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Kapitel: | 29 | |
Sätze: | 3.825 | |
Wörter: | 58.422 | |
Zeichen: | 341.127 |
England, Bristol
April 1754
Schweren Herzens verließ ich England und meine Freundin.
„Wir werden uns schreiben, Isabelle! Und vielleicht darf ich dich auch einmal besuchen, wenn Vater es erlaubt!“ meinte sie noch beim Abschied!
„Du reist ja nicht wirklich in die Fremde, du kommst UNS besuchen!“ lächelte ich Michelle zuversichtlich an. Ihr Vater war mitunter etwas schwierig und meiner Meinung nach viel zu streng.
Aber meine Verpflichtungen gegenüber dem Orden konnte ich nicht vernachlässigen.
Eigentlich war ich sehr gespannt auf die Kolonien und die Menschen, die sich dort niedergelassen hatten.
Ich komme aus einem kleinen Dorf in Preußen und bin bisher nur in England, genauer gesagt London, gewesen. Viel gesehen hatte ich also noch nicht von der Welt.
Aber ich war ja auch erst 21 Jahre alt, ich hatte noch mein Leben vor mir und würde sicherlich noch ein paar Reisen antreten, eigentlich hoffte ich darauf!
Also bestieg ich am 18. April 1754 die „Providence“ um nach Boston aufzubrechen.
Der Brief meines Großmeisters sprach von einer hohen Dringlichkeit und die Aufgabe duldete keinen Aufschub.
Doch es gab eine Verzögerung, einer der Mitreisenden, würde erst morgen früh an Bord kommen!
Ärgerlich, ich hätte noch einen Tag im Kreise meiner Freunde verbringen können. Wer auch immer dafür verantwortlich war, würde von mir noch einen passenden Satz dazu hören.
Ich verließ noch einmal das Schiff und schlenderte durch die Gassen von Bristol. In einem kleinen Buchladen kaufte ich mir noch zwei Bücher, damit die Überfahrt nicht ganz so von Langeweile geprägt sei.
Gegen Abend aß ich in einer Taverne noch eine Kleinigkeit und ging dann wieder an Bord. Dort verkündete man, dass wir im Morgengrauen endlich ablegen würden.
Ich unterhielt mich noch eine Weile mit dem Kapitän und konnte seinen Unmut regelrecht sehen. Er hatte ein paar Aufträge durch diese Verzögerung verloren und der Herr der noch mitsegeln würde, wäre angeblich so ein typischer reicher Schnösel.
Gut zu wissen, dann würde ich mich lieber nicht mit ihm auseinandersetzen, denn diese Sparte der Gesellschaft war mir zuwider.
In meinem hielt es mich aber nicht lange, obwohl es mittlerweile weit nach Mitternacht war. An Schlaf war für mich nicht zu denken, ich war, auch wenn ich es nicht unbedingt zugeben mag, ziemlich nervös. Es wäre meine erste größere Aufgabe, welche ich zu erledigen hätte.
Also stand ich jetzt an der Reling und sah auf den Hafen hinunter.
Hier herrschte irgendwie immer reger Betrieb, obwohl es jetzt einige Trunkenbolde waren, welche sich stark schwankend und laut singend hier rumtrieben.
Dann sah ich eine Kutsche vor der Anlegestelle anhalten und ein Mann stieg aus. Sein Kutscher nahm sich eine der Reisetruhen und folgte ihm.
Das muss der Herr sein, weswegen wir bis zum Morgengrauen warten mussten. Am liebsten hätte ich ihm gleich etwas dazu gesagt, aber das gehörte sich nun wirklich nicht. Die nächsten Tage gäbe es bestimmt genügend Gelegenheiten dazu.
Sein Blick glitt über das Schiff und blieb dann fragend an mir hängen, doch er ging ohne Worte weiter.
Ich streckte mich noch einmal und nahm die frische Luft auf, ging dann aber hinunter zu meiner Kabine, um vielleicht doch ein wenig schlafen zu können.
„Ich danke euch, Holden. Ich werde euch auf dem Laufenden halten, was meine Arbeit angeht. Ich hoffe, ihr werdet das selbe tun.“ hörte ich nebenan leise Stimmen.
„Aber sicher doch, Master Kenway. Ihr könnt euch auf mich verlassen!“ und dann entfernten sich Schritte und eine Tür wurde geschlossen.
Kenway? DER Haytham Kenway?
Ich kannte ihn nur vom Hören-Sagen und war ihm noch nie vorher persönlich begegnet. Ihm eilte der Ruf voraus, sein Handwerk bis zur Perfektion ausgebaut zu haben, nämlich das Töten.
Er gehörte, wenn ich richtig lag, dem britischen Ritus an, doch was wollte er bitte in den Kolonien?
Ich hoffte, unsere Interessen würden sich nicht überschneiden, dann hätte ich nämlich ein Problem!
Doch das konnte jetzt auch für ein paar Stunden warten, mich überkam endlich die Müdigkeit und ich legte mich in meine Koje. Nicht besonders bequem, aber es musste halt auch mal so gehen.
*********
Geweckt wurde ich, weil es schaukelte und das Holz laut knartschte. Die Providence hatte also abgelegt.
Langsam erhob ich mich und sah, dass es schon hell war, die Sonne schien und es war angenehm warm.
Der Kapitän hatte mir angeboten, die Mahlzeiten bei ihm einzunehmen, damit ich nicht so alleine sei. Er war ein etwas mürrischer Mann, doch im Grunde mir gegenüber freundlich. Mehr musste es auch nicht sein, ich wollte ihn ja nicht heiraten.
Also ging ich hinauf, nachdem ich mich gewaschen hatte und in meine etwas einfachere Garderobe gestiegen war.
An Deck herrschte rege Betriebsamkeit und es war wie ein gut durchdachter Ameisenbau. Wir waren schon aus dem Hafenbereich hinaus und als ich mich umsah, fand ich auch den Kapitän, welcher sich gerade mit diesem Kenway unterhielt. Dann war er tatsächlich der schnöselige Mitreisende, von dem Mr. Smythe gestern gesprochen hatte.
Ich ging auf die beiden zu und vernahm nur „Ihr Neureichen seid doch alle gleich!“ maulig aus dem Mund des Kapitäns.
Als er mich sah, erhellte sich sein Blick und er begrüßte mich höflich mit Handkuss. „Mistress Alberts, wie ich sehe, habt ihr die erste Nacht heile überstanden.“
„Danke, Mr. Smythe. Sie war etwas unruhig, weil dies meine erste größere Reise ist und dann auch noch alleine.“ lächelte ich ihn an.
„Keine Sorge, Mistress Alberts, wir werden schon auf euch Acht geben.“ gab er mit einer solchen Inbrunst von sich, dass man ihm das sofort abkaufen musste.
Er bat mich, ihm zu folgen und ich erhielt ein kleines, aber sehr leckeres Frühstück.
Das Gespräch bei Tisch war ein seichtes Geplänkel, bei welchem ich kundtat, dass ich schon jetzt meine Heimat vermissen würde und so weiter.
Er hörte mir so aufmerksam zu wie nur möglich und erwiderte hin und wieder, dass er mich durchaus verstehen würde.
Danach ging ich wieder an Deck und traf auf diesen Schnösel, welcher mit einem säuerlich Ausdruck auf dem Gesicht vor sich hinstarrte. Ich konnte seine Laune etwas verstehen, wer lässt sich schon gerne beleidigen, doch auch mich hatte er verärgert.
Als er mich sah, konnte ich sehen, wie er in eine ganz andere Art umschlug, als hätte man ihn einer Gehirnwäsche unterzogen.
„Mistress Alberts, nehme ich an?“ fragte er höflich mit einer sehr angenehmen, tiefen Stimme.
„Ja, die bin ich. Und ihr seid, wenn ich richtig informiert bin, Master Kenway?“ und reichte ihm meine Hand, welche einen Handkuss von ihm bekam.
„Was macht eine junge Frau alleine auf einem Handelsschiff Richtung Boston?“ kam es jetzt etwas zu neugierig für meinen Geschmack von ihm.
„Ich besuche Freunde meiner Eltern, nachdem ich in London bereits meine Freundin besucht hatte.“ erzählte ich nicht ganz die Wahrheit, aber mehr musste dieser Mann nicht wissen. Nicht, solange ich seine Absichten nicht kannte, welche er in den Kolonien hat. „Ihr plant doch nicht etwa, ebenfalls auszuwandern, Mistress Alberts?“ ein höfliches Lächeln trat auf sein Gesicht und eine leichte Gänsehaut lief mir über den Rücken. Für einen Moment hatten sich seine Augen verändern, die Farbe eher. Es war, als läge für einen kurzen Augenblick ein Schleier darüber.
„Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor. Aber wer weiß, wenn es mir dort gefällt, warum sollte ich nicht dort einen Neuanfang versuchen, Master Kenway?“ ich versuchte meine Verwirrtheit im Zaum zu halten und hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte.
„Da habt ihr sicherlich Recht, doch so einfach die Zelte in seiner Heimat abbrechen, ist kein leichtes Unterfangen. Ich hoffe, ihr macht es aus freien Stücken und nicht, weil es euch aufgezwungen wird.“ meinte er mit einem wissenden Unterton.
Er dachte vermutlich, ich wurde dorthin geschickt, um zu heiraten.
„Falls ihr damit meint, dass ich dorthin segle, weil ich jemandem versprochen bin, dann kann ich nur sagen, dem ist nicht so. Ich reise aus freien Stücken, Master Kenway.“ antwortete ich ehrlich und entweder täuschte ich mich, oder war er etwas erleichtert über meine Aussage?
Doch ich konnte mich auch täuschen.
Je länger ich mich mit ihm unterhielt, desto weniger hatte ich den Eindruck, er sei einer dieser schnöseligen Neureichen!
Er machte einen sehr eloquenten Eindruck, er war gebildet und, nunja, er sah nicht schlecht aus.
Sein Erscheinungsbild hatte eine gewisse Präsenz, bei der man sich am liebsten nichts zuschulden kommen lassen will, nur um jeglichen Ärger zu vermeiden!
Die ersten Tage verbrachte ich also mit Master Kenway und Mr. Smythe. Das Essen war nicht üppig, aber lecker, doch ich war nie alleine bei den Mahlzeiten.
Die Mannschaft schien jedoch mit Kenway ein Problem zu haben, oder sie hatten einfach nur Langeweile.
Auf jeden Fall trat er, es war ungefähr am 4. Tag, an Deck und einer der Matrosen pöbelte ihn an, mit den Worten, er solle sich lieber wieder verziehen, an Deck hätte er nichts zu suchen.
Mit dieser Schlagfertig hatte ich jedoch nicht gerechnet, er konterte mit den Worten
„Und trotzdem seid IHR hier!“ und dann kam es zu den ersten Handgreiflichkeiten. Fasziniert stand ich daneben und sah den Kontrahenten dabei zu, wie sie sich provozierten und belauerten.
Doch man merkte schnell, dass Haytham gut trainiert war und die Taktik seines Gegenübers schnell einschätzen konnte. Der Pöbler hatte keine Chance gegen die Schnelligkeit und Kraft der Schläge von Master Kenway.
Doch ein weiterer Mann meinte ihn herausfordern zu müssen, dieses mal mit einem Messer.
Auch das war für den Templer kein Problem und im Handumdrehen, im wahrsten Sinne des Wortes, hatte er dem Angreifer die Waffe abgenommen.
Wie es sich aber oft verhält, genau in diesem Moment erschien Mr. Smythe und war alles andere als begeistert von dieser Art des Zeitvertreibs.
Nach einem etwas hitzigen Wortwechsel, bat der Kapitän Master Kenway, ihm zu folgen. Er hätte etwas zu besprechen.
Als die beiden an mir vorbeigingen, lächelte mich Haytham zufrieden an und ich erwiderte es.
Ich würde jetzt aber zu gerne wissen, was die beiden zu bereden hatten. Als sich die Tür zur Kapitänskajüte geschlossen hatte, ging ich langsam darauf zu und stellte mich an die Treppe, welche zur Brücke führte.
Ich tat, als würde ich die dort herumstehenden Kisten in Augenschein nehmen.
Aus dem Inneren vernahm ich dann auch einige Wortfetzen.
Mr. Smythe befürchtete eine Meuterei und bat Kenway, sich umzuhören, bevor es wirklich dazu kommen konnte.
Jedoch tat er es nicht höflich bittend, sondern er forderte es einfach von seinem Passagier.
Diesem passte dieser Ton aber mal gar nicht und in einem wahnsinnig kalten Ton hörte ich, wie Haytham sagte
„Solltet ihr mich noch einmal bedrohen oder beleidigen, dann werde ich nicht davor zurückschrecken, euch einen Kopf kürzer zumachen, eigenhändig!“
Ich hörte Schritte auf die Tür zu kommen und eilte zur Reling, gerade noch rechtzeitig, wie ich hoffte.
Dann spürte ich ihn im Rücken.
„Ich hoffe, ihr konntet eure Neugierde befriedigen, Mistress Alberts!“ kam es wieder in diesem kalten Ton und ich erschauerte.
Ich sah stur auf das Meer und erwiderte zitternd „Ja, das konnte ich, Master Kenway!“ doch er blieb noch einen Moment so hinter mir stehen und ich hörte, wie er tief durch atmete, vermutlich um sich selber zu beruhigen.
Als er weg war, klammerte ich mich an das Holz und hatte schon Angst, dass ich gleich umfalle.
Denn diese Art von ihm war mehr als unheimlich und diese Nähe gerade verwirrte mich noch mehr!
Auch ich atmete langsam und konzentriert, um mich wieder zu beruhigen.
Ich beschloss, in meine Kabine zu gehen und mir eines meiner Bücher vorzunehmen, ich brauchte Ablenkung!
Auf dem kleinen Gang sah ich gerade noch, wie Kenway aus meinem Quartier kam und vorsichtig die Tür schloss.
Er hatte mich nicht bemerkt, dachte ich zumindest!
Ich ging davon aus, dass er in dieser kurzen Zeit wohl kaum meine gesicherte Truhe aufbekommen hatte, somit hätte er auch keinerlei Anhaltspunkte finden können über mich. Ich wartete noch, bis er verschwunden war und eilte dann in mein Reich.
Es war alles so, wie ich es verlassen hatte, anscheinend war er geübt, was das Durchsuchen anging. Nur meine abgeschlossene Kiste stand anders. Also hatte er versucht, sie zu öffnen, aber dabei schien es geblieben zu sein.
Prolog II
*** Misstrauen und Überwachung ***
Es war alles noch da, nichts fehlte und so beschloss ich, dass ich mir jetzt einfach das Buch nehme und mich wieder an Deck begebe.
Vielleicht bekäme ich ebenfalls die Chance, SEIN Quartier beizeiten durchsuchen zu können.
Meine Neugierde ist manchmal unbändig, wie er schon bemerkt hatte.
Oben in der warmen Sonne setzte ich mich auf eine der Kisten und fing an zu lesen.
„Mistress Alberts?“ hörte ich diese tiefe Stimme neben mir und als ich hochsah, starrten mich graue Augen an.
„Wer seid ihr und was ist euer Auftrag? Anscheinend wisst ihr, wer ICH bin und ich wüsste gerne, mit wem ich die nächsten Tage hier auf dem Schiff verbringen werde.“
Mit diesen Worten nahm er meinen Arm und führte mich zum Bug. Dort baute er sich drohend vor mir auf.
„Ihr seid nicht so unschuldig, wie ihr tut. Wer hat euch geschickt?“ Sein Ton war eiskalt, genau wie seine Augen und seine Finger bohrten sich in meinen Oberarm.
„Mich hat niemand geschickt, Master Kenway. Ich wurde einfach nach Boston beordert, um nach dem Rechten zu sehen.“ meinte ich zähneknirschend, weil dieser Griff seiner Hand gewaltig schmerzte.
In diesem Moment fiel mir ein, dass ich ja meinen Templerring trug und hielt ihm meine Hand entgegen.
Für einen kurzen Augenblick starrte er ihn an und dann wieder in mein Gesicht. „Wem habt ihr den Ring abgenommen?“ kam es eisig von ihm.
„Niemandem, er gehört mir! Wie könnt ihr es wagen, mich eines Mordes oder Diebstahls zu bezichtigen, Master Kenway?“ meine Stimme zitterte ein wenig, aber ich konnte mich noch kontrollieren!
„Dann klärt mich gefälligst auf, weil ich von euch noch nie gehört habe!“ drängte er mich weiter und ließ mich nicht aus den Augen.
„Vermutlich, weil ich nicht so skrupellos und blutrünstig bin wie ihr!“ meinte ich schnippisch und im selben Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen.
Wenn er schon ziemlich wütend war, dann steigerte sich dieses noch einmal.
„Wie war das bitte, Mistress Alberts?“ kam es lauernd aus seinem Mund.
„Euer Ruf eilt euch voraus, Master Kenway! Das wisst ihr doch!“
Seine andere Hand griff nach meinem anderen Arm und er stand nur wenige Zentimeter vor mir. Ich konnte seine Wut förmlich fühlen, sein Atem ging konzentriert und schwer. „Dann solltet ihr euch besser gut überlegen, was ihr noch so von euch gebt! Und ich rate euch, versucht erst gar nicht, mein Quartier zu durchsuchen!“ funkelte er mich an.
„Aber ihr durftet einfach in meinen Sachen herum schnüffeln, ja? Seid ihr wenigstens fündig geworden oder seid ihr gleich verzweifelt an meiner Truhe?“
Leider bin ich für meine sehr offenen Worte bekannt, mein Vater konnte mich nie davon abbringen, egal wie hart er mich als Kind bestraft hatte.
Mein loses Mundwerk brachte mir oft Ärger ein und meine Eltern hatten es nicht immer leicht mit mir.
Doch er konterte geschickt.
„Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte und ihr nicht so früh wieder unten erschienen wäret, dann wäre das Schloss meinem Dietrich zum Opfer gefallen, Mistress Alberts!“ dann hatte er mich doch bemerkt!
In diesem Moment fiel mir wieder ein, dass ich dringend das Schleichen weiter trainieren muss.
Das würde ich jetzt in den Kolonien mit meinem dort wartenden Großmeister in Angriff nehmen und zwar zügig nach meiner Ankunft.
„Ihr werdet mir ja auch nichts über euren Auftrag berichten, also bin ich euch keine Rechenschaft schuldig, weswegen ich in die Kolonien aufgebrochen bin. Soviel kann ich euch aber sagen, meine Familie gehört seit Jahrzehnten und Generationen dem preußischen und hannoverschen Ritus an. Mein Vater ist Vorsitzender des ältesten Rates und Großmeister dort!“ gab ich jetzt zickig von mir, er sollte mich jetzt endlich los lassen! Schließlich hatte ich ihm nichts getan...
Doch dann dämmerte mir, worauf er hinaus wollte!
„Ihr glaubt, ich habe etwas mit dieser geplanten Meuterei zu tun, Master Kenway?“ mir stand der Mund offen, es kam nur ein „Ja, das würde erklären, warum noch ein weiterer Passagier einfach mit an Bord ist!“
Sein Griff lockerte sich aber kein bisschen und ich hatte Angst, wenn ich noch länger in seine Augen blickte, dass ich zu Eis erstarre.
„Dann wäret ihr aber auch ein potentieller Kandidat dafür, findet ihr nicht?“ meinte ich in meiner zu lockeren Art.
Ein Schnauben von ihm deutete an, dass er diesen Gedanken anscheinend sehr absurd fand.
„Ihr habt Recht, ich werde euch sicher nicht in Kenntnis setzen, was meine Ziele in den Kolonien betrifft. Aber wenn ihr ebenfalls nur heile dort ankommen wollt, dann sollten wir … vielleicht versuchen, gemeinsam heraus zu finden, was die Mannschaft plant!“ mir klappte wieder der Mund auf.
„Ihr schlagt ernsthaft eine Zusammenarbeit vor? Womit habe ich diese Ehre verdient, Master Kenway?“ meinte ich so zynisch, dass ich befürchtete, er bricht mir gleich meine Arme.
„Weil ich euch so im Auge behalten kann und herausfinde, ob ihr nicht doch plant, mich hinterrücks zu ermorden, Mistress Alberts!“ kam es zischend zwischen seinen Zähnen hervor und er ließ mich los.
Ich rieb mir die Arme, das würde nette blaue Abdrücke geben und die Muskeln dankten es mir jetzt schon mit Schmerzen.
„Sehe ich aus wie eine Assassine?“ maulte ich ihn an, ich hasste es, wenn mir unterstellt wurde, ich würde so agieren!
„Das nicht, nein. Aber man weiß ja nie, wer vor einem steht.“ kam es nur böse von ihm, dann drehte Kenway sich um und ließ mich einfach stehen.
Und was war jetzt mit der Zusammenarbeit?
Ich seufzte nur und lehnte mich an die Reling.
„Ihr solltet diesen Herren besser nicht verärgern, Miss. Wer weiß was er macht, wenn ihr nachts friedlich in eurer Koje liegt!“ hörte ich eine fiese kichernde Stimme hinter mir.
Es war einer der Schlägertypen und grinste mich breit an.
„Vielleicht sollte ich euch für die restliche Zeit beschützen, dann seid ihr auch nicht so einsam in eurem Quartier...“ er kam mit einem lüsternen Blick auf mich zu, doch ich reagierte einfach nur noch.
Er hatte mein Knie schneller zwischen seinen Beinen, als er gucken konnte und knickte vor meinen Füßen zusammen.
„Solltet ihr es auch nur wagen erneut in meine Nähe zu kommen, dann garantiere ich euch, dass ihr euch von eurem besten Stück verabschieden könnt! Ist das klar?“ meinte ich kalt zu ihm.
Ich ließ ihn einfach keuchend dort zurück, für solche Spielchen hatte ich keine Zeit und auch keine Lust.
Auf dem Weg zurück zu meinem Quartier, kam ich an Haytham vorbei, welcher den tätlichen Angriff beobachtet hatte.
Für einen Moment dachte ich, ich hätte so etwas wie Anerkennung in seinem Blick gesehen, doch jetzt funkelte er mich wieder nur an.
Mit erhobenen Kopf ging ich an ihm vorbei und nach unten.
Während des Abendessens besprachen wir dann mit Mr. Smythe unseren Plan, gemeinsam diese Meuterei aufzuhalten.
Der Kapitän stimmte einfach nur zu und ließ uns freie Hand. Master Kenway und ich hatten eine Art Wachplan aufgestellt, in welchem wir uns abwechselnd gerade Nachts hier umsahen.
Genügend Schlaf würde jeder von uns beiden bekommen, dafür war gesorgt.
Die erste Wache übernahm dann Kenway gleich und ich konnte mich für ein paar Stunden ausruhen.
Als er mich dann weckte, schreckte ich regelrecht hoch, ich hatte ihn überhaupt nicht hereinkommen hören.
„Hätte ein Anklopfen nicht gereicht, Master Kenway?“ meinte ich etwas empört.
„Ihr habt nicht darauf reagiert, Mistress Alberts. Was hätte ich sonst tun sollen? Und jetzt seht zu, dass ihr eure Schicht übernehmt.“ dieser kalte Ton war einfach widerlich und ich schüttelte mich dabei.
So verliefen die nächsten Tage und Nächte, bis wir eines Abends, es musste ungefähr der 30 Tag gewesen sein, nach dem Essen bemerkten, wie einige Fässer über Bord geworfen wurden.
Aber wir kamen leider zu spät in dem Laderaum an, hier war niemand mehr. Wir fanden lediglich noch weitere markierte Fässer.
Also sollten wir unseren Schichtplan noch einmal überdenken und einige Zeiten sich überschneiden lassen, damit uns nichts entgeht.
Am 32. Tag hockte ich in einem der Lagerräume hinter einem Fass und Master Kenway in dem angrenzenden Raum. Doch es tat sich nichts, entweder waren wir aufgeflogen oder man brauchte keine Markierungen mehr hinterlassen.
Im Morgengrauen ging ich in meine Kabine und traf dabei auf Haytham.
„Master Kenway, habt ihr etwas in Erfahrung bringen können?“ gähnte ich etwas undamenhaft, hielt mir aber die Hand vor den Mund.
„Nein, leider nicht. Ich denke, wir sollten jetzt noch ein wenig Schlaf nachholen und heute Abend weiter sehen. Ich wünsche euch ruhige Träume, Mistress Alberts!“ kam es in einem versöhnlichen Ton von ihm.
„Das wünsche ich euch auch, Master Kenway!“ ich verschwand in meinem Reich und hörte nach kurzem Zögern, wie sich auch seine Schritte entfernten.
Am Späten Vormittag erwachte ich mit einem knurrenden Magen.
Also stand ich auf, wusch mich und zog mich an.
Ich ging zum Smutje, um zu fragen, ob ich noch etwas zu Essen bekommen könnte, da ich leider das Frühstück verpasst hätte.
„Miss, ich habe nur noch ein wenig Porridge übrig. Aber das ist kalt!“ meinte er etwas entschuldigend, ER konnte ja nichts für meine Verspätung.
Doch ich nahm die Schüssel dankend entgegen und ging hinauf an Deck.
Auch mein Wachkompagnon war bereits auf den Beinen und unterhielt sich mit dem Kapitän.
Als er mich sah, winkte er mich dazu und auch ich erstattete den etwas mageren Bericht.
Dann vernahm ich ein Magenknurren aus Haythams Richtung und grinste ihn nur an. „Master Kenway, hier. Ihr solltet etwas essen, ihr fallt mir sonst noch vom Fleisch und mit leerem Magen lässt es sich nicht gut denken!“ meinte ich fürsorglich und reichte ihm die Schüssel mit dem Porridge.
Es war mehr als eine Portion und ich war wirklich bereits satt.
Dankend nahm er seine Mahlzeit entgegen und setzte sich auf eine der umstehenden Kisten und verschlang sie förmlich.
„Was werden wir jetzt tun? Es muss hier einen oder mehrere Männer geben, die diese dämlichen Fässer markieren und dann über Bord werfen. Sie können sich ja nicht in Luft auflösen. Und wenn es Markierungen sind, wer oder was soll denn die "Providence" finden? Zumal keine nennenswerten Waren an Bord sind, die es sich zu erbeuten lohnen!“ gab ich meine Gedanken laut von mir und erntete einen erstaunten Blick von Master Kenway.
„Vielleicht ist es nicht die Ware, auf die man es abgesehen hat, Mistress Alberts. Habt ihr irgendwelche Feinde, die euch auf den Fersen sein könnten?“ fragte mich der Templer grübelnd.
„Nein, eigentlich nicht. Als ich in England an Bord ging, hatte ich dort lediglich eine Freundin besucht und war privat dort. Und auch sonst würde mir nichts einfallen. Wie sieht es denn bei euch und eurem Umfeld aus, Master Kenway?“ auch ER könnte ja jemanden verärgert haben. Ich sah, dass er überlegte, was er jetzt sagen sollte.
Aha, er schien eine Ahnung zu haben, wusste aber nicht, ob er sie mir anvertrauen sollte. „Ich wüsste auch niemanden, der mir grollen könnte. Wir sollten weiter die Augen offen halten.“ lenkte er jetzt vom Thema ab und entschied, dass das Ganze damit vorerst geklärt ist.
Prolog III
*** Pöbelnde Assassinen und ein Unwetter ***
Ich seufzte nur und setzte mich neben ihn.
Wir unterhielten uns noch über einige Bücher und er meinte, er müsse mir unbedingt später eines geben, ich solle ihn bitte daran erinnern.
Gegen Mittag ertönte vom Ausguck dann nur „Schiff in Sicht! Sie macht sich Schussbereit!“ in Windeseile ordnete der Kapitän an, auf Gefechtsstation zu gehen und die Kanonen klar zumachen.
Als er gerade „Ducken“ brüllen wollte, hörten und spürten wir die Kanonenkugeln des anderen Schiffes dicht an der Providence einschlagen.
„Das war ein Warnschuss!“ meinte Mr. Smythe und sah uns beide an.
„Ihr geht jetzt unter Deck, ich kann euch hier oben nicht gebrauchen!“ meinte er in einem Befehlston, welcher Haytham gar nicht schmeckte.
Doch Smythe ließ sich nicht beirren und schob uns regelrecht hinunter.
Die Luke wurde geschlossen und wir standen für einen Moment etwas unschlüssig am Fuße der Treppe.
„Ah, da seid ihr ja, Master Kenway!“ kam es in einem höhnischen Ton hinter uns.
Wir drehten uns um und sahen, wie Louis Mills, einer der mit den Schlägertypen zu tun hatte, lässig an der hinteren Wand lehnte und uns ansah. Er war der einzige gewesen, welcher sich mir namentlich vorgestellt hatte, also waren doch tatsächlich Manieren vorhanden!
Neben ihm tauchten noch drei weitere Herren auf, unter anderem auch die beiden besagten Pöbler.
„Wie ich sehe, werden wir schon erwartet, wie nett. Doch kann das bis nach dem Kampf mit dem anderen Schiff warten, meine Herren?“ fragte ich zynisch grinsend.
„Miss, euch haben wir nicht erwartet, aber ich hätte mir denken können, dass der Käptn euch beide hierher schicken würde. Keiner von euch hat eine Ahnung von der Seefahrt.“ kam es abwertend von Mills.
Doch jetzt bekamen wir eine Erklärung, wenn auch sehr kurz, warum man hier lauerte.
Es ging um einen Mord, welchen Haytham in London begangen hatte, in der Oper am Vorabend unserer Abreise.
Er hatte einen Assassinen getötet, um an ein Amulett zu kommen. Also hatte die Bruderschaft sofort ihre Leute losgeschickt um sich zu rächen und das Schmuckstück wieder an sich zu nehmen.
Die vier Herren wussten also, dass Kenway Templer war, aber nicht, dass ich ebenfalls dazu gehörte.
Gut so, dann hätte ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite.
Die vier standen nun vor uns und ich hörte nur, wie Haytham nach einem Schwert verlangte, er würde nicht kampflos aufgeben.
In einer der Kisten sah ich einige Waffen und bediente mich einfach, ich würde ebenfalls nicht tatenlos hier herumstehen.
Ich erntete fragende Blicke und ein dummer Spruch durfte natürlich nicht fehlen.
„Miss, lasst es lieber, bevor ihr euch noch selber wehtut. Das ist kein Spielzeug!“ meinte der Schläger, welchem ich in seine Kronjuwelen getreten hatte.
„Hatte ich euch nicht gewarnt und gesagt, was passiert, solltet ihr noch einmal in meine Nähe kommen?“ meinte ich kalt und sah ihm in die Augen.
Und dann stürmte Mills auf Kenway los, doch dieser war vorbereitet und hatte bereits eine eigene Taktik im Kopf.
Ebenso griff mich dieser Schmierlappen vor mir jetzt an, er ging immer noch davon aus, dass ich nichts könne!
Gut so, dachte ich mir und ließ ihn für einige Augenblicke in diesem Glauben, bis er breit grinsend über mir stand und ich ihm das geliehene Schwert in die Weichteile rammte. Dann drehte ich mich unter ihm weg und zog die Schneide über seine Kehle.
Gerade als ich mich umdrehen wollte, griff mich der andere Schläger und umklammerte meine Arme, sodass ich nur noch meine Füße und Beine bewegen konnte.
Und das tat ich dann auch, ich holte mit dem rechten Bein aus, winkelte es dann an und trat mit voller Kraft nach hinten gegen das Knie meines Angreifers.
Vor Schmerzen schrie er auf und ließ von mir ab, als ich auf ihn hinabsah, stand sein Unterschenkel in einem unnatürlichen Winkel ab.
Er hielt ihn fest und Entsetzen trat in seine Augen, doch bevor ich ihm den Todesstoß geben konnte, war Haytham da und erledigte das.
„Mistress Alberts, ihr seit geschickt mit dem Schwert, dass hätte ich euch gar nicht zugetraut!“ meinte Kenway anerkennend.
„Danke, Master Kenway! Dann sind diese Assassinen wegen euch hier? Ihr habt also den Mord begangen. Wir waren alle schon am rätseln, wer dafür verantwortlich war!“ meinte ich etwas gedankenverloren.
„Wir? Wer ist bitte WIR?“ meinte er jetzt alarmiert und hielt wieder meine Oberarme.
„Wir, die Damen und Herren von den anderen Riten, welche sich ebenfalls gerade in London aufgehalten hatten. Ich bin ja nicht alleine, Master Kenway!“ meinte ich jetzt und versuchte mich aus dieser Umklammerung zu lösen!
Er ließ mich los, sah mich aber immer noch skeptisch an.
„Dann muss ich euch das wohl so glauben.“ kam es nur resigniert von ihm.
„Wir sollten jetzt hinauf gehen und dem Kapitän hiervon berichten, Mistress Alberts.“ und damit drehte er sich zur Treppe und öffnete die Luke.
Wir waren noch nicht ganz oben an Deck, da polterte Mr. Smythe auch gleich los, was uns einfallen würde, hier zu erscheinen. Er hätte doch ganz klare Anweisungen gegeben.
„Ja, aber uns wurde unten von Mills und einigen anderen Herren aufgelauert. Und ich weiß jetzt auch, weswegen dieses Schiff hier ist. Wegen mir.“ kam es selbstsicher und in diesem kalten Ton vom Templer.
„Dann sollen sie euch auch haben, das ist mir gleich.“ kam es unfreundlich vom Kapitän.
Doch Kenway ließ sich nicht darauf ein, sondern sah in Richtung der neben uns am Himmel vorbeiziehenden dunklen Wolken und Smythe zählte eins und eins zusammen.
„Nein, ich segle sicher nicht mit Absicht in einen Sturm. Seid ihr noch bei Trost, Master Kenway?“ sagte er völlig entrüstet und ungläubig zugleich.
„Wenn ihr es nicht macht, dann mache ich es.“ damit baute er sich vor ihm auf und ließ seine versteckten Klingen vorschnellen!
Moment... er besaß diese Waffen der Assassinen? Wie war das möglich?
Doch meine Frage musste warten.
„Ich machs ja, ich machs...“ und dann gab Mr. Smythe die Befehle dort hinein zusteuern. Mir wurde etwas mulmig bei dem Gedanken, dass wir in ein Gewitter segelten, doch es war eigentlich die einzige Chance, dem anderen Schiff zu entkommen.
Ich hoffte, Kenway würde recht behalten.
In diesem Moment fiel mir ein, dass ich mich dringend umziehen musste und mir meine Templer-Montur anlegen musste. Mit Kleid würde ich sonst nichts ausrichten können.
Mit einer Entschuldigung ging ich hinunter in meine Kabine und kramte aus der gesicherten Truhe meine Kleidung.
Gerade als ich dabei war, mein Hemd überzuziehen platzte Master Kenway ohne Anklopfen herein.
„MASTER KENWAY, ICH MUSS JA WOHL SEHR BITTEN!“ schrie ich ihn an.
Er drehte sich um und ich sah noch, wie er ein breites Grinsen auf dem Gesicht hatte, ich hingegen war knallrot geworden.
Ich zog mich schnell fertig an und als ich meine Waffen angelegt hatte, erlaubte ich ihm, sich wieder umzudrehen.
„Verzeiht, Mistress Alberts, ich bin davon ausgegangen, dass ihr euch einfach zurückziehen wolltet. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr... euch umziehen wolltet.“
Sein Blick fuhr anerkennend über meinen Körper und seine Augen verdunkelten sich. „Trotzdem solltet ihr euch angewöhnen anzuklopfen, Master Kenway!“ meinte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue, aber dieser Blick...
Ich schüttelte dieses Gefühl aber ab, für irgendwelche Gefühlsduseleien hatte ich keine Zeit und ich brauchte meinen Verstand für meine Arbeit.
„Wir sollten hinauf gehen und sehen, dass der Kapitän nicht ganz den Verstand verliert, aus Angst um sein Schiff!“ meinte ich lachend und Haytham nickte nur und folgte mir.
Wir waren jetzt sehr nahe an dem Unwetter, der Wind frischte auf und die ersten Regentropfen waren zu spüren.
Auch der Wellengang wurde stärker und ich hoffte, dass ich nicht seekrank wurde, bisher war es nie vorgekommen, doch so einen Sturm hatte ich auch noch nicht erlebt.
Es dauerte nicht lange und wir waren mittendrin, in Nullkommanichts waren die Klamotten völlig durchgeweicht und die Holzbohlen an Deck wurden rutschig!
Wir halfen tatkräftig mit, die Taue zu sichern, die Segel zu lösen und nach Möglichkeit das Schiff nicht untergehen zu lassen.
Immer wieder warf ich einen Blick auf das Verfolgerschiff, doch auch sie hatten mit diesen Widrigkeiten zu kämpfen.
Dieses Amulett musste sehr wichtig sein, weil sie uns in diesen Sturm folgten! Oder der Kapitän war geisteskrank!
Nachdem Haytham den Fockmast hochgeklettert war, um eines der Segel loszuschneiden, sah ich nur, wie der eine Mast krachend zur Seite kippte und einen Mann hängend an Seilen zurückließ.
Kenway war in der Nähe und sprang von der einen Plattform zu ihm hinüber, bekam ihn zu packen und warf sich mit ihm zusammen auf die nächste Plattform.
Man muss es ihm lassen, Kraft hatte er und er war schnell.
Dann sah ich, wie die Verfolger ebenfalls einen Mast, wohlgemerkt den Hauptmast, einbüßten und damit war klar, dass wir in Sicherheit waren, sobald wir hier aus dem Sturm raus kamen.
Doch das würde jetzt noch einige Zeit dauern und ich hoffte immer noch, dass nicht noch mehr passierte.
Aber die Providence war ein gutes Schiff und die Mannschaft eingespielt. So schafften wir es, bis auf den einen gebrochenen Mast und ein oder zwei zerstörte Segel, aus dem Sturm hinaus.
Das Wetter klarte umgehend auf und man konnte die Erleichterung der Männer spüren und auch hören.
Ich stand an der Reling und sah auf das von der Sonne beschienene Meer.
Diese Ruhe war gerade erholsam und ich genoss die Wärme auf meinem Gesicht.
Dann tauchte Kenway neben mir auf.
„Mistress Alberts, ihr solltet aus den nassen Sachen raus, ehe ihr euch noch den Tod holt!“ meinte er fürsorglich und ich sah ihn grinsend an.
„Ihr auch, ihr seht aus wie ein nasser Hund!“ nur riecht ihr wesentlich besser und ich wurde knallrot! Dabei hatte ich das noch nicht einmal laut ausgesprochen!
Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und rannte hinunter in mein Quartier.
Bei Odin, war das peinlich, ich benahm mich wie eine 14jährige in seiner Gegenwart! Frustriert fing ich an, die Schnallen und Knöpfe zu malträtieren, plötzlich war ich sauer auf mich selber.
Nachdem ich mich endlich der nassen Montur entledigt hatte, griff ich nach meinem Unterkleid und fing an, mich wieder anzuziehen.
Als ich dann präsentabel aussah, ging ich zurück an Deck.
Dort erwartete mich ein mauliger Kapitän, der zurecht etwas sauer auf den Zustand seines Schiffes war.
Neben ihm stand in trockenen Sachen Master Kenway welcher gerade aushandelte, wie die Reparatur zu begleichen wäre.
Mr. Smythe würde sich an den Orden, sprich an den Großmeister Birch wenden und alles weitere klären.
„Ah, Mistress Alberts. Wie ich sehe, habt ihr alles heile überstanden. Ich hoffe doch, dass der Rest der Überfahrt nun friedlicher verlaufen wird.“ meinte Mr. Smythe mit einem fiesen Seitenblick auf Haytham.
„Das hoffe ich auch, Mr. Smythe.“ ich ging weiter zur Reling und lehnte mich dagegen.
Die Tage wurden langsam länger, wir hatten jetzt mittlerweile schon Anfang Juni, wenn ich mich nicht irrte.
Laut Aussage des Kapitäns würden wir noch bis Juli unterwegs sein und das wären noch ganze 4 Wochen mindestens.
Ich seufzte resigniert und ließ meinen Kopf auf meine Arme sinken.
Prolog IV
*** Schweigender Rum und unangebrachte Träume ***
„Ist euch nicht gut, Mistress Alberts?“ hörte ich diese warme tiefe Stimme hinter mir, welche mir eine leichte Gänsehaut bereitete.
„Doch, mir geht es gut, Master Kenway. Macht euch um mich keine Sorgen!“ meinte ich nur und gerade als ich mich umdrehen wollte, legte er seine Hände links und rechts neben meine auf die Reling.
So an mich gelehnt, stand er hinter mir und sah ebenfalls auf das Meer.
„Wir werden jetzt noch eine Weile hier zusammen sein, Mistress Alberts. Ich schlage deshalb vor, dass wir einen Waffenstillstand vereinbaren für die verbleibenden Tage.“ meinte er dicht an meinem Ohr und ich konnte nicht anders, ich lehnte mich an ihn.
„Der Vorschlag gefällt mir, Master Kenway!“
Dann war es Zeit fürs Abendessen und der Kapitän hatte bereits die Beisetzungen für die Verstorbenen organisiert. Sie würden heute noch der See übergeben werden.
Als wir fertig waren, war es soweit und alle versammelten sich an Deck der Providence, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen.
Es wurden einige Worte gesprochen, vor allem Mr. Smythe berief sich auf die Bibel und hatte eine sehr rührende Ansprache vorbereitet.
Im Anschluss wurde für die Mannschaft der Rum freigegeben und ein anerkennendes Gemurmel ertönte.
Ich hatte mich die ganz Zeit etwas im Hintergrund gehalten, ich bin kein christlicher Mensch und kann mit diesen Reden und ähnlichem nichts anfangen.
Man hatte mir aber auch einen Becher mit Hochprozentigem gereicht, welchen ich jetzt in meinen Händen hielt und hinein starrte.
„Mistress Alberts, ihr seht aus, als wolltet ihr eine Antwort von dem Rum bekommen!“ grinste mich Kenway an.
„So ähnlich ist es vermutlich, Master Kenway! Doch er schweigt leider hartnäckig!“ lachte ich nur.
„Ich werde mich jetzt zurück ziehen. Ich wünsche euch eine gute Nacht, Master Kenway!“ meinte ich leise und ging an ihm vorbei Richtung Luke.
Als ich meinem Quartier war, setzte ich mich seufzend aufs Bett und fing an, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen.
Auf der einen Seite war ich total erschöpft, auf der anderen aber nicht wirklich müde.
Also setzte ich mich an den kleinen Tisch und schrieb in meinem Tagebuch.
Es wurden einige Seiten, bis ich endlich zum Schluss kam.
Als ich das Buch zuklappte, fühlte ich mich etwas befreiter und entspannter, und legte mich dann schlafen.
Ich hatte wirre Träume, von sinkenden Schiffen, von meuternden Piraten und von Master Kenway. Mit hochrotem Kopf wurde ich plötzlich wach und atmete schwer.
Solche Gedanken sollte ich nicht haben, nicht von einem mir völlig fremden Mann, das war einfach unangebracht.
Also stand ich auf und wusch mir kurz durchs Gesicht und das kalte Wasser brachte mich wieder ein bisschen zur Vernunft.
Der Rest der Nacht war ebenfalls nicht erholsam, mich ließen diese grauen Augen nicht los, diese tiefe Stimme hallte in meinem Kopf wider!
Irgendwann stand ich frustriert auf und zog mich an.
Es dämmerte bereits, da war es nicht schlimm, wenn ich schon auf war.
Ich ging an Deck und schaute auf das vor mir liegende Meer, während ein etwas kalter Wind mir ins Gesicht wehte.
Langsam ging die Sonne auf und ich staunte mal wieder, wie schön so etwas aussah auf offener See, wenn es klar war.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten und als ich mich umsah, bemerkte ich ein Stück weiter Master Kenway an der Reling stehen.
Seine Augen ruhten auf mir und er lächelte, als er langsam auf mich zukam.
„Guten Morgen! Wie ich sehe, seid ihr auch ein Mensch, der früh aufsteht, Mistress Alberts. Ich hoffe, ihr konntet nach den ganzen Ereignissen gestern in den Schlaf finden.“ meinte er leise und sah immer noch auf mich herab.
„Ich wünsche euch ebenfalls einen guten Morgen, Master Kenway. Und nein, ich muss sagen, ich habe eigentlich kein Auge zugemacht. Ich hoffe, ich schlafe nicht gleich beim Frühstück ein, dass wäre unhöflich.“ lächelte ich ihn an und erntete ein Lachen.
„Das wäre in der Tat etwas unangebracht.“
Es dauerte nicht lange, bis der Smutje alles fertig hatte, auch Mr. Smythe schien eher ein Frühaufsteher, was aber seinem Beruf geschuldet ist.
So saßen wir zusammen und unterhielten uns noch einmal über den gestrigen Tag.
In den nächsten Tagen würden wir aber keine Stürme oder Unwetter zu erwarten haben, laut dem Kapitän.
Doch er machte sich Sorgen, ob nicht noch mehr Schiffe hinterher geschickt worden sind. „Mr. Smythe, da könnt ihr unbesorgt sein. Man hatte hier jemanden eingeschleust und ein Schiff zur Verfolgung. Die Damen und Herren gehen davon aus, dass alles geglückt ist.“ versuchte Haytham den Kapitän zu beruhigen, doch so wirklich überzeugt schien er noch nicht zu sein.
So vergingen die nächsten Tage... sehr ereignislos und ehrlich gesagt, etwas langweilig. Ich hatte die Bücher jetzt alle gelesen und das nicht nur einmal.
Doch dann fiel mir der Vorschlag von Master Kenway ein, dass er mir doch eigentlich eines ausleihen wollte.
Als ich ihn hier oben an Deck nicht fand, ging ich hinunter und klopfte zögerlich an seiner Tür. Er öffnete und sah mich erstaunt an.
„Mistress Alberts, ist alles in Ordnung? Kann ich euch irgendwie helfen?“ ich schmunzelte in mich hinein, diese Besorgnis für meine Person war schon schmeichelhaft.
„Mir geht es gut, Master Kenway, danke. Mir ist nur langweilig und ihr hattet gesagt, ihr hättet ein Buch für mich, welches ich unbedingt lesen sollte. Da... dachte ich mir, weil wir noch einige Tage hier festsitzen werden...“ warum fing ich an herum zu drucksen und zu stottern?
„Ah, ich erinnere mich wieder. Kommt herein, setzt euch.“ und er deutete auf einen Stuhl an seinem Tisch.
Er hatte einige Bücher hier herumliegen, auch Seekarten und wie ich erfreut feststellte, schrieb auch er Tagebuch.
Nicht viele Menschen führten so etwas gewissenhaft, doch wie ich ihn einschätzte, waren seine Einträge Lückenlos.
Sein Quartier war, im Gegensatz zu meinem, so aufgeräumt, als würde hier niemand nächtigen!
Als er fündig geworden war, reichte er mir das Schreibwerk.
Es war Gullivers Reisen. Das sagte mir jetzt nichts, aber ich schlug es auf und fing an zu lesen.
Doch nach zwei Seiten klappte ich es zu, weil ich merkte, dass ich darin versank und das wäre in seiner Gegenwart unhöflich.
„Mistress Alberts, eure Faszination für Bücher und alles Geschriebene ist ansteckend. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die gerne liest und vor allem nicht nur irgendwelchen Schund.“ kam es anerkennend von Kenway.
„Woher meine Liebe zu Büchern kommt, kann ich auch nicht erklären, Master Kenway. Doch ich weiß warum ich mich gerne mit ihnen umgebe. Diese Bücher und die Geschichten darin, geben mir die Möglichkeit in eine andere Welt abzutauchen. Ich kann ein ganz anderer Mensch sein und Abenteuer erleben, oder ich erweitere mein Wissen ganz einfach.“ ich plapperte so vor mich hin und war in meinem Element.
So vergingen einige Stunden, in denen wir uns über unsere Liebe zu Wörtern austauschten.
Haytham hatte unter anderem auch ein Talent für Sprachen, wie ich feststellte. Ich selber war da nicht so ambitioniert drin, ich sprach englisch, deutsch und ein wenig französisch. Das musste reichen.
„Ich könnte euch durchaus noch ein paar Sätzen im spanischen beibringen, wenn ihr mögt, Mistress Alberts.“ ich lächelte ihn nur an, lehnte aber dankend ab.
„Da werdet ihr bei mir keinen Erfolg haben, Master Kenway. Mir liegen Sprachen nicht wirklich und ich möchte eure Geduld nicht auf die Probe stellen!“
Nach dem Abendessen standen wir noch oben an Deck und der Templer fing einfach an, mir einfache Wörter beizubringen.
Doch auch er musste sich bald eingestehen, dass ich mit meiner Aussage recht hatte. „Mistress Alberts, ich befürchte, ihr habt euch selber sehr gut eingeschätzt. Dabei ist Spanisch eigentlich nicht so schwer, es hat viele lateinische Begriffe im Wortlaut.“ er sah mich lachend an.
