begleiten zu dürfen.
„Nein, mein Sohn, dafür bist du noch nicht alt genug.“ erklärte ich.
„Ich bin schon 3 Jahre alt!“ rief er wütend, rutschte beleidigt von seinem Stuhl und wollte schon aus dem Zimmer rennen, als ihn Sybill aufhielt.
„Master Edward! Was ist das für ein Benehmen? Ihr setzt euch jetzt wieder an den Tisch!“ sie schob ihn in die Richtung und wartete, bis ihr Schützling wieder brav bei uns saß.
„Avéline durfte damals auch noch nicht zu solchen Ereignissen mitkommen. Es ist auch kein schöner Anblick, Master Edward! Und ich befürchte, es wird sicherlich wieder einige Damen geben, die in Ohnmacht fallen werden.“ Phillippe legte mitunter des öfteren recht naive Sichtweisen an den Tag, was aber seiner Unkenntnis geschuldet ist.
Edward musterte besagte Tochter, so als ob er darauf wartete, dass sie ihm sagte, dass ihr Vater gelogen hätte. Es kam aber nichts.
Auf dem Weg zum Gericht sprach Alex ihre Sorge aus, dass sie sich ein wenig vor diesem Ereignis fürchten würde. Sie hätte von sogenannten Horrorhinrichtungen, welche völlig schiefliefen, gehört und dass die Gefangenen mitunter minutenlang noch litten.
„Sollen sie einfach so in Sekunden sterben? Das wäre keine angemessene Bestrafung, Mistress Kenway!“ gab Monsieur de Granpré zu bedenken. „Sie sollen ja für das büßen, was sie getan haben.“
Seufzend lehnte sich meine Frau zurück, sah aus dem Fenster und schwieg.
„Ich glaube aber nicht, dass heute etwas aus dem Ruder laufen wird.“ sprach ich leise um sie zu beruhigen.
Von Weitem sahen wir eine große Menschenmenge aufgeregt vor dem Gebäude warten. Laute Stimmen waren zu hören und hier und da sah ich, wie einige Zuschauer kleine Beutel mit undefinierbarem Inhalt dabei hatten. Ich vermutete es handle sich um fauliges Obst oder Gemüse. Widerlich!
Mit vor Entsetzen groß aufgerissenen Augen sah meine Frau, dass sich hier ganze Familien mit ihren Kindern eingefunden hatten. Einige kaum älter als Edward! Auch ich war gegen so eine „Lehrstunde“ oder „Abschreckung“ wie es einige nannten.
Plötzlich verstummten die Leute und sahen zum Schafott auf, wo sich Richter Burns einfand, nebst der drei Henker!
Insgesamt fanden heute 15 Exekutionen statt, drei jeweils gleichzeitig. Die Herren kontrollierten noch einmal die Schlingen und versicherten sich, dass die Seile fest waren.
„Heute werden wir Zeuge, wie diese Männer…“ Jakub deutete auf die Gefangenen auf der rechten Seite, welche man gebracht hatte und fuhr dann fort. „… ihrem Schöpfer gegenübertreten werden. Sie alle haben sich in schändlichster Weise an dem Eigentum unserer Bürger vergangen. Sie haben geplündert, gebrandschatzt und unsere Frauen und Töchter missbraucht!“ seine Stimme wurde immer lauter und die Menge um uns machte entsetzte Gesichter.
„Solchen Halunken sollte man den Kopf abschlagen!“ oder „Schneidet ihnen die Schwänze für diese Taten ab!“ brüllten einige der Schaulustigen und bewarfen die Gefangenen tatsächlich mit fauligem Obst und Gemüse!
„Diese Männer haben dazu ihre Kameraden im Stich gelassen, um sich zu verlustieren! Sie haben sich einfach von ihren Einheiten entfernt. Darauf steht ebenfalls der Tod durch den Strang!“
Die ersten drei Männer wurden unter die Schlingen gestellt.
Ich spürte wie Alex neben mir anfing zu zittern und sich an meinem Arm festhielt.
„Mi sol, du kannst ruhig wegsehen! Das ist keine Schande!“ flüsterte ich ihr zu und strich beruhigend über ihre Hand.
Man legte ihnen die Seile um die Hälse, anschließend wurden ihnen Rupfensäcke über die Köpfe gezogen. Ich sah, wie sie sich vor Angst schüttelten, aber keiner sagte ein Wort. Mit einem Ruck betätigte der erste Henker den Schalter für die Falltür und das Opfer zappelte am Strang. Sein Japsen war bis zu uns, die wir etwas weiter weg standen, zu hören! Man ließ ihn zappeln, der Richter machte keine Anstalten ihn mit einem kräftigen Ruck an den Beinen zu erlösen!
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis der Richter diesen Befehl gab, erst dann wurde der zweite Deserteur erhängt. Bei ihm ging es Gott sei Dank schneller!
6 weitere Männer fanden jetzt zügig den Tod. Was für eine Erleichterung und Segen für sie!
Doch dann ging mit einem Male bei der nächsten Gruppe alles schief, was schief laufen konnte!
Die Vorahnung meiner Frau wurde Wirklichkeit!
Der mittlere Mann fiel hinab als sich die Falltüre öffnete, jedoch hörten wir ein ekeliges lautes Knacken und ein Geräusch, als würde man eine faulige Frucht zerquetschen! Der leblose Körper fiel unter das Schafott!
Nicht aber sein Kopf!
Dieser rollte bis zur Kante und blieb dort mit dem schmerzverzerrten Ausdruck im Gesicht liegen.
Die Menge schrie, Kinder weinten, die Herren hatten Mühe ihre Frauen aufzufangen welche ohnmächtig wurde!
Alex neben mir war plötzlich verschwunden und ich sah sie am Rand der Menge über ein kleines Blumenbeet gelehnt stehen. Sie übergab sich heftig!
Ich ging zu ihr, strich ihr sanft über den Rücken zur Beruhigung.
„Alex, das… damit konnte niemand rechnen.“ aber auch ich hatte schwer zu schlucken! Ich war ebenso fassungslos!
„Nein, aber ich hatte schon davon gelesen, auch Hickey wird einmal…“ geschockt über ihre eigenen Worte hielt sie sich die Hand vor den Mund!
Es ist doch unfassbar! Sie wusste von Thomas´ Tod und wie er eintrat?
„Du… du weißt wie Thomas sterben wird?“ um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, zog ich sie etwas weiter von der Meute weg. „Weswegen wird er gehängt? Alex, sag es mir!“ ich weiß, ich sollte nicht zu viel über die Zukunft wissen. Dieser Punkt jedoch schien mir mehr als wichtig für unseren Orden zu sein.
„Das kann ich nicht…“ Alex versuchte zu Atem zu kommen, sich zu beruhigen. Für einen Moment sah sie mich ängstlich an, zurecht wie ich betonen muss! „Also schön…“ seufzte sie. „Geldfälscherei, welche im Auftrag des Ordens angeblich stattfindet. Er und ein paar seiner Männer überschwemmen in einigen Jahren den Markt damit. Können aber Dingfest gemacht werden.“ es war mehr ein Flüstern, als dass sie wirklich mit mir sprach! Ihre Angst vor dem, was sie mit diesen Worten losgetreten haben könnte, war nachzuvollziehen!
Aber im Grunde hatten wir mit unserer Hochzeit, den Kindern und unserem Leben im allgemeinen bereits einiges in Bewegung gesetzt, was eigentlich nicht so vorausgesehen worden ist.
„Schwarzmarkthändler! Ich wusste ja, was er so treibt. Deswegen ist er auch immer mal wieder hinter Gittern gelandet.“ ich besann mich langsam wieder auf mein Training und beruhigte mich. „Wann, Alex?“
Ihr Gesicht durchlief, wie damals des öfteren auch schon, einen halben Roman von Überlegungen, Rechnerei und Sortierung.
„Es … könnte in 10 Jahren soweit sein, ich bin mir nicht ganz sicher.“ ihre Stimme war mit einem Male ebenso sachlich, wie meine. Trotzdem erweckte sie den Eindruck, als würde sie mir noch mehr Details verheimlichen. In ihren Geist konnte ich nicht dringen, es war im wahrsten Sinne des Wortes abgesperrt.
Also musste diese Information fürs erste reichen.
„Ich sollte solange ein Auge auf ihn haben, oder ich ernenne Charles zu seiner Aufsichtsperson!“ grübelte ich vor mich hin. „Ich sehe schon, dir würde das hervorragend passen, Alex!“ sie war für einen winzigen Moment wieder einmal dieses offenen vielzitierte Buch, welches sich nur schlecht schließen ließ.
„Was dachtest du denn? Warum glaubst du wohl will ich, dass die Plantagen um uns herum an uns bekannte Personen gehen? Ich will diesen Mann nicht in meiner Nähe und die meiner Kinder haben!“ ihre Stimme schwoll fast zu einem Brüllen an, so redete sie sich in Rage. Da biss sie aber bei mir auf Granit in diesem Punkt. Hier ging es um den Orden und meine Position als Großmeister!
„Wir brauchen ihn, hast du das immer noch nicht verstanden. Hier geht es nicht um persönliche Gefühle und Belange…“ ihr Mund öffnete und schloss sich einige Male sehr undamenhaft, ehe sie wütend mit wehenden Röcken das Weite suchte und mich laut fluchend stehen ließ!
Ehe ich ihr hinterher laufen konnte, hielt mich Phillipe auf, welcher das Ganze wohl beobachtet hatte.
„Haytham, eurer Gattin muss es doch nicht peinlich sein, dass ihr schlecht wurde. Ich hatte es doch schon prophezeit…“ seine Hand lag auf meiner Schulter, weil er dachte, er müsse mich beruhigen.
Hinter ihm erschien Madeleine und sah sich suchend nach Alex um.
„Wir werden hier auf euch warten, geht ihr hinterher. Sie wird euch jetzt brauchen.“ ermunterte mich die Dame und ich nickte stumm, weil mir ehrlich gesagt die Worte fehlten. Ich wollte vor diesen beiden nicht abfällig über meine Frau reden, auch wenn mir gerade danach war.
Mein Blick deutete mir einen Weg auf dem Pflaster, welcher sich durch das kleine Tor zu unserer Rechten schlängelte.
Weiter folgend hoffte ich nach minutenlangem Herumlaufen, dass ihr nichts zugestoßen war. Sie hatte, laut ihrer eigenen Aussage, keinen guten Orientierungssinn. Dazu kam, dass sie sich hier in Richmond nicht auskannte.
Langsam stieg Verzweiflung in mir hoch, weil der Pfad teilweise erst nach links, dann wieder nach rechts ging.
Hatte sie sich tatsächlich verlaufen?
Plötzlich hörte ich Stimmen hinter und auch vor mir.
Einige Soldaten eilten an mir vorbei auf eine Traube Menschen zu, welche entsetzt gen Boden blickte.
Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete ich das Schlimmste!
Dann hörte ich sie alle rufen!
„Sie hat sie umgebracht! Einfach so!“ schrie eine Dame!
„Mörderin! So ruft doch jemand die Wachen!“ brüllte eine andere Frau.
Jetzt waren die Rotröcke ebenfalls dort, legten an und zielten.
„Halt! Stehen bleiben!“ fauchte ein junger Soldat, während er langsam mit gezückter Muskete auf meine Frau zuging. „Ihr seid eine von diesen hysterischen Weibern, welche hier immer wieder die unbescholtenen Bürger belästigen. Endlich haben wir eine von euch!“
Ich kannte diese Haltung von Alex! Sie war nur einen Sprung davon entfernt ihm die Leviten zu lesen, genau wie den toten Räubern vor ihren Füßen.
Es war Zeit, dass ich einschritt, ich wollte hier nicht noch mehr Blutvergießen heraufbeschwören.
„Stopp! Das ist meine Frau!“ rief ich ihnen entgegen und grinste sie an.
„Aha, trotzdem hat sie diese unschuldigen Herren ermordet! Sie wird ihrer gerechten Strafe zugeführt. Da können wir ja gleich die Schlingen weiter benutzen.“ lachte der Mann und griff nach ihrem Arm.
Richter Burns drängte sich an den Menschen und mir vorbei und eilte auf die Soldaten zu.
„Gentleman, wenn ihr eure Augen aufmachen würdet, dann sähet ihr, dass das hier die gesuchten Bettler sind, welche schon so einige Börsen geraubt haben. Das sind die Männer, welche ihr seit Wochen bereits finden solltet! Und dann kommt eine Dame und macht EURE Arbeit! Ihr seid eine Schande, Gentlemen. Eine Schande!“ empört sah er die Herren weiter an und wartete vermutlich auf eine Entschuldigung oder ähnliches. Nichts dergleichen passierte aber.
„Das sind sie nicht, die Beschreibungen…“
Jetzt fuhr Mr. Gillehand überraschend dazwischen. Er hielt einige Zettel in der Hand, welche er den Männern vor die Füße warf.
„Hier! Dort seht ihr sie. Und jetzt sagt noch einmal, ihr würdet eure Arbeit ordentlich ausführen! Wer ist euer Vorgesetzter?“ fauchte Rory und sah dabei zu Alex, um sich zu vergewissern, dass ihr nichts weiter passiert ist.
„Lieutenant Gouverneur Fauquier, Sir!“ gab einer der Herren kleinlaut als Auskunft.
„Dann werdet ihr dem Gouverneur umgehend Bericht erstatten, dass die kleine Diebesband endlich ausgelöscht wurde. Und zwar von einer einzigen Frau! Finde ich in eurem Bericht nicht exakt diese Worte, dann wird euch euer Sold für die nächsten Wochen gestrichen!“ Mr. Burns war ebenso erbost wie Rory.
„Jawohl, Sir.“ sie salutierten vor dem Richter und unserem Advokaten, ehe sie sich aus dem Staub machen wollten. Nein, so einfach ließ ich sie nicht davon kommen und meldete mich zu Wort.
„Ich glaube, ihr habt etwas vergessen, Gentlemen!“ Ich deutete auf meine Gattin, welche mich ungläubig anstarrte. Ihr war meine Templerart immer noch nicht geheuer, wie es schien.
Es kamen Entschuldigungen und einige Glückwünsche zu ihrem ausgesprochen großen Mut und ähnliches. Wir wussten alle, es waren nur daher geplapperte Floskeln ohne Tiefgang und echter Anerkennung. Aber sei es drum. Mir ging es um das Prinzip!
„Mistress Kenway! Ist euch wirklich nichts passiert?“ der Richter war an Alex´ Seite und musterte sie besorgt. „Ich muss euch danken! Ihr habt wirklich großen Mut bewiesen und ich bin erstaunt, wie gut ihr mit einem Dolch umgehen könnt.“ Sein Blick sprach Anerkennung aus, als er auf ihre Hand sah.
Da hatte sie in einem unbeobachteten Moment die versteckten Klingen schnell verschwinden lassen und ihr Stiefelmesser gezückt. Es war jedoch glänzend und sauber, aber das fiel vermutlich nur mir auf und … Rory!
Zuerst sah er auf die Toten dann zu Alex und ihrem Messer und lächelte wissend.
„Ich danke euch. Ich bin froh, wenn ich einen Schandfleck aus dieser wunderschönen Stadt tilgen konnte.“ von Zeit zu Zeit konnte sie ihre flapsige Art gegen die üblichen noblen Umgangsformen eintauschen.
„Alex, komm. Du solltest dich jetzt ein wenig nach diesem ganzen Desaster ausruhen.“ ich legte alle Fürsorge in meine Stimme, die ich aufbringen konnte, nahm ihren Arm und wir bestiegen die Kutsche, die Mr Burns hatte rufen lassen.
Gemeinsam fuhren wir zurück zu unserem Büro.
„Was passiert mit den toten Bettlern jetzt?“ warum interessierte sie das? Nicht nur ich fragte mich das!
„Sie werden unter die Erde gebracht! Nicht mehr und nicht weniger. Dafür haben wir aber unsere Leute, macht euch keine weiteren Gedanken, Mistress Kenway.“ Jakub war sichtlich froh, dass das Thema meuchelnde Bettler endlich vom Tisch war.
Und ich war froh, dass Alex heile aus dieser Sache herausgekommen ist. Doch unser Gespräch war noch nicht beendet, ging es mir durch den Kopf.
Eheleute de Granpré und de L´Isle brachten ebenfalls noch ihre Anerkennung zum Ausdruck.
Im Büro angekommen, erwarteten uns schon unsere Kinder!
Kaum dass wir eingetreten waren, kam Edward auf uns zu, blieb abrupt stehen und rümpfte er die Nase. „Mama, du riechst komisch und warum ist dein Kleid so schmutzig?“
„Deine Mutter musste sich gegen ein paar Streuner wehren, welche ihr ihren Schmuck klauen wollten, mein Sohn.“ erklärte ich ihm mit ein wenig Stolz in der Stimme.
„Hast du sie mit deinen Äxten vertrieben? Ja? Hast du…“ bevor er noch mehr von unseren Fähigkeiten preisgeben konnte, hob Alex ihn hastig hoch und eilte mit ihm hinauf in unser Zimmer.
Wir anderen gingen hinüber in den kleinen Salon.
„Was meinte euer Sohn mit den Äxten?“ fragte Richter Burns neugierig nach.
„Seine Fantasie geht ab und an mit ihm durch. Meine Frau erzählt ihm Geschichten über tapfere Wikinger und deren Könige, die mit ihren Äxten kämpften. Ihr wisst doch, die jungen Herren wünschten sich dabei gewesen zu sein.“ lächelte ich hoffentlich überzeugend in die Runde.
Nur Rory sah mich wissend an und zwinkerte mir zu.
Während des anschließenden Mittagessens, sprach man über die neu zugezogenen Menschen hier. Auch kamen wir auf das Thema, wie schwer es ab und an war, an Baumaterial zu kommen. Immer noch wurde vieles aus England hierher verschifft, auch wenn es schon recht viele Betriebe gab, die sich zum Beispiel mit Ziegelsteinen und ähnlichem beschäftigten. Jedoch auch dort fehlten die Grundwerkstoffe sehr oft.
Dieses Thema würde auch noch größere Kreisen ziehen und weitere Probleme mit sich bringen.
Im Anschluss brachte Alex unsere Kinder hinauf für ihren Mittagsschlaf und das war mein Stichwort.
Ich ging ihr hinterher, weil unser Gespräch von vorhin noch längst nicht beendet war. Immer noch züngelte leise Wut in mir.
Gerade als sie hinunter gehen wollte, hielt ich sie fest.
„Wir sind noch nicht fertig, Alex. Du weißt, wie sehr es mir missfällt, wenn du aus einem Gespräch einfach flüchtest…. AUCH wenn ich weiß, dass ich mich vermutlich wieder falsch ausgedrückt habe!“ sprach ich mit Nachdruck.
„Weißt du was? Leider ist es genau diese Gedankenlosigkeit von Zeit zu Zeit bei dir! Und ich weiß, auch ich bin oft nicht besser. Im Bezug auf Charles erwarte ich aber, dass du ihn nicht immer in Schutz nimmst. Er ist ein erwachsener Mann und er weiß selber, dass ihr ihn in der Armee braucht. Meinetwegen soll er da glücklich werden, aber eben nicht in meiner Nähe! Ich will dieses Monster nicht …“ plötzlich wurde mir klar, dass sie einfach nur Angst hatte. Ihre Erfahrung mit Charles ließ sie mehr als nur Vorsicht walten. Sie versuchte sich und uns zu schützen!
Entschuldigend nahm ich sie in die Arme.
„Schon gut, ich habe es verstanden! Wir werden ihm also entsprechende Aufträge und Missionen geben, damit er nur mit mir alleine sprechen muss. Ich werde dafür sorgen, dass du oder die Kinder nicht mit ihm in einem Raum sein werdet. Tu mir nur einen Gefallen, mi sol.“ ich sah sie durchdringend an.
„Der da wäre?“ fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
„Renn nicht immer weg! Vor allem habe ich mir vorhin echte Sorgen gemacht. Du kennst dich hier nicht aus und wie du selber gesehen hast, geistert auch hier Lumpenpack herum. Aber… ich bin stolz auf dich. Trotz Kleid hast du dich gegen drei Männer verteidigt, ohne einen eigenen Kratzer abzubekommen.“ grinste ich meine Frau an.
„Naja, ich muss gestehen, es war der Überraschungsmoment, als sie bemerkten, dass ich Klingen an den Handgelenken habe.“ ihr leises Kichern war ansteckend und ein Zeichen, dass wir vorerst nichts mehr zu bereden hätten.
Es war an der Zeit, dass wir uns hier ein wenig Überblick über die Neuzugänge verschafften und suchten die einzelnen Studierzimmer auf.
