Madara wusste, dass dieser Kampf verloren war, dass sie an diesem Tag erneut eine Niederlage erlitten hatten. Dennoch kämpfte er weiter, so unvernünftig es auch war. Er war wütend und frustriert und wollte nichts lieber, als diese ganze Szenerie dem Erdboden gleichzumachen. Erwartungsgemäß war Hashirama in der Lage, seiner Wut zu begegnen, mit ruhiger Effizient. Das machte Madara nur noch wütender. Dieser Mistkerl sollte endlich richtig kämpfen und aufhören, ihn mit Samthandschuhen anzufassen. Sie waren Feinde bis aufs Blut, es war Zeit, dass Hashirama das ebenso sah.
Dennoch rang er Madara zu Boden. Wieder einmal.
Madara schrie frustriert auf und hackte auf das Holz ein, das um ihn herum war. Es war überall! Dicke Ranken griffen nach seinen Gliedern, und wenn er sie nicht schnell genug zerhackte oder verbrannte, drohten sie, ihn zu fesseln. Wenn das passierte, würde Hashirama wirklich so weit gehen und ihn töten? Madara hätte sich längst mit dem Rest seiner Leute zurückziehen sollen, doch dieses Mal hatte er einfach nicht den Schwanz einklemmen können. Er hatte nicht schon wieder davonlaufen können.
Auch wenn es das vernünftigste gewesen wäre. Auch wenn es das wäre, was seine Leute aus dieser Mokuton-Hölle bringen würde.
Die Ranken hatten es mittlerweile geschafft, Madara am Boden zu halten. Noch immer trat er nach ihnen mit all seiner Kraft, doch er kam nicht mehr auf die Beine. Einige Ranken hielten seine Arme gefesselt und verdrehten schmerzhaft sein Handgelenk, sodass er gezwungen war, sein Schwert fallen zu lassen.
»Nii-san!«
Von irgendwoher hörte er Izunas verzweifelten Schrei, als er wohl realisierte, dass Madara nicht mit der Nachhut geflohen war, wie er es hätte tun sollen. Der dumme Junge sollte wegrennen! Er würde gegen Hashirama nicht bestehen können, Hashirama würde ihn zerquetschen wie eine Fliege.
Madara knurrte und zerrte an seinen Fesseln. Seine Schulter schmerzte bereits, doch die Ranken gaben nicht nach.
Durch den Rauch, der das Schlachtfeld verhüllte, sah Madara Hashirama auf sich zukommen, Schwert in der Hand, doch er hielt die Klinge gesenkt. Madara hörte Izunas Schrei in der Ferne. Hikaku rief ihm etwas hinterher, vermutlich, um ihn aufzuhalten, doch es zeigte keine Wirkung. Hashirama hob den Blick. Mehr Ranken schossen aus dem Boden und versperrten Izuna den Weg zu seinem Bruder.
Nein! Nein, verdammte Scheiße! Madara war egal, was mit ihm geschah, aber um keinen Preis durfte seinem kleinen Bruder etwas geschehen. Immer verzweifelter zerrte er an seinen Fesseln. Die Ranken schnitten tief ein, ihre spitzen Äste zerrten an Madaras Kleidung und zerrissen sie.
Ein Tier, das in eine Falle geraten war, würde sich das eigene Bein abbeißen, um wieder freizukommen. Genauso fühlte sich Madara in diesem Augenblick. Eine urtümliche Furcht ergriff Besitz von ihm, die ungeahnte Kräfte freisetzte. Überleben um jeden Preis.
Er spürte kaum den Schmerz, als er sich selbst die Schulter auskugelte. Es war nicht seine Absicht gewesen, aber so schaffte er es wenigstens, seinen Arm zu befreien. Es war genug für ein letztes verzweifeltes Katon. Die Ranken fingen Feuer.
Hashirama tat nichts, um das zu verhindern.
Mit seiner unverletzten Hand griff Madara nach seinem Katana und hackte auf die Ranken ein, die seine Beine fesselten. Stolpernd kam er auf die Beine. Seine Kleidung hing in Fetzen von ihm herab.