„Das weiß ich, doch... ich habe das Gefühl als würde sich meine Zunge verknoten.“ meinte ich ebenfalls lachend.
Ein genuscheltes „Das will ich nicht hoffen!“ kam aus seinem Mund und ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
„Verzeiht, das war unpassend.“ kam es leise von Haytham und er sah mich wieder mit diesen grauen Augen an, in denen ich mich langsam wieder verlor.
Dieses mal ging ich aber nicht gegen dieses Gefühl an, sondern ließ es einfach zu und auch Master Kenway schien sich darauf einzulassen. Doch ich begab mich im Grunde auf gefährlichen Boden!
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und gab mir einen vorsichtigen Kuss, welcher mir ein wohliges Seufzen entlockte.
Langsam wanderten seine Hände hinunter zu meiner Taille und er zog mich noch enger an sich.
Mit einem Male wurde uns beiden bewusst, dass wir nicht alleine hier standen und mit rotem Kopf meinte ich nur, ich würde mich dann jetzt zurück ziehen.
Ich ging davon aus, dass Kenway noch aufblieb, doch er folgte mir nur wortlos.
Als ich bei meinem Quartier ankam, standen wir uns etwas unschlüssig gegenüber.
Wieder umschlang er meine Taille, öffnete aber mit einer Hand die Tür in meinem Rücken und wir traten ein. Leise schloss er sie wieder und lehnte mich dagegen.
Seine Küsse wurden leidenschaftlicher und ich spürte seinen pochenden Herzschlag an meiner Brust.
Plötzlich ließ er von mir ab und sah mich fragend an.
„Mistress Alberts, ich sollte lieber gehen!“ damit wandte er sich der Tür zu und ...
WAS? Das konnte nicht sein Ernst sein.
*** Ablenkung und Abschied ***
„Master Kenway, wenn ihr jetzt einfach geht, dann Gnade euch Gott!“ Entschieden zog ich seinen Mund zu mir herunter und drückte mich an ihn.
„Aber... euer Ruf. Seid ihr sicher, dass ihr das wollt?“ meinte er wieder schwer atmend an meinem Ohr.
„Ja, ich will das und wenn ich ehrlich bin, ich kann mich nicht mehr lange beherrschen!“ Das war sein Stichwort und in Sekunden hatte er mich hochgehoben, meine Röcke zur Hüfte hochgeschoben und drang in mich ein.
Wir vergaßen in diesem Moment alles um uns herum und es war mir egal, was morgen sein würde oder die nächsten Tage.
Es galt dieser Moment jetzt!
Und meine gute Erziehung war dahin für diesen Augenblick!
Seine Hand krallte sich in meinen Oberschenkel, als er laut Stöhnend kam und mich ebenfalls zu meinem ersehnten Höhepunkt brachte.
Atemlos lehnte er an mir, sein Kopf auf meiner Schulter und ich umklammerte ihn immer noch mit Armen und Beinen.
„Mistress Alberts, diese Reise nach Boston werde ich wohl nicht so schnell vergessen, dank euch!“ raunte er in mein Ohr.
„Ihr sprecht mir aus der Seele, Master Kenway. Noch ist diese Überfahrt nicht beendet, also kann ich euch noch ein paar mehr Eindrücke schenken. Natürlich nur, wenn ihr damit einverstanden seid!“ meinte ich süffisant und sah in seinen Augen, dass er durchaus damit zurecht kam.
Wir lösten uns voneinander und langsam fing er an, mich aus meinem Kleid zu befreien. Auch Haytham entledigte ich nach und nach seiner Kleidung und küssend schob er mich auf die Koje zu.
Er setzte sich auf die Kante und hob mich auf seinen Schoß.
„Es wäre einfacher, wenn ihr mich bei meinem Vornamen nennen würdet, Mistress Alberts!“ meinte er lächelnd und sah mich erwartungsvoll an.
„Das würde ich gerne tun, aber dann tut mir umgekehrt ebenso den Gefallen. Ich heiße Isabelle.“
Mit einer gekonnten Drehung lag ich unter ihm.
„Es freut mich, euch näher kennen zu lernen, Isabelle. Mein Name ist Haytham.“ erklärte er mir dann, auch wenn ich seinen Vornamen ja schon kannte.
„Ich mag euren Vornamen, Haytham!“ sagte ich einfach nur und zog seinen Mund zu mir. Wir verloren uns ein weiteres Mal ineinander und er ließ mich seine geschickten Finger spüren, ehe er mich ein zweites Mal nahm.
Sein Höhepunkt war hart und als er meinen Namen an meinem Hals hauchte, kam auch ich, doch ich konnte meine Lautstärke nicht so zügeln und ein lautes Haytham kam über meine Lippen.
Lächelnd sah er auf mich herab.
„Isabelle, jetzt weiß die ganze Mannschaft, was wir hier treiben!“ grinste er mich breit an. „Sollen sie es doch wissen, dann gibt es auch keine Spekulationen oder Gerüchte, Haytham.“ meinte ich praktisch gedacht.
„Das stimmt allerdings.“ er drehte sich von mir und zog mich zu sich.
„Ich glaube, jetzt wird euch nicht mehr so schnell langweilig werden!“ kam es selbstsicher von Haytham.
„Zumindest des Nachts nicht.“ lachte ich leise und schlang meine Arme um ihn und war ruckzuck eingeschlafen.
Am Morgen erwachte ich erholt wie schon lange nicht mehr, ich hatte tief und fest geschlafen. Als mein Blick zur Seite ging, sah ich in diese grauen Augen von Master Kenway.
Ein genuscheltes „Guten Morgen, Haytham“ war alles, was ich zustande brachte.
„Den wünsche ich dir auch, Isabelle!“ kam es leise von ihm und ich bekam einen leichten Kuss auf die Stirn.
Auf dem Schiff herrschte schon wieder reger Betrieb und auch wir sollten uns langsam fertig machen.
„Das Frühstück wartet bestimmt schon, Haytham. Los, aufstehen!“ meinte ich euphorisch und befreite mich aus seiner Umarmung und stand auf.
Ein resigniertes Seufzen war alles, was aus meinem Bett kam.
Doch auch er stand auf und fing an, sich anzuziehen.
Und so verbrachten wir die restlichen Tage auf See gemeinsam und ich war froh über seine Gesellschaft. Vermutlich wäre ich sonst hier auf dem Schiff eingegangen und im schlimmsten Falle einfach von Bord gesprungen!
Um die Mittagszeit am 8. Juli vernahmen wir nur die Worte des Kapitäns, dass man alles zum Anlegen bereit machen sollte.
Wir sahen uns beide stirnrunzelnd an und Haytham sprach Mr. Smythe darauf an, es war nebelig und man sah überhaupt nichts.
Seine Antwort war kurz und knapp, dass nämlich die Möwen ihnen alles sagten was sie wissen müssten.
Kurz darauf sah ich dann tatsächlich andere Schiffe, ich konnte einen Hafen ausmachen. DAS war also Boston? Es sah im ersten Moment nicht anders aus, wie jede andere Hafenstadt auch.
Doch ich hatte ja auch nur Dover und Bristol bisher gesehen.
Ich ging in meine Kabine und fing an, meine Habseligkeiten in meine Truhen zu packen. Viel war es nicht, doch ich hatte Angst etwas zu vergessen.
Dabei fiel mir dann Gullivers Reisen in die Hände und ich setzte mich seufzend auf meine Koje.
Jetzt hieß es Abschied nehmen von Haytham und wer weiß, ob wir uns überhaupt noch einmal wieder sehen würden.
Dann hörte ich von nebenan, wie auch er seine Sachen packte und ich beschloss, ihm das Buch zurück zugeben. Ich hatte es gelesen und ich war sehr begeistert davon, was ich ihm auch schon kundgetan hatte.
Als ich klopfte, hörte ich nur ein mürrisches „Herein“ von ihm.
„Haytham, ich wollte dir dein Buch wiedergeben.“ erstaunt sah er auf mich hinunter und dann auf das Buch.
„Du kannst es ruhig noch behalten und mir später wieder geben.“ meinte er leichthin.
„Aber wer weiß, wann wir uns wieder sehen werden...“ er ließ mich nicht ausreden, sondern nahm mich in den Arm.
„Wir werden uns wiedersehen, dafür werde ich sorgen. Ich werde dich schon finden, Isabelle. Und wenn ich jeden Stein und jeden Grashalm befragen muss.“ kam es lachend von ihm und er gab mir einen langen Kuss, welcher mich genau das glauben ließ.
„Warum glaube ich dir das aufs Wort, Haytham?“ meinte ich breit grinsend.
„Weil ich ein sehr hartnäckiger Mann sein kann und du es schon zu spüren bekommen hast!“ und wieder bekam ich diesen leidenschaftlichen Kuss, in welchen er all seine Gefühle versuchte zu legen.
Wir lösten uns von einander und ich ging hinaus um jemanden von der Mannschaft zu bitten, meine Truhen zum Kai bringen zu lassen.
Es würde dort eine Kutsche auf mich warten, die mich zu meinem neuen Zuhause für die nächsten Wochen und Monate bringen würde.
Dann endlich konnten wir von Bord, auf der einen Seite war ich froh drum, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Auf der anderen Seite tat es mir weh, Haytham nicht mehr wieder zusehen.
Wir hatten uns die Tage aneinander gewöhnt und ich fand, er war ein sehr angenehmer Gesellschafter.
Es half aber nichts, wir mussten nun fürs erste getrennte Wege gehen und wer weiß, was die Zukunft noch für uns parat hielt.
So standen wir dann etwas unbeholfen auf dem Kai und er nahm meine Hände in seine, seine grauen Augen ruhten auf mir.
„Isabelle, ich verspreche dir, wir werden uns wieder sehen. Ich vermisse deine Nähe jetzt schon, wenn ich ehrlich bin. Ich hoffe, das auch du mich nicht vergisst!“ sprach er leise mit mir, es hatte sich ein Herr genähert, welcher anscheinend sehnsüchtig Haytham in Empfang nehmen wollte.
„Ich vermisse dich auch schon und dieser Gedanke, dass ich Nachts jetzt wieder alleine sein werde, macht mich wahnsinnig, Haytham.“ meinte ich traurig und versuchte nicht zu heulen.
Meine Truhen wurden gerade an mir vorbei getragen, doch Master Kenway deutete einem Träger kurz anzuhalten. Er öffnete eine seiner eigenen und nahm ein Bündel hinaus und legte es kurzerhand in eine meiner Kisten. Ich sah ihm mit großen Augen dabei zu.
„Was war das denn jetzt, Haytham?“ fragte ich einfach.
„Du wirst es spätestens beim Auspacken wissen und dann wirst du sicherlich noch eine Weile, gerade auch Nachts, an mich denken!“
Ein vorsichtiger Kuss auf meine Stirn war mein Stichwort.
„Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Mission, Haytham. Und ich freue mich auf ein Wiedersehen!“ ich reichte ihm meine Hand und er gab mir einen Handkuss.
„Das wünsche ich dir auch, Isabelle. Ich verspreche dir, ich finde dich.“
Und damit löste ich mich von ihm und ging in Richtung meiner wartenden Kutsche.
Hinter mir hörte ich ein freudiges „Master Kenway, Master Kenway“ von dem wartenden Herren, der jetzt endlich seine Begrüßung loswerden konnte.
Er war mir unheimlich mit diesen hellen grünen Augen und mich schüttelte es.
Als ich in meinem Gefährt saß, sah ich zu diesen beiden Männern, welche sich auf den Weg Richtung Innenstadt machten.
Haytham warf mir einen letzten Blick zu und lächelte zuversichtlich, auch ich versuchte es, doch es gelang mir nicht.
Als wir außer Sichtweite waren, brach ich in Tränen aus und mein Großmeister neben mir versuchte mich zu beruhigen.
„Isabelle, wie ich sehe, hast du ihn schon kennen gelernt! Ich hoffe, das wird nicht noch für Probleme sorgen. Du weißt, Birchs Vorhaben nach dem Vorläufertempel zu suchen, kommt unserer Suche nach den Artefakten in die Quere!“ meinte er jetzt etwas zornig zu mir und ich musste mir eingestehen, dass er Recht hatte und ich vermutlich einen großen Fehler begangen hatte.
Wir wussten, dass Master Birch seinen besten Mann losschicken wollte, nur hatte ich nicht bedacht, dass es Haytham sein könnte!
Oder konnte er uns vielleicht sogar noch nützlich werden?
~~~
Nachdem mich mein Großmeister und Vater am Hafen abgeholt hatte und wir zu dem Anwesen meiner Tante fuhren, dachte ich über Master Kenway nach.
Der Abschied war mir schwer gefallen, ich hegte eine gewisse Zuneigung ihm gegenüber, auch wenn wir uns nur kurz kannten.
Ein leichtes schlechtes Gewissen plagte mich dennoch, ich hatte ihn nicht belogen, ihm aber ein paar Details vorenthalten! Ich musste vorsichtig agieren, so dass ich ihm nicht in die Quere kam und umgekehrt.
Am Ziel angekommen, half mir mein Vater aus dem Gefährt und ließ meine Truhen hineinbringen!
Als wir in der imposanten Eingangshalle standen, eilte mir schon meine Tante entgegen. Sie würde solange ich hier bin, ein Auge auf mich haben und, auch wenn es nicht laut ausgesprochen wurde, die Anstandsdame spielen.
Mein Vater. Thomas Alberts, seines Zeichens Großmeister des preußischen Ritus, Vorsitzender des Ältesten-Rates.
Unsere Familie gehörte eigentlich schon immer dem Orden an, somit war es klar, dass auch ich in die Fußstapfen meines Vaters treten würde.
Er war 50 dieses Jahr geworden, hatte sich aber gut gehalten, wenn ich das so sagen darf. Vater hatte schon immer eine sehr beeindruckende Persönlichkeit und sein Auftreten war entsprechend autoritär.
Mit seinen mittlerweile etwas ergrauenden, langen Haaren, welche er immer in einem gebundenen Zopf im Nacken trug und seinen braunen Augen, sah er aus wie mein Großvater!
Vater hatte mir in den letzten Monaten immer wieder nahegelegt, mir doch einen Ehemann zuzulegen. DAS waren wirklich seine Worte! Ich wusste, was man von mir in meinem Alter erwartete, doch noch hatte ich nicht den richtigen Mann gefunden.
Oder doch?
Ich schob diesen Gedanken beiseite und begrüßte nun die Schwester meines Vaters. „Tante Maria, es ist so schön, dich wiederzusehen!“ und ich nahm sie einfach in den Arm. Sie drückte mich herzlich an ihre üppige Brust, denn Tantchen war eher stämmiger Natur, etwas größer als ich und 52 Jahre alt. Aber das sah man ihr nicht unbedingt an, ihre Haare waren immer noch rabenschwarz und ihre hellgrauen Augen stachen forsch aus einem leicht rotbäckigem Gesicht hervor.
„Isabelle, ich freue mich auch. Ich hoffe doch, die Überfahrt war nicht allzu beschwerlich? Schließlich warst du ganz alleine unter Männern...“ und sie musterte mich von oben bis unten.
„Es ist alles in Ordnung, Tante. Wirklich, der Kapitän, Mr. Smythe hatte die ganze Zeit ein Auge auf mich.“ neben mir hörte ich plötzlich ein genuscheltes säuerliches „Nicht nur der!“ und Maria sah erstaunt in die Richtung meines Vaters.
„Wovon sprichst du, Thomas? Was ist hier los? Isabelle...“ ihr Ton war schärfer geworden. „Also schön, ich habe auf dem Weg hierher Haytham Kenway kennengelernt. Auch er ist auf der Suche nach Vorläuferruinen und Artefakten! Wir... haben uns angefreundet.“ kam es leise von mir und ich wurde etwas rot.
„Das hat uns gerade noch gefehlt, was hast du ihm erzählt, weswegen du hierher reist?“ meine Tante sah drohend zu mir und hatte die Arme wütend vor der Brust verschränkt.
„Nichts, ich habe ihm nichts erzählt, genauso wenig, wie er mir etwas gesagt hat. Wir haben uns über Bücher und ähnliches unterhalten. Das einzige, was ich ihn habe wissen lassen ist, wer mein Vater ist und dass ich dem Orden angehöre. Unser Name schien ihm aber nichts zu sagen, Tante Maria. Von daher gehe ich davon aus, dass Haytham uns nicht dazwischen kommen wird.“ erklärte ich kurz und knapp.
Alles musste sie ja nicht wissen, doch ich sah es in ihren Augen, sie ahnte, was in den Nächten vorgefallen war.
„Ich hoffe es, Isabelle!“ seufzte sie nur, nahm dann meinen Arm und führte mich in den Familiensalon.
„Deine Sachen werden jetzt auf dein Zimmer gebracht und auch gleich ausgepackt...“ sagte sie wie beiläufig und mir fiel siedendheiß ein, dass Haytham mir doch etwas in meine Truhe gepackt hatte.
Mit den Worten, dass ich gerne meine persönlichen Dinge selber auspacken wollte, entließ mich meine Tante mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Ich hörte noch, wie sie meinem Vater sagte, er müsse besser auf mich achten, dieser Kenway schiene mich wohl durcheinander zubringen. Grinsend schüttelte ich den Kopf und ging die Treppe hinauf zu meinem Zimmer.
Meine Tante hatte mir gesagt, dass es auf dem linken Korridor etwa in der Mitte lag. So war es auch und als ich eintrat, sah ich schon, dass eines der Mädchen dieses Stoffbündel von Haytham in einen Korb für Schmutzwäsche gepackt hatte.
Schnell nahm ich es wieder hinaus und die beiden Zimmermädchen sahen mich nur fragend an.
„Das ist keine Dreckwäsche, ich... muss daran etwas nähen und habe es extra noch nicht waschen lassen.“
Die jüngere der beiden sah mich an und meinte schnippisch „Wenn ihr meint, Miss. Mir solls recht sein, dann haben wir weniger Arbeit!“
Ihr Ton gefiel mir nicht und ich ließ meinen Unmut auch gleich an ihr aus.
„Reißt euch zusammen! Auch wenn ihr glaubt, ich habe hier nichts zu sagen, dem ist nicht so. Also macht jetzt weiter und ich warne euch, fehlt etwas oder sind Kleider beschädigt, dann Gnade euch Gott!“ und in ihre Augen trat Angst, ein Knicks und sie entschuldigte sich für ihr Fehlverhalten!
Sie war vermutlich nicht älter als ich, dachte ich noch so und verstaute mein Geschenk unter dem Kopfkissen.
Für einen kurzen Moment nahm ich seinen Geruch wahr und … reiß dich zusammen … nicht jetzt … doch ein dümmliches Grinsen konnte ich nicht unterdrücken.
Unten im Salon wartete bereits der Tee auf mich.
„Konntest du alles vor den neugierigen Blicken der Dienerschaft in Sicherheit bringen, Nichte?“ kam es leicht spöttisch von meiner Tante.
„Konnte ich, Tante. Doch dieses eine Zimmermädchen ist nicht gerade auf den Mund gefallen!“ erwiderte ich jetzt etwas säuerlich, sie sollte wissen, wie man mit mir sprach. „Oh, dass war bestimmt diese Yvie! Sie ist noch nicht lange hier angestellt und muss ihre lose Zunge lernen zu beherrschen. Ich werde den Butler darauf ansprechen, er wird sie in ihre Schranken weisen!“
Also ich hatte jetzt nicht gedacht, dass gleich eine Strafe folgen würde, aber dagegen etwas unternehmen, wollte ich auch nicht.
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, meinem Vater und meiner Tante von den Vorkommnissen auf der Providence zu berichten.
„Isabelle, das ist ja furchtbar. Das hätte auch ins Auge gehen können und alles nur wegen diesem Kenway!“ mein Vater sprach den Namen so verachtend aus, dass ich kurz davor war, ihn zurechtzuweisen.
Dass eben dieser den Mord in der Oper begangen hatte, hatte ich bereits erzählt und mein Vater fragte sich, WARUM! Ich wusste es und als ich erklärte, dass es um ein Amulett gegangen sei, welches sich nun die Assassinen wieder zurückholen wollten, schüttelte mein Vater nur den Kopf.
„Vielleicht sollten wir doch ein Auge auf ihn haben, Isabelle. Wer weiß, was der britische Ritus sich noch ausgedacht hat, ohne uns mal wieder einzuweihen!“
Er hatte nicht Unrecht, es gab seit geraumer Zeit immer wieder kleinere Unstimmigkeiten zwischen den beiden Riten.
Reginald Birch, welchen ich noch nie persönlich kennengelernt habe, war so versessen auf diese Vorläuferartefakte, dass er nichts anderes mehr im Kopf hatte und ließ nun auch noch einen seiner besten Männer diesbezüglich weitergraben!
Doch es hieß jetzt erst einmal abwarten und unsere eigenen Belange koordinieren!
Ich freute mich auf meine Aufgabe hier, doch meine Tante hatte mich für die nächsten drei Wochen bereits verplant!
„Isabelle, du musst dich hier noch vorstellen. Also gibt es einige Abendessen mit Geschäftspartnern und auch Teegesellschaften. Und nein, davor wirst du dich wie zuhause nicht drücken. Dein Vater hat mir davon bereits berichtet!“
Ich war kein Mensch, der sich gerne zu solchen steifen Veranstaltungen schleifen ließ!
Daheim war es mir schon immer ein Gräuel gewesen, diesen feinen Damen Gesellschaft leisten zu müssen.
Sie alle waren einfach nur schnatternde Weiber, welche nur das Thema hatten, wer wann am schnellsten einen gut situierten Mann abbekam. Oder aber es war mal wieder eines der Zimmermädchen mit dem Hausherrn erwischt worden und und und.
Diese Themen und Gespräche langweilten mich jedesmal zu Tode, weswegen ich dazu übergangen war, an solchen Tagen einfach eine andere Verabredung zu haben.
Eigentlich nahm ich mir immer nur meinen Friesen und ritt aus, mehr nicht. Meine alte Gouvernante hatte es irgendwann aufgegeben, mich zu belehren, oder mir hinterher zu reiten! Dafür beschwerte sie sich gerne immer wieder in Briefen bei meinem Vater über mein unverschämtes Verhalten!
Hier in Boston hatte ich aber keine Fluchtmöglichkeit und musste mich wohl oder übel meinem Schicksal ergeben.
Vielleicht waren die Damen hier ja doch etwas anders, in London war es ja schon etwas angenehmer gewesen.
Traurig fiel mir ein, dass ich meine Freundin vermisste und sie erst in ein oder zwei Jahren wiedersehen würde.
„Isabelle, was ist los?“ hörte ich eine besorgte Maria plötzlich.
„Oh nichts, Tante. Ich bin nur ein wenig in Gedanken gewesen! Wann sagtest du, ist das erste Abendessen nochmal?“ ich versuchte mir die Traurigkeit nicht ansehen zu lassen.
„Übermorgen, mein Schatz. Ich denke, du hast bis dahin Zeit, dich einzuleben und zu erholen.“ meinte mein Vater jetzt liebevoll und nahm meine Hand.
„Und du brauchst auch keine Angst haben, dich wird niemand belästigen an solchen Abenden, denn ich werde ebenfalls mit anwesend sein.“ jetzt lächelte er mich an und ich wusste was er meinte. Sobald er einen potentiellen Heiratskandidaten ausmachte, würde er mich einfach an ihn weiterreichen für den Abend.
Zum besseren Kennenlernen, wie er immer so schön sagte.
Als es Zeit fürs Abendessen war, gingen wir hinüber in das Esszimmer, welches sehr beeindruckend war. Dunkle Holzmöbel, schwere dunkelblaue Vorhänge und ein weicher Blaugelb gewebter Teppich rückten es ins rechte Licht!
Das Gericht bestand aus kaltem Braten, warmem Brot und Sauce. Dazu wurde ein exzellenter Rotwein gereicht, welcher einen leckeren süßlichen Geschmack hatte.
„Nicht zuviel davon, Isabelle. Der steigt schnell in den Kopf.“ lachte meine Tante und hielt meine Hand auf.
„Es ist erst das zweite Glas, ich bin schon groß, Tante!“ meinte ich jetzt lächelnd und in ihre Augen trat ein leicht trauriger Ausdruck.
„Ja, das bist du, Kind. Ich sehe dich immer noch vor mir, wie du gerade anfingst zu laufen und mir alle Tischdecken daheim herunter gezerrt hast!“ Sie schluckte ihr Heimweh herunter und hielt meine Hand gedrückt.
Im Salon unterhielten wir uns später noch über die üblichen Gepflogenheiten, wie der Tagesablauf hier zum Beispiel ist. Welches Mädchen sich um meine Kleider und meine Haare kümmerte, wie sie alle hießen und so weiter.
Über diese Flut an Informationen wurde ich immer schläfriger und entschuldigte mich dann leicht gähnend gegen 22 Uhr.
„Ich wünsche dir eine wunderschöne erste Nacht hier, Isabelle.“ kam es leise von Maria und auch mein Vater wünschte mir angenehme Träume!
In meinem Zimmer hatte man den Kamin angeheizt und meine neue Zofe half mir aus dem Kleid und flocht meine Haare für die Nacht.
„Miss Alberts, habt ihr noch einen Wunsch?“ fragte sie leise.
Ich entließ Sarah, so war ihr Name, in die Nacht, bat sie aber, mich pünktlich zu wecken. Für morgen hatte ich mir vorgenommen, das Anwesen und das Grundstück kennenzulernen.
Auch wollte ich wissen, was es hier für Pferde gab und vielleicht hätte ich hier auch die Möglichkeit für ein paar Ausritte.
Mit diesen Gedanken lag ich noch einen Moment einfach im Bett und dann fiel mir das Bündel von Haytham unter meinem Kopfkissen wieder ein.
Vorsichtig nahm ich es darunter hervor und wickelte es aus.
Es war eines seiner Hemden und... Herr Gott nochmal... in mir kamen die Bilder der letzten Nächte hoch und ich umklammerte dieses Kleidungsstück und atmete diesen Duft ein. Es war Lavendel, Holz und ein wenig roch ich auch das Meer.
Mit seinem Hemd im Arm schlief ich heulend ein!
Ich erwachte schon vor Sonnenaufgang, weil mir die vertrauten Schiffsgeräusche und -bewegungen fehlten.
Daneben vermisste ich noch etwas Entscheidendes... den Besitzer des Hemdes zum Beispiel!
Vorsichtig legte ich es wieder zusammen und dieses mal in meinen Nachtschrank, unter dem Kopfkissen würde es früher oder später jemand in die Schmutzwäsche werfen!
Ich rief nach Sarah, welche kurz darauf in mein Zimmer trat und mich besorgt ansah.
„Miss Alberts, geht es euch nicht gut? Ihr seid ja schon früh wach!“ fragte sie im Vorübergehen und öffnete die Vorhänge und die Fenster. Goss dann Wasser in die Schüssel und legte mein Waschzeug bereit.
„Danke, aber mir geht es gut. Ich muss mich noch ein wenig daran gewöhnen, dass mein Bett nicht mehr schaukelt!“ grinste ich breit.
„Das muss ein Abenteuer gewesen sein, Miss! So lange auf See und dann ganz alleine! Ich hätte mich das nicht getraut!“ meinte sie in einem Plauderton, welcher mich ablenkte von meinen Gedanken.
„Wir wurden angegriffen und wir haben ein Unwetter überstanden, Sarah. Es war wirklich ein kleines Abenteuer!“ erklärte ich in kurzen Worten.
„Ab jetzt wird es ja wieder ruhiger zugehen, Miss Alberts. Was wollt ihr heute tragen?“ fragte sie, als sie ins Ankleidezimmer eilte um mir meine Wäsche und ein Kleid zu suchen!
„Nehmt einfach ein Kleid, ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau. Ich habe noch keine Verpflichtungen heute, also kann es ruhig schlicht sein!“
Sie verpackte mich nun in ein schlichtes dunkelblaues Leinenkleid mit weißem Schultertuch und beförderte meine Haare nach oben.
Nach dem Frühstück begleitete mich meine Tante nach draußen und zeigte mir den großen Garten, sowie die Obstbäume im hinteren Teil.
„Wie ist es möglich, so ein riesiges Grundstück hier in Boston zu haben, auch wenn es etwas außerhalb liegt? Wem gehörte es denn vorher?“ fragte ich neugierig.
„Oh, ein älteres Ehepaar musste es aufgeben, da sie keine Nachkommen hatten und die beiden alleine sich hier nicht mehr wohlfühlte. Sie haben sich jetzt in Philadelphia niedergelassen soweit ich weiß.“ erklärte sie mir nun, als wir in Richtung Ställe gingen.
Von weitem hörte ich Pferde wiehern und wäre am liebsten los gerannt, doch so etwas schickt sich nicht.
Hier standen 8 wunderschöne Tiere und ich sog diesen Geruch von Fell und Stroh in meine Nase! Es war immer wieder wie ein nach Hause kommen.
„Isabelle, wir haben auch einen Hengst für dich, einen Friesen, fast wie zuhause für dich! Er heißt Kratos!“
Der Name eines Halbgottes, sehr edel. Meine Hand fuhr leicht über das schwarze Fell und strich durch die üppige Mähne, mein Kopf lehnte wie von alleine an seinem Hals und ich seufzte zufrieden.
„Isabelle, was ist los?“ hörte ich meine Tante besorgt neben mir.
„Nichts, Kratos ist nur ein wirklich wunderschönes Tier! Du weißt doch, ich liebe Pferde!“ lächelte ich sie versonnen an.
„Daran kann ich mich erinnern, das stimmt. Also komm, es gibt noch mehr zu sehen. Du solltest auch noch die öffentlichen Räumlichkeiten für Empfänge und ähnlichem sehen!“
Also gingen wir schon wieder zurück ins Haus und sie führte mich durch fast alle Räumlichkeiten, erklärte mir, wofür welcher Raum gedacht war.
Auch wurde ich daran erinnert, dass ich nicht nur hier, sondern auch in New York noch ein Vorstellungs-Dinner bekomme.
„Wir haben dort ebenfalls ein Anwesen, etwas bescheidener, welches aber schon von deinen Großeltern damals gekauft wurde, bevor ich mit Maxwell überhaupt auswanderte.“ bei diesen Worten legte sich ein trauriger Ausdruck für eine Sekunde auf ihr Gesicht und ich drückte nur ihre Hand.
An meinen Onkel konnte ich mich nicht erinnern, aber ich freute mich immer, wenn meine Tante mir Geschichten über ihn erzählte.
Als die Besichtigung beendet war, war es bereits Zeit für das Mittagessen und ich muss sagen, nach der doch recht kargen Zeit an Bord der Providence, musste ich mich an diese Mengen erst einmal wieder gewöhnen.
Nachdem das Essen beendet war, ging meine Einführungsrunde aber weiter.
Jetzt war es mein Vater, welcher mich durch Boston führte.
Wir hatten unsere Pferde genommen und es dauerte nicht lange, bis sich Kratos an mich gewöhnt hatte.
So ritten wir also die Straßen ab, welche wirklich sehr belebt waren um diese Tageszeit.
Er zeigte mir einige Geschäfte, Tavernen durften auch nicht fehlen, von denen gab es hier auch mehr als genug, ging es mir durch den Kopf.
Und gerade als wir am späten Nachmittag am Green Dragon vorbeiritten traten zwei Männer heraus und ich erkannte Haytham.
Sie unterhielten sich angeregt, doch ich konnte nicht anhalten, mein Vater ritt einfach weiter.
Also sah ich noch einmal kurz über meine Schulter, doch Master Kenway hatte mich nicht gesehen. Sollte ich jetzt enttäuscht sein? Vermutlich nicht... dennoch war ich es!
Etwas betrübt ritt ich nun hinter meinem Vater her und es dauerte nicht lange, bis er mein langes Gesicht bemerkte.
„Isabelle, ich habe ihn auch gesehen. Aber denk daran, dass du andere Aufgaben hast!“ eigentlich hatte ich mit aufmunternden Worten gerechnet, aber nun gut.
„Ich weiß!“ brachte ich nur leise heraus.
Bei unserer Rückkehr erwartete uns der Stallmeister bereits und auch das Abendessen. Mir war aber überhaupt nicht nach essen, ich wollte... ja, ich wollte einfach in mein Zimmer und nicht mehr rauskommen!
„Thomas, was hast du mit deiner Tochter gemacht, dass sie so miesepetrig dreinschaut?“ hörte ich Maria tadelnd fragen.
„ICH? Ich habe nichts getan, nur haben wir diesen Kenway gesehen und Isabelle ist wütend, weil er sie nicht beachtet hat!“ oh, ich wurde immer ungehaltener.
SO war es ja gar nicht!
„Das war es nicht, Vater! Deine Bemerkung war nur völlig unpassend!“ ich hatte meine Stimme erhoben!
„Ich warne dich, Isabelle! Treib es nicht auf die Spitze. Du bist keine 5 Jahre alt, sondern erwachsen und solltest dich auch so benehmen. Ich denke, es ist das Beste, wenn du nur kurz hier bleibst und dann nach New York reist!“ kam es jetzt wütend von meinem Vater!
„Schön, schickt mich ruhig hin und her, so wie es euch gerade passt!“ bei diesen Worten war ich aufgesprungen und rannte in mein Zimmer!
Ja, ich war erwachsen und ich konnte für mich entscheiden.
Aber durfte ich nicht auch einfach mal enttäuscht sein?
Jetzt saß ich hier, heulend auf meinem Bett und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Verdammt, ich weiß, ich habe meine Aufgaben und Verpflichtungen!
Und ja, diese gehen vor und wir müssen einen Bogen um Haytham machen, aber dürfte ich einen etwas kleineren Bogen um ihn machen?
Ein leises Klopfen an der Tür mit den Worten „Isabelle, Kind. Es tut mir leid.“ hörte ich meinen Vater leise sprechen und als er eintrat, sah ich, dass es ihm unangenehm war.
Er konnte solche Gespräche nicht führen, dass hatten immer nur Kindermädchen oder eben später meine Gouvernante übernommen.
Jetzt musste aber ER sich mit mir beschäftigen!
Vater setzte sich neben mich aufs Bett und faltete seine Hände in seinem Schoss.
„In den nächsten Tagen wirst du Abwechslung genug haben und kaum Zeit haben, um über ihn nach zudenken. Ich verspreche dir, du wirst darüber hinwegkommen und ich werde dich nicht zu einem Ehemann überreden. Versprochen, Isabelle!“
Ich sah zu ihm hinüber und schüttelte nur den Kopf!
„Du wirst es tun, genau wie Tante Maria! Ich sehe es doch immer wieder in den Blicken der anderen Leute. Diese mitleidigen Blicke, dass ich noch nicht den richtigen gefunden habe. Vater, ich kann doch nichts dagegen machen, dass ich mich gerade im Moment so seltsam fühle. Ich weiß, ich muss ihn vergessen, doch lasst mir ein bisschen Zeit, ja?“ fragte ich leise und lehnte mich an die Schulter meines Vaters.
„Gut, du hast ein bisschen Ruhe verdient. Lass uns trotzdem die nächsten Tage nutzen, damit du die Geschäfte kennen lernst und wir die beiden großen Empfänge planen können! Es führt kein Weg daran vorbei, mein Schatz!“ sein Arm legte sich um mich, er drückte mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Etwas versöhnlicher gingen wir wieder hinunter und aßen zu Abend.
Danach fing meine Tante an, mir schon einmal eine Liste mit Geschäftspartnern zu erläutern. Wer was wohin lieferte, oder wer noch Schulden hatte, wer noch mit der Lieferung in Verzug war und so weiter.
Das Arbeitszimmer meines Vaters gehörte dann fürs erste mir, so sagte man mir nun, damit ich ungestört lernen könne.
So verging also mein erster Tag hier in meiner neuen Heimat. Es hörte sich noch unwirklich an und ob ich tatsächlich bliebe, war die Frage!
Ich hatte mich ein wenig eingelebt und mein Vater sollte recht behalten, ich hatte nicht viel Zeit um über Haytham und meine Gefühle nachzudenken.
Immer wieder erschienen Freunde oder Kaufleute, die Damen der Nachbarschaft beehrten uns auch immer mal wieder, nur um den neuesten Klatsch zu erfahren. MICH!
Man bedachte mich mit skeptischen Blicken, da ich nicht der üblichen Mode angepasst herumlief. Ich trug meine Haare nicht unter einer Haube, meine Kleider waren praktisch und ich ritt, oh Graus, nicht im Damensattel. Diese Art des Reitens war mir zu gefährlich! (Anm. der Autorin: Danke an eine liebe Freundin, die mich darüber aufgeklärt hat!).
Heute Abend stand nun der erste große Empfang an, ich sollte offiziell hier in die Gesellschaft aufgenommen werden!
Mittlerweile war ich doch sehr nervös geworden, es wurden etwa an die 80 Gäste erwartet. Davon, laut meiner Zofe, mindestens halb so viele ledige Herren!
Ich hatte es gewusst, es war mehr eine Brautschau, als ein Kennenlernen. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich mir nicht schon einen Plan zurechtgelegt hätte.
Ich würde einem nach dem anderen einfach einen Korb geben! Höflich, aber bestimmt würde ich sie nacheinander ablehnen!
Als die ersten Gäste eintrafen, stand ich mit meinem Vater und meiner Tante in der Eingangshalle und begrüßte die Damen und Herren. Man hatte mich in einen Traum aus schwarzer und roter Seide gesteckt, dazu meine langen über Nacht eingeflochtenen Haare, die jetzt wellig über meinen Rücken liefen.
Mein Vater hatte mir nun, da er mir zustand, den Schmuck meiner Mutter überreicht. Sie hatte über die Jahre wunderschöne Stücke geschenkt bekommen und ich wurde auch fündig!
Wenn ich ehrlich sein soll, ich konnte mir nicht einmal ansatzweise alle Namen merken. Ich ging zudem davon aus, dass ich die meisten Herrschaften nur einmal im Jahr zu Gesicht bekommen würde.
Dann trat ein Ehepaar auf meine Tante zu, begrüßte sie herzlich und die Dame flüsterte etwas. „Isabelle, darf ich dir meine langjährige Freundin Mistress Clarkson und ihren Gatten vorstellen? Meine Nichte, Isabelle Alberts.“ man schüttelte meine Hand und ich bekam den obligatorischen Handkuss.
Plötzlich stand ein Mann hinter den Eheleuten und beide gingen auseinander. „Unser Sohn, William!“ kam es voller Stolz von Mistress Clarkson.
Für einen Moment stand ich mit offenem Mund da und starrte diesen Herren an.
Er war ungefähr in meinem Alter vermutete ich, hatte pechschwarze lange Haare, welche zu einem Zopf im Nacken lagen. Seine ganze Erscheinung war kühl, aber imposant, sein Anzug umspielte die große schlanke Figur perfekt und war farblich wie abgestimmt passend zu meinem Kleid.
Sein Blick ruhte auf mir, dann nahm er lächelnd meine Hand und begrüßte mich leise, mit einer Stimme, die so beruhigend war, dass man ein gewisses Grundvertrauen in ihn hatte.
„Miss Alberts, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen! William Clarkson, zu euren Diensten!“ eine tiefe Verbeugung folgte noch und dann sah er mich wieder lächelnd an.
„Ich... auch ich freue mich, euch kennenzulernen, Master William!“ immer noch sah ich zu ihm auf und fragte mich, was an seiner Erscheinung mich so irritierte!
Damit war für meinen Vater klar, wer heute Abend meine Begleitung darstellte und er schien sich zu freuen, ebenso die Eltern des jungen Mannes.
Wir nahmen nun im Esszimmer Platz und der erste Gang wurde serviert.
Während des gesamten Essens führte ich mit meinem Begleiter angeregte Gespräche und zum ersten Mal fühlte ich mich nicht dazu gezwungen. Nein, im Gegenteil. Ich genoss es.
William war redegewandt, hatte ein umfangreiches Wissen und was das allerbeste war, auch er liebte Pferde und wollte sie gerne züchten. Doch noch fehle ihm das passende Eigenheim und der entsprechende finanzielle Hintergrund.
Die Zeit verging wie im Fluge an diesem Abend. Sogar die Tänze mit den verschiedenen Herren waren nicht so schlimm wie befürchtet, sie alle waren zuvorkommend und nicht aufdringlich.
Als ich mit meinem Vater auf der Tanzfläche war, fragte er mich nach meiner Meinung zu Master William.
„Vater, du kannst Fragen stellen. Aber wenn du es genau wissen willst, ich finde ihn sehr sympathisch. Wir teilen die große Leidenschaft für Pferde und ich finde, er ist ein überaus netter Gesellschafter. Doch denk nicht gleich daran, eine Verlobung davon zu machen.“ lächelte ich ihn an.
„Nein, das hatte ich auch nicht vor, Isabelle. Es freut mich nur, dich ein wenig glücklich zu sehen. Ich sorge mich doch nur um dich.“ und in seine Augen trat die Trauer um meine Mutter.
„Ich vermisse sie auch, Vater!“ mehr brachte ich nicht raus, weil meine Augen vor Tränen brannten in diesem Moment!
Irgendwann wurde es mir jedoch im Ballsaal zu warm und ich griff mir ein Glas des Champagners und ging auf die hintere Terrasse.
Die kühle Nachtluft tat gut und ich atmete tief durch.
Dieser Duft des nächtens im Sommer war immer wieder berauschend. Die Blumen, Büsche und Bäume verströmten so intensive Aromen, dass man schon fast benebelt wurde.
„Ihr lächelt, Miss Alberts. Das freut mich und ich muss gestehen, es steht euch sehr gut zu Gesicht.“ hörte ich Williams Stimme leise hinter mir.
„Danke, Master William. Ihr macht mich verlegen.“ plötzlich war ich die Schüchternheit in Person und wusste nicht einmal warum.
„Ich... würde euch gerne wiedersehen, Miss Alberts.“ kam es noch leiser und so zaghaft, dass ich erst dachte, ich hätte mich verhört.
Mein Blick glitt in seine Richtung und seine Gesichtszüge wurden von den Fackeln hier draußen am Geländer beschienen. Seine Haut schien durchsichtig zu sein und durch das Flackern zu pulsieren, es war ein faszinierender Anblick.
„Miss Alberts, ist alles in Ordnung?“ riss er mich aus meinen Gedanken?
„Bitte?... Oh ja, verzeiht Master William. Ich war nur... in Gedanken. Es tut mir leid!“ meinte ich etwas verlegen und ein Lächeln seinerseits beruhigte mich wieder.
Jetzt wusste ich oder vermutete eher, was mich irritierte, er war vorsichtig und sanft!
Er machte jeden Schritt mit Bedacht, jedes Wort war wie ausgewählt und nicht einfach so daher gesprochen!
Alles in allem, William war ein Mann, welcher wie fast alle Templer diszipliniert durchs Leben gingen. Doch er war dabei noch wortgewandt, freundlich und... ja sanft, kein Draufgänger.
Es mag auch der erste Eindruck täuschen und dieser Herr würde sich als der größte Wüstling aller Zeiten herausstellen. Aber etwas in mir sagte, dass das nicht möglich sei!
Wir standen jetzt einfach noch einige Zeit hier draußen, ohne ein einziges Wort zu sagen und genossen die kühle Nachtluft.
Dann rissen uns unsere Eltern aus dieser Stille und unseren Gedanken!
„William, es ist schon spät, wir sollten aufbrechen.“ hörte ich seine Mutter hinter uns.
Als ich mich umdrehte, sah sie mich lächelnd und zufrieden an.
„Ihr habt Recht, Mutter. Miss Alberts, es hat mich gefreut, euch heute kennen gelernt zu haben. Ich hoffe, wir werden uns bald wiedersehen?“ hörte ich da etwa freudige Erwartung in seiner Stimme?
„Master William, auch ich würde mich freuen, euch wiederzusehen.“ damit reichte ich ihm meine Hand und als sie in seiner lag, umschlangen seine kühlen Finger meine warme Haut und ein Schauer lief mir über den Rücken.
Ein Handkuss und eine tiefe Verbeugung, dann verabschiedete sich noch Master Clarkson und ebenso seine Gattin von mir.
Ich blieb zurück und sah ihnen nach. In mir tobte ein Chaos an Gefühlen, welche ich überhaupt nicht zuordnen konnte.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich völlig durcheinander und das Schlimme daran war, dass ich niemanden hatte, mit dem ich darüber reden konnte. Ich beschloss daher, meiner Freundin in London zu schreiben, auch wenn die Briefe einige Monate unterwegs waren. Auch sollte ich mein Tagebuch weiterführen...
„Isabelle, woran denkst du nur gerade? Dein Gesicht durchlebt ja alle Emotionen die es gibt auf einmal!“ fragte mich meine Tante besorgt.
„Es geht schon, Tante Maria. Die Tage waren allesamt mit soviel neuem und lernenswertem vollgestopft, dass ich ein wenig überfordert bin gerade...“ doch zu mehr kam ich nicht.
„Dieser junge Clarkson spukt in deinem Kopf herum, habe ich Recht?“ grinste sie nur und sie hatte ja Recht, aber das war es nicht alleine. „Isabelle, niemand überstürzt etwas oder will dich ärgern. Wir lassen den Abend jetzt ausklingen und nächste Woche reisen wir nach New York.“ meinte sie friedlich und drückte meinen Arm.
Im Haus selber wurde es jetzt leerer und ich verabschiedete die einzelnen Gäste noch, welche sich noch einmal für die große Gastfreundschaft bedankten und mir alles Gute für meine Zukunft wünschten.
Gegen 2 Uhr fiel ich dann in mein weiches Bett, nachdem mir Sarah noch aus meinem Kleid geholfen hatte.
Der heutige Abend hatte wieder eine neue Perspektive gebracht, er hatte mich weiter in die Zukunft schauen lassen.
Zum ersten Mal wurde mir klar, dass man Sätze wie „Zeit heilt alle Wunden“ oder „Du wirst darüber hinwegkommen“ ruhig zulassen sollte, in diesem Moment fühlte ich, dass genau DAS gerade mit mir passierte!
Langsam fielen mir die Augen zu und ich sah in diese warmen bernsteinfarbene Augen, welche mich den ganzen Abend nicht losgelassen hatten!
Eine Woche nach dem Empfang reisten wir nach New York.
Im Gepäck waren die Kammerdiener und -zofen, sowie unser Butler, Mr. Burns. Sie alle schienen sich auf diese Reise und die Abwechslung zu freuen, ich dagegen wäre gerne noch in Boston geblieben. Ich hatte mich gerade erst ein wenig eingelebt.
Kenways Hemd war dann der Wäsche zum Opfer gefallen, was mich aber nicht mehr traurig stimmte. Aber auch nicht glücklich machte, wenn ich ehrlich bin.
Auf dem Weg zu unserer New Yorker Villa, machten Vater und ich im Grenzland noch einen Abstecher und gingen einer Spur nach, welche besagte, dass eines der Artefakte in der Nähe eines kleinen Flusses in einer Höhle versteckt sei.
Dieses Wissen hatte Vater aus einem uralten Buch, welches meine Familie hütete wie einen Augapfel. Es war in verschiedenen Sprachen geschrieben und man ahnte, dass es über viele Generationen weitergeführt worden war.
Wir ritten entlang dieses kleinen Flusses, stundenlang, tagelang... doch wir fanden keine Höhle oder einen Eingang zu einer solchen.
„Vater, bist du dir sicher mit der Beschreibung? Kann es nicht sein, dass etwas anderes gemeint war mit Höhle oder dass der Fluss doch ein anderer ist?“ fragte ich etwas genervt, denn die Temperaturen waren gestiegen und ich war durchgeschwitzt und seit Tagen sah ich nichts anderes als diesen Wald um uns herum!
„Ich bin mir sicher, Isabelle!“ kam es wütend von meinem Vater.
Dann kamen wir an einem kleinen Lager vorbei, wo eine Gruppe von Rotröcken um ein Feuer saß und sich betrank.
Als wir näher kamen, reagierte einer der Herren, stand auf und stellte sich uns in den Weg.
„Halt, wo wollt ihr hin und was habt ihr hier zu suchen?“ lallte er und schwankte bedrohlich hin und her.
„Sir, wir sind nur auf der Durchreise und wollten ebenso wie ihr, ein Lager aufschlagen für die Nacht!“ meinte mein Vater neben mir.
„Wenn das so ist, Mister. Setzt euch mit eurer Frau einfach zu uns!“ sein Blick glitt über mich und er grinste breit mit einer Reihe nicht vorhandener Zähne!
Seine Kumpane stimmten ihm zu und gerade als ich etwas erwidern wollte, sagte mein Vater „Wir nehmen euer Angebot gerne an, mit dem Schutz von königlichen Soldaten sollten wir in Sicherheit sein vor Plünderern.“ und in seinem Blick lag ein „Mach einfach Isabelle, ich beschütze dich schon!“ ich hingegen war mir nicht sicher, ob ich hierbleiben wollte, doch Vater sah ich an, dass er müde war und dringend Schlaf brauchte.
