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Die Liebe und ihr Preis

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10.04.22 17:05
18 Ab 18 Jahren
Heterosexualität
Fertiggestellt

Autorennotiz

Ich bitte um ein wenig Nachsicht, denn das war meine erste Erzählung, die mit ihren über vierzig Seiten so etwas wie ein Romanformat erreichte. Ich veröffentliche die Erzählung jetzt hier, in der Hoffnung, dass sie meinen Lesern trotz stilistischer Mängel gefällt.

Das Original der Geschichte findet Ihr hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=die_liebe_und_ihr_preis.pdf

Der Junge war verwirrt, in seinem Innersten regten sich Gefühle, die ihm unbekannt waren. Seit Tagen irrte er nach der Schule durch die Straßen und Gassen der kleinen Stadt. Er kam in Winkel der Stadt, die ihm vorher unbekannt waren. Er ging hinaus auf die Felder, schlug sich quer durch das Unterholz des Stadtwaldes, fast immer bis es dunkelte. Wenn er nach Hause zurückkehrte, hatte er etwas von seiner Unruhe verloren. Seine Mutter schüttelte dann Kopf und meinte, „Junge was hast du, wie siehst du wieder aus? Hast du deine Hausaufgaben erledigt? Du sollst nach der Schule zuerst deine Hausaufgaben erledigen. Du wirst in der Schule den Anschluss verpassen, wenn so weiter machst.“ Danach wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu, nicht ohne sich dabei Gedanken über die Veränderung des Sohnes zu machen. Später beim Abendbrot, warf ihm der Vater strenge Blicke zu und bemerkte unwillig, „du bist heute wieder beim Herumstreifen nach der Schule gesehen worden! Unterlasse diese Ausflüge, deine Leistungen in der Schule werden dadurch nicht besser.“ Der Junge guckte dann gelangweilt in der Gegend herum und antwortete nur einsilbig, „ja doch, Papa.“ Das Wort Papa dehnte er dabei genervt. Nach dem Abendbrot, wenn sich die Eltern dem Fernsehen widmeten, verdrückte sich der Junge so schnell es ging in Richtung Stadtpark. Um diese Zeit trafen sich dort die Liebespaare und der Junge beobachtete ihr heimliches Tun. Später im Bett wälzte er sich voll Unruhe, Schweiß trat ihm auf die Stirn – seine Gedanken drehten sich um das, was die Liebespaare im Park trieben. Erst wenn er die Feuchtigkeit zwischen seinen Schenkeln verspürte, fiel er in unruhigen Schlaf.

Morgens, wenn er erwachte, schämte er sich seiner nächtlichen Aktivitäten und versuchte er die Spuren seiner heimlichen Freuden so gut es ging zu verbergen. Die Mutter eine sehr fürsorgliche, aber realistische und zupackende Frau, kannte, als ältere Schwester dreier Brüder die Nöte pubertierender Jungs und beförderte Schlafanzug oder Bettzeug in die Schmutzwäsche, ohne eine Bemerkung darüber zu verlieren. Als es ihr zu lästig wurde, ständig diese Wäsche zu waschen, suchte sie abgetragene Unterhemden aus ihrem Vorrat an Putztüchern und legte dem Jungen eins davon kommentarlos auf den Nachttisch. Der Junge verstand den Wink und so bestand fortan eine schweigende Übereinkunft zwischen ihnen. Benutzte Tücher deponierte er auf dem Boden und fand nach der Schule ein frisches Tuch auf seinem Nachttisch. Seinen Vater sah er in dieser Zeit nur selten, da dieser fast täglich Überstunden machte. Nachdem das Fernsehgerät abbezahlt war, war der Vater von dem Wunsch beseelt, ein Auto zu besitzen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitete er fast ununterbrochen. Wenn die beiden außerhalb der Essenszeiten zusammentrafen, war der Anlass so gut wie immer unerfreulich. So erschien der Vater außerhalb der Essenszeiten bei ihm, als er eine mit fünf benotete Mathearbeit nach Hause brachte.
     „Was machst du für einen Mist?“ Donnerte der Vater los. „Streng dich an! Du weißt doch, wie schwer ich mich getan habe mit meinen acht Jahren Volksschule, bis ich endlich Vorarbeiter wurde. Du brauchst Abitur oder mindesten die Mittlere Reife, setz dich auf den Hosenboden und lern! Oder muss ich dir erst das Taschengeld streichen!“
     Das Wort Volksschule klang aus dem Mund des Vaters, so ätzend, dass man meinen konnte, er spräche von einem Straflager.
     „Ich tue, was ich kann“, gab der Junge einsilbig zurück.
     „Das reicht nicht, verdammt noch mal! Statt dich in der Gegend herumzutreiben, nimm dein Mathebuch und lerne! Auch in Englisch stehst du nicht viel besser! Und überhaupt, wenn du schon das Meiste deiner Zeit vertrödelst, warum gehst du nicht mehr zum Schwimmen!?“

Der Junge setzte eine gleichgültige Miene auf und zuckte mit den Schultern. Irgendwann hatte der Vater den Eindruck, er spräche gegen die Wand. Daraufhin drehte er sich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, abrupt um und ging in die Kneipe.
     Bei weiterem Nachdenken kam dem Jungen dann in den Sinn, dass Sport ihm etwas Ablenkung von seinen Nöten verschaffen könnte. Schwimmen kam aber nicht infrage, die leicht bekleideten Mädchen im Bad versetzten ihn in Erregung; und mit Grauen dachte er an seinen letzten Besuch im Schwimmbad. Da hatte eine der Schönheiten seine Fantasie so sehr angeregt, dass ihm in der Badehose der Penis schwoll und der schon etwas ausgeleierte Hosenbund nachgab. Im letzten Moment konnte er sich ins Wasser retten, bevor er zum Gespött der Badegäste geworden wäre. Aber Sportverein, das wäre etwas. An einem der nächsten Tage ging er am frühen Abend zum Vereinsheim des TuS 94, um sich anzumelden.
     „Für welche Sparte?“ Frage der Kassenwart.
     „Sparte?“
     „Ja Sparte! Du musst doch wissen, welchen Sport du treiben willst! Fußball, Handball oder vielleicht Boxen?“
     „Eh…, ich weiß nicht so genau“, stotterte der Junge, „vielleicht Federball.“
     Der Kassenwart schüttelte verwundert den Kopf, „eine etwas ungewöhnliche Sportart für einen Jungen deines Alters. Aber warum nicht, es sind ja sowieso zu wenige Jungs in dieser Sparte. Also Übungsstunde ist jeden Mittwoch 17.00 Uhr. Und pünktlich sein, der Trainer versteht in diesem Punkt keinen Spaß.“

Am Mittwoch der darauf folgenden Woche erschien er pünktlich zum Training und bemerkte sofort, es waren nur drei weitere Jungs erschienen, dafür aber jede Menge Mädchen. Er wurde rot vor Verlegenheit, die anderen Jungen schien die Anwesenheit der Mädchen nicht zu stören. Dann aber bemerkte er zu seiner großen Freude die Tochter der Nachbarn, was die Röte seines Gesichts weiter steigerte. Dieses Mädchen hatte der Junge seit neuestem zum Objekt seiner Begierde erkoren. Sie war in der Schule eine Klasse über ihm und galt mit ihrem Lerneifer als eine Art Vorzeigeschülerin. Jetzt, da die Tage wärmer wurden, fiel es auf, bisher unter wärmerer Kleidung verborgen, begannen bei dem Mädchen zart die Brüste zu sprießen. Ihre Bluse spannte sich an den Knöpfen über den ihren neuen Rundungen. Die Kontaktaufnahme war schwierig. Der Vater des Jungen war stadtbekannter Linker und Mitglied der Gewerkschaft. Seine Zechkumpane nannten ihn oft scherzhaft, unser roter Bruder. Die Eltern des Mädchens hingegen waren streng katholisch und in der Stadt für ihre Frömmigkeit bekannt. Einziger Makel in der Gemeinde war, sie gestatteten ihrer Tochter eine Kleidung, die von frömmelnden Gemeindemitgliedern als obszön eingestuft wurde. Mädchen ihres Alters hatten sittsame Kleidung zu tragen. Sie jedoch trug, jetzt im Frühsommer enge Blusen und dazu enge dreiviertellange Hosen, die ihre neuen weiblichen Rundungen betonten. Ihr Haar trug sie offen, statt zu Zöpfen geflochten. Ihre Eltern waren der Meinung, moralische Gesinnung zeige sich nicht an der Kleidung. Damit standen sie ziemlich einsam in der Gemeinde und der alte Pfarrer konnte sich ein Kopfschütteln nicht verkneifen, wenn die drei zusammen zur Sonntagsmesse kamen. Auf dem gemeinsamen Besuch der Messe bestand ihr Vater, wusste er doch, wenn die Tochter nicht wenigstens am Sonntag mit in die Kirche kam, würde er seine Reputation in der Gemeinde endgültig einbüßen. In der Schule wurde die freizügige Kleidung mit Argwohn betrachtet. Es dort war ungeschriebenes Gesetz, dass Mädchen in Rock und Bluse oder im Kleid zum Unterricht erschienen, ebenso, wie es sich gehörte. Die guten Leistungen des Mädchens und ihr ansonsten untadelig, unauffälliges Verhalten, verhinderten aber jegliche Art von Sanktionen.

Die beiden Familien lebten zwar Zaun an Zaun, aber außer einem „Guten Tag“, wenn man sich über den Weg lief, gab es kaum Berührungspunkte. Der Vater des Jungen bemerkte dann und wann, Katholiken seien allesamt Reaktionäre. Der Nachbar stufte Gewerkschafter als die Vorhut der Fünften Kolonne ein. Es gab also nichts, worüber man sich hätte austauschen können. Da kam es dem Jungen gerade recht, dass er mittwochs eine Stunde ungestört in der Nähe der Angebeteten verweilen durfte. Anfangs war er zu befangen und folgte ihr auf dem Heimweg in sicherem Abstand. Bei einer Übungsstunde gelang es ihm aber bei einem Doppel zusammen mit ihr für das Spiel eingeteilt zu werden. Nach Ende des Spiels fasste er sich ein Herz und fragte sie, ob sie zusammen nach Hause gehen könnten. Sie lächelte und nickte zustimmend. Nach dem Umziehen wartete er am Ausgang der Turnhalle auf sie, er hätte vor Glück jubeln können, als sie auf ihn zukam. Sie schlenderten zusammen entlang des Angerbachs, wobei er ihr Fahrrad schob. Sie sprachen nicht viel, ab und zu lächelten sie sich befangen an. Als sie durch den Park des Stadtschlosses gingen, vermieden sie die stark frequentierten großen Wege entlang des Spiegelweihers, in der stillen Übereinkunft – dieser kleine Spaziergang braucht nicht sogleich zum Stadtgespräch zu werden. Bevor sie zur Straße kamen, in der sie wohnten, hielt das Mädchen inne.
     „Weißt du, bis vorhin kannte ich nicht einmal deinen Vornamen! Aber heißt du wirklich Schorsch? Ein komischer Name.“
     „Nein, eigentlich heiße ich Georg. Ein Name, der wirklich nur doof ist. Er erinnert mich immer an euren Heiligen Georg, den Drachentöter. Deshalb stelle ich mich immer und überall als Schorsch vor. Deinen Namen kenne ich schon lange, Frida. Der Name passt gut zu deinem Haar.“
     „Du bist vielleicht ein Spinner, der Name passt zum Haar!“ Sie lächelte beschwichtigend dazu. „Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich dich Georg nenne. Ich finde den Namen absolut nicht doof.“
     Langsam gingen sie weiter. Der Junge wurde unsicher. „Ich glaube wir trennen uns besser hier. Wir brauchen unseren Eltern nicht alles unter die Nase zu reiben.“
     „Mir ist das gleich, Georg. Spazierengehen ist schließlich nichts Verbotenes. Aber ich verstehe deine Bedenken. Ich steige aufs Rad und fahre voraus. Bis nächste Woche.“

Sie schwang sich auf ihr Rad und radelte den Rest des Weges. Schorsch ging die restliche Wegstrecke betont langsam, um ihr genügend Vorsprung zu geben. Als Schorsch zu Hause ankam, war Frida bereits im Haus verschwunden. Er hatte gehofft, noch einen Blick von ihr zu erhaschen, und so stieg eine leichte Enttäuschung in ihm auf. Die nächsten Tage verbrachte er damit, Kontakt zu Frida herzustellen. Aber es gelang ihr geschickt, ihm aus dem Weg zu gehen. Sie fuhr früher als gewöhnlich zur Schule, ließ sich in den Pausen nicht auf dem Pausenhof sehen und nach der Schule fuhr sie im Kreis ihrer Freundinnen nach Hause. Als Schorsch am nächsten Mittwoch zur Übungsstunde ging und in Richtung Schlosspark abbog, wartete, für ihn völlig überraschend, Frida hinter der Ecke auf ihn. „Hallo, Georg“, sagte sie völlig unbefangen, so als hätten sie sich gerade kurz vorher erst gesehen. Im Gegenlicht glänzten ihre Haare in der Sonne, Schorsch war total verdattert, der Anblick verschlug ihm die Sprache.

„Hast du die Sprache verloren?“ Sie hatte den Schalk in den Augen und dann zauberte sie ein gewinnendes Lächeln auf ihre Lippen.
     „Nein, Frida, ich war überrascht. Ich hatte dich hier nicht erwartet.“
     „Aber ich vermute doch richtig, du möchtest mit gerne mir gemeinsam zum Training gehen.“
     „Aber ja!“
     „Hättest du es lieber gehabt, ich hätte dich zu Hause abgeholt?“
     „Besser nicht, das gäbe nur unnötige Diskussionen.“
     „Dachte ich mir doch!“ Dabei kamen sich ihre Gesichter bedenklich nahe.

Als Schorsch nach dem Training nach Hause kam, stand auf dem Hof ein fremdes Auto. Mit fachmännischem Blick erkannte er, es war ein Lloyd LP600. Bereits etwas betagt, aber gut in Schuss. Als er in die Küche kam, sah Schorsch zu seiner Überraschung, dass sein Vater bereits von der Arbeit zurück war.
     Obwohl äußerst neugierig, fragte er möglichst desinteressiert, „was steht denn da für ein Auto auf dem Hof?“
     „Das habe ich preiswert von meinem Kollegen Walter gekauft“, antwortete der Vater mit Stolz in der Stimme.
     „Hast du denn überhaupt einen Führerschein?“
     „Natürlich, die Fahrprüfung habe ich während des Krieges bei der Wehrmacht abgelegt.“
     „Oh, das wusste ich nicht.“
     „Weil du dich nicht für die Familie interessierst“, antwortete der Vater aufgebracht.
     Die Mutter, in Sorge, das Gespräch könne wieder im Streit enden, mischte sich ein. „Lasst es gut sein, statt euch über die Neuerung zu freuen, fangt ihr einen Streit an! Macht doch eine kleine Probefahrt, bis ich mit dem Kochen fertig bin.“
     „Dann komm mit“, sagte der Vater darauf hin aufmunternd zu Schorsch.

Ausnahmsweise genoss Schorsch das Zusammensein mit dem Vater. Ziemlich stolz saß er neben dem Vater. Immerhin war sein Vater der erste auf ihrer Straße, der sein Auto eigenes vor der Tür stehen hatte. Schorschs Interesse an der Fahrerei erlahmte indes nach kurzer Zeit. Anfangs fuhr er noch brav, bei den jetzt üblichen Sonntagsnachmittagsausflügen, mit. Dann aber fand er aber immer wieder neue Ausreden, um zu Hause bleiben zu können. Meist schob er vor, lernen zu wollen. Was sogar bedingt stimmte. Seit er sich mittwochs mit Frida traf, zeigte er wieder mehr Interesse an der Schule, wusste er doch um ihre schulischen Leistungen; und als Dummkopf wollte er nicht vor ihr dastehen. Der wahre Grund seiner neuen Häuslichkeit war jedoch, dass er immer die Hoffnung hatte, vom Fenster aus einen Blick auf Frida zu werfen, oder besser noch, einen Blick mit ihr austauschen zu könnten.

Eines Mittwochs fasste Schorsch sich ein Herz, „du Frida, wäre es nicht möglich, dass wir morgens den Schulweg gemeinsam zurücklegen?“
     „Nein, nein Georg, das geht auf gar keinen Fall. Das will ich nicht; und das musst du einsehen. Es würde nur dumme Bemerkungen geben, wenn ich mit dir, statt mit meinen Freundinnen zu Schule käme.“
     Schorsch reagierte mit Enttäuschung, gestand sich aber ein, dass Frida recht hatte. Seine Schulfreunde, mit denen er zusammen den Schulweg zurücklegte, würden auch dumm reden, wenn er statt mit ihnen, mit Frida zur Schule ginge.
     „Ich weiß“, begann Frida zaghaft, „du bist sonntags nach der Mittagszeit meist allein zu Hause und deine Eltern kommen selten früher, als am Abend zurück. Da könnte ich mit dem Rad zu den Auen am Fluss fahren. Du nimmst einen anderen Weg dorthin und wir treffen uns dort.“
     Schorsch errötete. Sonntags allein mit Frida, die Welt begann sich um ihn herum im Kreis zu drehen. Mit belegter Stimme antwortete er, „und was ist mit deinen Eltern?“
     „Lass das mal meine Sorge sein. Ich gehe brav mit zur Kirche; das stimmt meinen Vater friedlich und nach Tisch macht er sowieso gerne ein Nickerchen. Ich helfe noch meiner Mutter beim Abwasch und schon mache ich mich davon. Du passt auf, wann ich losfahre und wartest dann einige Minuten, bis du mir folgst. Ich biege am alten Wegkreuz links ab und warte auf dich.“
     Er streichelte ihren Arm, es war das erste Mal, dass sie nicht zurückzuckte.

Der Rest der Woche verging für Schorsch quälend langsam. Donnerstagnachmittag begann es zu regnen. Schorsch sah all seine Hoffnungen auf einen Nachmittag mit Frida in den Auen dahinschwinden. Auch der Samstag verlief regnerisch und windig. Gegen Abend rissen die Wolken jedoch auf und Schorsch schöpfte neue Hoffnung. In der Nacht schlief er unruhig und wurde mehrmals wach. Durch das Fenster sah er dann Sterne am Himmel, seine Hoffnung wuchs wieder. Morgens beim Frühstück gab er sich einsilbig. Die Mutter fragte ihn, ob er nicht mit ins Bergische kommen wolle. Das lehnte er ab, mit dem Hinweis lernen zu wollen. Direkt nach dem Frühstück zog er sich auf sein Zimmer zurück und paukte Vokabeln. Nach dem Mittagessen half er der Mutter beim Spülen. Der Vater dränge schon zum Aufbruch, was Schorschs Wünschen sehr entgegenkam. Als der Lloyd aus der Einfahrt rollte, winkte er ihnen nach. Auch Frida schien die Abfahrt beobachtet haben, denn nur wenige Minuten später sah er sie auf ihrem Rad in Richtung Flussauen davon radeln. Schorsch nahm sein Rad und fuhr in entgegengesetzter Richtung, bog in die nächste Querstraße ein und fuhr danach über einen Feldweg zu den Auen. Am Wegkreuz bog er links ab und tatsächlich sah er Frida kurz hinter der Abbiegung auf einer Bank sitzen. Er küsste sie leicht auf die Wange. Es war der erste Kuss, den er ihr gab.