„Es ist ein noch recht seltsames Gefühl, dass ich mit der Bruderschaft ein Haus nutze. Aber ich muss auch gestehen, die Erfahrungen helfen uns gegenseitig und wir lernen von einander. Wer hätte das gedacht.“ meinte eine Dame, welche sich im ersten Geschoss ihr kleines Büro eingerichtet hatte. Sie war für die Koordination von einigen Überseemissionen zuständig.
Neben diesem Arbeitszimmer hatte sich ein junger Mann eingerichtet, welcher den Assassinen aus der Schweiz angehörte. Er hatte von seinem Mentor den Posten bekommen, sich um die britische Armee zu kümmern. Man schleuste immer mal wieder einige Meuchelmörder dort ein, so hatte man einen guten Überblick über eventuelle Manöver oder ähnliches.
Erleichtert, dass wir Fortschritte machten, konnten wir aufbrechen.
„Es freut mich, dass der Zulauf so groß ist.“ Mr. Gillehand freute sich natürlich, dass er hier nicht mehr alleine verweilen musste. Er genoss die Wochenende auf seiner Plantage aber dennoch. „Mistress Kenway, ich werde nächstes Jahr, wenn es gut läuft, auch den ersten Nachwuchs bei meinen Pferden haben.“ sein Gesicht war eine einzige Freude und der Stolz war deutlich herauszuhören.
„Das freut mich ebenso. Ich weiß auch schon, wer euch dann besuchen kommen wird, Mr. Gillehand.“ erwiderte ich lachend und sah zu meinem Sohn, der auf dem Arm seiner Mutter war.
Wir verabschiedeten uns hier von unseren Geschäftspartnern aus New Orleans, weil sie, ohne Zwischenstopp bei uns, jetzt auch wieder nach Hause wollten. Auch sie hatten Geschäfte, welche sie führen mussten.
Diese verhunzte Hinrichtung blieb noch eine Weile in aller Munde und die Geschichte breitete sich nach und nach auch in die anderen Städte aus.
„Guten morgen, mi sol.“ hauchte ich meiner noch schlafenden Gattin ins Ohr. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag.“ ich ließ meine Finger über ihre warme Haut wandern und langsam räkelte sie sich. Mit einem breiten lüsternen Lächeln auf den Lippen erwachte sie vollends.
Wie oft liege ich eigentlich so dümmlich grinsend unter ihm?
Genau das las ich in ihren Gedanken!
„Sehr oft, aber das gefällt mir.“ somit hatte ich freie Hand und nahm meine Frau sanft und leise. Einfach nur um ihren Geburtstag bedächtig anzugehen.
„Darf ich noch mehr haben, mi amor?“ hauchte sie etwas später an meiner Brust, während ihre Hände darüber fuhren.
„Wenn du brav fragst.“ dieser Schauer, welcher durch ihren Körper glitt, entging mir nicht. Leider fehlte uns aber die Zeit, weil im Gästehaus nebenan einiger Besuch untergebracht war, anlässlich ihres Geburtstages.
Die Gäste erwarteten Alex bereits zum Frühstück als wir ins Esszimmer traten.
Man gratulierte ausgiebig und ließ sich im Anschluss das üppige Frühstück schmecken. Sogar Edward legte ein vorbildliches Verhalten an den Tag bei Tisch!
Als gegen Mittag meine große Schwester mit ihrem Gatten angekündigt wurde, fiel mir ein Stein vom Herzen! Sie hatten sich arg verspätet und in meinen schlimmsten Vorstellungen war ihr Schiff gesunken.
Leider waren sie in einen größeren Sturm geraten und mussten für fast eine Woche Schutz suchen. Dazu kam, dass sie in einem kleineren Hafen vor Anker gehen mussten, damit ihr Schiff repariert werden konnte.
Die „Mulligan“ war eine Brig, welche etwas größer als die „Jackdaw“ war. Sie gehörte Master Mormon, welcher sie vor 4 Jahren erworben hatte, damit er unabhängig von A nach B kommen könnte.
„Ich bin nicht gerne auf andere angewiesen.“ grinste er in die Runde.
Wer war das schon?
Endlich konnte Jenny uns auch von der anstehenden Hochzeit berichten. Vor allem wie der Antrag zustande kam war für Alex das wichtigste, so schien es.
In den Augen meiner Schwester sah ich ein Leuchten, welches ich noch nie zuvor bei ihr bemerkt hatte. Diese Liebe zu ihrem Verlobten ließ sie aufblühen!
„Haytham, es ist einfach ein unwirkliches Gefühl. Ich hätte nie gedacht, doch noch zu heiraten.“ ein liebevoller Blick zu Master Mormon sagte mir, dass ich mir keinerlei Sorgen mehr zu machen brauchte.
Dennoch war es ein mehr als seltsames Gefühl, sie so glücklich zu sehen, so befreit und … kann man es angekommen nennen? Jennifer war mir in all den Jahren nie wirklich nah gewesen, unsere Differenzen waren auch mit Reginalds Tod nicht vom Tisch gewesen.
Die letzten Jahre waren von Veränderungen meinerseits geprägt. Ich vermutete, dass es meine eigene andere Sichtweise war, die mich mit ihr etwas näher zusammenbrachte.
Nicht nur das, auch dass sie unseren Vater noch einmal umarmen konnte, ließ uns unsere Familienbande spüren. Doch ich schweife, wie so oft, vom Thema ab.
Die Hochzeit werde im November stattfinden, verkündete man noch und verteilte entsprechende Einladungen persönlich in diesem Zuge.
Somit könnten wir im August aufbrechen, weil zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Ernte bereits eingefahren war. Auch wären Florence und Lionel dann alt genug für eine Atlantiküberquerung.
„Und ihr wisst ja, ihr könnt solange bleiben, wie ihr möchtet.“ frohlockte Jenny und lehnte sich glücklich an ihren zukünftigen Ehemann.
„Ich denke spätestens im Februar müssen wir wieder aufbrechen, all zulange werden wir hier die Plantagen nicht alleine lassen können. Dazu kommen noch die Geschäfte.“ gab ich zu bedenken.
Der einzige, der etwas betrübt dreinschaute, war Edward Junior.
„Dann sehe ich aber Walka so lange nicht und Darius auch nicht…“ plötzlich brach er in Tränen aus und Alex nahm ihn auf den Schoß.
„Min lille skat. Walka kann uns ja begleiten, nur dein Pferd wird hier bleiben müssen. Aber du weißt doch, Mr. Mackenzie kümmert sich gut darum. Auch ich muss Fenrir alleine lassen und dein Vater muss Brida zurücklassen. Wir werden sie alle wieder sehen, das verspreche ich dir.“ sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und langsam wurde er ruhiger.
„Tante Jenny, hast du auch ein Pferd?“ schon wurde meine Schwester in Beschlag genommen.
Die Hündin konnten wir tatsächlich mit an Bord nehmen, auch wenn unser Sohn dann lernen musste, sich um sie entsprechend zu kümmern und ihren Dreck auch wegzumachen. Eine neue Lektion im Umgang mit Tieren für ihn.
Da hatten Alex und ich gemeinsam den gleichen Gedanken gehabt!
Jenny und Master Mormon blieben noch eine Woche ehe sie wieder aufbrachen. Wir würden dann später nachreisen. Außerdem plante meine große Schwester noch einen kleinen Trip nach New York, wo sie ein paar Kleinigkeiten besorgen wollte.
Mir gegenüber hüllte sie sich in Schweigen, lächelte aber Alex wissend an. Da hatten die Damen mal wieder Geheimnisse!
Für einen winzigen Moment dachte ich still, dass es mir als kleiner Bruder auch nicht zustand, solche pikanten Details zu wissen. Schüttelte diesen absurden Gedankengang aber schnell wieder ab.
Kurz darauf erhielten wir eine Nachricht des Gouverneurs aus Philadelphia, in welcher man uns bat, einige Schreiben für seine Majestät mitzunehmen. Es handelte sich um einige Beweismittel, Zeugenaussagen und ähnliches, welche belastend für in London bereits inhaftierte Männer seien.
… „Leider ist es erst jetzt möglich, diese Schriftstücke zuzustellen
und fertigzustellen, weil es zu einigen unschönen Toden gekommen ist.
Wir tappen immer noch im Dunkeln, wer wirklich dafür verantwortlich
ist. Unerwartete Hilfe haben wir von eurem Geschäftspartner
erhalten, dem Duke of Ironside, welcher uns bei den Nachforschungen
noch weiter behilflich sein wird.“ ...
Alex berichtete mir, dass sie vom Allvater bereits einiges erfahren hatte.
Man vermutete dahinter eine Gruppe verdeckt arbeitender Assassinen, welche eher einer Diebesgilde gleichkamen, als der Bruderschaft.
„Wir können sie einfach nicht zuordnen. Ihre ganzen Anhänger kommen aus allen Teilen der Welt. Sie folgen auch keinem vereinten Credo, sondern agieren, wenn man es genauer betrachtet, wie eine Armee. Ich hoffe, wir finden alsbald den eigentlichen Drahtzieher. Auch wenn ich vermute, dass es sich um Hrymr handelt, welcher immer noch auf freiem Fuß ist.“ Elias war, laut Alex´ Aussage, bei diesem Gespräch sichtlich ungehalten und wütend.
Dieser Gott in Gestalt von diesem widerlichen Eugene Avdeyev, war wie Nebel. Er tauchte einfach auf, verschwand aber auch genauso schnell wieder.
Außerdem mehrten sich seltsame Vorfälle in den größeren Städten, wo immer wieder ganze Gruppen, ob nun Soldaten oder Zivilisten, ohne Grund aufeinander losgingen! Das sprach für diesen Kapitän der Naglfar!
Wir sollten Vorsicht walten lassen!
Ich war in den letzten Wochen mit der Aufsicht auf den Feldern, der Hilfe für die Arbeiter und Bauern und einigen Neuerungen für die Plantage beschäftigt. Dabei hatte ich gar nicht bemerkt, dass Alex einige Schreiben aus New York erhalten hatte, in welchen sie um Hilfe gebeten wurde. Im Bordell gab es Schwierigkeiten, die Waffenlieferungen für Maria waren manipuliert worden und es häuften sich mal wieder Diebstähle in den Lagerhäusern.
Mir selber hatte man ebenfalls diese Missstände bezüglich des Weizens und Tabaks kundgetan, aber einige Brüder dort vor Ort kümmerten sich bereits darum.
Dazu kamen neue Berichte von umherziehenden Banditen hier in der Gegend! Schon wieder! Dem musste ich dringend auf den Grund gehen.
„Mi amor, hast du einen Moment?“ fragte Alex leise und trat in mein Arbeitszimmer. „Ich muss für ein paar Tage nach New York, ich hatte dir ja davon berichtet. Und damit du hier nicht auch noch die Kinder beaufsichtigen musst, werde ich sie mitnehmen. Schau nicht so, ich nehme auch entsprechend die Wachen mit.“ ihre Hand legte sich auf meine Schulter und massierte mich leicht. Eine Wohltat muss ich gestehen.
„Mi sol, ich heiße es nicht gut, dass ihr dort alleine seid. Was ist, wenn die Nachforschung wegen der defekten Waffen gefährlich wird?“ ich hoffte, sie würde meine Sorge wenigstens etwas nachvollziehen können.
„Ich glaube kaum, dass mich dort eine Horde marodierender Piraten erwarten wird. Ich verspreche dir, wenn es zu brenzlig wird, halte ich mich zurück. Außerdem bin ich in New York nicht alleine. Denk daran, dass dort bereits eine Delegation im Fort George unsere Belange betraut!“ erwiderte sie.
Vor einem dreiviertel Jahr war mein altes Haus zum Büro umfunktioniert worden. Es war dort sicher, weil es im militärischen Bezirk lag.
Ich hoffte es zumindest.
„Versprich mir, dass du vorsichtig bist, mi sol. Ich kenne dein recht ungezügeltes Verhalten ab und an.“ ich versuchte ein vorsichtiges Lächeln und sie sah mich liebevoll an.
„Schusterehrenwort, mi amor!“ hauchte sie an meinen Lippen.
Ein paar Tage später war es dann schon soweit und ich stand mit meiner Familie an der Brig.
Noch immer hatte ich ein unwohles Gefühl sie alle alleine reisen zu lassen! Es fühlte sich nicht richtig an!
Edward freute sich über den kleinen Ausflug, während Florence mit einem Mal realisierte, dass ich nicht in ihrer Nähe sein werde.
„Papa!“ rief sie mit ausgestreckten Armen, als Alex mit ihr an Bord wollte.
„Ihr macht einen kleinen Ausflug, mein Engel. Nicht lange und ihr seid wieder hier. Schau mal, das Schiff wartet schon auf dich und deinen Bruder. Und wer weiß, vielleicht kommt euch euer Großvater auch besuchen.“ flüsterte ich verschwörerisch und ein Lächeln erschien auf ihrem kleinen Gesichtchen. Ich übergab meine Tochter wieder an meine Frau und ging von Bord.
Alex gab Befehl zum Segelsetzen und mit einem leichten Ruck nahm die Jackdaw Fahrt auf.
Meine Familie stand an Deck und winkte mir zu. Lächelnd sah ich ihnen hinterher! Sie würden mir fehlen.
Und zum ersten Mal war es ein merkwürdiges Gefühl, hier auf der Plantage wieder alleine zu sein. Trübe Gedanken an die Jahre ohne Alex kamen in mir hoch!
Damit sie sich gar nicht erst manifestieren konnten, ließ ich Brida satteln und ritt einige Felder ab bis es Zeit für das Abendessen war.
Zwei Tage später kam Mr Robinson aufgeregt in mein Studierzimmer gestürmt. Vor Schreck kippte ich das Tintenfass um, dessen Inhalt sich in Windeseile auf den Papieren zu verteilen drohte.
Fluchend und gleichzeitig freundlich bleibend, versuchte ich den Schaden zu begrenzten.
„Master Kenway, verzeiht, aber das ist das kleinere Übel.“ hörte ich den Aufseher leise sagen.
Das Gröbste an Tinte war in meinem Taschentuch gelandet, sodass der Rest keine weiteren Schriftstücke ruinieren konnte.
Seufzend sah ich jetzt in seine Richtung.
„Sagt nicht, dass es einen Überfall gab oder dass wieder ein Brand gelegt worden ist.“ inständig hoffte ich, dass es nur ein harmloser kleiner Diebstahl war.
Sein Räuspern verhieß nichts Gutes.
„Also, Flussabwärts, wo der Gerber seine Werkstatt hat, trieb heute morgen eine Leiche im Schilf. Sie trug die Uniform der britischen Armee und alles deutet darauf hin, dass es ein ranghöherer Offizier war.“ bevor er weitersprach, sah er mich fragend an, so als wäre er nicht sicher, ob ich zugehört hätte.
„Konnte man die Todesursache ausmachen?“ hakte ich nach.
„Keine Einstichwunden oder durch Kugeln verursachte Löcher in der Haut. Die Kleidung war auch, bis auf den Dreck des Wassers tadellos.“ immer noch sprach er zögerlich.
„Wo habt ihr die Leiche hingeschafft? Ich sollte sie mir ansehen und der Doktor soll auch dazu kommen.“ ich erhob mich bereits und griff nach meinem Gehrock, welcher über meinem Stuhl hing.
Den toten Soldaten hatte man in eine Scheune geschafft, welche für diese Jahreszeit recht kühl war, weil wir durch ein ausgeklügeltes System sogar Eis lagern konnten. Im stillen lobte ich all diese uralten Errungenschaften, welche uns heute zugute kamen.
Dort angekommen lungerten schon einige Kinder der Pächter vor dem Tor, weil sie sich ein Abenteuer erhofften.
„Geht wieder zu euren Eltern, hier ist nichts für euch.“ mahnte Mr Robinson und scheuchte sie mit einer Handbewegung davon.
„Och man, nie dürfen wir bei etwas wichtigem dabei sein.“ hörte ich von einigen und sie alle schmollten während sie sich zurückzogen.
Im Inneren umfing mich eine angenehme Frische. Nur spärlich waren einige Umrisse zu erkennen, weil meine Augen einen Moment brauchten um sich an dieses Zwielicht hier zu gewöhnen.
„Dort drüben unter dem Laken liegt er, Sir.“ deutete der Aufseher.
Ich setzte meinen Blick ein und hob das Tuch hoch.
Jeden Millimeter inspizierte ich, jede Kleinigkeit der Kleidung, der Haut, der Haare … Plötzlich stutzte ich, weil in seiner Brusttasche und in seiner Hand etwas Gold leuchtete, während die Leiche selber in einem wässrigen Blauton strahlte.
Bevor ich jedoch davon Besitz ergreifen konnte, trat unser hiesiger neuer Doktor vor.
„Ah, da haben wir ihn ja. Dann wollen wir mal anfangen.“ er klang, als wolle er einen Ball eröffnen. Als er meinen pikierten Ausdruck sah, entschuldigte er sich und bat leise um Licht hier in der Scheune.
Die oberen Luken wurden geöffnet, einige Lampen wurden um den Leichnam platziert, sodass er, im wahrsten Sinne des Wortes, in einem neuen Licht erstrahlte.
Bevor der Arzt mit der Obduktion beginnen konnte, bat ich darum, mir die Gegenstände, welche ich mutmaßlich gesehen hatte, nehmen zu dürfen.
„Sicher, Master Kenway. Es könnten ja auch Notizen sein, oder der Marschbefehl.“ ich wusste von unserem neuen Arzt, dass er selber in der Armee diente, aber jetzt in der Kontinentalarmee. Also war auch er auf solche Dinge geschult, weil sie mehr Aufschluss bringen konnten als eine simple Autopsie.
In der Kleidung fand ich einige Briefe und eine kleine Geldbörse, während in der Hand des Toten ein seltsames Amulett lag. Es sah aus wie … Thors Hammer!
Ich starrte diesen Anhänger an, dann sah ich wieder zu dem Verstorbenen. Woher hatte er das?
Warte bis die Haut des Soldaten frei liegt, dann wirst du es sehen. Hörte ich Odin in meinem Kopf. Jesus! Er konnte einen erschrecken! Entschuldige, ich ging davon aus, dass… aber lassen wir das.
Damit war er wieder verschwunden.
Es war mitunter frustrierend, wenn man mit Göttern in Verbindung stand, ging es mir durch den Kopf.
Ich trat zurück und ließ den Arzt seine Arbeit machen.
Die Uniform wurde ausgezogen, das Hemd, die Hosen und so weiter.
Dieser Soldat lag kurz darauf wie Gott ihn schuf vor uns und ich ließ erneut meinen Blick über diesen Körper wandern.
Ich war kein Freund von Tätowierungen, auch wenn ich selber eine auf der Schulter hatte. Doch dieser Mann war übersät mit Symbolen, Runen, Bildern von seltsam anmutenden Totenköpfen und ganzen Zitaten aus mir völlig unbekannten Büchern oder Schriften!
Der Bauch, die Arme, die Oberschenkel und als man ihn drehte, sah ich dass auch der Rücken voll davon war.
„Das ist ja mal ein interessanter Toter.“ meinte unser Doktor und begann sich Notizen zu machen.
„Würdet ihr bitte diese Tätowierungen ALLE kopieren. Ich muss wissen, was sie bedeuten!“ befahl ich ihm.
Ich wurde kurz darauf Zeuge, nachdem sein Assistent alles schriftlich verfasst hatte, wie man eine Leiche obduzierte.
Tote habe ich zuhauf gesehen in meiner Zeit unter Braddock zum Beispiel oder auch schon früher, aber noch nie zuvor habe ich solch einer Untersuchung beigewohnt.
Angewidert und fasziniert zugleich stand ich daneben, wie man das Messer ansetzte und den Bauchraum öffnete.
Dieser Geruch welcher daraus emporstieg war jedoch widerwärtig und ließ mich würgen.
„Sir, hier… streicht euch das unter die Nase, dann ist es nicht so schlimm.“ er reichte mir eine kleine Dose deren Inhalt nach Minze roch. Es war wie eine Paste, die leicht schmierig war.
Aber er hatte Recht, sie vertrieb diese Gerüche.
Das Herz, die Leber, die Nieren und so weiter … ich hörte den Arzt alles beschreiben und sein Assistent schrieb fleißig mit.
Als man den Magen inspizierte stutze er kurz, fuhr dann aber ohne einen Laut einfach fort.
„Dieser Herr hat sein Leben in vollen Zügen genossen! Die Leber sieht mehr als ungesund aus, der Magen weißt Entzündungen auf und die Nieren … sie sehen verkümmert aus.“ der Doktor sprach mehr zu sich selber als zu uns Anwesenden.
„Ach, da ist was…“ er holte eine Pinzette hervor und stocherte in dem Wirrwarr aus Organen herum. „… sieht aus wie eine Münze. Oder … nein! Es ist … Lewis, mach das sauber und leg es zu den anderen Sachen!“ unbeirrt setzte er seine Untersuchung fort.