Ich gab also klein bei und wir gesellten uns zu den britischen Soldaten, auch wenn ich mich etwas abseits hielt. Ich trug meine Templermontur und kein Kleid, was mir schon die ganze Zeit seltsame Blicke einbrachte.
Nachdem unser provisorisches Nachtlager errichtet war, saßen wir mit den Herren am Feuer und ich muss sagen, es war doch noch sehr angenehm.
Auch wenn sie alle schon angetrunken waren und des öfteren mehr als anzügliche und zweideutige Bemerkungen und Witze machten.
Man reichte mir immer wieder einen Becher mit Whiskey, welcher stark verdünnt mit Wasser war. Ich nippte immer höflich daran, denn diese Art des Alkohols lag mir fern, ich trank lieber Perlwein oder eben Champagner, ich weiß, sehr dekadent. Aber zur Not tat es auch Wein... doch ich schweife ab.
Irgendwann waren die Herren Soldaten alle, bis auf die Wache, eingeschlafen und auch mein Vater hatte sich bereits zurückgezogen.
So saß ich noch einen Moment an dem herunter brennenden Feuer und starrte in die Glut, als ich ein Geräusch hinter mir wahrnahm.
Langsam zog ich das Messer aus meinen Stiefeln und lauschte auf die Geräusche von knackenden Ästen, raschelndem Laubes, welches näher kam.
Gerade als ich das Gefühl hatte, der Angreifer wäre in meiner Nähe, sprang ich auf und... vor meinen Füßen hockte ein verängstigter Hase! Verdammt nochmal!
Nun war es mit meiner Müdigkeit vorbei, sie war verflogen und mein Herz schlug mir bis zum Hals!
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich reagierte instinktiv, so wie ich es in meinem Training gelernt hatte.
Ich griff nach dieser Hand, zog den Körper mit einem großen Schwung über die Seite und er landete unter mir.
Ich selber hockte darauf und starrte in die ängstlichen Augen eines Soldaten.
„Verzeihung Mrs. Alberts, aber... ich... wollte euch nicht erschrecken... ich hatte... nur bemerkt... wie.... ihr aufgesprungen seid und... dachte...“ seine Stimme klang mehr als Angsterfüllt, er realisierte nämlich, dass ich mein Handwerk verstand und mich im Notfall wunderbar verteidigen konnte.
Ich ließ von ihm ab und er erhob sich langsam, strich sich den Schmutz von seinen Kleidern.
„Verzeiht mir...“ leider war mir sein Name entfallen.
„Lance Corporal Warwick, Mrs. Alberts, zu euren Diensten.“ meinte er nun etwas verlegen und sah mich auch so an.
„Ihr solltet euch lieber nicht so heranschleichen, Corporal Warwick.“ meinte ich grinsend und auch er entspannte sich nun.
Sein Blick glitt zu dem kleinen Hasen zu meinen Füßen, welcher immer noch dort hockte, vermutlich vor Schreck erstarrt.
„Das wäre eine äußerst geschmackvolle Mittagsspeise, denkt ihr nicht, Mrs. Alberts?“ ich sah ihn geschockt an.
„Ihr wollt... nein, ich denke nicht. Lasst ihn laufen, mir zuliebe!“ ich legte einen Augenaufschlag hin, welcher ihn von seinem Anliegen abbringen sollte.
„Wenn ihr es wünscht!“ eine Verbeugung und er verabschiedete sich für die Nacht.
Ich zog mich auch zurück und war alsbald eingeschlafen.
Mein Traum driftete aber zu ermordeten gehäuteten Hasen ab, welche mich mit finsteren rotglühenden Augen strafend ansahen...
Am nächsten Morgen befragten wir die Soldaten, ob sie hier in der Nähe eine Höhle oder ähnliches gesehen hätten und hörten erfreut, dass sich hier ganz in der Nähe eine ziemlich große sogar befinden würde.
Nach dem kargen Frühstück brachte man uns dorthin und ich staunte, als wir in diesen Raum eintraten, es war keine natürliche Ausbuchtung. Es muss menschengemacht sein, dachte ich nur.
Es gab eine Reihe von Kacheln ringsum, welche alle seltsame Zeichen inne hatten. Einige Bereiche waren wie von Hand mit roter Farbe gezeichnet zu sein, sie zeigten seltsame Wesen mit erhobenen Armen und ähnlichem.
„Hier ist aber nichts, Vater. Diese Einkerbung in der Wand dort drüben ist alles, hier kommen wir nicht weiter.“ resigniert atmete mein Vater tief durch und gab mir im Grunde recht.
„Dann war der ganze Ritt hierher völlig sinnlos! Verdammt!“ und seine Faust schlug auf den Felsen ein! Als wenn das etwas verändern würde!
„Wir werden sicherlich noch etwas finden, wir müssen nur weitersuchen!“
Doch plötzlich sah er mich so seltsam an.
„Isabelle, wir haben nicht so viel Zeit, wir können nicht einfach Monate und Jahre nutzlos verstreichen lassen! Wir brauchen Resultate. Es wird bald einen Krieg geben und dann müssen wir vorbereitet sein, dafür aber brauchen wir diese Artefakte!“ zum ersten Mal erzählte er mir davon.
„Und das sagst du mir jetzt erst? Ich wusste ja, dass wir auf der Suche sind um das Geschick der Menschheit lenken zu können. Doch warum hast du nie etwas gesagt, Vater? Wie lange? Sag mir WIE LANGE haben wir Zeit?“ in meiner Stimme schwang Panik und auch Wut mit, ich ließ mich nicht gerne unter Druck setzen!
„In ungefähr 10 Jahren müssen wir die Gegenstände beisammen haben. Unsere Familie hat seit... Jahrhunderten diese Aufgabe... Isabelle, bitte verzeih mir, ich hätte dich schon früher einweihen müssen. Doch ich dachte, wir hätten ein leichtes Spiel, sobald wir hier in den Kolonien sind. Die Bücher waren so eindeutig!“ enttäuscht ließ mein Vater die Schultern hängen und sah zu Boden.
„Dann weiß ich jetzt Bescheid und werde dich unterstützen und dir helfen, wo ich nur kann. Aber bitte, Vater, sei in Zukunft ehrlicher zu mir. Ich bin schon alt genug und kann damit umgehen, doch lasst mich nicht immer alle im Unklaren!“ ich ging auf ihn zu und umarmte ihn einfach.
„Ich weiß, mein Schatz, ich weiß! Lass uns nun weiter nach New York reisen. Dort haben wir auch noch den Zugriff auf ein größeres Wissen in der Bibliothek deiner Großeltern!“
Er ging schon hinaus und für einen Moment stand ich hier in diesem Raum. Mich überkam eine Gänsehaut und ich sah zwei Personen, welche sich vor dieser gekachelten Wand in den Armen lagen.
Der Uniform nach ein britischer Soldat und... eine Indianerin? Ich schüttelte mich um diese Bilder loszuwerden, das waren sicher nur irgendwelche Hirngespinste!
Unsere Pferde waren schon ungeduldig, als wir aus der kleinen Höhle herauskamen und wir saßen sofort auf.
Es waren noch ungefähr 6 Tage bis New York. Die Diener waren schon alle dort wenn wir ankamen und so hatten wir eine leicht „unzivilisierte“ Zeit hier in den Wäldern.
Hier und da kamen uns Reiter entgegen, im Zivil oder auch auch einige Soldaten oder eben Offiziere. Man behelligte uns aber nicht großartig, sondern nickte uns nur im vorüber Reiten zu.
Bis mir jedoch ein Herr, kurz bevor wir unser Reiseziel erreichten, entgegenkam.
Seine fast schwarzen Haare in diesem Kontrast zu den stachelbeergrünen hellen Augen war frappierend.
Sein Blick blieb an mir hängen und es sah fast so aus, als lauere er auf irgend etwas!
Für einen Moment hatte ich den Mann vor Augen, welcher Haytham im Hafen von Boston begrüßte.... ich schüttelte mich schnell... ich wollte und durfte nicht an ihn denken!
New York... ich hatte mir eine große lebendige Stadt vorgestellt... doch ich fand eine von britischen Soldaten besetzte Gegend vor! Überall waren sie präsent, auch wenn es viele Auswanderer gab mit den vielen verschiedenen Sprachen.
Es schien, als poche man auf das britische englisch, als gäbe es nichts besseres! Wer dem nicht mächtig war, hatte keine Chance. So mein erster Eindruck und ich hoffte, dass ich mich irrte!
Vater und ich ritten Richtung unseres Anwesens und ich hatte zum ersten Mal ein schlechtes Gewissen gegenüber der armen Bevölkerungsschicht.
Wir hatten es gut, wir hatten ein Einkommen, wir betrieben Geschäfte und mussten uns keine Gedanken über die Zukunft machen. Noch nicht!
Die Villa war... beeindruckend und ich sah mit offenem Mund darauf.
„Isabelle, es ist nicht viel größer als in Boston oder in Hannover. Es ist lediglich anders aufgeteilt, Tochter!“ versuchte mein Vater nun eine Erklärung.
Er vergaß aber mal wieder, dass ich nicht in dem Anwesen in Hannover, sondern auf einem kleinen Dorf in einem kleinen Haus aufgewachsen bin. Auch wenn es dort ebenfalls Angestellte und Diener gab, so war es einfach kleiner gewesen!
Man ließ uns ein und führte uns in den Salon, wo meine Tante bereits wartete und wie es schien, hatten wir schon Gäste!
„Ah, da seid ihr ja endlich, ihr beiden!“ begrüßte Maria uns fröhlich und kam auf uns zu, um uns in Empfang zu nehmen. Ging aber einen Schritt zurück und wedelte mit ihrer Hand vor der Nase herum! „Ich glaube, ihr könntet ein Bad gebrauchen. Silvy?“ praktisch wie sie war, rief sie nach einem der Mädchen und ordnete an, das Bad bereit zumachen.
Vorher stellte sie mich aber noch dem Besuch vor.
„Das ist meine Nichte, Isabelle Alberts, sie ist vor wenigen Wochen aus Europa hier eingetroffen um die Familiengeschicke zu unterstützen, Master Walters!“ und sie deutete auf mich. „Meinen Bruder kennt ihr ja bereits.“ meinte sie lächelnd und besagter Master Walters begrüßte mich freundlich.
„Es freut mich, euch nun persönlich kennenzulernen, Miss Alberts. Ich hoffe, die Überfahrt war nicht zu beschwerlich?“ wahrheitsgemäß antwortete ich, dass es schon recht turbulent war, so aber die Zeit schneller vergangen ist.
„Da habt ihr vermutlich recht, ein Schiff ist ja keine Großstadt und viel zu sehen gibt es dort nicht.“ lachte er und setzte sich nun wieder.
Meine Tante erklärte, er sei einer der langjährigen Geschäftspartnern hier in New York und im Grenzland.
Er ist für Schmuck jeglicher Art, feine Stoffe und eben auch Kunstgegenstände verantwortlich, weswegen er uns auch helfen kann, die Artefakte ausfindig zu machen.
Doch das Gespräch musste warten, meine Zofe bat mich mit hinaufzukommen, damit ich mich ausziehen konnte und fürs Bad fertig machte. Sarah erklärte mir noch, dass sich das Badezimmer im hinteren unteren Bereich des Anwesens befand, in der Nähe der Waschküche. Dort gab es nämlich auch eine große Feuerstelle, auf welcher genügend Wasser erhitzt werden konnte.
Etwas später saß ich dann in der dampfenden Wanne.
Meine Muskeln dankten es mir und ich entspannte mich nach den langen Tagen im Sattel und auf der Straße.
Meine Gedanken wanderten zu dieser Höhle welche wir entdeckt hatten und ich fragte mich, ob es dort nicht doch einen Mechanismus gab, der vielleicht eine Tür öffnen könnte? Diese runde Aussparung musste doch einen Zweck haben! Was würde da hinein passen?
Ich grübelte darüber nach und dachte an verschiedene Gegenstände, welche schon in unserem Besitz waren. Doch nichts war rund oder wie ein kleiner Ball geformt.
Die nächsten Tage werde ich dann wohl die Bibliothek hier in der Villa besetzen und mich durch die Bücher lesen!
Sarah half mir aus der Wanne und beim Ankleiden.
Meine Haare waren auch wieder sauber und lagen in einem geflochtenen Zopf in meinem Rücken.
Als ich ins Esszimmer kam, war das Abendessen bereits serviert und meine Tante sah freudestrahlend zu mir auf.
„Isabelle, so gefällst du mir schon besser. Endlich hast du wieder Farbe im Gesicht, Kind! Vorhin dachte ich schon, dass dein Vater dich wieder zu sehr getriezt hat und du womöglich noch krank wirst!“ sie bat mich, Platz zu nehmen und eine Angestellte füllte meinen Teller auf.
Ich ließ es mir schmecken und genoss den leckeren Wein dazu, wenn ich ehrlich bin, hatte ich dieses normale Essen sehr vermisst in den letzten Tagen!
Mein Vater zeigte mir dann anschließend noch ein wenig das Haus, unter anderem auch die Bibliothek, welche doch sehr beeindruckend war.
Als ich diesen Geruch von Leder, Tinte und Papier in der Nase hatte, fühlte ich mich wie im siebten Himmel!
„Deine Mutter hat auch immer so geschaut, wenn sie von Büchern umgehen war, Isabelle! Ich freue mich, dass du diese Leidenschaft von ihr hast und nicht meine Begriffsstutzigkeit bei den geschriebenen Wörtern!“ lachte er nur und legte seinen Arm um mich.
Wir gingen noch hinaus in den Garten, wie auch in Boston gab es einen Obst- und Gemüsegarten.
Die Pferde würden aber bis morgen warten müssen, meinte mein Vater und führte mich weiter in den Garten zu einem großen Teich, in welchem sich allerlei Fische tummelten.
„Den hat dein Großvater vor Jahren einmal angelegt. Er konnte stundenlang hier sitzen und dem Treiben der Fische zusehen. Es würde ihn entspannen und er könne so besser nachdenken, meinte er immer!“
Für einen Moment stand er nun da und starrte in das klare Wasser, dessen Oberfläche sich ab und zu kräuselte.
„Großvater hatte Recht. Es ist wirklich beruhigend und ich muss sagen, als ich auf der Providence manchmal an der Reling lehnte und das Meer beobachten konnte, fühlte ich auch diese Ruhe!“ erklärte ich leise und sah meinen Vater lächelnd an.
Langsam drehte er sich zu mir und sah mich unschlüssig an.
„Isabelle, wir … also wir haben Nachricht erhalten, dass man die Mörder meiner Eltern gefasst hat! Sie haben auf ihrem Weg noch weitere Morde begangen in den vergangenen Jahren! Doch erst durch einen Zufall hat man sie jetzt erwischt, als sie sich an eine Reisekutsche hängen wollten, um so an das Hab und Gut der Herrschaften zu kommen! Es sind insgesamt vier Männer, sie alle werden derzeit in einem Gefängnis in Wilmington festgehalten und warten auf ihren Prozess!“ seine Worte sprach mein Vater leise, so als wäre er nicht sicher, ob ich das wissen wollte oder sollte.
„Das sind aber doch gute Neuigkeiten, Vater! So gibt es endlich Gerechtigkeit nach all den Jahren!“ ich nahm seine Hand tröstend in meine und lächelte ihn immer noch an.
„Ja, endlich werden deine Großeltern gerächt!“ doch etwas an dieser Aussage klang nach Unzufriedenheit.
„Lass mich raten, du würdest am liebsten selber nach Wilmington reiten, um diese Halunken mit eigener Hand in die Hölle zu schicken, habe ich Recht?“ fragte ich frei raus.
„Du kennst mich zu gut, Isabelle! Leider würde ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen, also überlasse ich es einem Freund des Ordens, mich über ihr Ableben zu informieren!“ kam es regelrecht lustlos von ihm und ich erkannte, dass es die Trauer war, welche er im Grunde nie wirklich gezeigt, geschweige denn zugelassen hat.
„Wenn wir die Nachricht ihrer Hinrichtung bekommen haben, dann werden wir auf Großmutter und Großvater anstoßen! Bis dahin quäle dich nicht weiter, Vater.“ sprach ich ihn leise an und drückte weiterhin seine Hand.
„Das werden wir, Isabelle!“ lächelte er mich an.
Zurück im Haus verabschiedete ich mich von meiner Tante für die Nacht und ging hinauf in mein Zimmer!
Ich freute mich auf ein weiches Bett und eine kuschelige Decke.
Dieses im Freien übernachten ist nicht so meines, wenn ich ehrlich bin. Sarah half mir noch schnell beim Entkleiden und dann endlich konnte ich mich in die Federn fallen lassen.
Die letzten Tage hatte ich mit Lesen verbracht und ich dankte meinen Großeltern für diesen Schatz an Büchern.
Über die Jahre hatten sie, eigentlich meine gesamte Familie, fantastische Werke zusammengetragen, welche mir jetzt gute Dienste leisteten.
Als ich dann auf der Suche nach dem runden Gegenstand in einem dieser handgeschriebenen Wälzer, welcher von vielen Generationen geführt wurde, fündig wurde, tat mein Herz einen Satz.
Der besagte Abschnitt sprach von einer goldschimmernden Kugel, welche aber nicht aus uns bekanntem Metall gefertigt sei. Sie sei leicht und auf ihr prangten viele sonderbare Zeichen. Bisher schien es niemanden zu geben, der sie entschlüsseln konnte!
Jetzt war nur die Frage, WO befand sich dieser „Edenapfel“, so nannte man ihn in dem Buch. Also hieß es weiterlesen.
Mir kam der Zufall zu Hilfe, als ich gerade nach dem Mittagessen wieder in die Bibliothek verschwinden wollte.
Ein Zufall in Gestalt von Master William Clarkson und ich muss gestehen, ich war für diese nette Abwechslung dankbar. Wir hatten uns nach dem großen Empfang nicht mehr gesehen und das war nun schon einige Wochen her.
Mit großen Augen betrat William mein persönliches Paradies hier in unserem Anwesen und blieb staunend bei dem mächtigen Schreibtisch stehen.
Dort hatte ich mich breit gemacht und meine Notizen flogen kreuz und quer darüber. Unter anderem hatte ich eigene Zeichnungen nach den Beschreibungen über diese Kugel angefertigt und Master Clarkson runzelte kurz die Stirn.
„Miss Alberts, ihr seid auf der Suche nach einem Edensplitter, wie ich sehe!“ meinte er neugierig, aber nicht aufdringlich.
„Ja, mein Vater und ich habe eine Höhle entdeckt, in welcher scheinbar eine passende Aussparung an einer Wand war. Ihr kennt euch ebenfalls mit diesen Mythen aus, Master William?“ fragte ich nach, in der Hoffnung, dass er vielleicht wirklich helfen konnte.
„In der Tat, mein Urgroßonkel hat von einem Artefakt erzählt, auf welches diese Beschreibung passen würde. Er war der Ansicht, es müsse irgendwo in Italien verborgen sein, leider hat er nie herausgefunden, wo genau.“ etwas enttäuscht seufzte ich und sah auf meine Zeichnung hinab.
„Das ist sehr schade, aber vielleicht könnten wir der Spur ja selber einmal folgen. Gibt es Berichte von eurem Urgroßonkel, Master William? Wenn ihr sie mir geben wollt, heißt es natürlich.“ entschuldigend sah ich zu ihm auf, ich wollte diesen Mann nicht unter Druck setzen.
„Miss Alberts, diese Reiseberichte sind keine Geheimakten.“ lachte er jetzt. „Wenn ihr Zeit und Lust habt, dann kommt doch bitte übermorgen zum Dinner zu mir und ich kann euch die Schriften zeigen.“ in mir wuchs eine gewisse Euphorie und ich nahm die Einladung dankend an.
Wir unterhielten uns noch eine Weile über diese ganzen verworrenen Geschichten über diese Vorläufer und über ihre Hinterlassenschaften.
„Diese Wesen sind mir ein wenig unheimlich, wenn ich ehrlich sein darf, Miss Alberts.“ kam es etwas zögerlich von meinem Besucher, doch ich konnte sein Gefühl nachvollziehen.
„Mir geht es ähnlich. Sie müssen eine Macht besessen haben, welche uns verborgen und unerreichbar bleibt.“ etwas enttäuscht war ich schon, wer wünscht sich nicht, etwas zu erschaffen, was für die Ewigkeit gedacht ist?
Dann schwenkte das Thema über auf die Geschäfte und unsere Eltern. William erzählte von seinem Vater, welcher sich jetzt mit dem Tabakhandel auseinander setzte. „Dies scheint ein sehr lukratives Geschäft zu sein, Miss Alberts. Ich habe mich auch schon mit dem Thema des Anpflanzens beschäftigt und muss sagen, es ist wirklich interessant. Habt ihr schon einmal eine Tabakplantage gesehen, Miss Alberts?“
Das musste ich verneinen, damit hatte ich mich noch nie beschäftigt.
„Ihr klingt ja schon fast, als wolltet ihr euch in der passenden Gegend niederlassen und selber zum Pflanzer werden, Master William.“ lachte ich und in seinem Gesicht sah ich, dass er wirklich mit diesem Gedanken spielte.
„In der Tat, ich überlege, ob ich dieses Risiko später einfmal eingehen sollte. Noch wäre es nicht soweit, ich muss selber erst richtig Fuß fassen und dann muss man nach einem passenden Anwesen suchen. In Virginia soll es den besten Boden für Tabak geben, hat man mir berichtet.“ in seinen Worten klang diese Begeisterung, welche mich ebenfalls ansteckte.
„Dann sollte ich euch wohl gutes Gelingen wünschen, Master William. Auf das euer Vorhaben alsbald in die Tat umgesetzt werden kann.“ und ich meinte es Ernst, so ein Mann mit dieser Zielstrebigkeit und einem Bild im Kopf, von dem was er erreichen möchte, ist eine Seltenheit.
„Danke, Miss Alberts. Ihr werdet die Erste sein, welcher ich dann berichten werde, wenn es soweit ist.“ in seine Augen trat ein Leuchten und es sah aus, als warte er auf eine Antwort.
„Das würde mich freuen, Master William.“ sprach ich nur leise.
In mir stieg ein eigenartiges Gefühl von Zuneigung auf, es war nicht unangenehm, nur seltsam.
Das Dinner bei Familie Clarkson war eine kleine Gesellschaft, wo sich eine elitäre Gruppe von Geschäftsleuten, allesamt Templer, versammelt hatte. So förmlich hatte ich mir das gar nicht vorgestellt.
„Miss Alberts, ich muss mich entschuldigen. Aber meine Mutter war der Meinung, dass man dieses Essen doch wunderbar mit dem Geschäftlichen verbinden könnte. Wie ich sehe, sind euer Vater und eure Tante ebenfalls erschienen. Das freut mich.“ erklärte mir William jetzt und begrüßte Maria und meinen Vater.
Während wir im Esszimmer die Speisen einnahmen, liefen die Unterhaltungen über diverse Belanglosigkeiten und kleineren Lästereien über bankrotte Geschäftspartner.
Man hatte mich neben William platziert und meine Tante war an meiner anderen Seite.
„Isabelle, trink nicht so viel Wein. Du musst einen klaren Kopf behalten.“ schalt mich meine Tante, als ich das dritte Glas eingegossen bekam.
„Wofür brauche ich den heute noch? Wir haben doch keine Aufträge mehr zu erledigen, Tante!“
Das einzige, was noch zu erledigen war, war das Angebot vom Sohn des Gastgebers, mir die Unterlagen des Urgroßonkels zu zeigen.
Nachdem das Essen beendet war, erhob sich William und bat mich ihm zu folgen.
Alle Augen waren in diesem Moment auf uns gerichtet und man sah förmlich, was in ihren Köpfen gerade ablief.
Sie alle sahen wahrscheinlich schon eine Hochzeit ins Haus kommen und mich überkam ein leichter Schauer.
Warum dachten diese Leute eigentlich immer, dass man heiratet, nur weil man den anderen an seiner Seite mag.
Ich kannte William doch noch gar nicht richtig und ich hatte ehrlich gesagt, nicht beim ersten Anblick von ihm ans heiraten gedacht.
Immer noch brachte mich etwas durcheinander, wenn ich mit ihm zusammen war. Seine kühle, berechnende Art war es nicht, es war etwas in seiner Haltung und seinem Auftreten. Aber ich schweife wieder ab!
Man hatte in seinem Studierzimmer einen Kamin angeheizt, weil es für einen August Abend doch recht kühl geworden ist.
In diesem Raum fühlte ich mich postwendend wohl und ich strich, wie sollte es anders sein, über die in Leder gebundenen Bücher und Einbände.
Viele waren mit Gold verziert und sahen schon uralt aus.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, erzählte er mir etwas über diese Sammlung.
„Miss Alberts, ihr habt ein Auge für diese alten Schriften wie ich sehe. Das ist nur ein kleiner Teil, wenn ihr mögt, zeige ich euch später die offizielle Bibliothek meiner Familie.“
Offizielle Bibliothek? Gab es etwa noch eine andere? Die würde ich natürlich dann auch zu gerne sehen!
„Hier lagert wirklich sehr altes Wissen, Master William. Das muss ja Jahrhunderte gedauert haben, alles zusammen zutragen.“ meinte ich jetzt aber etwas geistesabwesend.
„Meine Familie hat eine Sammelleidenschaft dafür entwickelt im Laufe der Zeit.“ lachte er leise und sah mich mit schräggestellten Kopf grinsend an.
„Nehmt euch eines der Bücher und ich hole derweil die Unterlagen.“ damit ging er zu seinem Schreibtisch und schloss eine der Schubladen auf.
Ich hingegen hatte ein Exemplar eines deutschen Lexikons gegriffen und schlug es auf.
Es war von Christoph-Ernst Steinbach und war gespickt mit kleineren handschriftlichen Randnotizen.
Für einen Moment war ich völlig vertieft, denn der Autor war soweit ich das sehen konnte, ein Arzt und das konnte man deutlich herauslesen.
„Ihr besitzt sogar Bücher, welche in der deutschen Sprache verfasst sind? Wie viele Sprachen sprecht ihr eigentlich, Master William?“ fragte ich jetzt etwas geistesabwesend und erntete ein Lachen.
„Miss Alberts, ich spreche nur englisch, französisch und lateinisch. Leider nur ein kleines bisschen deutsch, wenn ihr mir die Ehre erweist, mir mehr beizubringen?“
Wäre ich eine gute Lehrerin?
„Ich weiß nicht Recht, Master William. Aber wir können es gerne einmal versuchen.“ lächelte ich zuversichtlicher als ich eigentlich war.
Nun stand er mit einem Stapel an Papieren vor mir und reichte sie mir, im Gegenzug überließ ich ihm das Lexikon.
Ich setzte mich auf eines der Sofas und begann die Unterlagen zu studieren.
Es waren unter anderem Reiseberichte, kleinere bebilderte Beschreibungen von Gegenständen, welche dem Urgroßonkel wichtig erschienen waren und so weiter.
Mir fiel auf, dass dieser Herr einen angenehmen Schreibstil hatte, man fühlte sich bei seinen Reiseschilderungen als sei man dabei, es war sehr bildlich erzählt.
Er sprach von der Überfahrt nach Italien und seine Überlandodyssee Richtung Rom.
Das Ganze war schon sehr abenteuerlich, man hatte unter anderem versucht ihn im Schlaf auszurauben.
Oder er musste sich gegen einen Haufen Assassinen verteidigen, welche sich und ihr Vorhaben bedroht sahen.
William hatte aber Recht, leider hatte sein Onkel keinen festen Anhaltspunkt finden können, der auf den Verbleib dieses Edenapfels hindeutete.
Er sprach vom Kolosseum und Vermutungen, dass unterhalb dieser Ruine sicherlich unentdeckte Katakomben seien.
Er beschrieb, wie er einen Zugang gesucht hatte, jedoch immer wieder auf verschüttete Eingänge stieß, wo kein Durchkommen war. Leider wurde sein Vorhaben auch immer wieder von Einheimischen oder eben der Bruderschaft erschwert.
Seine Reisen führten ihn auch unter anderem nach Frankreich, wo er auf der Suche nach einem weiteren Vorläuferartefakt war.
Hierbei handelte es sich um einen Schild, welches zu einer uralten Templerrüstung gehören sollte.
Das Bild zeigte ein einfaches Schild mit einem roten Tatzenkreuz darauf und im ersten Moment recht unscheinbar. Es war aus Metall und soll recht schwer gewesen sein. Laut der Überlieferungen beschützt es angeblich seinen Träger und seine Verbündeten in der Nähe.
„Dieser Schild ist in unserer Bibliothek, Miss Alberts. Vielleicht sollte ich sie euch zeigen?“ fragte er mich nun und riss mich aus meinen Gedanken.
„Das würde mich freuen, Master William.“ mit den Unterlagen auf dem Arm, führte er mich nun hinaus und nach unten in das Kellergewölbe unter dem Anwesen.
Mich fröstelte es etwas, es wurde von Stufe zu Stufe kühler, je weiter wir nach unten gingen!
Unten angekommen, öffnete William eine große Flügeltür und zum Vorschein kam ein riesiger runder Raum, welcher durch kleine Fenster in Deckenhöhe noch etwas beleuchtet wurde.
Mein Gastgeber fing an die Fackeln an den Wänden zu entzünden und ich stand im Eingang mit offenem Mund.
Riesige Bücherregale erstreckten sich entlang der Wände und verliefen teilweise Sternenförmig in die Mitte des Raumes.
Es gab Vitrinen, in welchen seltsame Gegenstände lagerten, oder auch ganze Rüstungen, Schwerter und in einer waren sogar Schmuckstücke ausgestellt.
Auch fand ich viele Truhen, die neben und unter den Tischen im Raum aufgereiht standen. Langsam ging ich die wenigen Stufen hinunter und sah mich immer noch staunend um!
„Das ist einfach unglaublich, Master William!“
Hatte ich gedacht, dass meine Familie eine Sammelleidenschaft hatte, so wurde ich hier noch einmal eines besseren belehrt! Ich hörte ein leises Lachen aus seiner Richtung, als er langsam wieder auf mich zuschritt.
William hielt mir seinen Arm hin und ich hakte mich unter. So führte er mich in Richtung der Vitrinen und ich konnte einen näheren Blick auf die Fundstücke werfen.
Der Schild war tatsächlich wie in den Aufzeichnungen beschrieben aus Metall und sah hier aus wie neu! In diesem Moment spürte ich eine unglaubliche Energie durch den Raum fließen, sie schien mich mit sich zu reißen.
„Ihr habt es also auch bemerkt, Miss Alberts.“ sprach er nun leise und ich sah etwas verwirrt von dem Schild zu ihm.
„Ja, es fühlt sich... seltsam an. Was ist das?“
Vorsichtig sah ich mich um, es fühlte sich an, als wären wir hier nicht mehr alleine.
„Die Vorläufer, Miss Alberts. Sie hinterlassen eine Art Energie in diesen Gegenständen, welche wir wahrnehmen können und sie uns zunutze machen können.“
Ich sah ihn fragend an, wie sollte das möglich sein? Ich wusste, es gab Amulette welche leuchteten oder einen vor tödlichen Kugeln bewahren konnten!
Andere Gegenstände konnten zum Beispiel die Gedanken kontrollieren, hatte mir mein Vater unter anderem berichtet.
„Und wie würde das bei diesem Schild zum Beispiel aussehen?“ Wollte ich jetzt einfach wissen.
„Es errichtet eine unsichtbare Wand, welche die Mitstreiter und den Träger schützt. Aber nur solange der eigentliche Träger am Leben ist und dieser muss der echte Erbe dieses Artefaktes sein. Ohne dessen Blut funktioniert diese Kraft nicht!“ erklärte er mir nun ganz sachlich und führte mich zu einem anderen Ausstellungsstück, einer Krone!
Sie sah wunderschön aus! Die Krone Diese grünen Smaragde, welche in Gold gefasst und umringt von Diamanten waren, strahlten solch eine Wärme aus und das ganze Schmuckstück war unglaublich imposant.
„Sie gehörte Maria II. von England.“ Maria II.
Ich konnte die Dame förmlich vor mir sehen, diese Krone ist einer Königin würdig.
„Sie trug sie bei offiziellen Anlässen, Bällen und ähnlichem. Es heißt, durch dieses Artefakt wurde sie vor Attentaten beschützt. Noch konnten wir aber nicht heraus finden, WIE das funktionierte!“ kam es enttäuscht von dem jungen Mann.
„Ich gehe davon aus, dass ihr es schon noch erforschen werdet und zu einer baldigen Erkenntnis kommen werdet!“ meinte ich jetzt zuversichtlich und lächelte William an, welcher neben mir stand und auf die Vitrine starrte.
„Ihr seid sehr zuversichtlich, Miss Alberts. Ich hoffe, ihr behaltet Recht. Vielleicht... könntet ihr mir bei … meinen Forschungen behilflich sein? Natürlich nur, wenn es eure Zeit erlaubt...!“
Bei diesen leicht gestotterten Worten konnte ich mir ein undamenhaftes Kichern nicht verkneifen!
„Das würde ich sehr gerne, Master William. Ihr wisst ja, ich selber bin ebenfalls auf der Suche nach einigen Artefakten und kann ebenso jede Hilfe gebrauchen.“
Sein Blick drückte Dankbarkeit aus.
„Dann freue ich mich auf eine Zusammenarbeit, Miss Alberts.“ seine Hand umschlang die meine und seine Lippen berührten meinen Handrücken.
Wieder einmal irritierte mich diese kühle seiner Haut, doch sein Mund war alles andere als kalt! Langsam entzog ich ihm meine Hand und seine bernsteinfarbene Augen musterten mich einen Moment, was mir eine leichte Röte ins Gesicht trieb.
Schüchtern meinte ich dann nur leise, dass wir vielleicht wieder hinauf gehen sollten. Man würde uns bestimmt schon vermissen!
„Ihr habt sicherlich Recht, Miss Alberts.“ hörte ich da eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme?
Aber ich mochte mich auch irren! Also führte mich William wieder in die obere Etage und versprach mir, dass er mich morgen dann abholen würde, damit wir weitere Nachforschungen anstellen konnten.
Auch er brenne darauf, zu erfahren, was es mit dem Edenapfel auf sich hat!
Im Salon sah man uns schon fragend an, als wir den Raum betraten und mein Vater lächelte mich zufrieden an. Ich wusste genau, was er gerade dachte!
„Da seid ihr beiden ja wieder. Ich hoffe unsere Bibliothek ist nicht allzu schäbig, Miss Alberts?“ fragte mich nun Williams Mutter.
„Nein, Mistress Clarkson, im Gegenteil. Ich bin beeindruckt und ich glaube, ich werde dort bald noch mehr Zeit verbringen, wenn ihr erlaubt!“ meinte ich mit einem leichten Knicks.
„Ihr seid hier immer willkommen, Miss Alberts! William wird sich dann sicherlich um euch kümmern!“ kam es mit einem verschmitzten Blick auf ihren Sohn.
„Isabelle, aber es ist schon spät. Wir sollten aufbrechen. Morgen ist ein langer Tag und wir werden deine Garderobe noch aufstocken müssen!“ meinte nun meine Tante und ich wusste, sie war einfach nur müde und wollte in ihr Bett.
„Natürlich, Tante Maria.“ und damit verabschiedeten wir uns, jedoch nicht ohne einen langen Handkuss von William und für einen Moment versank ich in seinen leuchtenden Augen!
„Ich freue mich, euch dann bald wieder zusehen, Miss Alberts!“ sprach er leise und lächelte mich an.
„Ich freue mich auch, Master William!“
Zuhause angekommen ging ich direkt nach oben und wünschte meiner Tante und meinem Vater noch eine gute Nacht.
Sarah half mir aus meinem Kleid und machte meine Haare noch für die Nacht, dann entließ ich sie für heute und war dankbar, als ich endlich alleine war.
Ich lag auf meinem Bett und starrte hinauf zum Baldachin. Diese Augen, diese kühle Haut... diese langen dunklen Haare... diese einzelnen Bilder waberten vor meinem geistigen Auge herum und trieben mich in einen unruhigen Schlaf.
„Isabelle, versucht einfach euch fallen zulassen. Es kann nichts passieren. Wir sind alle bei euch! Lasst es zu und geht weiter. Schritt für Schritt!“ hörte ich diese weiche warme Stimme, welche von einer Frau kam, die ich nicht kannte.
„Aber wenn ich weitergehe, dann stürze ich in den Abgrund!“ kam es mit großer Angst von mir.
„Nein, hab Vertrauen! Geh!“ und ich spürte, wie man mich nach vorne schob, auf diese Schlucht zu... zum ersten Male sah ich mich um. Felsen... mit Moos bewachsene Steine... Klippen ähnliche Gebilde... es war kalt, windig und es regnete...
Dann stand ich an der Kante und sah hinunter!
Dort war nur das tosende Meer, Wellen die sich an den Felsen unter mir brachen!
„Sieh nach vorne! Nicht hinunter!“ die Stimme wurde lauter und ungehaltener!
Wieder spürte ich diesen Schub, welcher mich über die Kante schreiten ließ … doch ich fiel nicht...
Vor mir erschien eine Brücke aus tausenden von kleinen Lichtern. Sie pulsierten eigenartig und schienen sich im Wind zu bewegen!
„Geh weiter! Am anderen Ende wirst du...“
Mit einem Aufschrei, weil ich fiel und das Wasser unter mir näher kommen sah, schreckte ich auf.
Zitternd lag ich aber nicht auf dem Meeresgrund oder mit zersplitterten Knochen auf den Felsen, sondern in meinem Bett und starrte immer noch auf den Betthimmel!
Langsam richtete ich mich auf und versuchte herauszufinden, was gerade passiert war!
Es war ein Traum, ein schrecklicher Albtraum!
Ich schwang die Beine aus dem Bett und ging hinüber zur Kommode mit der Waschschüssel und benetzte mein Gesicht mit Wasser. Die Kühle half mir dabei, etwas klarer zu denken und ich entzündete die Kerzen auf meinem Schreibtisch, setzte mich daran um mein Tagebuch weiterzuführen.
Ich musste diese Eindrücke loswerden.
Also schrieb ich von dem Abend, von dem Traum... von diesem Mann!
Eine Gänsehaut überzog meine Arme, als ich ihn erwähnte und ich hatte das Gefühl, als würde er wissen, dass ich gerade in diesem Moment an ihn dachte. Diesen Gedanken schüttelte ich jedoch sofort ab, es gehörte sich nicht, so über einen fremden Mann nachzudenken.
Nachdem ich einige Seiten verfasst hatte, fühlte ich mich beruhigter und wohler.
Wieder im Bett liegend glitt ich nun in einen traumlosen Schlaf, welcher aber erholsam war...
Der Tag nach dem Dinner war geprägt von Einkäufen!
Meine Tante zerrte mich kreuz und quer durch die Stadt und ließ mich Kleider anprobieren, bestellte Unterkleider und Strümpfe für mich... sie war im Kaufrausch und genoss es augenscheinlich.
Ich selber ließ es einfach über mich ergehen, auch wenn ich sagen muss, dass die ausgewählten Kleider wirklich wunderschön waren.
Dennoch fragte ich mich, wann ich diese bitte alle tragen sollte? Für den Alltag hatte ich eine Auswahl und drei oder vier „gute“ Stücke, welche für Bälle und Empfänge waren. Am Ende des Tages hatte ich dann 10 noble Kleider für eben diese großen Anlässe und dazu noch diversen Haarschmuck!
Was meinen Halsschmuck und ähnliches anging, besaß ich jetzt den Schmuck meiner Mutter und meiner Großmutter.
Diesen hütete ich natürlich wie meinen Augapfel, diese Stücke waren teilweise ein Vermögen wert.
Als Maria und ich dann zum Abendessen wieder im Anwesen eintrafen, kam mir mein Vater erleichtert entgegen.
„Isabelle, Maria... ihr seid wieder daheim. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht!“ meinte er freudig!
„Thomas, Isabelle benötigt eine angemessene Auswahl an Kleidern, das weißt du doch. So etwas kann dann eben etwas dauern. Wundere dich also nicht, wenn in den nächsten Tagen einige Lieferungen hier eintreffen!“ lachte meinte Tante nur und ging ins Esszimmer, wo schon alles vorbereitet war.
Heute endlich erschien Master William und bat darum, dass ich ihn begleite. Meinem Vater war es natürlich mehr als Recht und auch meine Tante nickte nur wohlwollend.
„Ich werde Isabelle wohlbehalten wieder nach Hause bringen, Master Alberts!“ kam es mit einer tiefen Verbeugung von William.
„Darauf verlasse ich mich, Master William. Und ich will keine Klagen über euer Betragen hören!“ diese Worte sprach mein Vater mit einem sehr harten Unterton aus, welcher mich aufhorchen ließ.
Mein Begleiter würde sicherlich nicht übergrifflich werden, er hatte mehr als eine Gelegenheit und hat sie nicht genutzt. Also brauchte er sich keine Sorgen zu machen, doch das sagte ich nicht laut.
In der Bibliothek angekommen, fingen wir an, uns durch die Bücherliste zu lesen.
Wir suchten nach Schriften, welche sich mit dem Kolosseum, Rom und dortigen unterirdischen Katakomben beschäftigen.
Es dauerte nicht lange, da hatten wir insgesamt vier wirklich große Wälzer ausfindig gemacht und holten sie aus den Regalen.
Allesamt waren sie alt und bereits sehr abgegriffen, wir konnten also davon ausgehen, dass man oft und viel in ihnen gelesen hatte. Jedes einzelne war von einem anderen Verfasser oder Autor.
Angefangen bei dem ältesten, welches um 1300 verfasst wurde bis zum neuesten, an welchem unter anderem auch Williams Urgroßonkel mit geschrieben hatte, lagen sie aufgereiht vor uns.
Wir begannen mit der Lektüre und ich vertiefte mich in das älteste...
Das Kolosseum
Diese Erzählungen glichen teilweise Ammenmärchen, aber auch aus ihnen konnten Albträume erwachsen!
Ich stellte mir vor, wie die Männer dort an die Löwen verfüttert wurden, nur zum Gaudium der Leute! So etwas ist doch grausam!
Beim weiteren Durchstöbern dieses Buches fand ich Zeichnungen, welche sich mit dem Unterbau der Arena befassten.
Es gab tatsächlich einen Untergrund, eine Art Kellergewölbe, in welchem die Kämpfer, die Sklaven und auch die Tiere auf ihre Kämpfe warteten. Sie reichten sehr weit in die Tiefe, wenn ich das richtig interpretierte.
Leider gab es aber keine weiteren Details, keine Anhaltspunkte auf einen versteckten Vorläuferschatz oder ähnliches.
Mit einem Male hörte ich ein lautes, frustriertes Stöhnen von William.
„Master William, seid ihr auch nicht fündig geworden?“ fragte ich leise und ebenfalls leicht desillusioniert!
„Nein, auch in diesen Schriften ist nichts zu finden! Verdammt... oh, verzeiht, Miss Alberts.“ entschuldigte er sich sogleich.
„Nein, ich kann euch sehr gut verstehen. Es ist sehr unbefriedigend, wenn man nichts schlüssiges findet, Master William.“
In mir keimte der Gedanke, dass ich wirklich direkt nach Rom reisen sollte, um mir dort ein eigenes Bild zu machen.
Sollte ich den jungen Clarkson deshalb fragen, ob er mich begleitet? Aber es wäre zu vermessen, wenn ich es äußern würde.
„Miss Alberts, ich befürchte, so werden wir mit der Suche nicht weiterkommen. Weder diese Bücher noch die in eurer Familie vorzufindenden Schriften helfen uns anscheinend weiter. Was schlagt ihr stattdessen vor?“ in seinem Blick lag eine gewisse Abenteuerlust, welche mich umgehend ansteckte.
Ich hatte es ja schon erwähnt, dass es am sinnvollsten wäre direkt in Rom, am Ort des Geschehens sozusagen, zu forschen. Genau das tat ich nun kund und erntete einen anerkennenden Blick.
„Ihr seid eine Frau mit Tatendrang und ihr wollt Resultate sehen, wie ich annehme. Dann sollten wir darüber beraten, wie wir nach Italien reisen und vor allem auch wann wir dorthin segeln werden. Ich hoffe nur, unsere Eltern werden damit einverstanden sein!“ darin lag urplötzlich eine Unsicherheit, welche ich ihm nicht zugetraut hätte.
„Master William, ich gehe davon aus, dass niemand Einwände haben wird. Es geht hier um Forschungsarbeiten, welche uns voranbringen werden.“ meinte ich in meiner zuversichtlichen Art.
„Wir sollten keine Zeit verlieren, Miss Alberts. Ich brenne darauf endlich Fortschritte zu machen!“ in seinen Augen sah ich, er freute sich wirklich darauf und so verließen wir die Bibliothek.
Im Salon angekommen, erwartete uns Williams Mutter bereits und ließ den Tee servieren. Als dann auch Master Clarkson erschien, sah mich William fragend an und ich nickte nur leicht.
Meiner Tante und meinem Vater würde ich dann später davon berichten.
„Vater, Mutter, ich oder besser gesagt wir haben gerade einen Entschluss gefasst...“ und ich konnte in Mistress Clarksons Augen sehen, dass sie die freudige Nachricht einer Verlobungsankündigung erwartete.
Mit unserer geplanten Reise rechnete sie natürlich nicht und als William erklärte, dass wir planten nach Italien zu reisen, schlich sich Enttäuschung auf ihr Gesicht.
„Oh... ja... das sind ja... interessante Neuigkeiten. Und wann hattet ihr gedacht aufzubrechen, William?“ kam es scharf von seinem Vater, auch er war für einen Augenblick überrumpelt und versuchte seine Enttäuschung ebenfalls im Zaum zu halten!
„Nach Möglichkeit würden wir noch dieses Jahr aufbrechen, wenn es möglich ist. Das hängt natürlich von der Witterung ab und ob wir eine passende Passage buchen können.“
William war sichtlich nervös geworden, da auch er die Reaktion seiner Eltern bemerkt hatte!
„Ihr beide könnt sicherlich auf einem der Handelsschiffe unterkommen, welche regelmäßig über den Atlantik segeln. Ich werde mich gleich morgen nach etwas passendem umschauen, William. Miss Alberts, habt ihr eurem Vater und eurer Tante bereits diesen Plan mitgeteilt?“ fragte mich der Hausherr nun mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Nein, Master Clarkson, wir haben es gerade eben erst beschlossen. Ich werde aber umgehend beide darüber informieren.“ lächelte ich mein Gegenüber an.
„So sei es, Miss Alberts. Ich würde mich freuen, wenn ihr zum Abendessen noch unser Gast wäret!“ lud mich nun Master Clarkson noch ein und ich nahm es dankend an.
Bis jedoch das Essen soweit war, führte mich William ein wenig über das Grundstück und zeigte mir die Ställe und den wunderschönen Garten hier.
Auch seine Familie hatte einen Nutzgarten für den Eigenbedarf angelegt, welchen ich nun bestaunte.
„Unser Gärtner leistet wirklich vortreffliche Arbeit. Mein Großvater hatte ihn noch eingestellt und hielt immer große Stücke auf ihn!“ das sah man tatsächlich.
Als wir langsam zum Haus zurück gingen, sah ich aus den Augenwinkeln eine dunkle Gestalt über das Grundstück huschen. Ich stieß William an und deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung, doch auch er hatte diesen Schatten bemerkt!
Dummerweise waren wir beide aber unbewaffnet und ich stand in einem Kleid hier, was das Ganze noch um einiges schwerer machte.
Wir schlichen trotzdem leise hinterher, nur um zu sehen, wohin sich der Eindringling bewegte.
Dieser schritt nun auf ein Rosenspalier zu, welches an der hinteren Wand des Herrenhauses angebracht war und machte sich daran, hinauf zu klettern.
„Isabelle, bitte geht zu meinem Vater und gebt ihm Bescheid, ich werde dieser Person oben auflauern!“
Wir eilten hinein und William verschwand schnell die Treppe hinauf.
Im Salon flüsterte ich nur, dass jemand versuchte hier einzubrechen und Master Clarkson war in Windeseile ebenso die Stufen hinaufgeeilt.
Hatte aber noch seiner Frau und mir strickte Anweisungen gegeben, hier unten zu bleiben.
Wir gingen zur Tür und lauschten auf Kampfgeräusche, doch noch tat sich nichts.
„Meine Männer sind gute Kämpfer, Miss Alberts. Macht euch keine Sorgen!“ meinte Williams Mutter im Flüsterton, aber ich hörte, dass sie sich Sorgen machte.
