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Sätze: | 53 | |
Wörter: | 799 | |
Zeichen: | 4.892 |
Ich schreibe diese Zeilen im Alter von fast siebenundsiebzig Jahren. Ich habe wie alle Menschen keine Ahnung davon, wie lange mein Leben noch währt. Zu meinem Erschrecken stellte ich eines schönen Tages fest, von den männlichen Trägern meines Namens, bin ich heutzutage der Älteste. Es gab zum Glück bis vor kurzem noch eine eingeheiratete Tante, die ein viertel Jahrhundert älter war, als ich. So fühlte ich mich eben als ein Familienmitglied mittleren Alters. Das ist seit dem Tod der Tante vorbei. Niemand, der meinen Namen trägt, ist älter als ich. Welche eine Zeitspanne mein sich langsam, aber unaufhaltsam schließender Lebenskreis umschließt! Als ich geboren wurde, wurde gerade fleißig am Weltuntergang gearbeitet. Nun, unsere Erde hat zum Glück diesen Weltuntergang überstanden und als diese furchtbare Zeit vorüber war, sah es einen Moment so aus, als würden sich alles zum Besseren wenden. Eine Illusion – leider…
Dann zerfiel die Welt in Blöcke. Unversöhnlich standen sich Ost und West gegenüber. Die Hochrüstung fraß den Wohlstand, der hätte erreicht werden können. Die Maßeinheit des politischen Handelns wurde der Overkill. Schon dieses Wortgebilde zeigt die Verkommenheit dieses Handeln. Der Feind kann immer nur einmal getötet werden, was soll dann die zehn- oder hundertfache Möglichkeit des Tötens. Warum sollte der Russe, der Chinese, der Koreaner, der Araber oder sonst wer, der Feind sein? Ich kenne keinen dieser Menschen, wie kann ich ihnen gegenüber Feindschaft empfinden? Feindschaft mit einem Nachbarn im Haus kann ich mir gerade noch vorstellen. Ich habe aber Glück, es gibt keinen Nachbarn, mit dem ich im Streit lebe. Ich lebe in einer harmonischen Nachbarschaft – es gibt sogar Nachbarn, mit denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist Feindschaft zwischen Völkern. Was haben „Die Franzosen“ meinen Vorfahren angetan, dass diese sie als Feinde empfanden? Kann mir das bitte einmal jemand erklären? Gut, „Die Franzosen“ taugen als Feinde nicht mehr, in umgekehrter Richtung ist Feindschaft zum Glück auch nicht mehr aktuell. „Die Deutschen“ taugen in Frankreich auch nicht mehr als der Feind. Aus der Welt geschafft ist das Problem dadurch leider nicht. Israelis empfinden Araber als Feinde. Araber sehen in den Israelis ihre Feinde. Indien und Pakistan pflegen ihre Feindschaft seit über sechzig Jahren, warum? Das Stück Land namens Kaschmir, als Grund für eine Völkerfeindschaft über Generationen, das kann eigentlich nicht wahr sein.
Wer redet den Völkern ein, dass sie aus ihrer Feindschaft und den, aus dieser Feindschaft resultierenden Kriegen einen Vorteil haben, einen Gewinn generieren können, wie ein Wirtschaftswissenschaftler das nennen würden. Da bleibt wirklich die Frage, welche Art Gewinn werfen Millionen von Toten ab? Für die Toten und ihre Angehörigen ist kein Gewinn erkennbar. In jedem Krieg werden Millionenwerte vernichtet. Werte, die den Überlebenden nach dem Krieg fehlen. Wer ist auf die wahnwitzige Idee gekommen, dass Granaten aus Kanonenrohren abgeschossen, Wohlstand erzeugen? Geht’s noch?
Er gibt in jedem Konflikt vermeintliche Gewinner, es gibt Staatenlenker, denen werden Denkmäler für ihre Siege gesetzt. Warum? Haben sie selbst an vorderster Front gestanden? Oder haben sie gemeinsam mit ihren Soldaten in den Gräben von Sedan im Deutsch-Französischem Krieg gelitten? Haben die verbluteten Soldaten die Siegesdenkmäler gesetzt bekommen? Nein, der Kaiser und sein Kanzler Bismarck stehen weit sichtbar auf den Sockeln, viele davon sind noch heute zu bewundern. Die Namenlosen sind vergessen, niemand weint ihnen eine Träne nach. Doch was nützt der ganze Ruhm, am Ende eines Lebens? Glauben Menschen, die andere Menschen auf den Schlachtfeldern verbluten lassen, dass sie durch den erlangten Ruhm im Grab bequemer liegen? Ist der Mensch erst einmal tot, ist all das, was er jemals sich hat einfallen lassen, für ihn selbst bedeutungslos. Da ist es gleichgültig, ob der Leichnam Kaiser Napoleons im Invalidendom vor sich hin modert, er ist nicht besser dran, als die seiner Soldaten, die er auf seinen Schlachtfeldern in den Tod getrieben hat. Tot ist eben tot, egal ob im Invalidendom oder auf den schlammigen Feldern von Waterloo.
Gerade diese Machtmenschen, die vor Tatkraft und oft auch vor Intelligenz strotzen, hätten die Gabe, ihr Talent zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Dann würden sie jetzt genauso tot in ihren Gräbern liegen, aber wir würden ihrer in liebender Erinnerung gedenken. Was hindert diese Menschen nur daran? Haben sie nicht bemerkt, dass die Dauer eines Lebens endlich ist und ihre ganze Macht im Augenblick ihres Todes, sich in nichts auflöst? Nur wer die Endlichkeit seines Lebens begreift, erkennt, dass es sinnlos ist, die Erde mit Kriegen zu überziehen. Selbst wenn ich mich wiederhole, Wohlstand und Glück kommen nicht aus den Mündungen von Kanonenrohren!
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