Schwer atmend hielt Madara seinen verletzten Arm an sich gepresst, während er zu Hashirama starrte. Dieser stand noch immer mit einigem Abstand einfach da und tat nichts, um seinen Vorteil auch auszunutzen, den er sich so hart erkämpft hatte. Warum?
Das Schwert in Madaras Hand zitterte, er konnte es vor Schwäche kaum noch halten. Er blickte zu Hashirama und Hashirama tat nichts weiter, als stumm diesen Blick zu erwidern mit seinen dummen, traurigen Augen.
Madara wandte sich ab und stolperte davon.
Die ganze Zeit über hatte Izuna versucht, durch das Holz hindurchzubrechen und war einigermaßen erstaunt, als es sich mit einem Male einfach so zurückzog. Doch dann sah er Madara und war sofort an seiner Seite. Gemeinsam flohen sie von diesem Ort.
Die ganze Zeit über sprach Madara kein Wort. Allmählich klang das Adrenalin ab und das hieß, dass die Schmerzen einsetzten. Dennoch hielt er sich so lange, wie es nur ging, auf den Beinen. Izuna zuliebe, er sollte sich nicht noch mehr um Madara sorgen, als er es wahrscheinlich ohnehin schon tat.
Irgendwie schaffte es Madara auf seinen eigenen Beinen zurück in ihre Siedlung. Erst als sie ihr eigenes Haus erreichten und er nicht mehr umgeben war von den wachsamen Augen seines Clans, erlaubte er sich, kraftlos zusammenzubrechen. Izuna war sofort an seiner Seite. Jeder Millimeter seines Körpers schmerzte und zu allem Überfluss setzten jetzt auch die Kopfschmerzen ein, die immer folgten, wenn er sein Mangekyō überstrapazierte. Er kniff die Augen zusammen.
Er hatte Izuna nichts gesagt, aber allmählich ließ seine Sehkraft nach.
Izuna war sogleich an seiner Seite. »Du hat‘s heute aber echt darauf ausgelegt, Big Bro. Deine Schulter sieht übel aus. Ich bring dir Opium.«
Madara schüttelte müde den Kopf. »Nein, keine Drogen.«
»Doch Drogen«, widersprach Izuna stur. »Keine Ahnung, was du dir da heute in den Kopf gesetzt hattest, aber ich lass nicht zu, dass du unnötig Schmerzen leidest.«
Es tat weh, Madara konnte das nicht abstreiten. Aber ihm tat ohnehin jeder Millimeter seines Körpers weh, also spielte es eigentlich auch keine Rolle, von wo genau der Schmerz ausging. Nicht nur hatte er sich seine Schulter ausgerenkt, die Ranken hatten ihn auch so fest gefesselt, dass er Quetschungen und Schürfwunden davongetragen hatte. Beinahe war er erstaunt, dass er sich nicht auch noch ein Handgelenk oder einen Knöchel gebrochen hatte und es nur bei seiner Schulterverletzung geblieben war.
Müde schloss er die Augen und gab keine weiteren Widerworte, als Izuna aufstand, um die Opiumpfeife zu holen. Er hatte sich noch nicht einmal darum geschert, seine eigene Rüstung abzulegen, sondern sich sogleich Madara gewidmet. Es sollte umgekehrt sein.
Er dachte an die Traurigkeit in Hashiramas Augen.
Warum tat er das ausgerechnet jetzt? Warum machte ihn das selbst so traurig?
Sie waren einmal Freunde gewesen. Doch jetzt hätte sich Madara beinahe den eigenen Arm abgerissen, nur um von Hashirama wegzukommen. Sein Mokuton war eine entsetzliche Waffe. Mit Leichtigkeit hätte er an diesem Tag Madara in Stücke reißen können. Aber er hatte es nicht getan. Warum?
Madara verstand es nicht.