Wir wussten ja nicht, WER sich hier Zutritt verschaffen wollte!
Der Kleidung nach kein kleiner Einbrecher, sondern Assassine, ein sehr schlecht vorbereiteter Meuchelmörder, möchte ich behaupten.
Er hatte uns überhaupt nicht bemerkt und es war noch hell!
Vater hatte mir von diesen teils sehr unbedachten Personen erzählt, ihm waren schon so einige wegen ihrer Unachtsamkeit ins Messer gelaufen.
Und dann hörten wir einen lauten Aufschrei und Stahl klirrte auf Stahl.
Da es aber ja zwei gegen einen stand, vermutete ich, dass es nicht lange dauern würde und so war es dann auch. Kurz darauf kamen William und sein Vater die Treppe hinunter, im Schlepptau den bewusstlosen Assassinen!
„Wir werden ihn jetzt den Behörden übergeben, am besten ist dieser Abschaum im Fort George aufgehoben. Miss Alberts, verzeiht diese Unannehmlichkeiten, doch wir werden das Essen auf einen anderen Tag verschieben müssen.“ entschuldigte sich Master Clarkson, aber ich verstand ja, dass man diesen Mann noch befragen musste.
Ich bat darum, mitkommen zu dürfen.
„Miss Alberts, ich glaube kaum, dass das ein geeigneter Ort für...“
William hielt inne, als er meine hochgezogene Augenbraue sah.
„Wenn ihr wünscht, Isabelle.“ mit einer einladenden Bewegung seiner Hand bat er mich, ihm und seinem Vater zur Kutsche zu folgen.
Die beiden schubsten den Bewusstlosen hinein, neben ihm nahm Master Clarkson Platz und ich saß ihnen gegenüber mit William.
Jetzt konnte ich einen Blick auf diesen Herren werfen und ich muss sagen, ich war mehr als erstaunt.
Dieser Mann war kein Mann, sondern ein Junge, höchsten 15 Jahre alt, mit hellen rotblonden, schulterlangen Haaren und einem blassen Hautton, fast schon durchschimmernd.
Seine Kleidung war tatsächlich die eines Assassinen, aber nur der Novizen-Ornat, diese waren nur schlicht verarbeitet und dienten lediglich zur Bekleidung.
Verstohlen ließ ich meinen Blick zu seinen Handgelenken wandern, ich wollte zu gerne wissen, ob er diese versteckten Klingen wirklich bei sich trug.
„Wir haben sie ihm abgenommen, Miss Alberts.“ lachte nun Master Clarkson, weil er sah, wohin meine Augen schauten und ich wurde rot.
Manchmal konnte man mich ganz einfach durchschauen, daran musste ich dringend arbeiten!
„Habt ihr sie bei euch, Master Clarkson? Könnte ich sie vielleicht einmal sehen?“ fragte ich etwas aufgeregt, es war aber William, welcher mir diese Waffen nun reichte.
Sie waren eigentlich nicht mehr als Messer an Lederbändern, wie ich enttäuscht feststellen musste. Nur der Mechanismus, welcher sie hervorschnellen ließ, machte sie zu etwas Besonderem.
„Ich hatte mir das Ganze ja doch beeindruckender vorgestellt...“ sprach ich leise und eher zu mir selber.
„Miss Alberts, dass sind die einfachen Klingen der Novizen, es gibt weitaus besser gearbeitete. Auch gibt es sie mit vielen Erweiterungen, ich sah schon welche mit einem Haken, um sich auf Dächer ziehen zu können zum Beispiel!“ erklärte er mir nun und man spürte, er war wirklich von dieser Technik beeindruckt!
„Ihr meint, so ein Haken an einem Seil? Aber... wie soll das gehen?“ und meine Frage meinte ich ernst, ich wollte wissen, wie man so etwas bauen konnte!
„Vielleicht werden wir ja irgendwann diese Gelegenheit bekommen und sie auseinander bauen können. Unsere Handwerker wären sicherlich auch neugierig mehr darüber zu erfahren!“ hörte ich William nun ebenso aufgeregt sprechen.
Dann hielt die Kutsche und ich hörte, wie man fragte, wer wir seien und was wir wollten. Wir waren also beim Fort George angekommen und man ließ uns, nachdem der Soldat einen Blick ins Innere unseres Gefährts geworfen hatte, passieren.
In der Garnison selber herrschte reger Betrieb, es lag aber etwas in der Luft, eine Art Vibrieren, so als würde noch etwas passieren.
Die Soldaten gingen ihrer Arbeiten nach und beachteten uns nicht weiter.
Man brachte den Gefangenen und uns zum Kommandanten in den hinteren Bereich des Komplexes, wo man den Assassinen an einen Stuhl band. Mittlerweile war er wieder wach und ansprechbar, hatte aber noch keinen Ton von sich gegeben, sondern nur grimmig von einem zum anderen gesehen.
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Das Verhör begann, doch dieser Junge schwieg vehement und nach einer halben Stunde zückte nun Master Clarkson sein Messer.
„Redet endlich! WER hat euch geschickt und aus welchem Grund?“ er hatte sich vor dem Meuchelmörder aufgebaut und hielt ihm die Klinge an den Hals.
Ein breites zynisches Grinsen trat auf sein Gesicht und er kicherte ungehalten.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, er hätte zu tief ins Glas geschaut.
Immer noch kam kein Wort über seine Lippen.
In seinen Taschen waren wir nicht fündig geworden, keine Anhaltspunkte, welche uns weitergebracht hätten.
Also war dieser junge Mann wirklich nicht ganz so dumm wie angenommen.
Eine weitere halbe Stunde später und einigen unschönen Schnitten am Hals und im Gesicht, sprach er immer noch nicht.
„Miss Alberts, ihr solltet vielleicht doch jetzt den Raum verlassen. Ich sehe mich veranlasst ihn... auf eine andere Art zum reden zu bringen!“ meinte Williams Vater in einem harschen Befehlston, doch ich widersprach.
„Master Clarkson, ich habe schon ganz andere Sachen gesehen und vergesst nicht, ich musste auch schon mein eigenes Leben verteidigen. Ich bleibe, auf eigene Verantwortung!“ meinte ich nun ebenso überzeugt!
„Nun gut...“ zähneknirschend drehte er sich dem Gefangenen zu und befahl den anwesenden Soldaten, ihn an der Wand mit den Eisen zu fesseln.
Als der Rotblonde nun dort stand mit dem Rücken zu uns, schnitt William ihm das Hemd auf und ich ahnte, was nun kommen würde.
Master Clarkson hatte die Peitsche, welche bereits auf dem kleinen Tisch bereit lag, gegriffen und wog sie in seiner Hand um ein Gefühl dafür zu bekommen.
Mir wurde doch ein wenig mulmig in der Magengegend, so etwas hatte ich doch noch nicht gesehen.
Williams Vater zögerte nicht lange und ließ die Lederstriemen auf den freien Rücken des Jungen treffen, immer und immer wieder. Jedes mal mit der selben Frage nach seinem Namen, wer ihn geschickt hätte und zu welchem Zweck.
Nach 20 heftigen Schlägen, ich hatte sie im Stillen mitgezählt, trat das erste Blut aus einer Wunde hervor. Der Assassine zitterte, hielt sich aber immer noch auf den Beinen und hatte lediglich die Luft scharf eingesogen bei jedem Treffer!
Diese Meuchelmörder waren hart im Nehmen, dass muss ich ihnen lassen!
Noch einmal holte Master Clarkson aus und wieder bekamen wir keine Antwort, nur ein leises „Bringt mich doch einfach um, ich habe keine Angst vor dem Tod!“ auf DEUTSCH!
Alle Herren im Raum sahen mich an, nicht jeder war des deutschen mächtig also übersetzte ich für sie.
„Die Worte eines Assassinen!“ ich dachte aber für einen Moment, dass ich vermutlich auch nichts und niemanden verraten würde und auch lieber sterben würde.
Diese Prozedur ging nun noch weiter und die Lederriemen trafen noch 20 weitere Male auf den mittlerweile geschundenen Rücken, bis der Kommandant abwinkte und meinte, man solle den Jungen morgen weiter befragen!
Er würde über Nacht hierbleiben und bewacht werden, vielleicht käme er ja doch noch zur Besinnung. Ich bezweifelte jedoch, dass er morgen reden würde.
Vater und Sohn sahen sich nur an und nickten dann.
„Also schön, wir werden morgen wieder hier erscheinen und dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ kam es in einem eiskalten Ton von Master Clarkson, mit welchem er sich umdrehte und den Raum verließ.
Er schien mit sich unzufrieden zu sein, ja schon beinahe wütend darüber, dass er nichts erreicht hatte.
„Master William, euer Vater hat sein Bestes gegeben, er sollte nicht wütend über sich selber sein.“ sprach ich ihn nun an und schien ihn aus irgendwelchen Gedanken gerissen zu haben.
„Ihr habt Recht, Isabelle. Doch Vater ist sehr impulsiv und erwartet einfach Ergebnisse. So eine Schmach wie jetzt, ist für ihn schon fast unerträglich müsst ihr wissen!“ sprach er leise flüsternd.
Wir überließen den Assassinen nun den Soldaten und verabschiedeten uns noch vom Kommandanten.
Wieder im Freien gingen wir langsam zur Kutsche, vor welcher ein mürrischer Vater stand.
Auf dem Weg zurück zum Anwesen der Clarksons, brachte man mich noch nach Hause und William versprach mir, morgen in der Früh, wieder hier zu sein.
Auch er wollte wissen, was dieser Junge zu erzählen hatte.
Ein Handkuss und ein warmes Lächeln, dann drehte er sich um und verschwand in der Kutsche.
Für einen Moment stand ich etwas verloren vor der Tür und wusste nicht so recht, was ich fühlen sollte. Diese Zuneigung zu William wuchs und füllte mich mit einem warmen Gedanken.
Doch mich ließ dieser Assassine nicht in Ruhe, es brachte aber nichts, sich jetzt noch den Kopf darüber zu zerbrechen und zu spekulieren. Morgen würden wir hoffentlich Antworten bekommen.
„Isabelle, da bist du ja wieder! Warum kommst du nicht hinein?“ hörte ich meine Tante plötzlich hinter mir und schrak herum.
„Tante Maria, du meine Güte hast du mich erschreckt! Ich komme schon und ich habe euch einiges zu berichten!“ meinte ich nun in einem leicht verschwörerischen Ton und musste dabei grinsen.
Meine Tante mochte es nicht, wenn man sie im Unklaren ließ, doch ich nutzte gerade meine Überlegenheit aus.
Im Salon saß mein Vater und einer der Geschäftspartner. Als ich eintrat, erhoben sie sich und man stellte mich auch diesem Herren vor, es war ein John Barrow, welcher für Tabak und Gewürze zuständig war.
Man bat mir noch etwas vom Abendessen an und ich bekam auch ein Glas des neuen Portweins, welchen meine Tante nun in ihre Liste mit aufgenommen hatte.
Gegen 21 Uhr verabschiedete sich dann Mr. Barrow und wünschte allen eine angenehme Nacht.
Kaum dass dieser Herr aus der Tür war, setzte sich meine Tante aufrecht hin, nahm mir demonstrativ das Glas aus der Hand und meinte befehlend „So und jetzt raus mit der Sprache, Kind! Was hast du angestellt?“
Ich konnte beide beruhigen, weil ich mir nichts hatte zu schulden kommen lassen.
Zu aller erst berichtete ich aber von der Gefangennahmen und dem versuchten Einbruch, welcher meinen Vater aufhorchen ließ.
„Sollten wir uns vielleicht doch noch um Wachen bemühen? Ich möchte nicht, dass hier das gleiche passiert, Maria!“ überlegte Vater nun und kam zu dem Schluss, dass er morgen entsprechende Männer rekrutieren würde.
Ich straffte mich und atmete tief durch, nun musste ich von der geplanten Reise berichten.
„Vater, ich habe mit Master William heute weiter nach dem Edensplitter geforscht, von welchem ich vermute, er könne in die Aussparung in der Höhle passen. Dabei sind wir auf Unterlagen seines Urgroßonkels gestoßen und diese Hinweise führen nach Rom. Wir sind überein gekommen, dass es am besten sei, direkt vor Ort weiter zu suchen und wir wollen alsbald aufbrechen. Master Clarkson würde eine passende Passage für uns finden, versprach er uns.“ diese Worte hatte ich ohne Luft zu holen gesprochen und sah nun von meiner Tante zu meinem Vater.
Beide sahen mich ungläubig an, es war aber meine Tante, welche als erstes wieder ihre Stimme fand.
„Isabelle, du willst mit diesem jungen Mann alleine nach Europa aufbrechen? Ihr wäret monatelang unterwegs und was da alles passieren kann, Kind! Ich weiß nicht...“ ich seufzte nur, damit hatte ich ja gerechnet, dass sie Angst um meinen Ruf hatte.
„Und Isabelle, ich muss dich nicht daran erinnern, dass die Überfahrt um diese Jahreszeit gefährlich werden kann! Vielleicht sollte ich zu deinem Schutz noch jemanden mit entsenden.“ hörte ich meinen Vater sagen und er grübelte schon darüber nach, WEN er mir an die Seite stellen könne.
„Vater, Master William reicht als Begleitschutz völlig aus! Vergiss nicht, ich bin auch alleine von England nach Boston gereist, da hat sich auch keiner darum geschert, dass ich als Frau alleine an Bord eines Schiffes war!“
Ich hatte meine Stimme etwas angehoben, weil ich den beiden klarmachen wollte, dass ich schon auf mich aufpassen kann.
Sie warfen sich einen Blick zu, welcher mir sagte, dass ich nach meiner Mutter mit ihrem Dickkopf kam.
Vater kam zusätzlich zu der Erkenntnis, dass er mir kaum noch Vorschriften machen konnte, zumal ich mich selten bis gar nicht an seine Anweisungen gehalten hatte in der Vergangenheit.
Was mir durchaus einige Strafen eingebracht hatte, doch sei es drum.
„Nun gut... Dann reise nach Europa, aber denke daran, dich regelmäßig zu melden. Wir haben Unterstützer auch in Italien, solltet ihr irgendwann einmal Hilfe benötigen. Ich gehe aber davon aus, dass auch Master Clarkson euch noch eine entsprechende Einweisung geben wird.“ ich warf mich meinem Vater mit einem lauten „DANKE, VATER!“ an den Hals und übersäte ihn mit Küssen. „Schon gut, schon gut, Kind!“ grinste er nur.
Erleichtert besprachen wir nun, was ich packen musste und dass ich Sarah mitnehmen solle. Ehrlich gesagt, war mir das nicht unbedingt Recht, sie würde uns nur behindern.
„Isabelle, auch Master William wird seinen Kammerdiener mitnehmen! Wer sollte ihm beim Ankleiden helfen...“ doch meine Tante hielt inne und sah mich forschend an.
„Tante Maria, ICH werde ihm nicht helfen, das weißt du ganz genau. Er wird eine eigene Unterkunft haben, genauso wie ich auch. Wir teilen uns keine Räumlichkeiten, keine Sorge!“ versicherte ich noch einmal, im Grund wäre es auch wirklich so, weil es sich auch nicht geziemte.
Mit einem etwas leichterem Gemüt ging ich zu Bett und mein Traum war entsprechend ruhig, kein Albtraum plagte mich.
Am nächsten Morgen erhielt ich die Nachricht, dass sich der Assassine in der Zelle selber das Leben genommen hatte.
Anscheinend war er an ein Messer oder zumindest etwas scharfkantiges gekommen und hatte sich selber die Kehle aufgeschnitten.
Ich war für einen Moment völlig entsetzt! Wie konnte ein Mensch sich selber so etwas antun?
War es die Angst vor seinem Mentor, welcher ihn vermutlich zurecht gewiesen und bestraft hätte. Oder war es einfach dieser levantinische Weg, welchen die Assassinen seit Jahrhunderten gelehrt bekamen?
Beantworten konnte mir aber leider niemand diese Fragen und deshalb schob ich sie nach hinten, ändern konnte ich jetzt sowieso nichts mehr.
Noch am selben Nachmittag erschien William bei uns und teilte mir mit, dass sein Vater eine Überfahrt für uns gefunden hatte, welche schon Anfang Oktober sein sollte.
Wir würden mit einem Handelsschiff der Templerflotte nach Italien segeln, wo wir auch entsprechende Unterkünfte, wenn wir dort eintrafen, bekommen würden.
Master William stand leicht nervös nun bei uns im Salon und versprach hoch und feierlich, dass er gut auf mich Acht geben wird. Mein Vater und meine Tante bräuchten sich keine Sorgen zu machen!
„Ich verspreche euch, Master Alberts, ihr erhaltet regelmäßig Bericht über alles. Ihr habt mein Wort darauf.“ meinte er nun mit einer tiefen Verbeugung und erntete von meinem Vater ein resigniertes Seufzen.
„Ich werde es wohl auch meiner Tochter nicht ausreden können, Master William. Dann bleibt mir nur, euch eine gute Überfahrt zu wünschen. Ich werde mich aber morgen noch einmal mit eurem Vater beraten und wir werden die Kosten entsprechend teilen. Auch braucht meine Tochter eine eigene Geldbörse, damit sie über eigene Finanzen verfügen kann.“ sprach mein Vater wie zu einem Geschäftspartner.
Ich begann in den nächsten Tagen zu packen und ich muss sagen, Sarah war mir dabei eine große Hilfe.
„Miss Alberts, ich bin schon ganz aufgeregt. Ich war noch nie in Italien. Wie ist es denn dort?“ leider musste ich sie enttäuschen, auch ich wusste nicht, wie es dort aussieht.
„Wir werden es dann wohl gemeinsam kennen lernen, Sarah.“ meinte ich lachend und wir packten weiter meine Reisetruhen.
Eine mit Leibkleidern und Toilettensachen, wie Seife, Kämme und ähnlichem, in einer anderen wurden die Monturen verstaut mitsamt meiner Waffen und ein wenig Munition. Die dritte Truhe wurde mit einfachen Woll- und Leinenkleider ausstaffiert und die vierte, für mich eher unnötigste Kiste, war gefüllt mit den Kleidern für Empfänge und ähnlichem. Wir hätten dort keine Zeit für solche Dinge, ging es mir immer wieder durch den Kopf.
Doch meine Tante bestand darauf mit den Worten „Du musst auf alles vorbereitet sein, Kind! Du kannst doch nicht in Lumpen herumlaufen!“ Wiederworte waren vergebens, es wurde gepackt, was sie sagte.
Und dann stand ich am Kai und schaute auf dieses wunderschöne Handelsschiff namens „Whispering Shadow“ und konnte es immer noch nicht glauben.
Williams Eltern, meine Tante und mein Vater waren zur Verabschiedung mitgekommen.
„Isabelle, komm heile wieder zurück, versprich es mir.“ kam es heulend von meiner Tante und sie schloss mich in ihre Arme.
„Ich verspreche es dir, auch Vater möchte mich heile wieder bei sich haben. Ich passe auf mich auf!“ ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann verabschiedete ich mich noch von meinem Vater, welcher mich ebenfalls in den Arm nahm und an sich drückte.
„Und kommen mir Klagen über das Betragen des jungen Clarkson, dann werde ich...“ zu mehr ließ ich ihn nicht kommen.
„Vater, bitte! Er weiß sich zu benehmen!“ lächelte ich ihn beruhigend an und er seufzte nur.
William bekam dennoch von meinem Vater diese mahnenden Worte zu hören und er versicherte ihm ebenfalls, zum gefühlten tausendsten Male, dass er mich lediglich beschützen wird.
Dann war es soweit und wir konnten an Bord, die Truhen waren in unseren Quartieren verstaut.
Oben an Deck stand ich an der Reling, als auch schon die Segel gesetzt wurden und die „Whispering Shadow“ langsam Fahrt aufnahm.
Ich winkte noch eine Weile, bis die Menschen am Kai nur noch so groß wie Ameisen waren.
Der heutige Oktobertag war sonnig und angenehm warm, also blieb ich noch für eine Weile an Deck und sah dem Treiben der Mannschaft zu.
Wir wurden von zwei Fregatten begleitet, weil die Ware an Bord wertvolle Edelsteine, teuren Tabak und ähnliches beinhaltete.
Ich hoffte inständig, dass wir nicht von Piraten oder ähnlichem angegriffen wurden. Ich hatte davon gehört und es ging meistens nicht gut aus, wenn man den Erzählungen Glauben schenken durfte.
„Miss Alberts, ihr schaut plötzlich so ängstlich aus. Habt ihr etwas vergessen?“ fragte mich William besorgt.
„Oh, nein, Master William, ich musste nur an Piraten denken. Wegen der Fracht an Bord, ihr versteht?“ ich versuchte ein Lächeln, welches ihn beruhigen sollte.
„Ah, ich verstehe. Aber da macht euch keine Sorgen. Wir werden von zwei gut bewaffneten Fregatten beschützt, welche jeweils auch kampferprobte Mannschaften haben. Ich denke, wir sind auf der sicheren Seite.“ meinte er souverän.
Wir verbrachten diesen ersten Tag mit der Erkundung des Schiffes und damit, unsere Quartiere einzurichten.
Und die erste Nacht war mehr als unruhig, da ich mich wieder an das Schaukeln gewöhnen musste.
Sarah jedoch schien das zu beruhigen und sie war in Nullkommanichts eingeschlafen, was mich freute, weil ich sie seekrank nicht gebrauchen konnte.
Ich würde gerne berichten, dass wir von Unwettern verschont geblieben wären, doch es traf uns nach 6 Wochen auf See!
Plötzlich zogen tiefschwarze Wolken auf und das Meer erhob sich, als wolle es uns verschlingen. Es war kaum möglich, alles zu sichern oder die Segel ordentlich zu befestigen.
Zwei Crewmitglieder gingen außerdem noch über Bord, doch man konnte den armen Seelen nicht mehr helfen!
Die beiden Fregatten „Lucifer´s Revenge“ und die „Imperator“ hatten ebenso mit diesen widrigen Umständen zu kämpfen.
Stellenweise schlugen die Wellen Meterhoch über uns zusammen.
Der Kapitän, Mr. Tullslow, forderte uns immer wieder auf, nach unten zu gehen, dort seien wir sicher, da wir hier oben nichts ausrichten könnten.
Doch wir halfen wo wir konnten, auf der Providence hatte ich ja auch schon ein Unwetter überstanden und plötzlich sah ich Haytham vor mir, wie er diesem armen Teufel das Leben gerettet hatte.
Ich schüttelte dieses Bild ab und widmete mich wieder den Tauen.
Die „Whispering Shadow“ hielt sich aber wacker, bis auf kleinere Wassereinbrüche und ein angeknackster Fockmast, waren nur die üblichen Sachen beschädigt.
Segel zum Beispiel oder ein oder zwei Kanone hatte es erwischt. Was allerdings mehr als ärgerlich war, war dass die Munition stellenweise nicht mehr zu gebrauchen war.
„Wir können nur hoffen, dass wir uns nicht doch noch gegen irgendwelche Freibeuter oder ähnliches verteidigen müssen!“ meinte der Kapitän säuerlich.
Fünf Tage hielt uns dieser Sturm in Atem und entließ uns erst, als wir eine Inselgruppe ausmachen konnten.
Mr. Tullslow erklärte uns, dass es die Azoren waren und wir dort Anlanden werden, um neue Vorräte aufzunehmen und kleinere Reparaturen durchzuführen.
Die Fregatten hatten ebenso einige Schäden abgekommen und brauchten auch Lebensmittelnachschub. Heute steuerten wir nun den Hafen der kleinen Insel Ilha do Pico an.
Der angesteuerte Hafen
Man beäugte die drei Schiffe misstrauisch, ließ sie aber vor Anker gehen.
Wir würden hier vermutlich eine Woche verweilen, laut Aussage des Kapitäns.
Als William und ich von Bord gingen, warf man uns neugierige Blicke zu, so als wären wir einem Märchen entsprungen.
Erst später registrierte ich, dass ich meine Templermontur trug, sprich ich hatte Hosen an, was sich eigentlich nicht für eine Frau schickte und ich war in männlicher Begleitung!
Ich brauchte einige Zeit um mich an den festen Boden wieder zu gewöhnen, doch auch William schwankte gefährlich und wir mussten beide lachen. Man hätte meinen können wir hätten zu tief ins Glas geschaut!
Die Nächte würden wir aber an Bord verbringen, da man hier nur Portugiesisch sprach und William wie auch ich dieser Sprache nicht mächtig waren.
In einer der kleineren Tavernen jedoch trafen wir auf eine Gruppe von älteren Herren, welche sich unserer annahmen. So verging der erste Abend ohne Zwischenfälle und ich hatte meine Sprachkenntnisse um einige Brocken portugiesisch erweitert.
„Master William, wir sollten tatsächlich beginnen, weitere Sprachen zu lernen, findet ihr nicht. Mir wird gerade bewusst, dass man sonst nicht immer weiter kommt.“ grinste ich ihn an und er stimmte mir zu.
„Wir haben ja schon einen kleinen Anfang heute gemacht, Miss Alberts. Und wir sind noch ein paar Tage hier!“
Die Schäden waren dann doch größer als angenommen und bedurften längerer Reparaturen!
Wir haben also die Silvesternacht hier in der kleinen Taverne am Hafen verbracht, wo wir mittlerweile drei „feste“ Lehrer hatten, welche weiterhin uns unermüdlich die hiesige Sprache versuchten beizubringen.
Esta é uma ilha linda! (Dies ist eine wunderschöne Insel!)
Eu gostaria de uma taça de vinho, por favor! (Ich möchte bitte ein Glas Wein!)
Onde posso comprar meus suprimentos? (Wo kann ich meine Vorräte einkaufen?)
Waren ein paar kleinere Sätze, welche ich nun fehlerfrei beherrschte und die Herren waren mit sich selbst zufrieden.
Leider war das Wetter eben eher winterlich, nicht frostig, aber sehr nebelig und kalt!
Trotzdem verließ ich diesen Ort nur ungerne, da die Menschen hier sehr umgänglich, zuvorkommend und freundlich waren.
Vielleicht wäre es ja auf der Rückreise möglich, noch einen Abstecher hierher zu machen.
„Miss Alberts, ich könnte mir denken, dass sich das einrichten ließe!“ meinte William freudig, auch er hatte sich hier wohlgefühlt.
So brachen wir für die Weiterfahrt auf und ich hoffte, dass es nicht noch weitere Unwetter geben würde, oder eben noch schlimmeres wie Piraten!
Es dauerte nochmals fast zwei Monate, bis wir endlich die Küste vom europäischen Festland sahen.
Wir wurden nicht von weiteren Wetterkapriolen verschont und mussten uns auch noch, meine schlimmsten Befürchtungen wurden doch wahr, gegen eine Fregatte, welche in Assassinen Hand war, verteidigen.
Dieser Kampf war aber schneller vorbei, als gedacht, auch wenn schon wieder derbe Schäden die „Whispering Shadow“ zierten!
Was sich unsere Angreifer jedoch gedacht haben mögen, mit einem einzelnen Schiff, zwei Fregatten und ein bewaffnetes Handelsschiff anzugreifen, entzog sich meiner Kenntnis!
„Manchmal sollte man meinen, diese Bruderschaften bilden nur minderbemittelte Damen und Herren aus und das auch nur oberflächlich!“ hörte ich Mr. Tullslow des öfteren kopfschüttelnd sagen.
Doch nun konnten wir den Hafenbereich in Anzio schon sehen, welcher in der untergehenden Sonne malerisch vor uns erschien.
Mein sowie Williams Vater auch, hatten unser Kommen angekündigt und man nahm uns beide kurz nach der Ankunft in Empfang.
Master Nicodemo Capon war ein großer 47 jähriger Herr, mit kurzen braunen Haaren und kräftiger Statur, welcher sich als der hiesige Großmeister des römischen Ritus vorstellte.
Der zweite Mann im Bunde war Master Levio Bruno, 31 Jahre alt, Meistertempler und hatte schwarze lange Haare. Er war etwas kleiner als William und Nicodemo, dafür aber muskulös und schlank!
„Ahhhh, es freut mich, euch beide nun endlich persönlich kennenzulernen! Nicodemo Capon, zu euren Diensten Miss Alberts!“ eine Verbeugung und Handkuss, dann sah er mich fragend an.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich auf deutsch ansprach, auch William sah etwas erstaunt aus.
„Meine Großmutter, Gott hab sie selig, kam aus einer kleinen Provinz in der Nähe von Hamburg!“ lachte er nur!
Damit war das Eis schon einmal gebrochen und nun stellte sich auch Master Bruno vor.
Er hingegen sprach nur gebrochen englisch, aber eben mit diesem hinreißenden italienischen Akzent, welcher die beiden Herren mir sehr sympathisch machte.
Unsere Truhen wurden zu unseren Reisekutschen gebracht, wir würden heute noch Richtung Rom aufbrechen.
Capon hatte uns eine grobe Route auf einer Karte gezeigt, wo es nach Aprilla ging, von dort weiter nach Pomezia und dann wären wir schon fast mitten in Rom.
Dort hatte man in einer Herberge zwei Zimmer für William und mich, sowei zwei kleine Kammern für Sarah und Williams Kammerdiener, angemietet.
Die Kosten würden vom Orden übernommen, erklärte mir Master Bruno gleich und es hörte sich an, als wäre es selbstverständlich.
Überland wären wir jetzt noch ungefähr 14 Tage zusätzlich unterwegs.
Nun startete unser Abenteuer wirklich und in mir stieg eine gewisse Euphorie empor.
„Miss Alberts, ihr scheint euch auf diese Reise zu freuen, wie ich sehe.“ meinte der Großmeister lächelnd und ich konnte ihm nur zustimmen.
„Master Capon, auch wenn es eine kurzfristige Entscheidung war, so bin ich mehr als aufgeregt. Ich bin gespannt, was uns in Rom noch alles erwartet!“ meine Stimme überschlug sich schon fast vor Freude und auch William teilte dieses Hochgefühl mit mir.
„Da bin ich ebenso gespannt wie ihr, Miss Alberts. Hoffentlich hat mein Urgroßonkel genügend Hinweise hinterlassen, welchen wir nachgehen können.“
Dann setzten sich die Kutschen in Bewegung und mit ihnen ebenfalls 10 Wachen zu unserem Schutz.
„Master Capon, ist das wirklich nötig, dass wir eine solche Eskorte bekommen? Ich meine, wir transportieren nichts Wertvolles und wir ziehen so sehr viel Aufmerksamkeit auf uns.“ gab ich zu bedenken.
„Miss Alberts, ich habe strikte Anweisungen von eurem Vater bekommen, von Master Clarkson ebenso, dass wir für eure Sicherheit garantieren sollen.“ gab er als Erklärung ab und damit war für ihn alles erledigt.
Also ergab ich mich diesem Schicksal und wir fuhren los.
Wenn ich noch bei Antritt dieser Reise skeptisch war, was die Überwachung anging, so war ich nun froh, diese gehabt zu haben!
Wir nächtigten in einem kleinen Gasthof, welcher an der Reiseroute lag.
Einen Wächter hatte man direkt vor meine Tür zu meiner Kammer, wo auch meine Kammerzofe mit mir schlief, platziert.
Mitten in der Nacht schreckte ich hoch, weil man von überall, so schien es, Kampflärm hörte. Auch direkt vor meiner Tür hörte ich Stahl auf Stahl klirren und laute Schreie und Rufe.
Ich wies Sarah an, sich ruhig zu verhalten und hinter mir die Tür wieder zu verriegeln.
„Aber Miss Alberts, ihr könnt doch nicht in eurem Nachtgewand...“ ich hörte sie schon nicht mehr!
In Windeseile hatte ich mein Schwert in der Hand stürmte auf den Korridor, wo sich ungefähr ein Dutzend Männer und Frauen einen Schlagabtausch lieferten.
Unsere Angreifer waren allesamt maskiert, trugen aber keine Ornate, daher gehe ich davon aus, dass es gewöhnliche Diebe sein mussten.
Ich stürzte mich mitten hinein, ohne darüber nachzudenken, wenn ich ehrlich bin.
Eine Frau rannte auf mich zu und fing an, mit ihrem Schwert auf mich einzuschlagen und ich war für das jahrelange Training meines Vaters und Großmeisters dankbar.
Kontern, parieren und blocken... alles lief wie am Schnürchen, bis mich jedoch ein Seitenhieb im Gesicht am Kiefer traf. Für einen kurzen Moment sah ich Sternchen vor mir und musste mich sammeln, doch mein zweiter Angreifer ließ mich nicht, jetzt musste ich mich gegen zwei Personen verteidigen.
Man verpasste mir einige Hiebe und Schnitte, doch noch nichts Ernstes.
Es wurde zunehmend schwerer gegen die beiden zu kämpfen, da gefühlt immer wieder neue Gegner von unten heraufkamen und es an Platz mangelte.
Gerade als der zweite Angreifer einen Streich in meine Richtung ausführen wollte, bekam ich die Frau zu packen, zog sie als Schutzschild vor mich und ihr wurde von ihrem Kumpan die Kehle durchtrennt. Entsetzt sah er von ihr zu mir und dann wandelte sich sein Gesicht in eine wutverzerrte Maske!
Mit lautem Gebrüll, auf italienisch, kam er auf mich zu.
Unvermittelt zog er mit der linken Hand eine Pistole unter seiner Jacke hervor, zielte und … dann steckte ein Schwert in seinem Rücken, von dem ich nur die Spitze aus seiner Brust ragen sah!
Hinter ihm tauchte William auf, zog mit einem Ruck sein Schwert aus dem Angreifer, welcher nun mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen vornüber kippte.
„Miss Alberts, seid ihr schwer verletzt?“ sprach er mich über diesen ganzen Tumult hinweg an.
„Nein, mir geht es einigermaßen.“
Und wir kämpften noch drei Nachzügler nieder, die sich uns in den Weg stellten. Langsam versiegte der Fluss an neuen Angreifer und auch von unten verstummte der Kampfeslärm allmählich.
Wir schritten die kleine Treppe hinunter, auf der so einige Tote und Verletzte lagen, über die wir hinweg gingen.
Unten im Schankraum herrschte heilloses Chaos, man hatte auch die anderen Gäste nicht verschont und wahllos alles angegriffen, was sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte.
Es war ein grauenhafter Anblick!
Ich sah sogar eine junge Frau, welche schwanger war mit durchtrennter Kehle. Was waren das nur für Barbaren?, fragte ich mich und in mir stieg eine wahnsinnige Wut hoch. Wut auf meinen Vater, welcher uns zur Zielscheibe gemacht hatte, wegen der ganzen Bewachung.
Wut auf mich selber, dass man mir immer noch nichts zutraute und Wut darüber, dass wir nicht wussten, ob es gezielt gegen uns, oder einfach nur ein Raubüberfall ohne Hintergrund war.
„Master William, Miss Alberts! Gott sei Dank, ihr seid unversehrt, wie ich sehe. Nunja, nicht ganz, aber ihr seid am Leben!“ kam es völlig außer Atem von Master Bruno und er sah sich ebenfalls hier unten um.
„Wer kann diese Leute geschickt haben und vor allem, WARUM hat man das getan?“ fragend sah er von mir zu William.
„Wenn ich das wüsste, Master Bruno, dann wären wir schlauer. Doch auch wir tappen im Dunkeln. Ich war von vornherein nicht dafür, so eine Eskorte zu haben! Das lockt doch dieses ganze Gesindel erst recht an!“ und in meiner Stimme lag diese Wut, welche ihr eine gewisse Kälte verlieh.
„Miss Alberts, das ist nur zu eurem und Master Williams Schutz...“ jetzt sah er uns wieder so entschuldigend an.
„Dann erklärt mir bitte, warum wir so einen immensen Schutz überhaupt brauchen? Wir führen weder ein Vermögen mit uns, noch haben wir uns etwas zu Schulden kommen lassen...“ aber man ließ mich nicht ausreden!
„Nun, anscheinend haben euch Master Alberts und auch Master Clarkson nicht aufgeklärt, worum es wirklich geht?“ druckste nun der hinzugekommene Master Capon rum und sah entschuldigend von einem zum anderen!
Es war aber William, welcher plötzlich unvermittelt laut wurde!
„Verdammt noch mal, redet endlich, wir tappen im Dunkeln und anscheinend weiß jeder mehr als Miss Alberts und ich!“ erschrocken sahen die beiden Herren sich an, dann bat uns Nicodemo ihm nach draußen zu folgen.
Die Wachen kümmerten sich um die Verletzten und die Toten, zwei von unserem Begleitschutz hatten wir zu beklagen, leider.
Vor dem Gasthof holte er nun tief Luft und sah hinauf zum nächtlichen Himmel.
„Master William, ist euch je in den Sinn gekommen, warum ihr so behütet aufgewachsen seid? Warum man euch vor vielen Dingen geschützt hat und ihr so viele Hauslehrer und Kindermädchen hattet?“ mit verschränkten Armen stand Capon vor uns und musterte meine Begleitung scharf.
„Nein, eigentlich nicht. Vater hat immer gesagt, es ginge um das Erbe der Familie und dass nicht jeder einen Einblick bekommen sollte...“ sein Blick war skeptisch auf den Italiener gerichtet.
„Ihr besitzt Fähigkeiten, welche ihr bisher noch nicht einsetzen brauchtet, stimmt es? Warum zum Beispiel könnt ihr sprichwörtlich sehen, WAS jemand denkt? Oder dass ihr wisst, wo ihr nach etwas suchen müsst?“
William ging zwei Schritte zurück und starrte den Mann vor sich an.
„Ich... das ist doch nichts besonderes, weswegen man mich beschützen muss!“ ungläubig sah er nun auch mich an und plötzlich sah ich, dass seine Augen ein leichtes Leuchten aufwiesen.
Ich hatte immer gedacht, es wäre der Lichtschein der Kerzen, wenn sie diesen Schimmer annahmen.
„Master William...“ meinte ich leise und starrte ihn weiter an. „Euer Blick...“
Und jetzt dämmerte es mir, was mich an ihm oft irritiert hatte, dieser Blick wenn er meine Gedanken lesen konnte!
Du meine Güte, hatte er... in diesem Moment lief ich nur noch knallrot an. Wie oft hatte ich in seiner Gegenwart über ihn nachgedacht?, fragte ich mich nun.
„Oft, Miss Alberts, aber auch mir wird das jetzt erst bewusst und... es tut mir leid...“ stammelte er leise und ich sah in seinem Gesicht das schlechte Gewissen.
„Miss Alberts, auch ihr werdet nicht ohne Grund beschützt. Doch ich sehe schon, ihr wisst ebenfalls nichts von euren Möglichkeiten und Fähigkeiten.“ seufzte er tief, so als wäre er genervt.
„Wovon sprecht ihr bitte?“ maulte ich ihn an, ich wollte Antworten haben.
„Schaut an eure Arme und Hände, seht ihr noch die Schnitte der Schwerter auf eurer Haut? Oder tut der Kiefer von dem Schlag noch weh?“ er hob eine Augenbraue und sah mich ebenfalls musternd an.
Es stimmte, ich sah den zerrissenen Stoff meines Nachthemdes – welches ich immer noch trug und in Gesellschaft von zwei Herren im Freien stand! - mit den Blutflecken, doch meine Haut war glatt und unverletzt.
Vorsichtig griff ich an meinen Kiefer und bewegte ihn hin und her, keine Schmerzen durchfuhren mich!
„Was hat das zu bedeuten?“ fragte ich leise und ungläubig!
„In euch ruht eine Kraft, welche euch selbst und auch andere heilen lässt. Ihr seid in der Lage, andere genesen zu lassen und seid im Umkehrschluss nahezu unverwundbar! Ich möchte den Begriff „unsterblich“ nicht nutzen, da ihr das nicht wirklich seid. Und aus diesen Gründen müssen wir euch beide schützen, da ihr eine Aufgabe habt. Darüber brauche ich euch nicht aufklären! Habe ich Recht, Master William, Miss Alberts?“ jetzt sah er uns lächelnd an und wir verstanden, wenn auch noch nicht ganz, aber langsam kam die Erkenntnis.
„Dann... war das Zusammentreffen mit Master William eine geplante Sache unserer Eltern?“ meine Stimme klang entrüstet, auch wenn ich das nicht wollte.
Im Grunde gefiel mir Williams Gesellschaft, wenn ich darüber nachdachte.
Aber ich hasst es, wenn man mich vor vollendete Tatsachen stellte und mich nicht einweihte!
„Miss Alberts, auch ich genieße eure Gesellschaft und ich muss sagen, unsere Eltern hätten uns wirklich von Anfang an reinen Wein einschenken sollen!“ meldete sich meine Reisebegleitung nun zu Wort, nachdem er anscheinend wieder in meinen Gedanken gestöbert hatte.
„Das hätten sie...“ sprach ich leise und wurde wieder rot.
„Aber ich schlage vor, das Gespräch etwas zu verschieben, wir haben noch ein paar Tage auf dem Weg nach Rom und entsprechend Zeit dafür!“ kam es jetzt entschuldigend von Nicodemo und ich sah, dass er seine Müdigkeit kaum noch unterdrücken konnte.
Trotzdem stellte sich die Frage, warum man uns überfallen hatte und wer dahinter steckte. Im Schankraum hatte man die Verletzten versorgt und die Toten waren hinter das Haus geschafft worden. Man hatte bereits nach den entsprechenden Herren geschickt, die sich um solche „Angelegenheiten“ kümmerten.
Ich trat auf eine der Verletzten zu, eine junge Frau ungefähr in meinem Alter, mit einer Wunde im Oberschenkel.
Doch bevor ich etwas sagen konnte, pöbelte sie mich auf italienisch an und spukte mir vor die Füße. Nicht gerade die feine Art, wenn man mich fragte!
Master Bruno kam mir zu Hilfe und maßregelte die Dame vor mir, dann fing er mit der Befragung an.
Leider war sie die Verschwiegenheit in Person, wollte weder ihren Namen noch ihre Zugehörigkeit kundtun. Livio musste sich arg zusammenreißen wie es aussah und wiederholte seine Fragen immer und immer wieder.
Langsam wich jedoch jede Farbe aus dem Gesicht der Gefangenen und dann verdrehte sie die Augen und war bewusstlos. Verdammt!
Resigniert stöhnte ich nur auf.
„Ich befürchte, so kommen wir nicht weiter. Lasst sie alle bewachen und ruft einen Arzt, damit dieser die Wunden versorgen kann!“ befahl nun Master Capon und ging dann langsam die Treppe zu seiner Kammer hoch.
Man könnte meinen, er sei ein sehr alter Mann, wenn man diese schleppenden Bewegungen sah und ich schüttelte mitleidig meinen Kopf.
„Ich werde mich auch zurück ziehen und dann werden wir morgen weitersehen, Master William, Master Bruno!“ ich nickte in die entsprechende Richtung und ging ebenfalls hinauf.
Vor meiner Tür klopfte ich und als Sarah sich überzeugt hatte, dass wirklich ICH es bin, ließ sie mich ein.
Entsetzt sah sie die Blutflecken und den kaputten Stoff meines Nachthemdes. Sofort fing sie an, mich hin und her zudrehen, damit sie sich überzeugen konnte, dass mir nichts fehlte.
„Miss Alberts, jagt mir nie wieder so einen Schrecken ein. Es sieht fast so aus, als wäret ihr kurz vor dem Verbluten gewesen bei dem ganzen Blut!“ dann half sie mir in ein sauberes Nachthemd und ich konnte endlich ins Bett.
Zumindest war dieses sauber und einigermaßen bequem, doch der Schlaf wollte mich nicht richtig abholen.
Mir gingen diese neuen Erkenntnisse im Kopf herum. Warum ich? Warum William? Woher kamen diese Fähigkeiten?
Endlich waren wir an unserem Ziel angekommen und im ersten Moment war ich enttäuscht.
Ich hatte gedacht, es sei eine malerische Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und imposanten alten Bauten.
Mir bot sich ein klägliches Bild von herunter gekommenen Häusern, dreckigen Straßen und nicht wenigen verwahrlosten Menschen, darunter auch viele Kleinkinder.
Ich weiß, man kann nie allen helfen, aber ich würde es gerne. Bei diesem Anblick brach mein Herz und es war kaum auszuhalten.
„Miss Alberts, wir sind gerade in dem ärmsten Viertel der Stadt. Die Menschen hier haben keine Möglichkeit ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen und Hilfe bekommen sie nicht. Viele haben schon versucht die Obrigkeit darauf aufmerksam zu machen, doch vergebens!“ entschuldigte sich Master Capon nun bei mir.
„Es ist ein grausames Schicksal, gerade bei den Kleinsten!“ ich musste mich konzentrieren, um nicht zu weinen!
„Wir haben euch im Norden der Stadt untergebracht, Miss Alberts, Master William. Von dort ist es einfacher die Forschungen anzugehen! Die Kutsche wird euch weiterhin zur Verfügung stehen, ebenso werden die Wachen Tag und Nacht an eurer Seite bleiben!“ dieser Themenwechsel kam eher befehlend, nicht wie ein netter Vorschlag von Nicodemo.
„Wenn ihr meint, Master Capon!“ auch William war nicht begeistert davon, doch leider hatten wir kein Mitspracherecht in dieser Sache.
Ich hatte zwischenzeitlich einen Brief an meinen Vater schicken lassen, in welchem ich ihm meine Enttäuschung über sein Verhalten kundtat.
Es glich schon fast einem Vertrauensbruch mir gegenüber!
Ich habe immer zu meinem Vater und Großmeister aufgesehen, doch mich über meine Zukunft und mein Leben so im Unklaren zu lassen, konnte ich nicht einfach so hinnehmen.
In den letzten Tagen hatten wir dann auch noch erfahren, dass auch Nicodemo nicht einfach ER ist.
„Ich weiß, ich sehe aus wie ein ungefähr 50jähriger Mann. In Wahrheit bin ich aber schon viel älter, 112 Jahre um genau zu sein!“ meinte er stolz und lächelte uns an.
„Die Vorläufer gaben uns Kräfte, Mächte und Fähigkeiten. Genau wie euch beiden, Miss Alberts, Master Williams. Doch wir mussten warten, bis ihr selber erkennen würdet, worauf man euch vorbereitet hat. Leider muss ich nun feststellen, dass ihr völlig unbedarft auf diese Reise gegangen seid.“ auch er schien nicht ganz begeistert von dem Verhalten unserer Eltern zu sein.
Stellte sich immer noch die Frage, wer uns Böses wollte, wer uns verfolgen könnte und warum das ganze!
Aus den Überlebenden hatte man nichts heraus bekommen, sie alle schwiegen, als hätte man ihnen die Zungen herausgeschnitten!
Die Herberge, in welcher wir nun die nächste Zeit bleiben würde, war ein recht großes Haus mit verputzten weißen Wänden, grünen Fensterläden und einem kleinen Vorgarten. Daneben lagen die Ställe und ein kleines Gebäude, bei welchem ich nicht wusste, welchen Zweck es erfüllen sollte.
William war die ganzen Tage über sehr schweigsam gewesen, hatte kaum ein Wort mit mir oder unseren Begleitern gewechselt und ich sah, auch er grübelte darüber nach, WARUM wir, warum jetzt?
Unsere Zimmer waren geräumig, hell und mit einer Durchgangstür verbunden.
„Master William, wie findet ihr unsere Unterbringung?“ fragte ich leise, weil ich es vermisste mich mit ihm zu unterhalten.
„Sehr nett, wenn ihr mich fragt.“ kam es als kurze Antwort und er verschwand in seinem Reich!
Nun gut, dann werde ich mit Sarah meine Sachen auspacken. Ihre Kammer lag am Ende des Korridors, neben ihrer lag auch die Unterkunft von Sebastian, Williams Kammerdiener!
Es dauerte nicht lange, bis alles Wichtige verräumt war und dann saß ich unschlüssig auf meinem Bett.
„Miss Alberts, kann ich noch etwas für euch tun?“ fragte Sarah leise und ich sah sie erstaunt an.
„Nein... nein, im Moment brauche ich euch nicht.“ und damit ging sie, ich blieb etwas verloren hier sitzen und starrte auf meine Hände.
Bevor ich jedoch Trübsal anfing zu blasen, nahm ich mir meine Schreibutensilien und fing an, mein Tagebuch weiterzuführen.
Aus Erfahrung wusste ich, dass es mich beruhigte und meine Gedanken strukturierter wurden!
Ein Klopfen riss mich dann aus meiner Arbeit und ein zögerliches „Miss Alberts, habt ihr einen Moment Zeit?“ von William war zu hören.
Auf mein „Herein!“ öffnete sich vorsichtig die Tür und er betrat mein Zimmer.
Man könnte meinen, er hätte Angst alleine in meiner Nähe sein zu müssen.