„Nicht hier, Georg. Wir verstecken die Räder im Auenwald und gehen zu Fuß weiter.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schwang sie sich wieder auf ihr Rad und fuhr voraus. Sie bog in einen schmalen Nebenweg ein, Schorsch folgte ihr. An einer etwas breiteren Stelle des Weges trat er fester in die Pedale und überholte sie lachend. Am Wald angelangt schoben sie die Räder zwischen den Bäumen ins Unterholz und schlossen sie ab. Hier, vor den Blicken eventueller Spaziergänger geschützt, erwiderte Frida seinen Kuss. Es war nur ein Hauch auf der Wange, den er spürte, aber sein Glücksgefühl stieg ins Unermessliche. Er nahm sie bei der Hand. „Komm, wir gehen ein Stück weit in Richtung Fluss.“ So gingen sie zuerst durch den lichten Wald und kamen schon bald zu einer, von einzelnen Pappelgruppen beschatteten Wiesenlandschaft. Direkt am Waldrand zog Schorsch Frida auf einen kaum sichtbaren Pfad, der tiefer in die Auenwiesen hineinführte. Bei einer der Pappelgruppen hielten sie an, sie ließen sich zwischen den Pappeln auf den Boden gleiten. In dem sie umgebenden hohen Gras waren sie geborgen vor den Gefahren der Entdeckung durch andere Besucher der Auen. Schorsch legte seinen Arm um Fridas Schulter und sie schmiegte sich an ihn; zum ersten Mal küssten sie sich auf den Mund. Eine ganze Zeit lang saßen sie fast regungslos nebeneinander, hörten nur das leise Rauschen, der vom leichten Westwind bewegten Blätter der Pappeln. Das hohe Gras wogte leicht im Wind, sie hatten den Eindruck, sie befänden sich in einem Meer aus Gras. Schorschs Hand bewegte sich leicht nach oben über ihren nackten Arm, auf dem sich unter seinen Fingerspitzen leichter Flaum sträubte. Seine Hand wanderte weiter zu ihrem Nacken, dann glitt er leicht über ihre Bluse zu ihren Brüsten. Sie saß wie erstarrt und einen Moment befürchtete Schorsch, sie würde ihn abweisen. Sie entspannte sich jedoch nach einigen Sekunden, legte ihre Hände auf Schorschs Hand und drückte diese auf die Rundung der, sich noch entwickelnden Brüste. Schorsch öffnete die Knöpfe ihrer Bluse und umfasste ihre Taille. Was er sah, raubte ihm fast den Atem. Die noch sprießenden Brüste, die braun, rosa Brustwarzen, ihre seidige Haut. Er legte sich wohlig stöhnend zurück; seine Männlichkeit schwoll in der Hose. Frida legte sich auf ihn und streichelte seine Haare. Er legte seine Hände auf ihre Pobacken, was ein wohliges Geräusch über ihre Lippen brachte. Dann drehte er sie vorsichtig auf den Rücken und begann an ihrer Hose zu nesteln. Sein Zeigefinger zog Kreise um ihren Bauchnabel. Erst als seine Hand in tiefere Regionen vordringen wollte, griff sie ein und schob die Hand sanft aber bestimmt zur Seite.
     „Nicht Georg, das dürfen wir nicht.“
     „Ich weiß Frida, aber der Tag ist so schön.“
     „Ja Georg, aber was wir da tun ist eine schwere Sünde; eine Todsünde, sagt der Pfarrer.“
     „Du kannst es doch beichten, wenn du daran glaubst.“

Schorsch wollte die Schönheit der Stunde nicht zerstören und führte seine Hände wieder in Richtung ihres Oberkörpers. Erleichtert umarmte sie ihn.
     „Zur Beichte gehe ich schon lange nicht mehr und ich gehe auch nur noch meinen Eltern zum Gefallen in die Kirche.“
     „Glaubst du denn wirklich, dass das Schöne, wie wir es jetzt erleben, eine Sünde ist?“
     „Nein, nicht wirklich. Es ist nicht so, dass ich deine Berührung nicht möchte“, sprach sie zögernd weiter, „aber ich bin erst sechzehn Jahre und du bist fast sechzehn Jahre alt.“

Sie lagen nebeneinander im hohen Gras und hielten sich dabei an den Händen. Schorsch bemerkte Feuchtigkeit in seiner Hose. Als die Sonne schon lange ihren Zenit überschritten hatte, machten sie sich auf den Heimweg. Sie fuhren in verschiedene Richtungen davon und achten auch darauf, dass sie nicht gleichzeitig zu Hause ankamen. Schorsch ging sofort nach oben, blickte kurz aus dem Treppenhausfenster und hatte Glück, Frida ging über den Hof und ihre Blicke trafen sich.

Die Zeit bis Mittwoch wurde beiden lang, zu intensiv war das Erlebnis vom Sonntag in ihrem Gedächtnis verankert. Schorsch fühlte sich nicht wohl im Kreise seiner Freunde. Ihr Gerede über angebliche Weiberbekanntschaften und das, was sie angeblich dabei trieben, ging ihm auf die Nerven. Frida hatte kein Gehör für die Schwärmereien ihrer Freundinnen. Während sie voll Sehnsucht an Georg dachte, trieben den Freundinnen schon Gedanken an Paul Anka oder Peter Kraus die Röte ins Gesicht. Die Gespräche über die neusten Schlager ihrer Helden ödeten sie an. Wenn die Freundinnen gar ins Schwärmen über eine leicht veränderte Locke von Paul gerieten, wandte sie sich angewidert ab und ging davon. Endlich Mittwoch, Frida und Schorsch trafen sich wie gewohnt auf dem Weg zum Sport. Beide waren etwas befangen, öffentlich zu küssen trauten sie sich nicht. So beließ es Schorsch dabei, ihr leicht mit einem Finger über die Lippen zu streichen; und das auch nur, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie unbeobachtet waren.
     „Können wir uns am Sonntag treffen, Frida?“
     „Ach, Georg, ich kann es ohne dich kaum aushalten. Aber erst einmal abwarten, wie das Wetter ist.“
     „Oh, Frida, es wird schon gut gehen. Schließlich haben wir Ende Juni.“
     Frida lächelte. „Dein Wort in Gottes Ohr“, scherzte sie.

Weder Frida, noch Schorsch waren bisher ordentlich aufgeklärt worden, im Klaren waren sie sich dennoch, das, was sie taten, hatte irgendetwas mit Zeugung zu tun. Im Biologieunterricht war zwar über Fortpflanzung gesprochen worden, aber so oberflächlich und verschlüsselt, dass beiden nicht klar war, wann und wie es zu einer Befruchtung kommen könne.
     „Georg, ich möchte noch kein Kind. Ich bin noch zu jung dazu und wir haben beide noch nicht einmal eine Ausbildung.“
     „Klar Frida, aber wir tun doch bisher sicher nichts, wovon du ein Kind bekommen könntest.“
     „Bist du sicher?“
     „Nein.“
     „Ich weiß, dass es Methoden zur Empfängnisverhütung gibt. Weißt du, wie das geht?“
     „Nein.“
     „Letzte Woche habe ich gehört, wie meine Mutter mit meiner verheirateten Schwester davon sprach. Meine Schwester meinte, lila Bettwäsche würde vor Schwangerschaften schützen.“
     „Kann das sein?“
     „Ich weiß nicht, aber es könnte sein.“
     „Hast du denn lila Bettwäsche?“
„Nein, aber es würde uns auch nicht helfen. Wir können uns ja nicht in meinem Zimmer treffen.“
     Sie ließen das Thema auf sich beruhen und endlich, auf einem stillen Weg im Schlosspark fanden sie eine Gelegenheit sich zu umarmen und zu küssen.

Am Sonntag regnete es in Strömen und all ihre Hoffnungen auf Erfüllung ihrer Sehnsucht wurden von den Wassermassen hinweggespült. Schorsch hatte einen Weg gefunden, damit sie zumindest Sichtkontakt aufnehmen konnten, wenn sie zu Hause waren. Er stellte sich dazu ganz rechts auf dem Treppenabsatz an das Treppenhausfenster und wenn Frida sich in ihrem Zimmer ganz links an das Fenster stellte, konnten sie sich unbemerkt sehen. Sie konnten dann zwar nicht miteinander sprechen (höchsten einmal ganz vorsichtig und leise bei offenen Fenstern), aber sie verständigten sich durch eine Art Zeichensprache. So waren sie sich am Abend des verregneten Sonntags einig, sich Montag vor die Schule, im Schlosspark hinter dem Denkmal des Kurfürsten zu treffen. Am Montag hatte es aufgehört zu regnen und beide machten sich wie gewohnt auf den Weg zur Schule. Frida auf dem Rad, Hans trabte, wie fast immer, zu Fuß in Richtung Schule, diesmal aber deutlich früher, um nicht seinen Freunden über den Weg zu laufen. Zum Glück waren zu dieser frühen Stunde noch keine Spaziergänger im Schlosspark unterwegs und so umarmten sie sich stürmisch, als sie hinter dem Denkmal aufeinander trafen.
     „Liebe Frida“, brachte Schorsch nach einiger Zeit hervor, „ich hatte solche Sehnsucht.“
     „Ich auch Georg, ich bin vor Sehnsucht fast gestorben. Die Wettergötter waren gegen uns.“
     „Meine Mutter liest gerade den neuesten Roman von Simmel, Gott schützt die Liebenden. Das war wohl gestern nichts. Vielleicht war Gott gestern einfach nur müde.“
     „Auf so etwas sollten wir nicht rechnen. Wir müssen uns selbst helfen.“
     „Du, ich habe da eine alte fliederfarbene Wolldecke bei meiner Mutter abgestaubt, für das Freibad in den Ferien. Ob die Decke die gleiche Wirkung hat, wie lila Bettwäsche?“
     „Hoffentlich, ganz geheuer ist mir nicht dabei. Hast du denn gar keine Ahnung, wen wir wegen der Verhütung fragen könnten?“
     „Nein wirklich nicht.“
     Es war Zeit, in die Schule zu kommen. Sie umarmten sich schnell noch einmal und benutzen dann verschiedene Wege zur Schule.

Wieder warteten sie sehnsüchtig auf den Sonntag und diesmal hatten sie Glück mit dem Wetter. Der Himmel zeigte sich fast wolkenlos und schon am Vormittag stiegen die Temperaturen auf sommerliche Werte. Sie hatten sich direkt im Auenwald verabredet, weil sie meinten, vor der Gefahr zusammen gesehen zu werden, besser geschützt zu sein. Schorsch schob als Ausrede einen Besuch im Freibad vor, um dem Sonntagsausflug zu entgehen. Frida nutzte einfach die sonntägliche Mittagsruhe, um ohne Erklärungen aus dem Haus zu verschwinden. Als sie im Wald ankam, wartete Schorsch bereits auf sie. Sie sah, er hatte eine fliederfarbene Decke auf den Gepäckträger seines Rads geklemmt.
     „Oh, Georg, wartest du schon lange?“
     „Nein Liebes. Nur ein paar Minuten.“

Schorsch zog sie so heftig an sich, dass ihr der Atem stockte. Er spürte ihre festen, kleinen Brüste an seinem Körper. Frida drückte sich in einem Anfall von Verlustangst an ihn, sie spürte seinen in der Hose schwellenden Penis. Er löste sich von ihr, stellte ihr Rad neben seins, schloss beide Fahrräder ab, nahm die Wolldecke unter den Arm und sie gingen langsam nebeneinander zu den Auenwiesen. Dort wo sie sich beim letzten Mal verborgen hatten, war die Wiese inzwischen gemäht und Frida erschrak, da ein Zusammensein, ohne den Schutz des Verstecks, ihr wenig erstrebenswert erschien. Schorsch führte sie aber weiter zu einer Knickhecke und dort hinter der Hecke stand das Gras fast einen Meter hoch. Sie gingen auf der gemähten Wiese entlang der Hecke, bis sie einen Durchlass durch die ansonsten undurchdringliche Hecke fanden. Sich an den Händen haltend schlüpften sie durch die Hecke und sahen, sie waren an einem Ort angelangt, der für ihr geheimes Treiben bestens geeignet war. Schorsch breitete die Decke aus und als sie sich darauf ausgestreckt hatten, waren sie wiederum für die Welt unsichtbar geworden. Frida war diesmal die aktivere, sie legte sich auf ihren Freund. Der atmete schwer, schob seine Hände unter ihre Bluse und streichelte ihr leicht über den Rücken. Frida küsste ihn auf die Stirn und setzte sich auf ihn. Sie öffnete ihre Bluse und zog sie aus. Schorsch legte seine Hände ihre Brüste und umschloss sie damit, während Frida die Knöpfe seines Hemds öffnete. Leicht streichelnd glitten Fridas Hände dabei tiefer hinab, bis sie seinen Hosenbund erreichten. Schorsch stöhne leise und versuchte ihre Hosen zu öffnen, Frida jedoch schob seine Hand sanft beiseite und legte sich auf den Rücken. In Schorsch kroch die Enttäuschung hoch – er erinnerte sich noch an seinen letzten Versuch, die tiefen Regionen ihres Körpers zu erforschen, als sie ihn sanft, aber bestimmt zurückgewiesen hatte. Frida jedoch dachte gar nicht daran, ihn zurückzuweisen. Mit einer geschickten Bewegung zog sie auf dem Rücken liegend Hose und Unterhose gleichzeitig aus. Schorsch hatte noch nie eine Frau nackt gesehen und was er sah, ließ seinen Körper erbeben. Das behaarte Dreieck oberhalb ihrer Schenkel zog ihn magisch an. Vorsichtig legte er die Hand darauf; Frida reagierte kitzelig und legte eine Hand auf seine, damit er etwas mehr Druck auf ihre Schamhaare ausübte. Sie drehte sich etwas zur Seite und öffnete die Knöpfe seiner Hose. Vom Druck der Hose befreit, sprang sein Penis, wie von einer Feder gerieben, nach oben. Frida massierte die Innenseiten seiner Schenkel, was ihn weiter erhitzte. Schorsch schob daraufhin eine Hand zwischen ihre Schenkel; er fühlte dort eine warme Feuchtigkeit. Vorsichtig mit dem Zeigefinger tastend, drang seine Hand zu den kleinen Schamlippen vor, Fridas Körper bog sich dabei vor Lust. Stöhnend öffnete Frida ihre Schenkel und zog ihn auf sich. Der Akt war kurz, aber heftig und Frida hatte einen leichten Schmerz verspürt, als er in sie eindrang und ihr Jungfernhäutchen riss. Danach lagen sie still und ermattet auf der Decke, Schorschs Hand legte sich wieder auf ihre Scham und Frida kraulte ihm die Schamhaare, wobei sie Zeige- und Mittelfinger etwas spreizte, um die Finger links und rechts an der Peniswurzel entlangzuführen. Schorsch gab dabei ein leicht gurgelndes Stöhnen von sich. Ziemlich abrupt hielt Frida inne, setzte sich auf und schaute Schorsch in die Augen.
     „Ach, Georg, wie soll es jetzt weitergehen. Ich mag dich so gern, aber offen können wir uns nicht zeigen. Jetzt vergeht mindestens eine Woche, bis wir uns wieder treffen können.“
     „Wir können uns doch am Mittwoch beim Training entschuldigen und treffen uns stattdessen in den Auen.“
     Frida schüttelte traurig den Kopf, „geht nicht Georg, meine Eltern sind mit dem Trainer und seiner Frau befreundet. Da fliegen wir auf.“
     „Dann Frida, fällt mir auch nichts weiter ein.“

Als die Zeit zum Aufbruch gekommen war, konnten sie sich nicht trennen. Sie verließen getrennt die Wiesen und den Auenwald, sie taten so, als ob sie sich zufällig auf dem Weg getroffen hätten. Das gab ihnen noch eine kleine Schonfrist. Sie verhielten sich möglichst unauffällig, so als wären sie ausschließlich in ein hochinteressantes Gespräch vertieft. Kurz bevor sie die ersten Häuser der Stadt erreichten, sahen sie sich vorsichtig um, und als sie meinten unbeobachtet zu sein, küssten sie sich zum Abschied. Den Rest des Weges legten sie wie gewohnt getrennt zurück. Zu Hause nahmen sie noch einmal über die Fenster Kontakt zueinander auf, dann rollten Schorschs Eltern in ihrem Lloyd auf den Hof.