Izuna kam wieder, in der einen Hand die bereits entzündete Pfeife und in der anderen Bandagen. Er hielt Madara die Pfeife hin, und dieser nahm einen tiefen Zug. Zum Glück ließ die Wirkung des Opiums nicht lange auf sich warten und seine Sinne wurden angenehm gedämpft. Er mochte es nicht, unter dem Einfluss von Drogen zu stehen. Sie benebelten ihm die Sinne und machten ihn schwach und unvorsichtig. Doch in diesem Moment war er einfach nur froh, dass er die Schmerzen nicht mehr spüren musste.
Es reichte dennoch nicht völlig, um alle Schmerzen zu betäuben. Er zischte, als Izuna ihm die Schulter mit einem unangenehmen Knirschen wieder einrenkte. Izuna knotete ihm aus den Bandagen eine Schlinge, um den verletzten Arm ruhig zu halten, und machte sich dann daran, auch seine anderen Verletzungen zu versorgen. Madara wollte ihn davon abhalten, es sei doch nicht so schlimm, doch da döste er bereits weg.
Als er wieder aufwachte, war es bereits Nacht und Izuna hatte ihn anscheinend in sein futon gebracht. Er bemerkte, dass Izuna bei ihm war, zusammengerollt und fest an seine Seite geschmiegt, wie früher, als sie noch Kinder gewesen waren.
Madara war noch immer müde, doch bei weitem nicht mehr so entkräftet wie zu dem Moment, als sie vom Schlachtfeld geflohen waren. Dennoch konnte er nicht sofort wieder einschlafen. Er starrte zur Decke, während er den ruhigen Atemzügen seines kleinen Bruders lauschte. Das war gut, das hieß, dass es Izuna gut ging.
Es brauchte eine ganze Weile, bis er bemerkte, dass Izuna gar nicht schlief. Seit wann war Izuna schon wach?
»Schlaf weiter, du musst dich ausruhen«, wies er ihn daher zurecht.
Izuna grinste und streckte ihm die Zunge raus. »Sagt der richtige. Deine Augenringe hängen dir bis zu den Kniekehlen.« Dann jedoch schlang Izuna ihm die Arme um die Brust und kuschelte sich an ihn. »Ich bin froh, dass es dir gutgeht. Mach das nicht noch mal.«
Plötzlich ging Madara auf, welche Angst Izuna um ihn ausgestanden haben musste. Dieselbe Angst, die ihn tun ließ, was er getan hatte. Die Angst, vielleicht mit einem Mal völlig allein in dieser Welt zu sein. Izuna war doch das letzte, was ihm geblieben war, und umgedreht hatte auch Izuna niemanden mehr außer seinem Bruder. Er legte seinen gesunden Arm um Izuna und drückte ihn fest an sich. Sie waren zusammen und das war alles, was zählte.
Hashirama kam ihm wieder in den Sinn. Er vertrieb den Gedanken unwirsch.
Dennoch ließ es sich nicht leugnen, dass Hashirama heute die Gelegenheit gehabt hätte, diesen Konflikt für sich zu gewinnen. Er hatte die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.
Madaras Überlegungen wurden von Izunas Magenknurren unterbrochen.
»Hast du überhaupt schon etwas gegessen?«, verlangte Madara prompt zu wissen.
Izuna gähnte und streckte sich wie eine Katze, ungeachtet dessen, dass er immer noch halb auf Madara lag. »Kam nicht dazu. Musste meinen idiotischen Bruder zusammenflicken.«
Inakzeptabel! Madara stand sogleich auf und zerrte Izuna mit sich. Dem Mondlicht nach zu urteilen, das in ihren Raum fiel, musste es auf Mitternacht zugehen, aber das war jetzt auch egal. Er schleifte Izuna in ihre Küche und suchte ein paar Reste vom Vortag zusammen, auch wenn sich das mit einem Arm etwas schwierig gestaltete. Am Ende hatten sie beide je eine Schale mit Reis und Gemüse vor sich stehen. Etwas dürftig, aber für‘s erste genug.
»Ich hab echt keine Ahnung, was da heute abging«, nuschelte Izuna mit vollem Mund. »Ich mein, er hatte dich. Warum hat er uns dann gehen lassen? Wenn ich‘s nicht besser wüsste, ich würde sagten, der Dämon hat dich angeschmachtet.«
Hatte Hashirama das? Blödsinn, Izuna musste da etwas falsch interpretiert haben.