„Master William, ist alles in Ordnung?“ fragte ich besorgt, als ich seinen grüblerischen Ausdruck im Gesicht wahrnahm.
„Um ehrlich zu sein, nein. Nichts ist mehr in Ordnung, weil ich überhaupt nicht weiß, wo ich ansetzen soll. Miss Alberts, es ist mir unangenehm, dass ich eure Gedanken ohne zu fragen gelesen habe. Aber ich habe mir nie etwas dabei gedacht, das müsst ihr mir glauben!“
Diese Worte kamen mit einem sehr schlechten Gewissen, dass er mein Vertrauen missbraucht hatte.
„Macht euch darüber keine Sorgen, wir wussten beide nichts von unseren Fähigkeiten. Aber wenn ich das fragen darf, wie meinte Master Capon das, als er sagte, ihr könnt sehen, wo etwas ist?“ meine Neugierde kannte manchmal kein Halten!
Zum ersten Mal seit Tagen zeigte sich ein Lächeln auf Williams Gesicht.
„Ich kann ein Schimmern wahrnehmen, so als brächen sich Sonnenstrahlen in einer Glasscheibe! Manche Gegenstände, oder auch Personen umgibt so ein Schleier. Auch ihr seid von so einem umgeben.“ in seine Augen trat dieses Leuchten und seine Gesichtszüge entspannten sich plötzlich.
„Ihr leuchtet in einem feinen Weißgold, Isabelle!“ zum ersten Mal seit Antritt unserer Reise, benutzte er wieder meinen Vornamen.
Ich saß an meinem Schreibtisch und sah ihn, welcher auf meinem Bett saß, einfach an. Mich umgab dieses Licht?
„Wie ist das möglich?“ fragte ich, doch wusste ich natürlich, dass auch William keine Antwort darauf hatte.
„Vielleicht sollten wir uns noch einmal mit Master Capon zusammen setzen und Antworten verlangen!“ in seiner Stimme lag eine solche Bestimmtheit, die ich länger nicht mehr von ihm wahrgenommen hatte.
„Das sollten wir tun, William. Ich würde ebenso gerne mehr erfahren. Doch genauso brenne ich darauf, den Spuren eures Urgroßonkels zu folgen!“ merkte ich meine Gedanken an.
„Ihr habt Recht, vielleicht sollten wir erst einmal unser Vorhaben voranbringen und wer weiß, vielleicht ergeben sich ja auch dadurch einige Sachen von ganz alleine!“ da war sie wieder, seine Euphorie und sein Entdeckerdrang, welcher mich ansteckte.
Mit neuem Schwung stand er auf und zog mich ebenfalls mit hoch.
„Dann lasst uns keine Zeit verlieren, Isabelle!“ William zog mich einfach mit sich, die Treppe hinunter und hinaus ins Freie.
Auf dem Weg durch die Stadt zur Herberge hatten wir einen kleinen Überblick erhalten und wussten ungefähr in welcher Richtung das Kolosseum lag. Wir nahmen die Pferde, welche uns zur Verfügung gestellt worden waren und ritten in Richtung dieses alten Bauwerkes.
Ich war schon gespannt, ob es wie auf den Zeichnungen in den Büchern aussah, oder ob man es gar nicht mehr erkennen würde.
Nach ungefähr anderthalb Stunden kamen wir bei diesem riesigen runden Bau an und ich staunte nicht schlecht. Die Aufzeichnungen hatten nicht gelogen, es war zwar sehr verfallen, aber noch gut erhalten.
Hier tummelten sich ein paar Menschen, die meisten jedoch nur, um die umliegenden Felder weiter zu bewirtschaften. Unsere Pferde banden wir an einem Mauerstück an und machten uns daran, die eigentliche Arena zu betreten.
Es war beeindruckend und sehr imposant.
Ich ertappte mich dabei, wie ich mir die Gladiatoren vorstellte bei den Kämpfen oder auch wie das Publikum auf den Rängen ihnen zujubelten!
„Isabelle, ihr müsstet euer aufgeregtes Gesicht gerade sehen. Und... ich kann es mir auch vorstellen, wie es hier einmal zugegangen ist. Verzeiht, aber ich... kann es nicht richtig kontrollieren!“ entschuldigend sah er mich an und seltsamerweise war ich ihm nicht böse, im Gegenteil.
Es fühlte sich angenehm an, das warum konnte ich nur nicht erklären! Ein anderer Gedanke kam mir.
„Vielleicht können wir gemeinsam dieses Gedankenlesen steuern und ich helfe euch, es zu kontrollieren? Ihr dürft gerne in meinen lesen, William!“ hatte ich das jetzt wirklich gesagt?
„Ein hervorragender Vorschlag, Isabelle! Und sollte ich etwas sehen oder lesen, was nicht für mich bestimmt ist, dann...“ ich ließ ihn nicht ausreden. „... dann werde ich einen Weg finden, MICH zu verschließen und ihr werdet eine Methode finden, mit welcher ihr nicht ALLES sehen könnt.“ und mir stieg eine wohlige Wärme ins Gesicht.
Wir würden also gemeinsam lernen, gemeinsam neue Wege beschreiten und in mir breitete sich immer mehr dieses Gefühl aus, dass ich mich mit diesem Menschen wohlfühlte!
„Es geht mir ebenso mit euch, Isabelle!“ hörte ich ihn leise hinter mir und seine Arme legten sich um mich.
Ich ergriff sie mit meinen Händen und drückte sie zur Bestätigung.
Plötzlich fühlte ich einen Schauer über mich hinweggleiten und kurz darauf sah ich wie sich das Licht hier anfing... ja, regelrecht zu spiegeln und zu brechen.
Ich sah leuchtende Gestalten, welche umher liefen, ich sah die Formen von Tieren, die sich am Rande der Arena bewegten.
Erschrocken fuhr ich zu William herum und starrte ihn an.
„Wie habt ihr das gemacht, William?“ in seinem Gesicht zeigte sich ebensolches Erstaunen.
„Ihr meint, ihr habt diese leuchtenden Gestalten auch gerade gesehen, Isabelle?“ ich drehte mich wieder um, nahm seine Arme, schlang sie wieder um mich.
„Macht das noch einmal, William!“ bat ich ihn aufgeregt und dann sah ich sie erneut. Menschen die auf den Rängen standen und klatschten, die Gladiatoren im Kampf... es war wie in einem Traum, aber kein Albtraum!
„Isabelle, seht! Dort hinten ist eine Art Tor, am hinteren Eingang zur Arena!“ kam es nun von meinem Begleiter und er zog mich hinter sich her, quer durch das ehemalige imposante Gebäude.
Sobald er mich aber losgelassen hatte, sah ich nichts mehr leuchten, was ich sehr schade fand.
Doch als wir an dem Durchgang ankamen und er meine Hand erneut hielt, nahm ich dieses Schimmern wieder wahr.
Man konnte sehen, wie Menschen hier hindurch gingen und eine Treppe hinuntergingen.
Wir folgten diesem Weg, stießen aber leider kurz darauf auf eine gemauerte Wand bei der es kein Durchkommen gab.
„Verdammt!“ meinte William lautstark und entschuldigte sich gleich.
„Lasst das, William, ich weiß ja, dass ihr sonst wisst euch zu benehmen.“ meinte ich mit einem Augenzwinkern, denn mitunter waren diese anerzogenen Höflichkeiten und Etiketten schon lästig!
„Was machen wir nun, Isabelle? Ich würde zu gerne wissen, was dahinter liegt!“ meinte er leicht frustriert und mir kam der Gedanke, dass wir eventuell einen anderen Weg suchen könnten oder eben durch diese Wand brechen sollten.
„Erstere Option würde mir persönlich zu lange dauern, meint ihr nicht? Aber die zweite, etwas brachiale, Methode ist nach meinem Gusto!“ hörte ich da wirklich so etwas wie eine kindliche Freude in seiner Stimme?
„Dann ist es abgemacht, William. Lasst uns das entsprechende Werkzeug beschaffen und wir können beginnen!“ kam es jetzt genauso freudig von mir, ich wollte auch wissen, was unterhalb dieser Arena verborgen war.
Doch leider kam es nicht dazu und uns wurde der Wind sofort aus den Segeln genommen.
Ein älterer Herr sprach uns in sehr gebrochenem Englisch an, wir sollten uns fortscheren, wir hätten hier nichts zu suchen. Doch, wir suchten nach Hinweisen... welch ironischer Satz!
Dann müssten wir vermutlich des nächtens hier wieder erscheinen, mutmaßten wir beide, als der Mann wieder von dannen gezogen war. Eine nächtliche Schatzsuche... wie aufregend!, ging es mir durch den Kopf.
„Und dann auch noch mit euch an meiner Seite!“ kam es vom jungen Clarkson und kaum ausgesprochen, bereute er seine Worte.
„Verzeiht, Isabelle! Ich... habe es schon wieder getan! Und dabei jeden Anstand vergessen!“ ich konnte nur breit grinsen, meine sehr nunja... seltsamen Gedanken waren ja auch nicht ganz ohne.
„William, erklärt euch nicht jedes Mal. Doch... ich finde diese Vorstellung auch sehr interessant!“ und in meine Wangen trat wieder diese wohlige Wärme!
„Dann sind wir uns ja einig!“ kam es mit einer hochgezogenen Augenbraue von Master Clarkson Junior!
Unverrichteter Dinge verließen wir nun das Kolosseum und begaben uns wieder zu unserer Herberge.
Dort würden wir Master Capon oder zumindest Master Bruno antreffen, wenn nicht konnten wir einen Boten entsenden, welcher die Nachricht überbrachte, dass wir einen Hammer und Meißel für die Fortführung unserer Untersuchung brauchen würden.
Gegen frühen Nachmittag trafen wir dort wieder ein und natürlich, die beiden Ordensbrüder waren bereits anwesend. Aber nicht nur sie, auch noch Wachen der römischen Einheiten hier vor Ort. Diese beäugten uns mehr als misstrauisch.
„Ah, da tauchen auch endlich die Turteltäubchen auf wie ich sehe!“ meinte der Gonfaloniere di Laberto mit schiefem Grinsen! (ich hoffe, es ist die richtige Bezeichnung, ich hatte sie nur einmal am Rande gehört, als wir in Rom ankamen...)
Wie schön, dass jeder gleich dachte, William und ich würden Heiratspläne schmiede! Trottel, allesamt!
Ich machte gute Miene zu bösem Spiel und überspielte das ganze nun.
„Master Capon, wir benötigen Werkzeuge für weiteres Vorankommen. Wo können wir dieses erwerben?“ fragte ich und ignorierte diesen die Laberto mit seinem schmierigen Grinsen einfach!
„Wie meint ihr das? Wozu benötigt ihr...“
William fiel ihm ins Wort. „Wir brauchen Hammer und Meißel um es genau zu sagen.“
Der Gonfaloniere hob eine Augenbraue. „Wo wollt ihr einbrechen? Ihr wisst doch, dass gehört sich nicht!“ hörte ich ihn leicht lallend sagen und da wusste ich, warum er so dämlich aus der Wäsche schaute.
Nicodemo hatte ihm schon einige Krüge Wein spendiert um ihn bei Laune zu halten, genau wie die anderen Wachen. Und das um diese Uhrzeit!
Master Bruno winkte uns nur, wir sollten einfach gehen. Etwas mürrisch taten wir, wie uns geheißen wurde und gingen hinauf.
Wir vernahmen aber leider nur noch italienische Wortfetzen... nichts weiter! Und wiedereinmal ging mir durch den Kopf, wir sollten unsere Sprachkenntnisse aufrüsten.
„Ich sehe schon, wenn wir von dieser Reise heimkommen, verstehen wir ALLE Sprachen!“ lachte William und es tat gut, ihn wieder so gelöst zu sehen.
„Isabelle, was machen wir nun? Ich habe Hunger und es ist Mittagszeit?“ ich sah ihn an und lächelte nur.
„Ich werde Sarah nach unten schicken und beim Herbergswirt etwas zu essen ordern, was uns dann hinauf gebracht wird.“ schlug ich vor. Gesagt getan... eine halbe Stunde später saßen William und ich in seinem Zimmer an dem kleinen Tisch. Vor uns standen jeweils Teller mit Pasta und einer cremigen Sauce, welche ich noch nicht kannte, aber sie schmeckte fantastisch!
Nach dem Mahl unterhielten wir uns noch über diese Fähigkeiten und ich merkte an, dass er vielleicht seinen Geist abschotten konnte. So als würde er die Ohren verschließen, vor Dingen die ihn nichts angingen.
„Das hört sich logisch an, aber wie mache ich das in der Praxis, Isabelle?“ DAS war natürlich nicht ganz so einfach, auch ich musste mich nun lernen zu verschließen.
„Man schafft... einen Rückzugsort... etwas auf das man sich STATTDESSEN konzentriert...“ grübelte ich laut vor mich hin.
„Aber ich höre ja die Gedanken immer, nicht bei jedem, im Moment hauptsächlich bei euch, Isabelle.“ erstaunt sah ich ihn an.
„Warum gerade nur bei mir?“ natürlich hatte auch er keine Antwort darauf.
Warum aber konnte er Nicodemos Gedanken zum Beispiel nicht lesen, denn das wäre ja sogar noch hilfreich gewesen. Doch die Antwort lag nahe, ER wusste seinen Geist zu verschließen.
„Wisst ihr, William. Wir fangen klein an. ICH verschließe mich, oder versuche es und ihr... nunja, ihr lest meine Gedanken? Vielleicht finden wir so eine Lösung dafür!“ meinte ich nun etwas leicht dahin, auch wenn ich nicht genau wusste, WIE ich das mit meinen doch sehr wirren Gedanken ab und an machen sollte.
Er sah mich an, ohne ein Wort zu sagen und ich sah dieses Leuchten wieder. Unweigerlich stellte ich mir einen kleinen Raum vor, leer, ohne Fenster...
„Ihr seid... wo seid ihr gerade, Isabelle?“ kam es völlig überrascht von William.
„Es hat funktioniert!“ meinte ich freudig, doch es war nur der Anfang!
„Nennen wir es einen Rückzugsort, William!“ und ich begab mich noch einmal dorthin und fing an, mich dort „einzurichten“! Es wird noch Monate dauern, dachte ich frustriert, als mir bewusst wurde, dass ich nicht nur in seiner Gegenwart sonder generell diese Fähigkeit ausbauen sollte.
Man sollte ja auf alles vorbereitet sein und ich hörte die Stimme meines Vaters, welche mich mal wieder maßregelte, weil ich nicht alles bedacht hatte von vornherein!
So ging es noch ein Stunde weiter, bis ich abwinkte und meinte, es reicht fürs Erste.
Ich war wirklich erschöpft, nicht körperlich sondern geistig. Mein Kopf schwirrte und ich fühlte mich, als hätte ich nächtelang nicht geschlafen!
„Entschuldigt Isabelle, ich wollte nicht so forsch sein. Geht es euch gut? Ihr seid auf einmal ganz blass!“ besorgt nahm er meine Hand und kniete sich vor mich.
„Es ist anstrengender als ich dachte, William!“ lächelte ich ihn etwas müde an.
„Dann lasst uns einfach ein wenig durch die Stadt gehen, damit ihr auf andere Gedanken kommt!“ bei diesem Satz musste ich lachen und auch der junge Clarkson fand diese Ironie in seinem Satz amüsant.
„Ihr wisst, wie ich das meine...“ grinste er breit und wir gingen hinaus.
Auf den Straßen herrschte um diese Zeit nicht allzu viel Betriebsamkeit, es war gemächlich und genauso schritten wir auch durch die kleinen Gassen.
Sarah und Sebastian hatten bis auf weiteres erst einmal einen freien Nachmittag. Ich vermutete, es war ihnen nur recht, so kamen sie auch einmal raus und konnten die Gegend erkunden.
Doch weit kamen wir nicht! Wir spürten beide, dass wir beobachtet wurden und William ließ seine neu erkannte Fähigkeit spielen.
Master Capon hatte erklärt, dass rotes Schimmern IMMER Gefahr bedeutete, blau wäre neutral und gelb wäre eine Zielperson.
Bei der Anmerkung von Master Clarkson Junior, dass ich in einem Weißgold leuchtete, sah er uns mit offenem Mund an.
„Nun, das... liegt einfach daran, dass ihr miteinander bekannt seid!“ täuschte ich mich, oder war das eine dreiste Lüge um nicht mit der Wahrheit und einer Erklärung rausrücken zu müssen? Aber leider bekamen wir nur noch Schweigen danach...
„Dort oben auf dem Dach...“ sein Blick deutete leicht nach links oben. „... und dort auf der rechten Straßenseite...“ ich folgte unauffällig seinen Beschreibungen und tatsächlich.
Es tummelten sich fünf Personen, welche sich absichtlich unverdächtig dort herumdrückten!
Wir ließen uns nichts anmerken und gingen weiter, wir ließen einige lautere Gesprächsfetzen hören, in welchen wir unsere „Absichten“ kundtaten.
Unter anderem, dass wir noch eine der kleinen Tavernen aufsuchen wollten, die hier ganz in der Nähe war.
Ich konnte spüren, dass sie uns folgten! Hatte Master Capon doch nicht alles offenbart, was meine Fähigkeiten anging? Wenn ich ehrlich war, konnte auch ich diese Gegenwart fühlen, wenn auch nicht so sehen, wie es William tat.
Wir gingen in Richtung eines kleinen Häuserdurchgangs und diese Personen folgten uns weiter!
Unser Weg führte uns dann durch einige seltsam anmutende Hinterhöfe und Gassen bis wir plötzlich in einer Sackgasse gelandet waren. Oh verdammt, wir hatten keine Ahnung von der Stadt oder einen Stadtplan im Kopf, doch nun saßen wir hier fest!
Gott sei Dank waren wir aber nicht unbewaffnet und ich trug eine der Monturen!
Langsam drehten wir uns um und erwarteten diese Angreifer, doch … sie waren nicht mehr da! Ich konnte diese Präsenz auch nicht mehr spüren.
„Wo sind sie hin? Dieses Schimmern ist plötzlich...“ zu mehr kam William nicht, als ein Körper vor unseren Füßen auf den Boden aufschlug. Tot! Wir folgten mit unseren Blicken nach oben und sahen eine Gestalt davon eilen!
„Neutrales blau...“ kam es leise ungläubig von William!
Ein Geistesblitz schoss mir in den Kopf!
„William, das war eine unserer Wachen! Natürlich! Warum bin ich nicht schon vorher drauf gekommen!“ meinte ich und schlug mir vor die Stirn.
Wir waren NIE alleine, diese Wachen waren permanent um uns herum, wenn auch im Wechsel in einer unterschiedlichen Zusammenstellung!
„Natürlich, Isabelle! Daran hatte ich schon nicht mehr gedacht!“ Auch William war zu diesem Schluss gekommen und klang enttäuscht!
„Wir haben nichts zu befürchten, wir müssen uns nicht verteidigen... all das wird uns gerade abgenommen!“ fügte er in einem wütenden Tonfall hinzu.
„Genauso sieht es aus, Master William!“ hörten wir eine Stimme ein Stück weiter Richtung der belebten Straße und es war Master Bruno, welcher dort stand und grinste.
„Dachtet ihr allen ernstes, wir lassen euch wie Freiwild hier herum laufen? Ihr müsst wissen, die römische Bruderschaft verfügt über ein weitreichendes Netz an Informanten. Unterirdische Wege, welche meist in einem Brunnen beginnen, sind das A und O dieser italienischen Assassinen und das schon seit über 400 Jahren!“ erklärte er uns jetzt und wies uns an, ihm zu folgen.
Er führte uns zu einem völlig unscheinbaren kleinen Brunnen, welchen ein geschwungenes Symbol zierte. Es sah aus wie ein A, aber geschwungen und mit einem Totenkopf in der Mitte.
Gerade als ich meine Hand ausstreckte, gebot mir Levio Einhalt!
„Isabelle, nicht! Diese Tunnel sind gut bewacht und wenn wir darunter gehen, müssen wir gut vorbereitet sein!“ mahnte er mich und sah dabei auch zu William, welcher aber auch zu gerne jetzt darunter gestiefelt wäre.
„Heißt das, die Assassinen haben auch unter dem Kolosseum solche Gänge?“ fragte ich jetzt neugierig, denn wenn dem so ist, könnten wir doch einen anderen Weg finden!
„Nein, da muss ich euch enttäuschen. Unter dem Kolosseum gibt es NICHTS, wirklich nur den Unterbau, glaubt mir!“
So wirklich nahm ich ihm das nicht ab, sagte aber nichts. Stattdessen war es William, welcher einwarf, dass wir dann wohl doch kein Werkzeug bräuchten.
Jedoch sah ich in seinen Augen, dass er ohne das Wissen von Bruno und Capon diesen Untergrund erkunden wollte. Ich stellte ihm meine Gedanken zur Verfügung und deutete, dass das eine gute Idee wäre.
Ein Lächeln von ihm und ich wusste, er hatte verstanden.
„Master William, glaubt mir. Es gibt dort nichts! Vielleicht solltet ihr eure Suche doch noch ausweiten!“ und Master Bruno führte uns wieder zurück zu unserer Herberge.
Irgend etwas an ihm störte mich, es war, als wolle er uns daran hindern, Fortschritte zu machen.
William und ich beschlossen im Stillen, in der Nacht noch einmal aufzubrechen und dann würden wir weitersehen. Da wir jetzt ungefähr wussten, wie diese Eingänge aussahen, waren wir auch in der Lage in diese Tunnel zu gelangen.
Was uns dort erwartete, würden wir dann sehen!
„Wer waren diese Verfolger, Master Bruno?“ fragte ich möglichst neutral.
„Oh, das waren noch Nachzügler dieser Diebesbande, welche uns schon in diesem Gasthof aufgelauert hatten!“ kam es in einem Plauderton von Levio.
Man mag von mir sagen, ich sei zu misstrauisch, doch bei diesem Mann war ich es und ich hatte sogar Bedenken, Master Capon darüber zu unterrichten!
Neben mir war Master William, welcher ebenso zögerlich weiterging und an seiner Art sah ich, auch er wusste nicht so recht, was er von ihm halten sollte.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit meinem Begleiter auf seinem Zimmer und wir beratschlagten, was wir für unser nächtliches Vorhaben brauchen würden.
Licht! Wir bräuchten mindestens eine Laterne oder Fackel! Werkzeug! Das könnten wir von einem der in der Nähe gelegenen Bauernhöfen stehlen, was mir zwar widerstrebte, wir aber so vor neugierigen Blicken verschont blieben.
„Isabelle, stellt euch einfach vor, wir leihen uns diese Gegenstände einfach nur für kurze Zeit und bringen sie auch unversehrt zurück. Vielleicht mit einer Flasche gutem Wein?“ sein breites Grinsen ermutigte mich und ich stimmte dem Ganzen Unterfangen zu.
William hatte seine Fähigkeit genutzt und unsere Wachen ausfindig gemacht.
So konnten wir uns einen Schleichweg suchen und sie ungesehen umgehen.
In mir stieg dieser Entdeckerdrang empor und ich fand es wahnsinnig spannend mitten in der Nacht „unerlaubt“ das Zimmer zu verlassen.
Es war schon fast wie damals, als ich mich in Hannover aus unserem Anwesen schlich...
Ich lag in meinem Bett und hatte die Nase voll von dieser Bevormundung.
Isabelle tu dies nicht, Isabelle mach das nicht! Isabelle denk an unseren Ruf!
Ich hörte immer die gleichen Anweisungen, immer die gleichen Befehle! Es war lästig!
In dieser Nacht jedoch hatte ich mir vorgenommen, mit meinem Friesen diesen verlassenen Bauernhof zu erkunden.
Jeder erzählte Schauermärchen darüber, dass dort die Verstorbenen spukten und man sich einfach zu Tode erschrickt, wenn man nur durch die Türe trat!
Pfffff... Ammenmärchen... Geschichten für Feiglinge!
Als ich sicher sein konnte, dass alle schliefen, zog ich mich leise wieder an und öffnete mein Fenster vorsichtig.
In diesem Moment dankte ich dem Mond, dass er voll am Himmel stand, ohne Wolken davor!
Langsam stieg ich auf den Fenstersims und versuchte mich daran herunter zulassen. Unter mir war nur eine halbe Etage, da unser Haus auf einer Hochparterre lag wegen des sandigen Untergrunds!
Unten angekommen schlich ich mich von Busch zu Busch, von Baumstamm zu Baumstamm... immer im Hinterkopf, dass jemand aus den Fenstern schauen konnte und mich bemerken konnte.
Ich hatte jedoch nicht die Pferde bedacht, welche sich regten als ich in den Stall trat. Mein Friese jedoch blieb völlig unbeeindruckt und schnaubte einmal kurz, als er mich wahrnahm.
Für einen Moment wartete ich, ob sich jemand vom Personal, genauer gesagt der Stallmeister, zeigen würden, doch niemand erschien.
Ohne Odin zu satteln, schwang ich mich auf ihn, was ihm im ersten Moment nicht gefiel, aber ich hatte für diesen Luxus keine Zeit!
Ich machte mich nun im Schritt mit ihm auf den Weg durch das hintere Tor, welches ich schon geöffnet hatte und schon waren wir auf dem hinteren Feld eines unserer Bauern! Warum auch immer, aber in mir kam dieser Gedanke hoch „FREIHEIT!“ und ich trieb meinen Friesen ins Galopp und die Erde barst unter seinen Hufen nur so dahin.
In kurzer Zeit waren wir auch schon an diesem... verfluchten Bauernhof, wie die alten Frauen ihn so gerne nannten.
Ich stieg ab und band Odin an, spürte jedoch, dass er nervös wurde. Pferde hatten diese Fähigkeit, Gefahr zu spüren, oder sie konnten Tote wahrnehmen... war es das, was er mir damit jetzt mitteilen wollte?
Ich ließ mich nicht beirren und schlich weiter auf das verfallene Gebäude zu.
Dann hörte ich plötzlich Stimmen, doch sie klangen wie aus einer Höhle... sie klangen... hohl und hallten wider!
Mein Herz setzte aus und ich schreckte zurück! War an diesem Altweiber-Getratsche doch etwas wahres dran? Gab es doch Gespenster? Ich zitterte am ganzen Körper und wartete einen Moment...
Dann hörte ich, wie eine dieser Stimme meinte, sie sollten mal wieder ihr Lager wo anders aufschlagen, so langsam würden die Spießer misstrauisch werden!
Spießer? Meinte diese Stimme meine Familie?
„Die haben gestern hier herumgeschnüffelt, aber nicht den Eingang gefunden. Aber wenn wir jetzt aufbrechen, wohin dann? Es ist Winter, wir werden nie wieder so eine Überwinterungsmöglichkeit haben!“
Ich schüttelte mich und versuchte mir einen Reim darauf zu machen.
Hier lagerte nur einfaches Gesindel? Aber woher kamen dann diese Geschichten über Gespenster...
Plötzlich stieg Rauch aus dem Boden auf und man hörte ein krankhaftes Röcheln und Husten!
Odin schreckte auf und wollte sich schon losreißen. Auch ich war kurz davor Reißaus zu nehmen!
Diese Leute waren in dem ehemalige Keller!, kam es mir in den Sinn, vermutlich einer der Vorratskeller! Diese hatten eine Art Belüftung, durch welche nun dieser Rauch aufstieg, weil sie ein Feuer entfacht hatten um sich warm zu halten!
Aber was machte ich nun? Sollte ich meiner Familie Bescheid geben? Oder sollte ich diese Streuner gewähren lassen?
Eigentlich hatten sie uns nichts getan, weder gestohlen noch sonst etwas. Sie suchten nur nach einem warmen Platz für den Winter!
Mit einem Male griffen Arme nach mir und zerrten mich zu einer hinter einem Busch versteckt liegenden Treppe und nach unten!
Schreien konnte ich nicht, da man eine Hand auf meinem Mund hatte!
Unten in dem Keller nahm ich 5 Personen wahr, alle in Lumpen gehüllt und nur dürftig mit Decken versorgt. An der Wand, dort wo der Abzug war, brannte ein kleines Feuer, welches Licht brachte neben zwei weiteren Fackeln an den Wänden!
„Was willst du Göre hier? Willst du uns an deinen Vater verraten, damit er uns davon jagen kann?“ hörte ich den Mann, welcher mich immer noch festhielt, wütend schnauben.
„Nein, ich wollte nur... ich... diese Geschichten... die Gespenster...“ um mich ertönte lautes Lachen und man ließ mich einfach los!
„Ohhhhhhh, dann hat es all die Jahre ja etwas gebracht, dass uns hier niemand verscheucht! Doch jetzt mach, dass du weg kommst, du verzogenes Blag!“ und man schubste mich einfach wieder zur Treppe!
„Aber... ich könnte euch doch helfen...“ wieder nur ein lautes Lachen von allen!
„Natürlich und morgen liegen wir in Ketten in einem Gefängnis, weil wir unberechtigt euer Eigentum in Beschlag genommen haben! Pfffff... Verzieh dich einfach Mädel, wir wissen, wie ihr verzogenen Kinder seid!“ man schubste mich die Stufen regelrecht hinauf, immer wieder musste ich mich hochrappeln... und so langsam wurde ich wütend!
„Verdammt noch mal! Wartet doch! Wenn ihr doch einfach nur eine Unterkunft sucht für den Winter, dann gibt es doch die Möglichkeit, dass ihr auch einer Arbeit hier nachgehen könntet!“ ich versuchte mich aus dem Griff dieses Mannes, welcher mich immer weiter nach oben schob zu befreien!
„Danke... aber diese Knechterei haben wir satt... kein Lohn, kein Essen... nein... das haben wir alle in den letzten Jahren...“ jetzt riss mir aber der Geduldsfaden!
„Ihr wollt nicht, oder? Ihr wollt einfach nur andere ängstigen und eure Ruhe haben! Dann lebt in diesem Schmutz weiter und bemitleidet euch selber, ihr seid armselig!“ mit diesen Worten machte ich mich auf nach oben!
„Heeeee... wie sprichst du mit uns? Du weißt doch gar nichts über uns... du hast kein Recht dich so überheblich über uns zu äußern!“ kam es jetzt aufgebracht von einer der Frauen!
Ich wusste, dass mein Vater unsere Pächter fair bezahlte und behandelte, also versuchte ich noch einmal einen Vorstoß, auch wenn ich nicht das Recht hatte, ich war erst 14!
Aber sollte man nicht seinen Nächsten helfen? Wir waren nicht Gottes gläubig wie so viele andere unserer Nachbarn, dennoch war es wichtig sich um seine Mitmenschen zu kümmern! DAS hatte man mir immer beigebracht.
Ein neuer Versuch und dieses mal traf ich auf fruchtbaren Boden.
„Das Gör hat aber Recht, wir sollten es... zumindest versuchen!“ kam eine leise Stimme aus den Schatten des Kellers und ein Hüne von Mann trat aus der Dunkelheit!
Mein Mund klappte auf und ich bekam für einen Moment Angst, war ich doch zu weit gegangen oder was hatte man nun vor?
„Kind, wer seid ihr?“ fragte er freundlich und sah mich mit seinem dreckigen Gesicht und freundlichen grünen Augen an.
„Isabelle... ich wohne hier... Alberts... ich heiße so...“ stotterte ich nur noch und starrte diesen Riesen, welcher sich nur gebückt hier bewegen konnte, an.
„Euer Vater ist der Thomas, richtig? Der hat meiner kleinen Franziska damals das Leben gerettet, als sie die Schwindsucht hatte!“ Wie Vater das gemacht haben soll, war fraglich, niemand konnte diese Krankheit heilen!
„Ihr könntet doch... wenn dieser Bauernhof … also nicht mehr... mit Gespenster... also verflucht... kann man nicht hier auch wieder... das Grundstück liegt brach... wir könnten es doch... nutzen!“
Das letzte Mal als ich so stotterte war, als mein Vater mich zurecht wies, weil ich ein unanständiges Buch aus seinem Schreibtisch gelesen hatte! Und ich sage euch... es war... aber genug davon!
Wieder ein lautes Lachen und ich drehte mich einfach um! Dann eben nicht! Wütend stampfte ich zu Odin und wollte mich gerade wieder auf ihn schwingen, als die Sippe neben mir erschien.
„Frau Isabelle, vielleicht sollten wir es wagen... doch wir haben schlimme Dinge erfahren müssen! Niemand wollte uns...!“ Diese Worte kamen von einem kleinen Mann mit Augenklappe und erst jetzt nahm ich wahr, dass sie alle irgendwelche Makel hatten!
Der einen Frau fehlte ein Arm, dem einen Herren fiel das Gehen schwer und der andere konnte nicht richtig sprechen... der Hüne war einfach... erschreckend groß und jeder hätte Angst im ersten Moment, auch wenn er ein sehr liebes Gesicht hatte.
Jetzt in diesem blassen Mondlicht fiel es mir erst auf!
Sie alle hatten irgendwelche Malessen, weswegen sie vermutlich nirgends eine Anstellung fanden!
„Ich kann aber doch ein gutes Wort bei meinem Vater und dem Aufseher einlegen. Wenn ihr mir versprecht auch weiterhin niemanden zu bestehlen oder ähnliches. Es wird sich sicherlich eine Arbeit für jeden von euch finden!“ in meiner Euphorie wuchs ich über mich hinaus und ich wollte diesen Menschen helfen, unbedingt!
Für den nächsten Morgen verabredete ich ein Treffen, welches ich beim Frühstück dann meiner Familie kundtun musste. Doch das war das kleinere Problem... die Kosten für die Instandsetzung des verfallenen Gebäudes und der Felder war eine andere Frage! Darüber konnte ich mir aber auch noch morgen Gedanken machen, beschloss ich!
Also ritt ich erst einmal zurück und traf prompt auf meine Gouvernante, welche mich am Tor wütend anfunkelte.
„Fräulein Alberts! Was fällt euch ein, euch einfach des Nachts aus dem Fenster zu schleichen und dann auch noch...“ ihr Blick glitt über meinen Aufzug „... in diesen Herrensachen! Wie unanständig von euch!“ sie schrie schon fast und ich befürchtete, sie würde meinen Vater wecken.
Dieser war erst gestern wieder nach Hause gekommen und würde auch nur bis übermorgen bleiben.
Entsprechend unentspannt war er und ich wusste, er war ungehalten in solchen Momenten!
„Beruhigt euch, Frau Behrends, ich brauchte nur frische Luft und wie ihr seht, bin ich heile wieder hier!“ ich konnte mich in ihrer Gegenwart selten beherrschen, was mir immer wieder eine Schelte einbrachte und Stubenarrest.
Ich hatte aber Glück mit meinem Zimmer, da es nicht im Obergeschoss lag, somit konnte ich … aber lassen wir das!
Nun wusste vermutlich jeder hier im Haus, dass ich mich raus schleichen konnte. Spätestens morgen früh würde ich von meinem Vater eine ordentliche Standpauke bekommen und die Strafe würde ebenfalls auf dem Fuße folgen!
Frau Behrends zerrte mich vom Pferd, rief nach dem Stallmeister und zog mich hinter sich her ins Haus!
Oben in meinem Zimmer befahl sie mir, mich wieder in mein Nachthemd zu kleiden und stellte einen Stuhl ans Bett, auf welchem sie nun Platz nahm.
„Ich werde jetzt hier bleiben und solltet ihr euch nur einen Millimeter bewegen, Fräulein Alberts, dann werde ich sofort euren Vater verständigen!“ meckerte sie mich an.
Ich drehte mich einfach in meine Decke und dachte mir meinen Teil. Morgen früh würde ich Vater schon von meinem Plan überzeugen....
Ich träumte von vor Wut überschäumenden Gouvernanten, welche einfach platzten... ein seltsamer Traum, doch ich mochte Frau Behrends einfach nicht! Sie hatte keinerlei Verständnis für mich, sondern liebäugelte immer nur mit meinem Vater und das missfiel mir zutiefst! Es war mein VATER!
Beim Frühstück dann musste ich wohl oder übel mit der Sprache rausrücken … ich setzte an, doch mein Vater kam mir zuvor, da die blöde Behrends schon mit ihm gesprochen hatte!
„Sag nichts, Isabelle! Du wirst in eines der oberen Zimmer ziehen und wenn es sein muss, werde ich dich bewachen lassen! Ist das verständlich für dich? Oder brauchst du es noch schriftlich, Isabelle!“ meckerte er mich an, kaum dass ich saß.
„Nein, Vater!“ kam es leise von mir, eigentlich wollte ich ihn ja nicht verärgern... doch waren diese Abenteuer einfach zu spannend! Ich nahm mein Herz und erzählte von den Leuten in dem Vorratskeller!
Seine Augen wurden immer größer und als ich geendet hatte, kam nur ein „Du meine Güte!“ für einen Moment sagte er nichts und sah mich nur an.
„Vater, ist alles in Ordnung? Können wir diesen Menschen denn nicht irgendwie helfen?“ meinte ich leicht flehend, weil ich wusste, sie würden bald hier erscheinen und bis dahin musste ich eine Lösung haben. Zumindest ansatzweise!
Sein Ausdruck änderte sich und ich sah die Erkenntnis, dass auch er diese Nächstenliebe nicht vergessen hatte.
„Lass mich raten, Kind, sie sind schon auf dem Weg hierher, oder?“ ich nickte nur und lächelte ihn an.
„Wenn wir hier fertig sind, werde ich mich mit ihnen befassen! Aber wenn ich nur ein einziges negatives Wort höre, dann müssen sie unseren Grund und Boden verlassen!“ mahnte er mich.
„Das weiß ich doch, Vater! Sie sind alle nur nicht in der Lage eine normale Arbeit zu verrichten. Doch ich weiß, sie könnten einen Bauernhof vereint bewirtschaften. Wenn alle mitarbeiten und sich unterstützen, dann geht das!“
„Isabelle, du bist so zuversichtlich und euphorisch, dass ich dir wohl doch Glauben schenken sollte!“ ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Aber dein nächtlicher Ausritt hat Folgen, Kind! Das ist dir ja wohl bewusst, oder?“ meinte er daraufhin noch streng und ich wusste, ich würde mal wieder am Waschtag helfen müssen! Wie... ich... das... hasste! Aber das war es wert!
Kurz gesagt, wir hatten noch einen Bauernhof wieder auf die Füße gebracht, mit 5 tatkräftigen Menschen, welche sich wirklich anstrengten und sich darüber freuten, wenn sie etwas erschaffen hatten oder etwas neues erreicht hatten.
Diese Entwicklung dieser Personen war in wenigen Wochen von statten gegangen und ich war stolz auf mich, dass ich mich nicht hatte beirren lassen.
Gegen Mitternacht schlich ich mich durch die Durchgangstür zu Williams Zimmer, welcher mich schon erwartete.
Wir beide hatten unsere Monturen wieder übergestreift, jeder hatte eine Art Rucksack dabei und natürlich fehlten die Waffen auch nicht.
„Und ihr seid sicher, dass wir Fackeln in den Ställen finden?“ fragte ich ihn leise.
„Ja, und ich habe auch schon zwei Zunderbüchsen mit dabei! Für Licht ist auf jeden Fall schon einmal gesorgt!“ lächelte er mich nun an und wir stiegen leise aus seinem Fenster.
Im Laufe des Nachmittags bis zum Abend hatten wir die Wachen analysiert und festgestellt, dass nur zwei von ihnen den Vordereingang überwachten. Hier hinten unter Williams Zimmer war niemand. So konnten wir an der Wand herunter klettern und ungesehen in den Stall gelangen!
Wir nahmen uns jeder eine Fackel und verstauten sie in unseren Taschen.
Die Anspannung wuchs in mir und ich war kribbelig, was uns dort beim Brunnen erwarten würde.
Wir blieben am Boden und hielten uns in den Schatten der Häuser. William ließ immer wieder seinen Blick um uns schweifen, nahm aber keine unserer Wachen wahr oder irgendwelche Angreifer!
Endlich an unserem Ziel angekommen, streckte ich meine Hand nach dem Assassinensymbol aus und … ja, was sollte ich denn jetzt machen? Drücken ließ es sich nicht, im Grunde bewegte sich dieser Totenkopf keinen Millimeter.
Etwas ratlos stand ich jetzt davor, dann kniete sich William davor und tastete ebenfalls daran herum. Mit einem Male hatte er Mittel- und Zeigefinger in die Augenhöhlen gesteckt und etwas klickte. Erschrocken wollte er schon zurückzucken, aber ich hinderte ihn daran.
„Versucht jetzt einmal zu drücken oder zu ziehen...“ weiteres drücken brachte nichts, beim Ziehen jedoch hob sich das Gebilde an und wieder hörte man einen Mechanismus.
„Und was jetzt?“ flüsterte er neben mir.
„Drehen vielleicht?“ vorsichtig drehte er das Symbol nach rechts und siehe da, es tat sich etwas. Wir hörten ein Knirschen, als wenn Steine aufeinander rieben und dann tat sich eine Art Falltür vor uns nach unten auf. Steinerne Stufen zeigten einen schmalen Weg in die Dunkelheit!
„Es hat funktioniert, Isabelle!“ flüsterte mein Begleiter immer noch leise, aber freudig!
Wir stiegen die Stufen hinab, nachdem wir eine Fackel entzündet hatten.
Es ging gar nicht so tief hinunter, wie ich erwartet hatte, aber vermutlich würden im hinteren Verlauf noch Stufen folgen. Am Ende der kleinen Treppe angekommen, hörten wir wieder ein Klicken und über uns schloss sich die Falltür!
Verdutzt sah William auf den Boden! Wir standen auf einer großen quadratischen Bodenplatte, welche sich durch unser Gewicht gesenkt hatte und so die Verriegelung ausgelöst hatte.
Langsam gingen wir weiter und meine Befürchtung wurde wahr! Es waren etliche Abzweigungen und Biegungen, bei denen man einfach die Übersicht verlor! Leider gab es hier unten keine weiteren Fackeln wie es schien.
Gerade als ich schon die Panik in mir spürte, wir hätten uns verlaufen, hörten wir Stimmen, welche uns entgegenkamen und sahen um eine Ecke flackerndes Licht sich nähern.
Wir hatten hier aber keinerlei Möglichkeit uns zu verstecken!
Erschrocken sahen wir uns an, William löschte aus Reflex hastig unsere Fackel und wir drückten uns an die kalte, feuchte Wand. Entdecken würde man uns trotzdem!
„Die reden alle italienisch, ich verstehe kein einziges Wort, William!“ meinte ich flüsternd und er nickte mir zu.
Sie kamen immer näher, aber wir hatten Glück im Unglück! Die Truppe ging nicht in unseren Gang, sondern ging geradeaus weiter, wo einer der Herren einen Schalter betätigt hatte. Es gab noch mehr versteckte Gänge hier?
„Woher wissen wir jetzt, wo wir hinmüssen? Vielleicht folgen wir ihnen einfach?“ fragte ich William, welcher mich entsetzt ansah!
„Warum denn das? Damit man uns gleich findet? Nein, wir gehen den Gang weiter, aus dem die Leute gerade kamen!“ damit entzündete er wieder die Fackel und wir gingen nach rechts weiter.
Plötzlich tauchte vor uns wieder ein Flackern auf, doch es bewegte sich nicht auf uns zu, auch hörten wir keine Stimmen oder sonstige Geräusche!
Ich staunte nicht schlecht, als wir in einen großen erleuchteten Raum traten, in dessen Mitte ein großer rechteckiger Tisch stand. Darum waren ungefähr 20 Stühle platziert und es lagen verstreut Papiere und Schreibutensilien darauf!
„Daraus werden wir wohl nicht wirklich schlau, alles italienisch und … sind das Zahlenreihen hier?“ kam es staunend von William und als ich mir das Stück Papier ansah, schien es wirklich wie eine willkürliche Aneinanderreihung von irgendwelcher Zahlen. Ein System konnte man nicht erkennen!
„Vielleicht sollte ich es einfach mitnehmen und wir versuchen später eine Entschlüsselung? Vielleicht stellen die Zahlen das Alphabet dar?“ grübelte ich laut vor mich hin.
„Macht das Isabelle!“
Er ging weiter um den Tisch und hob hier und dort Blätter hoch.
Plötzlich blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Arbeitsfläche. Ich folgte seinem Blick und sah zwei Bücher, welche gar nicht hier sein sollten.
Es waren Bücher der Familienchroniken Clarkson und Alberts, diese wurden in den jeweiligen Bibliotheken der Familien verschlossen gehalten!
Entsetzt griff ich nach unserer Geschichte und es war tatsächlich echt, keine Kopie oder die Schriften einer anderen Familie mit dem Namen. Unser Name war nicht unbedingt unüblich, doch ich erkannte die Handschrift auf späteren Seiten von meinem Vater und von meinem Großvater!
„William, was hat das zu bedeuten? Wie kommen diese Assassinen, gerade hier in Italien, daran?“ ich fing in meiner Panik an zu zittern und hielt mich an der Kante des Tisches fest.
„Es gibt einen Verräter in unseren Reihen, wie es scheint!“ kam es düster von ihm und in seinem Blick sah ich Wut und Enttäuschung aufkommen.
„Aber WER wäre in der Lage beide Familien so zu infiltrieren um an diese Chroniken zu kommen? Das ist, ich möchte nicht sagen unmöglich, doch alles kein Zufall mehr!“ in meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und ich ging einige Namen durch, die mir spontan einfielen.
Geschäftspartner, Freunde der Familie, Kindermädchen, Angestellte allgemein und so weiter. Aber ich kam zu keinem Schluss und stöhnte frustriert auf.
„Ihr denkt ebenfalls an diese Möglichkeiten, wer in Frage kommen könnte, wie ich sehe. Auch ich komme zu keinem Schluss. Isabelle, dass wird größer als gedacht und ich befürchte wir stechen hier in ein Wespennest. Lasst uns einige Papiere einfach mitnehmen und unsere Bücher und dann verschwinden wir hier!“ meinte William nun in einem doch recht lauten Befehlston und ich nickte nur.
Mit den Schriftstücken bepackt verließen wir den Raum im hinteren Bereich, dort war noch ein weiterer Durchgang, vielleicht würde dieser uns ja noch in die Nähe des Kolosseums bringen.
Es dauerte eine Ewigkeit bis wir nach gefühlten tausend Ecken und Biegungen, Treppen rauf und wieder runter an ein Gitter stießen. Es war verschlossen mit einem dicken rostigen Eisenschloss.
„Habt ihr Erfahrung im Schlösserknacken, Isabelle?“ fragte mich William grinsend und einer hochgezogenen Augenbraue.
„Nein, leider nicht!“ Dieses Talent besaß meine Tante, doch die war weit weg in New York und konnte uns wohl kaum helfen!
Gerade als wir uns abwenden wollten, vernahmen wir von der anderen Seite dieses Eisenverschlages wieder italienisches Gerede.
Wir mussten uns irgendwo verstecken und rannten ein Stück den Gang zurück, wir hatten kurz vorher eine Ecke passiert, hinter welcher wir uns nun versteckten.
Ich löschte die Fackel, lehnte mich an die Wand und spähte um die Ecke. Es waren ungefähr 5 Mann, welche nun diesen Gang entlangkamen und sich anscheinend über etwas stritten!
Als sie in unsere Nähe kamen, drängte ich mich und William etwas weiter zurück und ich hätte gerne gesagt, wir hatten wieder Glück.
Aber nein... ich trat auf einen Steinbrocken und geriet ins Wanken, so dass ich fast nach vorne überkippte, mich aber William noch halten konnte.
Mein leiser erschreckter Aufschrei brachte uns die unerwünschte Aufmerksamkeit und schon zückten sie alle ihre Waffen.
Hier auf dem engem Raum war das Kämpfen natürlich kein leichtes Unterfangen, doch wir versuchten unser Bestes.
Unsere Rucksäcke ließen wir unachtsam auf den Boden gleiten und zogen ebenfalls unsere Schwerter.
Diese Damen und Herren waren gut geschult und verstanden ihr Handwerk, JEDER EINZELNE!
Diese Assassinen hatten aber einen entscheidenden Vorteil! Ihre versteckten Klingen! Zu gerne hätte ich auch eine!, ging es mir durch den Kopf!
Ich verteidigte mich gegen eine Frau, welche wie besessen und brüllend auf mich losging mit ihrem Kurzschwert. Ihre Schläge waren gezielt und sie versuchte meinen Klingenarm zu treffen, was ihr mehrmals gelang, muss ich zu meiner Schande gestehen!
„Ihr seid noch so grün hinter den Ohren!“ kam es grinsend und im gebrochenen Englisch von ihr und sie traf meinen Kampfnerv damit. Ich ging aus der Verteidigung in den Angriff über und ließ meine Hiebe auf sie niederprasseln.