Die Eltern fanden Schorsch ausgesprochen aufgekratzt vor. Beim Abendessen erzählte er ausführlich von seinen Erlebnissen im Freibad, sprach von den baldigen Sommerferien und machte Pläne, was er dann alles unternehmen könne. Ab Montag war es für die beiden Liebenden wie immer öde. In der großen Pause trafen sie sich wie zufällig und konnten ein paar Worte wechseln. Als Schorschs Mutter am Vormittag die Schmutzwäsche sortierte, erschrak sie. Versteckt im Wäschekorb fand sie Schorschs Unterhose mit leichten Blutspuren und Flecken, die sie als eingetrocknetes Sperma erkannte. Sie wusste, was passiert war und ihr war klar, sie musste sofort tätig werden. Sie ließ erst einmal Wäsche, Wäsche sein und machte sich auf zu Besorgungen, die sie für unaufschiebbar hielt. Als Schorsch nach Hause kam, stand seine Mutter wie gewohnt am Herd. Sie drehte sich um und ohne sich mit einer Begrüßung lange aufzuhalten, sagte sie nur, „Georg, wir müssen miteinander reden.“
     Schorsch schwante nichts Gutes, wenn seine Mutter ihn Georg nannte, war dicke Luft, „was ist denn Mama?“, fragte er möglichst harmlos.
     „Du weißt, ich nehme kein Blatt vor den Mund, du hast uns gestern Abend dreist angelogen! Du warst nicht in Schwimmbad! Deine angeblichen Pläne für die Ferien sind Schall und Rauch! Und ich sage es dir auf den Kopf zu, du hast eine Freundin, hast mit ihr geschlafen und du hast sie entjungfert. Ich vermute, es ist die kleine Katholische von nebenan! Meinst du, etwa mir fällt es nicht auf, dass du seit Wochen deine Blicke kaum vom Nachbargrundstück lösen kannst und ohne Grund auf dem Treppenabsatz herumlungerst!? Aber all das spielt keine Rolle, ob nun dieses Mädchen oder ein anderes Mädchen! Du hast mit deiner Freundin geschlafen! Ist das so?“
     Schorsch stotterte etwas herum. Unter dem strengen Blick der Mutter knicke er aber ein, „ja Mama, so ist es.“
     „Ich finde das reichlich früh, was ihr da tut, aber ich akzeptiere es. Es der Lauf des Lebens und der Lauf der Zeit. Und von dem Geschwafel über jungfräulich in die Ehe gehen, da halte ich eh nicht viel. Was ich nicht akzeptiere, ist die Gefahr, in die ihr euch begebt! Was wollt ihr denn machen, wenn sie schwanger wird?“
     „Bitte, Mama nenne Frida nicht sie, sie heißt Frida!“
     „Nah gut“, schnaubte sie, „also was wollt ihr machen, wenn Frida schwanger wird!?“
     „Wir haben es auf der fliederfarbenen Decke getan. Frida glaubt, die Farbe Lila würde Schwangerschaften verhindern.“
     „Ihr Schafe“, donnerte die Mutter los, „habt ihr Stroh im Kopf? Oder hast du einen Samenkoller!? Ich will dir jetzt etwas sagen, man kann Empfängnis verhüten und ich hoffe, es ist noch nicht zu spät dazu! Ich bin extra bis zu Schlossapotheke gelaufen, weil mich dort niemand kennt, statt zur nahen Marktapotheke, um euch das hier zu kaufen.“ Sie hielt ihm eine Packung Präservative unter die Nase.
     „Was ist das, Mama?“
     „Das sind Präservative! Im Volksmund Pariser genannt. Du ziehst sie vor dem Verkehr über den Pimmel“, donnerte sie. Am liebsten hätte sie statt Verkehr, Vögeln gesagt, hatte sich aber noch im letzten Moment gebremst. „Und lies die Gebrauchsanweisung. Probiere das Überziehen erst einmal allein aus, sonst klappt es im Ernstfall nicht. Hast du mich verstanden, Georg!?“
     Schorsch, dem das Gespräch furchtbar peinlich war, sagt nur ganz gedehnt, „ja, Mama.“
     „Und wenn die Packung aufgebraucht ist, dann besorgst du dir eine neue Packung. In der Apotheke wird man einem Jungen wie dir das Zeug nicht verkaufen. Also du gehst mit deinem Vater ein Bier trinken. Der freut sich darüber und in der Kneipe, gehst du zur Toilette. Dort hängt ein Automat, da kannst du dich unbeobachtet mit Nachschub versorgen. Das Geld dazu bekommst du von mir! Verstanden?“
     „Ja, Mama.“
     „Und sprich mit Frida, damit sie dir Bescheid sagt, wenn sie ihre Tage bekommen hat. Wenn das geschieht, habt ihr Glück gehabt und könnt sicher sein, dass Frida nicht schwanger ist.“
Abrupt wandte die Mutter sich um und widmete sich wieder dem Mittagessen. Sie wandte sich aber sogleich wieder um, „und lasse die Dinger nicht in der Landschaft liegen. Es liegt schon genug Unrat in der Gegend rum. Nimm eine alte Zeitung mit, zum Einwickeln; und dann ab damit in den Müll.“

Am nächsten Tag fanden die Beiden keine Möglichkeit sich zu treffen. So warteten sie ungeduldig auf den Mittwoch und den Weg zum Training. An diesem Tag machte sich Schorsch ungewöhnlich früh auf den Weg. Er hoffte, bis Frida kam, hätte er die richtigen Worte gefunden, um ihr von den Neuigkeiten zu erzählen. Er war, obwohl sie beide vertraut miteinander waren, nicht sicher, ob er den richtigen Ton finden würde. Unruhig ging Schorsch einige Straßen entlang, mit Frida zu schlafen, war eine Sache, mit ihr darüber zu sprechen, eine andere. Es wäre viel einfacher, wenn ich sie mit nach Hause nehmen könnte. Mutter könnte ihr das Gleiche sagen, wie mir, dachte er. Pünktlich stand er am Treffpunkt. Frida kam auf ihrem Rad um die Ecke und all seine Ängste waren erst einmal verflogen. Sie tat so, als wolle sie weiterfahren und Schorsch lief hinter ihr her, bis er das Rad am Gepäckträger packen konnte und sie abbremste. Sie gingen ein Stück schweigend nebeneinander her, bis sie zu einer Stelle kamen, an der sie sich unbeobachtet fühlten. Dort hielten sie erst einmal an und umarmten sich stürmisch, tauschten eine paar Küsse aus. Schorsch beschloss ihr direkt zu sagen, was vorgefallen war und nichts wegzulassen. Darauf hätte ich auch sofort kommen können, statt lange darüber nachzudenken, er war auf sich selbst etwas wütend.
     „Frida, es ist etwas passiert. Meine Mutter ist uns auf die Schliche gekommen.“
     „Wie denn das? Wir sind doch immer vorsichtig gewesen.“
     „Sie hat meine Unterhose gefunden, wir haben uns damit am Sonntag gereinigt.“
     „Oh, wie peinlich! Und was hat das jetzt für Folgen.“
     „Erst einmal keine, mein Schatz. Meine Mutter hat furchtbar geschimpft, weil wir nicht verhütet haben. Sie hat uns Schafe genannt, weil wir geglaubt haben, lila Wäsche könnte Schwangerschaften verhindern.“
     „Sie ist mir nicht böse? Wird sie es meinen Eltern sagen?“
     „Nein, sie ist dir nicht böse und deine Eltern erfahren von ihr bestimmt nichts. Die sprechen doch kaum miteinander. Sie ist nur der Meinung, wir seien unsäglich doof. Dann hat sie mir eine Packung Präservative gegeben.“
     „Was ist das denn?“
     „Pariser eben. Die soll ich überziehen, wenn wir uns liebhaben. Und ich soll das Überziehen erst einmal allein üben, damit ich es kann, wenn es so weit ist.“
     Frida seufzte, „ein Glück, dass das nicht mir passiert ist. Ich glaube, meine Mutter wäre total ausgeflippt.“
     „Ein angenehmer Moment war das nicht. Solche Sachen hat Mutter noch nie zu mir gesagt; und dann meinte sie noch, du solltest mir sagen, wenn du deine Tage hast. Was immer das sein mag.“
     „Die Tage, das sind die Blutungen, die eine Frau alle vier Wochen hat.“ Frida wurde purpurrot bei dieser Erklärung. „Aber warum soll ich dir das sagen?“ Ihre Stimme klang unsicher bei dieser Frage.
     „Mutter meint, dann wäre die Gefahr, dass du ein Kind bekommst, vorüber. Und dann hat sie mir noch aufgetragen, eine alte Zeitung zum Einpacken gebrauchter Pariser dabei zu haben.“ Die Vorstellung, mit einer Zeitung in die Auen zu gehen, brachte beide zum Lache

Zum Wochenende wurde es fast unerträglich heiß. Für Schorsch war es jetzt einfach, am Sonntag seine eigenen Wege zu gehen, da seine Mutter sein Eigenleben kannte und ihrem Mann klarmachte, Ausflüge mit den Eltern wären für Jungs in diesem Alter öde. Frida hatte größere Schwierigkeiten, da ihre Eltern meinten, sie solle bei der Hitze besser zu Hause bleiben. Sie gab aber vor, mit einer Freundin in deren Garten verabredet zu sein, die Nachhilfe in Englisch benötige. So trafen sie sich wieder in den Auen, stellten aber zu ihrer Enttäuschung fest, dass inzwischen alle Wiesen gemäht waren und für ihre Heimlichkeiten auf Anhieb kein Platz zu finden war. So gingen sie langsam immer weiter in Richtung Fluss.
     „Hast du geübt?“, neckte Frida ihren Freund und hielt ihn zärtlich an der Hand.
     „Natürlich“, antworte Schorsch mit etwas belegter Stimme.
     „Und kannst du es.“
     „Ich denke schon. Da wir aber keinen geeigneten Platz finden, spielt das wohl keine Rolle.“ Enttäuschung klang aus Schorschs Stimme. Er spürte bereits einen sanften Druck in der Hose und hatte das Gefühl zu zerplatzen.
     „Ach, Georg, mach nicht so ein Gesicht. Wir werden schon ein Versteck finden.“ Dabei schmiegte sie sich an ihn.

Sie näherten sich dem Fluss und tatsächlich entlang der Uferböschung stand das Gras hoch, Trauerweiden senkten ihre Zweige bis zum Wasser. Sie fanden schnell eine geeignete Stelle in einer kleinen Mulde, die sich im Schatten einer der großen Weiden befand. Gemeinsam breiteten ihre Decke aus, die Hitze des Tages begünstigte ihre Lust. Frida, im Umgang mit Georg inzwischen recht ungehemmt, scheute sich nicht beim Überziehen des Gummis behilflich zu sein. Obwohl es erst ihr zweiter Liebesakt war, gingen sie doch schon viel geschickter miteinander um und versanken in eine Art Rauschzustand. Als der Rausch vorüber war, lagen sie glücklich nebeneinander. Frida lache, als sie es bemerkte, Georg hatte wirklich eine Zeitung mitgebracht. Als sie eine Zeitlang Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten, erhob sich Schorsch, lief die paar Schritte zum Fluss und sprang ins Wasser.
     „Es ist herrlich kühl hier, komm auch ins Wasser. Es ist nicht tief. Man kann auf den Kieseln stehen.“
     „Georg, wenn uns jemand sieht. Komm besser wieder zu mir. Hier sind wir geschützt.“
     „Ach was, wer soll schon kommen. Komm! Wenn du einmal im Wasser bist, sieht keiner, dass du nackt bist.“
     Nach kurzem Zögern, sprang Frida ebenfalls ins Wasser und versuchte Georg unter Wasser zu drücken. Der tat, als würde ihr das gelingen, griff aber nach ihren Brüsten. Frida, im Moment überrascht, ließ ihn los, aber nur um sich im nächsten Moment eng an ihn zu schmiegen. Sie spürte sein Glied an ihrer Scham. Ein neuer Schwall von Leidenschaft durchfuhr die Liebenden.

Als sie wieder am Ufer lagen, begann Frida zaghaft seinen Penis zu massieren. Als sich sein Penis aufgerichtet hatte, streifte sie vorsichtig ein Präservativ darüber. Sie hockte sich auf ihn und mit rhythmischen Bewegungen hob und senkte sie ihr Becken. Schorsch legte seine Hände um ihre Taille, nur seine Arme bewegten sich nun im Takt zu ihren Bewegungen; sonst er hielt völlig still, als wolle er den Zauber des Augenblicks zementieren. Als er spürte, dass es zur Ejakulation kam, umklammerte seine Hände Fridas Taille und er brachte ein leichtes Stöhnen hervor. Frida legte sich auf ihn, er spürte, wie ihr Körper vor Ekstase zitterte.

Als es so weit war, dass sie sich auf den Heimweg zu machten, ließen sie sich bewusst viel Zeit. Nur um den Augenblick des Abschieds hinauszuzögern. Im Auenwald bei den Rädern angekommen, hielt Frida Schorsch zurück.
     „Georg, ich habe in den Putzlumpen etwas gefunden“, dabei zog sie etwas Lilafarbiges aus der Hosentasche. Sie breitete zwei quadratisch geschnittene lila Stoffstücke auf dem Fahrradständer aus. „Eins für dich und eins für mich. Statt lila Bettwäsche“, lachte sie.
     „Oh, Frida, ich werde meins immer bei mir tragen. Dann habe ich etwas, was mich an dich erinnert, wenn ich dich nicht treffen kann.“

Kaum zu Hause, bemerkte Frida, dass ihre Regelblutungen eingesetzt hatten. Bisher hatte sie sich immer etwas vor der Regel gefürchtet, da sie des Öfteren recht schmerzhaft verlief. Diesmal verspürte sie stattdessen nur eine große Erleichterung. In ihrem Höschen zeigte sich bereits ein großer Blutfleck, als sie eine Binde einlegen wollte. Sie wechselte also das Höschen gegen ein frisches aus. Versteckte aber das blutige Höschen erst einmal in ihrem Zimmer, statt es, wie gewohnt, sofort auszuwaschen. Als sie sah, dass Schorsch am Fenster des Treppenabsatzes wartete, holt sie das blutige Höschen hervor und hielt es so, dass Schorsch den Blutfleck erkennen konnte. In diesem Moment rollten Schorsch Eltern in ihrem Lloyd auf den Hof und die beiden Liebenden zogen sich schleunigst von den Fenstern zurück.

Schorsch wartete ungeduldig darauf, dass er einen Augenblick mit seiner Mutter allein sein konnte. Jedes Mal, wenn er anfangen wollte zu sprechen, kam sein Vater dazwischen. Die Mutter, die bemerkte, dass ihr Sohn ihr etwas sagen wollte, drückte ihrem Mann eine Flasche Bier in die Hand und erinnerte ihn an das Länderspiel im Fernsehen. „Mach schon mal den Apparat an“, sagte sie dazu und schob ihn in Richtung Wohnzimmer.
     „Nun Schorsch, was gibt es wichtiges, was Papa nicht hören soll?“
     „Frida blutet.“
     Ein Stein fiel ihr fast hörbar vom Herzen. Sie strich ihrem Sohn mit der Hand über den Kopf. „Dann ist das ja noch einmal gut gegangen, Schorsch. Die Sorge, du könntest Frida geschwängert haben, hat mir seit Tagen den Schlaf geraubt. Ich bitte dich, wenn dir noch einmal mit der Sexualität etwas unklar ist, komm zu mir. Da ich sowieso weiß, was in dir vorgeht, brauchst du dich nicht zu genieren. Und jetzt geh in Wohnzimmer Fußball gucken, sonst spannt dein Vater noch etwas und ich muss ihm erklären, was hier los ist.“

Die Tage gingen ins Land und dann kam der letzte Trainingsmittwoch vor den Sommerferien. Es sollte vorerst die letzte Zeit sein, die die Liebenden zusammen verbrachten. Donnerstags war der letzte Schultag vor den Sommerferien, es wurden öde Wochen für die Beiden. Zuerst fuhr Schorsch mit seinen Eltern für vierzehn Tage nach Italien. Und obwohl sich Schorsch auf die Reise gefreut hatte, alles was er sah und erlebte, erschien ihm irgendwie belanglos. Selbst das Mittelmeer, von dem er lange geträumt hatte, war in seinen Augen nur eine endlose, nutzlose Wasserfläche. Während die zahlreichen andern Gleichaltrigen sich bei Tag am Strand vergnügten und abends an der Einfahrt des Campingplatzes heimliche Zärtlichkeiten zwischen den Geschlechtern austauschten, zog es Schorsch vor, lange einsame Spaziergänge zu unternehmen. Am Tag in den Weinbergen und abends am Strand. Dabei dachte ununterbrochen an Frida, um mehr Nähe herzustellen, hielt er dabei meist den lila Stoffstreifen in der geschlossenen Faust. Da er ihr nicht schreiben konnte, ohne Frida der Gefahr der Entdeckung ihrer Liebe auszusetzen, fing er an, Gedichte für sie zu schreiben. Kaum hatte er ein paar Reime zu Papier gebracht, zerriss er das Papier wieder. Er fand, seine Reime seien ihrer Liebe nicht angemessen. Erst ziemlich zu Ende der zwei Wochen hatte er ein Gedicht mit drei Strophen niedergeschrieben, das er schön genug fand, um es Frida zu schenken.

Als Schorsch mit seinen Eltern zurückkam, fand er das Haus, in dem Frida mit ihren Eltern lebte, verlassen. Vorsichtig, um nur ja keinen Verdacht zu erregen, erkundigte er sich bei einem Schulfreund, der im Haus gegenüber wohnte, wo Familie Simon denn sei. Was er hörte, erfüllte ihn mit Traurigkeit. Frida war mit ihren Eltern in den Westerwald nach Waldbreitbach in die Ferien gefahren. Schorsch nahm also auch zu Hause seine einsamen Spaziergänge wieder auf. Größtenteils lief er stundenlang durch die Flussauen, getrieben von der Sehnsucht nach Frida. Seine Mutter nahm ihn ein paarmal zu Seite, um ihm klarzumachen, dass es auch ein Leben ohne Frida gebe. Um seiner Mutter einen Gefallen zu tun, ging er daraufhin ab und zu mit seinen Freunden zum Fußball spielen, aber erst dann, wenn der Briefträger die Post gebracht hatte. Frida schrieb fast täglich, meist einen Brief. Ab und zu kam auch nur eine Karte mit wenigen Sätzen, aber immer mit einem aufgemalten Herz. Schorsch sammelte Briefe und Karten in seinem Nachttisch und jeden Abend, wenn er zu Bett ging, nahm er den Stapel und las die gesamte Post noch einmal andächtig durch.

 

Frida empfand unendliche Trauer, wenn sie an Schorsch dachte. Sobald sie einen Vorwand fand, einige Zeit allein zu verbringen, ging sie vom Hotel zur Post aus in Richtung Wied und dann immer flussaufwärts bis zu einer kleinen, Fußgängern vorbehaltenen Hängebrücke. Obwohl die Brücke von der Landstraße gut einzusehen war, blieb sie in der Brückenmitte längere Zeit stehen und versetzte, durch ein leichtes hin und her Wippen, die Brücke in schwingende Bewegungen. Das Schwingen der Brücke weckte bei ihr Träume, die allesamt von den warmen Tagen in den Auen handelten. Auf dem Rückweg hielt sie ihren lila Stofffetzen in der Hand, so als könne sie dadurch eine Verbindung zu dem Geliebten herstellen. Sobald sie wieder auf dem Zimmer war, schrieb sie dann an Schorsch, schilderte ihm von ihrem Verlangen und ihren Nöten, ausgelöst dadurch, dass sie mit den Eltern das Zimmer teilen musste. Für das Porto gab sie einen Großteil ihres Taschengelds aus und die Eltern wunderten sich, wie oft Frida nach etwas Geld fragte.

Eines Nachts wurde sie kurz wach und schon fast wieder einschlafend, wurde ihr bewusst, dass die Eltern sich leise liebten. Diese waren wohl der Meinung, Frida befände sich in tiefem Schlaf. Frida verhielt sich ganz still, obwohl sie am liebsten laut geschrien hätte. In ihrem Verlangen ging sie dazu über, mit einer Hand ihre Brüste zu streicheln, während sie die andere Hand zwischen ihre Schenkel führte. Am Morgen reagierte Frida mit Aufsässigkeit auf alles, was die Eltern sagten oder als Tagesprogramm vorschlugen. Die konnten sich keinen rechten Reim darauf machen und führten ihr Verhalten schließlich auf ihre Pubertät zurück. Zum guten Schluss einigten sie sich darauf, nach Roßbach zu wandern und dort zu Mittag zu essen.

Schorsch zählte die Tage, bis Frida zurückkommen sollte. Eines Abends, kurz bevor er Frida zurückerwartete, ging er mit seinem Vater ein Bier trinken. Nach dem halben Bier gab er vor, zur Toilette zu müssen. Der Vater witzelte etwas von einer Primanerblase. Auf der Toilette schaute Schorsch sich vorsichtig um, ging zum Automaten und zog eine Packung Präservative. Zurück am Tresen, bat er seinen Vater um ein weiteres Bier. „Danach ist aber Schluss, Schorsch. Ich will dich ja nicht zum Säufer erziehen“, sagte dieser lachend.