Aber was, wenn …
»Ich mein, verständlich«, fuhr Izuna mit einem schiefen Grinsen fort. »Wir Uchiha sehen einfach umwerfend aus.«
Madara warf ihm einen langen Blick zu. »Was soll das hier werden?«
»Blöde Scherze, um darüber hinweg zu kommen, dass ich heute dachte, du würdest am Ende dieses Tages nur noch ein Haufen blutiger Fetzen sein.«
Nicht nur Madara schien plötzlich der Appetit vergangen zu sein. Er schob seine Schale von sich. Izuna rutschte auf Knien an seine Seite, schlang die Arme um ihn und drückte sein Gesicht in Madaras Halsbeuge.
»Ich hatte Angst«, wisperte Izuna. »Solche Angst, ich hab keine Worte dafür.«
Madara spürte etwas Feuchtes an seinem Hals. Izunas Tränen. Ungeachtet seiner noch immer dumpf schmerzenden Verletzungen erwiderte er die Umarmung so fest, wie er nur konnte.
Wie hatte er das seinem Bruder nur antun können? All das musste ein Ende finden, irgendwie.
Eine Idee überkam ihn, ganz plötzlich. Sie war idiotisch und voller Risiken. Alles mögliche könnte schiefgehen und es war sehr wahrscheinlich, dass es in einer Katastrophe endete. Aber wenn Madara richtig vermutete, dann würde es vielleicht all dieses sinnlose Schlachten beenden.
Er musste es einfach versuchen. Zu lange schon hatte er sich verboten zu träumen, zu hoffen. Er musste es versuchen, um Izunas willen. Sein kleiner Bruder verdiente es, in einer Welt zu leben, in der sie nicht tagtäglich um ihr Überleben kämpfen mussten.
In den kommenden Wochen leckten die Uchiha ihre Wunden. Es kam zu kaum nennenswerten Vorfällen mit ihren Feinden. Jeder blieb für sich und nur gelegentlich unternahmen beide Seiten kleinere Vorstöße. Doch es würde unweigerlich wieder zu einem Zusammenstoß kommen, das war so unumstritten wie der Sonnenaufgang jeden Morgen.
Madara konzentrierte sich darauf, schnell wieder zu Kräften zu kommen, um für diesen Moment bereit zu sein. Er sagte Izuna nichts von seinem Plan, weil er genau wusste, was sein kleiner Bruder davon halten würde: absolut gar nichts. Besser, wenn er sich einfach an den dünnen Grashalm der Hoffnung klammerte.
Denn wenn sich seine Idee als fatal herausstellte, wusste er nicht, wohin sie das hier alles noch führen sollte. Sie waren ausgeblutet und entkräftet. Jeden Tag, wenn er durch ihre Siedlung ging, sah er ausgemergelte Gesichter und leere Blicke. Kinder lachten und spielten nicht, sondern trainierten, und ihre Eltern standen mit harten Gesichtern daneben und machten kleine Soldaten aus ihnen.
Es war falsch, so falsch. Krieg war eine entsetzliche Sache. Er musste es beenden, um jeden Preis.
Natürlich kam es unweigerlich wieder zu einem größeren Konflikt mit den Senju, das war nur eine Frage der Zeit. Madara war sich nicht einmal sicher, ob Hashirama das wirklich provozierte, oder ob diese Dinge einfach passierten, als wäre es der natürliche Lauf der Dinge.
Der Fakt blieb bestehen, dass sie sich nun wieder auf einem Schlachtfeld gegenüber standen. Schon lange spielte der Grund dafür keine Rolle mehr, und auch die Orte waren beliebig austauschbar geworden. Als sich der kommende Kampf immer deutlicher abgezeichnet hatten, hatte sich Madara routinemäßig mit Izuna und Hikaku zusammengefunden und ihre Taktik geplant. Ein offenes Feld dieses Mal. Das war gut, das würde den Senju zumindest einen Teil ihres Vorteils nehmen. Nicht, dass das Hashirama irgendwie behindern würde, notfalls würde er einfach seinen eigenen Wald heraufbeschwören.