Im Kopf hatte ich einen mir ganz eigenen Schlagrhythmus, welchen auch mein Vater nie verstand und nachvollziehen konnte. Erklären konnte ich es auch nicht. Aber die Dame hatte ebenfalls ihre Probleme in diesem Kampf zu bleiben und dann schlug die Euphorie bei ihr in Erkenntnis um. Sie hätte KEIN leichtes Spiel mit mir.
Einige Male sah ich ihre Faust mit der versteckten Klinge auf mich zukommen, duckte mich entsprechend darunter und versuchte meinerseits dann ihre Flanke zutreffen.
Verdammt, sie war schnell. VERDAMMT SCHNELL!
Und dann griff mich noch ein Herr an, welcher sich von hinten näherte und versuchte mich so aus der Reserve zu locken.
Bis jetzt hatte ich meinen Dolch noch nicht ins Spiel gebracht, doch das holte ich jetzt blitzschnell nach und wehrte nun die Frontalangriffe dieser Frau mit meinem Schwert ab und gleichzeitig versuchte ich den Herren in meinem Rücken bei Laune zu halten.
Immer wieder spürte ich die Einschnitte ihrer Klingen und so langsam taten mir die Arme weh, da ich auch immer wieder an die rauen Wände stieß. Es war eben sehr beengt hier!
Mir kam aber der Zufall zur Hilfe und zwar in Form eines Messers, welches ein anderer Angreifer eigentlich gen William geworfen hatte! Es traf die Brust meines hinteren Angreifers, welcher nun mit einem Aufkeuchen zusammensackte.
Ich konzentrierte mich jedoch mehr auf die Dame vor mir und sah, dass sie aus dem Konzept gebracht war. Das konnte ich nun wunderbar ausnutzen und ließ mich auf ein Knie nieder, rammte ihr meinen Dolch tief in die Leistengegend, von der ich wusste, dass dort eine wichtige Ader entlangführte!
Mit einem Schmerzensschrei sah sie auf meinen Dolch, dann auf mich. „Puttanella! Vedrai.“ Was sie mir damit sagen wollte, entzieht sich meiner Kenntnis!
Sie griff mich weiter an, aber ihre Bewegungen wurden plötzlich fahrig und ich sah in diesem Fackelschein, welche auf dem Boden überall lagen, wie in ihrem Gesicht ein Schweißfilm glänzte. Dann ein letzter Aufschrei und sie wollte sich auf mich werfen, verfehlte mich aber und landete auf dem Bauch neben mir. Schwer atmend stand ich über ihr und drehte die Frau auf den Rücken.
Ihre Augenlider flatterten, sie lag im Sterben, soviel war mir klar. „Il manufatto non è destinato a voi, luridi Templari! Non per te e non per questa volta! Fuori di qui!“ ihre Augen verdrehten sich und sie zuckte noch einmal im letzten Schmerz, dann war sie tot.
Zum darüber nachdenken hatte ich keine Zeit, weil ich sah, dass William noch immer mit zwei weiteren Männern am Kämpfen war.
Also half ich ihm jetzt und entledigte ihn des einen Herren, welcher ihn mit seiner Assassinenklinge immer und immer wieder trietzte und dabei wie verrückt geworden grinste.
Meine Schwertspitze drang in seine linke Seite im Rücken, dort würde sie ihr Ziel treffen. Der Mann würde nicht mehr lange leben, da dort eine der Nieren saß! Mit einem zufriedenen Stoß rammte ich mein Schwert in die Haut dieses Assassinen und fühlte mich plötzlich wie befreit!
Schwer atmend sackte ich nun auf den Boden, meine Hände voller Blut und mein Dolch und Schwert rutschten mir schon fast aus der Hand.
Langsam kam ich wieder zu mir, ich war nicht ohnmächtig, aber das Adrenalin ebbte ab und ich nahm meine Umgebung wieder klarer wahr.
„Du meine Güte...“ stieß ich seufzend aus und sah zu William hoch, welcher mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand lehnte und ebenso wieder zu Atem kam.
„Das könnt ihr laut sagen! Wir sollten sehen, dass wir hier raus kommen, bevor noch jemand davon Wind bekommt.“ meinte er außer Atem und zog mich hoch.
Unsere Rucksäcke lagen noch unberührt in dem Gang und ich dankte Gott, dass sich niemand daran zu schaffen gemacht hatte.
Wir gingen zu der Gittertür zurück und sie stand offen, was mich wunderte. Hatten diese Menschen wirklich nicht hinter sich abgesperrt?
„Isabelle, die haben auf weitere Brüder und Schwestern gewartet!“ kam es jetzt alarmiert von William. Verdammt, er hatte Recht.
„Dann nichts wie raus hier und …“ hinter uns hörten wir jetzt Stimmen und ohne nachzudenken eilten wir die wenigen Stufen hinauf und waren kurz darauf an der frischen Luft!
Rannten aber schnell über das Gelände, welches ich als die Arena des Kolosseums ausmachen konnte im fahlen Mondlicht!
Doch zum Nachdenken hatten wir keine Zeit, wir mussten von hier verschwinden. Zum verdeckten Handeln war nicht der richtige Zeitpunkt, also nahmen wir einfach unsere Beine in die Hand und rannten was das Zeug hielt.
Ob wir nun Verfolger hatten oder nicht, war uns einerlei, wir mussten nur Abstand zwischen uns und diese Assassinen bringen, wenn sie uns überhaupt bemerkt hatten.
In einer kleinen Seitengasse zog mich William in einen Hauseingang und deutete mir mit einem Finger auf den Lippen, leise zu sein.
Wieder sah ich diese Silhouetten schimmern, sie waren fast alle rot, nur zwei von ihnen waren goldgelb! Natürlich, seine Berührung bescherte mir seine Sicht, daran musste ich mich noch gewöhnen!
Da wir aber leider nicht genau wussten, in welcher Richtung unsere Herberge lag, warteten wir noch, bis diese Assassinen, wie wir vermuteten, abzogen.
Als wir sicher sein konnten, dass niemand mehr in unserer Nähe war, kamen wir aus dem Versteck und begaben uns auf die Suche nach unserer Unterbringung.
Es half aber nichts, wir mussten auf die Dächer, von hier unten war in den schmalen Gassen kein Weiterkommen, geschweige denn wir hatten einen Überblick.
Auf einem Dach angekommen, sahen wir das Kolosseum rechts hinter uns und vor uns einige Straßen entfernt konnte ich eine breite Häuserzeile ausmachen. An dieser waren wir vorhin vorbei gekommen, das war mir in Erinnerung geblieben.
Also weiter und ich machte mir mit meinem Begleiter einen Spaß daraus, wer schneller von einem Haus auf dem anderen war. „Isabelle, passt nur auf, dass ihr nicht hinunter fallt!“ hörte ich ihn hinter mir keuchend lachen. Doch ich wusste, mir konnte nichts passieren!
Die Häuser an unserem ersten Ziel waren wieder etwas feiner und zeugten von Menschen mit Einkommen, wenn auch nicht viel und es waren auch keine Villen oder ähnliches. Dennoch waren sie gut in Schuss und von hier aus konnten wir auch wieder die Straßen nutzen.
„Nein, lasst uns lieber hier oben bleiben, wir müssen ja auch wieder durchs Fenster in mein Zimmer gelangen, Isabelle!“ Die Wachen am Eingang unserer Herberge! Also sprangen wir weiter von Dach zu Dach und ich war froh, dass man hier eine so enge Bauweise bevorzugte!
Dann standen wir auf unserer Unterkunft, William ergriff meine Hand und benutzte seinen Blick. Alle Wachen standen wie vorhin an ihren Plätzen, wenn es auch zu dieser Uhrzeit andere waren, aufgrund der Ablösung.
Etwas irritierte uns beide jedoch, VOR unseren Zimmern waren plötzlich auch je eine Person platziert, jedoch schimmerten sie nicht bläulich neutral sondern rot! Eigentlich hatte ich mich auf eine verdiente Bettruhe gefreut!
„Dann müssen wir wohl jetzt noch leiser sein, William.“ flüsterte ich und sah, dass er etwas anderes anstarrte.
„Isabelle, seht ihr das? Im Haus sind noch zwei Personen rot und in der Umgebung schimmern auch diese Silhouetten!“ vorsichtig sah ich mich um. Das durfte doch nicht wahr sein, es war eine Invasion, wenn man mich fragte!
„Wir können heute Nacht nichts mehr ausrichten. Lasst uns in unsere Zimmer gehen und sehen, was wir morgen früh bewerkstelligen können!“
Doch William hörte nicht zu, er schien abgelenkt und erst als ich mit meiner Hand vor seinem Gesicht herumfuchtelte, reagierte er.
„Hmmmmmmmmm?“ kam es unwirsch und ein überraschter Ausdruck trat auf sein Gesicht.
„Isabelle, verzeiht. Ich... habe gerade eine der roten Wachen denken hören!“ seine Stimme klang tatsächlich ängstlich! „Er überlegt, wie lange man denn noch Zeit an uns verschwenden will. Man könne doch auch jetzt kurzen Prozess machen und sie wären uns los. Isabelle, diese Menschen wollen uns an etwas hindern. Und allmählich habe ich den Eindruck, dass wir niemandem mehr trauen können. Die Assassinen in den Tunneln, jetzt diese Wachen, welche uns eigentlich schützen sollten!“
„Was sollen wir stattdessen machen? Sollen wir einfach fliehen? Aber Sarah und Sebastian, unsere ganzen Sachen! Wir können nicht einfach klein beigeben! Ich will Resultate, schon vergessen?“ meinte ich jetzt meinerseits etwas säuerlich, ich würde ganz bestimmt nicht aufgeben und mich davonstehlen wie ein Dieb.
„Also gute Miene zu bösen Spiel? Ist es das, was ihr wollt Isabelle?“ in seiner Stimme klang ein wenig Verachtung mit und das missfiel mir zutiefst!
„Ja, genauso ist es William! Manchmal muss man die Zähne zusammenbeißen und einfach weitermachen!“
Passend zu meinem Satz hörte ich ihn zähneknirschend sagen, dass er es nicht gutheißt, ich aber nicht ganz unrecht hätte!
Also machten wir uns auf, wieder in sein Zimmer zu schleichen. Das war jedoch schwieriger, als AUS dem Fenster zu klettern, doch wir schafften es und erleichtert stand ich einen Moment einfach in diesem Raum!
Als ich sicher sein konnte, nicht mehr außer Atem zu sein, verabschiedete ich mich flüsternd für die Nacht von William.
„Ich wünsche euch auch eine angenehme Nachtruhe, Isabelle!“ meinte er ebenso leise und lächelte mich an. Etwas unschlüssig standen wir beide hier... dann drehte ich mich um und ging in mein Zimmer.
Ich stellte meinen Rucksack auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und fing an, mich auszuziehen. Was für eine Nacht!, ging es mir durch den Kopf und ich schüttelte grinsend den Kopf. Mit meinem Nachthemd an, ging ich zum Bett und entzündete noch eine Kerze, dann lag ich einfach in den Kissen.
WER wollte uns ans Leder? WARUM wollte man uns aus dem Weg räumen? WER hat uns der Chroniken beraubt? Und was zum Teufel hatte ich für Fähigkeiten?
Siedendheiß fielen mir meine eigentlichen Verletzungen wieder ein und auch Williams Blessuren, welche er sicherlich haben musste. An meinem Körper sah ich aber nichts mehr und es ließ mir keine Ruhe, also klopfte ich leise und hörte ein „Kommt herein, Isabelle.“
„William, mir... also ich habe gerade an die Verletzungen gedacht und auch ihr müsst doch... es tut mir leid! Ich habe vorhin überhaupt nicht mehr daran gedacht!“
Erstaunen trat in sein Gesicht und ich sah, dass auch er bereits im Bett gewesen ist, da er nur sein Hemd trug und... in diesem Kerzenschimmer... ich musste schwer Schlucken bei diesem Anblick!
„Ähm...“ ein Räuspern von seiner Seite und er sah mich entschuldigend an. „Ich... wollte nicht... eure Gedanken!“
Bei Gott... er hatte ein schlechtes Gewissen deswegen und ich, weil ich solche schmutzigen Gedanken an ihn hatte!
„Macht euch aber keine Sorgen, mir geht es gut. Dank eurer Fähigkeiten bleiben noch nicht einmal Kratzer übrig!“ hörte ich seine jetzt wieder sehr professionelle Stimme, welche mich wieder klar denken ließ.
„Dann bin ich beruhigt, William! Gute Nacht!“ gab ich noch leise von mir und ging zurück in mein Zimmer! Als ich wieder in meinem Bett lag, fand ich zwar in den Schlaf, doch war dieser übersät mit Kämpfen und wilden Dingen... ich möchte nicht näher darauf eingehen!
Ein fröhliches „Guten Morgen, Miss Alberts!“ holte mich aus meinen Träumen und brachte mich ins Hier und Jetzt. Ich zog die Decke über mich, ich wollte noch schlafen. Es konnten doch nur ein paar Stunden gewesen sein, oder?
Von nebenan hörte ich ein „Oh bitte, Sebastian. Es ist noch früh!“ von meiner Reisebegleitung und ich schmunzelte in mich hinein. Also war auch William noch nicht wieder ganz wach!
Später beim Frühstück im Gastraum unten, kamen Masters Capon und Bruno dazu und leisteten uns Gesellschaft.
Das italienische Frühstück war, nun ja, eher karg! Es gab eine Art Kaffee, welcher sehr stark war und dazu reichte man uns süßes Gebäck. Ich sah etwas enttäuscht darauf, weil ich mich fragte, wie ich davon satt werden sollte! Ein Lachen von Nicodemos Seite ließ mich von meinen Gedanken abschweifen.
„Miss Alberts, das ist ein völlig übliches Frühstück. Vergesst nicht, gegen Mittag werdet ihr sehr üppig essen und am Abend gibt es ein ebenso deftiges Essen.“ Ich würde mich noch daran gewöhnen müssen.
William jedoch beäugte die beiden Templer unglaublich misstrauisch, was Levio auffiel und ihm so gar nicht schmeckte.
„Master Clarkson, was habt ihr? Habe ich einen Fleck auf der Nase? Oder ist es Master Capons Kleidung, welche euch missfällt?“ meinte er sichtlich pikiert.
„Nein, nichts dergleichen! Ich versuche nur meine Fähigkeiten zu trainieren!“ eine gewandte und sehr neutrale Auskunft, wie ich fand. Vielleicht konnte man Master Bruno so aus der Reserve locken, nicht jetzt sofort, aber... beizeiten!
„Das ist eine gute Idee, Master Clarkson, verzeiht, aber jetzt wo euer Vater nicht anwesend ist, denke ich... sollte ich euch so anreden!“ Nicodemo neigte seinen Kopf leicht und plötzlich hatte ich das Gefühl, als wäre er nicht er, sondern eine Marionette.
„Doch genug davon, wir sollten uns heute daran machen, herauszufinden, WO ihr diesen Edenapfel vermutet! Master Clarkson, Miss Alberts!“ kam es völlig fröhlich und vor allem unangebracht von Master Bruno! Doch wir spielten mit, ich ließ William meine Gedanken lesen.
„Wir müssen aufpassen, ER ist einer der Drahtzieher oder auch Hintermänner, wenn ich mich nicht täusche. Aber wie ist es möglich, dass er Master Capon so manipulieren kann?“
„Wir werden es bald erfahren und ich weiß auch schon wie! Es ist riskant, Isabelle. Doch lasst euch darauf ein!“ hörte ich ihn nun in meinem Kopf, immer noch war es eine seltsame Situation.
„Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut, William!“ gab ich nur von mir und er nickte leicht.
Für einen Moment berührte seine Hand meine und ich erhaschte einen Blick auf die beiden Templer! Tatsächlich, Bruno war leuchtend Rot und Capon war in einem Goldton! Gefahr und Ziel! So hatte man uns aufgeklärt! Doch das waren mehr als dürftige Aussagen und bedurften weiterer Nachforschungen, wenn es nach mir ginge. Leider hatten wir nicht die Zeit für derlei Aktivitäten.
William ergriff wieder das Wort. „Master Bruno, wir sollten uns einfach weiter auf den Untergrund konzentrieren. Vermutlich gibt es in diesen Katakomben doch mehr, was es zu entdecken gibt, als wir vermuten!“ in seinem Gesicht war keine Regung, es war völlig neutral.
„Master Clarkson, ich hatte euch doch bereits gesagt, dass es keine gute Idee ist. Und warum sollte dieses Artefakt in irgendeinem modrigen alten Gewölbe versteckt sein?“ kam es jetzt wieder mit dieser belehrenden Stimme, aber einem Unterton, als wäre er ertappt worden.
„Was schlagt ihr dann vor, Master Bruno?“ fragte mein Begleiter weiterhin neutral.
„Meine Vermutung ist ja, dass diese Vorläufer ihren Tempel im Westen hatten. Dort befinden sich nämlich auch einige der alten Befestigungsmauern der Stadt, das ist ...“ er deutete uns auf der Karte, welcher er jetzt auf dem Tisch ausgebreitet hatte, die Region. „... Monte Gianicolo! Vieles deutet darauf hin, dass wir dort fündig werden könnten! Auch wir konnten einige Nachforschungen anstellen.“ Das kam nun so überzeugt von ihm, dass ich ihm fast geglaubt hätte.
Ich hielt jedoch an den Schriften von Williams Urgroßonkel fest, auch wenn ich ihn nicht persönlich kannte, so hatte ich in ihn mehr Vertrauen, als in Levio! Nichts desto Trotz spielte auch ich mit und gab mich freudig ihm gegenüber.
„Dann sollten wir keine Zeit verlieren, was meint ihr Master William?“ ein heftiges Nicken seinerseits und „Brauchen wir noch etwas, Master Bruno? Oder können wir so aufbrechen?“ Ich würde mich sicherlich noch umziehen und vorsichtshalber auch Waffen anlegen.
„Im Grunde brauchen wir nichts, vorerst zumindest. Wir werden heute sicherlich nur die Gegend erkunden können, tiefer gehende Erkenntnisse werden in den nächsten Tagen dann erst folgen!“ hörte ich ihn, doch es war... ich weiß gar nicht, wie ich diese Stimmlage beschreiben sollte. Es klang wirklich, als wolle er uns dorthin locken, uns das Ganze schmackhaft machen!
„Miss Alberts, ihr sollte euch dennoch vorher etwas praktisches anziehen, wir werden sicherlich sehr viel laufen müssen!“ hörte ich Master Bruno, so als würde er mir das eh nicht zutrauen.
Warum in drei Teufels Namen hatte man ihn auf uns angesetzt?, fragte ich mich mal wieder. Und warum hatten uns Assassinen überfallen, wenn doch ein Ordensbruder der Verräter war? Diese Reihe an Fragen würden vermutlich erst viel später geklärt werden können und der junge Clarkson stimmte mir stillschweigend zu.
„Lasst diesen Mann in dem Glauben, wir würden ihm blind folgen. Er geht davon aus, wir seien wirklich geistig eher umnachtet.“ ich konnte sein Grinsen in meinem Kopf förmlich hören! Ich ging in mein Zimmer und bat Sarah mir zu helfen.
Mit meiner Montur, den Waffen und meinen, dank meines Vaters, heimlichen Wurfpfeilen, verließ ich meine Räumlichkeit.
Alle drei Herren erwarteten mich schon und ich sah, dass Master Capon, welcher seit geraumer Zeit weder etwas gesagt noch sich bewegt zu haben schien, leicht erstaunt dreinblickte. Als er uns ansah, nahm William meine Hand erneut und ich sah, er war in ein warmes weißgoldenes Licht gehüllt. Er war ein Verbündeter. Aber warum erst ein Ziel und jetzt … Es ist doch zum Verrückt werden!
Ich nahm ein fast nicht zu bemerkendes Kopfschütteln von Nicodemo wahr und dann hörte ich William wieder.
„Nicodemo weiß Bescheid, ich konnte es gerade in seinem Geist lesen. Er hat mir gezeigt, dass wirklich Master Bruno hinter der Manipulation steckt. Er verabreicht irgendwelche Kräuter, die den Geist umnachten sollen.“
Das hörte sich gefährlich an, was, wenn man zu viel davon gibt? Ich war kein Arzt oder Heiler, doch mit solchen Substanzen sollte man vorsichtig hantieren! Levio wusste sicherlich auch darüber Bescheid und drohte Nicodemo vermutlich damit. Plötzlich ging mir der Gedanke im Kopf herum, dass William und ich die Augen offen halten sollten, wenn Master Bruno in der Nähe ist. Nicht, dass auch wir noch bewusstlos irgendwann im Tiber schwimmen werden!
Das alles bemerkte Levio aber nicht, sondern meinte gut gelaunt „Dann auf! Wir haben noch einen langen Weg vor uns!“ und mit einer Handbewegung scheuchte er uns regelrecht aus der Herberge auf die Straße. Es war ein warmer angenehmer Tag, leider hatte ich keine Zeit, mir hier alles einmal in Ruhe ansehen zu können.
Also nahmen wir unsere Pferde, welche Nicodemo bereits hatte satteln lassen und machten uns auf den Weg zu den besagten Befestigungsmauern! Master Bruno sollte recht behalten, es dauerte fast 2 Stunden bis wir ankamen und wenn ich Ruinen und kaputte Mauern erwartete hatte, so wurde ich eines Besseren belehrt.
Fast alles war noch vollständig erhalten, nur hier und dort fehlte ein Stein, oder eine Platte saß schief in den Außenmauern. Entlang dieser Mauern erstreckten sich weite Felder, auf denen die Bauern fleißig ihrer Arbeit nachgingen und uns etwas misstrauisch beäugten! Wir ritten auf einen Abschnitt zu, von welchem Levio gemeint hatte, er sei entscheidend. Von dort könnte man dann weiter suchen. Es war eigentlich ein kleiner Durchgang, welcher zugemauert worden war, mehr aber auch nicht. Enttäuscht strich ich darüber, wir hätten uns doch Hammer und Meißel mitnehmen sollen.
Master Bruno meinte lediglich leichthin „Miss Alberts, man kann nicht auf Anhieb Erfolg haben, ihr müsst Geduld haben, dann findet ihr, wonach ihr sucht. Seid einfach weiterhin aufmerksam!“
Doch sein Ton war lauernd und mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Es klang so wahnsinnig zweideutig und wie eine Warnung. Als ich zu Master Clarkson junior sah, konnte ich ihm ansehen, dass er ebensolche Gedanken hatte. Wir mussten aufpassen, was wir hier von uns gaben und sollten möglichst nichts weiter von unseren Erkenntnissen kundtun!
Ein Stückchen die Mauern entlang, konnte man einen Vorsprung ausmachen, welcher ungefähr einen Meter über dem Boden aufragte. Darüber war wieder eine Art Tür oder Tor, doch von hier konnte man nichts wirklich ausmachen.
Beim Näherkommen sahen wir jedoch, dass es sich um einen alten Holzverschlag handelte, nur gesichert durch ein rostiges altes Vorhängeschloss. Wer bitte würde so offensichtlich einen …
„Oh, seht mal. Dort kommen wir bestimmt weiter!“ und wieder klang in dieser Stimme dieser Ton mit, der mich aufhorchen ließ. Es war purer Spott, wenn ich ehrlich sein sollte. Glaubte dieser Master Bruno ernsthaft, wir wüssten nicht, was hier gespielt wird? Doch auch Nicodemo und William spielten mit.
In diesem Moment fiel mir auf, dass unsere ach so wichtigen Wachen gar nicht an unserer Seite waren!
„William, hier stimmt wirklich etwas nicht... die Wachen, wo sind sie?“ in seinem Blick sah ich die Erkenntnis, dass ihm das auch gerade aufgefallen war.
„Ich weiß es nicht. Bitte Isabelle, passt auf euch auf!“ hörte ich seine leicht flehende Stimme und ich wusste auch er hatte so langsam ein mulmiges Gefühl.
Es wurde noch abstruser, als Levio plötzlich eine kleine Leiter wie aus dem Nichts hervorzauberte. Natürlich stand sie schon bereit, er musste das alles geplant haben! Nacheinander kletterten wir nun diesen Mauervorsprung hoch und standen auf der kleinen Empore vor dem Durchlass.
Wenn ich bis jetzt noch dachte, Master Bruno hielte uns für naiv und dumm, dann wurde dieser Gedanke sogar noch übertrumpft.
„Ach... schaut mal, das Schloss ist ja schon völlig marode...“ mit einem leichten Tritt dagegen fiel es einfach hinunter.
Sprachlos sah ich auf das Schloss, dann auf diesen... Herr Gott noch eins! So plump konnte doch nun wirklich niemand sein, WER hatte diesen Mann denn bitte ausgebildet? Jeder 5jährige wäre in Zurückhaltung und Verschleierung besser gewesen! Es war so offensichtlich, dass er uns in die Falle locken wollte! Levio ging aber einfach beschwingten Schrittes weiter voraus in die dunkle Öffnung und wies uns an, ihm zu folgen.
Mit einem Male spürte ich Williams Hand und er deutete mir, ich solle Nicodemo ansehen. Dieser hatte wieder dieses leicht dümmliche Aussehen im Gesicht und folgte einfach unserem selbsternannten Führer!
„Seid ihr bereit, Isabelle? Wir wissen nicht, was uns erwartet...“ ich holte tief Luft, um mich zu wappnen und sprach im Stillen „Ja, ich bin soweit. Doch was passiert, wenn wir in der Unterzahl sind?“ Clarkson deutete mit einem Kopfnicken nach unten und ich sah, wie die Wachen sich langsam heranschlichen.
„Master Capon hat sie noch informieren lassen, als Master Bruno gerade seine Notdurft verrichtete. Wir haben also etwas Verstärkung, sie werden uns in einem gewissen Abstand in das Innere folgen!“
Erleichtert, dass wir doch nicht ganz ohne Hilfe waren, nickte ich nur und ging ebenfalls in die vor mir liegende Dunkelheit. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an diese Lichtverhältnisse zu gewöhnen, jedoch nicht lange, weil schon einige Fackeln an den Wänden brannten! DAS konnte Bruno kaum in dieser kurzen Zeit gemacht haben! Hinter mir spürte ich Master Clarkson und so dumm es sich anhören mag, es beruhigte mich! Mit einer Hand an meinen Waffen ging ich langsam weiter, immer darauf bedacht, dass mich jemand anfallen könnte aus dem Nichts.
Wir gingen einen schier endlosen Gang entlang. Er führte leicht nach unten durch diese Mauern, welche doch ziemlich dick sein mussten. Auf so etwas hatte ich nicht gleich geachtet, war aber logisch, wenn man bedachte, wofür diese Wälle errichtet worden waren. Plötzlich huschten nebligen Gestalten an mir vorbei, so schien es und ich hörte eigenartige Stimme, welche sich auf italienisch etwas zuriefen, in Panik wie es schien. Erschrocken blieb ich stehen und William lief in mich hinein, weil auch er abgelenkt war, wie es aussah.
„Habt ihr...“ sein Blick ging den Gang hinter uns entlang und ich nickte nur!
„William, werden wir verrückt, oder hat man uns auch solche eigenartigen Kräuter untergemischt?“ diese Frage drängte sich mir gerade förmlich auf, im Grunde war ich mir sicher, dass es nicht so war, doch … wer weiß, zu was dieser Levio doch noch fähig war.
„Lasst uns weitergehen, Isabelle. Noch brauchen wir uns darüber keine Gedanken machen!“ kam es dieses mal aber normal gesprochen von ihm! Und er schob mich weiter und erst jetzt sah ich, dass Master Bruno stehen geblieben war und uns mit einem gespielten Lächeln im Gesicht erwartete.
„Nun, da wären wir wohl!“ sagte er laut und klopfte mit dem Griff seines Dolches, welchen er jetzt in der Hand hielt, an die hinter ihm liegende Holztür!
Diese öffnete sich nun und es erschien eine Gruppe von Damen und Herren, welche uns breit grinsend ansahen.
„Na... das hat ja gedauert.“ hörte ich die Stimme von einem dieser Meuchelmörder und die Gruppe stimmte mit leisem Lachen ein. DAS würde euch gleich noch vergehen!, ging es mir durch den Kopf.
Plötzlich nahm ich die Gegenwart von Verbündeten wahr und wieder einmal machte mir das Angst. Dieses Gefühl hatte ich noch nie vorher gehabt, warum hier und jetzt in Rom? Diese Frage müsste ich dann wohl später beantworten, weil diese Assassinen anscheinend einen schlechten Tag hatten und uns einfach angriffen!
Im Nu entbrannte ein Kampf auf diesem, mal wieder, engem Raum! Im Grunde war es wichtiger den Schwertern der Verbündeten auszuweichen, als denen der Angreifer! In meinem Geiste konnte ich jedoch eine Taktik ausarbeiten und setzte sie in die Tat um. Ich spürte meine Gegner mehr als das ich sie sah und konnte genau aus diesem Grunde gezielter zustoßen, ausweichen, parieren und vor allem kontern! Dieser Schlagabtausch ging mir leicht von der Hand und es fühlte sich, so unangemessen es auch klingen mag, gut an!
Meine Schwertklinge schnitt sich eine Schneise durch diese Assassine, welche mich immer wieder mit diesen fiesen versteckten Klingen angriffen. Diese waren natürlich gerade für Kämpfe auf beengtem Raum genau richtig! Aber wofür hatte ich noch zusätzlich meinen Dolch?
Gerade als ich ihn greifen wollte, schlug eine dieser scharfen Unterarmklingen in meine Hand! Ich jaulte auf und taumelte etwas zurück, stieß mit dem Rücken an die Wand und sah auf die Wunde. Langsam schloss sie sich... und was machte ich? Ich starrte weiter darauf, ohne auf meinen Gegner zu achten!
Dieser nutzte diesen Moment und schlug mir einen rechten Haken gegen das Kinn und holte sofort mit der linken Hand aus. Dieser Hieb brach mir meine Nase, das Blut schoss daraus hervor und ich spürte die Knochen, wie sie sich verschoben!
Dieser beißende Schmerz ließ mich unverzüglich auf die Knie sinken und ich erbrach mich. Bei Gott... es war widerlich, der Schmerz und meine Unkontrolliertheit!
Schon spürte ich weitere Angreifer, konnte mich aber wieder erheben, was diese beiden Herren nun überraschte. Mich übrigens auch, obwohl ich ja eigentlich um meine Fähigkeiten wusste, es war aber noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen!
Erstaunt standen sie vor mir, als ich zum Angriff wieder überging, obwohl mir noch Blut aus der Nase lief und ich dieses in meinem Mund schmecken konnte.
Die Schmerzen waren aber verschwunden und so machte ich einfach weiter... ich griff an mit meinem Dolch und meinem Schwert! Ich ließ mich nicht mehr beirren, sie konnten mir nichts anhaben, diese Frauen und Männer mussten im Grunde tatenlos zusehen, wie ich sie einen nach dem anderen in die Hölle schickte.
Plötzlich packte jemand meinen Oberarm und griff schmerzhaft zu, sodass ich gezwungen war, meinen Dolch fallen zu lassen. Es war William, welcher mich völlig entsetzt ansah! „Isabelle, verdammt... Hört auf! Was macht ihr denn?“ schrie er mich an und zog mich von einem Assassinen runter, bei welchem das Gesicht nicht mehr zu erkennen war.
Hatte ich... war ich das etwa? Ich sah zu meinen Händen, die Knöchel waren blutig, mein Dolch ebenso... unter dem Toten bildete sich eine rote Pfütze... Entsetzt sprang ich zurück und starrte auf diesen Leichnam!
Um mich herum vernahm ich keine Kampfgeräusche mehr, es war eine tiefe Stille, welche schon unheimlich war. Schwer atmend sank ich an der Wand hinter herunter und ließ mein Schwert und den Dolch fallen.
„Miss Alberts! Was habt ihr getan? Ihr wart wie von Sinnen!“ hörte ich Nicodemo rufen und sah, wie er sich neben mir niederließ.
Seine Hand hob mein Kinn und er sah mich durchdringend an.
„Kind, nun antwortet doch! Ihr habt euch durch die Reihen gekämpft, als wären sie Nichts! Wie habt ihr das gemacht?“ seine Stimme wurde immer lauter und schrillte in meinen Ohren, sodass ich sie mir zuhielt.
„Lasst mich einfach... ich weiß auch nicht... ich will hier raus...“ Panik erfüllte mich, doch bevor ich wegrennen konnte, hielten mich die Arme von William auf und ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, welche mich versuchte zu beruhigen!
„Isabelle, bleibt hier und beruhigt euch! Ihr seid nicht alleine, ich habe gesehen, was ihr getan habt und im Grunde muss ich euch danken. Doch diese Art des Kämpfens war sehr, nunja, veraltet und ihr... Isabelle, ihr habt diese Männer und Frauen auf italienisch angeschrien im Rausch!“
Langsam beruhigten sich meine Nerven und mein Adrenalinschub ebbte ab. Ich konnte wieder etwas klarer denken und sah von Nicodemo zu William, doch ich sah Levio nirgends.
„Wo ist Master Bruno hin?“ fragte ich leise, auch wenn es mich brennend interessierte. Mit einer Handbewegung deutete mir Master Capon auf einen Toten, welcher mit durchtrennter Kehle und weit aufgerissenen Augen an einer Wand saß.
„War ich das etwa?“ fragte ich unnötigerweise und meine Stimme versagte!
Dieses Blutbad war mein Werk? Alleine? Das konnte doch nicht sein!
„Nein, ihr ward nicht alleine daran schuld, aber ich hatte den Eindruck, als müsse ich nur Rückendeckung geben und auch diese war oftmals nicht nötig. Isabelle, es war... Was ist hier los, Master Capon?“ und jetzt hatte auch William seine Stimme erhoben!
Leise hörte ich nur „Miss Alberts, Master Clarkson, wir werden jetzt hier aufräumen, dann erkläre ich euch alles!“ mit diesen Worten eilte er uns voraus ins Freie und dort fanden wir die Wachen wieder, welche uns zur Hilfe geeilt waren, aber anscheinend auch nicht wirklich gebraucht worden waren!
An der frischen Luft atmete ich erst einmal tief durch und versuchte mich selber wieder zu finden. Ja, es klingt eigenartig, aber ich fühlte mich von mir selber verlassen, so als müsse ich meine Seele wieder einfangen! Langsam, Stück für Stück setzte ich mich wieder zusammen und meine Begleiter sahen mich nur an, sagten aber nichts.
„Miss Alberts, ihr spürt, was gerade mit euch passiert?“ fragte Nicodemo und ich sah in seinen Augen einen Glanz, welchen ich noch nicht an ihm gesehen hatte.
Meine Antwort war ehrlich und klar. „Ja, ich fühle es. Erklärt mir bitte, was vorgefallen ist. Ich war noch nie in der Lage diese... also ich konnte noch nie einfach so jemanden... ich habe noch nie jemanden so ohne Skrupel oder darüber nachzudenken ermordet!“ die letzten Worte sprach ich leise und sehr entschuldigend. Ich wollte mich für meine Tat entschuldigen, rechtfertigen. Es war nicht die Tat einer Templerin, nie würden wir so unachtsam töten. Alles hatte seinen Zweck, aber wir würden nie zu unserem Spaß andere Menschen umbringen. Also was war es, was mich so hat handeln lassen, welche Macht war am Werk, die mich so voran preschen ließ?
Master Capon hockte sich auf einen kleinen Findling und sah zu mir auf. Ein tiefes Seufzen und sein Blick wanderte um uns herum, so als suche er noch nach Feinden.
„Diese Vorläufer haben Mächte, welche nicht immer ganz geklärt sind. Es gibt diese Manipulation des Geistes zum Beispiel und nein, das was Master Bruno gemacht hat, war mich auszunutzen. Er gehört nicht dem Orden an, durch diese Substanzen war ich aber so in seinem Willen, dass ich mich nicht wehren konnte.“
Und nun folgte eine Litanei an Erzählungen, was in dem Gasthof vorgefallen war, auch dort hatte er keine Macht darüber, wer uns angriff. Seit Wochen hatte man Nicodemo anscheinend unter Drogen gestellt, was ihm aber nicht immer bewusst war und so konnte man ihn lenken und führen!
Er berichtete von seinen nur noch verschwommenen Wahrnehmungen, als er Levio vorgestellt wurde und dass er auch damals schon ein ungutes Gefühl hatte.
Mein Vater, sowie auch Williams Vater, hatten ihm geschrieben. Master Bruno jedoch hatte diese Briefe abgefangen und Nicodemo und uns vorenthalten. Ja, sie baten darum uns Sicherheit zu gewähren, sie sprachen von den Wachen, welche uns an die Seite gestellt werden sollten. Doch es gab nie einen Master Levio Bruno!
„Master Capon, ich habe meinem Vater berichtet, was hier vorgefallen ist. Ich gehe davon aus, dass er entsprechende Untersuchungen einleiten wird!“ meinte ich und auch William meinte, sein Vater hätte auch bereits einen Brief bekommen.
Die Augen des Italieners wurden traurig...
„Es tut mir leid, aber ich befürchte... eure Korrespondenz ist im Feuer gelandet!“ seine Stimme war fast tonlos und er schämte sich regelrecht für seine Unvollkommenheit! Das heißt, meine Zeilen sind nie auf die Reise gegangen? In diesem Moment fühlte ich mich völlig abgeschnitten von der Welt und bekam Panik, wahrscheinlich wäre das nicht das letzte Mal, dass unsere Briefe nicht dort ankamen, wo sie hin sollten!
„Miss Alberts, Master Clarkson, es tut mir leid. Doch ich konnte doch nichts machen. Und ich bin mehr als beschämt, dass ich als Großmeister hier so versagt habe und werde auch umgehend von meinem Posten zurücktreten!“ schwerfällig erhob er sich wieder und sah uns an, so als erwarte er, dass wir ihn umstimmen mögen. Doch das würde ich nicht, ich sah einfach, dass er seinen Ruhestand allmählich genießen und nicht mehr solche Aufgaben übernehmen sollte.
Es musste ein Nachfolger her.
Ein Teil der Wachen hatte begonnen, Gräber am Rand der Mauern auszuheben. Ein anderer Teil brachte nun die Verstorbenen hierher, jedoch mussten wir sie noch nach weiteren Hinweisen durchsuchen.
Im Inneren der Wehrmauern hatten wir keine Gelegenheit dazu. Und zum ersten Male sah ich das Ausmaß meiner unkontrollierten Wut, Entsetzen und Scham stieg in mir auf! Das war nicht ich! Das konnte einfach nicht sein! Ich hatte sie regelrecht verstümmelt... Ich gehe nicht näher auf die Verletzungen ein, jeder Leser wird es sich vorstellen können!
Ich stand einfach da und sah dabei zu, wie ein Toter nach dem anderem hierher gebracht wurde. William, Nicodemo und eine der Wachen durchsuchten die Taschen der Männer und Frauen. Ich hingegen konnte mich nicht rühren und sah tatenlos dabei zu, es war, als wäre ich in einem Albtraum gefangen!
Verstohlen sah ich mich nach den hier arbeitenden Bauern um, welche vorhin noch in einer Vielzahl hier die Felder beackerten. Niemand war mehr zu sehen! Obwohl es erst früher Nachmittag, wenn überhaupt, war!
„Nichts... sie haben nur ihre persönlichen Habseligkeiten dabei! Keine Hinweise auf ihr Vorhaben oder Anweisungen!“ hörte ich Master Capon laut fluchen, als er eine der letzten Leichen durchsucht hatte.
Aber Master Bruno musste doch etwas bei sich gehabt haben. Bei dieser Bemerkung lief eine Erkenntnis über Nicodemos Gesicht.
„Ihr habt Recht, aber die wird er sicherlich in seiner Unterkunft haben und nicht bei sich tragen!“
Und nun warteten wir noch, bis die letzten Seelen in den Gräbern lagen und sagten ein paar Worte des Abschiedes. Dann machten wir uns auf den Weg zurück zur Herberge.
Ich hing währenddessen meinen Gedanken nach, genau wie meine beiden Begleiter! Wir hatten NICHTS aufgeklärt, es war ein Hinterhalt, welchen Levio gelegt hatte. Doch WARUM? Das erschloss sich mir nicht, ich kannte ihn nicht, geschweige denn hatte ich von ihm gehört. Ich hoffte inständig, dass uns Master Capon nun endlich Auskunft gab.
Die gab er... wenn auch eher kläglich, weil auch er nichts wirklich über ihn wusste! Warum hatte er sich aber dann auf diesen Herren eingelassen?
„Seine Art und wie er die Dinge sah überzeugten mich und... wenn ich ehrlich bin, diese Kräuter scheinen mich im wahrsten Sinne des Wortes willig gemacht zu haben. Es ist auch nicht erst seit gestern so. Es ging schon seit Wochen so, eigentlich fing es mit den Schreiben eurer beider Väter an!“ grübelte er nun nach und man sah das schlechte Gewissen, welches ihn nun überkam, weil er nicht so gewandt reagiert hatte, wie er es als Großmeister müsste.
„Meister, wir müssen ihnen Einhalt gebieten, ehe sie in die Katakomben eindringen können!“
Levio flehte seinen Mentor förmlich an, nachdem er ihm die Briefe dieser hochnäsigen Templer gegeben hatte.
„Ihr mögt Recht haben, dennoch ist es wichtig, diese beiden Kinder im Auge zu behalten. Wir wissen von den Visionen, dass sie uns gefährlich werden können und Mächte besitzen, welche unsere Bruderschaft gefährden!“ mahnte der Herr in seiner roten Robe nun die Anwesenden.
„Sie dürfen nicht soweit kommen! Unser Andenken darf nicht in falsche Hände geraten!“ und dann erhob er sich, mit ihm seine Gefolgschaft. „Ich habe einen Eid geschworen!“ kam es nur noch und er verschwand mit wehendem Umhang und der Schweizer Garde als Schutz, über den großen Platz vor der Engelsburg!
In seinen Gemächern angekommen, nahm er diese Schreiben noch einmal zur Hand und studierte sie.
Es war unmöglich, man hatte doch diese Verbindungen verhindert! Wie konnte es passieren, dass gerade diese beiden Menschen aufeinander treffen konnten?
Die Templer waren hinreichend in den Hintergrund gedrängt worden und waren schon einige Zeit nicht mehr in Italien aktiv, geschweige denn in den Vordergrund getreten! Er musste handeln und das schnell. Es brauchte einen Unterhändler, jemanden der sich in den Orden einschleichen konnte, ohne groß aufzufallen! Seine Gedanken kreisten und gingen die Reihen seiner engsten Verbündeten durch.
Mit einem Male schoss der Name Levio Bruno wieder in sein Gedächtnis! Nicht das hellste Bürschchen, aber loyal und Gottgläubig, so wie er es mag! Nun hieß es, ihn aber zu instruieren und vorzubereiten. Viel Zeit hatten sie nicht mehr, sie mussten schnell handeln.
Schon zwei Tage später erschien Master Bruno wieder vor ihm und ließ seine Hingabe und Loyalität der Kirche gegenüber deutlich heraus. Eine tiefe Verbeugung und ein Kuss auf den Ring von Prospero Lorenzo Lambertini, genauer gesagt Papst Benedikt XIV., dann stand er voller Erwartung vor ihm.
„Meister Bruno, ihr habt die ehrenvolle Aufgabe, zwei unserer Widersacher in Empfang zu nehmen! Fräulein Alberts und Meister Clarkson junior werden, wie ihr ja wisst, spätestens im März hier eintreffen und sie sind auf der Suche nach dem Edenapfel und vermutlich auch nach weiteren Artefakten. Ich habe es mir, wie mir befohlen wurde, zur Aufgabe gemacht, genau diese zu beschützen! Also sorgt dafür, dass es Ablenkungen und andere Aktivitäten für unsere Besucher gibt. Ich will, dass sie unverrichteter Dinge von dannen ziehen!“
Levio stand wie ein verschrecktes Reh vor ihm und sah in die Runde.
„Eure Eminenz, es ehrt mich, dass ihr mir diese so wichtige Aufgabe zu teil werden lasst.“ sprach er in einem so unterwürfigen Ton, dass es Lorenzo übel wurde! Doch er ließ es sich nicht anmerken, sondern gab nur Anweisungen, WIE er zu agieren hatte.
Fehlte nur noch der passende Großmeister, welcher hier in Rom agierte und diesen kannte Meister Bruno bereits. Also setzte Papst Benedikt XIV. ihn auf den Mann an.
Er erklärte ihm, wie er die manipulierenden Kräuter anwenden musste, damit nicht gleich alles auffliegt und diverse andere Kleinigkeiten.
Einen Teil der Schweizer Garde, einen sehr, sehr geringen Teil sollte man anmerken, wurde ihm noch zur Verfügung gestellt. Diese würden entsprechend die Eingänge schützen und wenn es nötig war, auch vor den Zimmern in der Herberge der Templer wachen!
Darüber hinaus gab es weitere Wachen, welche aber von Meister Capon ausgesucht und rekrutiert werden sollten. Es sollte nicht unnötig das Misstrauen geschürt werden, so sagte sich Lorenzo!
Diese Templer sollten nie wieder hier in Rom die Überhand gewinnen, nie wieder sollte ein Templer den Rang eines Papstes inne haben! Nun konnte man nur noch abwarten und die Geschehnisse verfolgen und er entließ Meister Bruno mit entsprechenden Schreiben, einer mehr als gut gefüllten Börse und der Mahnung, dass er den Tode finden würde, sollte er versagen!
Levio war sich dessen bewusst und würde sich selber die Klinge in den Hals rammen, als sich den Templern zu ergeben!
Als Master Bruno nun wieder an der frischen Luft war, ging er schnellen Schrittes weiter. Möglichst weit weg von Lorenzo, auch wenn er ihn verehrte, diese Aufgabe war mehr als er bewerkstelligen konnte. So dachte er bei sich und geriet ein wenig in Panik! Wovor hatte er Angst? Vor den Templern oder vor seinem Versagen? Vermutlich vor beidem, in beiden Fällen würde er den Tod finden und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass es eigentlich eine Art Himmelfahrtskommando war.
Ein Schreiben, welches er in Händen hielt, erlaubte ihm, alles in seiner Macht stehende zu tun, was ihm beliebte. Die Herbergswirte würde er bestechen können, die Wachen ebenso. Und er hatte darüber hinaus freie Hand, was seine Unterstützer anging und im Geiste ging er schon eine Liste von vertrauenswürdigen Personen durch, welche er gleich morgen kontaktieren sollte.
Bei seiner Unterkunft angekommen, ließ er sich ein wenig Wein auf sein Zimmer bringen und saß für eine lange Zeit vor den gesammelten Unterlagen und starrte auf die geschriebenen Worte. Bruno hatte ein Rezept erhalten, welches er aus verschiedenen Kräutern mischen sollte und in die Speisen und Getränke von Master Nicodemo Capon geben sollte. Das wäre das kleinste Problem, dachte er im Stillen. Man kannte sich schon und er selber hatte nie verlauten lassen, er sei Assassine oder gehöre überhaupt zu irgendeiner Gruppierung.
Also begann er seinen Plan auszuarbeiten. Die Unterbringung des Templer-Nachwuchses würde Meister Capon in die Hand nehmen, danach ging es um die Wachen, welche er, Levio, einteilen würde. Natürlich muss Nicodemo mit einbezogen werden, damit er nicht misstrauisch wird.
Im Kopf hatte er eine ungefähre Aufteilung der Zugänge zum Kolosseum und des Untergrunds der Assassinen, diese hieß es ebenfalls bewachen zu lassen. Im Grunde hatte er genügend Brüder und Schwestern zusammen, welche ihm folgen und ihn unterstützen würden.
Seine Augen brannten schon vom Schreiben und Lesen in diesem Dämmerlicht der Kerze, welche nur ein notdürftiges Flackern abgab.
Master Bruno beschloss daher, morgen an dieser Ausarbeitung weiter zu arbeiten. Gerade als er sich zur verdienten Nachtruhe begeben wollte, klopfte es und die Tochter des Wirtes erschien mit einem Brief, welcher am Nachmittag für ihn abgegeben worden war. Mit einer schwungvollen Handbewegung übergab sie ihm das Schriftstück und fuhr mit der anderen Hand leicht über seine Brust.
Ein wenig Ablenkung konnte nicht schaden, dachte er sich und sie ließ sich auf ihn ein. Das Mädchen war ihm von Anfang sehr zugetan gewesen, was Bruno natürlich schmeichelte und jedwede Sorge über Bord werfen ließ.
Diese ganze Geschichte hörte sich hanebüchen an und mich überlief ein Schauer. Die Assassinen hatten sich anscheinend etabliert und genossen regen Zuspruch, auch von der normalen Bevölkerung! Daher hatte Master Bruno leichtes Spiel, weitere Verbündete mit ins Boot zu holen und gegen den Orden aufzuhetzen.
