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Vor weit über einem Jahrzehnt, etwa zu Anfang dieses Jahrhunderts, verbrachten wir unseren Urlaub gern an der Algarve. Wie immer, auch die schönste Zeit endet irgendwann und Ende Mai, ging einer dieser Urlaube zu Ende und so fuhren wir an einem Samstag früh, gegen sechs Uhr von Olhão aus in Richtung Madrid. Der Tag sollte heiß werden und bis Madrid war es weit. Schon um diese frühe Stunde war es an die dreißig Grad warm und so beeilten wir uns mit der Abreise, wir wollten unterwegs sein, bevor sich unser Auto in einen Brutkasten verwandelte. Zum Glück war um diese frühe Zeit nur wenig Verkehr auf der Autobahn und wir erreichten nach kurzer Zeit den Rio Guardiana, der hier die Grenze zwischen Portugal und Spanien bildet. Wir überquerten den Fluss auf der kühn geschwungenen Hängebrücke, die in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts errichtet worden war und erreichten Andalusien. Obwohl es dank der Zeitverschiebung in Andalusien bereits eine Stunde später war, als in Portugal, waren wir in unserer Fahrtrichtung fast immer allein auf der Schnellstraße unterwegs. Der Verkehr konzentrierte sich auf der Gegenfahrbahn in Richtung des Atlantischen Ozeans, verständlich bei diesen Temperaturen.
Die Verkehrslage blieb weiter ruhig, nur bei den wenigen großen Städten Huelva, Sevilla und Córdoba kam einiger Verkehr auf. Und so rollten wir entspannt, bei stetig steigenden Temperaturen durch eine Landschaft, in der sich links und rechts der Straße Olivenhaine und Felder voll blühender Sonnenblumen abwechselten. Auf den Masten der Hochspannungsleitungen begleiteten uns zahlreiche Storchennester, so war uns gar nicht nach Heimreise zumute. Schon nach gut drei Stunden war Córdoba passiert und neben der Schnellstraße weitete sich ein schier endlos erscheinender Acker, auf dem die Ernte in vollem Gang war. Es sah vom Auto aus, als reiche der Acker bis zu einer in der Ferne, blau in der Hitze flirrenden Bergkette. Was dort geerntet wurde, war nicht erkennen, aber wir konnten es riechen. Ein leichter Duft von Knoblauch durchzog den Wagen.
Wir fuhren schon einige Zeit wieder durch Olivenhaine und Sonnenblumenfelder, als uns erneut der Duft von Knoblauch in die Nase stieg. Der Grund blieb verborgen, nirgends war ein Feld zu sehen, von dem der Duft herrühren konnte. Wir legten an einer Tankstelle in einem der heruntergekommen wirkenden Gewerbegebiete eine kurze Rast ein. Zu unserem Glück hatten wir einen Parkplatz erwischt, der asphaltiert war, denn vom leichten Wind getriebener Staub ist nicht das, was einen bei Temperaturen von über fünfunddreißig Grad erfreut. Wir vertraten uns etwas die Beine, schlenderten an den neben der Tankstelle wichtigsten Einrichtungen solcher Rastplätze vorbei: Bar, Hotel und nicht zu vergessen – Bordell. Der Knoblauchduft hatte sich inzwischen verzogen und wir beeilten uns mit dem Weiterfahren, da die Temperatur während der kurzen Rast auf vierzig Grad gestiegen war und das Auto unter einem, der für dieses Land typischen Schattenspender stand, Wellblechdächer, die die Parkbuchten überspannen. Unter diesen ist es zwar schattig, aber keineswegs kühl – eher stickig.
Nur wenige Kilometer fuhren wir weiter, erneut stieg uns der Duft von Knoblauch in die Nase, ohne dass wir eine Erklärung fanden, fuhren wir doch inzwischen auf einer kurvenreichen Strecke ständig bergauf in einem der zahlreichen andalusischen Gebirge. Links und rechts säumten anstatt Olivenhainen und Feldern, nun bizarre Felsformationen die Schnellstraße. Je weiter wir kamen, umso betäubender roch es nach Knoblauch. Wir hatten den Eindruck, hinter jeder Kurve in eine neue Knoblauch-Duftwolke einzutauchen.
Wir fuhren weiter und weiter, entlang beeindruckender Schluchten und Felsformationen. Der Genuss an der landschaftlichen Schönheit hielt sich in Grenzen, da durch die Fenster die Sonne knallte und das der Klimaanlage mächtig zu schaffen machte. So wurde es auch im Inneren des Autos ziemlich warm. Der sich verstärkende Knoblauchgeruch tat ein Übriges, um uns die Fahrt als wenig angenehm empfinden zu lassen. Wir sind echte Knoblauchfreunde, aber dieser Duft war einfach nur impertinent. Was zu viel ist, ist eben zu viel.
Schließlich steuerten wir auf eine ungewöhnlich enge Kurve zu, die zulässige Geschwindigkeit wurde stufenweise bis auf vierzig Kilometer herabgesenkt und das war, wie die Unfallspuren an den Leitplanken zeigten, auch bitter nötig. In dieser Kurve wurde die Duftwolke endgültig unerträglich; wir waren versucht uns Taschentücher vor die Nase zu halten. Wir fühlen uns wie betäubt, oder vielleicht berauscht?
Am Ausgang der Kurve stieg die Schnellstraße erneut stark an und dann sahen wir ihn, den Lastwagen! Vor uns keuchte ein riesiger Lastwagen mit Anhänger die Steigung hinauf. Beladen waren Zugmaschine und Anhänger mit Top Open Containern von je dreißig Kubikmetern Fassungsvermögen, so wie sie bei uns zu Hause für die Bauschuttentsorgung eingesetzt werden. Beide Container waren bis über den oberen Rand mit frischem Knoblauch gefüllt und von grünen Netzen überspannt, die die Ladung sicherten. Wir rissen erstaunt die Augen auf, völlig verdattert über den überraschenden Anblick. Diese Menge Knoblauch auf einem einzigen Lastwagen hätten wir uns bisher in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Man konnte es fast sehen, wie Sonne und Fahrtwind das Knoblauchöl aus den Zwiebeln lösten. Wir überholten das Ungetüm und langsam, nur ganz langsam verzog sich der Duft von Knoblauch aus dem Innern unseres Autos.
Heute noch ist die Erinnerung an dieses Erlebnis stark in uns verankert. Wir brauchen nur Knoblauch auf unsere Einkaufsliste zu setzen. Dann kommt es unweigerlich: Weißt du noch der Knoblauchlaster, damals in Andalusien?
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Silly • Am 29.07.2020 um 21:32 Uhr | |||
Hallo Bernd. Deine Geschichte macht trotz der beschriebenen Umstände, Lust aufs Verreisen in der Reiseroute, wo Ihr beide damals unterwegs wart. Die Auflösung des Rätsels war überraschend... und irgendwie verspüre ich nun den Drang, morgen ein Essen mit Knoblauch zuzubereiten. ;-)) Vielen Dank für diesen gedanklichen Ausflug. Liebe Grüße, Silly. |
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