Als Frida endlich zurück war, hatte sich der Sommer in einen vorgezogenen Herbst verwandelt. Die Liebenden mussten sich etwas ausdenken, wie und wo sie sich ungestört treffen könnten. Der Stadtpark, in dem sich die älteren Liebespaare trafen, schied wegen des Wetters und der zu großen Öffentlichkeit aus. Der Bahnhof mit seinem Wartesaal war als Ort für Zärtlichkeit und Romantik eher ungeeignet. Es blieb die Graf-Adolf-Straße mit ihren Eisdielen und Kinos übrig. So wanderten sie, so oft sie konnten, durch die halbe Stadt und wenn sie ein wenig Geld von den Eltern erbettelt hatten, setzten sie sich in der Eisdiele Palatini in eine stille Ecke und teilten sich einen Eisbecher. An das Ausleben ihrer Liebe war bei dieser Wetterlage nicht zu denken. Die Auen verwandelten sich bereits nach einigen Regentagen in eine Schlammwüste und selbst wenn der Regen einer Trockenperiode weichen sollte, würde es dauern, bis dort wieder Trockenheit eintrat. Es war schon in der vorletzten Ferienwoche, als es einen trockenen Tag gab, da fasste Frida einen Entschluss. Sie suchte und fand in ihrem Schrank einen etwas abgetragenen Rock, der ihr aber noch passte. Sie hatte ihn schon längst wegwerfen wollen; jetzt konnte er aber noch einmal beweisen, dass er ein nützliches Kleidungsstück war. Als sie auf Schorsch traf, war dieser nicht wenig verwundert, sie im Rock zu sehen. Er konnte sich vorerst keinen Reim darauf machen, machte sich aber weiter keine Gedanken darüber, er war froh mit Frida zusammen zu sein.

„Ich hoffe, du hast Pariser dabei“, sagte Frida mit keckem Augenaufschlag.
„Kannst du mir sagen, was ich damit soll?“
„Sei nicht so neugierig, Georg. Du wirst schon sehen. Hast du oder hast du nicht?“
„Natürlich habe ich. Du denkst doch nicht ernsthaft, ich verabrede mich mit dir, ohne.“

Langsam gingen sie in Richtung Schlosspark. Im Schlosspark suchten sie sich die verschwiegensten Pfade aus, um ungestört zu sein. An einer äußerst verschwiegenen Stelle, fanden sie den Zugang zu einem halb zugewachsenen Weg. Der Weg führte, wie sie aus früheren Spaziergängen wussten, zu einer kleinen Insel im Schlossweiher, die über einen Holzsteg mit dem Park verbunden war. Sich an den Händen haltend überquerten sie über den Steg und gingen weiter zum hinteren Teil der Insel. Dort stand, hinter einem mächtigen Rhododendron verborgen eine Bank, auf der sie sich niederließen. Zum Wasser des Weihers war die Bank durch einen Erdwall abgeschirmt. Die Zweige einer alten Buche waren, wie zum Schutz der Liebenden über der Bank ausgebreitet. Zum andern stand die Bank so, dass dort sitzende, problemlos den Steg im Auge behalten konnten. Auf der Bank sitzend, fingen Frida und Schorsch sofort an, intensiv die Geografie ihrer Körper zu erkunden. Zu lange hatten sie sich nicht intensiv berühren können. Schorsch erkannte jetzt schnell den Sinn des Rocks, als er langsam aufwärts gleitend unter Fridas Rock griff, gelangte er, ohne auf störendes Textil zu stoßen, an den Flaum ihrer Schamhaare. Frida setzte sich rittlings auf Schorschs Beine und schob dabei ihre Beine zwischen Lehne und Sitzfläche der Bank. Sie öffnete Schorschs Hose und griff ihm, ihre Hand entlang der Hoden führend, zwischen die Beine. Schorsch stöhnte leise und versuchte sich ein Präservativ überzustreifen. Das gestaltete sich bei der Haltung, die sie eingenommen hatten einigermaßen schwierig; und als Schorsch es endlich geschafft hatte, war er schon kurz vor dem Samenerguss. So war ihre Vereinigung ein zwar sehr leidenschaftlicher, aber nur kurzer Akt, der die Spuren tiefer Sehnsucht, aber auch Spuren von Verzweiflung und Verlustangst in sich trug.

Weder ihr, noch ihm, hatte der flüchtige Beischlaf die ersehnte Befriedigung gebracht. Nur ihr Gefühl des Zusammengehörens war aufs Neue gestärkt worden und so waren sie doch zufrieden. Nachdem sie ihre Kleidung geordnet hatte, wollte Schorsch den Pariser hinter der Bank verschwinden lassen, da er kein Papier zum Verpacken dabei hatte. Als er jedoch sah, dass hinter der Bank etliche gebrauchte Präservative lagen, wurde im bewusst, sie waren nicht die einzigen, die sich auf dieser Bank vergnügten. Ihm fielen die Worte der Mutter ein – Müll gehört in den Abfalleimer. Also packte er das Präservativ in ein Taschentuch.

Zurück auf den Hauptwegen ließ Schorsch den Pariser unauffällig in einem Papierkorb verschwinden. Sie gingen weiter in Richtung Graf-Adolf-Straße und da Frida bei ihrer Mutter ein paar Mark erbettelt hatte, konnte sie Schorsch ins Palatini einladen. Sie setzten sich in eine stille Ecke und warteten sich an den Händen haltend auf die bestellten Eisbecher.
     „Georg, ich spreche nicht gerne darüber, aber ich weiß nicht, wie es mit uns weiter gehen kann“, sagte Frida mit trauriger Stimme. „Bei warmem Sommerwetter, wie vor den Ferien, da war es einfach für uns, die Auen bieten genug versteckte Plätze für uns. Aber jetzt, bei anhaltendem Regenwetter, da laufen wir in der Gegend herum. Und das auch noch mit der ständigen Angst, entdeckt zu werden.“
     „Ich zermartere mir auch den Kopf, das, wie heute im Park, kann nun wirklich nicht die Lösung sein. Frida, Liebste, ich habe schon über den Schuppen in unserem Garten nachgedacht. Meine Mutter ist schließlich eingeweiht.“
     „Wie soll ich denn dahin kommen?“
     „Das weiß ich auch nicht.“

Die Bedienung kam und servierte ihnen die Eisbecher. Ihr Gespräch kam erst einmal ins Stocken, während sie möglichst langsam ihr Eis löffelten, nur um länger zusammen sitzen zu können.
     „Frida, ich weiß wirklich keinen Ausweg. Wir werden weiter spazieren gehen und hoffen, an einem trockenen Tag, einen stillen Platz für uns zu finden.“
     „Ich hoffe, unsere Liebe stirbt nicht unter diesen Bedingungen.“
     „Das hoffe ich auch. Könntest du nicht mit deinen Eltern sprechen, dann hätte wenigstens die Geheimnistuerei ein Ende.“
     „Du weißt, was passiert, wenn mein Vater erfährt, dass ich mit dem Jungen von dem Gottlosen gehe. Georg, das geht nicht.“
     „Wir können doch nichts dafür, dass unsere Eltern sich nicht grün sind. Ich traue mich ja auch nicht, mit meinem Vater über uns zu sprechen; obwohl Mutter meint, er hätte Verständnis für uns. Aber er hat so seine Prinzipien – erst soll ich etwas Vernünftiges lernen und dann hätte ich Zeit für Mädchen.“ Ratlos starte Schorsch auf den leeren Becher vor sich. „Frida, lassen wir das Thema fallen. Die Zeit, die wir füreinander haben, ist kurz genug. Bitte lassen wir uns die wenigen Stunden nicht durch das Wälzen unlösbarerer Probleme vermiesen.“
     „Vielleicht hast du recht, Georg...“ Zärtlich legte sie ihren Arm um ihn. „Komm, Liebster, lass uns gehen. Das Wetter ist heute schön und im Schlosspark gibt es genug stille Wege, auf denen wir unbeobachtet sind.“
Schorsch schaute sich im Lokal um und als er sicher war, dass sie keiner beobachtete, zog er Frida an sich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.
     „Warte noch einen Moment, Frida.“ Schorsch zog einen mehrfach gefalteten Bogen Schreibpapier aus seiner Gesäßtasche. „Das ist für dich.“
Frida entfaltete den Bogen und las:

Wenn du bei mir bist,
Ist es als ginge die Sonne auf.
Wenn ich dich sehe,
Verwandelt sich mein Sehnen
In Freude.

Wenn du fern bist,
Breiten sich Schatten über die Welt.
Wenn ich dich nicht sehen kann,
Zerreißt das Sehnen nach dir
Meinen Körper.

Seit du in mein Leben getreten bist,
Geliebte, hat sich die Erde verwandelt.
Aus der grauen Stadt wurde
Ein bunter Garten der Liebe.

Schorsch

Sorgfältig legte Frida den Bogen wieder zusammen, „das hast du für mich geschrieben? Georg, du bist ein Schatz!“
     „Ich habe fast die ganze Zeit in Italien gebraucht, um diese paar doofen Zeilen aufs Papier zu bringen.“
     „Georg, ich finde deine Worte wunderschön. Und sie sind nicht doof! Rede nicht immer so einen Unsinn.“
     „Ich freue mich ja, wenn es dir gefällt, aber ein großer Dichter bin ich eben nicht. Komm, lass uns jetzt gehen.“

Frida schob das Blatt in die Brusttasche ihrer Bluse und sie wanderten wieder in Richtung Schlosspark.

Am Donnerstag beim Abendessen verkündete Fridas Vater, er habe am Samstag frei und werde morgen schon mittags nach Hause kommen, da er Überstunden abfeiern wolle. So machte sich Frida mit ihrer Mutter am Freitagvormittag auf, die Wochenendeinkäufe zu erledigen. Mittags kam der Vater mit äußerst übler Laune nach Hause. Weder Frau noch Tochter konnten sich einen Reim darauf machten, schoben sein Verhalten aber auf Überlastung durch die Arbeit. Frida deckte den Tisch und die Mutter stellte einen Suppeneintopf auf den Tisch. Sie beteten gemeinsam das Tischgebet. Danach füllte die Mutter die Teller.
     „Stadtrat Werner hat mir berichtet, er hätte dich einige Male mit dem Dummkopf von den Nachbarn, dem linken Gesocks, in der Stadt gesehen. Frida, was hast du dazu zu sagen?“
     Die Worte des Vaters trafen Frida völlig unvorbereitet und wirkten wie ein Schlag. Wut trieb ihr die Röte ins Gesicht. „Das, das geht deinen Stadtrat gar nichts an – und dich geht das auch nichts an“, antwortet sie patzig, „und Georg ist absolut kein Dummkopf, er ist ein kluger Junge, damit du es weißt! Und unsere Nachbarn linkes Gesocks zu nennen! Wie kommst du dir denn vor?“
     „Ich verbitte mir diesen Ton!“
     „Ich lasse mir gar nichts verbieten, ich bin kein kleines Kind mehr; und wenn du schon meinst, mit mir über Georg sprechen zu müssen, dann nenne ihn beim Namen. Georg heißt er, Georg verstehst du!“ Sie schrie es so heftig heraus, dass einen Moment eisiges Schweigen am Tisch herrschte.
     „Ich nenne das Früchtchen von diesem Gesocks, so wie ich will“, brüllte der Vater.
     „Ja, so geht das bei dir! Einen netten Jungen von nebenan, nennst du Früchtchen und über das Früchtchen von Sohn, deines famosen Herrn Stadtrats, da verlierst du kein Wort! Dieses Früchtchen ist schon mehrfach von der Polizei beim Moped klauen erwischt worden, ist aber nicht schlimm, ist ja ein Kind aus guter Familie!“
     „Hier geht es nicht um den Sohn des Herrn Stadtrats, sondern um dich und diesen Jungen!“
     „Bitte beruhigt euch, wir können doch in Ruhe darüber sprechen“, versuchte Fridas Mutter zu beschwichtigen. Die beiden Streithähne hatten sich aber nicht mehr unter Kontrolle und ließen sich nicht beeindrucken.
     „Ja, es geht um diesen Jungen, das habe ich schon verstanden! Und, was ist schlimmes daran, wenn ich einen Freund habe?“
     „Es geht nicht um einen Freund! Es geht um diesen Freund. Ich verbiete dir jeden weiteren Umgang mit ihm!“
     „Ob ich mit Georg gehe oder nicht, das ist allein meine Sache! Ob und wie lange ich mit Georg gehe, das entscheide ganz allein ich! Und wenn du es genau wissen willst, wir gehen nicht nur zusammen, wir machen noch ganz andere Dinge!“
     „Ich sollte dir den Hintern versohlen, dann kommst du vielleicht wieder zu Verstand! Du gibst diesen Jungen auf, sofort, verstanden!“
     „So geht das, fehlen die Argumente, dann versuchst du es mit Schlagen. Schlag mich doch, wenn du meinst, ich würde dann Georg aufgeben! Du wirst schon sehen, was du davon hast!“

Der Vater griff brutal zu, drehte Frida den Arm auf den Rücken, riss so brutal an ihrem Gürtel, dass die Gürtelschnalle zerbrach. Er drückte Frida mit dem Oberkörper auf den Tisch. Sie platschte mit ihrer Bluse mitten in ihren Suppenteller. Frida mit der einen Hand auf den Tisch drückend, riss er ihr mit der anderen Hand Hose und Slip herunter. Dann verabreichte er Frida mit ihrem eigenen Gürtel eine Tracht Prügel auf das nackte Gesäß. Die Schläge trafen sie hart, aber sie biss sich auf die Lippen, um ihm nicht die Genugtuung zu geben, dass seine Schläge irgendetwas bei ihr bewirkten. Wie aus ganz weiter Ferne hörte Frida ihre Mutter jammern, „Herbert hör doch auf damit, du schlägst sie ja tot.“ Frida hatte den Eindruck, das Jammern der Mutter würde ihren Vater noch mehr in Rage bringen. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und schrie mit möglichst fester Stimme, „bitte Mutti, bitte hör auf zu jammern!“ Als der Vater sich ausgetobt hatte, waren Fridas Pobacken von Striemen gezeichnet. Sie versuchte sich zu bedecken, was nicht gelang, da Hose und Slip zerrissen waren. Ohne sich weiter um Vater und Mutter zu kümmern, drehte sich Frida um, verließ den Raum und schlug die Tür so heftig hinter sich zu, dass die Gläser in der Vitrine klirrten.

„Mein Gott, was hast du getan, du Wüstling!? Herbert, das hat mit Erziehung nichts zu tun. So etwas nennt man Misshandlung“, jammerte Fridas Mutter, als Frida gegangen war.
     „Halt den Mund, Friederike! Das wird diesem Flittchen eine Lehre sein. Ich lasse mich doch von so Einer nicht zum Gespött der Leute machen!“
     „Du hast nicht das Recht, so mit Menschen umzugehen; und noch weniger darfst Du unser Kind so misshandeln! Und sie auch noch dadurch zu erniedrigen, dass Du ihr die Kleidung vom Leib gerissen hast, das sprengt alles, was ich mir bisher vorstellen konnte!“
     „Kleidung vom Leib gerissen“, äffte er sie nach. „Wenn ihr, ihr Liebhaber an die Wäsche geht, stört sie das sicher nicht. Verdammt, hör mit dem Gejammer auf, du tust ja gerade so, als wäre es normal, dass eine sechzehnjährige sich von einem dahergelaufenen Jüngling ficken lässt! Hättest Du besser auf sie aufgepasst, wäre das alles nicht nötig gewesen. Die Schuld liegt ganz bei euch beiden!“ Daraufhin nahm er die Zeitung und bedeutete ihr damit, dass er das Gespräch für beendet hielt.
     Sie ließ aber nicht locker. „Herbert, du kannst nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Du musst dich bei Frida entschuldigen und sie um Verzeihung bitten.“
     „Das wäre ja noch schöner, dieses Gör macht mit Jungs rum und du stärkst ihr den Rücken. Nichts zu machen, Frida muss zur Räson gebracht werden. Da Du dazu nicht in der Lage bist, bleibt es eben an mir hängen. Und jetzt, will ich endlich in Ruhe meine Zeitung lesen, wenn es Recht ist!“
     „Mir ist es nicht Recht, aber lies nur deine Zeitung, dann kommst du wenigstens nicht wieder auf die Idee, dich an Frida zu vergreifen.“
     „Ich habe mich nicht an ihr vergriffen. Ich habe sie gezüchtigt.“
     Fridas Mutter machte eine wegwerfende Handbewegung und ging in die Küche.

In ihrem Zimmer befühlte Frida vorsichtig ihr geschundenes Hinterteil. Die Schläge brannten fürchterlich, schlimmer jedoch war der Schmerz, den sie im Inneren spürte; der sie zu zerreißen drohte. Frida zog frische Sachen an, dabei sie weinte vor Scham. Danach rannte sie zur Haustür hinaus, diese donnerte hinter ihr ins Schloss. Draußen schnappte sie sich ihr Rad und radelte, wütend in die Pedale tretend zu den Flussauen. Nachdem sie einige Zeit ziellos durch die Auen gefahren war, kam sie an den Ort am Fluss, wo Georg und sie sich geliebt hatten. Wärme durchströmte sie, als sie sich an den Zauber dieses Tages erinnerte. Frida setzte sich unter eine mächtige Weide, was sich als schwierig erwies, da ihr das Sitzen auf dem Boden Schmerzen bereitete. Sie wechselte einige Male die Haltung, bis sie eine Stellung gefunden hatte, in der sie nur leichten Schmerz verspürte. Tief in sich versunken schaute sie auf den träge dahin fließenden Fluss und träumte von den warmen Tagen vor den Ferien, als ihre Liebe noch ganz neu. Sie überlegte hin und her, wie es weiter gehen könnte. Sie kam auf die Idee, von zu Hause wegzulaufen. Das verwarf sie wieder, da sie davon ausging, dass die Polizei sie über kurz oder lang finden würde und sie dann doch wieder nach Hause müsste. Sie malte sich aus, nie mehr mit ihrem Vater zu sprechen, Missachtung wäre das einzig Richtige, etwas anderes verdiente er nicht. Dann aber ging ihr auf, dass sie dringend mit Georg sprechen musste. Er war der Einzige, dem sie jetzt vertraute. Sie blieb noch einige Zeit unter der Weide sitzen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Nach einer ganzen Weile stand sie auf, machte sich aber nicht gleich auf den Weg, sondern lehnte sich an den Stamm der Weide und atmete tief durch. Ihr Entschluss stand nun fest, sie würde sofort zu Georg gehen.

Frida stieg auf ihr Rad und radelte langsam und gemächlich in Richtung Stadt. Auch dabei ließen ihr ihre Gefühle keine Ruhe. Sie dachte an ihre Mutter. Trotz ihres eigenen Schmerzes tat ihr ihre Mutter leid. Sie hatte das Wüten des Vaters miterleben müssen, ohne den Mut und die Möglichkeit zu finden einzugreifen. Sie hoffte auf ein Gespräch mit ihrer Mutter, aber vorher, das war klar, würde sie zu Georg gehen.