„Master Capon, wir haben vor unseren Zimmern gestern Wachen gesehen, welche uns nicht wohlgesonnen schienen! Hattet ihr sie dorthin beordert?“ fragte William ihn, obwohl wir eigentlich wussten, dass es nicht so war. „Nein, das muss Levio gewesen sein! Gestern Abend... war ich früh zu Bett gegangen!“ wiedereinmal grübelte er darüber nach und kam zu dem Schluss, dass diese Substanzen doch eine tiefere Bewusstseinsveränderung hervorrufen konnten, als uns lieb war.
Was mir aber keine Ruhe ließ war, wie ich plötzlich italienisch sprechen konnte. Doch diese Frage konnte man mir nicht beantworten. „Miss Alberts, das entzieht sich meiner Kenntnis. Doch hier scheint ihr einer Macht oder einem Einfluss ausgesetzt zu sein, welcher sich eures Geistes bemächtigt. Die Vorläufer sind ein mächtiges Volk gewesen und unsere Recherchen, ihr habt sie sicherlich auch von euren Familien teilweise aufgedeckt gesehen, zeigen es deutlich. Manipulativ, beschützend, Weg weisend und noch vieles mehr hatten sie inne und verbargen diese Dinge in ihren Artefakten. Wir können also davon ausgehen, dass es noch weitaus mehr Gegenstände gibt, die es zu suchen gilt.“ endete Nicodemo nun und sah uns erwartungsvoll an.
„Wir werden unser bestes geben, Master Capon.“ William neigte höflich seinen Kopf, da er verstanden hatte, dass nicht mehr der alternde Großmeister diese Aufgabe inne hatte, sondern WIR. Doch waren wir damit alleine oder hatten auch wir noch Verbündete, welche uns halfen? Auf diese Frage bekamen wir eine eher unbefriedigende Antwort. „Der Orden hier in Rom und speziell in Italien ist sehr geschwächt! Seit Papst Benedikt XIV an der Macht ist, kann man es regelrecht spüren und auch sehen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Bruderschaft einen ihrer Leute dort nun als Oberhaupt hat!“
Das wurde ja immer besser! Wir konnten jedoch schlecht den Papst stürzen, das läge nicht in unserer Macht alleine! „Nein, wir müssen den Orden hier wieder etablieren und erneut ausbauen. Mit eurer beider Hilfe sollte es aber in absehbarer Zeit zu schaffen sein! Da bin ich zuversichtlich, Master Clarkson, Miss Alberts!“
Nun hatten wir aber immer noch ein Problem, welches sich nicht von der Hand weisen ließ. Das Blutbad in den Wehrmauern würde nicht lange unentdeckt bleiben und ich befürchtete Spitzel in den Reihen der „neutralen“ Wachen. „Master Capon, ihr habt Recht. Jedoch sollten wir fürs Erste für unsere eigene Sicherheit sorgen!“ meinte ich nun mahnend. „Das werden wir auch und ich habe auch schon einen Plan.“ So berichtete er uns nun von einer Gruppe Templer Brüdern und Schwestern, welche sich in Florenz und Venedig noch aufhielten, jedoch versteckt und welche seit langem nicht mehr in Erscheinung getreten waren. „Ich schlage vor, wir sollten bald aufbrechen und sie warnen! Es ist an der Zeit, da wir uns wieder erheben sollten!“ in Nicodemos Augen trat ein Leuchten, welches von seinem Tatendrang zeugte und es erfüllte mich mit ebensolcher Euphorie!
Für heute konnten wir aber nichts mehr unternehmen und begaben uns in unsere Zimmer. Aber nicht bevor wir noch drei Wachleute für die Unterkunft von Master Bruno abgestellt hatten. Morgen würden wir dort nach weiteren Anhaltspunkten suchen und uns dann eventuell auf den Weg in die anderen Städte machen. Master Capon ging wie immer eher schleppend die Treppe hinauf in sein Gemach und wir sahen ihm mitleidig hinterher. „William, mir gefällt nicht, dass er so kämpfen kann und zeitgleich so zerbrechlich wirkt. Ich habe Angst, er könne bald einfach zusammenbrechen!“ äußerte ich nun meine Gedanken und sah, dass mein Begleiter ähnlich dachte.
„Vielleicht sollten wir ihn nicht mit so vielen Aufgaben betrauen, sondern lieber etwas zur Ruhe kommen lassen. Sagen wir es so, er ist mehr der Berater von nun an, als Kämpfer an unserer Seite!“ Diese Worte entsprachen meiner Meinung. „Wenn wir es ihm nicht gleich so sagen, dann können wir ihn schonend in den Ruhestand schicken, William. Ihr habt recht!“ und ich atmete erleichtert aus. „Wollen wir dann auch zu Bett gehen?“ meinte er freudig und nahm meine Hand. Erschrocken zog ich sie zurück. „Wie meinen?“ meine Stimme klang schrill und ich erschrak selber. „Verzeiht, ich … so hatte ich es nicht gemeint!“ Natürlich hatte er das nicht, doch mein Kopf wollte es so verstehen und gab es auch so weiter.
„Wir sollten auch etwas Schlaf finden, ihr habt Recht William!“ damit ging ich mit hochrotem Kopf die Treppe hinauf zu unseren Zimmern und mich erwartete bereits Sarah. William wurde schon von seinem Kammerdiener in Empfang genommen. „Ich wünsche euch eine gute Nacht, Isabelle!“ kam es leise von dem jungen Mann und er verschwand durch die Tür. „Miss Alberts!“ hörte ich die entsetzte und tadelnde Stimme meiner Kammerzofe. „Was … in drei Teufels Namen habt ihr gemacht?“ ihr Blick glitt an mir herunter. „Wir haben einigen Verletzten nach einer Schlägerei geholfen. Diese Vagabunden haben einfach wahllos um sich geschlagen...“ meinte ich leise und ließ mich ausziehen.
„Ihr könnt von Glück reden, dass ihr noch eine weitere Montur habt, sonst müsstet ihr morgen splitternackt auf die Straße, Miss Alberts!“ mit diesen Worten stopfte sie die Wäsche nun in einen Leinensack und begann mich in mein Nachthemd zu stecken, nachdem ich noch eine ausgiebige Wäsche vorgenommen hatte. „Ich wünsche euch eine angenehme Nachtruhe, Miss Alberts.“ Ich entließ Sarah nun für die Nacht und setzte mich aufs Bett.
In mir tobte eine Unruhe, welche ich nicht erklären konnte und gerade als ich anfangen wollte, mein Tagebuch weiterzuführen, klopfte es an der Durchgangstür. „Herein, William!“ meinte ich wie selbstverständlich. In Hemd und Morgenrock gekleidet stand er unschlüssig im Türrahmen und starrte mich an. Erst jetzt registrierte ich, dass mein Nachthemd nicht ganz fest am Hals geschnürt war und... es mir ein wenig zu weit von den Schulter gerutscht war. Schnell band ich es hoch, schnürte die Bänder zusammen und schnappte mir meinen Morgenrock.
„Ähm... was kann ich für euch tun, William?“ ich versuchte eine ruhige Stimmlage anzuschlagen, doch meine Verlegenheit brach durch und zum ersten Male fragte ich mich, warum es gerade in seiner Gegenwart so war. Bei Master Kenway war es völlig anders, da war es mir schon fast … egal gewesen, möchte ich sagen! Haytham... was tat er wohl gerade? Und meine Gedanken wanderten in seine Richtung, wurden aber von William wieder in die richtigen Bahnen gelenkt!
„Isabelle, ich konnte nicht einschlafen und dachte über diese sprachliche Fähigkeit bei euch nach.“ Ein Phänomen, welches wir uns nicht erklären konnten und ich war begierig darauf zu erfahren, ob ich diese Sprache tatsächlich immer beherrschte oder ob es reiner Zufall war. „Könnt ihr jetzt auch so mit mir sprechen?“ fragte er nun einfach und ich begann zu stottern, versuchte mir Wörter zusammenzureimen... kam jedoch zu keinem vernünftigen Satz. Es war genauso wie vorher, ich beherrschte es nicht, ich hatte es ja nicht gelernt.
Ein anderer Gedanke drängte sich mir auf. „Was wenn diese Fähigkeiten nur im Kampf zu Tage treten, William? Wenn ich nur dann die Sprache meiner Gegner zum Beispiel beherrsche? Das wäre natürlich von großem Vorteil, doch kann ich dann auch ALLE anderen Sprachen?“ In seinem Blick sah ich, dass er über diese Möglichkeit noch nicht nachgedacht hatte. „Natürlich Isabelle, wir waren vermutlich in der Nähe eines Artefaktes. Vielleicht liegt es daran? Und wenn ihr dann im Kampfrausch seid, bemächtigen sich die Vorläufer eures Geistes! Es gibt so viele Möglichkeiten!“ er war so aufgeregt wie ein kleiner Junge, weil diese Erkenntnis so spannend war und auch ich fiel mit ein!
„Umgekehrt frage ich mich aber, wie ich genau das dann trainieren kann. Ihr William, könnt euren Blick zum Beispiel einfach so verfeinern...“ grübelte ich plötzlich nach. „Gibt es denn überhaupt keine Experten, welche wir befragen könnten?“ meinte mein Zimmernachbar nun etwas frustriert, weil auch er gerne eine Aufklärung hätte. „Leider fällt mir auch niemand ein, wir müssen uns vorerst auf Master Capon berufen und hoffen, dass wir vielleicht in Florenz oder Venedig einen Gelehrten finden können. Wart ihr schon einmal dort, William?“ fragte ich einfach. „Nein, leider noch nicht. Wir sind nicht allzu viel umhergereist. Meine Eltern hatten ihre Geschäfte und Aufgaben innerhalb des Ordens, weswegen wir uns in Amerika niedergelassen haben!“
Langsam kehrte eine leichte Ernüchterung bei uns ein, die ganze Aufregung fiel von uns ab und ich wurde von jetzt auf gleich ziemlich schläfrig. Undamenhaft gähnte ich und konnte es nicht mehr verstecken, was William aber mit einem leisen Lachen überspielte. „Ihr habt Recht, Isabelle. Es ist schon spät und ich habe euch viel zulange wachgehalten! Ich wünsche euch eine gute Nacht!“ meinte er leise, kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Wie angewurzelt blieb ich stehen und genoss diese Zuwendung einfach, es fühlte sich beruhigend an. „Danke, William. Ich wünsch euch auch eine geruhsame Nacht!“ meinte ich ebenso leise. Dann drehte er sich mit einem warmen Lächeln um und ging in sein Zimmer.
Warum hielt ich mich bei ihm so zurück, verdammt? Ich wollte diesen Mann spüren, ich wollte ihn haben! Erschrocken fuhr ich vor meiner eigenen Erkenntnis zurück und wäre fast hintenübergefallen! Es gehörte sich nicht und ich war gut erzogen... aber warum dann Haytham? Plötzlich überkamen mich bei dem Gedanken an diesen Mann keine wohligen Schauer mehr, sondern einfach nur noch die Frage, ob er uns in die Quere kommen könnte! Jedweder Reiz an seiner Person oder seines Charismas war wie … ja wie weggewischt! Völlig verwirrt ließ ich mich wieder auf die Bettkante sinken und starrte vor mich hin. Obwohl es schon spät war und ich dringend schlafen musste, machte ich mich daran diese ganzen wirren Gedanken aufzuschreiben. Ich musste es einfach, mein Kopf brauchte Ruhe, sonst würde ich die ganze Nacht weiter grübeln.
Nach gefühlten hundert Seiten und einem neuen Federkiel, fiel ich ins Bett, fand jedoch in keinen erholsamen Schlaf! William und Haytham lieferten sich einen Schlagabtausch, aber nicht meinetwegen, oder vielleicht doch? Es ging um meine Gedanken und Gefühle an die Herren, an welchen ich mehr dachte und so weiter. Es war so absurd und verwirrend...
Völlig verwirrt wachte ich auf, weil mich eine fröhlich trällernde Stimme weckte! „Guten Morgen, Miss Alberts!“ Sarah war wie immer bester Laune, schob die Vorhänge beiseite, wechselte das Wasser in der Schüssel und legte meine Unterkleidung aufs Bett. „Es wartet schon ein Besucher auf euch, Miss Alberts. Ich schlage vor, ihr tragt das neutrale grüne Baumwollkleid.“ meinte sie und fischte es aus dem Kleiderschrank. Ich ließ mich waschen und einkleiden, zu mehr war ich irgendwie nicht in der Lage. In meinem Kopf herrschte ein Gewirr aus Spinnweben und ich fühlte mich, als hätte ich zu viel getrunken.
„Macht einfach, Sarah. Wer wartet denn?“ nuschelte ich vor mich hin. „Oh, Miss Alberts, das weiß ich nicht. Es ist ein Herr, welcher von eurer Suche erfahren hat und extra von Frankreich hierher gereist ist.“ Von Frankreich? Was für weite Kreise hatten William und ich bitte gezogen, dass man sogar dort von uns Kenntnis hatte? Ich wusste, unsere Väter waren zu übereifrig gewesen und die Aufmerksamkeit hatten sie nun definitiv auf uns gelenkt! Das konnte doch nicht wahr sein!, dachte ich noch und schwor mir, meinem Vater ein weiteres Mal zu schreiben, dieses mal würde ihn der Brief erreichen und wenn ich persönlich über den Atlantik schwimmen musste!
Fertig angekleidet trat ich aus meiner Tür und zeitgleich erschien William neben mir, mit einem eben so mürrischen Gesicht. „Konntet ihr auch nicht schlafen, Isabelle?“ fragte er maulend. „Nein, ich fühle mich wie gerädert, wenn ihr mich fragt!“ Damit war das Gespräch beendet und wir gingen hinunter. Im Gastraum herrschte noch keine Betriebsamkeit, also sahen wir unseren Besucher schon von weitem.
Er trug eine frisch gepuderte Perücke, einen dunklen Gehrock, perfekt gestärktes Hemd mit tadellos weißem Kragen und entsprechenden makellosen Strümpfen und Kniehosen. Man sah, er war ein Herr, welcher sich seiner Stellung bewusst war und sehr großen Wert aufs Äußere und Etikette legte. Als wir uns ihm näherten, erhob er sich umgehend und kam auf uns zu, verbeugte sich, nahm meine Hand „Ihr müsst Miss Alberts sein! Reginald Birch, zu euren Diensten!“ für den Bruchteil einer Sekunde starrte ich ihn an, ich hatte nicht mit dem Großmeister des britischen Ritus hier gerechnet.
William erging es nicht anders und er sah ihn mit offenem Mund an, als er sich auch ihm vorstellte. „Master Birch, es ist mir eine Ehre, euch persönlich kennenzulernen!“ mir fehlte bis dato die Sprache, welche ich nun auch wieder fand. „Master Birch, auch mir ist es eine Ehre und verzeiht meine Unhöflichkeit, doch ich hatte nicht mit euch gerechnet!“ ich versuchte ein versöhnliches Lächeln. „Miss Alberts, ich habe mich zu entschuldigen, dass ich so unangemeldet hier erscheine. Leider lassen sich aber einige Dinge nicht einfach aufschieben und bedürfen der sofortigen Erledigung!“ Tief in meinem Hinterkopf dachte ich - Habt ihr dafür nicht Haytham? - „Aber ich bitte euch erst einmal Platz zu nehmen, damit wir beginnen können.“ er war jemand, der nicht lange um den heißen Brei herumredete. Das gefiel mir, auch ich war immer darauf bedacht möglichst schnell an mein Ziel zu gelangen!
Man brachte William und mir das Frühstück, für Master Birch gab es nur Tee, wie es schien. Ohne Umschweife fing er an zu erzählen und, was mich wunderte, auch ohne etwas zu verschweigen. Es war, als würde er diese Vorläufer verstehen und ihre Lehren bereits verinnerlicht haben. Es schien, als hätte er sie genauestens studiert, wüsste was sie wollten und was sie uns hinterlassen hatten. Eine Wohltat meiner Meinung nach, endlich jemand, der wusste was er sprach! „Und deshalb brauche ich euch, Miss Alberts und auch euch, Master Clarkson! Es ist wichtig, dass ihr euch nicht entmutigen lasst. Mir ist nämlich erschreckend zu Ohren gekommen, dass man hier einen Hinterhalt geplant hatte. Aber wie ich jetzt sehe, konntet ihr euch geschickt verteidigen!“
Für einen Moment fühlte ich mich geschmeichelt, doch kurz darauf klang es in meinen Ohren eher wie ein „Ihr seid ja doch nicht so dumm wie angenommen, dann kann ich ja doch auf euch zurückgreifen!“ Ich mag mich täuschen oder der Schlafmangel könnte ebenfalls schuld sein, doch ich reagierte nicht so, wie man es mich gelehrt hatte. „Nachdem man uns ins offene Messer hat laufen lassen, Master Birch! Ohne Vorwarnung, ohne alles!“ fuhr ich ihn an und sein Ausdruck war für den Bruchteil einer Sekunde geschockt, verschloss sich aber wieder. Diese Reaktion hatte ich auch bei Haytham gesehen, ich wollte wissen, WIE man das hinbekommt! Dazu aber leider erst später mehr!
„Ihr müsst uns verstehen, ich selber konnte nicht ahnen, was hier in Italien für Zustände herrschen und erst als mich ein Informant vor 2 Monaten in Frankreich aufsuchte wurde ich dieser Zustände hier gewahr! Das müsst ihr mir glauben! Ihr seid hierher gereist, weil ihr eurem Vermächtnis näher kommen wollt. Gehe ich da Recht in der Annahme?“ fragte er jetzt mehr als neugierig und sah uns schon fast zittrig vor Erwartung an. Skeptisch antwortete ich nur „Ja, da liegt ihr richtig, Master Birch! Doch woher wisst ihr von MEINEN oder WILLIAMS Fähigkeiten?“ in meiner Stimme klang ein scharfer berechnender Unterton, ich wollte ihn nicht mit Höflichkeiten abspeisen, ich wollte wie so oft ANTWORTEN!
Etwas unruhig rutschte er nun über den Stuhl und sah sich verstohlen um! „Ich studiere seit langer Zeit dieses Volk welches vor uns kam. Sie hinterließen uns so unglaublich viele und vielseitige Artefakte und Fähigkeiten, von denen wir nicht einmal Ansatzweise alles entschlüsselt haben. Ihr, Miss Alberts und auch ihr, Master Clarkson, seid ein Teil von diesen Mächten. Ihr seid euch dessen noch nicht ganz bewusst, doch glaubt mir. Ihr habt alles in eurem Geiste, um auch den Willen der „Die-vor-uns-kamen“ zu erfüllen. Nicht ohne Grund hat man euch reisen lassen! Eure Eltern sind ebenso vorbereitet worden...“ in diesem Moment unterbrach er sich selber.
„Ihr wisst nichts darüber? Ich sehe in euren Gesichtern, dass man euch im Unklaren gelassen hat.“ hörte ich da etwa Enttäuschung in seiner Stimme? Was bitte konnten wir denn dafür, dass auch wir erst JETZT eingeweiht wurden? Ein tiefes frustriertes Seufzen war zu hören, dann richtete er sich auf und begann zu erzählen.
Unsere Familien waren bereits über Generationen miteinander verbunden! Auch wenn es nicht immer ganz offensichtlich war, dennoch war es immer eine Verbundenheit. Williams Vorfahren waren Dänen, welche, wie wir wissen, Britannien für sich einnehmen wollten. Nicht nur die Dänen, das wurde mir gerade bewusst, denn meine Vorfahren, welche aber Schwedische Wikinger waren, besiedelten ebenfalls die britische Insel. Und im Zuge dieser Ländereienbesetzung ergaben sich Allianzen und Verbünde einzelner Familien und Clans. Vermutlich eine mehr als grobe Darstellung der Geschichte, aber es müsste fürs Erste reichen!, ging es mir noch durch den Kopf!
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte verschwammen die Grenzen und es gab Verbindungen zu den heutigen Vereinigten Niederlanden, Frankreich oder auch Preußen. Im Grunde waren William und ich eine bunte Mischung aus vielen Nationen, jedoch wurden einige Gaben einfach ohne dass wir es wussten, an uns weitergegeben. Was aber eine doch recht ungerechte Sache ist, da unsere Eltern uns immer im Unklaren gelassen haben. Mir wurde jetzt klar, warum sich niemand unserer gemeinsamen Reise entgegengestellt hatte, sondern uns sogar noch unterstützen wollte! Mein Vater hatte seine Verantwortung ein Stück abgeben wollen. Noch ein Punkt in meinem Brief, welchen ich definitiv ansprechen werde!
Nun berichtete Master Birch davon, wie unsere Familien nicht immer friedlich neben einander gelebt haben. Es gab einige Konflikte, bezüglich Besitzansprüche, Ländereien welche angeblich ungerechtfertigt angeeignet wurden und so weiter. Auch gab es Ehen, welche nicht gerne gesehen waren. Bei diesen Worten musste ich lächeln, anscheinend baute man auf William und mich in diesen Zeiten. Und ich beschloss, sie alle möglichst lange zappeln zu lassen! Diese Genugtuung werde ich ihnen nicht geben. „Ihr denkt dasselbe wie ich, Isabelle! Dann sind wir uns ja einig, dass unsere Eltern noch eine Weile auf ihre ersehnte Vereinigung warten müssen.“ hörte ich ihn in meinem Geiste.
Reginald hatte aber noch mehr zu berichten, nun kam er auf die Bibliotheken und die Artefakte, welche beide Familien Alberts wie auch Clarkson bereits zusammengetragen hatten. In seine Augen trat ein Leuchten. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für ein Anblick war, als ich diese Prunkstücke das erste Mal zu Gesicht bekam! Da wurde mir erst bewusst, dass ich seit Jahren mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte.“ ich sah ihn verständnislos an, wann bitte war dieser Mann je bei uns gewesen und wenn, dann müsste er ja in Boston oder eben New York gewesen sein. In unserem Anwesen in Hannover gab es nur eine übliche Familienbibliothek.
Auf diese Frage bekam ich eine etwas zögerliche Antwort, so als traute er sich plötzlich doch nicht mehr, die ganze Wahrheit zu sagen. „Nun, Miss Alberts. Es ist schon... eine Weile her, wenn ich ehrlich sein darf. Ich war bekannt mit euren Großeltern und auch mit euren Eltern, Master Clarkson. Ihr müsst wissen, ich verlasse nur ungerne Frankreich oder meinen Posten als Großmeister. Damals jedoch war es von Nöten!“ er legte eine länger Pause ein und fuhr dann mit einem tiefen Seufzen fort. „Ich war nicht länger der Vormund für Master Haytham, also konnte ich mich selber von einigen Gerüchten überzeugen.“ Er hatte Haytham also auf eine Mission nach Spanien geschickt um ein Tagebuch an sich zu bringen und war selber schon vorher in die Kolonien aufgebrochen. Master Birch blieb jedoch nicht lange in Amerika, sondern reiste ungefähr einen Monat später schon wieder ab. „Ich hatte mich überzeugt von der Richtigkeit der Worte eures Vaters, Miss Alberts. Das reichte mir schon!“ auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, welches keines war, es sah hinterhältig aus. Anders kann ich es nicht beschreiben!
„Master Birch, man hat euch einfach so in unsere Familienbibliothek gelassen? Das kann ich mir kaum vorstellen!“ hörte ich William mit einem zweifelnden Unterton nachhaken und er hatte Recht, nur die Familie oder eben wie in meinem Falle, eine Vertraute, durfte sich dort aufhalten. „Ihr mögt es glauben oder eben nicht! In meiner Position als Großmeister war es mir gestattet worden!“ kam es schnippisch von dem Herrn vor uns! „Ihr müsst zugeben, Master Birch, es klingt unlogisch in meinen Ohren. Meine Großeltern waren auf Sicherheit bedacht und hätten...“ mit einem Male fuhr dieser Mann mir über den Mund. „Miss Alberts! Ich muss doch sehr bitten! Ihr habt nicht die geringste Ahnung von meinem Verhältnis zu eurer Familie oder der von Master Clarkson! Ihr habt nicht das Recht, mich der Lüge zu bezichtigen!“ diese Worte spie er mir schon fast entgegen!
„Wenn ihr meint...“ seufzte ich nur und sah ihn erwartungsvoll an, im Grunde hatte er noch nicht zu Ende berichtet. Wir vernahmen ein tiefes Durchatmen von ihm und er erzählte weiter. Nachdem er nun wusste, dass er mit seiner Vermutung richtig lag, konnte er wieder zurück nach Frankreich und seine Arbeit fortsetzen. Jedoch musste er Haytham ein weiteres Mal bemühen, da das Tagebuch verschlüsselt war, welches sein Schützling einem Herrn Namens Vedomir abgenommen hatte. Es gab wohl eine Übersetzerin, welche sich aber weigerte ohne ihren Sohn weiter daran zu arbeiten. Nun wurde Kenway nach Korsika geschickt, dort vermutete man den Jungen, um diesen nun zu seiner Mutter zu bringen!
Was für ein Aufwand!, dachte ich im Stillen und hörte William ebenfalls neben mir dasselbe denken. Als beide wieder vereint in Frankreich waren, machte sich die Frau wie versprochen daran, das Buch zu dechiffrieren! Als sie damit fertig war, konnte man noch mehr über die Vorläufer und deren Hintergründe erforschen und er, Reginald, war seitdem damit beschäftigt. Als er aber nun von uns erfuhr, wie wir weiteren Spuren folgen wollten, ließ er es sich nicht nehmen, sich von unserem Fortschritt selber zu überzeugen!
„Master Clarkson, es ist einfach fantastisch, was diese Wesen uns hinterlassen haben und ich bin wirklich gespannt, ob ihr etwas finden werdet!“ meinte er aufgeregt und sah uns freudig an. Im Grunde wusste ich nicht, ob wir ihm trauen konnten, irgend etwas an ihm störte mich! Auf der anderen Seite konnten wir ihm berichten, dass wir bisher nicht ein Stück weiter gekommen waren. Lediglich hatten wir einen Zugang zu den Katakomben unter dem Kolosseum gefunden, welcher uns eventuell noch dienlich sein könnte.
Von der Falle wusste er ja schon, warum auch immer. Doch bevor ich nachfragen konnte, antwortete er einfach, so als wisse er, was ich wollte. „Miss Alberts, mein Informant hat mir alles berichtet. Und wir haben auch eine Vermutung, wer wirklich hinter all dem steckt. Wie ihr sicher wisst, ist seit einigen Jahren ein Papst an der Macht, welcher nicht, wie sonst üblich, dem Orden angehört. Dieser Lorenzo ist Großmeister der Assassinen, welche hier in ganz Italien ihr Unwesen treiben. Daher hattet ihr auch einige Wachen, welche zu der Schweizer Garde gehörten, vor euren Zimmern.“ Woher wusste er davon?
„Ich kann eure Frage mal wieder lesen, Miss Alberts. Ihr müsst dringend daran arbeiten, euch zu verschließen!“ sein Lachen dabei klang überheblich und vor allem amüsiert. „Master Birch, wenn ihr euch über mich lustig machen wollt, dann sagt es einfach...“ mit einem Satz war ich aufgesprungen und gerade als ich aus dem Schankraum hinaus eilen wollte, hinderte William mich daran. Er hielt mich an meinen Oberarmen und sah mir tief in die Augen. „Isabelle, er ist nicht der sensibelste Mensch. Aber bitte, reißt euch noch etwas zusammen. Ich habe ebenfalls bemerkt, dass er nicht die ganze Wahrheit spricht! Wir sollten uns aber seine Macht und seinen Einfluss zu Nutzen machen!“ damit ließ er mich los und ich sah mich schon wieder am Tisch stehen.
„Verzeiht, Miss Alberts, ich wollte euch nicht verärgern, es war lediglich eine Warnung damit ihr trainieren könnt. Ihr braucht diese Fähigkeiten in eurer Tätigkeit als Templerin! Vergesst nicht, ihr müsst auch Verhöre führen können, ohne dass euer Gegenüber weiß, was ihr denkt!“ Ich wusste es ja, doch aus seinem Mund klang es wie purer Hohn, er war nicht MEIN Großmeister! „Wie ich hörte, habt ihr Master Kenway auf eurer Überfahrt nach Boston letzten Jahres kennengelernt, Miss Alberts?“ wieder war da so ein Unterton, welcher mich wütend machte. „Ja, habe ich. Habt ihr damit ein Problem?“ es fiel mir immer schwerer mich zu beherrschen und ich wusste nicht, warum!
„Nein, nicht im Geringsten. Mich würde nur interessieren, was er euch erzählt hat?“ Ahhhh, daher wehte mal wieder der Wind, genau wie meine Tante und mein Vater damals hellhörig geworden sind. „Nichts, wir haben uns über Bücher unterhalten, haben eine Meuterei verhindert und versucht unsere Leben zu verteidigen!“ gab ich eine kurze und präzise Auskunft über die Vorkommnisse auf der Providence! „Das ist mir zu Ohren gekommen, die Assassinen hatten sich an Master Kenway gehängt, nachdem er...“ doch William fuhr zu meinem Erstaunen fort. „Ach ja, der Mord in der Oper!“ und ein Grinsen ging über sein Gesicht, im Grunde schien jeder davon erfahren zu haben!
Etwas zerknirscht gab er zu, dass Haytham nicht ganz so verdeckt gehandelt hatte, wie er sollte. Also war er doch nicht der Musterschüler, welchen sich Reginald erhofft hatte? Niemand ist perfekt, auch wenn man sich immer wünscht irgendwann die Perfektion in Reinkultur sein zu können. „Ja, genau DER! Doch genug davon! Wir müssen jetzt hier vor Ort versuchen, diesen Assassinen Einhalt zu gebieten! Wie gesagt, der derzeitige Papst hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Edensplitter zu bewachen!“ Und nun kam die Erzählung, welche ich als Kind oft gehört hatte, von dem Sagenumwobenen Ezio Auditore!
Er war im Laufe seines Lebens an einige Artefakte geraten, auch wenn er es nicht immer bemerkt oder gewusst hatte. Eines sollte hier in Rom sein, doch wo und WAS es war, entzog sich unser aller Kenntnis! Eine Schatulle war ihm in späteren Jahren auch untergekommen, welche aber nach China gegangen sein muss. Die Umstände, wie es dazu kam, konnte uns der Großmeister nun auch nicht erklären, weil es keine schriftlichen Hinterlassenschaften gab. Ärgerlich, muss ich gestehen! Ich hätte es gerne gewusst!
Zu Ezios Zeit waren immer die Templer hier die vorherrschende Macht, was sich vor gut 100 Jahren geändert hatte, als plötzlich ein junger Emporkömmling sich an die Spitze der katholischen Kirche setzte! Papst Clemens X. war ein Assassine und hatte es geschafft, sich diese Position zu sichern und ebnete damit bis heute den Weg für die Bruderschaft in Italien und auch anderen Regionen! Dadurch wurden die Templer jedoch immer weiter in den Hintergrund gedrängt, bis sie schließlich fast ganz verschwanden. Doch es schwelte immer noch eine kleine Flamme im Untergrund, es gab kleinere heimliche Gruppierungen, welchen es aber an Tatkraft und Geld mangelte.
„Jetzt wisst ihr auch, warum es wichtig ist, dass ihr beide Erfolg habt! Ich unterstütze euch ebenfalls gerne, doch ich gehe davon aus, dass Master Capon euch auch schon ein wenig eingewiesen hat?“ kam es jetzt freudig neutral von dem Engländer. „Ja, er hat es versucht.“ meinte William neben mir zögerlich und mir fiel auf, dass Nicodemo noch nicht hier war. Das war unüblich und ich fing an mir Sorgen zu machen! „Wo ist er überhaupt?“ fragend sah ich mich um, sein Zimmer war ein Stockwerk über unseren und ich hatte ihn nicht gehört oder gesehen.
Alarmiert sah uns Master Birch an, stand abrupt auf und meinte nur „Da stimmt etwas nicht!“ und eilte hinauf! Woher wusste er, WO der italienische Großmeister sein Quartier hatte? Doch es war keine Zeit für derlei Gedanken und wir gingen hinterher! Oben vor seinem Zimmer klopfte Birch, doch es regte sich nichts! Noch einmal lauter an das Holz hämmern... immer noch keine Regung! Die Tür war jedoch verschlossen, wie Reginald beim Probieren feststellte und kurzerhand diese dann eintrat. Für sein Alter doch noch sehr gelenkig, ging es mir durch den Kopf!
Bereits beim Eintreten trat uns ein widerlicher Geruch entgegen, nach Apfelkernen könnte man ihn beschreiben! Und es roch nach Exkrementen! Würgend öffnete Master Birch die Vorhänge und riss die Fenster auf!
Uns bot sich ein Bild der Verwüstung und... Nicodemo lag nur mit seinem Nachthemd bekleidet auf dem Bett! Auf seinen geöffneten Lippen sah man weißen Schaum, welcher schon angetrocknet war, seine Augen waren aufgerissen und starrten ins Leere! Langsam ging ich auf das Bett zu und wie in Trance versuchte ich ihn zu wecken, ich rüttelte an seinem Körper... ich versuchte ihn zurück zu holen... doch es war vergebens! Meinen Körper durchströmte eine Kraft, welche Wunden heilen konnte, doch vermochte sie nicht, Tote wiederzubeleben! Ich schlug mit meiner Faust immer und immer wieder auf das Herz von Master Capon, in der Hoffnung es würde wieder anfangen zu schlagen.
„Isabelle!“ hörte ich die entsetzte Stimme von William, welcher mich fest im Griff hatte. „Was tut ihr denn? Er ist tot! Wir können nichts mehr für ihn tun!“ ich versuchte mich aus seiner Umarmung loszureißen und wollte weiter versuchen, diesem armen Mann zu helfen... „Nein, lasst gut sein! Isabelle!“ schrie er mich an und ich hatte seien flache Hand auf meiner Wange! Jetzt war es an mir, entsetzt drein zuschauen und ich starrte auf den Leichnam, dann auf William und... als ich Reginald sah, wurde ich wieder wütend. Sein Gesicht zeigte keine Regung, es sah aus, als wäre er zufrieden, dass Nicodemo nichts mehr sagen konnte.
Bevor ich jedoch etwas unternehmen konnte, zerrte mich meine Reisebegleitung aus dem Zimmer und die Stufen hinab zum Schankraum! „Isabelle! Nun kommt erst einmal zu euch! Wir werden das sicherlich aufklären! Beruhigt euch und trinkt das hier!“ er reichte mir einen Becher mit einem widerlich riechendem Zeug, was ich als Kräutermischung mit Alkohol ausmachte. Doch besser als nichts, dachte ich nur und kippte es in einem Zug hinunter! Es brannte wie Feuer in meiner Kehle, aber ich kam wieder im Hier und Jetzt an!
Mein Blick glitt entschuldigend zu William. „Ich... ich wollte nicht so aus der Haut fahren. Aber es war mit einem Male so frustrierend, dass ich ihm nicht mit meinen Kräften helfen konnte!“ und mir stiegen die Tränen in die Augen, Master Capon war tot und es tat mir weh, auch wenn ich ihn noch nicht lange kannte. „Er wird mir auch fehlen, im Grunde scheint er der einzige Mensch gewesen zu sein, welchem wir hier wirklich vertrauen konnten!“ hörte ich Clarksons leise Stimme und auch er klang traurig und enttäuscht!
Wir beschlossen, wieder hinauf zu gehen. Es musste aufgeklärt werden, ob Nicodemo eines natürlichen Todes gestorben ist, oder ob jemand Hand angelegt hatte. „William, euer Sinn! Könnt ihr nicht versuchen, eventuell Spuren zu finden oder ähnliches. Ich weiß ja nicht, zu was ihr noch in der Lage seid. Aber auf einen Versuch könnte man es doch ankommen lassen?“ Dieser Gedanke schien auch meinen Begleiter auf eine Idee gebracht zu haben und gemeinsam betraten wir die Kammer von Master Capon.
Reginald hatte jetzt alle Fenster geöffnet und meinte in einem Plauderton, er hätte schon nach dem Totengräber geschickt! „Wir sollten versuchen, herauszufinden, wer ein solches Interesse an diesem Mann hatte.“ Das fragte er sich nicht wirklich ernsthaft oder? Es muss die hiesige Bruderschaft gewesen sein, welche uns die ganze Zeit schon aus dem Weg räumen wollte! „Da mögt ihr Recht haben, Master Clarkson. Dennoch sollten wir eine Untersuchung anstellen.“ und dann fing er an, in dem Durcheinander von herausgerissenen Dingen aus dem Schrank, den Schubladen und dergleichen weiter zu suchen. Ich selber hatte Skrupel in den persönlichen Sachen von Master Capon zu schnüffeln, auch wenn es hier wichtige Hinweise geben könnte.
Ich brauchte aber gar nicht mithelfen, William wurde schon nach zwei Handgriffen fündig. Unter einem Haufen, welcher nach getragener Kleidung aussah, lag eine Art Notizbuch. Er schlug es auf und wollte gerade mit dem Lesen beginnen, runzelte aber sofort die Stirn und schüttelte grinsend den Kopf! „Ich hätte es mir denken können, es ist auf italienisch verfasst! Was machen wir jetzt?“ er sah von mir zu Reginald, welcher ihm das Büchlein sogleich aus der Hand riss und an sich nahm. „Ich denke, wir werden einen geeigneten Übersetzer hier finden!“
„Lasst mich bitte einen Blick darauf werfen, Master Birch!“ bat ich ihn, weil mir wieder diese Art nicht gefiel, wie er es verstohlen in seine Rocktasche stecken wollte! „Miss Alberts, ihr habt selber...“ ich griff einfach danach bevor er noch weiter sprechen konnte und sein Blick wurde eisern. Mit Widerworten konnte er anscheinend nicht so gut umgehen! Als ich es in meinen Händen hielt, war es, als durchströmte mich eine Wärme und ich konnte die Gegenwart von einer weiteren Person plötzlich fühlen! Ich schlug das Büchlein auf und sah auf die geschriebenen Worte. William stand neben und ergriff meinen Arm, in diesem Moment verschwommen die Buchstaben und plötzlich ergaben sie einen neuen Sinn. Sie formten sich zu neuen Wörtern, welche wir verstanden und lesen konnten.
…
Es beschämt mich, mir eingestehen zu müssen, dass ich versagt habe. Ich habe den Verräter in den eigenen Reihen nicht gleich erkannt, obwohl ich es hätte wissen müssen.
Er treibt schon lange ein falsches Spiel um an sein Ziel zu gelangen, er geht sogar seit Jahren dafür ohne Skrupel über Leichen. Mich jedoch scheint man verschonen zu wollen, warum auch immer. Doch ich befürchte, sobald ich die beiden Kinder, es sind eigentlich schon erwachsene Leute, auf ihren rechten Weg geschickt habe, sollte ich auf der Hut sein!
Warum in drei Teufels Namen hat niemand diese beiden Menschen über ihre Verpflichtungen, über ihre Fähigkeiten oder Familienbande aufgeklärt? Warum bleibt diese Aufgabe nun an mir hängen? Beizeiten sollte ich Master Alberts und Master Clarkson dringend einen Besuch abstatten und auf Antworten pochen! Bis dahin wird jedoch noch eine schwere Zeit vor uns liegen und wir müssen den Orden erst einmal wieder hier in Rom und explizit in Italien wieder stärken. Vorher wäre das ganze Unterfangen einfach nur dem Tode geweiht und würde sofort wieder untergehen.
Als erstes müssen wir diese Mittelsmänner von Papst Benedikt XIV aus dem Weg räumen, welche sich hier in großer Zahl herumtreiben und uns immer wieder im Weg stehen.
Danach sollten wir versuchen nach und nach die einzelnen Gruppierungen der Bruderschaften in den verschiedenen Orten zu dezimieren und zu schwächen. Erst dann können wir einen Versuch und Vorstoß auf den inneren Kreis der Assassinen wagen!
Bis jetzt habe ich leider noch keine Spur oder Hinweis darauf, WER genau ein unmittelbarer Untergebener des Assassinen-Großmeisters Lorenzo ist. Da bedarf es weiterer Nachforschungen!
…
Weiter kam ich leider nicht, man entriss mir diese Notizen mit einem wütenden „Ihr habt mich belogen, Miss Alberts! Ihr beherrscht sehr wohl andere Sprachen!“ Zufrieden, dass ich weitaus mehr Fähigkeiten hatten, als ich geahnt hatte, sagte ich einfach ziemlich frech „Habt ihr Angst, ich könnte über eure Absichten hier drin etwas erfahren?“ und funkelte den Briten dabei herausfordernd an. „Miss Alberts, treibt es nicht auf die Spitze!“ jetzt stand dieser auf Etikette achtende Mann nur wenige Zentimeter von mir entfernt und starrte mich aufgebracht weiter an.
„Was passiert dann, Master Birch? Wollt ihr mich auch umbringen?“ plötzlich schüttelte ich mich, so als wäre ich aufgewacht und wurde mir meiner Worte erst gewahr. Was war in mich gefahren? Doch mein Gegenüber registrierte meine Gefühle und meinen Sinneswandel, weil ich mich nicht richtig unter Kontrolle hatte! Wieder hatte er einen Trumpf im Ärmel wegen meiner Untrainiertheit und nutzte diesen auch aus. „Ihr seid wirklich nicht auf den Mund gefallen, dass hat mir euer Vater bereits mitgeteilt. Doch hütet eure Zunge, wenn ihr euch nicht wirklich sicher seid, bevor ihr irgendwelche infamen Anschuldigungen von euch gebt!“ für einen winzigen Moment hatte ich die Befürchtung, er würde mir eine Schelle verabreichen wollen für meine unverschämten Worte.
Doch sie waren in meinen Augen gerechtfertigt, tief in mir war ich mir dessen bewusst! Aber die Beweise fehlten! Also wäre das die nächste Station um die wir uns kümmern sollten! Fürs erste sollte ich wohl meine Worte weise wählen, ich wollte Birch nicht unnötig herausfordern.
Aber in Gedanken arbeitete ich bereits den Brief für meinen Vater aus und ich sah, dass William ebenfalls so etwas plante! Seine Hand ruhte immer noch auf meinem Arm und im Stillen kamen wir dann überein, dass dieser Mann uns nicht aufhalten wird.
Wir sollten uns wieder dem Verstorbenen widmen und begannen, in seinem Zimmer weiter zu suchen. William sah sich Master Capons Leichnam hingegen genauer an und zog hier und da ein Stück Stoff beiseite, beugte sich weiter herunter, um etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Ich konnte sehen, dass er seine Fähigkeit einsetzte und diesen Verstorbenen genauestens analysierte. In diesem Raum selber wurden wir aber nicht wirklich schlauer und das kleine Buch hielt Reginald vehement fest.
In Williams Gesicht zeichnete sich immer mehr Skepsis ab und er sah sich im Raum um. Ging um das Bett herum, sah darunter nach, nahm den Nachttisch in Augenschein und wandte sich dann zu dem kleinen Tisch um, der vor dem Fenster stand. Master Capon musste dort wohl sein Abendessen eingenommen haben, weil dort noch die Schüssel stand mit einer Suppe darin. Als mein Reisebegleiter diese an seine Nase hielt, verzog er das Gesicht und fing an zu husten. „Du meine Güte, kochen können die Italiener aber wirklich nicht!“ meinte er angewidert und hielt mir die Suppe unter die Nase.
Sie verströmte einen wirklich ekelhaft beißenden Geruch! WAS bitte war denn das für ein Gericht? Als ich in Reginalds Richtung sah, bemerkte ich eine leichte Nervosität plötzlich, welche er versuchte zu überspielen, in dem er die hiesige Köchin verspottete. „Wir sollten Miss Claudia das gute britische Essen einmal vorsetzen!“ sein Lachen klang so fehl am Platz, dass es mich schüttelte. „Master Birch, was ist nur in euch gefahren?“ fragte Master Clarkson nun etwas vorsichtig nach, dieser Mann machte wirklich den Eindruck, als würde etwas nicht mit ihm stimmen!
Bevor er jedoch etwas sagen konnte, sackte er auf seine Knie und fiel vornüber. Seine Perücke verrutschte und wir sahen einen kleinen Pfeil in seinem Nacken stecken. Master Birch hatte mit dem Rücken zu dem geöffneten Fenster gestanden! Mit schnellen Schritten war ich dort und sah mich um. Doch niemand war mehr zu sehen und als William neben mich trat, um mir mit seinem Adlerblick auszuhelfen, konnten wir keinen Angreifer ausmachen! Verdammt!
„Ich hole eine der Wachen und wir bringen Reginald erst einmal in einem anderen Zimmer unter. Ich wüsste nicht, wo er eine Unterkunft bezogen haben könnte.“ sprach William und kam kurz darauf mit einem Helfer wieder. Mittlerweile hatte ich den Großmeister auf den Rücken gedreht und den Pfeil entfernt, welcher vermutlich mit einer Art Schlafmittel getränkt war. Bevor man Birch aber wegbrachte, schnappte ich mir Master Capons Notizbuch wieder! Ich erntete ein Kopfschütteln und ein breites Grinsen vom jungen Clarkson. „Schaut nicht so, aber vielleicht kann ich doch noch etwas herausfinden!“ Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich diesen Gedanken im Kopf, dass es besser wäre, Reginald in Ketten zu legen, bevor er wieder aufwacht. Doch das würde zu Missverständnissen führen und wir sollten vermutlich noch ein wenig abwarten!
Mittlerweile war der Totengräber eingetroffen mit ein paar Trägern, welche nun den Leichnam in einen einfachen Sarg verbrachten. „Wo wird Master Capon jetzt hingebracht?“ wollte ich wissen. Der Herr sah mich erstaunt! „Natürlich zu seiner Familie, Miss! Seine Frau wird sicherlich die Totenwache halten und sich verabschieden wollen!“ Er war verheiratet? Aber auch William schien das nicht gewusst zu haben. „Ja, aber wo wohnte er denn? Wir wussten gar nicht, dass er eine Frau hat!“ hörte ich mich leise sagen, weil mir seine Gattin unendlich leid tat!
Verzweifelt sah ich meine Begleitung an, aber auch er wusste nicht so recht, was wir nun machen sollten. „Macht euch darüber keine Gedanken, Miss. Ich kannte Nicodemos schon lange und auch seine Familie! Wenn ihr möchtet, dann könnt ihr uns auch begleiten! Familie Capon lebt etwas außerhalb der Stadt auf einem kleinen Bauernhof.“ erklärte der Totengräber freundlich und lächelte mich auffordernd an. „Das sollten wir tun, doch wir sollten etwas abwarten, bis Master Birch wieder bei Sinnen ist!“ kam es mir in den Sinn.
„Wir werden ihm eine Nachricht hierlassen. Er kann ja nachkommen, wenn er es wünscht. Meinetwegen kann er aber auch ...“ William sprach nicht weiter, weil ihm bewusst wurde, dass Fremde im Raum anwesend waren. „Isabelle, verfasst ein kurzes Schreiben und dann werden wir den Herren folgen. Ich lasse schon einmal die Pferde satteln!“ Und damit ging er zusammen mit dem Totengräber und den Trägern hinunter! Ich stand für einen Moment perplex in diesem Zimmer und wusste für einen Moment nicht, wohin mit mir.
Die Herbergswirtin wird sicherlich dieses Chaos hier beseitigen, wir hatten ihr schon Bescheid gegeben, dass Master Capon verstorben ist. Ich ging in mein Zimmer und schrieb ein paar Zeilen für Master Birch, dass wir auf dem Weg zu Familie Capon waren. Eine Adresse hatte ich leider nicht, welche ich angeben konnte. Wie ich aber den Großmeister einschätzte, er würde sich durchfragen oder vermutlich schon wissen, WO der Verstorbene lebte. Vor seinem Zimmer hatte ich eine Wache postiert, die mich nun freundlich einließ. Reginald lag immer noch schlafend auf dem Bett und ich beließ es dabei, legte die kleine Notiz auf den Nachttisch und ging dann.
Vor der Herberge erwartete mich William bereits, sodass wir dem Karren mit dem Toten folgen konnten. Jetzt wo ich mit meinem Begleiter ein wenig ungestört war, fragte ich einfach, was er herausgefunden hatte und ob er auch der Meinung sei, Capon ist an einer Vergiftung gestorben. „Ich glaube auch, man hat ihm etwas in die Suppe getan. Dieser Geruch war widerwärtig, findet ihr nicht? Kennt ihr Kräuter die so penetrant beißend in der Nase kratzen?“ fragte er und schüttelte sich dabei wie ein nasser Hund.