Ich hingegen sah mir dieses Fundstück jetzt an, es hatte tatsächlich die Form eines Geldstückes. Aber wie sollte es in die Tiefen des Körpers gelangen, ohne dass es anscheinend verschluckt wurde?
Die Zeichen darauf waren mir völlig unbekannt, aber zugleich wusste ich, ich hatte sie schon einmal gesehen. Ein Widerspruch welcher meinen Kopf fast zum Platzen brachte.
Meine Finger berührten diesen kleinen metallischen Gegenstand sacht und um mich herum verschwamm alles.
Der Versuch mich zu bewegen, scheiterte kläglich, weil ich wie in einem Sumpf zu waten schien.
Hektisch begann ich die Umgebung mit meinem Blick abzusuchen. In mir keimte nämlich der Verdacht auf, dass erneut unser Erzfeind hier sein Unwesen trieb.
Jedoch machte ich keine roten Auren aus!
Ich konzentrierte mich auf den Toten und mir standen die Haare im Nacken zu Berge. Die Tätowierungen bewegten sich! Sie verschoben sich, formten sich neu und ergaben so etwas wie eine Anweisung oder Wegweiser.
Du hast mit dieser Münze in deiner Hand den Schlüssel für eine Karte gefunden, welche auf dem Körper dieses armen Wichts geschrieben wurde. Nur du kannst es sehen, lesen und auch auswerten.
Mein Vater stand breit Grinsend vor mir.
Ich habe mir große Mühe gegeben, so präzise wie möglich zu sein, damit keine Ungereimtheiten oder Missverständnisse aufkommen können. Wenn du die Koordinaten auf einer Landkarte suchst, zeigt sie einen Ort, welchen es eigentlich gar nicht gibt. Nirgends ist er verzeichnet! Wundere dich also nicht.
Mir fehlten gerade die Worte. Mehr als ein stummes Nicken brachte ich nicht zustande.
Merke, Haytham! Es ist dir alleine vorbehalten dorthin zu gelangen. So schwer es mir fällt zu sagen, aber es geht Alex nichts an was dort verborgen ist.
Langsam fand ich meine Sprache wieder.
Ist es gefährlich, Vater? Hakte ich zögerlich nach.
Wenn es ein simpler Ausflug wäre, dann hätte ich es nicht so gut verschlüsselt! Ich weiß, es ist ein seltsamer Moment dir gerade jetzt davon zu berichten. Deine Frau sollte nach Möglichkeit nicht in der Nähe sein! Sie kann mich spüren und wie wir wissen würde sie dir Löcher in den Bauch fragen und nicht eher locker lassen, bis sie dich begleiten darf. Du wirst aber sicher einen Weg finden, diese Exkursion alleine anzutreten, ich bin da sehr zuversichtlich, mein Sohn.
Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter und verschwand wieder in seinem Nebel.
Langsam klärte sich mein Blick, das Innere der Scheune war wieder völlig normal.
In meinem Kopf jedoch war noch eine entscheidende Frage aufgetaucht.
Wie in drei Teufels Namen kam diese Münze in den Bauch dieses Soldaten und WER war er. Oder besser warum gerade ER?
„Master Kenway, geht es euch nicht gut? Braucht ihr etwas frische Luft?“ fragte der Arzt besorgt.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einer der umstehenden Kisten saß.
„Danke, mir geht es ausgezeichnet. Ich … dachte nur darüber nach, wer dieser Herr gewesen ist und wem wir sein Ableben kundtun müssen.“ antwortete ich möglichst souverän, auch wenn ich noch etwas neben mir stand.
„Wir haben ein Schreiben, welches er für seinen Befehlshaber dabei hatte, gelesen und konnten sein Regiment herausfinden. Die Truppe ist auf der anderen Flussseite stationiert zur Bewachung einiger Waffenlieferungen. Ihr könntet also recht zügig eine Nachricht an den Kommandanten verfassen und bitten, dass man ihn hier abholt.“ seine Stimme war so sachlich und ruhig, dass man meinen könnte, er hätte seine Gefühle verloren.
„Ähm, ihr solltet euch das mal ansehen.“ sagte sein Assistent ängstlich und war vom Tisch zurück getreten, wo der Verstorbenen immer noch lag. Das Tuch hatte man wieder über ihn gelegt, aber es färbte sich plötzlich schwarz.
Vorsichtig ging ich hinüber und lupfte den Stoff um zu sehen, was genau gerade passierte. Was ich zu Gesicht bekam war nicht das, was ich sehen wollte.
Der Körper sah wie ausgetrocknet aus. Seine Haut war ledrig und faltig mit einem Male. Was aber noch merkwürdiger war, die Tätowierungen war verschwunden. Es war als hätte das Tuch alle Farbe aufgesogen.
Die Tinte in meinem Arbeitszimmer, mein Taschentuch … war es eine Vorhersage, eine Warnung für mich gewesen?
Deute ab und an deine Umgebung und die Hinweise, welche sich immer mal wieder in deinem Alltag verstecken. Sprach der Allvater plötzlich in meinem Geiste.
Diese kryptischen Andeutungen waren mitunter, wie würde Alex es nennen, absolut nervig.
„Wie ist das möglich?“ der Arzt stand fassungslos neben mir, schwenkte mit der Lampe über dem Leichnam hin und her um besser sehen zu können. „Der Körper war aber doch übersät mit … mit diesen Tätowierungen!“
Was mich ritt, meinen nächsten Satz auszusprechen, weiß ich nicht.
„Ich glaube, es war nur eine Einbildung und es waren vermutlich nur blaue Flecken.“ hier und da sah ich nämlich ähnliche Verfärbungen auf dem Toten in diesem Moment.
„Ja, das … wird es wohl gewesen sein.“ stotterte er und warf das Tuch wieder über den Mann. „Meine Arbeit ist dann hiermit wohl beendet, nicht wahr?“ voller Unbehagen sah er sich immer wieder um, als er seine Tasche mit den Instrumenten packte.
„Das denke ich auch. Ihr müsstet mir nur noch die Habseligkeiten dieses Herren geben und es wäre hilfreich, wenn wir eine Todesursache benennen würden. Sein Kommandant wird sicherlich Fragen stellen.“ gab ich noch zu bedenken.
„Tod durch ertrinken! Die Lunge war voller Wasser!“ immer noch war er sichtlich überfordert mit dieser Situation, übergab mir aber die Aufzeichnungen des Assistenten, die Papiere und den Beutel mit einigen persönlichen Gegenständen.
Vor dem Tor rief ich eine der Wachen zu mir und gab Befehl hier aufzupassen, bis der Leichnam abgeholt wurde.
„Sehr wohl, Master Kenway.“
Langsam ging ich wieder zurück zum Herrenhaus. Meine Gedanken hingen an dieser Mission meines Vaters.
Solange wie Alex mit den Kindern nicht hier war, könnte ich mich darum kümmern. Zumindest schon einmal schauen, wo ich eigentlich genau hinreisen musste.
Per Pferd? Per Schiff? Noch wusste ich nichts genaues.
Wie lange wäre ich dann wohl fort und sollte ich die Plantage wirklich dem Aufseher überlassen? Gerade jetzt, wo es immer mal wieder zu Überfällen gekommen war?
In meinem Arbeitszimmer holte ich aus einem der Regale eine große Karte der uns bisher bekannten Welt und ging damit in den Wintergarten zum großen Tisch.
Dort breitete ich sie aus, nahm mir die beschriebenen Koordinaten zur Hand und begann nach dem geheimen Ort zu suchen.
Jetzt wäre der erste Maat hilfreich, aber ich berief mich auf mein Wissen aus den letzten Jahren. Ich musste schon ein paar Mal Routen überprüfen, das sollte wohl nicht zu schwer werden.
Nach einer halben Stunde hatte ich den Ort gefunden und markiert.
Die Markierung deutete auf den Monroe Creek, nicht an Land sondern im Wasser. Musste ich mich jetzt auch noch aufs Tauchen einstellen? Der Colonial Beach war ebenfalls ganz in der Nähe und wenn ich recht informiert war, ein beliebter Umschlagplatz in der Nacht für allerlei Waren, welche man nicht ÜBER der Ladentheke verkaufen durfte.
Bei der Entfernung wäre ich ungefähr 2 Tage mit dem Pferd unterwegs. Also sollte ich eine Woche einplanen, in welcher ich den Anweisungen meines Vaters Folge leisten werde.
In mir machte sich eine gewisse Vorfreude breit, weil niemand außer mir davon erfahren würde.
Auch wenn ich meiner Frau gegenüber keine Geheimnisse, nicht außerordentlich gravierende versteht sich, hatte.
Ich bat meinen Kammerdiener mir eine Tasche zu packen, sprach mit Mr Mackenzie über meine Abreise und Mr Robinson erhielt ebenfalls Instruktionen für die Zeit meiner Abwesenheit.
Der nächste Morgen brach früher an als gedacht!
Ein berittener Bote aus dem Regiment des Toten in unserer Scheune erschien mit einer Nachricht des Kommandanten.
Zu meinem Erstaunen wollte man den Mann nicht in absehbarer Zeit hier abholen, weil gerade „fast jeder Soldat alle Hände voll zu tun hätte“. Er wurde also weder vermisst noch war es wichtig seine Familie zu kontaktieren, so schien es. Ich wurde gebeten dafür zu sorgen, dass er sicher in einem Sarg bis zu seinem Abtransport „verwahrt“ wurde.
Jesus, es war ein MENSCH und keine Ware! Wie Empathielos konnte man sein?
„Michael, sprecht mit der Wache vor der Scheune und dem Tischler. Vorerst wird der Verstorbene in unserer Obhut bleiben müssen.“ kopfschüttelnd saß ich an meinem Schreibtisch und las diese kalten Zeilen ein drittes Mal.
Gegen Mittag erschien Mr Robinson.
„Wir haben alles erledigt, Master Kenway. Wir belassen den Verstorbenen in der Scheune, dort ist es nach wie vor kühl genug. Die Wachen sind angehalten, dort zu bleiben, bis ihr wieder hier erscheint. Ihr könnt also unbesorgt eure Reise antreten. Wohin geht es denn, wenn ich fragen darf?“ es war keine Neugierde an sich, sondern die Frage nach dem wo ich zu finden bin, sollte etwas passieren.
„Ich werde Richtung Norden reiten, dort … sollte ich mich mit jemandem treffen. Es geht um geschäftliche Belange. Der Colonial Beach ist ganz in der Nähe, Mr Robinson.“ erklärte ich und hoffte, dass das als Wegbeschreibung reichen würde.
„Dann wünsche ich euch eine gute Reise und schnelle Wiederkehr!“ er verbeugte sich, bevor er mein Studierzimmer verließ.
Ich selber aß noch zu Mittag und packte ein paar persönliche Dinge in meine kleine Satteltasche, ehe ich mich auf Brida schwang.
Die Sonne stand hoch am Himmel und es war angenehm warm. Bis jetzt waren wir von extremer Hitze verschont geblieben.
Der Stallmeister hatte mir eine kleine Schaufel und eine Hacke mitgegeben. Es wäre ja möglich oder besser es sieht ganz danach aus, dass ich graben musste.
Meine Spannung, was mich dort erwarten wird, stieg mit jedem Meter den ich ritt weiter an.
In der Nacht machte ich an einem kleinen Waldstück Rast und schlug mein Lager auf. Miss Tabea hatte reichlich Proviant für mich eingepackt und ich ließ mir ein leckeres Abendmahl schmecken.
Es dauerte nicht lange, bis ich eingeschlafen war. Diese Stille, die leisen Geräusche des Waldes und der Tiere beruhigten mich auf eine seltsame Weise.
Vorsicht walten lassen musste ich dennoch und schlief mit einem offenen Augen im übertragenen Sinne!
Gegen Abend des zweiten Tages machte ich die Bucht des Creeks bereits aus, welche von einer rötlich untergehenden Sonne beschienen wurde und ein traumhaftes Bild bot.
Langsam ritt ich weiter und stieg am Ufer der kleinen Landzunge, welche ich markiert hatte zur Orientierung, ab.
Meine Stute band ich an einen nahegelegen Baum und schritt die Uferböschung ab. Ich konzentrierten meinen Blick und versuchte etwas wahrzunehmen, was nicht hierher gehörte.
Diese Aufregung in meinem Inneren hinderte mich jedoch, wirklich fokussiert zu sein. Also beschloss ich, für einen Moment in mich zu gehen und ein kleines Lager aufzuschlagen, etwas zu essen und zur Ruhe zu kommen.
Ich sah mich immer mal wieder um, aber hier war keine Menschenseele. Niemand hatte sich hier niedergelassen oder schien hier zu wohnen.
Was also war so besonders an diesem Ort? Diese Frage stellte ich mir zum tausendsten Male bereits.
Plötzlich tauchte mein Vater neben mir auf und setzte sich zu mir ans Feuer.
Während er seine Finger wärmte, sah er mich lange ohne ein Wort zu sagen an. Mir war diese Art schon damals als kleiner Junge immer unangenehm gewesen, muss ich gestehen.
„Es ist nichts besonderes, keine große Sensation, mein Sohn. Nenne es … eine Art Erfahrung, die dir eine weitere Fähigkeit näher bringen wird.“ seine Stimme klang verschwörerisch und dieses Lächeln verstärkte diesen Eindruck noch.
„Hast du die Münze bei dir?“ fragte er.
„Sie ist in meiner Tasche. Brauche ich sie für eine Tür oder eine Truhe? Wonach muss ich Ausschau halten, Vater?“ fragte ich neugierig nach.
„Wenn der Mond am höchsten steht, wirst du es sehen, mein Sohn. Lass uns gemeinsam warten.“ er saß im Schneidersitz neben mir, so als wolle er meditieren. Sein Atem ging ruhig und ich tat es ihm gleich.
„Es ist soweit, Haytham.“ flüsterte mir jemand ins Ohr und ich schlug erschrocken meine Augen auf. War ich etwa eingeschlafen? Wie unangenehm!
„Was? Ja, ich bin wach.“ langsam setzte ich mich auf.
„Komm, gehen wir zum Ufer.“ mein Vater zog mich dabei hoch und gemeinsam gingen wir zum Wasser.
Erneut ließ ich meinen Adlerblick über die Gegend schweifen, sah hier und da Fische in den Wellen, Auren von bereits erloschenem oder von sich erneuernden Lebens. Es war wie ein unfassbar schönes Gemälde, wie sich die Farben ineinander wanden und Formen bildeten. Es war schon fast wie in einem Rausch… den ich vor Jahren einmal hatte, als man mir seltsame Kräuter in einer Pfeife angeboten hatte. Ich hatte es in all der Zeit völlig verdrängt.
Dieses Gefühl von Leichtigkeit machte sich aber auch jetzt in mir breit und ließ mich meine Ängste vergessen. Meine Füße trugen mich wie von alleine immer weiter in das kühle Wasser, auf dessen Oberfläche der Halbmond sein Spiegelbild formte.
„Geh weiter, Haytham. Ich bin bei dir.“ flüsterte Vater hinter mir. Seine Hände lagen beruhigend auf meinen Schultern.
Plötzlich hielt er inne.
„Sieh dich jetzt um.“ wies er mich an, während er mich weiterhin festhielt.
Um uns herum war eine Welt aufgetaucht, welche ich noch nie zuvor gesehen hatte.
„Wir sind bei Davy Jones! So wie deine Frau ebenfalls andere Welten betreten hat, wirst auch du deine ganz eigene haben.“ seine Stimme hatte sich ehrfürchtig gesenkt, als wir uns einer kleinen völlig unscheinbaren Truhe näherten.
Und jetzt fiel mir auch wieder ein, wo ich das Symbol auf den Münzen schon einmal gesehen hatte.
Blackbeards Journal und Truhe wiesen die gleichen Zeichen auf!
„Ich habe den Soldaten aufgrund seiner Herkunft ausgewählt. Seine Familie gehört seit Generationen zu den erfahrensten Seeleuten. Ich selber habe ihn angewiesen, sich der britischen Armee anzuschließen. Leider habe ich nicht bedacht, dass er einer der wenigen Menschen ist, die nicht schwimmen können und so ertrank er, bevor er dich erreichen konnte. Ein kollateral Schaden, welcher passieren kann.“ etwas betrübt ließ er die Schultern hängen, dennoch waren seine Worte unterkühlt.
„Du hast seinen Tod einfach so in Kauf genommen? Nur um mir … Vater! Mir fehlen die Worte!“ rief ich, hörte meine eigene Stimme aber nur gedämpft.
„Es klingt kaltherzig, ich weiß. Wir müssen aber mit solchen Dingen rechnen und leben lernen, mein Sohn. Falls du es noch nicht verstanden hast, wir sind nicht an Land, weswegen deine Stimme völlig anders ist.“ grinste er und erst jetzt spürte ich dieses seltsame schwebende Gefühl, wenn man unter Wasser ist.
Jetzt wo ich wusste, wo ich mich befand, kroch eine leise Kälte in meine Knochen. Das hier dümpelnde Wasser war, trotz der warmen Außentemperaturen, noch sehr kühl.
Ich watete auf die Truhe zu, ließ aber meinen Blick weiter darauf geheftet, ich wollte nichts mehr dem Zufall überlassen.
In ihrer Nähe entstand ein seichter Strudel, als ich meine Hand danach ausstreckte. Meine Finger begannen zu kribbeln, also waren hier andere Mächte wieder am Werk.
„Leg die Münze auf die kleine Aussparung auf dem Deckel, Haytham.“ sprach mein Vater leise neben mir.
Ich tat, wie mir gesagt wurde, aber es tat sich nichts.
„Bist du sicher, dass das der richtige …“ wollte ich gerade nachfragen, als ein leichtes Vibrieren unter unseren Füßen entstand.
Die von einigen Muscheln, Algen und anderem Meeresgetier umschlossene Kiste befreite sich wie durch Zauberei aus ihrem Gefängnis. Der Deckel öffnete sich langsam und ein feines Leuchten stieg daraus hervor.
Ich trat näher um nach dem Inhalt zu schauen.
Einen glänzenden Sextanten konnte ich ausmachen und ein Fernrohr. Die Gegenstände waren aus purem Gold wie es schien. Vorsichtig strich ich darüber, traute mich aber nicht, sie an mich zu nehmen.
„Sie gehören dir, Haytham. Nimm sie und verwahre sie gut.“ sprach mein Vater stolz.
„Ich verstehe nicht! Was hat das mit mir zu tun? Ich bin kein Seefahrer wie du, Vater!“ Es überstieg meinen Verstand gerade, das muss ich zugeben.
„Das nicht, aber du wirst in ferner Zukunft auch einmal auf dich alleine gestellt sein und wirst das Wissen zum Navigieren und ähnlichem brauchen! Und jetzt höre auf mich, nimm den Sextanten und das Fernrohr! Dann wirst du wissen, was es damit auf sich hat.“ er klang etwas ungeduldig könnte man meinen.
Also griff ich die Kiste, zog die beiden Dinge heraus und wollte mich gerade zu meinem Vater drehen, als ich einen stechenden Schmerz auf der Brust spürte.
Es fühlte sich wie damals an, als der Rabe auf meiner Schulter erschien.
Ich sah auf meine Hände herab, der Sextant und das Fernrohr lösten sich in feinem Staub auf der herumwirbelte.
Sachte öffnete ich mein Hemd und starrte auf meine Haut. Die Symbole prangten dort auf der rechten Seite, aber nicht fest, sie waberten ein wenig.
Sprachlos sah ich zu meinem Vater, welcher mich breit grinsend ansah und sein Hemd öffnete.
Ich hatte seine Tätowierungen noch nie richtig sehen können! Dieser Moment war sehr seltsam, aber er brachte mir eine neue Verbundenheit mit meinem Vater!
Auch er hatte dieselben Zeichen auf seiner Brust.
„Und jetzt lass uns wieder in die richtige Welt auftauchen. Hier ist es doch etwas ungemütlich, findest du nicht?“ leise lachend marschierte er die leichte Erhöhung des Ufers hinauf.
Immer noch etwas sprachlos folgte ich ihm und als ich gänzlich aus dem Wasser trat, spürte ich einen übermenschlichen Wunsch tief Luft zu holen! Ich prustete und hustete das Wasser aus meinen Lungen, welches ich unwissentlich aufgenommen hatte und ließ mich erschöpft auf dem Sand nieder.
Nachdem ich mich etwas erholt hatte, setzte auch mein Verstand wieder ein und mir ging eine entscheidende Frage durch den Kopf.
„Du sagtest, es sei nur für mich alleine und Alex dürfe nichts davon wissen. Wie bitte soll ich eine solche Zeichnung auf meiner Haut vor ihr verbergen?“
Jetzt sah ER mich erstaunt an, so als hätte er diesen winzigen Punkt in seiner eigenen Planung vergessen.
