Seit abzusehen gewesen war, dass der nächste Jahrgang an der Akademie der wäre, der den Sohn des Hokage abbekommen würde, hatte die Lehrerschaft gebangt, wer von ihnen Naruto in der Klasse haben würde. Natürlich hatte Iruka den Kürzeren gezogen.
Eigentlich liebte er seinen Job. Kindern etwas beizubringen, und sie auf ihrem Weg in die Zukunft zu begleiten und vorzubereiten, war etwas, das ihm Freude bereitete. Naruto selbst war dabei nicht einmal das größte Problem. Sicher, er war laut und manchmal stellte er sich etwas schwer an, aber im Grunde seines Herzens war er ein guter Junge. Er war erstaunlich kreativ und auch wenn es Dinge gab, die er vielleicht nicht sofort begriff, fand er doch immer auf seine Art eine Lösung, die für ihn funktionierte. Das war etwas, das Iruka unbedingt fördern wollte, ganz gleich, wie viele Nerven dieser Junge ihm mit seinen Streichen noch kosten würde.
Das eigentliche Problem waren Narutos Eltern.
Iruka schwitzte jedes Mal Blut und Wasser, wenn es hieß, dass mal wieder ein Elternabend anstand. Das waren Momente, in denen er seinen Job wirklich hasste. Das war nicht das, was er sich vorgestellt hatte, als er diese Karriere eingeschlagen hatte. Er war nicht geschaffen für Schlachtfelder und superwichtige Geheimmissionen. Er wollte kleinen Kindern etwas beibringen, mehr nicht.
Ganz sicher wollte er nicht Yondaime-sama und Nidaime-sama sagen müssen, dass ihr Sohn respektive Stiefsohn ein Rabauke war.
Minato und Tobirama saßen ihm gegenüber und sahen ihn erwartungsvoll an. Iruka sollte wohl froh sein, dass Tobirama diese unsägliche Wölfin dieses Mal nicht mitgebracht hatte, die er schon einige Male gesehen hatte. Jedes Mal hatte er befürchtet, dass er als appetitliche Zwischenmahlzeit enden würde, wenn er sie auch nur aus der Ferne gesehen hatte. Es hatte einen guten Grund, warum sonst niemand außer Tobirama einen Pakt mit den Wölfen eingegangen war.
Er sollte langsam etwas sagen, dachte Iruka. Seine Zunge klebte ihm förmlich am Gaumen fest und sein Mund war ganz trocken. Stumm verfluchte er das Arschloch, das ihm den undankbaren Job gegeben hatte, Naruto unterrichten zu müssen. Seine Kollegen lachten sich wahrscheinlich ins Fäustchen, dass er die Arschkarte gezogen hatte und nun hier sitzen musste.
»A-also«, stammelte er. »Es geht um Naruto.«
Wow. Welch Eloquenz. Er war in der Lage, eine Klasse wilder Zehnjähriger mit zu viel Energie unter Kontrolle zu bekommen. Aber niemand hatte ihm jemals gesagt, wie man mit zwei Hokage umging, die in seinem kleinen Büro saßen.
»Hat er schon wieder seine Hausaufgaben verschludert und behauptet, Ōkami hätte sie gefressen?«, wollte Tobirama sogleich wissen. »Ōkami tut so etwas nicht.«
Vielleicht frisst sie keine Hausaufgaben, aber dafür Menschen.
»Was war das?«
Oh, verdammt! Iruka fluchte stumm aber saftig. Hatte er das gerade wirklich laut gesagt?
»N-nichts«, stammelte er hastig und schrumpfte unter Tobiramas intensiven Blick auf seinem Stuhl zusammen. »Aber das ist es nicht. Es ist mehr … Nun … Wie soll ich sagen?«
Die Worte blieben ihm im Halse stecken. Nervös wischte er sich seine feuchten Hände an seiner Hose ab.
»Strengt er sich nicht genug an?«, half Minato ihm auf die Sprünge. »Ist er unaufmerksam? Naruto kann manchmal ein Träumer sein, ich weiß.«
»Nun ja …« Iruka gönnte sich einen Moment, um sich seine Worte zurechtzulegen. »Er ist pfiffig und findet seine eigenen Lösungen für Probleme, auf die er stößt. Was Dopplegänger angeht, ist er bereits jetzt Klassenbester und weiter als seine Klassenkameraden. Wie wohl zu erwarten gewesen war.«
Er lachte nervös auf.
Tobirama sah ihn unbeeindruckt an. »Und wo ist dann das Problem?«
»Ich will ganz sicher nicht Ihre wertvolle Zeit verschwenden, Nidaime-sama«, sagte Iruka hastig. »Es ist nur …« Raus mit der Sprache. »Naruto bringt sehr viel Unruhe in die Klasse.«
Da. Jetzt war es gesagt.