Doch selbst Mokuton-Holz brannte, wenn das Katon nur stark genug wäre.
Vielleicht an diesem Tag ein letztes Mal.
Madara sah über das weite Feld zu den Senju hinüber und rollte mit der Schulter. Gut, alles wieder verheilt. Hashirama war einfach auszumachen, wie üblich ganz an der Spitze seiner Leute, an seiner Seite sein Bruder. Wieder dachte Madara daran, wie Hashirama ihn angesehen hatte. Er vertraute auf seine Intuition, er musste einfach.
Er gab Hikaku das Zeichen zum Angriff.
Es war ihr üblicher Tanz. Während Izuna und Tobirama miteinander die Klingen kreuzten und Madara alles daran tat, Hashirama von seinen Leuten fernzuhalten, übernahm Hikaku die eigentliche Befehlsgewalt über ihre Truppen. Er war gut darin, sehr sogar, und Madara vertraute ihm vollkommen. Er konnte sich keinen besseren für diesen Posten vorstellen.
Mit den Jahren hatte Madara viel Erfahrung darin gesammelt, wie Hashiramas Mokuton zu bekämpfen sei. Es war nicht leicht, doch er war ein guter Tänzer. Außerdem hatte er schon vor vielen Jahren etwas entdeckt, ein winziges Detail, dem er bisher nicht viel Bedeutung beigemessen hatte. Vielleicht hätte er das ja tun sollen. Hashirama neigte dazu, ihn nahe an sich heranzulassen.
Man mochte meinen, dies sei ein Fehler, eine gefährliche Leichtsinnigkeit, sich ausgerechnet mit Madara auf einen Nahkampf einzulassen. Bei jedem anderen hätte das Madara schon längst hemmungslos für sich ausgenutzt, aber irgendwie hatte er es immer genossen, auf solch eine intime Art Hashirama zu begegnen. Es war irgendwie aufregend und trug einen ganz eigenen Nervenkitzel in sich.
Heute jedoch hatte Madara sehr wohl vor, es für sich auszunutzen.
Es war leicht, an Hashirama heranzukommen, jedoch eine Herausforderung sondergleichen, seine Verteidigung zu durchbrechen. Hashiramas Macht auf dem Schlachtfeld war unbestritten, und so mächtig sein Ninjutsu auch war, so besaß er auch enormes Geschick im Schwertkampf. Madara kannte kaum jemanden, der mit ihm mithalten konnte.
Heute jedoch wirkte er abgelenkt, und das war es, worauf Madara gezählt jedoch nicht zu hoffen gewagt hatte. Es war ein riskantes Spiel, auf das er sich hier eingelassen hatte, sich statt seiner üblichen Kampfmontur nur einen leichten Yukata überzuwerfen und den auch noch ziemlich locker zu binden. Izuna hatte ihn für verrückt erklärt, und auch Hikaku hatte seine Bedenken geäußert, aber Madara hatte nichts davon hören wollen.
Es funktionierte. Madara konnte selbst kaum glauben, dass es funktionierte. Hashirama starrte.
Er nutzte es hemmungslos aus, dass Hashirama von seinem Anblick so abgelenkt wurde, und durchbrach seine Verteidigung. Eine Klinge durchs Herz würde nicht einmal Hashirama überleben. Aber das war es nicht, worauf Madara aus war.
Inmitten der um sie herum wogenden Kämpfe ergriff er Hashiramas Nacken und presste ihre Lippen aufeinander.
Hashirama tat nichts, um das zu verhindern. Ganz im Gegenteil schien jeglicher Kampfeswille von ihm abzufallen, als er sein Schwert sinken ließ und den Kuss erwiderte. Es war ein Kuss voller Verzweiflung und unterdrückter Emotionen, denen niemals Raum gegeben worden war. Es war ein Kuss, der nach Asche und Schweiß und Blut schmeckte. Aber in diesem Augenblick gab es nichts schöneres auf der Welt.
Die Zeit stand still. Alles verlor seine Bedeutung, alles bis auf diesen Kuss.