„Nun … du … wirst dir schon etwas einfallen lassen, mein Sohn. Erzähl ihr, dass ich dich dazu überredet habe oder dass du nach einer langen Nacht in einer Taverne diese Idee hattest.“
Es war an mir in diesem Moment laut zu lachen.
„Ich bin nicht du! Sie würde mir das nie abkaufen!“ ich sah sie schon stirnrunzelnd vor mir stehen, weil sie keine detaillierte Erklärung von mir erhielt.
Sein Ellbogen stieß mir in die Seite, als er einen Einfall hatte.
„Dann bin ich halt der Schuldige und habe dich gefesselt und geknebelt einem Tätowierer übergeben!“
Für den Rest der Nacht saßen wir hier beisammen, genossen den guten Rum, welchen mir unsere Haushälterin mit eingepackt hatte und Vater berichtete mir von meiner neuen Fähigkeit.
Sollten wir einmal in Schwierigkeiten auf Hoher See kommen, so konnte ich mit Hilfe meines Adlerblickes Seemeilen, Koordinaten und auch den Stand der Sonne zum Beispiel erkennen und so das Schiff entsprechend sicher lenken.
„Jetzt weißt du, was ich dir versucht habe zu erklären. Es ist kein Artefakt, welches ihr noch suchen musstet oder ähnliches. Hier ging es einfach nur um dich! Es ist mir wichtig, dass du … dich mehr mit der Seefahrt auseinander setzt. Ihr wisst ja, dass es noch einige Jahrzehnte für euch gibt, die ihr meistern müsst.“ dabei sah er nachdenklich in seinen Becher.
„Wie lange, Vater?“ fragte ich leise nach, weil ich ein wenig Angst vor der Antwort hatte.
„Ihr werdet den bevorstehenden Krieg mit England erleben und mindestens einen weiteren.“ seine Stimme war fast tonlos und in seinen Augen sah ich, dass er, genau wie Alex mehr wusste, es aber nicht exakt preisgeben durfte.
„Ich verstehe, die Nornen haben unseren Weg bereits festgelegt.“ flüsterte ich und richtete meinen Blick auf den Halbmond am Himmel und die Sterne dort oben.
„Man kann auch wunderbar anhand der Sterne seine Position deuten und du hast es jetzt sogar noch leichter. Sollten sie einmal nicht sichtbar sein, hilft dir deine Erweiterung für deinen Blick sie sichtbar zu machen.“ anerkennend klopfte Vater mir auf die Schulter.
Langsam überkam mich eine gewisse Schwere und ich zog mir endlich etwas trockenes an, danach legte ich mich auf meine Decke.
„Ich werde jetzt gehen, mein Sohn.“
Als er in diesem Dunst verschwand blieb ich etwas wehmütig zurück. Diese Abschiede, auch wenn sie nur kurz sein mögen, hinterließen immer einen bitteren Beigeschmack.
Der Heimritt war begleitet von einer gewissen Euphorie aufgrund dieser Zeichnung auf meiner Brust, aber gleichzeitig war ich innerlich unruhig. Es lag etwas in der Luft und ließ mich hin und wieder innehalten um meine Umgebung genauer zu inspizieren.
Doch ich machte keine Bedrohungen um mich aus.
Seltsam war es dennoch.
Am Tag 4 erreichte ich die große Auffahrt zum Herrenhaus und war froh, daheim angekommen zu sein.
Leider musste ich zwei Tage unfreiwillig Rast machen, weil es auf halben Wege plötzlich zu einem riesigen Unwetter gekommen war. Gott sei Dank fand ich eine Schenke, wo ich auch ein Bett bekam.
Mr Mackenzie eilte selig lächelnd auf mich zu, nahm die Zügel, sodass ich absteigen konnte und führte Brida in den Stall, wo sie frisches Wasser und Heu bekommen würde.
Ich selber nahm meine Taschen und machte mich auf, ins Haus zu kommen. Es war heute extrem schwül und drückend. Das Unwetter schien mir zu folgen.
Doch nicht nur das folgte mir, dachte ich, als Mr Robinson schon hinter mir her eilte.
„Master Kenway! Master Kenway!“ völlig außer Atem stand er vor mir mit in die Hüften gestemmten Hände. „Man hat … den Soldaten … gestohlen!“ wartend sah er mich an.
„Gestohlen? Wie kann man einen Toten einfach so stehlen? Die Scheune war bewacht!“ konnte ich nicht einmal nach Hause kommen ohne gleich von Hiobsbotschaften überrannt zu werden?
„Sir, die Wache hat nichts bemerkt. Es ist auch … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…“ er begann Hände ringend nach den passenden Worten zu suchen. „Wie in Luft aufgelöst, Sir. Wir fanden keinerlei Spuren, weder IN noch AUSSERHALB der Scheune.“
„Gebt mir eine Stunde, dann werde ich mir das ansehen.“ bat ich ihn und rief nach meinem Kammerdiener.
„Ihr seid wieder daheim, soll ich euch ein Bad richten lassen, Sir?“ hakte er nach, doch ich verneinte, eine kurze Wäsche und ein frisches Hemd mussten erst einmal reichen.
Mit neuem Elan ging ich hinüber zu den Ställen und ließ Fenrir satteln, damit Brida sich noch erholen konnte.
Gemeinsam mit dem Aufseher ritt ich zur Scheune um mich selber von diesem abrupten Verschwinden zu überzeugen.
Niemand konnte mir weismachen, dass … je länger ich aber darüber nachdachte, um so mehr spürte ich, dass hier andere Mächte am Werk gewesen waren.
Angekommen am Ort des Geschehens, trat die Wache auf mich zu und begrüßte mich leise.
Der Herr war so verlegen, dass er mir kaum in die Augen schauen konnte.
„Master Kenway, es ist mir sehr unangenehm und mir ist so etwas auch noch nie passiert. Aber ich habe meinen Posten, genau wie mein Partner, nie verlassen. Wir haben wirklich nichts gesehen oder gehört!“ er war recht jung und hatte anscheinend noch nicht sehr viel Erfahrung sammeln können, weswegen er nun um seine Anstellung bangte.
„Niemand macht euch einen Vorwurf, wir werden der Sache auf den Grund gehen!“ erwiderte ich so ruhig wie möglich und betrat das Innere.
Dort wo man den Sarg aufgebahrt hatte, damit er nicht direkt auf dem Boden und den Tieren zugänglich stand, prangte ein leerer Fleck. So als hätte hier nie eine Obduktion, eine Untersuchung oder ähnliches stattgefunden.
Mein Blick förderte lediglich ein paar stark verblasste Auren zu Tage, die aber nicht vom Soldaten stammten. Seine war einfach nicht vorhanden. Wie ausradiert könnte man auch meinen.
Er musste von der Bildfläche verschwinden, Haytham. Wie solltest du sonst deiner Frau das alles erklären? Sein Regiment weiß auch von nichts mehr. Er ist nur noch eine dunkle Erinnerung, die schnell verblassen wird. Und ich weiß, dass es skrupel- und herzlos klingt, aber es gibt Opfer, die man einfach hinnehmen muss. Hörte ich Vater in meinem Kopf.
Wie wichtig war ein Menschenleben? Woran maß man das?
In meinem Inneren brodelte eine Wut auf diese Sichtweise hoch, dass es mir schwerfiel noch sachlich zu bleiben.
Tief durchatmend inspizierte ich noch ein wenig das Lager, aber konnte beim besten Willen nichts finden.
„Es ist merkwürdig, aber … haken wir das Ganze jetzt ab. Niemanden bringt es etwas, wenn wir uns über diese übernatürlichen Phänomene den Kopf zerbrechen.“ erkläre ich den Wachen und einigen Schaulustigen, welche sich eingefunden hatten.
„Wie ihr wünscht, Master Kenway.“ der Herr salutierte und ich gab ihm noch den Auftrag, sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe hier auf der Plantage zu widmen.
Wieder im Haus angekommen, ließ ich mich an meinem Schreibtisch nieder und stützte den Kopf in die Hände.
Es war zum verrückt werden!
Mir fiel aber ein Brief ins Auge, der hier ganz oberst lag. Er kam aus London, vom dortigen Richter! Etwas zaghaft öffnete ich ihn, weil ich eigentlich nicht noch mehr unschöne Nachrichten bekommen wollte. Aber das Gegenteil war der Fall, auch wenn es merkwürdig klingt im ersten Moment! Mir wurde mitgeteilt, dass Charles Lee in zwei Monaten seine Strafe verbüßt haben wird und dann wieder auf freiem Fuß sei. Etwas Zeit um organisatorische Sachen zu erledigen, hinsichtlich seiner Ankunft hier in den Kolonien und einem Wohnsitz, hatte ich demnach noch.
Ich musste ihn als bald wieder im Auge behalten und Alex vor ihm schützen, oder war es umgekehrt?
Doch nicht nur das musste ich!
Ich suchte dringend nach einer plausiblen Erklärung wegen der Tätowierung für meine Frau, gleichzeitig fehlten mir die Beweise, dass dieser ominöse Mann existiert hatte.
Moment!
In einer der Schubladen hatte ich die Aufzeichnungen des Arztes verstaut und holte sie wieder zum Vorschein.
Ich schlug die lederne Mappe auf und sah … leere Blätter vor mir! Wie kann das jetzt sein? Ich hatte schon von unsichtbarer Tinte gehört, aber … diese göttlichen Eingriffe in unser Leben waren oft … nervig. Worauf konnte man sich noch wirklich verlassen, wenn doch nichts wahr war?
Nichts ist wahr, alles ist erlaubt! Sprach Odin in meinem Kopf und lachte leise.
Beim Versuch nicht aus der Haut zu fahren, weil man mir gerade den Grundsatz der Assassinen um die Ohren haute, trat mein Vater auf den Plan.
Es ist zu eurem Schutz, verstehst du das nicht und unser Allvater kann manchmal seinen schrägen Humor nicht lassen. Nimm es ihm nicht krumm.
Immer noch versuchte ich meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, als Elias sich noch einmal zu Wort meldete.
Ich sagte dir schon, dass du viele kleine Anzeichen in deinem Alltag beachten musst. Es gibt hier und da Hinweise auf bevorstehende Ereignisse, die du deuten kannst. Du hast von uns eine große Macht bekommen, genau wie deine Frau!
Ein Glas Whiskey würde mir jetzt gut tun und ich stand auf um mir etwas einzugießen, als ich besagte Gattin plötzlich in meinem Kopf spürte und gleichzeitig Odin hörte, welcher lachend sagte „Wenn man vom Teufel spricht!“.
Ich verscheuchte die ungebetenen Herren aus meinem Kopf und widmete mich etwas genervt Alex. Langsam fing ich mich wieder, Gott sei Dank.
Mi sol, was… geht es euch gut? Fragte ich in einer plötzlich aufkommenden Panik nach, weil sie mich so überraschend am helllichten Tag ansprach.
Es ist nichts passiert, keine Sorge. Wir haben aber ein Problem, mi amor. Marias Waffenlieferungen sind allem Anschein nach von Thomas Hickey manipuliert worden und er treibt damit sein Spielchen auf dem Schwarzmarkt. Im Namen des Ordens! Erklärte sie sich und in ihrer Stimme lag dieser Hass auf diesen Herren.
Was in drei Teufels Namen treibt dieser Mann in New York? Er hat Waffen manipuliert und das angeblich im Auftrage des Ordens? Ist … ich atmete tief durch um mich wieder etwas zu beruhigen.
Ich werde mich heute Abend auf die Suche nach ihm machen, Haytham. Die Wachen bleiben bei den Finnegans… Ich ließ sie nicht ausreden.
Warum seid ihr nicht im Fort George? Jesus, konnte diese Frau nicht einmal das tun, was ich ihr sagte?
Ihre Erklärung jedoch war plausibel und öffnete mir die Augen.
Unser altes Haus lag inmitten des Forts in der Nähe der Garnison. Hickey hatte freien Zugang und sie wäre somit nicht wirklich sicher dort. Außerdem hatte man die Immobilie so in Beschlag genommen als Büro, dass keine Übernachtung vor Ort möglich war.
Verdammt, daran habe ich nicht gedacht. Alex, versprich mir, dass du Vorsicht walten lässt und … ich konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Ich wäre lieber bei ihnen um sicherzugehen, dass nichts passierte.
Ja, wenn es zu gefährlich wird, werde ich mich zurückziehen. Weißt du vielleicht, wen er noch unter sich haben könnte? Hat er vom Militär noch Leute dabei? Aber was mir am meisten Sorge bereitet ist der Gedanke, dass Charles ebenfalls hier sein könnte!
Ich hatte also gute Nachrichten für sie in diesem Moment!
Da kann ich dich beruhigen, er ist noch in London. Ich habe heute, was ein Zufall nicht wahr, das Schreiben erhalten, dass er in ungefähr zwei Monaten entlassen werden soll. Wirklich beruhigter klang sie aber nicht.
Ich hoffe, er ist nicht doch schon hier…
Nein, das glaube ich nicht, die Nachricht hätten wir erhalten, mi sol. Sei bitte trotzdem vorsichtig und erstatte mir Bericht oder lass mich in Gedanken mitkommen! Ich ließ einen gewissen Befehlston in meiner Stimme mitklingen, damit sie es auch ja richtig verstand!
Das mache ich, mi amor. Ich liebe dich! Hauchte sie seufzend, ich spürte, dass sie nicht ganz so frei von Angst war, wie sie sich gerade gab.
Ich liebe dich auch! Versicherte ich meiner Frau.
Jetzt hieß es für mich warten, bis sie ihm folgte und hoffentlich auch dingfest machte. Und dann Gnade ihm Gott, sollte er den Orden und mich betrügen!
Am Abend ließ ich mich vor dem Kamin in meinem Arbeitszimmer nieder und harrte der Dinge, die noch kommen würden.
Hoffentlich dachte meine Gattin daran, mich in ihren Geist zu lassen, damit ich mich von Thomas´ Machenschaften selber überzeugen konnte.
Es dauerte eine Weile und ich befürchtete schon, dass etwas schiefgegangen sein könnte, als mir Bilder einer gut besuchten Taverne in den Kopf kamen.
Thomas spielte gerade mit einigen Herren Karten und ließ sich sein Ale schmecken. Sie alle waren bester Laune. Nicht nur sie, auch die anderen Gäste waren in Feierlaune, sangen und grölten laut!
Da ist er ja! Brachte ich hinter zusammen gebissenen Zähnen hervor und hatte Mühe meine Wut im Zaum zu halten. Beobachte das Ganze noch eine Weile, Alex. Ich will wissen, WER sein Auftraggeber ist!
Sie beobachtete aus sicherer Entfernung die Truppe weiter und ich sah, dass sie das neue Kleid anhatte, welches sie extra für solche Aufgaben hatte schneidern lassen. Es ließ sich nämlich vorne aufmachen und darunter war ihre Assassinenmontur versteckt.
„Oh, Jungs! Das ist das beste Geschäft, was ich in den letzten Monaten machen konnte.“ hörte ich Thomas freudig rufen. „Wer auch immer glaubt, dass Weiber für das Geschäft taugen, muss ziemlich auf den Kopf gefallen sein. Sie taugen nur für ein Geschäft und zwar in einem Freudenhaus auf dem Rücken!“ alle Anwesenden lachten und stimmten ihm prostend zu.
„Hört! Hört!“
So ging es immer weiter, eine anzügliche Zote riss die nächste und man ließ nicht ein gutes Haar an Frauen!
Alex´ Wut über diese unflätigen Ausdrücke übertrug sich auf mich. Ihr Blick glitt kurz zu ihrer Begleiterin in der Nähe, welche auch arge Probleme hatte nicht sofort auf die Meute loszugehen.
Alex schüttelte mahnend den Kopf, was ihrer Kumpanin ein Augenrolle entlockte.
Und was tat sie?
„Ach, was ist denn so lustig? Hey… ich red mit dir!“ fuhr sie eine dunkle lallende Männerstimme von der Seite an.
„Nichts, ich warte nur darauf, dass ich endlich etwas zu trinken bekomme!“ ihre Geistesgegenwärtigkeit war manchmal erstaunlich und traute man ihr gar nicht so zu.
„Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn hier?“ das war Hickeys lallende Stimme, welche ich zu gut kannte. Er wollte sich an Alex´ Mitstreiterin vergreifen, welche sich aber gekonnt aus seinem Griff schlängeln konnte.
Mit einem Male sah ich einen Krug vor meiner Frau!
„Hier, trink. Das schmeckt lecker und dann zeige ich dir, was noch gut schmeckt.“ grinste der Herr neben ihr mit einer Reihe fauliger, schwarzer Zähne an, während er sich in den Schritt griff. Das war widerlich und ich wäre am liebsten eingeschritten.
Und jetzt war sie die Professionalität in Person, nahm einen Schluck, lächelte diesen Widerling an und widmete sich nebenbei dem Geschehen am Tisch. Noch hieß es Antworten zu bekommen, wir waren noch nicht fertig.
Was wenn mich Hickey doch erkennt? Ging es ihr durch den Kopf und auch mir fiel ein, dass er sie ja kannte. Hoffen wir mal, dass er zu betrunken war um sie zu identifizieren.
Alex wurde durch eine Hand auf ihrem Hintern, welche hart zugriff, abgelenkt!
„Trink weiter, Mädel… na los…“ ich konnte ihr Würgen förmlich selber spüren. Es tat mir unendlich leid, dass sie an so einen Herren geraten war.
Plötzlich änderte sich aber das Bild oder besser Alex´ Sicht. Leicht verschwommen nahm ich ihre Umgebung wahr und hatte Schwierigkeiten bei der Sache zu bleiben. Es fühlte sich an, als wären mit einem Male ZWEI Persönlichkeiten in meinem Kopf.
Du Dummerchen, deine Frau hat immer noch mich an ihrer Seite! Sprach Thyra! Hatte ich es doch geahnt und wenn ich ehrlich sein darf, war ich froh, dass sie gerade jetzt anwesend war.
Was jetzt passierte war einfach unglaublich und erfüllte mich mit einem perfiden Stolz!
„Oh, du bist aber ein mutiger Krieger, was?“ hörte ich die Vorfahrin sagen. „Glaubst du, du kannst mir auch noch den Mann dort bringen? Ich würde zu gerne mal wieder zwei starke Männer haben!“ ihre Hand fuhr lasziv über den tiefen Ausschnitt.
„Glaub mir, Schätzchen, ich reiche da völlig. Bisher hat sich noch keine beschwert.“
Nein, wie auch, die waren alle vermutlich durch den Mundgeruch gestorben! Hörte ich die Gedanken Thyras und musste schmunzeln.
„Dann komm, draußen gibt es bestimmt eine kleine dunkle Ecke für uns!“ sie zog ihn hinter sich her ins Freie, hinaus auf den Innenhof. Dieser war verlassen und dunkel. Man hörte nur ein paar Hühner in der Nähe gackern und das Stimmengewirr aus der Taverne.
Mit einem Schwung schob sie den Herren an die gegenüberliegende Hauswand in eine kleine Nische. Er begann hektisch zu atmen, wollte sich schon von seiner Hose befreien, aber sie hielt seine Hand auf ihre Brust gedrückt.
„Weib, du hast es aber ganz schön eilig. Lange keinen Schwanz mehr zwischen den Beinen gehabt, was?“ raunte er.
„Ganz recht und DU wirst deinen heute noch verlieren!“ fauchte die Vorfahrin, ließ die versteckten Klingen hervorschnellen und hatte sein bestes Stück schneller abgetrennt, als man gucken konnte.
Seinen Schmerzensschrei erstickte sie gekonnt mit der Handinnenfläche, während Thyra ihn zu Boden gleiten ließ und mit der anderen versteckten Klinge die Kehle durchtrennte.
„Und jetzt… schlaf schön du kleiner Arsling!“ es klang merkwürdig muss ich sagen.
Den schlaffen Körper des Toten schleifte sie zu einem Heuhaufen und begrub ihn darin. Ihre Klinge wischte sie am Heu ab, richtete ihr Kleid und ging wieder hinein, als wäre nichts passiert.
Meine Vorfahrin ist definitiv abgebrühter als ich. Sprach jetzt wieder Alex und schluckte schwer.
Alex wurde misstrauisch von ihrer Begleiterin beäugt, welche von Thomas in Beschlag genommen worden war.
Sie saß mittlerweile auf seinem Schoß, während er lauthals seine Erfolge verkündete.
Mi sol, das war… ich bin ehrlich gesagt sprachlos! Ich musste es einfach noch loswerden, es war wirklich unglaublich, was sie da mit dem Herren getan hatte.
Danke, ich habe mein Bestes gegeben. Ihre Erleichterung, dass sie wieder sie selbst war, spürte ich deutlich und grinste in mich hinein.