Was in ihren Vater gefahren war, darauf konnte sich Frida keinen Reim machen. Nein, das verstand sie nicht. Einerseits hatte er sie immer in Schutz genommen, wenn die Betschwestern aus der Kirche über ihre Kleidung herzogen und jetzt, an der Schwelle zum Erwachen sein, da rastete er aus und das nur, weil sie einen Freund hatte, der ihm nicht in den Kram passte. Sie zermarterte sich den Kopf, hielt sogar noch einmal an, nur um diese Gedanken zu Ende zu bringen. Irgendwann schob Frida diese Gedanken beiseite. Sie kam wieder zum gleichen Ergebnis, diesen Menschen würde sie in Zukunft mit Missachtung strafen. Als sie die ersten Häuser der Stadt erreichte, stieg sie vom Rad. Auf Dauer bereitete ihr das Sitzen im Sattel zu große Schmerzen. Schnell stellte sie fest, gehen war für ihr geschundenes Gesäß weniger belastend, also unternahm sie keinen weiteren Versuch zu radeln. Sie schob ihr Rad durch die stillen Vorstadtstraßen. Langsam, fast wie im Traum, ging sie durch eine vertraute Welt, in der es im Moment nichts gab, was sie erfreute.

Zu Hause angekommen, stellte Frida ihr Fahrrad auf den Hof, ging schnurstracks nach nebenan und schellte bei Familie Winterle. Georgs Vater kam an die Tür.
     „Guten Tag Herr Winterle, könnte ich bitte Georg sprechen? Er ist doch sicher zu Hause – oder?“
     „Ja, aber...“
     „Schorsch ist oben, Frida! Geh einfach die Treppe hinauf, linke Tür!“, rief Georgs Mutter aus dem Hintergrund.
     „Danke!“ Frida stieg über die Treppe nach oben, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
     „Was war denn das, Sofia?“
     „Wenn es deiner geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein sollte, mein lieber Heinz. Dein Sohn ist verliebt und die beiden sind ein Paar.“
     „Ja, aber...“
     „Nichts aber, unser Sohn ist auf dem Weg, erwachsen zu werden.“
     „Ja, aber das ist doch die, die Tochter von Simons, den Erzkatholiken. Das glaube ich jetzt nicht. Sie und unser Schorsch?“
     „Ja, sie und unser Schorsch! Und Heinz, nenne sie besser nicht sie, unser Sohnemann reagiert darauf äußerst allergisch. Sie heißt Frida.“
     „Vom Kuppeleiparagrafen hast du wohl noch nichts gehört? Wer weiß, was die da oben treiben?“ Dabei verzog er sein Gesicht zum Grinsen.
     „Quatsch, bleib mir nur weg mit diesem Gummiparagrafen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Die Kinder üben Englisch.“
     „So, wie du es sagst, tippe ich eher auf Biologie und Französisch!“
     „Ach, halt den Mund, du alter Lüstling“, pustete Sofia Winterle los.

Als Frida mit Schwung ins Zimmer stürzte, wollte Schorsch laut protestieren, weil er vermutete, seine Mutter wäre für die Störung verantwortlich. Völlig verdattert realisierte er im ersten Moment gar nicht, dass Frida vor ihm stand. Frida klammerte sich an ihn und nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Schorsch, der sich keinen Reim auf ihre Tränen machen konnte, streichelte ihr über Haare und Rücken.
     „Liebes, was ist passiert?“, flüsterte er dabei und küsste sie sanft auf den Hals.
     Sie antwortete erst, als sie sich etwas beruhigt hatte, „Georg, mein Vater hat von unserer Liebe erfahren und hat mich fürchterlich verdroschen.“ Ihre Tränen begannen wieder stärker zu laufen.
     „Oh Gott, wie furchtbar, warum hat er das getan?“
     „Ich weiß es nicht, er war außer sich vor Wut.“
     „Wissen deine Eltern, dass du hier bist?“
     „Ich glaube nicht. Ich bin danach abgehauen und bin mit dem Rad in die Auen gefahren, dann habe ich bei dir geschellt. Wenn mein Vater mitbekommen hätte, dass ich bei euch geschellt habe, hätte er euch mit Sicherheit inzwischen Haustür eingeschlagen.“

Sie standen lange eng aneinander geschmiegt. Als Frida sich beruhigt hatte, stieg Leidenschaft in ihnen auf – es war die Leidenschaft zweier verzweifelter. Langsam, sich eigentlich seiner Lust schämend, öffnete Schorsch ihre Bluse. Frida ließ es geschehen und als Schorschs Hände ihre Brüste berührten, vergaß sie zu zumindest für den Moment die Erniedrigung, die ihr widerfahren war. Sie entledigte sich ihrer Kleidungsstücke und auch Schorsch zog sich aus. Danach standen sie wieder eine Weile eng aneinander geschmiegt in der Mitte des Zimmers, bis Schorsch Frida sanft auf sein Bett zog. Frida drehte sich so, dass sie auf ihm zu liegen kam, wollte sie sich doch in diesem Moment, keiner neuen Schmerzen aussetzen. Sie vollzogen den Akt mit großer Leidenschaft und Frida gelang es dabei Schmerz und Wut zu vergessen. Nur als Schorsch einmal mit einer Hand ihr Gesäß berührte, flüsterte sie, „bitte nicht, Georg.“ Nach der Vereinigung ließ sich Frida neben Schorsch auf das Bett gleiten und legte sich bäuchlings neben ihn. Sie legte eine Hand auf seine Brust und Schorsch fiel in einen kurzen Schlaf.

Schorsch erwachte schon nach wenigen Minuten wieder. Er spürte ein tiefes Wohlempfinden und der leichte Druck von Fridas Hand auf seiner Brust, verführte ihn dazu, noch einen Moment die Augen geschlossen zu halten. Dann aber öffnete er die Augen, drehte sich leicht in Richtung Frida und ein Schreck fuhr im in die Glieder. Erst jetzt realisierte er, was Frida mit den Worten fürchterlich verdroschen gemeint hatte. Er setzte sich auf und betrachtete Fridas Wunden. Blutunterlaufene Striemen bedeckten das Gesäß, auf der rechten Pobacke hatte sich ein großer Bluterguss gebildet, all das brannte sich in seine Augen ein. Schorsch wusste zwar aus dem Freundeskreis, dass in der Mehrzahl der Familien Prügeln zur Erziehung gehörte, aber das, was er nun sah, hätte er sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können. Und Mädchen, die wurden, seiner bisherigen Erfahrung nach, eigentlich nicht verprügelt.
     „Mein Gott, Frida. Das sind schlimme Verletzungen, das muss dich behandeln lassen.“
     Fridas Augen füllten sich erneut mit Tränen. „Ach, Georg, die Schmerzen sind zu ertragen. Die Erniedrigung, die damit verbunden ist, macht mir zu schaffen.“
     „Frida, mach keinen Quatsch. Deine Verletzungen sehen gefährlich aus. Ich rufe meine Mutter.“
     „Nein Georg, nein! Außer dir darf niemand davon erfahren!“
     „Es muss sein, Frida,“ antwortete Schorsch mit Nachdruck. „Meine Mutter war Krankenschwester und behandelt meine Fußballverletzungen mit großem Erfolg. Wenn meine Mutter dir nicht helfen soll, dann musst du sofort zum Arzt.“
     Frida überlegte einige Minuten, wobei sie sich an Schorsch ankuschelte. Im Grunde wusste sie es genau, Schorsch hatte recht. Schließlich antworte sie, „gut, rufe deine Mutter, aber bitte, vorher ziehen wir uns an.“
     „Und wie soll meine Mutter dann dein Hinterteil begutachten?“
     „Zieh dich bitte an, du willst ja sicher nicht nackt durch das Haus laufen. Ich ziehe mich aber auch an, nur die Hose ziehe ich nicht richtig hoch.“

Nachdem Schorsch sich angezogen hatte, ging er nach unten. Zu seiner Befriedigung fand er seine Mutter in der Küche, so brauchte er nicht vor seinem Vater zu erklären, worum es ging.
     „Mama, Frida ist verletzt und braucht Hilfe. Kannst du bitte einmal nach oben kommen; und nimm bitte die Salbe mit, die du auf meine Verletzungen streichst!“
     „Verletzt?“
     „Ja Mama, bitte frag nicht lange und komm!“
     „Verletzt vom Federball?“, spottete Sofia Winterle.
     „Es ist nicht zum Lachen, Mama, bitte komm!“

Sofia nahm aus der Hausapotheke eine Tube Wundsalbe und folgte Schorsch nach oben. Frida stand am Fenster und schaute nach draußen, als die beiden eintraten, drehte sie sich um. „Nun Frida, dann zeig mal deine Verletzungen“, sagte Sofia Winterle locker, da sie an nichts Schlimmes dachte.
     „Bitte, Frau Winterle, bleibt das auch unter uns?“
     Sofia stutzte. „Natürlich, Frida, wenn du das gerne hättest.“

Frida öffnete ihre Hose und entblößte ihr Gesäß. Sofia stand wie vom Schlag gerührt, sie hatte mit allem gerechnet, nicht aber mit den Spuren brutaler Misshandlungen. Sie wandte sich ab und holte erst einmal tief Luft.
     „Kind, wer hat dir das angetan? Schorsch, hast du das getan?“ Rutsche es Sofia heraus.
     „Mama, was denkst du von mir! Frida ist mein Mädchen!“
     „Kind, wer hat dir das angetan?“, fragte Sofia noch einmal. „Das sind schlimme Verletzungen, damit musst du sofort zum Arzt!“
     „Bitte, Frau Winterle, ich kann damit nicht zum Arzt gehen! Bitte helfen sie mir!“
     „Schorsch, geh jetzt bitte vor die Tür. Ich möchte mit Frida allein sprechen.“

Schorsch reagierte zwar unwillig auf diese Aufforderung, verließ aber das Zimmer, wollte er doch dringend, dass Frida geholfen wurde.
     „Frida, ich verspreche dir, wenn du es nicht willst, bleibt alles, was wir sprechen in diesen vier Wänden. Aber bitte sag mir, was passiert ist.“
     „Das hat mein Vati getan“, sagte Frida unter Tränen.
     „Und deshalb möchtest du nicht zum Arzt gehen?“ Auch Sofias Augen füllten sich mit Tränen.
     „Ja…“
     „Das respektiere ich, ich sehe, du braucht dringend Hilfe und so gut ich kann werde ich dir helfen. Aber glaube mir – verdient hat er‘s nicht, dass du ihn schonst! Dann lege dich mal aufs Bett, ich kann dann die Salbe besser verteilen. Aber nicht erschrecken, es brennt etwas, also beiß die Zähne zusammen. Du darfst ruhig weinen, es nimmt den Schmerz, auch von der Seele.“

Als Frida sich hingelegt hatte, schob Sofia ihre Hose noch etwas weiter nach unten. Sie sah, dass auch die Oberschenkel etliche böse Striemen aufwiesen. Sofia verteilte die Wundsalbe betont vorsichtig. Einige Male stöhnte Frida leise, wenn Sofia die Salbe auf einer Stelle verteilte, an der die Haut Risse aufwies. „Frida, bleib so liegen und lass die Salbe einwirken. Ich schicke jetzt Schorsch wieder zu dir und sehe in einer halben Stunde noch einmal nach dir. Wahrscheinlich werde ich dann noch etwas Salbe auftragen oder habe ich dir sehr wehgetan?“
     „Nein, Frau Winterle und vielen Dank.“

Als Sofia vor die Tür trat, wartete Schorsch auf dem Treppenabsatz. Sie bedeutete ihm, er solle zu Frida gehen und ging selbst wieder nach unten in die Küche.
     „Was ist denn los, Sofia?“, rief ihr Mann aus dem Wohnzimmer.
     „Frida hat sich verletzt, ich habe ihr eine Wundsalbe aufgetragen.“
     „Wo?“
     „Das geht dich nichts an, Heinz. Ich werde darüber schweigen, solange ich lebe. Ich habe es Frida versprochen.“
     „Jetzt tu nicht so geheimnisvoll.“
     „Nur so viel, Heinz! Sie wurde schwer misshandelt. Mehr kriegst du aus mir nicht raus und Schorsch werde ich auch zum Schweigen verdonnern.“
     „Mehr brauchst du gar nicht zu sagen. Ich weiß dann schon, woher der Wind weht."

Schorsch setzte sich zu Frida und hielt ihre Hand. Sie sprachen nur wenig und nach einiger Zeit bemerkte Frida, dass die Salbe ihre heilsame Wirkung zeigte. Nach einer halben Stunde erschien Sofia wieder an der Tür, öffnete diese aber erst, nachdem sie angeklopft hatte. Sie reichte Frida eine Schmerztablette und etwas Wasser zum Nachspülen. Danach prüfte sie, ob die Salbe eingezogen war und verteilte noch einmal etwas Salbe auf Fridas Pobacken.
     „Du kannst in ein paar Minuten deine Hose wieder hochziehen, Frida. Du darfst hierbleiben, solange du möchtest, aber bleib nicht zu lange. Das würde dir nur neue Schwierigkeiten bereiten. Ich lasse dir die Salbe und noch eine Tablette da. Bevor du zu Bett gehst, trage noch einmal Salbe auf und gegen die Schmerzen nimmst du die Tablette.“
     „Danke, Frau Winterle.“ Fridas Augen bekamen wieder einen wässrigen Glanz.

Als Frida zu Hause ankam, ging sie umgehend auf ihr Zimmer und schloss sich ein. Sie dachte daran, wie unkompliziert es bei den Winterles zugegangen war. Keinerlei moralische Bedenken schienen diese Eltern wegen ihrer und Georgs Liebe zu haben. Obwohl sie von Georg wusste, dass er und seine Eltern reichlich Konfliktstoff hatten, ging es dort drüben viel entspannter zu, als in ihrem zu Hause zu. Durch das Fenster nahm sie noch einmal Kontakt zu Georg auf, dann zog sie sich aus und legte sich in ihr Bett. Als ihre Mutter zum Abendessen rief, gab sie vor, keinen Hunger zu haben. Spät am Abend klopfte ihre Mutter an der verschlossenen Tür. Frida öffnete ihr und lege sich sofort wieder hin. Ihre Mutter setzte sich auf die Bettkante und strich ihr zärtlich über das Haar. Frida tat das gut und sie kuschelte sich an ihre Mutter.

Nachdem sie lange Zeit schweigend verbracht hatten, fragte Frida, „Mutti, warum hat Er das getan?“
     „Ich weiß es nicht, Frida, aber du musst Vati verstehen, er nimmt die Religion nun einmal sehr wichtig.“
     „Mutti, was hat das mit Religion zu tun! In der Bibel steht auf jeden Fall nichts davon, dass Väter ihre Kinder so behandeln dürfen.“
     „So habe ich das nicht gemeint, Frida. Ich meinte, er hat hohe Ansprüche an die Moral.“
     „Mutti, was soll das! Meinst du, ich wüsste nicht, dass du noch keine achtzehn warst, als du mit Karin schwanger wurdest? Und ihr wart kaum einen Monat verheiratet, als Karin geboren wurde.“
     „Frida, das waren andere Zeiten. Es war Krieg!“, sagte Friederike mit Nachdruck.
     „Das sind doch Ausflüchte. Oder gilt im Krieg eine andere Moral?“
     „Nein Frida. Nur wir hatten damals so wenig Zeit füreinander und immer war die Angst dabei, wir würden uns nie mehr wiedersehen.“
     „Ich würde das verstehen, wenn ihr euch die Mühe machen würdet, auch mich und Georg zu verstehen. Liebe hat nichts mit Krieg oder Frieden zu tun. Und noch etwas, wenn euch die Lust überkommt, dann schlaft ihr sogar miteinander, selbst wenn ich im gleichen Zimmer schlafe.“
     Friederikes Gesicht nahm eine leuchtend rote Farbe an. „Wir waren uns sicher, du schläfst und bekommst nichts davon mit. Wir waren doch extra ganz leise“, versuchte sich Friederike zu rechtfertigen. Sie fiel einen Moment in Nachdenklichkeit, bevor sie weiter sprach. „Aber wenn du nun schwanger wirst, Frida. Was dann? Georg ist noch jünger als du, habt ihr das bedacht. Bei uns war das anders, Vati ist immerhin fünf Jahre älter als ich und er hatte schon ausgelernt, als wir heirateten.“
     „Ich werde nicht schwanger! Wir verhüten“, Mutti.
     „Ihr verhütet? Wie denn?“
     „Bestimmt nicht mit lila Bettwäsche“, antwortete Frida und konnte sich in diesem Moment ein Grinsen nicht verkneifen.
     „Wie kommst du auf lila Bettwäsche?“
     „Weil ich zugehört habe, als du mit Karin darüber gesprochen hast.“
     „Und wie verhütet ihr? Ich hoffe nicht dadurch, dass Georg im entscheidenden Augenblick zurückzieht.“
     „Von der Methode habe ich noch nie etwas gehört. Nein, Georgs Mutter hat ihm Kondome besorgt.“
     „Kondome? Sie hat ihm tatsächlich Kondome gekauft?“
     „Ja und sie hat ihm gesagt, er soll das Überziehen vorher allein üben.“
     Leicht irritiert über den offenen Umgang mit den Themen Fortpflanzung und Verhütung antwortete Friederike, „Frau Winterle scheint eine sehr kluge Frau zu sein. Mir läge es nicht, mit dir darüber zu sprechen. Ich werde aber auf jeden Fall darauf achten, dass die Vorkommnisse von heute Nachmittag nicht wiederholen.“
     „Das ist lieb von dir, Mutti. Sei unbesorgt, ich sorge selbst dafür, dass sich das nicht wiederholt.“
     „Ach Frida, wenn du mich nur eingeweiht hättest, wäre das vielleicht alles nicht passiert. Ich war völlig perplex, als Vati dich nach deinem Verhältnis zu Georg fragte.“
     „Lass es gut sein, Mutti, es ist nicht mehr zu ändern. Schwamm drüber. Es geht mir auch wieder besser, Frau Winterle hat mich einer Wundsalbe eingeschmiert und mir eine Schmerztablette gegeben.“

Eine Weile hockten sie noch schweigend beisammen, dann verabschiedete sich Friederike mit einem Kuss. Als sie in das Wohnzimmer kam, stellte Friederike fest, dass ihr Mann bereits zu Bett gegangen war. Sie räumte noch etwas in der Küche auf und ließ sich dabei das durch den Kopf gehen, was sie von Frida erfahren hatte. Danach ging sie in das Schlafzimmer, zog sich aus, zog ihr Nachthemd über und legte sich in ihr Bett. Ihr Mann drehte sich zu ihr und begann damit, ihr das Nachthemd nach oben zu schieben. „So geht das nicht, Herbert! Erst schlägst Du Frida fast tot und jetzt willst Du mit mir schlafen. So nicht!“

Unwillig drehte sie ich von ihm weg und machte das Licht aus. Er murmelte etwas, was wie blöde Kuh klang. Friederike störte das nicht, sie wollte nur ihre Ruhe haben. Als sie ein leichtes Schnarchen neben sich hörte, entspannte sie sich. Nur der Schlaf wollte nicht zu ihr kommen. Sie beschloss künftig auf der Hut zu sein. So etwas wie heute musste auf jeden Fall verhindert werden und darüber würde sie wachen. Schließlich, spät in der Nacht, fiel Friederike in einen unruhigen Schlaf. Bilder des Schreckens zogen durch ihre Träume. Als Frida unter den wuchtigen Schlägen eines Teufels in Stücke zerbrach, wurde sie von ihrem eigenen Schrei geweckt. Der Atem des Mannes neben ihr ging im ruhigen Rhythmus eines Schlafenden.