»Oh. Das tut mir leid.« Minato klang ehrlich bedauernd. »Gibt es irgendwas, das wir tun können?«
»Äh … Er hat halt sehr viel Energie.«
»Natürlich hat er das«, unterbrach Tobirama ihn. »Er ist ein Kind, und Kinder in dem Alter wollen selten still sitzen.«
Minato legte ihm eine Hand auf den Arm. »Du brauchst ihm ganz sicher nicht seinen Beruf erklären.«
Tobirama sah ihn mit einem Blick an, der deutlich davon sprach, dass er anderer Meinung war. Iruka hatte das Gefühl, in diesem Moment bei ihm unten durch zu sein. Er war geliefert.
Mit einem Lächeln, das vielleicht beschwichtigend wirken sollte, wandte sich Minato wieder an Iruka. »Bitte fahr fort.«
Wenn Iruka jetzt ohnehin bereits verloren hatte, dann konnte er auch gleich mit allem herausrücken. Was hatte er jetzt schon noch zu verlieren? »Naruto legt sich gern mit seinen Klassenkameraden an und rauft sich öfters mit ihnen. Besonders mit Sasuke.«
»Eine gesunde Rivalität hat noch niemandem geschadet«, fiel ihm Tobirama erneut ins Wort.
Minato sah ihn mahnend an, aber das prallte wirkungslos an Tobirama ab.
»Das mag ja sein, aber … beißen?«
Tobirama kniff die Augen zusammen. »Und das soll jetzt weshalb ein Problem sein?«
Iruka blinzelte verwirrt. Musste er jetzt wirklich erklären, weshalb Kinder (und eigentlich generell niemand) einander nicht beißen sollten? »Nun ja … Wir bringen den Kindern zwar Taijutsu bei, aber der Einsatz von Zähnen ist dabei doch etwas … wie soll ich sagen … unkonventionell.«
Tobirama schien nicht überzeugt. »Ach. Den Lehrplan brauchst du mir nicht zu erklären. Ich war es, der ihn entwickelt hat.«
»Tobirama!«, sagte Minato mahnend. Wieder ohne Wirkung.
»Ōkami hat unserem Jungen beigebracht, mit allem zu kämpfen, was er hat«, fuhr Tobirama fort. »Und genau das tut er. Das ist doch gut! Mich hat es auch am Leben erhalten, wie du weißt. Als wir noch Kinder gewesen waren, habe ich mich auch ständig mit meinen Brüdern geprügelt. Das ist halt so. Geschadet hat es niemandem.«
Und genau deswegen war es nicht gut, wenn sich Menschen und Wölfe zusammentaten. Dabei kam so etwas heraus. Das war keine gesunde Mischung.
»An der Akademie bevorzugen wir es, wenn die Dinge in einem gewissen Rahmen ablaufen.« Iruka lehnte sich damit vielleicht endgültig zu weit aus dem Fenster, aber jetzt waren Hopfen und Malz ohnehin verloren.
Tobirama starrte ihn nieder. »Die Akademie ist kein Spielplatz, sondern soll die Kinder auf ihr späteres Leben als Shinobi vorbereiten. Da können sie sich auch nicht immer ihre Gegner aussuchen. Ich hab mich damals nicht wochenlang mit Madara an meinem eigenen Küchentisch herumgeschlagen, um jetzt mit ansehen zu müssen, wie das, was wir uns ersonnen haben, so verwässert wird.«
Iruka schrumpfte noch mehr in sich zusammen und wagte es nicht mehr, auch nur noch ein Wort zu sagen.
»Es tut mir wirklich leid, wenn Naruto Probleme bereitet.« Minato machte eine beschwichtigende Geste, die ganz und gar nicht dazu beitrug, Irukas Nerven zu beruhigen. »Ich werde mit ihm reden.«
Na, ob reden allein bei dem Bengel was bringen würde …
Minato sah Tobirama vielsagend an. Tobirama sah das offensichtlich anders. Iruka wünschte sich einfach nur noch ein tiefes Loch herbei, in das er springen konnte.
Minato wandte sich ihm wieder zu und widmete ihm ein freundliches Lächeln. »Gibt es noch etwas?«
»Nein«, piepste Iruka. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Er wollte sein Glück nicht noch mehr strapazieren.
»Gut. Ich hab noch zu tun.« Ohne ein weiteres Wort stand Tobirama auf und verließ den Raum. Minato warf Iruka noch einen entschuldigenden Blick zu, verabschiedete sich auch in Tobiramas Namen und folgte ihm dann. Iruka saß wie festgeklebt auf seinem Platz und wagte es nicht, auch nur einen Finger zu rühren, bis er ganz sicher war, dass sie gegangen waren. Erst dann atmete er erleichtert auf.
Er hasste Elternabende.
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