Und jetzt hör dort weiter zu! Wir hatten noch nicht genügend Informationen.
„Wenn wir so weitermachen, herrschen wir bald über ein riesiges Waffenarsenal! Genau das werden wir brauchen um diesen britischen und spanischen Ärschen zu zeigen, wer das Sagen hat!“ polterte er los und vergrub sein Gesicht im Ausschnitt der Frau auf seinem Schoß.
Ihr Blick glitt flehend in Alex´ Richtung, endlich etwas zu unternehmen. Doch noch musste sie durchhalten, wir hatte noch keinen entscheidenden Hinweis erhalten!
„Wir sollten nächste Woche die andere Lieferung der Armee abwarten und wieder ein wenig Tauschhandel betreiben!“ kicherten die Männer.
„Wie blöd sind diese Händler aber auch, die nehmen ja alles ungesehen an.“ einstimmiges lautes Lachen.
„Last uns auf unseren Gönner anstoßen!“ für einen kurzen Moment hielt ich die Luft an, in Erwartung dass ein Name fiel! Doch weit gefehlt, nichts dergleichen passierte.
„Thomas, aber wir sollten uns vielleicht etwas bedeckter halten, findet ihr nicht? Ich habe keine Lust, dass mich dieser Kenway auf seiner Schwertspitze irgendwann hat, weil ihr euch in seinem Namen bereichert!“
Bitte was? Alex und ich wurden beide unruhig, weil man doch noch einen gewissen Respekt vor mir hatte! Nur Thomas anscheinend nicht!
„Keine Angst, der weiß doch gar nicht, was hier los ist. Der hockt mit Weib und Kindern in Virginia! Ahnungsloser Trottel!“ ich traute meinen Ohren nicht! Dieser …
Dieser verlogene kleine Bastard! Was hat sich William nur dabei gedacht, sich so einen an Land zu ziehen? Meine Hände krampften sich zusammen und ich wäre ihm am liebsten an die Gurgel gegangen!
Ein anderer Herr am Tisch ergriff das Wort!
„Morgen sollten wir erst einmal das Treffen mit dem Colonel abwarten, oder nicht?“ Welcher Colonel denn jetzt noch? Oder war das nur so eine umgangssprachliche Bezeichnung, weil er der Drahtzieher war?
„Ach, den hatte ich ganz vergessen. Ist das morgen schon?“ kam es maulig von Hickey! „Vielleicht sollten wir uns dann langsam mal in die Horizontale begeben, meine Herren. Diese Dame hier kann es anscheinend kaum noch abwarten!“ lachte er. Sie riss entsetzt die Augen auf und starrte wieder in Richtung meiner Frau …
Nein, mach das nicht! Hörte ich Alex bitten!
„Och Schätzchen, du freust dich ja wirklich, was? Sollen wir deine Freundin auch gleich mitnehmen?“ lallte Thomas mit vernebeltem Blick auf Alex!
„Sir, dass wäre doch wirklich eine fantastische Idee. So könnt ihr eure … Männlichkeit gleich zweimal unter Beweis stellen.“ hauchte sie an seine Brust. Ein Nicken meiner Gattin sollte die Bestätigung sein. Sie ging jedoch nicht näher, das Risiko, dass er sie doch noch erkannte war zu groß!
„Dann mal hoch mit dir, mein Zimmer ist nicht weit weg von hier!“ er schubste sie von seinem Schoß, erhob sich und verabschiedete sich noch von seinen Mitsäufern!
Während des kurzen Fußmarsches hielt Alex mit gesenktem Kopf etwas Abstand und folgte den beiden einfach.
Alex, sei bloß vorsichtig! Mahnte ich sie leise.
Bin ich, versprochen, aber ich will wissen… Ich sah, wie sie ihren Ring mit dem Pulver betrachtete und ihr eine brillante Idee kam. Sie würden ihm das in ein Getränk, welches sicherlich in seinem Zimmer noch vorhanden war, mischen und hoffen, dass er weiter in Plauderlaune blieb und noch mehr ausspuckte.
Du durchtriebenes Ding! Musste ich anerkennend einmal sagen.
Danke, mi amor. Solltest du meine Dienste auch einmal in Anspruch nehmen wollen… ich ließ sie sehen, was ich dann mit ihr machen würde. Ohne sie gesehen zu haben, wusste ich, dass ihre Wangen feuerrot bei diesen Bildern geworden waren.
Die beiden Damen waren aber Gott sei Dank nicht ganz auf sich alleine gestellt, weil ich spürte, dass meine Frau einige Brüder und Schwestern um sich herum wahrnahm. Auch ich war beruhigter und verfolgte weiter ihren Weg.
Hickeys Zimmer lag in einem kleinen Haus in der Nähe des Fort Arsenal, was mich stutzen ließ. Ich wusste, dass er in der Garnison ein Bett hatte. Vermutlich war das hier für seine heimlichen Geschäfte gedacht. Der Gedanke brachte mich wieder in Rage. Wenn er mir beizeiten über den Weg läuft, dann … aber das sagte ich ja bereits.
Er schob die Frauen eine Treppe hinauf in einen dunklen Korridor, von dem einige Türen abgingen. Eine davon öffnete er und trat ein, entzündete sofort ein paar Kerzen und ließ sich seufzend auf sein Bett nieder.
Alex zeigte mir kurz den Raum, sodass ich einen Überblick bekam und dann fing sie an, Hickey zu bezirzen, aber nicht sie alleine. Ihre Begleiterin spielte hervorragend mit!
Als er aufstehen wollte um sich den Rum vom Tisch hinter Alex zu nehmen, hielt sie auf.
„Lasst mich das machen, Sir. Ihr setzt euch schon einmal und macht es euch bequem.“ Ihre Freundin machte überzeugend mit und strich ihm noch über seine Wangen, hinunter zur Brust und begann sein Hemd zu öffnen.
„Die Damen haben es aber eilig wie ich sehe.“ hörte ich ihn stockend sagen, als er sich wieder auf der Bettkante niederließ.
„Wer kann bei eurem Anblick schon widerstehen?“ ihre Worte brachten ihr Übelkeit, nicht nur ihr, muss ich gestehen.
Man befüllte drei Becher, die noch einigermaßen sauber aussahen mit Rum. Geschickt ließ Alex dabei den Inhalt ihres Giftringes in einen von ihnen rieseln. Ich wollte schon etwas sagen, weil sie alles hineinkippte, aber ihr Gedanke, dass Thomas einiges vertragen konnte, teilte ich!
Nachdem sie den Becher etwas geschüttelt hatte, reichte sie ihn an unseren Schluckspecht weiter.
Die Damen prosteten ihm mit lasziven Blicken zu und begannen an ihren Kleidern zu werkeln. Ein wenig kribbelig machte mich diese Situation, muss ich gestehen, sagte aber nichts, sondern sah weiter zu.
Mit einem Schluck hatte er den Inhalt hinunter gekippt.
„Ich kann es kaum abwarten! Kommt schon, ich zeige euch, was ich alles auf meinen Reisen gelernt habe.“ seine Worte wurden immer unverständlicher.
„Ihr seid ein Mann, der sich auskennt, wie mir scheint. Das gefällt mir.“ hauchte Alex leise und trat auf ihn zu.
„Sagt, ward ihr immer sehr einsam auf euren Unternehmungen?“ flüsterte die Dame neben ihr und fuhr über ihren Ausschnitt, während ihre andere Hand den Po meiner Gattin griff!
„Nicht immer, meine Damen. Aber solch wohlgeformte Schönheiten blieben mir oft verwehrt. Mein Auftraggeber hatte einen schlechten Geschmack was die Weiber anging…“ es wurde immer schwieriger für ihn, sich richtig zu artikulieren. Es würde nicht mehr lange dauern bis das Pulver seine volle Wirkung zeigen würde!
„Ihr habt euch mit ihm die Frauen teilen müssen! Ihr Armer. Wenn ich ihn in die Finger…“ zu mehr kam meine Frau aber nicht!
„Dieser kleine Hurensohn… verflucht sei er… Harold war schon immer nur gierig… pffffffff… Lehrling des Hafenmeisters! Das ich nicht lache! Und jetzt? Nur weil er die Listen der Schiffe kannte, konnte er… soweit kommen…“ sein Redefluss wurde von einem Schluckauf untermalt. „Ich sollte … ihm morgen beim … Treffen mal ordentlich… die Meinung sagen…“
„Sir, das ist eine hervorragende Idee! Wenn wir irgendetwas für euch tun können…“ Alex hatte sich jetzt zwischen seinen Beinen postiert, sah auf ihn herab und hatte sein Kinn angehoben, damit er sie ansehen musste.
„Er soll mich… endlich ordentlich… bezahlen…“ sein Lallen wurde immer mehr zum Jammern, wie erbärmlich!
„Wenn wir wissen, wo wir ihn finden, werden ihm schon seine Börse leeren, Sir!“ ihre Mitstreiterin war ebenfalls nah bei Hickey, strich über seine Wange.
„Morgen Mittag… bei… dings… bei diesem… großen… wo Sachen hinkommen… bei der Trinnnnidiiiiiiii Schörsch… da… im Hauslager… da gibt es … tolle Dinge…“ damit sackte er zur Seite weg und begann lautstark zu schnarchen.
Nachdem die beiden noch ein paar Schriftstücke an sich genommen hatten, erwartete man sie schon vor der Tür. Für mich war es Zeit mich aus ihrem Geist zurückzuziehen. Wer weiß, vielleicht bekäme ich ja noch einmal eine Gelegenheit. Das morgige besprochene Treffen im Lagerhaus wäre ein guter Anlass.
Die nächsten Stunden verbrachte ich grübelnd über einem Brief, welchen ich an William verfasste. Er sollte über seinen Schützling Bescheid wissen, meiner Meinung nach. Die richtigen Worte zu finden, ohne dabei ausfallend zu werden, war nicht so einfach wie gedacht!
Wir wussten, dass er nicht immer ganz legal arbeitete und hier und da seine Waren einfach an sich nahm, ohne zu Bezahlen, wie er es gerne nannte.
Bisher war der Orden nicht in Mitleidenschaft gezogen worden und ich hoffte, wenn Master Johnson und ich ihm noch einmal ins Gewissen reden würden, dass er zur Vernunft käme!
Auf meinem Schreibtisch fand ich noch einen Brief, welcher mehr als nur mitgenommen aussah! Zögerlich besah ich mir das Schriftstück, mit viel Fantasie konnte ich den Siegeldruck erkennen! Shay Cormac!
Mich ereilte ein ungutes Gefühl und ich war versucht nicht hineinzuschauen. Vielleicht sollte ich … Nein, es könnte auch dringlich sein!
Beherzt brach ich das Wachs und mir kamen zwei verpackte Nachrichten entgegen. Eine war direkt an meine Frau gerichtet mit Faiths persönlichen Initialen und die andere ging an mich von Master Cormac.
Tief durchatmend öffnete ich sein Schreiben und begann zu lesen.
Es begann mit der üblichen förmlichen Anrede, aber ich merkte schnell, dass ihm beim Verfassen nicht nach Höflichkeiten der Sinn stand. Ich sollte bald erfahren, warum.
Sie waren vor Monaten nach Irland aufgebrochen auf der Suche nach einem Artefakt. Die Spur führte sie im Grunde kreuz und quer dort durchs Land.
Wie üblich musste man sich Widersachern stellen und immer wieder landete man in einer Sackgasse. Seine Frustration stellenweise in seinen Worten konnte ich sehr gut nachvollziehen.
Nach Wochen der Recherche wehrte man sich am Ziel, doch weit gefehlt.
Es gab die Hürde der nicht kooperierenden Assassinen, welche sich nicht überzeugen ließen.
Dazu kamen, wie sollte es anders sein, höhere Mächte, die es noch mehr erschwerten an die relevanten Texte und Beschreibungen der zu suchenden Gegenstände zu kommen.
Master Cormacs Großvater, Conner Doyle, Leiter des Trinity College, war nicht gut zu sprechen auf seinen Enkel. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, versicherte mir Shay eindrücklich.
Ich mache es kurz, denn es gab wie immer noch mehrere Personen, welche aus dem Weg geräumt oder umgestimmt werden mussten! Nicht ganz einfach, wie man sich denken kann.
Dazu kam, dass es auch noch weitere abtrünnige Familienmitglieder von Faiths Seite gab. Ihr Onkel hatte einige wertvolle Bücher des Ordens geraubt und verkaufte sie nach und nach für einen guten Preis an entsprechende Händler. Lucius war alles andere als begeistert schrieb Shay mit einem Ausrufezeichen! Wer konnte es ihm verübeln? Hier ging es um Wissen, was nicht für Dahergelaufene gedacht war!
Ein Angriff auf das Haus wo man wohnte blieb leider auch nicht aus, weswegen man von dort fliehen musste, neue Verbündete, die sich ihm anschlossen und ein alter Bekannter, den vor allem Faith am liebsten vergessen hätte, erschwerten die weitere Suche und ihr Leben!
Dazu gab es noch einen überraschenden Kauf einer Brennerei, Brauerei und eines Bordells. Der Ire hatte wohl eine Vorliebe für solche Etablissements entwickelte, schmunzelte ich vor mich hin.
Der nächste Absatz war recht kurz gehalten und ich verstand aus welchem Grund. Die Kinder der Familie sollten in der Zeit in Irland ein Training erhalten, von den dort ansässigen Assassinen. Meiner Meinung nach eine gute Idee, so lernten sie mehr Vielfälligkeiten in der Art des Kämpfens zum Beispiel.
Doch leider ereiferte sich ein Mr Coster und erzählte dem kleinen Cillian, wer seinen Vater ermordet hat und noch so einiges andere dumme Zeug. Wie konnte man einem Kind so eine Nachricht eiskalt überbringen. Der Herr hatte sichtlich Freude daran, wie der Junge sich gegen seinen Ziehvater stellte.
Um es vorweg zu nehmen, Cillian würde nicht mehr bei Faith und Shay leben. Der Gedanke, dass Master Cormac für den Tod seines Vaters verantwortlich war, war unüberwindbar.
Ging es mir nicht anders, als ich von Reginalds Betrug mir und meiner Familie gegenüber erfuhr? Nur ich war im Gegensatz zu Cillian erwachsen.
Eine ganze Weile später hatte man eine heiße Spur gefunden, die sie zu einem abgelegenen Teil Irlands führte. Ein Gebetshaus auf der kleinen Insel Inishtooskert laut Master Cormacs Beschreibung. Anbei hatte er mir eine grobe Zeichnung der Gegend mitgeschickt zur besseren Orientierung.
Meine kleine Schwester ließ es sich aber, hochschwanger wie sie zu dem Zeitpunkt Mitte September war, nicht nehmen, ihren Gatten trotzdem zu begleiten. Ich bräuchte vermutlich nicht einmal weiterlesen, weil ich ahnte, was passiert war.
Doch weiter im Text.
Man fand im Inneren des Gebäudes das verschollene Artefakt, einen Ring, wenn ich es jetzt richtig wiedergebe.
Gerade als die Wehen überraschend einsetzten, bemerkte man etliche Feinde in der Nähe und sie näherten sich schnell.
Imhotep, welcher sie an Land begleitet hatte, blieb bei ihr und Shay machte sich auf, die Angreifer auszuschalten. Ornate der hessischen Assassinen! Sie wurden von Peter Hermanns Leuten angegriffen. Dieser Widerling hatte also immer noch nicht aufgegeben, wie es schien.
Nach einem recht aufreibenden Kampf und einem Sieg der drei, konnte man zurück zur Morrigan!
„Ich habe einen Sohn, Master Kenway! Sein Name ist
Patrick Lion Cormac! Sobald wir wieder in Amerika sind,
werde ich euch noch so einiges mehr zu berichten habe.“
Dieser Satz klang euphorisch und mehr als glücklich. Ich gönnte es ihnen von Herzen.
Aber schon die nächsten Zeilen sollten mich in Wut, Trauer und Bedauern hüllen.
Kaum dass man wieder an Bord war, wurden sie angegriffen.
Nicht jedoch von irgend einem anderen Schiff, oder doch, ein wenig hat es auch damit zu tun. Verzeiht meine wirre Schreibweise. Es ist nur nicht so leicht eine Zusammenfassung zu formulieren.
Höhere Mächte und Götter waren am Werk und es brach Chaos und Angst aus. Der Gott Apophis, so weiß ich es jetzt, hatte seinen Platz an Peter Hermanns Seite gefunden und half ihm mit allem was ihm zur Verfügung stand um an sein Ziel zu kommen.
Das Schiff dieses abtrünnigen Templers, die schwarze Engel, war mir noch ein Begriff und in mir zog sich alles zusammen.
Bevor man jedoch in Sicherheit segeln konnte, fuhr eine Schlange aus dem Meer empor und begann die Morrigan zu attackieren.
„Sir, ich war wie gelähmt und konnte Christopher nur noch
befehlen, die Mannschaft und alle aus dieser unheimlichen
Starre zu befreien, die uns mit einem Male umgeben hatte.
Diese leise Musik war im wahrsten Sinne ohrenbetäubend
und unheimlich. Gist sollte diesen Gott, diese Kreatur nicht
in die Nähe meiner Frau lassen.“
Der erste Maat tat wie ihm geheißen, doch schon kurz darauf manifestierte sich Hermann an Deck des Schiffes. Gist griff ihn an, konnte aber nichts ausrichten gegen diese Kraft seines Kontrahenten!
Mit Leichtigkeit durchbohrten ihn die Schwerter des abtrünnigen Templers!
Für einen Moment hielt ich inne und sprach ein leises Gebet für unseren Bruder!
Wie lange kannten wir uns jetzt schon? Eine gefühlte Ewigkeit und er war immer ein treuer Begleiter Shays gewesen.
Er wird mir fehlen, seine unbekümmerte, offene Art würde ich vermissen, auch wenn sie nicht immer angemessen war.
Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Weinkelch und prostete im Stillen dem Herren zu!
Noch war ich aber nicht am Ende des Briefes angekommen und es sollte noch schlimmer kommen!
Die Schlange, welche immer noch um die Morrigan geschlungen war, begann sie langsam zu zerquetschen. Das Holz zerbarst, der Hauptmast krachte zusammen und nach und nach bekam das Schiff immer mehr Schräglage.
„Ihr könnt euch nicht vorstellen wie sehr ich versuchte aus
dieser Starre zu kommen. Ich musste meiner Frau,
meinen Kindern helfen!“
Und dann kam unerwartete Hilfe!
Die Elisabeth, Master Lucius Williams` Schiff, war nicht mehr weit entfernt und begann die Schwarzer Engel mit Mörsern zu beschießen!
Plötzlich schwankte Shays Schiff und er rutsche an die Reling. Der Schmerz des Aufpralls ließ ihn wieder in Bewegung kommen.
Er eilte seiner Frau zu Hilfe, aber in der Kabine war nicht nur seine Familie, nein auch dieser Hermann, welcher ihn biestig angrinste und sich mir nichts dir nichts in schwarzem Rauch auflöste. Der in seiner Verzweiflung geworfene Dolch zeigte keine Wirkung mehr.
July und Cadan waren schwer verletzt, aber bekamen bereits Hilfe unter anderem von Imhotep. Dieser schnappte sich die Kinder, Sachmet hatte sich Faith und dem kleinen Patrick angenommen.
An Deck angekommen schaffte er es gerade noch so sich zu retten, als die Morrigan in den Fluten versank. Dank seines Gottes Horus an der Seite, welcher ihm Flügel verlieh, konnte er sich in Sicherheit bringen.
Bei seinen Worten musste ich schwer schlucken! Niemandem wünscht man solch einen Anblick, schon gar nicht, wenn der beste Freund mit in die Tiefe gezogen wird.
In seiner verzweifelten Wut und Trauer begann er mit Pfeil und Bogen die Fregatte Hermanns anzugreifen.
Der dritte Pfeil traf das auserkorene von Shay anvisiertes Ziel. Das Auge der Schlange!
Peters Versprechen, Faith dafür leiden zu lassen, hatte er noch Tage danach im Kopf.
Ab jetzt hieß es einen Weg finden, meine kleine Schwester aus den Fängen dieses Monsters zu befreien. Doch das war leichter gesagt als getan. Man musste wieder auf die Suche nach Lösungen gehen.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten mein bester Mann hätte irgendwelche Substanzen zu sich genommen, die ihn wirr reden lassen. So war es aber nicht, er schaffte es mithilfe von Morpheus, dem Gott der Träume grob gesagt, seine Frau zu finden und sie aus den Fängen ihres Peinigers zu befreien.
Er schilderte den eigentlichen Abschlusskampf mit einem Drachen so, dass ich diese Geschichte am liebsten den Kindern erzählen würde, so unglaublich klang sie!