Nachdem Frida gegangen war, ging Schorsch nach unten. Am Fenster auf dem Treppenabsatz nahm er noch einmal Blickkontakt zu Frida auf. Sie winkte ihm zu und er hatte den Eindruck, dass es ihr wieder besser ging. Als er in die Küche kam, deckte seine Mutter gerade den Tisch. Gewohnheitsgemäß half er ihr dabei, anschließend rief Schorsch seinen Vater zum Essen. Wie es bei ihnen Tradition war, gab es freitags bei Winterles einen Eintopf. Sofia hatte sich für eine Weiße Bohnensuppe entschieden, Schorschs Leibgericht. Aber heute hatte Schorsch keinen rechten Appetit; während er an einem anderen Tag mindestens drei Teller verschlungen hätte, lehnte er sich heute schon nach dem ersten Teller zurück und lehnte dankend ab, als seine Mutter ihm den Teller erneut füllen wollte. Sofia schaute voll Sorge auf Schorsch.
     „Mach nicht so ein miesepetriges Gesicht, Schorsch. Es kommen auch wieder bessere Tage.“
     „Du hast gut reden, Mama. Mir zerreißt es das Herz, wenn ich an Frida denke.“
     „Ich glaube, in diesem Fall verstehen wir deine Sorgen durchaus. Was nebenan passiert ist, ist nicht zu entschuldigen“, mischte sich Heinz Winterle ein. „Wenn es dir hilft, dann bleibe heute nach der Tagesschau unten. Es kommt ein Quiz mit Kulenkampff im Fernsehen, das könnte dich ablenken. Nach so einem Tag allein zu sein, tut nicht gut.“
„Das sehe ich auch so“, warf Sofia ein.

Schorsch war kein großer Freund von Quizsendungen, ein Film, wie Stahlnetz wäre ihm lieber gewesen. Nach den Ereignissen des Tages, wollte er aber alles, nur nicht allein sein. So spannend auch der Roman Exodus von Leon Uris war, an diesem Abend trieb ihn nichts auf sein Zimmer. Heinz, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, sich nach dem Essen, um den Abwasch zu kümmern, forderte Schorsch auf, ihm dabei zu helfen. Schorsch, sonst kein großer Freund häuslicher Arbeiten, kam dieses Mal der Aufforderung widerspruchslos nach; alles besser als allein sein, dachte er bei sich. Nach dem Abwasch brachte Schorsch noch den Müll nach draußen und ging noch einmal nach oben. Alles in der Hoffnung, noch einmal mit Frida Kontakt aufnehmen zu können. Auf seinem Zimmer versuchte er die Zeit bis zur Tagesschau mit Lesen zu vertreiben. Der Held im Roman war für Schorsch, Ari Ben Kanaan. Schorsch fieberte beim Lesen seinen immer neuen Heldentaten entgegen. Heute jedoch fand Schorsch die rührende Liebesgeschichte von Dov Landau und Karen Hansen-Clement viel aufregender, sie trieb ihm die Tränen in die Augen. Pünktlich um acht fand sich Schorsch im Wohnzimmer ein. Die Tagesschau berichtete von den Gedenkfeiern zum Mauerbau in Berlin. Willy Brandt, der Regierende Bürgermeister von Berlin, redete in bewegenden Worten. Der Wetterbericht nach der Tagesschau versprach für das Wochenende schönes, sonniges Wetter. Danach ging das Quiz los. Schorsch hatte es sich auf dem Teppich bequem gemacht. Bei anderen Gelegenheiten, hatte sein Vater ihn dafür gerügt und ihm befohlen sich ordentlich auf die Couch zu setzten; heute jedoch kam aus dieser Richtung kein Wort.

Während die Eltern gebannt an den Lippen von Hans-Joachim Kulenkampff hingen, fand Schorsch die Sendung öde. Er enthielt sich aber jeden Kommentars, war er doch froh, nicht allein zu sein. Nach Ende der Quizsendung war Schorsch der Meinung, er würde jetzt zu Bett geschickt, aber es kam anders.

Heinz reckte Arme und Beine, die vom langen Sitzen steif geworden waren, „ach, Schorsch, gehst du in die Küche und holst Bier? Und bring auch ein Glas für dich mit.“
     Sofia blickte verwundert auf, „ich glaube, Schorsch sollte jetzt besser schlafen gehen, Heinz.“
     „Nun sei nicht so streng, Sofia. Es sind schließlich noch Ferien und außerdem ist Wochenende.“
     „Alkohol ist nicht gut für Kinder.“
     „Er bekommt ein Glas; oder auch zwei; dann ist Schluss.“
     Um weitere Diskussionen der Eltern zu verhindern, erhob sich Schorsch. „Ich gehe schon, das Angebot kann ich nicht ausschlagen.“
     Schorsch kam mit zwei Flaschen Bier zurück und holte anschließen drei Gläser. „Oder möchtest du lieber Wein, Mama?“
     „Nein Schorsch, wenn du schon Bier trinkst, dann trinken wir es gemeinsam.“
     Heinz Winterle füllte die Gläser und sagte „Prost“ in die Runde.
     Die ersten Schlucke tranken sie schweigend. „Was mag bloß in Herbert gefahren sein? Ich kann mir keinen Reim auf sein Verhalten machen“, bemerkte Heinz in das allgemeine Schweigen.
     „Papa, kennst du denn Herrn Simon denn näher?“
     „Ja! Schorsch, wir waren enge Freude in der Schule. Herbert war aber ein viel besserer Schüler als ich. Immerhin hat er es bis zur Mittleren Reife geschafft. Ich kam mit vierzehn in die Lehre und Heinz ging weiter zur Schule. Wir verloren uns ein wenig aus den Augen.“ Heinz trank einen großen Schluck aus seinem Glas. „Nachbarn sind wir seit 1925. Da sind die Simons und wir fast gleichzeitig in diese Häuser hier eingezogen. Damals betrieben alle Nachbarn, wie auch wir, noch richtig Landwirtschaft hinter den Häusern. An die Hühner, die Oma und Opa bis zu ihrem Tod hielten, kannst du dich sicher noch erinnern, Schorsch.“
     Schorsch nickte.
     „So um 1930 trat der Vater von Herbert in die SA ein. Und da Opa Sozialdemokrat war, herrschte seit dieser Zeit Schweigen zwischen den Familien. Der Freundschaft von Herbert und mir hat das nicht geschadet. Wie gesagt, wir verloren uns aus den Augen, als ich in die Lehre kam. Herbert wurde richtig aktiv in der Hitlerjugend und das war mir suspekt. Nach der Mittleren Reife machte er eine Ausbildung bei der Sparkasse, nun ja, da ist er heute noch. Als wir wehrpflichtig wurden, wartete ich, bis ich eingezogen wurde, Herbert meldete sich freiwillig zur Waffen-SS. Nach der Grundausbildung kam ich an die Westfront, wohin es Herbert verschlagen hat, weiß ich nicht, ich habe ihn während des gesamten Krieges nicht gesehen. Kurz bevor ich verwundet wurde, erhielt ich einen Brief von Oma. Darin berichtete sie, dass Herbert Friederike Sieberts geheiratet hatte und schon kurz darauf Vater einer Tochter geworden war.“
     Heinz trank sein Glas leer und Schorsch goss ihm erneut Bier nach. „Und hast du nie versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen, Papa?“
     „Nein, ich glaube, dazu hatten wir uns bereits zu weit voneinander entfernt. Als ich verwundet war, wurde ich als wehrunfähig aus der Wehrmacht entlassen. Ich war froh wieder zu Hause zu sein und als ich mich erholt hatte, wurde ich zu kriegswichtigen Arbeiten herangezogen. Oft habe ich in dieser Zeit Friederike gesehen, ich war richtig neidisch auf Herbert. Ihr müsst wissen, damals war Friederike noch blutjung und eine richtige Schönheit.“
     „Du, Heinz, mach mich nicht eifersüchtig! Das war immerhin zu der Zeit, als wir uns kennengelernt haben“, warf Sofia ein.
     „Keine Sorge, ich wollte Schorsch auch nur verdeutlichen, wie damals alles hier in der Straße war. Ich glaube, mit dir habe ich einen besonders guten Fang gemacht“, lachte Heinz und trank an seinem Bier, „trink ruhig aus Schorsch, ein Glas darfst du noch haben.“

Sofia erhob sich, ging in die Küche, um noch eine Flasche Bier zu holen. Aus dem Küchenschrank nahm sie eine Packung Salzstangen und drapierte den Packungsinhalt in einem Salzstangenhalter aus Messing. Sie fand zwar, Schorsch gehöre langsam ins Bett, aber ein Abend, an dem Heinz sich mit seinem Sohn beschäftigte, den wollte sie nicht durch eigene Erziehungsmaßnahmen stören. Vater und Sohn überbrückten die Zeit von Sofias Abwesenheit schweigend. Schon lange hatten sie nicht mehr eine so große Zuneigung zueinander empfunden. Erst als sich Sofia wieder gesetzt hatte, nahm Heinz den Gesprächsfaden wieder auf.
     „Im Nachhinein sehe ich, mit der Verwundung hatte ich noch Glück. Heimatschuss nannte man das damals. Und ohne die Verwundung hätte ich Sofia nicht kennengelernt“, schmunzelte Heinz.
     „Wie ist es zu deiner Verwundung gekommen, Papa?“
     „Ich spreche nicht gerne über Kriegserlebnisse, Schorsch. Es war so, am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie. Meine Kompanie lag bei Bayeux, nur wenige Kilometer von den Stränden entfernt, an denen die Invasion begann. In unserem Rücken waren Fallschirmspringer gelandet, deshalb zogen wir uns in Richtung Caen zurück. Am Stadtrand von Caen gruben wir uns ein. Einen Monat konnten wir uns halten. Am 9. Juli überrannten Briten und Kanadier unsere Stellungen. Viele Kameraden gerieten in Gefangenschaft oder wurden getötet. Mit meiner Gruppe hatte ich das Glück, dass wir uns rechtzeitig zurückziehen konnten. Fast war ich schon in Sicherheit, als mich ein Schuss traf. Zu meinem Glück konnten die Angreifer für kurze Zeit gestoppt werden. Das gab meinen Kameraden Zeit, mich zu bergen und zur Sanitätsstation zu transportieren.“ Heinz trank von seinem Bier bevor er weitersprach. „Als der Krieg vorbei war, kam Herbert nicht zurück. Er war in Kriegsgefangenschaft geraten. Zu seinem Glück bei den westlichen Alliierten. Er kam so 1947 oder 1948 zurück und hatte sich total verändert. Ich weiß nicht warum, aber auf einmal war er sehr katholisch. Vielleicht glaubte er dadurch für die Verbrechen der SS Sühne leisten zu können. Friederike wurde dann mit Frida schwanger. Aus Fridas Taufe hat Herbert eine richtige Schau gemacht, ziemlich ungewöhnlich zu dieser Zeit. Er war dann später mit dem heutigen Stadtrat Werner bei der Katholischen Arbeiter-Bewegung aktiv. Beruflich hat ihm das ungeheuer geholfen. Bei der Sparkasse hat er dann richtig Karriere gemacht.“
     „Schorsch, jetzt ist endgültig Schluss für heute. Du gehst jetzt schlafen und keine Widerrede.“
     „Ist in Ordnung, Mama. Ich trinke nur noch mein Glas leer.“

Als Frida am Morgen in die Küche kam, saßen ihre Eltern bereits am Frühstückstisch. Frida begrüßte ihre Mutter mit einem Kuss, ihrem Vater gönnte sie keinen Blick. Bevor sie nach unten gegangen war, hatte sie Georg noch kurz winken können, als dieser mit seiner Mutter zum Wochenendeinkauf ging. Jetzt saß sie in sich gekehrt vor ihrem Frühstücksteller, schließlich zog sie ihr Ei zu sich heran und köpfte es durch einen geschickten Hieb mit dem Messer. Sie wusste, dass sie damit ihren Vater provozierte, der Wert auf gute Umgangsformen legte und behauptete, Eier zu köpfen sei unfein. Heute kam aus dieser Richtung keine Reaktion, so tat Frida so, als löffele sie mit großem Genuss ihr Ei. Danach schnitt sie ein Brötchen auf und verteilte hingebungsvoll Butter auf einer der Brötchenhälften, als unvermittelt ihr Vater die Stimme erhob.
     „Frida, du gehst heute Nachmittag zur Beichte und morgen gehst du zur Heiligen Kommunion, damit du wieder im Stand der Gnade bist. Außerdem wirst du nach den Ferien das katholische St. Ursula Lyzeum in der Ritterstraße besuchen. Die gemischten Schulen verderben die Moral. Den Beweis dazu hast du gerade erst geliefert.“
     Frida vernahm die Worte ohne sichtbare Reaktion. Sie beschäftigte sich weiter mit ihrem Brötchen. Ihr Vater war schon fast schon der Meinung, sie würde sich widerspruchslos seinen Anordnungen beugen, da blickte sie auf. „Ich gehe nicht zur Beichte. Noch weniger gehe ich zur Kommunion. Wie du wissen solltest, erreichen Kinder mit vierzehn Jahren eine erste Stufe der Volljährigkeit! Sie werden strafmündig – und, für dich vielleicht unerheblich, aber trotzdem wichtig, von diesem Alter an dürfen sie ihre Religionszugehörigkeit selbst bestimmen. Und so werde ich am Montag zum Amtsgericht gehen und meine Austritt aus der Katholischen Kirche erklären. Das Lyzeum hat sich damit auch erledigt – dort werden nur katholische Schülerinnen aufgenommen.“ Als Herbert Simon zu einer Antwort ansetzte, kam ihm Frida zuvor. „Du brauchst dich nicht weiter aufzuregen, mein Entschluss steht fest. Und wenn du mich daran hindern willst, dann gehe ich zu Doktor Mehring und lasse von ihm meine Wunden versorgen. Und das, was Du in deiner unendlichen Güte gestern ficken genannt hast, nenne ich Liebe; und ich liebe, wen ich lieben will!“

Herbert saß wie vom Schlag getroffen, langsam ließ er die Hand mit seinem Brot, von dem er gerade abbeißen wollte, zurück auf den Tisch sinken. Bevor er noch etwas sagen konnte, erhob sich Frida und verließ, ohne noch einmal zurück zu sehen, grußlos die Küche.
     „Da hast Du ein dir feines Früchtchen erzogen. Nicht nur, dass sie sich von dem Gottlosen ficken lässt. Jetzt will sie auch noch der Heiligen Kirche den Rücken kehren!“ Fauchte Herbert Friederike an.
     Friederike war entsetzt über das Gesagte, „deine Ausdrucksweise ist jenseits von allem, was sich gehört. Frida lässt sich nicht von einem Gottlosen ficken, sondern macht erste Erfahrungen mit der Liebe.“
     „Du blöde Kuh, statt ihr die Moral des Christentums nahezubringen, hast du tatenlos zugesehen, wie sie sich zu einem Flittchen entwickelt hat! Sie wird in der Gosse landen, wenn sie so weitermacht!“
     „Moral, Moral, was soll das! Als Du mich mit siebzehn geschwängert hast, hast Du auch nicht über Moral nachgedacht. Zumindest ich kann mich nicht daran erinnern, dass Du ein Gebet dabei gesprochen hast. Wenn Du noch irgendetwas retten willst, dann folge meinem Rat, entschuldige dich bei Frida und bitte sie um Verzeihung!“
     „Niemals! Was sie verdient hat, hat sie bekommen! Und wenn sie sich nicht bald fügt, übergebe ich sie der Jugendfürsorge! Da kann sie sich warm anziehen! Bevor sie einundzwanzig ist, kommt sie da nicht mehr raus! Die werden ihr das sündige Leben abgewöhnen!“
     „Wenn Du das tust, Herbert! Dann bist Du für mich gestorben!“

Empört erhob Friederike Simon sich, verließ die Küche. Herbert trank noch einen Schluck Kaffee und verzog sich in den Garten. Dort traf er unerwartet auf Frida. „Frida, lass uns miteinander sprechen.“
     „Es gibt hier und jetzt nichts, über das wir sprechen könnten. Überhaupt, ich werde nie mehr mit dir sprechen!“ Antwortete Frida und verzog sich so schnell wie möglich. Sie wollte alles, nur nicht mit dem Vater allein sein.