„Ich habe leider kein Wissen über Kräuter oder Pflanzen, wir könnten versuchen über einen Arzt oder Heiler etwas in Erfahrung zu bringen.“ äußerte ich meine Gedanken. „Wahrscheinlich wird Nicodemos Frau uns da aushelfen können. Sie kennt sich vielleicht hier aus!“ fuhr ich fort. „Aber warum hat Master Capon nie von seiner Frau erzählt?“ grübelte jetzt William weiter und sah mich fragend an. „Das weiß ich nicht, William. Vermutlich weil er unter diesem Einfluss der Kräuter stand, welche ihm Master Bruno immer wieder verabreicht hatte.“
In diesem Moment schoss es mir wie ein Blitz in den Kopf! „William, wir müssen dringend die Unterkunft von Levio aufsuchen, bevor die Assassinen sie leerräumen können und wir nicht mehr fündig werden!“ Neben mir vernahm ich ein „Verdammt, daran habe ich in der Aufregung gar nicht mehr gedacht!“ Doch er konnte nicht weitersprechen, da der Totengräber plötzlich anhielt und uns schief über seine Schulter angrinste! „Ihr seid ja doch nicht auf den Kopf gefallen! Vergesst es! Ihr werdet ganz bestimmt nicht in seinen Sachen herum schnüffeln!“
Damit war er von dem Karren gesprungen und seine Helfer hatten ihre Waffen gezückt! Entsetzt sah ich von einem zum anderen, da mir klar wurde, dass ich nur ein kleines Messer in meiner Rocktasche hatte. Ich war unbewaffnet. Nur William hatte Schwert, Dolch und Pistole am Mann.
Ich schwang mich schnell von meinem Pferd und griff nach meiner Waffe. Der Totengräber ging sofort auf mich los, weil er mich vermutlich für ungefährlich hielt, doch ich konnte ihn eines Besseren belehren! Er hieb mit seinem Schwert nach mir, ich konnte mich aber darunter weg ducken und so kam ich neben ihn. Gerade als ich mein kleines Messer in seine Seite rammen wollte, wirbelte er in meine Richtung und hieb mit seinem Schwert erneut nach mir. Mit meinem linken Unterarm blockte ich diesen Schlag, was mir eine schmerzhafte Wunde einbrachte und mich für einen Moment ablenkte.
Dieser Herr attackierte mich weiter, ohne Rücksicht zu nehmen, warum sollte er auch? Ich versuchte immer wieder zu kontern, zu blocken... es war ermüdend. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie William ebenfalls mit den drei Herren alle Hände voll zu tun hatte! Und dann hatte ich das Glück auf meiner Seite und der Totengräber war ins Straucheln geraten, gerade als er fast über ein Loch im Weg fiel. Mit vorgestreckter Messerhand hielt ich auf ihn zu und konnte einen Treffer landen. Bis zum Schaft war mein Messer in seine linke untere Seite eingedrungen und in seinem Gesicht sah ich Erstaunen.
So als wäre nichts gewesen, machte er weiter und begann mich wieder anzugreifen. Die Wunde war also nicht tief genug. Ich musste ihm seinen Dolch, welchen er noch gar nicht benutzte, irgendwie entwenden! Also tänzelte ich um ihn herum und er folgte mir und hieb immer wieder nach mir. Verdammt, so wird das nichts., dachte ich nur und ging einfach frontal wieder auf ihn los! Dieses mal konnte ich mich so drehen, dass ich den Dolch zu packen bekam und ihn aus der Scheide riss. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ ich ihn in meiner Hand mit der Spitze nach oben schnellen und stach einfach zu, gerade als der Totengräber seinen Arm hob. Sein Dolch traf ihn in seine Achseln und er schrie vor Schmerzen auf und taumelte etwas zurück.
Jetzt hatte ich meine Gelegenheit und ich nutzte sie, ich stach einfach nur noch auf diesen Mann ein. Ich brachte ihn zu Fall, indem ich hinter ihn rutschte auf meinen Knien und die Dolchschneide seine Kniekehle durchtrennte. Diese Waffe war gut geschliffen, was mich freute. Mit meinem ganzen Gewicht hockte ich mich auf meinen Angreifer und malträtierte ihn mit seiner eigenen Waffe. Ich war in einer Hochstimmung, welche ich nicht erklären konnte, ich labte mich an seinem Leid und in diesen Augen, welche vor Entsetzen aufgerissen waren, sah ich das Leben langsam schwinden!
Jemand schrie mich an „Isabelle! Bringt ihm seinen Frieden, Herr Gott nochmal!“ warum sollte ich? Wer sich mit mir anlegt, wird eine Lektion erteilt bekommen! Noch einmal „Isabelle! Wacht auf!“ unsanft wurde ich von meinem Opfer herunter gezogen und landete rücklings im Staub des Weges! Gerade als ich mich aufrappeln wollte und meine Tat beenden wollte, hielten mich zwei Arme fest und zogen mich weg von diesem … Blutbad! Langsam wurde ich wirklich wach... ich sah auf die vier Toten hinunter. Das Gesicht des einen war bis zur Unkenntlichkeit entstellt...
Ich ließ angewidert die Waffen fallen und wischte meine blutigen Hände an meinem Kleid ab! Ich konnte mich nur noch zur Seite drehen und übergab mich heftig! DAS konnte ich nicht gewesen sein! Ich war nicht so... „Isabelle.“ hörte ich die leise Stimme von William hinter mir und seine Arme schlangen sich wieder um mich. „Wir werden herausfinden, warum ihr in Kämpfen so unkontrolliert handelt! Bis dahin müssen wir hier aber für Ordnung sorgen und dann möglichst schnell zur Unterkunft zurückkehren!“ ich nickte nur und folgte ihm zu den Toten.
Wir legten sie auf den Karren, wo auch der Sarg von Master Capon stand. „William, was sollen wir denn jetzt mit ihm machen? Er braucht ein anständiges Begräbnis. Ich vermute, er ist wirklich nicht verheiratet. Das war, mal wieder, eine Falle!“ Allmählich hätte ich gerne eine Aufklärung, was das hier eigentlich alles werden sollte! „Uns fehlen die Ansprechpartner! Ich befürchte, wir müssen auf Master Birch fürs erste zählen. Auch wenn er hinter dem Mord an Capon stecken sollte, Isabelle!“ die letzten Worte kamen etwas lauter in meine Richtung.
Nun gut, dann sollten wir halt mit diesem Engländer erst einmal Vorlieb nehmen. Also machten wir uns mit dem Karren und unseren Pferden im Schlepptau auf den Weg zurück zu unserer Herberge. Man sah uns misstrauisch an und beäugte neugierig den Karren, doch es lag eine Plane über den Toten. Angekommen baten wir zwei der Wachen nun, ein Auge auf das Gefährt zu haben, bis wir wissen, was weiter passieren sollte.
Im Schankraum sahen wir bereits Reginald, welcher ziemlich blass im Gesicht war und in eine Tasse mit etwas Heißem starrte. Erst als wir bereits an seinem Tisch standen, bemerkte er uns und sah uns erstaunt an. „Master Clarkson, Miss Alberts! Ich habe mir Sorgen gemacht! Eure Nachricht sprach von...“ ich ließ ihn nicht ausreden.
„Ja, wir wissen jetzt, dass Master Capon NICHT verheiratet war. Das war wieder ein Hinterhalt für uns! Und jetzt will ich Antworten von euch, Master Birch! Und ich rate euch gut, sprecht die Wahrheit, ich bin heute nicht mehr in guter Verfassung...“ in diesem Moment wurde mir klar, warum die Menschen auf der Straße mich so seltsam angesehen hatten. Ich sah an mir herunter! Mein Kleid war voller Blut und meine Hände waren auch noch verschmiert!
„DAS sehe ich, Miss Alberts!“ kam es scharf vom Briten und auch er musterte mich von oben bis unten. William hingegen schien kaum etwas abgekommen zu haben, was ich erstaunlich fand. Beizeiten sollte er mir diesen Trick verraten. Fürs erste ging ich mit einer Entschuldigung hinauf und zitierte Sarah zu mir, welche mich mit großen ungläubigen Augen musterte. „Miss Alberts! Wie... um Himmels Willen, was ist euch denn passiert?“ sie schüttelte nur den Kopf und begann ohne weitere Worte, mir beim Entkleiden zu helfen. Gewaschen und in ein sauberes Kleid gesteckt konnte ich wieder zu den beiden Herren im Schankraum.
Beide waren in ein Gespräch vertieft und ich sah, dass William nicht mehr diesen grimmigen Ausdruck im Gesicht hatte, wenn er mit Reginald sprach. Ich hoffte auf eine Erklärung und die bekam ich, nachdem uns die Wirtin das Mittagessen gebracht hatte. „Miss Alberts, ihr müsst mich entschuldigen. Zuerst platze ich hier so einfach in eure Suche herein und dann kommt auch noch Master Capon ums Leben. Aber ich kann euch versichern, ICH habe nichts damit zu tun. Ich bin tatsächlich erst heute früh, gegen 6 Uhr hier angekommen, mein Begleiter, Mr. Harrison wartet noch in unserer Unterkunft. Ihm habe ich aber bereits eine Nachricht zukommen lassen und auch die Wachen habe ich zu Master Brunos Unterkunft geschickt, damit sie dort niemanden in dessen Räumlichkeiten lassen.“ er seufzte schwer und sah mich weiterhin mit einem entschuldigenden Blick an.
„Warum aber habt ihr mir die Notizen von Master Capon so entschieden weggenommen? Wenn doch nichts über euch darin steht?“ fragte ich aus reiner Neugierde nach und bekam eine Antwort, aber nicht von Birch sondern von William. „Master Birch wusste um die Einträge, war sich aber nicht sicher inwieweit wir bereits involviert waren. Zudem stehen dort auch einige Name der hochrangigen Assassinen drin, welche es zu beseitigen gilt. Außerdem und dass ist das wichtigste, Master Capon hat einige Skizzen des Untergrundes angefertigt und auch von einigen Artefakten! Er wusste, WO der Edenapfel zu finden ist, Isabelle!“ in seiner Stimme klang eine solche Euphorie, dass ich gewillt war, den beiden zu glauben.
Dieser Gedanke beunruhigte mich erneut, vermutlich hatte Master Bruno ebenso Einsicht in die Aufzeichnungen von Nicodemos bekommen, wenn er wieder unter dem Drogeneinfluss stand! Somit wussten die Assassinen auch Bescheid! So langsam schwirrte mir der Kopf, wenn ich ehrlich sein sollte.
Doch mein Misstrauen wollte nicht so ganz verschwinden. „Das mag ja alles ganz nett sein. Aber warum ward ihr vorhin, als wir Nicodemos fanden so kalt und ungerührt?“ In Reginalds Augen lag mal wieder ein Grinsen, als wäre ich zu dumm, diese Reaktion zu verstehen. Und schon war ich wieder in Rage und... eine Hand legte sich auf meinen Unterarm. „Miss Alberts, was glaubt ihr, wie viele Tote ich in meinem Leben schon zu Gesicht bekommen habe? Wie oft ich an Tatorten war, bei denen es einem mehr als Übel werden konnte? Meine Ungerührtheit, wie ihr es nennt, war ein reines nüchternes Betrachten der Szenerie!“ diese Worte kamen leise und in keinem belehrenden Ton. Es klang eher so, als wolle er mich einweisen, diese Fähigkeit zu erlernen.
„Ich weiß, ihr werdet mir vermutlich nie ganz über den Weg trauen, Miss Alberts. Das müsst ihr auch nicht. Für die Zeit jedoch, welche wir nun gemeinsam verbringen müssen, solltet ihr eure Gefühle hinten anstellen. Im Gegenzug kann ich anbieten, euch und Master Clarkson zu unterrichten, wie man den Geist und sein Gesicht verschließt. Man darf die Emotionen nicht immer so direkt zeigen, ich erwähnte es ja schon. In einem Verhör darf euer Gegenüber nicht wissen, was ihr denkt oder fühlt!“ ich sah ihn immer noch an und versuchte aus ihm schlau zu werden.
Dann würden wir jetzt eine Art Waffenstillstand vereinbaren! Ich hoffte, dass wir damit nicht noch mehr Ärger anziehen würden!
Das restliche Essen verlief schweigsam und als wir fertig waren, bat uns Master Birch, unsere Sachen zu packen und mit in seine Unterkunft zu ziehen. Natürlich nur solange wie wir hier in Rom verweilen würden. In den kommenden Tagen werden wir wohl nach Florenz oder Venedig aufbrechen, dort herrschte für die Templer auch das reinste Chaos. Das wussten wir ja schon, doch auch hier mussten wir irgendwie klar Schiff machen.
„Ich werde mit euch die einzelnen Brüder und Schwestern aufsuchen. Ein Schreiben oder ein Bote wären zu unsicher. Im Moment haben sich alle zurückgezogen, um nicht in die Schusslinie zu kommen. Ich hoffe, wir können sie überzeugen, sich uns anzuschließen. Die Assassinen haben derzeit die Überhand, weil die Kirche involviert ist und das müssen wir ändern. Schnellsten, wenn ihr mich fragt.“ ich konnte spüren, dass er es leid war, immer wieder an die Bruderschaft zu geraten und an Boden zu verlieren.
Wir ließen unsere Sachen packen und folgten dann mit einem einfachen Karren, unserem Gepäck und unseren beiden Dienern Reginald in seine Herberge. Unseren Wirten hinterließen wir eine gut gefüllte Geldbörse als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten und entschuldigten uns auch noch bei ihnen. „Bitte empfehlt uns nicht euren Freunden weiter!“ kam es maulend von der Frau des Herbergswirtes. Nein, würden wir nicht, keine Sorge.
Die Fahrt dauerte nicht lange, nach einer dreiviertel Stunde waren wir am Ziel und ich staunte nicht schlecht. Es war eine größere gepflegte Villa, welche in Weiß getüncht war und mit geschmackvollen Blumenkästen vor den Fenstern sehr einladend aussah! Die Unterbringung würde vermutlich ein Vermögen kosten, mutmaßte ich in meinem Kopf. In der Gaststube wurden wir freundlich begrüßt und Reginald erzählte, in fließendem Italienisch, dass er noch zwei weitere Zimmer und jeweils eine Kammer für die Diener benötigen würde. Er lächelte uns an und reichte der Wirtin eine Geldbörse, mit den Worten, wenn noch etwas zu begleichen wäre, solle sie sich an ihn direkt wenden.
Man brachte unser Gepäck hinauf und wir bezogen unsere neuen Räumlichkeiten. Die Wachen, welche noch übrig waren, wurden entsprechend postiert und instruiert. Mein Zimmer lag wieder direkt neben Williams, jedoch dieses mal ohne eine Durchgangstür. Warum mich das jetzt störte, kann ich gar nicht sagen. Aber es war so.
Als alles verstaut war, entließ ich Sarah fürs erste und ging mit William wieder hinunter. Reginald erkundigte sich, ob die Zimmer uns zusagten. „Diese Herberge habe ich vor einigen Jahren schon einmal bewohnt, als ich mit Master Kenway auf Reisen war.“ in seiner Stimme klang ein wenig Nostalgie mit und ich mag mich täuschen, aber es klang ein wenig wehmütig.
Nun konnten wir uns auf den Weg machen und besuchten gleich ein Ordensmitglied, das nur ein paar Häuser weiter wohnte. Ebenfalls, wie es schien, ein wohlhabender Mann, wenn man sich das Anwesen so ansah. „Mir gefällt der Baustil hier in Italien.“ hörte ich William leicht verträumt sagen, als er an der Fassade entlang sah. „Die Italiener haben einen guten Geschmack, was Farben und Formen angeht.“ Besagter Bruder war auch zugegen und man brachte uns in den Familiensalon.
Kurz darauf erschien ein Mann mittleren Alters, am Arm seine Frau, vermutlich im selben Alter. Master Ovidio Giordano, 54 Jahre alt, ungefähr 1,80 groß und mit kurzen braunen Haaren. Sein Auftreten war freundlich und herzlich, aber nicht aufdringlich, das gefiel mir. Reginald kam aber schnell zum eigentlichen Punkt und wir bemerkten, die beiden müssen sich schon eine Weile kennen.
William und mir wurde erklärt, dass Master Giordano als Nachfolger für Nicodemos eingesetzt werden soll. Sein Rang ist derzeit der höchste, neben den anderen Mitgliedern und er hat sich bereits mehrfach bewährt und gezeigt, dass er dem Orden gegenüber mehr als loyal ist. Doch darauf gingen die beiden Herren nicht weiter ein, sondern warfen sich nur wissende Blicke zu. Wie ich diese Art hasste, mich außen vor zu lassen! Ich schluckte meinen Ärger hinunter und lächelte die beiden Herren an.
Wir erklärten ihm noch unser Vorhaben, nämlich den Orden hier wieder zu etablieren und dass wir dafür die Unterstützung aller verfügbaren Männer und Frauen bräuchten. „Das wird kein Problem sein. Ich werde die nächsten Tage alle Brüder und Schwestern aufsuchen und sie in diese neuen Pläne einweihen. Seid versichert, Master Birch, wir werden uns wieder erheben und dieser Bruderschaft endlich Einhalt gebieten!“ er klang in meinen Ohren sehr überzeugend und ich glaubte ihm.
„Dann werden wir euch alsbald zum Großmeister ernennen, Ovidio. Wir brauchen eine feste Hand hier. Der Rest wird sich dann sicherlich anschließen und dann können wir die ersten kleineren Handlanger zur Strecke bringen!“ Reginald war ebenso erfreut und auch in seiner Stimme klang diese Überzeugung mit, welche ansteckend war. Im Grunde war Reginald dem Orden hier zu nichts verpflichtet, vermutlich war es einfach eine moralische Sache, die ihn dazu bewog, hier mitzuhelfen.
Ein Thema war aber nun etwas unangenehm, wir bräuchten die Hilfe eines Totengräbers und ich wollte mich um die Kräuterkunde kümmern. „Miss Alberts, meine Frau besitzt großes Wissen über Kräuter und Pflanzen. Sie kann euch sicherlich auch Auskunft geben denke ich.“ kam es stolz von Ovidio und genauso sah er auch seine Gattin an. Diese errötete leicht und erklärte ihr Wissen, nein, sie rechtfertigte es schon fast. „Ich habe mich mit diesen Dingen schon seit meiner Jugend beschäftigt. Meine Eltern haben es aber nicht gerne gesehen, da man eines unserer Dienstmädchen aufgrund ihres Wissens über die Heilkunde als Hexe gebrandmarkt hatte.“
Mir erschloss sich nie, warum man Frauen, die im Grunde nur helfen wollten, immer als böse darstellte. Aber wenn es darum ging, dass sie das Bett warm hielten und den Haushalt führten, da waren sie wieder gut genug, doch auch dort gab es Zweifler! Aber ich komme von der Geschichte ab.
Ich verabredete mich mit Mistress Giordano für morgen Vormittag und die Herren besprachen einen Termin in einer Woche, wo wir uns alle wieder treffen würden. „Master Birch, wir sollten uns lieber einen neuen Treffpunkt suchen. Der alte wird sicherlich bereits bewacht oder ist schon in den Händen der Bruderschaft. Ich schlage vor, wir nutzen mein kleines Haus, welches im östlichen Teil liegt, in Monte Pincio.“ gab er zu bedenken. „Da habt ihr Recht, ich erinnere mich noch, dass wir damals auch dort einmal waren.“
Man bat uns noch zum Abendessen zu bleiben und ich sollte es nicht bereuen. Es gab diese... Pasta, genauso hieß sie, mit einer köstlichen Sauce aus Tomaten und Kräutern! Die hiesige Köchin verstand ihr Handwerk, gab ich anerkennend der Hausherrin zu verstehen, welche das Kompliment weiterreichen wollte.
Als wir uns verabschiedeten war es bereits dunkel geworden und ich spürte jetzt die Müdigkeit wie einen Schlag ins Gesicht. Mühsam unterdrückte ich auf dem Heimweg ein Gähnen, William hingegen machte kein Hehl daraus, dass er müde war. „Ich bin auch froh, wenn ich gleich in meinem Bett liege, Isabelle.“ meinte er, reichte mir seinen Arm und ich hakte mich unter. Neben uns ging Master Birch, welcher in Gedanken versunken zu sein schien. An der Tür begrüßte uns der wachhabende Bruder und ließ uns ein.
Der Wirt wünschte uns gähnend eine gute Nacht, als wir seine Frage nach einem Schlaftrunk verneinten. Oben erwartete mich bereits Sarah, welche den Kamin angefeuert hatte, es war doch recht kühl geworden. Sie half mir aus meinem Kleid und erzählte von ihrem Spaziergang durch Rom. Da meine Kammerzofe noch nicht wirklich viel gereist war, konnte ich spüren, dass sie diese ganzen Eindrücke noch verarbeiten musste. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, dass ich ihr ab und an lachend Einhalt gebieten und sie ans Luft holen erinnern musste.
„Verzeiht, Miss Alberts! Aber es ist so aufregend und dann die fremde Sprache...“ ihre Euphorie konnte ich nachvollziehen und als meine Haare geflochten waren für die Nacht, verabschiedete ich sie mit den Worten „Und ihr werdet sicherlich noch ein paar Tage mehr hier verbringen. Seht euch in Ruhe um, Sarah. Später könnt ihr euren Kinder davon berichten!“ in ihren Augen lag urplötzlich eine Traurigkeit, welche ich nicht verstand, traute mich aber nicht, nachzufragen. „Das werde ich...“ kam es mit brüchiger Stimme und ich ahnte, dass ich mal wieder in eines dieser riesengroßen Fettnäpfchen getreten war! Doch jetzt war es zu spät und ich musste das beste daraus machen. „Verzeiht, Sarah... ich wollte euch nicht traurig machen.“ mehr brachte ich auch nicht zustande. „Gute Nacht, Miss Alberts.“ und meine Kammerzofe war verschwunden.
Mit einem großen schlechten Gewissen und einem genauso großen Stein auf dem Herzen legte ich mich schlafen. Leider fand ich auch jetzt nicht die Ruhe, wie auch schon in den letzten Tagen! Wütend schlug ich mit den Fäusten auf die Matratze, setzte mich auf und saß benommen dort, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen! Ich entzündete die kleine Petroleum-Lampe auf meinem Nachttisch und ging damit zu dem Schreibtisch. Wenn ich schon nicht schlafen konnte, wollte ich mir den ganzen Frust wenigstens von der Seele schreiben.
Nach einigen Seiten hörte ich ein vorsichtiges Klopfen und „Isabelle, ich sah noch Licht unter der Tür und … dachte mir... könnt ihr auch nicht schlafen?“ mit einem Schmunzeln stand ich auf und öffnete William. „Nein, ich finde keine Ruhe.“ sagte ich leise und sah in seinem Gesicht tiefe Augenringe. „Ich glaube, ich werde morgen bei meinem Treffen mit Mistress Giordano unsere Schlaflosigkeit ansprechen. Vielleicht hat sie ein paar gute Ratschläge, was man dagegen tun kann.“ ich versuchte ein Lächeln, doch mir entschlüpfte ein tiefes Gähnen, welches wiederum William veranlasste leise zu lachen.
„Wer weiß warum wir nicht schlafen können. Ich hoffe auf die Kenntnisse von der Dame, Isabelle!“ er nahm meine Hand und gab mir einen Handkuss. „Ich wünsche euch dennoch eine gute Nacht.“ kam es schon fast geflüstert von meinem Begleiter, dass ich ihn beinahe nicht verstand. „Die wünsche ich euch auch, William.“ ich entzog ihm meine Hand, schloss leise die Tür und lehnte mich seufzend dagegen. Das war doch alles nicht wahr, oder? Bevor ich jedoch wieder mit dem Grübeln anfangen konnte, fuhr ich fort mein Tagebuch zu schreiben.
Als es schon langsam dämmerte, schloss ich es und löschte die Petroleum-Lampe. In meine Kissen geschmiegt fiel ich in einen leichten Schlaf und sah vor mir...
… nichts!
Das Treffen mit Mistress Giordano war sehr aufschlussreich und ich ging mit einem großen neuerworbenen Wissen in unsere Unterkunft zurück. Es gab ein Kraut, welches diese Symptome hervorrufen kann, wie sie bei Master Capon auftraten. Wir vermuteten ja unkontrollierte Krämpfe mit einhergehender Übelkeit und da kam Wüterich oder auch Wasserschierling, wie es umgangssprachlich genannt wurde, in Frage. Die Wurzel ist leicht mit Petersilienwurzeln oder Sellerieknollen zu verwechseln, sagte mir Mistress Giordano. Sellerie? Im Zimmer von Nicodemos stand gestern noch ein Rest Suppe vom Vorabend und gemeinhin tat man ja eben diese Knollen an so ein Gericht! Aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Köchin unserer alten Herberge so unwissend und nachlässig war!
Trotzdem nahm ich mir ein Herz und ging noch einmal zurück, um die Bedienstete zu sprechen. Als ich eintrat, sah mich der Herbergswirt etwas mürrisch an, er dachte wahrscheinlich, dass ich mich wieder hier einquartieren wollte. „Keine Sorge, ich hätte nur eine Frage an euer Küchenpersonal, wenn ihr gestattet.“ fragte ich höflich in der Hoffnung, man gewähre mir diese kleine Bitte. „Miss Alberts, da werdet ihr zu spät kommen. Die Köchin hat ihre Arbeit aufgegeben, um sich um ihre Familie zu kümmern. Heute morgen ist sie gegangen, wohin, weiß ich leider nicht. Ich kannte sie kaum.“
Das wurde ja immer besser, also steckte doch diese Köchin mit den Assassinen unter einer Decke vermutete ich jetzt einfach. „Wie lange war sie in euren Diensten, wenn ich fragen darf?“ grübelnd sah er mich an, als müsse er ausrechnen wann sie bei ihm angefangen hatte zu arbeiten. „Oh, noch nicht lange. Erst seit ein paar Wochen, da unsere alte Köchin, Gott hab sie selig, unerwartet verstarb. Da bat sie sich gleich an, die Position zu übernehmen. Aber warum wollt ihr das alles wissen, Miss Alberts?“ sollte ich ihm von meinem Verdacht berichten? Nein, lieber nicht, zuerst sollte ich William und Master Birch davon erzählen! „Es ging nur um ein Rezept, welches ich gerne gehabt hätte für zuhause. Aber nun ist es ja zu spät...“ ein breites Lächeln erschien auf dem Gesicht des Wirtes und er rief nach seiner Frau! „Sophia! SOPHIA!!! Komm her!“
Prompt erschien sie, völlig außer Atem stand sie nun neben ihrem Mann und sah uns erwartungsvoll an. „Miss Alberts würde gerne ein paar deiner Rezepte haben!“ an mich gewandt sagte er dann als Erklärung „Meine Frau gibt die Anweisung für die Speisen und hat eine ganze Reihe an Büchern für Brot, Suppen oder auch Pasta!“ mit Stolz legte er seinen Arm um ihre Schultern und sah sie liebevoll an. „Mein Gatte hat recht, welches Gericht ist es denn, wo ihr nach den Zutaten sucht?“ Oh … jetzt fiel mir dummerweise so Adhock nichts ein, im Grunde war es nur die Pasta und die Suppe.
„Keine Sorge, ich kann euch gleich alles aufschreiben.“ mit einem verschwörerischen Blick ergänzte sie noch „Aber das mache ich nur für euch, es ist ein Familiengeheimnis seit Generationen!“ Ich sollte mich geehrt fühlen und tat es auch. „Ich danke euch vielmals.“ erwiderte ich freundlich lächelnd. „Ich bin gleich wieder da.“ und sie verschwand nach hinten. Ich unterhielt mich noch mit dem Wirt über die Unannehmlichkeiten und er versicherte mir, dass alles bereits geregelt sei und ich mir keine Gedanken mehr zu machen bräuchte! Man hatte das Zimmer von Master Capon gründlich gereinigt und die Matratze neu befüllt. Nichts deutete mehr darauf hin, dass hier ein Mensch ums Leben gekommen war. Die Habseligkeiten hatte man an Master Birch in die neue Herberge geschickt.
Dann erschien seine Frau wieder hier vorne und reichte mir einige Blätter. Ihre Handschrift war schnörkelig und gut lesbar, aber alles war auf italienisch! Noch einmal bedankte ich mich und ging dann zu meinem Pferd, wo meine mich begleitende Wache bereits auf mich wartete. „Das ging ja schnell, Miss Alberts. Wo wollt ihr nun hin?“ fragte mich der junge Mann und ich erklärte ihm, dass ich noch einiges mit Master Birch zu besprechen hätte und so machten wir uns auf den Weg.
Vor der Villa standen ebenfalls noch unsere Wächter, musterten mich, ließen mich dann aber ohne weitere Worte ein. William und Reginald waren, laut dem Gastwirt, oben in Master Birchs Räumlichkeiten. Auf mein Klopfen öffnete mir meine Begleitung die Tür und ich sah, dass sein Gesicht gerötet war. Entweder hatten die beiden eine hitzige Diskussion hinter sich, oder Reginald forderte Clarkson alles ab, was seine Fähigkeiten anbelangt.
„Da seid ihr ja wieder, Miss Alberts.“ hörte ich Reginalds Stimme als ich eintrat. „Ihr kommt genau richtig, wir sind dabei, ein wenig diese Gaben zu üben und ich muss sagen, Master William ist ein williger Schüler mit einer schnellen Auffassungsgabe.“ kam es anerkennend von dem Briten. „Das freut mich zu hören, Master Birch! Und es wird euch sicherlich nicht erfreuen, doch die Köchin, von der wir ausgehen können, dass sie Master Capon vergiftet hat, quittierte ihren Dienst heute und ward nicht mehr gesehen. Der Wirt selber wusste nichts über diese Frau, geschweige denn wo sie wohnen würde. Leider...“ seufzend ließ ich mich auf einen am Tisch stehenden Stuhl nieder.
„Verdammt, dass ist natürlich nicht so erfreulich, Miss Alberts. Dennoch sollten wir nach vorne schauen. Lasst uns an euren Gaben und Möglichkeiten arbeiten, damit ihr auch ohne fremde Hilfe in eurer Arbeit weiterkommen könnt.“ sprach Reginald bestimmend. „Könnt ihr denn schon Erfolge verbuchen, William? Ich meine, dieser Blick, bei welchem man diese wabernden Formen erkennen kann ist schon sehr beeindruckend.“ meine Anerkennung war nicht zu überhören. „Darüber hinaus kann man sicherlich auch noch mehr erreichen, Miss Alberts!“ grinste der Brite und bat mich, Platz zu nehmen.
Ich beobachtete, wie der Großmeister William in die Kunst dieser Fähigkeit weiter einweihte. „Master Birch, besitzt ihr auch diesen Blick, oder wisst ihr nur, wie man ihn lehrt?“ fragte ich einfach neugierig nach. „Mein Schützling, Haytham Kenway, besitzt diesen Blick ebenfalls. Also habe ich mich damit beschäftigt und mit ihm zusammen gelernt. Aber ihr kennt Master Kenway ja persönlich, da wird euch diese Gabe sicherlich aufgefallen sein, Miss Alberts.“ dieser Satz kam etwas eigenartig herüber und ich wusste nicht so recht, ob er mich damit aus der Reserve locken wollte, oder es einfach nur versuchte damit zu erklären.
„Nein, das war mir nicht aufgefallen, Master Birch.“ erwiderte ich nur knapp und sah zu William, welcher etwas zerknirscht auf den Namen Kenway reagiert hatte. Ihm hatte ich auch nicht alle Details meiner Überfahrt berichtet, weil ich es als nicht angemessen erachtet habe. Sollte ich es vielleicht doch tun? „Verzeiht meine Frage, aber woher wisst ihr, dass auch ich damals mit an Bord der Providence war?“ meine Naivität schlug durch und ich sah in seinem Gesicht ein wissendes Lächeln. „Er erstattet mir natürlich regelmäßig Bericht, Miss Alberts. Jedoch habe ich Master Kenway nicht in Kenntnis gesetzt, dass ich euren Vater kenne!“ das kam so entschieden, dass ich vermutete, dass es seinen Schützling auch nichts anging.
In mir kamen wieder zig Fragen hoch, wenn Haytham doch einer der besten des britischen Ritus war, warum weihte man ihn nicht ein? Ich bekam den Eindruck, Reginald ließe diesen Mann einfach ins offene Messer laufen. Aber ich mochte nicht weiter nachfragen, es würde ein falsches Licht auf meine Mission werfen, also beließ ich es bei einem wissenden Nicken.
Der Rest des Tages verlief mit Übungen für diesen Blick, in welche ich mit einbezogen wurde und William erfasste immer mehr Details in seiner Umgebung. Er konnte schon fast mit geschlossenen Augen durchs Zimmer gehen, weil er „sah“ was um ihn herum passierte. Ich selber stand an seiner Seite und staunte über diese Eindrücke. Gegen Abend aber machten wir eine Pause und aßen eine Kleinigkeit. „Miss Alberts, bei euch wird das Üben etwas schwieriger, da ich noch nicht weiß, wie und wann sich eure Gabe äußert. Dieses Sprachtalent ist sicherlich hilfreich, aber wenn es nur im Kampf auftritt, ist es mitunter eher hinderlich für eure Verbündeten.“ grübelte der britische Großmeister über seiner Schüssel mit Eintopf.
„Das dachte ich mir auch schon, weswegen es doch sicherlich auch eine Erklärung der... ihr wisst schon, der Vorläufer geben muss, oder nicht?“ preschte ich nun vor, weil ich hoffte, weitere Antworten zu bekommen. „Diese Wesen sind uns weit voraus gewesen, ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was sie uns hinterlassen haben und zu welchem Zweck. Ich muss die Forschungen von Master Kenway abwarten!“ dieser Satz kam dann doch mehr als entschieden und bot mir Einhalt!
Nach dem Essen wurde ich unterwiesen, was die Sprachen anging und ich muss wieder einmal sagen... es war mir unmöglich, etwas zu lesen, auszusprechen geschweige denn zu verstehen! „Master Birch, ich bitte euch. Ich habe keinerlei Talent dafür! Mir schwirrt der Kopf bereits von diesen vielen Wörtern!“ bat ich ihn schon fast flehend, mich des Unterrichts zu entlassen! „Ich verstehe das nicht, Miss Alberts. Doch ich möchte euch nicht allzu sehr quälen. Ihr solltet jetzt ein wenig Schlaf finden und morgen sehen wir weiter. Wir müssen auch noch die Habseligkeiten von Master Capon und Master Bruno durchsuchen!“ kam es etwas versöhnlicher und er verabschiedete uns in die Nacht.
Als ich in meinem Zimmer war, klopfte es kurz darauf und ein übermüdeter William stand im Türrahmen. „William, geht es euch nicht gut?“ fragte ich besorgt, doch er verneinte. „Mir geht es gut, auch wenn es sich wie klebrige Melasse in meinem Kopf anfühlt gerade und mir brennen die Augen!“ lächelte er mich an. „Nein, ich wollte... euch nur eine geruhsame Nacht wünschen, Isabelle!“ kam es leise von meinem Begleiter. „Danke, die wünsche ich euch ebenso und erholt euch und eure Augen. Morgen wird es sicherlich noch weitergehen.“ mit einer Verbeugung und einem Handkuss zog sich William nun zurück und ging in sein Zimmer.
Ich ließ mich vor dem kleinen Schreibtisch nieder und wusste nicht, ob ich wirklich so müde war, dass ich schlafen gehen sollte. Sarah erschien aber postwendend und beförderte mich in mein Nachthemd. Ich entließ meine Zofe für die Nacht und begann, mein Tagebuch fortzuführen. Und was soll ich sagen? Es war beruhigend für meine Nerven und Gedanken!
Zwei Tage später versammelte man sich bei den Eheleuten Giordano um einen neuen italienischen Großmeister zu benennen. Ich wohnte zum aller ersten Mal dieser Zeremonie bei, wobei ich erwähnen sollte, dass diese hier durch die entsprechenden Umstände, anders und etwas verhaltener ablief. Meine eigene Aufnahme in den Orden war mir noch in guter Erinnerung!
Meine Gouvernante stand drohend vor mir und maßregelte mich mal wieder! „Miss Alberts, was soll nur einmal aus euch werden, wenn ihr euch sogar einem solch wichtigen Anlass verweigert!“ entschieden zog sie mich hinter sich her und die Treppe hinauf zu meinem Zimmer.
Mein Vater war mehr als ungehalten, weil ich gestern Abend einfach nicht vor dem Ältesten Rat erschienen war! Was bitte dachten sich diese Menschen denn? Man zwang mich in eine Rolle, in eine Position, welche ich nicht inne haben wollte. Ich wurde einfach nicht gefragt. Im Grunde wurde ich schon gefragt, doch meine Meinung war irrelevant, wenn ich verneinte dem Orden beizutreten drohte mir der Tod! Fantastische Entscheidungsfreiheit!, dachte ich mal wieder im Stillen. „Eure gesamte Familie dient dem Templerorden schon seit Generationen, ihr werdet dieses Erbe nicht unterbrechen.“ sprach meine alte Gouvernante zornig und man könnte meinen, sie wäre der Vater (oder Mutter?) des Verstehens persönlich, so wie sie mit mir sprach.
Man quetschte mich in die Montur und schob mich anschließend hinunter in den Versammlungsraum im Kellergewölbe, welcher neben den alten Zellen für Gefangene lag. Immer mehr bekam ich diesen Eindruck, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes bald eine Gefangene sein würde, ohne eigenen Willen oder eigenes Denken! Diese Angst stieg wieder in mir auf und drohte mich zu übermannen, ich hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Vater ignorierte meine Meinung seit Wochen einfach.
Dann stand ich vor meinem Großmeister, meinem Vater, welcher mir die entscheidenden Fragen stellte. Ob ich gewillt sei, alles für den Orden zu tun, koste es was es wolle. Bis zum Tode. Ob ich auch allem anderen abschwören würde, was den Templern schaden konnte und so weiter. Viele Fragen, viele Entscheidungen, welche ich einfach traf, weil es so von mir erwartet wurde.
Nein, ich möchte nicht undankbar erscheinen, durch diese Zugehörigkeit habe ich erfahren, was Zusammenhalt und Gemeinschaft heißt. Der Orden bietet mir einfach Ordnung und Struktur, was ich, vermutlich, dringend brauchte. Dennoch ist es ein eigenartiges Gefühl, diesem Gesetz ganz beizutreten, sich diesem voll und ganz zu verschreiben. Man tut dies nicht leichtfertig! Es ist eine Verpflichtung und eine Lebensaufgabe, das wusste ich von meinen Eltern, meiner Familie im Allgemeinen!
„Du bist nun eine Templerin, möge der Vater des Verstehens dich auf ewig leiten!“ hörte ich noch die Worte meines Vaters, während er mir den Ring ansteckte und mich anlächelte. Ich sah in seinem Blick Stolz und Zuversicht. Aber konnte ich dem Ganzen auch gerecht werden und alles zu seiner Zufriedenheit erfüllen? Ich war noch keine 18 Jahre alt und sollte diese Bürde tragen! „Isabelle, es ist etwas verfrüht, ich weiß, dennoch bedenke, dass wir alle hinter dir stehen. Wir alle beschützen dich und die Zukunft wird dir noch weitere Menschen an die Seite stellen, welche ebenso nur dein bestes wollen.“
Ich nahm ihn in die Arme, mehr war mir nicht möglich, denn plötzlich vermisste ich meine Mutter unendlich! Für einen Moment ließ man uns gewähren, bis dann die ersten Gratulanten nicht mehr an sich halten konnten und mich in Beschlag nahmen.
Der Rest des Abends verlief in einer großen Feierlichkeit mit Tanz und Essen. Nun konnte ich auch meine Tanzstunden zum Besten geben, welche ich in den letzten zwei Jahren über mich ergehen lassen musste. Sie zahlten sich aber aus, da mir ein junger Herr besonders gefiel und er immer wieder meine Tanzkünste bewunderte. Friedhelm von Oettingen, ein junger Mann, welcher mich einfach durch seine Redegewandtheit und sein Aussehen beeindruckte.
Diese Nacht blieb mir lange in Erinnerung... Friedhelm zeigte mir nicht nur, was der Vater des Verstehens für uns angedacht hatte, sondern auch noch ganz andere Lehren. Als am nächsten Tag die Gäste abreisten, machte er keinen Hehl daraus, dass er mich gerne wieder sehen würde. Doch leider kam es nie mehr dazu! Er fiel in einem kleinen Scharmützel an der Oder, bei welchem ich nicht einmal wusste, wozu es eigentlich diente. Meine Trauer überwog meine Euphorie, dem Orden beigetreten zu sein. Doch wieder einmal war es Vater, welcher mich ermahnte unser Ziel und unseren Orden im Auge zu behalten!
Ein neuer Großmeister war benannt und wir konnten uns unserer Aufgabe weiter widmen. Wir durchforsteten die Hinterlassenschaften von Capon und Bruno. Nicodemo hatte nichts neues, was uns Aufschluss geben konnte, leider.
Aber Master Brunos Aufzeichnungen waren voller Neuigkeiten und Erkenntnissen, dass wir uns alle drei setzen mussten. Er war vom Papst persönlich beordert worden, sich uns in den Weg zu stellen. Ebenso war die Schweizer Garde involviert, was wir ja schon wussten. Diese Zweige oder besser Wurzeln reichten tiefer als wir dachten, also mussten auch wir tiefer graben als bisher gedacht!
Unser Weg führte demnach unweigerlich zum Papst, doch das war leichter gesagt als getan. Er würde sicherlich vom Tod seines „Söldners“ erfahren haben, weswegen wir davon ausgehen mussten, dass man uns entsprechend beobachtete und verfolgte. Oder aber dieser war nur einer von vielen Mittelsmännern.
„Wir werden jetzt beginnen, den Orden wieder aufzurüsten. Langsam, mit Bedacht und ohne Aufmerksamkeit zu erregen!“ diese Worte kamen schon fast drohend von Reginald und Master Giordano nickte entsprechend. „Ich habe die Schläfer in geeigneten Positionen, wenn wir ihnen nun noch weitere Personen an die Seite stellen, dann können wir bald zuschlagen, Master Birch.“ sprach er stolz und ich sah, dass dieser Mann lange auf diese Position gewartet hatte. Und er schien auch fähig, dem gerecht zu werden.
Es vergingen jetzt einige Wochen, drei um genau zu sein, in denen wir im Stillen die Planung vornahmen. Die Hintermänner von Benedikt mussten ausgemacht werden, die Bruderschaft als solche war hier mittlerweile schon so dezimiert, dass sie keinen großen Schaden mehr anrichten konnte. Doch auch das mussten wir bedenken, der Papst wird auch das bemerkt haben.
Die Rekrutierung der Ordensbrüder und -schwestern war überraschend leicht und ich staunte nicht schlecht, wie viele Männer und Frauen diese sogenannten Schläfer darstellten. Man hatte nur auf den richtigen Moment gewartet. Immer mehr trat Master Birch in den Hintergrund, es schien, als würde er sich nun wieder seiner eigentlichen Tätigkeit widmen wollen. Und so war es auch!
Am heutigen Tag bat uns der britische Großmeister auf sein Zimmer, bevor er aufbrach, und erklärte uns, dass er plane abzureisen. Er würde in Frankreich gebraucht. Dennoch lud er uns ein, dort Quartier zu beziehen, wenn wir unseren Forschungen weiter nachgingen. Und damit verabschiedete sich Master Birch von uns und wünschte uns noch weiter ein gutes Gelingen in unseren Forschungen!
Unsere Pläne bezüglich einer Reise nach Florenz oder Venedig, waren über Bord geworfen, weil dort bereits die Suche nach einem entsprechenden Edenapfel fehlgeschlagen sei. Das Kolosseum war nach wie vor der Punkt meines größten Interesses. „Isabelle, wir werden nicht in die unterirdischen Katakomben eindringen können. Das was wir bisher gesehen haben, ist alles, was wir aufdecken können!“ Frustriert sah ich William an. „Ihr habt ja Recht, wir haben alles versucht. Dieser Eingang mit der Mauer kann aber doch nicht unüberwindbar sein!“ erwiderte ich mehr als unzufrieden!
„Denkt doch einmal nach, vielleicht ist es auch nicht für uns bestimmt. Die Lehren der Vorläufer sind nicht immer klar definiert! Wer weiß, vielleicht werden eure Enkelkinder einst die Geheimnisse lüften! Und dieser unzerstörbare Stein als Schutz, scheint auch mehr als eine Mahnung zu sein.“ meinte Clarkson junior leise und lächelte mich zuversichtlich an. „Ihr sprecht davon, dass ich mich in Geduld üben soll, William! DAS ist eine Tugend, welche ich nicht besitze!“ lachte ich jetzt. „Nein, Isabelle, ihr seid alles andere als geduldig!“ Plötzlich lag ein warmer Schimmer in seinen bernsteinfarbenen Augen, welche mich wie verhext anzogen.
„Master Clarkson, es ist ein Sendschreiben für euch eingetroffen!“ kam es von einem Jungen vor der Tür und riss uns aus diesem Moment. William nahm den Brief entgegen, mit ein paar Münzen entschädigte er ihn. „Es ist ein Brief meines Vaters!“ kam es überrascht von Clarkson Junior. Während er die Zeilen überflog weiteten sich immer mehr seine Augen und dann sah er mich ebenso ungläubig an. „Er schreibt, er habe einen Anhaltspunkt für ein Schwert gefunden, welches laut Beschreibung in einer der Überlieferungen in Spanien zu finden sei. Eine alte Kirche, dort in dem alten Kellergewölben und den Gruften soll es sich in einem Grab eines Ritters befinden.“
Ein Schwert! Dann hätten wir schon einmal ein Schild und ein Schwert. Die Rüstung wäre dann vermutlich die nächste Anlaufstelle. Anbei hatte Master Clarkson eine gezeichnete Karte mitgeschickt, welche einen kleinen Ort Namens Puebla de Roda markierte. Dort würden wir die Kathedrale San Vincente finden! Er hatte noch als Randbemerkung geschrieben, dass wir eventuell auch die im östlichen Teil gelegene Kapelle San Augustín in Augenschein nehmen sollten. Mal wieder wären die Aufzeichnungen nicht ganz detailliert und ließen viel Spielraum für Spekulationen. „Aber wir haben einen Anfang, William. Wir treten also nicht mehr nur auf der Stelle!“ und ich freute mich wirklich, mein Tatendrang war zurück!
„Dann lasst uns schauen, wie wir am besten dorthin gelangen. Wenn ich es recht bedenke, werden wir mit einer Passage auf einem Schiff sicherlich schneller anreisen können.“ grübelte mein Begleiter und wir setzten uns mit Master Giordano zusammen, welcher uns die Reiseroute aufzeigte. Über Land oder eben per Schiff und tatsächlich wären wir über dem Seeweg schneller. Der Rest bis zur kleinen Provinz Vincente war ungefähr eine Reise von 5 Tagen. Der neu ernannte Großmeister schrieb uns noch ein Empfehlungsschreiben, damit wir in Spanien auf die Unterstützung des dortigen Ordens hoffen konnten.
„Ich werde euch noch nach Paterno begleiten und mit euch gemeinsam nach einer passenden Passage beim Hafenmeister fragen.“ Jetzt hieß es wieder alles packen und uns hier verabschieden. Eigentlich hatte ich mich hier wohlgefühlt, auch wenn die Umstände hier einiges zu Wünschen übrig ließen, dennoch verließ ich Rom nur ungern. Wie auch schon auf den Azoren, hoffte ich auf eine Wiederholung des Besuches.
William und ich sahen die beigefügten Erklärungen und Ergänzungen noch einmal durch, weil wir im ersten Durchlesen keinen Namen des Ritters gesehen hatten. Master Clarkson hatte aber auch nichts konkretes dazu niedergeschrieben, sondern uns an den Orden von Montesa und San Jorge de Alfama verwiesen. Ein dort ansässiger Zweig der Templer in Spanien! Der spanische Orden (Septimo Hernádez Miramontes)
Plötzlich schoss mir ein seltsamer Gedanke in den Kopf. „William, ob ich auch dem spanischen mächtig sein werde? Reginald sprach von dieser Fähigkeit und ich sollte weiter daran arbeiten und üben.“ dachte ich laut nach, aber William antwortete. „Das ist wirklich eine gute Frage. Mittlerweile seid ihr ja schon weiter in den Übungen. Wie sieht es mit dem Talent des Italienischen aus?“ und er hob fragend eine Augenbraue. „Ja, es funktioniert schon, aber immer noch mit starken Einschränkungen. Ich darf nicht abgelenkt werden und muss konzentriert sein.“ ich seufzte tief und zugleich etwas frustriert, da ich noch keinen Weg gefunden hatte, wie ich das alles unter einen Hut bringen sollte.
„Isabelle, glaubt mir. Auch ich bin bei Weitem noch nicht so geübt. Aber haben wir nicht noch Zeit und sollten einfach nach vorne schauen?“ seine Stimme hatte schon fast etwas flehendes an sich. Zuversichtlich sagte ich „Wir schaffen das!“
Zwei Tage später brachen wir nach Paterno auf!
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