„Und damit bin ich wohl wieder um einiges an Erfahrung,
Konstitution und Zähigkeit reicher geworden. Ich hoffe,
dass es als bald etwas ruhiger zugeht. Wir werden bald in
London ankommen. Dort sollten wir fürs erste Ruhe finden
können. So die Götter es denn wollen.
Master Kenway, ich hoffe, ihr erhaltet diesen Brief bei guter Gesundheit. Meine Frau hat ein eigenes Schreiben an Alexandra anbei gelegt.
Außerdem hoffe ich, dass die kleine Probe meiner Brennerei und Brauerei
wohlbehalten bei euch angekommen ist. Es ist ein Fässchen
feinsten Whiskeys und eines mit vollmundigem Ale.“
Er schloss sein Schreiben mit den üblichen Verabschiedungen und ließ mich gefühlte Stunden mit offenem Mund an meinem Schreibtisch sitzen.
Gegen Mitternacht fühlte ich eine bleierne Bettschwere und begab mich ins Schlafzimmer, wo Michael schon auf mich wartete.
Nach einer kurzen Wäsche und der Absprache für die morgige Kleidung, es stand nichts weiter an, wenn ich es richtig in Erinnerung hatte, legte ich mich schlafen.
Nächte ohne Alex, gerade nach so einer Nachricht, fühlten sich immer etwas einsam an. Dieses große Bett für mich alleine zu haben, wie zu der Zeit, als sie noch nicht hier war, konnte ich nicht wirklich genießen. Schlaf brauchte ich aber dennoch!
Der nächste Morgen brach an und mit ihm ein unruhiges Gefühl in mir. Die Sorge um meine Frau keimte wieder auf.
Sie würde hoffentlich auf sich achten und nicht blindlings in irgendetwas hineinrennen! Es dauerte bis zum Mittag ungefähr, ehe ich Alex wieder in meinem Geiste spüren konnte.
Man war jetzt in Stellung gegangen um das besagte Lagerhaus und beobachtete das Treiben davor und darin.
Es waren die üblichen Arbeiter dort, nichts außergewöhnliches.
Dann plötzlich aktivierte meine Frau ihren Blick und wir beide konnten Thomas am Tor sehen, wie er mit dem „Lehrling“ Harold sprach.
„Sir, ich weiß auch nicht, was gestern noch passiert ist. Aber in dieser Taverne sollte man mal das Ale auswechseln. Mir wird immer noch übel, wenn ich daran denke!“ hörten wir Hickey jammern und er erbrach sich kurzerhand vor dem Eingang!
Hart im Nehmen am Abend, das muss ich ihm lassen, aber ein Jammerlappen im Nachhinein. Kicherte Alex leise.
„Vielleicht solltet ihr einfach mit dem Saufen aufhören!“ fauchte Thompson kalt und öffnete die Tür.
In der Halle selber stapelten sich die Kisten mit allerlei Waren wie Wolle, Felle, Holz, Leim und so weiter. Es war nichts spannendes darunter, außer vielleicht die Waffenkisten.
Genau wie meine Gattin ging mir durch den Kopf, dass Thomas kein ehrliches Interesse am Orden oder einer Zusammenarbeit hatte. Er bereicherte sich und seine Leute, ging dabei sogar über Leichen und schadete damit auch der Armee.
Kurz darauf sah ich, wie Alex sich heimlich über die Balken einen Weg zum vermeintlichen Büro bahnte um das dortige Gespräch der Herren zu belauschen.
„Wir haben also jetzt fast genügend Waffen und Munition in unserem Besitz, habe ich das richtig verstanden? Wie lange dauert es, bis wir daraus Profit schlagen können?“ das war Harold Thompson, welcher seine Leute ansprach.
„In zwei Monaten können wir alles nach Charles Town bringen, von dort ist es ein leichtes ungesehen zu verschwinden!“ hörte ich einen von ihnen stolz berichten. „Die Spanier warten nur darauf, dass sie darauf zugreifen können!“
Warum die Spanier? Hier schien ein Missverständnis vorzuliegen, oder täuschte ich mich?
„Die Spanier! Das ist gut! Wer…“ diesem haltlosen Lachen würde ich gerne zustimmen! „Wer hat euch das denn erzählt? WIR müssen uns verteidigen, Mann!“
„Aber Sir, ging es nicht darum, diese spanische Invasion im Süden endlich zu stoppen?“ das war Hickey, welcher das nicht zu wechseln wusste.
„Die können mir doch gestohlen bleiben! Ich will meine eigene Armee hier aufbauen! Aber dafür brauche ich erst einmal die Waffen und die Vorräte, die Männer habe ich ja schon an meiner Seite! Wir werden wachsen und wir werden uns gegen die Franzosen, die Briten UND die Spanier durchsetzen! WIR werden ihnen zeigen, WER die Macht hat.“ Hände ringend stand dieser Thompson vor seinen Leuten wie ein Prediger!
„Sir, wir werden euch zur Seite stehen! Gemeinsam schaffen wir hier Ordnung und ihr werdet zur mächtigsten Person aufsteigen!“ die versammelten Herren stimmten mit ein!
Größenwahnsinn, das traf es, stimmte ich Alex zu.
Ab jetzt ging es jedoch ganz schnell. Unsere Leute hatten Handzeichen zum Angriff verabredet und wie die Meuchelmörder die sie waren, fielen sie über den Haufen abtrünniger Herren her.
Ein sehr faszinierender Anblick, wenn ich das so sagen darf.
Der einzige Überlebende war Thomas Hickey, über welchem meine Frau jetzt mit gezückter Klinge stand wie ein Gargoyle!
In seine Augen trat eine gewisse Erkenntnis, als er sie so dicht vor sich hatte.
„Ich wusste doch, ich kenne euch von irgendwoher. Ihr seid diese Assassinen-Schlampe, die sich an Master Kenway ran geschmissen hat! Ich hoffe, er wird bald erkennen, welche Verlogenheit er geheiratet hat!“ presste er aus zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Thomas, Schätzchen. Haytham kennt mich. Er weiß wer und WAS ich bin. Ich bin unberechenbar, wenn ich es will! Eine Warnung an euch! Kommt ihr noch einmal in meine Nähe oder die meiner Kinder, dann kann euch auch mein Mann nicht mehr schützen.“ sie ließ die Schneide über seine Haut gleiten und hinterließ einen Millimetertiefen Schnitt.
Für den Bruchteil einer Sekunde waren ihre Gedanken vor mir verborgen. Hatte sie wieder etwas vor Augen, was in Zukunft passieren würde?
Frustriert lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und sah auf die Arbeitsfläche meines Schreibtisches.
Alex verfrachtete Hickey noch in eine Zelle in der Garnison vom Fort George, unterschrieb die Papiere für seine Verwahrung und machte sich dann auf zu unserem Büro.
Auf meine Frage, was sie jetzt noch vor hätte am Abend und ich weiß meine Stimme klang ausgehungert, erklärte sie mir, dass sie sich mit Miss Emily über ihre Verbundenheit zu den Göttern unterhalten wollte. Etwas daran wie sie es sagte, ließ mich unsittliche Gedanken haben.
Ich will dabei sein, mi sol.
Diese Worte sollten reichen und so war es auch.
In unserem Büro, besser im Arbeitszimmer von Miss Emily, unterhielten sich die Damen eine Weile. Balder und diese Tätowierung waren ihre Gemeinsamkeit und das konnte man spüren, sogar auf diese Distanz hin.
Nach ein oder zwei Gläsern Whiskey waren die beiden redseliger und ungehemmter.
Vor meinem inneren Auge sah ich die beiden Frauen, wie sie begannen sich zu entkleiden und zu küssen. Diese sehr ruhige sinnliche Art gefiel mir und ich betrachtete dieses Szenario eine Weile, ehe ich mich einschaltete, weil auch ich auf meine Kosten kommen wollte.
Mein Wunsch war Alex´ Gefährtin Befehl und sie brachte meine Gattin zu ihrem wohlverdienten Höhepunkt, ehe sie selber in den Genuss der geschickten Finger meiner Frau kam.
Langsam aber befriedigt kam ich wieder in meinem Arbeitszimmer an. Für einen Moment lehnte ich mich lächelnd zurück und ließ dieses Hochgefühl noch etwas auf mich wirken.
Jetzt hatte ich etwas Zeit für mich und konnte beginnen, diese Bilder und Eindrücke richtig zu verarbeiten.
Es war Zeit, das sich etwas änderte. So konnte und wollte ich den Posten als Großmeister des kolonialen Ritus nicht weiter ausüben!
Große Reformen konnte ich kaum innerhalb der nächsten Monate in Angriff nehmen, aber die Struktur des Ordens bedurfte einer Überarbeitung. Die Hierarchie sollte im Großen und Ganzen bestehen bleiben, ging es mir durch den Kopf.
Was mir am Herzen lag waren die neuen Anwerber, Novizen für den Orden. Da wir jetzt auch die Bruderschaften mit an Bord hatten, könnte man ein beidseitig umfassendes Training ausarbeiten. Auch unsere Kinder würden später davon profitieren!
Außerdem war es wichtig, dass wir bestimmte Kriterien abfragen mussten, ehe jemand zu uns stieß. Wir konnten uns keine Spione in unseren Reihen leisten, auch wenn es sicher hier und da noch Schlupflöcher geben würde.
Langsam nahm mein Plan Gestalt an und ich verfasste ein grobes Tutorial, welches ich alsbald drucken lassen würde um es entsprechend als Lernlektüre austeilen zu können.
Ein anderer Gedanke schlich sich in meinen Geist.
Der koloniale Ritus? Er würde bald, laut Alex, ja umbenannt werden müssen? Bis dahin sollten wir definitiv eine neue Grundlage haben.
Noch hätte ich aber etwas Zeit um mich darauf auch noch vorzubereiten.
Zufrieden mit meinem Fortschritt aß ich zu Abend und machte mich im Anschluss noch einmal auf um die Felder abzureiten. Das Wetter war heute angenehm warm, nicht zu heiß und die frische Luft würde mir sicherlich auch den Kopf etwas frei machen.
Ich ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren und dachte an meine neue Fähigkeit, welche ich beizeiten meiner Frau erklären müsste. Oder sollte ich lieber Stillschweigen bewahren? Die Tätowierung verblasste allmählich, so wie es vorausgesagt wurde und sie würde nicht mehr sichtbar sein, wenn Alex aus New York zurück käme.
„Master Kenway!“ rief ein Herr neben mir, ebenfalls mit dem Pferd unterwegs. „Zu so später Stunde seid ihr noch unterwegs? Ist alles in Ordnung?“
Es war Mildreds Gatte, der auf Patrouille war.
„Es ist nichts, ich brauchte nur einfach ein wenig Ablenkung.“ erwiderte ich und sah mich jetzt um. Die Felder standen nahezu fast alle zum Ernten bereit, einige waren schon leer, oder halb abgeerntet.
„Dann ist ja gut. Ich wünsche euch noch einen geruhsamen Abend, Master Kenway.“ dabei tippte er an seinen Hut und ich wünschte ihm gleichfalls eine ruhige Nacht.
Der Weinanbau ging mir wieder durch den Kopf, als ich in einiger Entfernung die Berge sah und ich ritt in nördlicher Richtung den Hügel hinauf um mir einen kleinen Überblick zu verschaffen. Leider war es bereits so dämmrig, dass man kaum noch etwas ausmachen konnte.
Aber die Lage hier war ideal für die Trauben und Reben!
Lächelnd sah ich schon die Flaschen mit unserem eigenen Wein vor mir.
So langsam sollte ich mich aber auf den Rückweg machen, dachte ich und trieb Brida an.
Zurück in meinem Arbeitszimmer schrieb ich Master Doyle einen Brief und bat um Ratschläge für die richtige Sorte Wein für diese Gegend. Mein Nachbar hatte sich bereits vor ein paar Jahren damit befasst und betrieb erfolgreich eine Kelterei auf seiner Plantage. Seine Gattin schwärmte meiner Frau jedes mal von dem blumigen Bouquet dieses Weines vor und es war schon vorgekommen, dass wir die beiden beschwipst im Salon vorfanden.
Zufrieden mit meiner heutigen Arbeit, rief ich nach Michael um mich für die Nacht fertig zu machen. Mich überkam mit einem Male eine angenehme Schläfrigkeit.
Bereits kurz nach dem Frühstück erhielt ich ein Schreiben von Master Johnson, in welchem er von einem großen Lager Banditen sprach, das sich in der Nähe von Baltimore befand. Er war mit seinen Männern bereits dort vor Ort und wollte einige Erkundungen einholen, ehe er etwas unternahm.
„Master Kenway, wir sollten vielleicht die Namen auf den Listen
der Händler und Käufer im Auge behalten. Die Waren, welche
hier verschoben werden, sind mitnichten immer legal. Ich habe
euch eine Aufstellung dieser Personen und der Namen mitgeschickt.
Ihr werdet sehen, darunter sind einige Bekannte von euch,
wenn ich richtig informiert bin.“
Ich nahm mir sein beiliegendes Schreiben vor und schon der Zweite Händlername ließ alle Alarmglocken bei mir läuten!
Eugene Avdeyev!
Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser penetrante Stachel in meinem Auge wagte es, sich unters Volk zu mischen?
Er marschierte hier in unserer Zeit ebenfalls einfach so herum?
Aber ein weiterer Name stieß mir zusätzlich sauer auf!
Amber Donovan!
So wie es aussah, machten die beiden gemeinsame Geschäfte, wenn man sich die Waren der beiden genauer ansah.
Williams Schreiben war aber noch nicht beendet.
„Wir haben gehört, dass dieser russische Herr Avdeyev
noch nie persönlich dort erschienen war um eine eventuelle
Inspektion seiner Waren und Güter durchzuführen. Es
tauchten immer nur Handlanger von ihm auf. Aber die werden wir
ebenfalls beschatten. Verzeiht meinen Ausdruck, aber er ist
wie ein Geist, ein Phantom! Niemand kann sein Aussehen
zum Beispiel beschreiben!“
Ich kannte jemanden, der das konnte! Alex!
Johnson gab an, dass ungefähr ein Monat eingeplant war für die Observation, danach wollte man zuschlagen. Erstaunlicherweise tauchte aber Hickey nicht auf. Hielt er sich aus solche profitablen Geschäften doch raus, oder befürchtete er zu viel Aufsehen zu erregen? Nach dem, was in New York passiert ist, sollte er sich sowieso warm anziehen. Seine unverschämte Art würde ich ihm noch austreiben.
Ich begann eine Antwort für Master Johnson zu schreiben, in welcher ich ihm von Thomas´ Fehltritt in New York berichtete. Sein Schützling hatte sich zu einer echten Plage, in meinen Augen, entwickelt.
Dazu sprach ich eine ausdrückliche Warnung zur Vorsicht vor diesem Russen und seinen Machenschaften aus. Ins Detail konnte ich schlecht gehen, aber William würde meinen Worten Glauben schenken! Auch ohne explizite Erklärungen!
Mit einem Boten ließ ich das Schriftstück überbringen und rechnete nicht mit einer Antwort früher als 2 Wochen. Auch sein Brief hatte eine längere Reise hinter sich.
Plötzlich ging mir ein völlig absurder Gedanke durch den Kopf.
Ein göttlicher Händler!
Das hatte ja wirklich schon etwas von einem Mythos. Vor allem wenn man bedachte, dass es sich um einen arglistigen und bösen Gott handelte, der vor nichts zurückschreckte.
Sein Geschäftsgebaren passte hervorragend zum Schmuggel! Nutzte er vielleicht sogar sein eigenes Schiff um die Waren völlig ungesehen von einem Ort zum anderen zu bringen? Wir wussten, dass die Naglfar immer in einem unwirklichen Nebel gehüllt war und für ungeschulte Personen zu spät gesichtet oder gar nicht wahrgenommen wurde.
Hoffentlich traf meine Frau nicht noch auf dieses Ungetüm auf dem Weg nach Hause!
Leider waren mir gerade die Hände gebunden was die weiteren Untersuchungen diesbezüglich angingen. Ich müsste warten, bis Alex mit hoffentlich neuen Erkenntnissen heimkehrte und William mir ebenfalls Bericht erstattet hatte.
„Master Kenway, die Jackdaw ist vor 2 Stunden in den James River eingefahren!“ meldete ein Diener die baldige Ankunft meiner Familie.
„Danke, Daniel. Sagt Mr Mackenzie, er möge die Kutsche anspannen.“ bat ich ihn in freudiger Erwartung meine Kinder und meine Frau wieder in die Arme schließen zu können.
Nach einer halben Stunde konnte ich mich auf den Weg machen und traf kurz darauf an der Anlegestelle an.
Ich sah Flussabwärts und die schwarzen Segel der Jackdaw tauchten auf. Warum es gerade diese Farbe sein muss, hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Alex bestand einfach darauf.
Die Brig wurde zum Anlegen bereit gemacht und als sie endlich Anker geworfen hatte, ging ich ungeduldig an Bord.
„Vater!“ rief Edward mir zu und fiel mir in die Arme.
Seine kleine Schwester sah mich glücklich lächelnd an, genau wie ihre Mutter auf deren Arm sie saß.
„Da seid ihr wieder! Ich habe euch vermisst.“ ich nahm sie alle drei in die Arme!
Im Haus angekommen, wurde ein Bad für die Kinder geordert, damit sie morgen sauber und ordentlich zur Andacht erscheinen konnten. Unsere stand dann später an.
Meine Gattin hingegen ließ sich als erstes seufzend auf der Terrasse nieder und genoss ihren Kaffee.
„So gerne ich auch mit der Jackdaw unterwegs, aber wenn nichts mehr schwankt ist es genauso schön.“ grinste sie in ihre Tasse.
Nach einem gemeinsamen Abendessen war es Zeit für unsere Kinder ins Bett zu kommen. Vorsorglich ließen wir Sophia und Sybill Wache halten. Die erste Nacht wieder daheim war nie ganz einfach für sie beide.
Aber auch Alex genoss jetzt die Zeit im warmen Wasser und wir unterhielten uns über ihren Bordellbesuch, welcher nicht ganz so erfreulich war.
Die Damen kamen oft schwanger in New York an, oder auch gar nicht, weil sie unterwegs verhökert wurden. Alex plante daher eine Art Eskorte für sie. Eine Anstandsdame oder ein Anstandsherr, die aufpassten, dass die Matrosen nicht übergriffig wurden. Ganz so leicht würde sich das nicht regeln lassen, weil diese Frauen in den Augen der Männer wie Freiwild waren.
„Ja, und das ist ja das schlimme daran.“ seufzte sie mit dem Rücken an mich gelehnt, während sie gedankenverloren meinen Arm streichelte.
Im Anschluss saßen wir noch ein wenig zusammen draußen auf der Terrasse und genossen die kühler werdende Abendluft mit einem guten Glas Whiskey.
Meine Frau begann von den Vorfällen in New York weiter zu berichten.
„Das mit Thomas´ Auftauchen gefällt mir nicht! Ich habe schon William eine Nachricht zukommen lassen, dass er ihn im Auge behalten soll! Leider ist er derzeit in Baltimore unterwegs. Wir haben eine Spur zu einem größeren Lager für illegale Waffen und Alkohol. Und du darfst dreimal raten, wer unter anderem in den Listen der Kunden auftaucht!“ erklärte ich ihr und sah sie erwartungsvoll an, doch sie konnte mir nicht ganz folgen.
Aber leise fragte sie, ob es Eugene sein könnte. In ihren Augen sah ich dabei diese Angst vor ihm wieder aufglimmen!
„Kein geringerer als der böse Käptn, wie Edward jetzt sagen würde!“ die Wut auf diesen Mann konnte ich in meiner Stimme nicht unterdrücken, genauso wenig wie die auch in mir schwelende Angst vor einem erneuten Angriff. „Aber er ist, laut Berichten, dort noch nie persönlich aufgetaucht. Es gab immer Handlanger und Mittelsmänner, welche seine Waren inspiziert haben!“
Sie sah mich etwas erleichterter an, als ihr bewusst wurde, dass er nicht wirklich körperlich hier anwesend war.
„Noch eine Baustelle mehr, wo wir ein Auge drauf haben müssen. Das ist doch echt zum Kotzen!“ fauchte Alex laut und ließ ihre Faust auf die Stuhllehne krachen!
Ich war jedoch noch nicht ganz fertig mit meiner Erzählung.
„Williams Truppe ist dort aber vor Ort und observiert das ganze Gelände erst einmal. Wir müssen sichergehen, dass wir mit den anderen Kundennamen auch richtig liegen. Ach, das hätte ich fast vergessen. Weißt du, welcher Name dort ebenfalls aufgetaucht ist?“ dieses mal konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen bei meinen Worten.