Da Georg nicht zu Hause war, nahm sie ihr Fahrrad und fuhr, ohne recht zu wissen wohin, einfach los. An der Marktapotheke stieg sie vom Rad. Die Apotheke war an diesem Vormittag gut besucht, das kam Frida gerade recht. Sie reihte sich in die lange Schlange der Kunden ein und wartete geduldig, bis sie an der Reihe war.
     „Was möchtest du, Frida?“, fragte die Apothekenhelferin freundlich.
Frida antwortete laut und deutlich, sodass es jeder im Laden hören konnte. „Eine Packung Pariser, bitte!“
     „Wie bitte?“ Stutzte die Apothekenhelferin.
     „Eine Packung Pariser“, wiederholte Frida. „Oder führen sie keine Verhütungsmittel?“
     „Natürlich führen wir Präservative. Aber an Kinder verkaufen wir die nicht. Da müssen deine Eltern schon selbst kommen.“
     „Ich bin kein Kind! Ich kaufe die Pariser nicht für meine Eltern. Ich benötige sie für mich selbst – oder meinen sie, ich hätte Lust auf eine Schwangerschaft!“

Die anwesenden Kunden reagierten teils belustigt, teils genervt. Eine ältere Kundin rief, „dem Blag sollte man den Hintern versohlen. Schmeißen sie die Göre aus dem Laden. Ich habe nicht ewig Zeit!“ Zustimmendes Gemurmel breitete sich im Laden aus. Stadtrat Werner, durch den Tumult aufgeschreckt, kam aus seinem Büro. „Was ist denn los?“ Fragte er ungehalten.
     „Die Kleine von Simons macht einen Riesenaufstand“, antwortete seine Gehilfin.
     „Was soll denn der Aufstand? Frida!“
     „Ich wollte sie nur aus ihrem Kabuff locken, Herr Stadtrat.“
     „Du hättest doch einfach nach mir fragen können.“
     „Das wäre aber lange nicht so wirkungsvoll gewesen.“
     „Und warum wolltest du mich sprechen?“
     „Ich wollte ihnen einen Vorschlag machen!“
     „Einen Vorschlag?“
     „Ja, ich wollte ihnen vorschlagen, die KAB in KVfÜ umzubenennen.“ Frida betonte jeden Buchstaben der Kombination einzeln.
     „KVfÜ……?“
     „Ja, Herr Stadtrat Werner, Katholischer Verein für Überwachung“, lachte Frida ihm ins Gesicht.
     „Es ist wohl besser, du gehst jetzt, Frida!“
     „Gerne Herr Stadtrat und vergessen sie nicht, sie müssen von diesem Vorfall unbedingt meinen Vater unterrichten!“

Lachend verließ Frida das Geschäft und schwang sich wieder auf ihr Rad. Unschlüssig fuhr sie weiter. Auf der Graf-Adolf-Straße hielt sie bei Palatini und kaufte sich von ihrem letzten Geld ein Eishörnchen. Das Eis schleckend schlenderte sie die Straße entlang und betrachtete die Auslagen der Geschäfte. Vor dem DeFaKa Kaufhaus traf sie auf ihre Schulfreundin Inge.
     „Hallo Inge!“ Rief sie erfreut.
     „Mensch Frida, wo warst du die ganze Zeit? Du hast dich ja richtig rar gemacht in den Ferien.“
     „Du, vor den Ferien wollte ich es dir noch nicht sagen, da war es noch zu neu. Ich habe mich verliebt.“
     „Tatsächlich; und in wen, kenne ich ihn?“
     „Tu doch nicht so, als hättest du nichts gemerkt. Schon vor den Ferien habt ihr mich gefrotzelt, weil ich so oft eigene Wege gegangen bin.“
     „Sei nicht ungerecht, Frida. Ich habe nicht geahnt, dass ein Junge dahintersteckt. Sag schon, wer es ist.“
     „Du behältst das für dich? Ehrenwort!“
     „Ehrenwort!“
     „Es ist Georg.“
     „Georg? Ich kenne keinen Georg.“
     „Georg Winterle.“
     „Der kleine Schorsch von den Winterles? In echt?“
     „Ja, Georg Winterle.“
     „Das hätte ich nicht gedacht. Und habt ihr euch schon geküsst?“
     „Ja sicher, aber weiter erfährst du nichts und denke an dein Ehrenwort“, lachte Frida.
     „Frida, ich schweige wie ein Grab. Und wissen deine Eltern davon.“
     „Ja, leider! Ich habe seitdem ordentlich Stress zu Hause.“
     „Du Arme. Ich hoffe, sie beruhigen sich bald.“
     Aus dem Kaufhaus kam Inges Mutter und rief, „komm Inge, wir müssen weiter!“
     „Bye, bye, Frida!“
     „Bis bald, Inge!“

Frida war sich nicht sicher, ob sie Inge vielleicht zu viel erzählt hatte. Bisher war Inge nicht als Klatschbase aufgefallen. Aber bei dem Thema Jungs, da konnte man es nicht wissen. Sie zuckte die Schultern, es war ihr inzwischen völlig egal, wer von ihrer Beziehung zu Georg wusste. Sie bummelte noch etwas an den Auslagen der Geschäfte vorbei, dann ging sie zurück zu Palatini. Der Tag versprach warm zu werden und sie hoffte am Nachmittag mit Georg spazieren gehen zu können. Bei Palatini angekommen, schloss sie ihr Fahrrad auf und machte sich auf den Weg nach Hause.

Aus der Scheurenstraße näherte sich ein Kipp-LKW, beladen mit doch dampfendem Koks, der Graf-Adolf-Straße. Obwohl die Straßen an diesem Samstag stark belebt waren, konnte später niemand sagen, wie es genau passiert war. Viele hatten den Lastwagen kommen sehen, niemandem jedoch war Frida aufgefallen. Auf jeden Fall war das Letzte, das Frida in ihrem Leben wahrnahm, das Kreischen der Bremsen eines Kokslasters. Ihr Fahrrad landete nach dem Zusammenprall fast unbeschädigt auf dem Kopfsteinpflaster der Scheurenstraße. Fridas Körper lag seltsam verrenkt zwischen den Zwillingsrädern der Hinterachse des Lastwagens. Ihr Gesicht schien in einem letzten Lächeln erstarrt zu sein, ganz so, wie sie lächelte, wenn Georg ihr in die Augen blickte.

Noch am selben Tag verließ Friederike Simon das eheliche Schlafzimmer für immer und zog in Fridas Zimmer. Sie hielt es für unnötig, ihrem Mann den Grund zu erklären. Das Einzige zu dem sie sich durchringen konnte, war die Bemerkung: „Ich schlafe ab jetzt in Fridas Zimmer. Jeder Versuch, mich umzustimmen, wäre sinnlos.“

Am Tag von Fridas Beisetzung ging ein Raunen durch die Gemeinde. Herbert Simon hatte darauf bestanden, dass für Frida eine feierliche Totenmesse gehalten wurde. Friederike hatte das als Schau abgetan und war der Feier demonstrativ fern geblieben. Dieser ungeheure Vorfall verbreitete sich, noch während der Messe, wie ein Lauffeuer. Herbert hatte versucht, die Abwesenheit mit Friederikes Gesundheitszustand zu erklären. So richtig glaubte ihm niemand, da auch seine Tochter Karin und ihr Mann durch Abwesenheit ihr Missfallen kundtaten.

Schorsch hatte, seitdem er von Fridas Tod überrascht worden war, das Haus nicht mehr verlassen und war kaum ansprechbar. Sofia und Heinz Winterle versuchten ihn so gut es ging zu trösten. Aber es gab nichts, was Schorschs Schmerz lindern konnte. Wenn er auf dem Treppenabsatz stehen blieb, schaute er in die Richtung von Fridas Fenster, aber er wusste sehr wohl, es war vergeblich. Einmal winkte ihm Frau Simon von dort aus zu. Auf seinem Zimmer angekommen, auf dem Bett sitzend, breitete er den lila Stofffetzen auf seinen Knien aus, es war ihm, als würde der feine Duft, den Fridas Haut ausströmte, daraus empor steigen. Als der Tag der Beerdigung gekommen war, war Schorsch sich nicht sicher, ob er teilnehmen wolle. Sofia fand, dass sie wieder einmal das Kommando übernehmen musste.
     „Georg, komm herunter“, befahl sie ihm mit energischer Stimme zu sich in die Küche.
„In zwei Stunden wird Frida beerdigt. Zieh dich um und gucke, dass du pünktlich am Friedhof bist. Zu Beerdigungen kommt man nicht zu spät!“
     „Ich glaube, ich gehe nicht zur Beerdigung, Mama.“
     „Was sagst du da? Du hast gesagt, Frida ist mein Mädchen! Jetzt ist das Mädchen, das dich so bedingungslos geliebt hat und dafür schwer misshandelt wurde, tot und du willst ihr die letzte Ehre verweigern. Was ist los mit dir, Georg? Noch am Tag vor ihrem Tod, hast du auf deinem Zimmer mit ihr geschlafen; oder meinst du, ich hätte das nicht bemerkt, was ihr da oben getrieben habt? Zum Mann sein, gehört mehr, als mit einer Frau zu schlafen! Und wenn du dich jetzt nicht sofort auf die Socken machst, dann sage ich dir, was ich von Jungs halte, die Mädchen vögeln und hinterher tun, als ginge sie das alles nichts mehr an! Jetzt kannst du zeigen, wie weit du auf dem Weg zum Mann bereits vorangekommen bist. Zieh dich um und geh! Ich komme später auch zum Friedhof, aber du gesellst dich zu den anderen aus deiner Schule.“
     „Können wir nicht gemeinsam gehen?“
     „Nein, diesen Weg gehst du allein. Ich kann dir dabei nicht helfen, so sehr mich das auch schmerzt.“
     „Bitte Mama!“
     „Nichts da, da hilft kein Bitten und kein Betteln. Auch ich brauche Zeit, um mit mir ins Reine zu kommen. Wenn du nur ahnen würdest, wie sehr ich Frida gemocht habe, würdest du mich nicht weiter bedrängen.“

Schorsch wagte keine weiteren Einwände, stieg wieder nach oben und zog seine besten Sachen an. Er ging zeitig los, nachdem er noch einmal in der Küche versucht hatte, seine Mutter umzustimmen. „Nein, Schorsch, das ist jetzt deine Aufgabe. Und ich will und muss mich allein von Frida verabschieden.“ Hatte sie geantwortet.

Schorsch ging langsam durch die vertrauten Straßen. Im Schlosspark machte er einen Umweg, um nicht in die Nähe der Insel zu kommen. Auf dem Friedhof hatten sich schon etliche Leute versammelt. Viele kannte Schorsch vom Sehen oder weil sie Nachbarn waren. Fast die gesamten Mitschüler aus Fridas Klasse und viele der Mädchen, der Federballgruppe hatten sich zu beiden Seiten der Zufahrt zur Kapelle aufgestellt. Einige von Fridas Freundinnen hielten kleine Blumensträuße in den Händen. Schorsch sah Inge, von der er wusste, dass sie Fridas beste Freundin war. Sie kam auf ihn zu.
     „Komm zu mir, Schorsch, dann bist du nicht so allein. Frida hat mir von euch erzählt.“
     „Und macht dir das nichts aus? Es gibt bestimmt nach den Ferien Gerede in der Schule.“
     „Also, mich stört das nicht. Stört es dich, Schorsch?“
     „Nein, es wird schon keiner vermuten, dass wir zusammen gehen.“

Langsam bog der Leichenwagen auf die Zufahrt ein. Schorsch wusste, wie beliebt Frida in der Klasse war und so bemerkte er, er war nicht der Einzige, der seine Tränen nicht zurückhalten konnte. Inge klammerte sich an seinen Arm und weinte hemmungslos. Schorsch war das peinlich, ließ es aber geschehen, auch er merkte, ihm tat es gut, nicht allein zu sein. Nach dem Leichenwagen trafen Fridas Angehörige ein. Auch diejenigen, die bisher nichts bemerkt hatten, registrierten es sofort. Das Ehepaar Simon kam getrennt zur Beisetzung. Herbert Simon begrüßte den Schulleiter und Stadtrat Werner, während sich Frau Simon abseits hielt und sich auf ihre Tochter Karin stützte. Als sie aufsah, fiel ihr Blick auf Schorsch. Sie nickte Karin zu und löste sich von ihr, auf Schorsch zugehend. Schorsch rutschte das Herz in die Hose. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht damit, direkt auf Fridas Mutter zu treffen.
     „Georg, möchtest du dich zusammen mit uns von Frida verabschieden?“
     „Ich weiß es nicht, Frau Simon.“
     Inge zischte, „reiß dich zusammen und geh mit ihr, Schorsch!“
     Friederike Simon schenkte ihr durch die Tränen hindurch ein dankbares Lächeln. Schorsch nickte. „Dann komm Georg, du bist schließlich der Mensch, der Frida am nächsten stand.“
     Friederike nahm Schorsch bei der Hand, zog ihn mit sich und stellte ihn Karin vor. „Karin, das ist Fridas Freund Georg, um nicht zu sagen Fridas Mann.“

Obwohl von der neuen Entwicklung total überrascht, nahmen Karin und ihr Mann Georg freundlich in ihrer Mitte auf. Die Trauergemeinde hatte neuen Gesprächsstoff, der Eklat war komplett. Herbert Simon tat, als ginge in das alles nicht an und beschäftigte sich weiter mit den Leuten, die ihm wichtig erschienen. Die Kapelle war zu klein für die gesamte Trauergemeinde. Friederike hielt beim Betreten der Kapelle sorgfältig Abstand zu Herbert. Sie steuerte die erste Bankreihe links vom Mittelgang an, darauf achtend Georg, Karin und ihren Mann neben sich zu platzieren. So blieb Herbert nichts anderes übrig, als sich allein auf der rechten Seite der Gangs niederzulassen. Schorsch erlebte alles wie in einem bösen Traum. Wie aus weiter Ferne hörte er die Geräusche, die entstanden, als sich die Bankreihen hinter ihnen füllten. Neben Frau Simon fühle er sich unwohl, er befürchtete, Frau Simon könnte ihn doch insgeheim für Fridas Tod verantwortlich machen. Er wünschte sich, er wäre weiter bei Inge geblieben. Friederike hatte jedoch ganz anderes im Sinn, als sie Schorsch leise Schluchzen hörte, legte sie ihm den Arm um die Schultern. Die Zeremonie, die der Pfarrer vollzog, war Schorsch fremd und unheimlich. Dass der Pfarrer den Sarg mit Weihwasser besprühte, registrierte Schorsch schon nicht mehr. Es war, als hätte er sich in seinem Schmerz verfangen. Er reagierte erst wieder, als Karin ihn ansprach, „Georg, du musst dich jetzt erheben.“ Wie im Film lief alles vor seinen Augen ab. Alle hatten sich von ihren Plätzen erhoben und sich dem Mittelgang zugewandt. Vier schwarz gekleidete Träger schritten durch diesen Gang. Als sie den Sarg erreichten, nahmen sie ihre Mützen ab, verneigten sich leicht, setzten ihre Mützen wieder auf, hoben den Sarg von dem Podest, auf dem er stand und trugen ihn in gemessenem Schritt aus der Kapelle. Die Angehörigen folgten als erste dem Sarg, geschickt sorgte Friederike dafür, dass sie mit Georg in der ersten Reihe ging. Herbert traute sich nicht, sich neben sie zu begeben, er befürchtete, Friederike würde ihn öffentlich zu Recht weisen. So bildete er allein die zweite Reihe, da Karin und ihr Mann lieber hinter ihm blieben. Draußen, als der Sarg auf einen mit schwarzem Samt drapierten Handwagen geschoben wurde, hatte sich Schorsch etwas gefangen.

Danach ging alles schnell vonstatten, das ausgehobene Grab war kaum hundert Meter entfernt. Dort angekommen lüfteten die Träger wiederum kurz die Mützen und ließen den Sarg in das Grab gleiten. Der Pfarrer segnete das Grab ein, danach sprach der Schulleiter ein paar bewegende Worte. Als er geendet hatte, ging Friederike mit Georg an den Rand des Grabes. Sie gab ihm einige Blüten aus dem Strauß, den sie als letzten Gruß in das Grab warf. Schorsch tat ihr gleich und warf dann noch, so wie er ihn seine Eltern gelehrt hatten, drei Schaufeln Erde in das Grab. Als Karin und ihr Mann vom Grab zurücktraten, bedeutete ihnen Friederike, dass sie keine Lust auf Kondolenzbezeugungen hatte und gehen wolle. Schorsch war erleichtert, nicht vorstellbar, wenn er allen Trauergästen hätte die Hand drücken müssen. Er bahnte Frau Simon einen Weg, weg vom Grab und der Trauergesellschaft, Karin und ihr Mann folgten bereitwillig. Herbert nahm wohl oder übel die Beileidsbezeugungen allein entgegen.
     Am Ausgang trafen die vier auf Schorschs Mutter. „Bitte Frau Simon, darf ich sie umarmen?“
     „Ja“, antwortete Friederike; erst jetzt fiel alle Anspannung von ihr ab und sie verfiel in hemmungsloses Weinen.
     Frau Winterle nahm sie tröstend in den Arm.
     „Bitte, Frau Winterle, können wir gemeinsam nach Hause gehen.“
     „Ja, gerne, Frau Simon.“

Sofia nahm die Nachbarin in den Arm und Schorsch bei der Hand. Den anderen Arm von Friederike nahm Karin und Friederike fühlte sich zum ersten Mal seit Tagen geborgen.

In den nächsten Tagen fand Schorsch langsam wieder zu seinen Gewohnheiten zurück, nur den Blick aus dem Fenster des Treppenabsatzes fürchtete er. Einmal ging er sogar mit seinen Freunden zum Fußballspielen. Er merkte sofort, es hatte sich etwas bei den Freunden verändert. Dass er der Freund, der von allen angehimmelten Frida gewesen war, hatte ihm einen gewissen Respekt verschafft.

Sofia Winterle nahm die Veränderungen mit Befriedigung wahr und bestärkte Schorsch darin, öfter etwas zu unternehmen. Zwischen ihr und Friederike Simon hatte sich eine Art freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Man sprach miteinander, wenn man sich traf, oder trank auch schon einmal eine Tasse Kaffee zusammen. Das aber nur bei den Winterles, Sofia wollte auf gar keinen Fall Fridas Vater über den Weg laufen. Als am Sofia an diesem Morgen zum Einkauf ging, traf sie auf Frederike.
     „Guten Morgen, Frau Simon. Wie geht’s?“
     „Guten Morgen, Frau Winterle. Geht so. Ich vermisse Frida sehr. Gestern war ich an ihrem Grab. Seit sie tot ist, fühle ich mich oft sehr, sehr einsam. Wie macht sich denn Georg?“
     „Manchmal bricht es uns das Herz, wenn wir sehen, wie es ihm geht. Aber er scheint langsam wieder in die Gänge zu kommen.“
     „Das hoffe ich auch, wenn die beiden doch nur ein wenig älter gewesen wären. Sie wären bestimmt ein schönes Paar geworden.“
     „Die Idee ist mir auch schon gekommen. Aber man weiß nie, wann und wo die Liebe zuschlägt. Ach, kommen sie doch heute Nachmittag auf einen Kaffee zu mir.“
     „Ja gern. Ob ich dabei Georg kurz begrüßen kann?“
     „Wenn er da ist, bestimmt. Ich hoffe aber, er hat den Mumm, sich mit Freunden zu treffen.“
     „Das täte ihm sicher gut, auf jeden Fall besser, als sich die Zeit mit uns beiden Altertümern zu vertreiben. Dann bis nachher.“

Sofia ging ihren Besorgungen nach und erschien gegen Mittag zu Hause. Als sie Schorsch zum Essen rief, registrierte sie besorgt, dass er wieder sehr in sich gekehrt war. Sie versuchte ihn aus der Reserve zu locken und zu ermunterte ihn sich mit den Freunden zu treffen. Schorsch antwortete nur einsilbig und verzog sich nach dem Essen sofort wieder auf sein Zimmer. Später schellte Frau Simon und Sofia und Friederike ließen sich im Wohnzimmer nieder.
     „Schorsch ist heute wieder etwas deprimiert, ich rufe mal nach ihm. Ich weiß aber nicht, wie er auf sie reagiert und bitte sie schon vorher um Entschuldigung, für den Fall, dass er die Formen der Höflichkeit vergisst.“ Sie ging zur Tür und rief nach Schorsch.
     „Machen sie sich keine Sorgen. Ich kann Georgs Nöte verstehen. Ich möchte ihn nur gerne sehen.“
     Schorsch kam ins Zimmer und stutzte. „Guten Tag, Frau Simon.“
     „Guten Tag, Georg“, sagte Friederike und hielt ihm die Hand hin.
     Schorsch ergriff ihre Hand, Tränen stiegen ihm in die Augen.
     „Georg, so schwer es mir fällt, aber ich muss es dir sagen. Es gibt ein Leben ohne Frida! Das muss ich lernen, du aber auch.“
     „Ich weiß, Frau Simon. Nur es fällt mir noch so unendlich schwer.“
     „Ich verstehe das gut, mein Junge. Aber in wenigen Tagen sind die Ferien zu Ende und du musst lernen. Dein Leben liegt vor dir und du wirst ein anderes Mädchen kennenlernen.“
     „Ich will kein anderes Mädchen.“
     „Bitte, Georg, denke gut über alles nach. Und eins weiß ich mit Sicherheit, Frida würde bestimmt nicht wollen, dass du dein Leben lang trauerst.“
     „Ich bemühe mich doch, nur alles ist so schwer, Frau Simon. Bitte, Mama, darf ich nach oben gehen?“
     „Ja natürlich, Schorsch.“
     „Auf Wiedersehen, Frau Simon.“
     „Auf Wiedersehen, Georg und denke bitte über meine Worte nach.“
     Schorsch nickte und verließ das Zimmer.
     „Es ist furchtbar schwer, an ihn heranzukommen. Ich hoffe, ihre Aufmunterung hat etwas bewirkt, Frau Simon.“ Sofia füllte beiden Kaffee nach.

