Warum schreibt ihr keine Kommentare?
Hallo zusammen!
Nachdem ich in den letzten Wochen so viele Community-Aktionen rund ums Schreiben und Lesen gestartet habe, dachte ich mir, eventuell auch nochmal eine kleine Liste mit Liste mit Tipps rund ums zum Kommentieren zu erstellen. Bevor ich das mache, wollte ich aber erst einmal mit euch reden. Denn eine Tipp-Sammlung macht ja keinen Sinn, wenn sie den Kern der Sache nicht trifft. Deswegen wollte ich wissen, wieso ihr keine Kommentare schreibt.
Ich denke, die allermeisten, die sich in Schreibarchiven tummeln, waren irgendwann mal schon mal so ein böser, böser Schwarzleser und haben eine Geschichte gelesen ohne Feedback dazulassen. Mich würde interessieren, was eure Gründe für so etwas sind, ganz gleich ob es jetzt Gründe auf eurer Seite sind oder welche, die mit dem Verhalten der Schreibenden zu tun haben. Haut gerne alles raus!
Ich mache mal den Anfang, was in der Vergangenheit, zum Teil aber auch noch aktuell, so meine Gründe waren (vielleicht kennt sie ja irgendwer, ihr dürft gern ergänzen):
Vermeintlicher Zeitmangel: Vermeintlich, weil es technisch gesehen eigentlich nicht lang dauert, jemanden irgendwas als Feedback zu schreiben. Kommentare in Länge eines handelsüblichen Tweets, die nur aussagen "fand die Geschichte gut", "fand die Geschichte doof", oder "fand die Geschichte so mittelmäßig" sind schnell getippt. Aber: Kommentare sollen ja konstruktiv sein, sie sollen eben nicht irgendwas sein, sondern erklären, warum eine Geschichte jetzt gut, schlecht oder mittelprächtig war. Das erfordert etwas mehr Hirnschmalz und daher auch etwas mehr Zeit.
Vollständige Textanalyse: Dieser Grund baut auf dem letzten auf und ist quasi die Steigerung davon. In meinem Kopf sitzt irgendwie fest, dass Kommentare sehr eingehend sein sollten und auf möglichst alle Aspekte einer Geschichte (Schreibstil, Spannung, Charakterisierung, Logik,...) eingehen sollten und natürlich immer sowohl Lob als auch Kritik enthalten sollten, was manchmal echt schwer ist (dazu später mehr).
Was soll ich nur sagen?: Ein weiterer Grund ist, dass mir nicht einfällt, was ich zu einem Text überhaupt schreiben soll. Das ist vorallem bei Geschichten der Fall, die nichtssagend sind. Zu Texten, die mich bewegen, sei es im Positiven oder im Negativen, fällt mir eigentlich meist immer irgendetwas ein. Aber dann gibt es Texte, die keine offensichtlichen (dramaturgischen, stilistischen ect.) Fehler gemacht haben, aber mich trotzdem irgendwie nicht "mitnehmen" und nur ein Achselzucken hinterlassen. Solche Texte sind dann echt schwierig. Aber auch bei Texten, die mir klar gefallen oder missfallen ist es manchmal schwer, genau auf den Punkt zu bringen, was daran jetzt schön oder unschön war, vorallem im Hinblick auf die vollständige Textanalyse.
Miserable Qualität und Neulingsschutz: Okay, es ist vielleicht ein unschöner Fakt, aber es zu verschweigen wäre eine Lüge: Es gibt Geschichten, die sind einfach richtig schlecht. Geschichten, bei denen es mir schwerfällt, irgendentwas zu finden, das ich noch positiv herausstellen könnte. Wenn ich dann aber sehe, dass die Person hinter der Geschichte vielleicht gerade ihre ersten literarischen Gehversuche macht und bisher noch absolut kein Feedback erhalten hat, entscheide ich mich doch eher dazu, zu schweigen. Ich kann nicht jemanden mit Schmeicheleien überschütten und 90% meines eigentlichen Eindrucks hinter dem Berg halten, wenn ich die Geschichte für unterirdisch befinde. Andererseits will ich auch nicht diejenige sein, die schon bei den ersten Schritten demotiviert (und seien wir ehrlich: Kritik ist, auch noch so vorsichtig formuliert, immer ein Dämpfer).
Miserable Qualität und sensible Autobiografie: Ein ähnliches Problem habe ich mit autobiografischen Texten (Gedichten, Blogposts, Anekdoten, Kolumnen Briefen ect.), die sensible Themen behandeln und technisch schlecht gemacht sind. Ich möchte, wenn ich Kommentare schreibe, weder lügen noch Halbwahrheiten sagen, aber andererseits will ich auch nicht diejenige sein, die sagt "Hey, dein Tagebuch über deine Chemotherapie ist voll trocken geschrieben" oder "Bei deinem Gedicht über deine Essstörung stimmt das Versmaß nicht". Ja, ich habe große Probleme damit, dass Autobiografien Literatur sind, aber dann eben doch noch mehr als das.
Keine Reaktion auf Kritik: Damit meine ich jetzt nicht, dass keine Reviewantwort kommt. Über Reviewantworten freue ich mich zwar, aber an sich sind sie mir nicht so wichtig. Wenn ich eine Geschichte kritisiere (und vorallem wenn ich Verbesserungsvorschläge mache) und das nicht nur kleine Bagatellanmerkungen sind, würde ich mir wünschen, dass mein Gegenüber mein Feedback zumindest überdenkt. Wenn ich dagegen eine zwar höfliche Reviewantwort erhalte, die inhaltlich aber eine gänzlich Zurückweisung meiner Kritik ist, hinterlasse ich meinen Gegenüber bei anderen Geschichten, bei denen ich ähnliches anzumerken hätte, dann kein Kommentar mehr. Ebenso schreibe ich kein Review, wenn schon mehrere User vor mir angemerkt haben, was auch ich zu sagen hätte und zurückweisende Reviewantworten erhielten. Hier hat jemand offenbar entschieden, dass er die Kritik nicht annehmen möchte (was sein gutes Recht ist) und ich wüsste nicht, warum ich dann noch was draufsetzen sollte.
Headcanon-Clash: Und zum Abschluss noch so ein Fanfiction-Ding. Als Fan ist mensch ja manchmal etwas emotional und hängt sehr an seinen eigenen Headcanons. Was mich persönlich oft in die Zwickmühle bringt, sind Fanfictions, die von neutraler Warte aus gesehen ziemlich gut sind, aber die mit Headcanons brechen, die mir sehr am Herzen liegen. Hier halte mich mit Feedback meist zurück, weil die Geschichte mich in einen inneren Zwiespalt bringt. Von der literarischen Seite her müsste ich die Fanfiction eigentlich loben, aber dagegen sträubt sich mein inneres Fangirl, das an seinen Headcanons hängt. Und ein Kommentar ala "Deine Geschichte ist klasse, sie ist echt ein Meisterwerk - und ich hasse sie. Wie kannst du dieses und jenes tun?!" will ich dann auch nicht schreiben, zumal ich echt kein großer Fan von den ganzen Grabenkämpfen bin, die in Fandoms zuweilen laufen. Also flüchte ich mich ins Schweigen.
So, das waren meine Gründe. Falls ich was vergessen habe, trage ich es noch nach. Was sind eure?