„Erleuchte mich, mi amor. Mein Gehirn schaltet gerade auf Durchzug.“ nuschelte sie schläfrig.
„Eine Witwe namens Mrs. Donovan aus Virginia ist an den Geschäften beteiligt!“ sprach ich weiter und sah in ihr erschrockenes Gesicht!
„Sie wird einen hochrangigen Offizier alsbald heiraten! Diese Frau hat sich also irgendwie wieder gefangen und sich einen neuen Reichen geangelt!“
Also hatte auch Alex neue Erkenntnisse über diese Frau in Erfahrung gebracht!
„Oh, du hast also noch weitere Neuigkeiten über sie. Das ist wirklich interessant! Aber lass uns den Rest morgen besprechen, ich sehe, du schläfst hier sonst noch im Sitzen ein.“ lachte ich leise und zog sie zu mir hoch.
Angekommen in unserem Schlafzimmer, befreite ich sie aus ihrem Morgenrock und Nachthemd. Ich hatte sie vermisst in den letzten Wochen und wollte sie wie Gott, oder sollte ich besser Odin sagen, schuf wieder betrachten.
Langsam begann auch sie mich zu entkleiden, aber bevor ich irgendetwas tun konnte, glitt sie auf die Knie vor mir und begann mich mit dem Mund zu verwöhnen.
Ihr Blick ließ mich nicht los und sie sah zu mir auf, während sie sich mir hingab.
Meine Hände vergruben sich in ihren Haaren, mein Atem ging immer schwerer und schneller bis ich vollends losließ und sie mich kosten ließ.
Lächelnd erhob Alex sich und schmiegte sich an meine Brust.
Ich hob sie hoch und trug sie zum Bett, wo ich ihr die gleichen Wonnen zuteil werden ließ und sie mit einem lauten Aufstöhnen zu ihrem Höhepunkt brachte. Sie schmeckte einfach himmlisch!
„Ich habe deinen Körper vermisst, mi amor. Im Geiste ist es ja recht nett, aber auf Dauer einfach nichts für mich.“ kicherte sie leise und strich mir über die Brust.
„Dafür habe ich vollstes Verständnis. Aber sei ehrlich, einen gewissen Reiz hat es, oder? Diese Erfahrung mit dieser Emily war übrigens wirklich etwas völlig Neues für mich. Vor allem, weil auch sie meine Gedanken wahrnahm.“ ich hatte über diese Nacht noch nicht so wirklich nachgedacht, sie war lediglich in meinem Hinterkopf verankert.
Ihre gemeinsame Verbindung zu Balder war nicht von der Hand zu weisen und sie hatte einen recht schmutzigen Gedanken mit einem Male.
„Vielleicht sollten wir, nicht gleich jetzt oder morgen, sondern irgendwann einmal, Emily in unsere Gedanken holen.“ hauchte Alex leise.
„Ich muss dich also mit einer weiteren Frau teilen, mi sol?“ gab ich theatralisch seufzend von mir.
„Ja, wirst du müssen. Aber ich mache es wieder gut, versprochen, Master Kenway!“ flüsterte sie leise, schob sich auf meinen Schoß und küsste mich verlangend.
„Wie ich sehe, seid ihr mal wieder voller Tatendrang!“ raunte ich leise an ihrem Ohr und drang langsam in sie.
Diese Nacht war recht schlaflos für uns, was sich am nächsten Morgen rächte, als Edward laut gegen die Tür pochte und um Einlass bat.
Ich ließ ihn gewähren und unser Sohn stürmte mitsamt Hündin aufs Bett. Ein lautes „Runter vom Bett!“ von Alex reichte Walka und sie trollte sich auf den Läufer davor.
„Vater, hast du gut auf Darius aufgepasst? Gehen wir heute in den Wald um die Tiere zu beobachten? Ich will doch lernen, wie man sich anschleicht, Vater! Bitte!“ Edward war so aufgeregt, dass er sich kaum bremsen konnte. Er sprang auf unserem Bett herum und bevor einer von uns reagieren konnte, flog er auf den Boden.
Für den Bruchteil einer Sekunde schreckten wir hoch, weil zu befürchten war, dass er sich wehgetan haben könnte.
„Mi sol, Edward hat sich gekonnt abgerollt bei dem Fall!“ stellte ich erstaunt fest und sah unseren Sohn stolz an.
Er stand aber ebenso überrascht vor uns.
„Das hat gar nicht wehgetan, Vater. Kannst du das auch? Und du Mama?“ erwartete er jetzt ernsthaft, dass wir ihm das zeigten?
„Ja, so etwas lernt man in seiner Ausbildung, mein Sohn. Wer hat dir das gezeigt?“ ich hob ihn dabei wieder auf das Bett und ließ meinen Blick über ihn wandern, nur zur Sicherheit.
„Ich weiß es nicht, Vater. Ich wusste, dass ich es kann.“ dieser eigene Unglaube in seiner Stimme ließ mich grinsen. Manchmal wusste man so etwas einfach. Eine Erklärung gab es nicht wirklich.
„Dann werden wir das ab jetzt ein wenig mehr üben, Edward.“ Alex klang etwas besorgter als ich, aber ihre Befürchtung war, dass er es den anderen Kindern zeigen wollte. Und ohne richtiges Training könnte es fatale Folgen haben, sollte es ihm jemand gleichtun wollen!
Beim Frühstück später besprachen wir die ersten Lehrstunden für unseren Sohn. Noch wären es kleinere Übungen, die für ihn angepasst werden würden.
„Auch! Auch!“ begann Florence zu jammern, weil sie bemerkte, dass nicht sie der Mittelpunkt unseres Gespräches war.
„Min lille engel, du musst erst richtig laufen können, dann sehen wir weiter.“ meine Frau strich ihr lächelnd eine kleine blonde Strähne aus dem Gesicht. Wie so oft beruhigte meine Tochter das aber nicht und genervt sah Alex zu mir, obwohl ich gerade mit Edward beschäftigt war.
„Papaaaaaaaa!“ rief sie laut und buhlte so um meine Aufmerksamkeit! Ignorieren konnte ich das selbstverständlich nicht so einfach.
Nicht nur bei Alex sah ich diesen Anflug von Genervtheit, auch bei Edward war er deutlich zu bemerken.
„Florence, ich spreche mit deinem Bruder. Aber komm, möchtest du etwas von meinem Brötchen haben?“ sagte ich und hob sie auf meinen Schoß in der Hoffnung, sie damit zu beruhigen.
„Pffffff, immer kriegt sie ihren Willen!“ schmollte jetzt Edward und war drauf und dran, einfach aufzustehen. Aber ein mahnender Blick seiner Mutter genügte. Beleidigt aß er sein Porridge weiter, sah aber immer wieder böse zu mir hinüber.
Nachdem wir die Andacht besucht hatten, löste ich mein Versprechen für die Kinder ein, mit ihnen in den Wald zu gehen.
Wir ließen Darius und Brida satteln und machten uns auf den Weg.
Es gab hier in der Nähe ein größeres Dickicht, wo sich einige Tiere gut beobachten ließen. Im Grunde war es für Edward eh an der Zeit zu lernen, wie man jagt. Auch wenn Alex davon noch nichts wissen wollte.
Aufgeregt ritt mein Sohn neben mir, während ich seine Schwester vor mir auf dem Sattel hatte. Miss Tabea hatte ein kleines Proviantpaket für uns vorbereitet, welches in meiner rechten Satteltasche war. Mein Gewehr war hinter mir festgeschnallt und die passende Munition war in einem kleinen Beutel an meinem Gürtel.
„Vater, ist es schwer zu schießen? Wo hast du das gelernt?“ fragte Edward neugierig und sah zur Waffe.
„Mein … Mentor hat es mir damals beigebracht.“ erwiderte ich zögerlich, weil wir ihm noch nie von meiner Kindheit und den Vorkommnissen erzählt hatten. Vielleicht war es an der Zeit, die beiden in solche Dinge einzuweihen.
„Master Birch war mein Vormund damals, als dein Großvater verstorben war. Er hat mir fast alles beigebracht, was ich wissen musste. Sogar das Angeln hat er mir gezeigt.“ sprach ich leise und sah mich als 12 Jähriger an dem kleinen Weiher in einem verträumten Ort in Italien sitzen, in der Hoffnung dass etwas anbiss.
Es war kein Fisch der meine Aufmerksamkeit erregte, sondern ein einheimisches Mädchen, welches mich aufmerksam beobachtete. Ich war jedoch zu schüchtern um sie anzusprechen, stattdessen lächelte ich sie nur an …
Ich schweife ab, verzeiht.
„Können wir auch angeln gehen?“ hakte er mit gerunzelter Stirn nach, als er meinen eigenen grübelnden Ausdruck bemerkte.
„Bei unserem nächsten Ausflug können wir das gerne machen, mein Sohn. Schaut, dort drüben ist das Waldstück, welches ich meinte.“ ich lenkte meine Stute in die Richtung und kurz darauf erreichten wir das Dickicht. „Und jetzt müsst ihr ganz leise sein.“ flüsterte ich und hielt mir einen Finger an den Mund.
„Psssssssssssst!“ hörte ich Florence kichern. Sie machte Anstalten davon zu laufen, ich konnte sie gerade noch festhalten.
„Du darfst nicht einfach davon rennen, mein Engel. Du verschreckst ja alle Tiere.“ sprach ich immer noch leise.
„Mädchen!“ stöhnte mein Sohn Augenrollend!
Wir gingen jetzt ein Stück weiter in das Unterholz und versteckten uns in einem Gebüsch. Von dort konnten wir eine kleine Lichtung mit hohem Gras sehen.
Es dauerte nicht lange, als uns ein Eichhörnchen ins Auge fiel, welches direkt neben uns flink auf einen Baum kletterte. Mit großen Augen sah meine Tochter hinterher. Schon wieder wollte sie ausbüxen. Sie musste noch lernen, sich ruhig zu verhalten
Edward hingegen inspizierte seine Umgebung still und leise.
„Schau mal, dort ist ein Hirsch!“ flüsterte er ehrfürchtig.
Das Tier graste friedlich unweit unseres Versteckes. Ein wunderschöner Anblick muss ich gestehen. Doch als ich mein Gewehr zur Hand nahm, sprang Florence neben mir auf und brüllte weinend „NEIN!“. Der Hirsch erschrak natürlich und ward nicht mehr gesehen! Etwas wütend sah ich meine Tochter an.
„Florence, wir jagen, weil wir etwas zu essen brauchen.“ versuchte ich eine Erklärung, aber sie schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, du darfst das nicht!“ ihre kleine Hand drückte meine Waffe nach unten. Ihr Blick war eisern auf mich gerichtet.
Heute würde ich ihr das Prinzip des Jagens und der Notwendigkeit nicht erklären können, also beließ ich es dabei.
Uns liefen noch ein Rotfuchs und einige kleine Hasen über den Weg, während wir uns weiter in das Wäldchen schlichen.
Gerade als ich dachte, wir könnten es noch einmal versuchen mit dem Jagen, schrie meine Tochter auf und rannte auf ihren kurzen Beinen davon.
„Edward, lauf ihr hinterher!“ rief ich ihm zu und ging zu der Stelle, wo sie so in Panik ausgebrochen war. Ich hatte die Befürchtung es sei eine Schlange oder ähnliches Kriechgetier gewesen.
Zu meiner Verwunderung war es lediglich eine fette Kröte gewesen, die jetzt zermatscht auf dem Waldboden lag.
Ich eilte zu meinen Kindern um meine Tochter zu beruhigen.
„Flo du bist echt eine Nervensäge, weißt du das? Was ist denn so schlimm an einer Kröte? Die tut dir doch nichts!“ rief er und schubste seine Schwester einfach zu Boden.
„Was…“ ich ging hinüber und kniete mich zu ihnen. „Edward, Florence! Hört auf euch zu streiten!“ mahnte ich sie.
Ich besah mir meine Tochter und ihre Stiefel, die natürlich jetzt völlig verdreckt waren.
„Komm, wir machen sie sauber.“ ich zog sie ihr aus und wischte die Sohlen im Gras ab.
„Böser Frosch! Er wollte mich fangen!“ rief sie immer noch völlig aufgelöst.
„Nein, wollte er nicht. Der wollte davon springen aber du musstest ihn ja platttreten!“ pöbelte mein Sohn jetzt.
„Jetzt reicht es aber! Wir werden nach Hause zurückreiten, es ist sicherlich schon Zeit für das Mittagessen!“ meine Geduld war am Ende.
„Aber …“ begann Edward.
„Nichts aber!“ ich zog Florence ihre Stiefel wieder an, hob sie auf meinen Arm und gemeinsam gingen wir zu unseren Pferden.
„Vater, so werde ich ja nie das Jagen lernen oder wie man mit einem Gewehr schießt, wenn Flo immer nur rumbrüllt!“ fauchte er in ihre Richtung.
„Sie wird es noch lernen. Es braucht noch Zeit, bedenke wie klein deine Schwester noch ist.“ versuchte ich eine diplomatische Lösung zu finden.
„Ja ja!“ fauchte er, stieg auf sein Pferd und wollte schon davon preschen!
„Nicht so schnell, junger Mann. Du wartest auf mich!“ rief ich ihm zu und beeilte mich, meine Tochter zusammen mit mir auf Brida zu hieven.
Florence ließ sich überhaupt nicht beruhigen zu meinem Verdruss! Ich verstand nicht, warum sie so ein Theater machte. Das nächste Mal sollte ich mit Edward alleine einen solchen Ausflug starten und sie erst mitnehmen, wenn sie ein paar Jahre älter war.
Daheim überreichte ich genervt das weinende Bündel an meine Gattin weiter mit der Erklärung, dass es nur ein Frosch war, auf den sie getreten war und ging dann in den Salon wo ich mir ein Glas Whiskey eingoss.
Er hätte ja auch einfach ein Kindermädchen mitnehmen können, aber wer bin ich ihm Vorschriften zu machen? Hörte ich meine Frau kichernd denken!
Ich ließ sie wissen, dass ich es vernommen hatte. Ihre Augenbraue hob sich lediglich und sie grinste mich an.
Seit einiger Zeit machte Edward keinen Mittagsschlaf mehr und Alex nutzte diese ruhigen Stunden um ihm Deutsch und Dänisch, oder besser das alte Nordisch, beizubringen. Mir missfiel das zutiefst, weil er nur die Muttersprache von Alex führen würde.
„Er wird nie diese Sprache nutzen, mi sol. Er sollte lieber Latein und Französisch weiter lernen.“ nicht das erste Mal tat ich meine Meinung dazu kund!
„Latein? Das ist eine tote Sprache, mi amor. DIE wird er nie wirklich nutzen, weil sie bald kaum noch jemand nutzt. Es sei denn man ist Jurist, Arzt oder ähnliches.“ erklärte sie mir.
Umgekehrt hatte sie mir einmal berichtet, dass es bald die Bibel in allen Sprachen geben würde und jedem so verständlich sei. Noch war die Zeit aber nicht reif.
Latein war dennoch eine von mir präferierte Sprache, weil wir sie im Orden und auch in den Freimaurer Versammlungen oft nutzten.
Siedendheiß fiel mir ein, dass ich in zwei Tagen einer solchen beiwohnen wollte! Ich hatte es völlig verdrängt.
Ich gab Michael entsprechende Anweisungen und wollte mich dann am nächsten Tag auf den Weg nach Richmond machen.
Dimitri hatte sich mit seiner Familie für den Nachmittag angekündigt und während die Frauen mit den Kindern durch den Garten gingen, unterhielt ich mich mit ihm über seine Wodkalieferungen und die Probleme mit der Krone!
„Verstecke sind immer schwieriger zu finden. Aber wir haben Hohlräume in den Schiffsbäuchen eingebaut oder aber Fässer mit Wodkaflaschen in der Außenhülle zu unserer Verfügung.“ erklärte er mir.
„Dann kann man nur hoffen, dass die britischen Schnüffler davon keinen Wind bekommen. Aber ich bin da zuversichtlich, sie haben eine Ewigkeit gebraucht um zu bemerken, dass sogar Lagerhäuser einen doppelten Boden haben können.“ lachte ich, weil mir ein Bericht von Benjamin Church in den Sinn kam.
In diesem hatte er von geschmuggelten Waffen und teuren Gewürzen gesprochen.
„Eine versteckte Luke in der Ecke und ein paar Kisten darüber! Dieses faule Pack würde sich niemals die Mühe machen, darunter nachzusehen.“ ich sah ihn bei diesen Worten vor mir, wie er mit seinem gierigen Grinsen in Gedanken schwelgte.
Später sprach auch Alex Dimitri auf die Schwierigkeiten an, doch als sie merkte, dass wir bereits alles geklärt hatten, warf sie mir einen leicht säuerlichen Blick zu. Sie hasste es, wenn man sie nicht mit einbezog und im Dunkeln stehen ließ.
Wir hatten auch schon einige Lieferungen mit Reisegruppen getarnt von A nach B gebracht, was durchaus sinnvoll war. Solche Kutschen wurden selten bis gar nicht durchsucht.
„Vater, wer hat dieses russisch erfunden?“ kam es neugierig von Edward bei Tisch am Abend.
„Diese Sprachen haben sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt, mein Sohn. Auch hier in Amerika gibt es eine ganz eigene Sprache der Indianer und auch dort gibt es noch verschiedene Dialekte.“ für einen Moment konnte ich meinen Geist nicht richtig verschließen und Bilder von Ziio taten sich vor meinem Geistigen Auge auf. Ein Anflug von unbändiger Trauer breitete sich mit einem Mal in mir aus.
„Vater, wer ist diese Indianerin gewesen? Wo ist sie jetzt…“ bevor er aber noch weiter fragen konnte, begann ich wie von alleine zu erzählen. Mir war bewusst, dass auch er diese Bilder gesehen hatte. Sogar Florence sah mich still mit großen Augen dabei an.
Ich berichtete, wie ich damals in Boston auf Reginalds Befehl hin ankam und nach und nach den Grundstein für den kolonialen Ritus legte. Es bereitete mir einen inneren Frieden ihnen davon zu erzählen.
Die Begegnung mit Ziio und wie es sich weiter mit ihr verhielt, fasste ich etwas grob zusammen, weil ich befürchtete, Edward könnte es noch nicht verstehen.
In seine Augen trat ein gewisser Unglaube und er sah mich an, sagte aber nichts.
Soll ich von meinem Verdacht berichten? Du weißt es ja auch, dass ich bereits einen Sohn habe. In diesem Moment fühlte ich mich völlig überfordert und wusste nicht, was das Richtige war.
Alex nickte nur leicht und ich erzählte weiter.
„Ich habe noch einen großen Bruder?“ mit offenem Mund starrte unser Sohn in unsere Richtung.
„Ja, den hast du.“ sprach ich leise weiter.
„Min lille skat, du, oder besser ihr beide habt doch einen weiteren großen Bruder. Yannick. Ich habe ja auch schon einen Jungen…“ völlig entgeistert sah Edward seine Mutter an, sprang von seinem Stuhl und rannte hinaus!
Sybill war aber sofort zur Stelle.
„Lasst mich mit ihm reden, Mistress Kenway.“ diese förmliche Anrede war ein Zeichen, dass sich Snotra mit Edward zurückziehen würde um ihn zu beruhigen.
Sophia nahm mir Florence ab, welche ich auf meinen Arm genommen hatte, weil sie zu weinen begonnen hatte. All das lief wie in einem Traum ab, ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.
„Mi sol, sag mir, wo mein Sohn jetzt ist!“ in diesem Moment hatte ich eine panische Angst in mir, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Ich weiß, es ist völlig irrational, aber es war ein dumpfes Gefühl in meinem Kopf.
„Nein, zum einen kann ich es nicht, zum anderen muss ich mit Achilles vorher sprechen. ER ist die Schlüsselfigur, welche einen größeren Einfluss auf … deinen Sohn hat.“ mir entging diese Pause zwischen ihren Worten nicht und das brachte mich noch mehr in Rage.
„Dann sieh endlich zu, dass du es erledigst!“ Es war einfach alles zu viel in diesem Moment und ich wurde meiner Gefühle nicht mehr Herr!
„Ist ja schon gut, aber ich ging immer davon aus, dass ich noch ein wenig Zeit hätte!“ erwiderte Alex schnippisch!
„Wie du siehst, hast du sie nicht mehr!“ damit drehte ich mich um und verließ den Raum!
Meine Füße trugen mich wie beim Schlafwandeln einfach hinaus in unseren Garten, bis zur Weideneiche wo ich stehenblieb und auf den Fluss sah.
Meine Frau kannte meine Vergangenheit, meine Gegenwart und auch Zukunft! Sie hatte die Fäden in der Hand und zum ersten Mal spürte ich eine gewisse Eifersucht auf diese Macht, die sie damit inne hatte. Sie konnte mich belügen, sie konnte mir die Wahrheit sagen. Die Echtheit ihrer Worte könnte ich nie belegen!
