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Kapitel: | 2 | |
Sätze: | 39 | |
Wörter: | 801 | |
Zeichen: | 4.756 |
Lange Jahre hatten wir so etwas, wie einen zweiten Wohnsitz in einem kleinen Dorf in Aquitanien. Das ist inzwischen Vergangenheit. Wir sind einfach vom Alter her nicht mehr in der Lage, die weite Reise zu bewältigen. Über den Verlauf der Fahrten dorthin oder zurück ins Rheinland, gäbe es einiges zu berichten, aber ich lasse es bei dem Vorfall, der sich auf einer unseren letzten Reisen während der Winterzeit ereignete. Wir betrachteten diese Winterreisen als eine Art Flucht vor dem rheinischen Winterbrauchtum. Im Winter ist es am Atlantischen Ozean, in dessen Nähe das Dorf liegt, einfach nur öde. Große Teile der Häuser sind im Winter unbewohnt – fast alle Restaurants sind geschlossen. So entspricht der genannte Grund für die Winterreise weitgehend der Wahrheit, einmal davon abgesehen, dass uns auch die Sehnsucht nach Nähe zum französischen Teil unserer Familie immer wieder gen Süden zog.
Nie wieder machen wir uns am Valentinstag auf den Weg nach Linxe, beschlossen wir, als alles überstanden war. Wir fühlen uns sozusagen geschädigt vom Valentinstag. Zum guten Schluss kamen wir uns vor, wie Maria und Joseph, als diese auf der Suche nach einer Herberge durch Betlehem irrten. Nein, meine Liebe war nicht schwanger! Mit der Herberge hatten wir kein Problem. Das lief wie immer gut und reibungslos. Was uns verweigert wurde, war ein Platz zum Abendessen. Wir hätten vorgewarnt sein sollen, denn kurz vor der Abreise erhielten wir eine E-Mail des gebuchten Hotels, des Inhalts, dass sie wegen des Valentinstags ausnahmsweise am Samstag das Restaurant geöffnet hätten und ob wir Interesse hätten an diesem Event teilzunehmen. Wir hatten nicht.
Meine Liebe legt keinen Wert auf Symbolik, ich auch nicht und so ist uns alles, außer dem Tag, an dem wir uns kennenlernten (vielleicht auch noch der Hochzeitstag) ziemlich schnuppe. Ich habe keine Ahnung, wie Valentinstag begangen wird, weiß aber, dass man sich kleinere Geschenke überreicht. Ich kenne weder die Gewohnheiten dieses Tages in Deutschland, noch in Frankreich. Nun, daran hat sich etwas geändert – die französische Form, der zu diesem Tag gehörenden Feierlichkeiten, habe ich verinnerlicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich jetzt Frankreich generell dem Verdacht aussetzen darf, man würde dort an diesem Tag die Durchreisenden verhungern lassen, oder ob diese Art der Feierlichkeiten auf Südwestfrankreich begrenzt ist. Egal, für uns macht das jetzt keinen Unterschied mehr – nie wieder.
Es lief an diesem Tag für uns alles ganz normal. Wir kamen zeitig in Niort an. Unser Hotel lag nah der Innenstadt und in wenigen Gehminuten erreicht man Restaurants zuhauf. So gingen wir zeitig los, gegen sieben Uhr, der Zeit, zu der in Frankreich die Restaurants so langsam öffnen. Da es regnerisch und windig war, suchten wir etwas ganz in der Nähe. Bisher war es zu so früher Stunde nie ein Problem, in jedem beliebigen Restaurant einen Platz zu finden. Zumindest im Februar hatten wir bisher den Eindruck gehabt, es gäbe in den diversen Restaurants der Stadt mehr Personal, als Gäste. Aber an diesem Tag war alles anders. Die Antwort auf unsere Frage nach einem Tisch für zwei Personen lautete, tut uns leid, wir sind ausgebucht. So irrten wir etwas umher, bis wir nach einigen Fehlversuchen auf einen freundlichen Menschen trafen, der sich unserer erbarmte. Er bat uns, ein paar Minuten Geduld zu haben, dann würde er sich kümmern. Schließlich lotste er uns auf eine Empore, die wir bei früheren Besuchen dieses Gasthauses nie bemerkt hatten. Oben angelangt weitete sich die Empore zu einem Gastraum, der größer war, als der Teil des Restaurants, den wir bisher kannten.
Es saßen dort schon zwei oder drei verliebte Paare, keine Spur von einem Massenansturm. Wir suchten und fanden auf der Speisekarte Gerichte nach unserem Geschmack und machten es uns bei einem Aperitif bequem. So langsam näherte sich der Abend der bevorzugten französischen Essenszeit und schon kurz darauf war es mit der Ruhe im Gastraum vorbei. Neben weiteren Verliebten erschienen ganze Familienklans mit Kind und Kegel. Das ergab ein Ambiente, das an Muttertag erinnerte, gespickt mit einem zärtlichen Abend zu zweit. Der Raum füllte sich in kurzer Zeit bis auf den letzten Platz, was für eine entsprechende Unruhe bei steigender Lautstärke sorgte. Wir waren froh, zu dieser Zeit bereits bei unseren Minitässchen Kaffee angekommen zu sein und beobachteten dabei heimlich den Umgang der Familienklans miteinander, was für uns zu neuen Erkenntnissen im Umgang mit dem stets griffbereiten Smartphone führte. Am Ende fühlen wir uns gut bedient und angenehm gesättigt, zahlten, ließen ein angemessenes Trinkgeld zurück und machten uns auf den Weg zum Hotel.
Dort auf dem Zimmer fiel der entscheidende Satz – nie wieder an diesem Tag…
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