Am letzten Samstag, bevor die Ferien zu Ende waren, hatte Schorsch direkt nach dem Frühstück einen Entschluss gefasst. Kurz entschlossen schellte er bei Simons. Leider öffnete Herbert Simon die Tür, Schorsch hatte auf Friederike Simon gehofft.
     „Was willst du? Ich will dich hier nicht sehen“, blaffte Herbert ihn an.
     Am liebsten hätte Schorsch sofort wieder kehrt gemach, antwortete aber tapfer, „ich hätte gerne Frau Simon gesprochen.“
     Herbert drehte sich wortlos um und ließ Schorsch an der Tür stehen. „Ist für dich“, rief er nach hinten und verschwand, ohne sich weiter um Schorsch zu kümmern.
     Aus der Küche kam Friederike. „Ach du bist es Georg, komm doch mit in die Küche. Ich koche gerade eine Graupensuppe. Die muss ich ab und zu umrühren, sonst setzt sie an. Wusstest du, dass Graupensuppe Fridas Leibgericht war?“
     „Nein, ich wusste so vieles nicht von ihr“, antwortete Schorsch traurig.
     „Also Georg, raus mit der Sprache. Du bist doch wohl nicht gekommen, weil du Sehnsucht nach mir hattest!“
     Schorschs Gesicht verzog sich zu einem leichten Grinsen, das Friederike aber irgendwie gequält erschien. „Nein, ich habe eine Bitte...“
     „Du musst schon sagen, um was du mich bittest, Georg“, antwortete Friederike, da Georg nicht weitersprach.
     „Frida hatte immer einen lila Stoffstreifen bei sich. Den hätte ich gerne, wenn sie ihn erübrigen können.“
     „Jetzt rede nicht so geschwollen, Georg. Da hast du Glück gehabt, ich wusste nicht, dass das Stück Stoff für dich eine Bedeutung hat und habe in bereits zu den Sachen gelegt, die ich weggeben oder wegschmeißen will. Ich nehme den Topf vom Herd, dann können wir in Fridas Zimmer gehen.“
     „Nein, ich möchte nicht mitgehen. Ich kann die Suppe rühren, bis sie wiederkommen.“
     „Ach, komm schon, Georg. Es ist die letzte Gelegenheit, Fridas Zimmer zu sehen, bevor ich es ausräume.“

Friederike nahm den Topf vom Herd und Schorsch musste ihr wohl oder übel folgen. In Fridas Zimmer fühlte sich Schorsch unwohl, es war ihm, als würde er Fridas letzte Geheimnisse verletzten. Friederike griff nach einem Stapel zusammengelegter Sachen, die wohl Frida gehört hatten und zog den lila Fetzen daraus hervor. Sie drückte ihn Georg in die Hand.
     „Gibt es sonst noch irgendetwas, das du haben möchtest? Nimm dir, was du willst.“
     „Hatte Frida Bücher?“
     „Oh ja, ich schenkte ihr zuletzt Remarques Arc de Triomphe. Ich dachte zwar, sie war noch etwas zu jung für dieses Buch, aber mir hatte es gut gefallen und sie hat es verschlungen. Möchtest du das Buch haben? Ich glaube, wenn es Frida gefallen hat, wird es auch dir gefallen.“
     „Ja, gerne, wenn ich es haben darf.“
     „Wem sonst, sollte ich es geben. Was liest du denn gerade?“
     „Exodus von Leon Uris.“
     „Oh, dann wird dir Arc de Triomphe sicher gefallen. Und wenn nicht, dann nehme es als Andenken an Frida. Georg, oft habe ich den Eindruck, du machst dir Vorwürfe, seit Frida den Unfall hatte. Ist es so?“
     „Ja Frau Simon. Wenn ich Frida in Ruhe gelassen hätte, wäre sie jetzt nicht tot.“
     „Nein Georg, alles geschieht so, wie es geschehen soll, wir Menschen haben darauf keinen Einfluss. Du warst Fridas großes Glück, dich trifft absolut keine Schuld. Komm, ich begleite dich zur Tür. Du brauchst ja mit meinem Mann nicht noch einmal zusammenzustoßen.“

Die beiden verabschiedeten sich an der Haustür. Friederike hielt Georgs Hand einen Moment länger, als es für die Verabschiedung erforderlich gewesen wäre.

Wieder zu Hause stieg Schorsch sofort über die Treppe nach oben. Das Buch platzierte er so in seinem Bücherregal, dass er es vom Bett aus sehen konnte. Die beiden kleinen lila Stoffquadrate legte er vor sich auch den Tisch. Er musste und wollte das Kapitel Frida abschließen. Also dachte er darüber nach, was er mit den beiden Streifen machen könnte. Die Idee, sie als Bild zu rahmen, verwarf er sofort, die Idee sie in Fridas Grab zu vergraben, erst nach längerem Nachdenken. Sofia Winterle rief ihren Sohn zum Essen nach unten.

Nach dem Essen ging Georg in den Geräteschuppen im Garten, er suchte und fand dort ein flaches Stück Holz, auf dem er die Stoffquadrate festnagelte. Sein Fahrrad nehmend rief er durch das offene Küchenfenster, „ich fahre etwas mit dem Rad, Mama“, und fuhr in die Auen. Er stellte das Rad dort ab, wo er und Frida sich getroffen hatten und ging zu der Stelle, an der sie zusammen sich geliebt und gebadet hatten. Als er auf der Böschung sitzend auf den Fluss schaute, war es ihm, als könne er Frida körperlich spüren. Langsam und bedächtig zog er sich aus, nahm das mit dem lila Stoff bespannte Brett und stieg ins Wasser. Als er meinte, weit genug in die Strömung gegangen zu sein, setzte er das Brett auf das Wasser. Noch einen Moment hielt er es in den Händen, dann ließ er es los und das Brett entfernte sich langsam im träge dahin fließenden Fluss. Schorsch stand ganz still und schaute dem, als es die Flussmitte erreichte, sich immer schneller entfernenden Boot nach. Er stellte sich vor, wie das Boot vom Fluss in den großen Strom und vom großen Strom in das unendliche Weltmeer getragen würde und mit ihm die beiden Stoffstücke als letztes Zeugnis seiner großen Liebe. Tränen rannen aus seinen Augen. Schorsch ließ seinen Tränen freien Lauf. Er spürte Fridas Körper, ganz so, wie damals, als Frida sich hier im Wasser an ihn geschmiegt hatte. Ihre kleinen, runden Brüste pressten sich an seine Brust – er griff nach ihren Brüsten, die schöne Illusion zerfloss unter seinen leeren Händen. Schorsch wischte sich die Tränen ab. Sein Boot war von der Strömung davon getragen worden. Er stieg aus dem Wasser, kleidete sich an und machte sich auf den Heimweg.

Wieder zu Hause, brannte er darauf, bald in seinem neuen Buch zu lesen. Er kümmerte sich nicht darum, dass seine Mutter ihn dazu anhielt, sich mit seinen Freunden zu treffen. Er wollte einfach nur Exodus zu Ende lesen. Es waren nur noch wenige Seiten und so zog er doch noch vor dem Abendessen los, um sich etwas Ablenkung zu verschaffen. Sofia sah das mit Freude und Erleichterung.

Am Abend schaute Schorsch noch zusammen mit den Eltern die Tagesschau, verabschiedete sich dann auf sein Zimmer und nahm Arc de Triomphe in die Hand. Er setzte sich auf sein Bett, öffnete das Buch und las:

Meiner lieben Frida
zum 16. Geburtstag.

Mutti

Noch einmal schossen Schorsch die Tränen in die Augen. Dann aber blätterte er entschlossen weiter und las den ersten Satz, feierlich und andächtig, so wie er es immer machte, wenn er ein neues Buch zu lesen begann und er las zum ersten Mal den Namen seines neuen Helden, Ravic. Er las lange an diesem Abend. Als ihm die Augen zufielen, legte er das Buch unter sein Kopfkissen.

Am Sonntagmorgen fühlte sich Schorsch voller Energie. Er bereitete seine Schultasche vor. So gut wie irgend möglich zu lernen, fand er, sei das wenigste, was er Frida schuldig war.

Dies ist eine absolut fiktive Geschichte und trotzdem ist sie biografisch. Ich habe die Erlebnisse realer Menschen, die ich in meiner Jugend kannte, darin verarbeitet. Alles ist stark verfremdet, sie werden sich nicht wiedererkennen. Die Umgebung, die Namen, ja selbst die Geschlechter, sind nicht real. Und trotzdem, vieles davon hat sich in diesen Jahren so oder so ähnlich zugetragen.

Lesern, die meine Heimatstadt kennen, werden die Straßennamen und vielleicht die Beschreibungen des Schlossparks irgendwie bekannt vorkommen. Nur meine Heimatstadt war keine Kleinstadt, sondern eine der großen Städte des Landes. Sie hatte damals, vor über fünfzig Jahren, sogar bedeutend mehr Einwohner als heutzutage. Ich musste sie in eine Kleinstadt verwandeln, um die Atmosphäre der Kleinbürgerlichkeit und der muffigen Moralvorstellungen darstellen zu können, die damals in dem ländlichen Vorort herrschten, in dem ich aufgewachsen bin.

Das einzig wirkliche ist die Beschreibung der Auen. Diese liegen natürlich nicht am Fluss, sondern am großen Strom. Als Jugendliche haben wir die Auen als eine Art großen Abenteuerspielplatz benutzt und wenn ich den Schilderungen Gleichaltriger glauben darf, hat mancher von uns seine ersten Liebeserfahrungen dort gesammelt.

Frida ist real und gleichzeitig irreal. Frida ist mir nie aus dem Sinn gegangen. Ich lernte sie kennen, als ich mit meiner Mutter Ferien in Ennepetal-Milspe machte (was für weite Reisen man in der Nachkriegszeit doch machte). Meine Mutter hatte von sensationellen Erfolgen bei der Behandlung von Asthma in der Kluterthöhle gehört, so wurde ich zweimal täglich in diese Höhle gesetzt. Frida war mit ihren Großeltern dort, ich glaube, ihr Großvater litt an Asthma. In der Pension waren wir die einzigen Kinder, wir spielten oft zusammen im Garten. Die Verständigung war mühsam, Frida sprach ausschließlich flämisch.

Im Gedächtnis geblieben ist sie mir wohl, da ich zu dieser Zeit schon vorpubertäre oder besser gesagt, frühste vorpubertäre Träume hatte – sie ist sozusagen das erste Mädchen, das mir mehr war als eine Sandkastenfreundin. Ich sah in ihr eine Frau. Meine Leidenschaft für sie stieß bei ihr auf taube Ohren. Und nach drei Wochen waren die Ferien sowieso vorbei.

Düsseldorf, im März 2013

Feedback

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DaiHotarus Profilbild
DaiHotaru Am 19.05.2020 um 0:48 Uhr Mit 18. Kapitel verknüpft
Das ist die erste Geschichte, die ich von dir gelesen habe und ich finde sie, dafür dass sie stilistische Fehler haben soll, ausgesprochen gut.

Das Ende ist traurig, war aber bei dem Titel zu erwarten. Frida hätte ein langes Leben an Georgs Seite verdient, doch das Leben ist nicht immer fair. Auch die Aufarbeitung ihres Todes ist dir ganz wunderbar gelungen.

Tatsächlich kam mir die ganze Handlung eigenartig vertraut vor, ich kann mir einfach nicht helfen, aber ich hatte immer das Gefühl, als hätte ich sie bereits gelesen.

Es gibt eigentlich kaum etwas, was ich hier zu bemängeln habe, die Handlung hat in meinen Augen die richtige Länge, ohne unnötige Abzweigungen zu nehmen und die Charaktere sind greifbar und authentisch.

Allerdings hätte ich mir gewünscht, wenn die Figuren auch optisch besser beschrieben worden wären. So existieren in meinem Kopf nur gesichtslose Gestalten. Bei einer Kurzgeschichte finde ich das okay, bei längeren Werken wünsche ich mir dann doch einen kurzen Abriss darüber, wie die Personen aussehen. Das ist aber fast schon Jammern auf höchstem Niveau, das geb ich zu.
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BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker (Autor)Am 19.05.2020 um 18:38 Uhr
Ich beschreibe eigentlich ungern das Aussehen, der in meinen Geschichten vorkommenden Personen. Das ist jetzt kein kein Dogma, denn ab und zu beschreibe ich auch einmal eine Person. Es entspricht meiner eigenen Vorliebe, beim Lesen eines Romans stelle ich mir gerne vor, wie die handelnden Personen aussehen.

Ich werde meine Einstellung einmal überdenken, vielleicht schreibe ich mehr über das Aussehen meiner Protagonisten. Es ist einen Versuch wert.
1
Tonmonds Profilbild
Tonmond Am 30.01.2019 um 9:09 Uhr
Hallo Bernd,

jetzt habe ich Die Liebe und ihr Preis zu Ende gelesen und möchte Dir meine Eindrücke schildern. Nach wie vor bin ich begeistert von Deiner Geschichte, weil sie dieses schreckliche Kleinbürgertum und die muffigen Moralvorstellungen (wie Du selbst schreibst) in den 50/60er Jahren so hervorragend wiedergibt. Wie die Menschen sich an der strengen katholischen Kirche orientieren und gleichzeitig unvorstellbar bigott dabei sind. Das kann wohl nur jemand so treffend beschreiben, der es selbst erlebt hat. Diese bedrückende, bedrohliche Atmosphäre einzufangen, ist dir wirklich gut gelungen. Aus heutiger Sicht ist das alles kaum noch verständlich.

Ich habe sehr mit Frida mit gelitten und finde es furchtbar, was sie alles erleiden und erdulden muss, nur weil sie Schorsch liebt und mit ihm intim werden möchte. Die Misshandlung durch ihren Vater ist ein schlimmes Verbrechen. Wenigstens sind die Mütter auf ihrer und Georgs Seite. Natürlich hat es mich erschüttert, was zum Schluss mit der armen Frida passiert. Es ist so traurig. Das hat die unerschrockene Kämpferin wirklich nicht verdient! Jetzt verstehe ich auch, warum diese Geschichte tatsächlich so bitter-süß ist. Ich hätte mir ein glücklicheres Ende für das sympathische Liebespaar gewünscht. Wo sie doch so sehr und gegen alle Widerstände für ihre Liebe gekämpft haben. Aber leider geht es ja auch in der Realität nur selten so zu, wie man es sich wünscht. Und ich stelle mir einfach vor, dass Schorsch nach einiger Zeit ein anderes, mutiges Mädchen kennenlernt und mit ihr glücklich wird. Danke für Deine wunderschöne Geschichte! Sie hat mir tiefe Einblicke in eine (zum Glück) längst vergangene Zeit gewährt.

Liebe Grüße
Bettina
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BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker (Autor)Am 30.01.2019 um 15:19 Uhr
Hallo Bettina,

Du fühlst richtig mit, mit den Protagonisten meiner Geschichte. Das Ende der Geschichte ist traurig, das war so nicht gewollt. Ich wollte mir die andere Möglichkeit, die es gegeben hätte, aber nicht ausmalen. Für diese Liebe hätte Frida leicht in einem Erziehungsheim kommen können. Es war in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts nicht einfach, wenn Menschen in diesem jungen Alter die Liebe entdeckten. Wir "durften" zwar mit vierzehn schon die Schule verlassen und arbeiten, aber erst mit einundzwanzig wurden wir volljährig.

Ich schreibe auch positiv ausgehende Geschichten. Nur bei Liebesgeschichten habe ich einen Drang zur Dramatik entwickelt. Warum? Da habe ich keine selbst keine Idee zu. Immerhin die neueste Veröffentlichung habe ich dem Genre "Liebe" zugeordnet.

Liebe Grüße
Bernd
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Tonmonds Profilbild
Tonmond Am 17.11.2018 um 20:17 Uhr Mit 6. Kapitel verknüpft
Hallo Du!
Zwar habe ich erst bis hierher gelesen, möchte Dir aber jetzt schon ein Feedback geben. Ich mag Deine Geschichte sehr! Sie ist echt putzig und extrem rührend. Aus heutiger Sicht sind diese Ereignisse zwischen Frida und Schorsch einfach unglaublich. Ein paarmal habe ich über ihre Naivität nur noch gestaunt. Weil die beiden Süßen in einer Zeit leben, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Aber genau das macht "Die Liebe und ihr Preis" auch so interessant, außergewöhnlich und besonders. Du hast ein echtes Talent zum Schreiben, denn Deine Sätze sind kurz und prägnant. Alles ist sofort leicht verständlich, oft auch sehr witzig. Du schilderst die Dinge so, wie sie sind und nimmst kein Blatt vor den Mund. Das gefällt mir! :)
Jetzt bin ich gespannt, wie es mit Schorsch und Frida weitergeht!
Liebe Grüße
Tonmond
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BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker (Autor)Am 18.11.2018 um 15:09 Uhr
Hallo Tonmond,
das ist ein sehr freundlicher Kommentar. Als ich diese Erzählung geschrieben habe, lautete der Kommentar einer guten Freundin und sehr kritischen Leserin meiner Schriften, diese Erzählung sei eine süßsaure Geschichte.

Meine kurzen prägnanten Sätze sind im Laufe der Jahre leider etwas verloren gegangen. Meine Tochter, die bei größeren Erzählungen meine erste Leserin ist, rauft sich schon einmal die Haare und streicht ganze Absätze zusammen. Vielleicht liegt es daran, dass sie Deutsch als Abiturfach hatte :)

Die Zeit, in der die Geschichte spielt, ist mir in unguter Erinnerung. Aber doch war es der Aufbruch in ein ereignisreiches Leben.
Liebe Grüße
Bernd
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Autor

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Bewertung

Eine Bewertung

Statistik

Kapitel: 18
Sätze: 1.550
Wörter: 20.795
Zeichen: 122.159

Kurzbeschreibung

Schorsch schwärmte heimlich von der Tochter der Nachbarn. Nachdem er sich bei einem Sportverein angemeldet hatte, traf er dort beim Training auf seine Angebetete. Es entwickelte sich eine zarte Liebe zwischen den Beiden.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Liebe auch in den Genres Erotik und Tragödie gelistet.

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