Sie lösten sich voneinander, doch nur ein winziges Bisschen. Hashirama legte Madara eine Hand auf die Wange und blickte ohne Furcht in seine Augen. Madara erwiderte den Blick und sah die Tränen in Hashiramas sanften braunen Augen. Sie hatten Spuren in dem Ruß auf seinen Wangen hinterlassen.
»Madara«, sagte Hashirama sanft. Es erschien unmöglich, dass dieser Mann, der jedes Schlachtfeld mit solch roher Gewalt dominierte konnte, so sanft sein sollte.
»Das hört jetzt auf«, erwiderte Madara. »All das Kämpfen, Töten und Leiden. Welchen Sinn hat es denn noch?«
»Ich liebe dich«, wisperte Hashirama nur für seine Ohren.
»Ich weiß …«
Hashirama sah ihn einen Moment lang an, unsicher, was zu tun sei. Doch dann trat ein entschlossener Blick auf seine Züge und er wandte sich ab.
Um sie herum waren die Kämpfe unbeirrt weitergegangen. Anscheinend hatte sich niemand darum geschert, was die Anführer beider Seiten gerade taten. Noch immer schlug Stahl auf Stahl, noch immer starb man für nichts und wieder nichts.
»Schluss damit!«, rief Hashirama über die Schreie der Sterbenden hinweg. Irgendwie schaffte er es, dass seine Stimme trotz des ohrenbetäubenden Lärms eines jeden Schlachtfeldes weithin zu hören war. »Ich befehle, dass jegliche Kampfhandlung sofort eingestellt wird!«
Natürlich reagierte niemand darauf. Es war ein irrsinniger Befehl, den Hashirama da gab, als wolle er mit bloßen Händen den Wind aufhalten. Er tat es dennoch, als er zwischen zwei Kämpfer trat und sie nicht allzu sanft voneinander trennte.
»Aufhören, sagte ich!«
Tobirama schien zu bemerken, was sein Bruder da tat. Verwirrt sah er zu ihm. »Anija, was soll das?«
Izuna nutzte dies natürlich sofort aus und versuchte, seinen Vorteil aus der Situation zu ziehen. Mit erhobenem Katana ging er zum Angriff über.
»Izuna, hör auf!«, befahl Madara ihm mit all der Autorität in der Stimme, zu der er in der Lage war.
Izuna härte natürlich nicht auf ihn. Madara stürzte ihm hinterher. Tobirama starrte die Brüder ein, ein Ausdruck tiefster Verwirrung auf dem Gesicht. Madara hielt Izuna fest gepackt, einen Arm von hinten um seinen Hals, mit dem anderen hielt er Izunas erhobenen Schwertarm.
»Nii-san! Was soll das?«, protestierte Izuna und wehrte sich gegen den Griff. Madara ließ nicht locker.
Mittlerweile bemerkten auch andere, was hier vor sich ging. Allmählich kamen die Kämpfe um sie herum zum Erliegen, Verwirrung breitete sich aus. Ratlos, was sie nun machen sollten, verfolgten die Kämpfer beider Seiten das Geschehen.
»Diese Kämpfe haben mit sofortiger Wirkung aufzuhören«, befahl Madara. »Gewalt gebiert nichts weiter als neue Gewalt und führt zu nichts.«
Er konnte dem Wind nicht befehlen, aufzuhören zu wehen, oder der Sonne, aufzuhören zu scheinen. Es wäre nicht einfach so damit getan, zu proklamieren, dass ab sofort Frieden sei. Aber all das sinnlose Schlachten hier und jetzt zu beenden, wäre zumindest ein Anfang.
Er sah zu Hashirama. Hashirama erwiderte den Blick. Ein dankbares Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich, aber in diesem Moment bestand ein stummes Verständnis zwischen ihnen, dass sie diesen Weg gemeinsam gehen würden.
Wie hatte Madara nur jemals zulassen können, dass irgendetwas sie trennen würde? Doch das war jetzt vorbei. Gemeinsam waren sie stark. Gemeinsam konnten sie das unmögliche möglich machen.
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