Immer wütender marschierte ich weiter und hämmerte mit meinen Fäusten auf den Stamm des großen Baumes ein.
Es war ein Gefühl von Hilflosigkeit in mir. Erst die ganzen Lügen, welche mir Reginald aufgetischt hatte und jetzt das!
Haytham, hör mir zu! Hörte ich meinen Vater plötzlich neben mir und sah ihn erschrocken an. Gib Alex nicht die Schuld! Gib mir die Schuld, oder dem Allvater. Wir wollten euch nur beschützen in dem wir nicht alles vor euch ausgebreitet haben. Du hast einen Sohn mit Ziio, ein tüchtiger Junge der sich durchzusetzen weiß! Gedulde dich aber noch ein wenig, bis deine Frau Achilles etwas milder gestimmt hat. Wie du dir ja sicherlich denken kannst, ist er nicht gut zu sprechen auf dich! Erst wenn das aus der Welt geschafft ist, könnt ihr weiter nach vorne sehen.
Wir standen nebeneinander und sahen zum Fluss, wo sich die untergehende Sonne spiegelte.
Ich kann dir versichern, dass ihr gemeinsam für eine bessere Welt sorgen werdet. Nicht ohne Grund ist eure Aufgabe nach diesen Artefakten zu suchen, welche in ihrer Gesamtheit den entscheidenden Wendepunkt bringen werden. Bis dahin vergehen noch einige Jahre, aber denke immer daran, Haytham, die Lügen und Geheimnisse haben ein Ende gefunden. Seine Stimme klang entschuldigend und ich wusste, dass mein Vater ein schlechtes Gewissen plagte.
Langsam klärte sich mein Geist wieder, meine Gedanken waren wieder gefestigt! Ich atmete tief durch und wollte gerade zurück zum Haus als ich einen ohrenbetäubenden Schrei in meinem Geiste hörte!
HAYTHAM! Das war Alex!
In meiner Panik suchte ich nach ihr, fand sie im Wintergarten zitternd vor.
„Alex, komm zu dir. Ich bin hier! Sieh mich an!“ ich schloss meine Arme um sie um sie zu beruhigen.
Schnöseliger Brite hörte ich ihre Gedanken ehe sie sich schüttelte.
„Was… Wo warst du verdammt nochmal? Ich habe dich gesucht, aber du …“ ihre Stimme war vor Wut laut geworden.
„Ich war nur unten bei der Weideneiche. Ich brauchte einen Moment…“ plötzlich kam mir ein ganz anderer Gedanke. Hatte Alex Hrymr gespürt, war er wieder hier? Automatisch aktivierte ich meinen Blick uns ließ ihn umherschweifen, fand aber keine bedrohlichen Spuren. „Nein, er ist nicht hier, mi sol!“ ich hielt meine Frau weiterhin fest um sie wissen zu lassen, dass ich da bin und sie sich keine Sorgen zu machen brauchte.
„Mach das nie wieder, oder ich vergesse mich!“ in ihrer Stimme vernahm ich zwar noch eine Kleinigkeit an Wut, aber auch die große Erleichterung, dass hier niemand auf uns lauerte.
Gemeinsam gingen wir jetzt hinauf ins Schlafzimmer, weil die Müdigkeit uns einfach übermannte. Es war ein langer Tag gewesen und wir brauchten diese Ruhe. Bald würden wir nach Europa aufbrechen und wer weiß, was uns dann dort alles erwarten würde.
Wir hatten geplant Ende August aufzubrechen, das hieß, dass ich vorher noch der Loge beiwohnen konnte.
In Richmond erwartete man mich bereits in unserem Büro und ich richtete mich für die wenigen Tage die ich dort verweilen würde ein.
Unsere Zusammenkunft fand dieses Mal in einem privaten Wohnhaus eines der Mitglieder statt. Wir wurden fürstlich bewirtet und es dauerte an diesem Abend nicht lange, ehe wir in tiefe Gespräche über das Weltgeschehen und auf das Leben in dieser Zeit kamen. Es ging nicht nur um die Kolonien hier, nein, wir besprachen die Zusammenhänge mit den Verzweigungen der Könige auf dieser Welt und ihre Verknüpfungen, Verbindungen und familiären Bande. Sie alle hatten den Wunsch ihr Imperium, überspitzt gesagt, weiter auszubauen und zu erweitern.
Tiefer möchte ich nicht in diese Diskussionen gehen, weil sie nicht für eure Augen bestimmt sind. Glaubt mir aber, sie bereichern den Geist und den Weitblick eines jeden Menschen.
Ich verbrachte noch zwei Tage dort um Besorgungen zu machen. Mit einer Liste meiner Frau in der Hand, machte ich mich auf den Weg zum Markt.
Sie würde enttäuscht sein, da nicht alles aufzutreiben war. Aber ich fand ein altes Buch bei einem Stand, welcher völlig unscheinbar war. Auf dem Einband waren die Buchstaben eingeprägt in das verwitterte Leder zu lesen.
"Das Narrenschiff" las ich den deutschen Titel und klappte den Deckel auf. Geschrieben von einem Herrn Sebastian Brant im Jahre 1494. Ich überflog ein paar Seiten um einen Eindruck dieses Werkes zu bekommen. Es war nicht ganz einfach, weil die Schrift mehr als altertümlich war. Dennoch ließ sich erkennen, dass es eine Art Satire war. Der Text hielt den Menschen den eigenen Spiegel vor. Ohne weiteres Zögern kaufte ich es und war gespannt, was Alex dazu sagen würde. Selten hatten wir Literatur in Deutsch in den Regalen.
Mein kleines Geschenk für meine Gattin ließ sie strahlen und sie bedankte sich auf ihre ganz eigene Art dafür. Ich werde darauf nicht weiter eingehen.
Die Jackdaw wurde beladen mit Proviant, die Männer wurden instruiert und das ganze Schiff noch einmal inspiziert.
Wir würden einige Wochen auf See verbringen, da hieß es Sorgfalt walten zu lassen. Wir durften nichts dem Zufall überlassen. Aber wem sage ich das?
Alex lief mit ihren Listen hin und her, sah dort nach dem Rechten, verwarf eine Lagerung von Waren, welche wir mit an Bord hatten und ließ sie an einen anderen Platz bringen!
„Eure Frau ist ja kaum zu bremsen, man könnte meinen, sie hätte das Sagen daheim!“ lachte einer der Matrosen, während er seine Hängematte einhakte.
Ich warf ihm einen Blick zu, der ihn umgehend verstummen ließ.
„Verzeiht, Master Kenway.“ verlegen fingerte er an dem Stoff seines Schlafplatzes herum.
An Deck herrschte reges Treiben und die Kinder waren auch schon eingetroffen.
„Mistress Kenway, die Segel sind übrigens, wie ihr es gewünscht habt, ausgetauscht worden.“ Mr Hargreaves sah nach oben, wo die schwarzen Stoffbahnen sicher aufgerollt am Mast hingen.
„Ich danke euch.“ hörte ich sie und schon wollte sie wieder mit ihrer Liste verschwinden.
„Noch eine Sache!“ rief unser erster Maat ihr hinterher.
Überrascht sah sie ihn an und ging zurück.
„Was gibt es denn?“ ihr Blick glitt fragend auch in meine Richtung. Ich hatte aber keinen blassen Schimmer, was es sein könnte.
„Mistress Kenway, versteht mich nicht falsch. Aber die Exkremente von Tieren sollen doch Krankheiten übertragen! Wohin also mit… ihr wisst schon. Wo soll der Hund hinscheißen?“
Daher wehte der Wind!
Edward durfte seine Hündin mitnehmen, dass hatten wir ihm versprochen. Gleichzeitig hatten wir ihm aber erklärt, dass er dafür zuständig ist, Walka im Auge zu behalten und ihre Hinterlassenschaften wegzumachen. Schließlich wollte er sie unbedingt dabei haben.
„Ihr lasst euren Sohn solch niedere Tätigkeiten ausführen?“ in Mr Hargreaves Gesicht sah man, dass er es nicht glauben konnte.
„Das tue ich, ja! Eine Lektion, die Master Edward lernen muss, wenn er mit seinem eigenen Tier an Bord eines Schiffes reist. Wenn er als erwachsener Mann selber segelt, dann muss er ja wissen, worauf er sich einlässt!“ erklärte Alex ihm ihre Entscheidung.
Dieses Tier ist nicht bloß ein Spielgefährte, nein! Sie war auch Beschützerin für ihn. Sie musste versorgt werden und er musste es lernen.
Das Wetter war uns hold gewesen!
Bis zur Nacht auf den 4. Oktober!
Mit einem Male brach ein fürchterlicher Sturm los und ließ die Brig gefährlich schwanken.
Alex und ich versuchten zu helfen wo wir konnten, damit sie nicht unterging. Kein leichtes Unterfangen, wenn man auch noch Tiere an Bord hat.
In Schichten wechselten wir uns ab um die Takelage nicht zu verlieren oder wir mussten die Waren neu vertäuen.
Ich muss gestehen unter Deck fühlte ich mich überhaupt nicht wohl, es war wie eingesperrt sein. Oben war es meiner Meinung nach sicherer. Hier konnte ich sehen, wann die Wellen uns trafen und wir uns wappnen mussten.
Hier und da sah ich, dass die Mannschaft nicht immer verstand, warum sie auf eine Frau hören sollten. Aber ich stand da hinter meiner Frau und unterstützte sie, damit sie auch gehört wurde!
Einige Segel mussten am 3. Tag neu justiert werden und ich dachte an meine Überfahrt in die Kolonien. Auf der Providence hatte ich Kapitän Smythe ebenso dabei geholfen, auch wenn er der Meinung war, ich sei unqualifiziert.
Als das Unwetter gefühlt seinen Höhepunkt erreichte und sogar Alex sagte, es sei als würde Thors Zorn über uns hereinbrechen, sah ich aus den Augenwinkeln eine Gestalt in unsere Kabine huschen.
Edward und Florence waren dort mit ihren Kindermädchen und meiner Frau in diesem Moment. Besorgt wollte ich hinterher, aber Mr Hargreaves bat mich ihm mit dem Ruder zu helfen.
„Sir, ich kann es nicht halten. Ich muss ein Seil holen!“ rief er mir zu, als ich meine Hände darum gelegt hatte und versuchte uns auf Kurs zu halten!
Moment!
Ich aktivierte meinen Blick und sah im ersten Moment nur Blitze und hohe Wellen!
Doch dann klärte sich meine Sicht und vor mir zeichnete sich ein Weg auf das tobende Meer. Es sah aus wie eine leuchtende Straße!
Mit aller Kraft steuerte ich in diese Art Fahrrinne um uns auf den richtigen Pfad wieder zu bringen.
Neben mir tauchte der erste Maat auf und begann das Seil zu verzurren.
„Master Kenway, sind wir noch auf richtigem Kurs. Ich bin mir sicher…“ grübelte er für einen Moment und sah auf seinen Kompass. „Nein, es stimmt…“
Lächelnd sah ich ihn an.
„Vertraut mir, in mir fließt das Blut eines Seefahrers.“ erklärte ich mich stolz und dann sah ich meinen Vater aus unserer Kabine kommen.
Mit Florence auf dem Arm und seinem Enkel an der Hand.
Am Bug blieben sie stehen und mein Vater hatte die leuchtenden Umrisse Heimdalls angenommen.
Ich hörte meine Kinder rufen, aber nicht in Panik!
Sie forderten mehr und dann trat Alex neben mich.
„Haytham, es ist unheimlich und faszinierend zugleich!“ ihre Hand klammerte sich an meinen Arm.
„Er ist unerschütterlich, mi sol. Mein Vater ist genau der Richtige für diese Lektion!“ ehrfürchtig sah ich weiterhin zu, wie mein Vater unseren Kindern zeigte, dass sie vor dem Meer, auch wenn es so unruhig und wild ist, keine Furcht zu haben brauchten.
„Das ist er.“ Alex stand mit offenem Mund neben mir und sah auf dieses Spektakel.
Mit einem lauten Getose erschien Thor neben uns und Mr Hargreaves zuckte erschrocken zusammen!
„So werden wir sie Seefest machen! Wir werden die beiden schon noch lehren, was es heißt, wahre Krieger Odins zu sein!“ und er schwang seinen Hammer… die Blitze zuckten und der Donner erschütterte das gesamte Schiff! „DAS nenne ich eine Lehrstunde!“ lachte der Donnergott. Mit diesen Worten machten er sich auf um Heimdall Gesellschaft zu leisten.
Wir folgten ihm, weil auch ich neugierig wurde, was genau sie vorhatten.
„Mädchen, du hast doch keine Angst oder?“ hörte ich ihn, während er neben Florence und Edward Senior stand. „Brünhild! Nun mach schon! Einen Drachen erlegt man ja auch nicht mit Tränen in den Augen!“ grölte Thor und sah in Alex´ Richtung.
Nein, es bedarf einer gewissen Macht. Zum ersten Mal sah ich die Walküre schimmernd wieder auftauchen. Sie umschloss ihren Schützling, führte Florence im wahrsten Sinne des Wortes an den Rand des Unwetters.
Meine Frau wollte schon in Panik eingreifen, doch dann sahen wir, wie unsere Tochter mit ausgebreiteten Armen auf dem Arm ihrer Patin am Bugspriet stand und mit lauten Worten den Wellen Einhalt gebot!
Hab keine Sorge, deine Tochter ist zwar erst ein Jahr alt, aber wir geben euch und den Kindern Mächte, die sie beschützen werden. Hab Vertrauen, Haytham! Hörte ich Tyr neben mir, welcher sich mit Thor verband um endlich das Wetter zu schlichten.
Diese stürmischen Tage auf See hatten uns aus dem Zeitplan gerissen! Wir hatten volle 3 Wochen deswegen verloren, weil wir doch noch vom Kurs abgekommen waren. Das ärgerte mich wirklich, war aber nicht zu ändern.
Ich rechnete in aller Eile noch einmal nach, ob wir es pünktlich zur Hochzeit meiner Schwester nach London schaffen würden. Aber es war noch ein kleiner Puffer übrig, welchen wir hoffentlich nicht ausnutzen musste.
Zu allem Übel hatten wir eine Woche später eine mysteriöse Krankheit an Bord.
Fieber, Schüttelfrost, blutiges Erbrechen! So etwas hatte ich bisher immer nur vom Hören-Sagen gekannt, nie aber selber erlebt.
Erst waren es nur zwei Matrosen, dann 5 und so weiter!
„Haytham, da stimmt was nicht. Ich hatte vor Reisebeginn die Wasservorräte in mit Metall ausgeschlagene Fässer füllen lassen. Obst war in entsprechenden Mengen vorhanden und war ebenso gut gelagert.“ erklärte mir Alex, weil sie sich belesen hatte im Bezug auf Krankheiten auf Schiffen. Doch es war und blieb merkwürdig.
Wir hatten den Arzt an Bord, welcher gerade seine Ausbildung beendet hatte.
„Es sieht aus wie … als hätte man verdorbenes Essen bekommen.“ erklärte er uns und begann Tees und ähnliches zu verabreichen.
Eine ganze Woche forschten wir nach der Ursache, den Symptomen…
Es griff einfach willkürlich um sich!
„Mama, ich kann helfen.“ flüsterte Edward seiner Mutter neben mir eines Nachmittags zu und schob sich zu einem der Kranken durch.
Wir konnten nicht so schnell reagieren, da legte er schon die Hand auf die Brust eines kranken Matrosen.
„Mama, der böse Kapitän!“ schrie mein Sohn plötzlich und ließ den Patienten einfach los!
Mein Kopf schien zu explodieren und alles verschwamm vor meinem inneren Auge.
Ihr habt geglaubt, dass ihr mich los seid, oder? Hach, herrlich! Hier bin ich und zeige euch, was für biestige Blagen ihr in die Welt gesetzt habt. Ich hasse diese Sklaventreiber übrigens. Schau, dein Sohn ist nicht besser als DU!
Diese Stimme kannte ich! Es war Hrymr!
Ich nahm um mich herum aber noch mehr wahr. Eine leuchtende Hülle umgab uns und gefühlt alle Götter schirmten uns ab.
Leider war es mir nicht möglich den Blick von den Bildern, welche mir dieser Schmarotzer einpflanzte, zu lösen!
„Komm schon, du arbeitest für mich. Wofür bezahl ich dich eigentlich?
Eine Neunschwänzige traf zum 13. Mal auf den Rücken des Sklaven!
Die Haut war bereits aufgeplatzt und Blut quoll aus den Wunden!
Doch der Aufseher ließ sich nicht beirren! Weiter... immer mehr Schläge!
„Irgendwann wirst du zusammenbrechen!“ brüllte er und ich sah
in graublaue Augen eines jungen Mannes, welcher unbeirrt
auf den Mann vor sich eindrosch! Ein schallendes Lachen war
aus seinem Mund zu hören. Diese Folter schien ihn zu erfreuen!
„Master Edward, jetzt lasst von ihm ab. Tot ist er für uns
überhaupt nicht mehr zu gebrauchen!“ fuhr den jungen Mann
ein Herr an, welcher etwas abseits gestanden hatte.
„Was wisst ihr schon von Bestrafung, Zucht und Ordnung?
Ihr seid verweichlicht! Allesamt!“ schrie er in die Runde
der versammelten Menschen, welche alle mit entsetzten
Gesichtern das Geschehen verfolgten!
Das war nicht mein Sohn, das war ein Trugbild und im Bruchteil einer Sekunde bildete sich meine Barriere im Kopf! Er würde mich nicht mürbe machen! Dieses mal nicht!
Nach und nach fühlte ich im wahrsten Sinne des Wortes die Jackdaw wieder unter meinen Füßen und begann mich neu zu orientieren.
Mein Blick klärte sich nach ein paar Sekunden, sodass ich wieder meine Frau und meine Sohn sah, welche sich in den Armen hielten.
„Mama, ich bin das doch gar nicht… ich hab Angst! Ich… will nicht… hauen… das…. Macht man nicht…“ weinte mein Sohn.
„Min lille skat, hab keine Angst. Das war wieder eines dieser Trugbilder vom bösen Kapitän. Aber …“ sie sah sich hier mit ihrem Blick um. Es waren aber nur noch die Auren unserer Götter hier anwesend. „… er ist wieder verschwunden.“ ihre Arme schlangen sich um ihn und drückten ihn an sich.
„Passt du… auf mich… auf, Mama?“ diese Frage kam leise schniefend aus seinem Mund. Er wollte nicht, dass es noch jemand hörte.
Ich passe immer auf dich auf. Auch dein Vater ist immer für dich da. Sprach Alex in Gedanken zu ihm.
Ich stellte mich neben die beiden und nahm Edward auf den Arm.
„Du bist nie alleine! Ich habe dir versprochen, dass ich auf dich Acht geben werde und immer für dich da sein werde. Auch für deine Schwester! Hab keine Angst, der böse Käptn wird erstmal nicht mehr aufkreuzen. Er hat viel zu viel Angst, dass wir ihm den Garaus machen!“ sprach ich voller Zuversicht, auch wenn ich mir selber damit versuchte Mut zu machen.
Meine Frau sah mich dankbar lächelnd an, ehe sie den hier anwesenden Matrosen eine neue Erinnerung einpflanzte.
Endlich konnten wir wieder an die frische Luft und ich eilte mit ihnen nach oben.
„Dann war diese Krankheit eine Falle für uns von Eugene?“ fragte mich Alex grübelnd.
„Vermutlich, doch wie werden wir sie wieder los.“ als ich auf Edward sah, waren wir uns aber einig, dass er nicht noch einmal seine Heilkräfte einsetzen sollte.
Die Kranken werden sich jetzt erholen, weil du es dieses mal wirklich geschafft hast, Hrymr zu vertreiben. Ich habe gesehen, wie er wütend versuchte deine Mauer einzureißen. Sie war so stabil, dass er sich fast die Zähne daran ausgebissen hätte! Ich bin stolz auf dich, mein Kind.
Damit verschwand der Göttervater wieder und mit ihm auch die anderen Schutzpatrone.
Alex´ Haltung hatte sich verändert bei diesen Worten, sie war souveräner geworden, würde ich sagen.
Ruhe kehrte ein und wir konnten unsere Weiterfahrt ohne Sorgen antreten!
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NicoleSemilch29 • Am 22.12.2022 um 17:12 Uhr • Mit 19. Kapitel verknüpft | |||||||
Eivor lässt grüßen...Genau so stelle ich mir Alex`Vorfahrin vor... | ||||||||
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Kapitel: | 100 | |
Sätze: | 3.861 | |
Wörter: | 63.790 | |
Zeichen: | 371.696 |