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All Lives Matter! Von Revolution und Staatswiderstand

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15.06.20 20:17
Fertiggestellt

Man wird es in diesen turbulenten Zeiten des Jahres 2020
nicht glauben aber seit einigen Wochen ist nicht mehr Corona das bestimmende
Thema des öffentlichen Interesses und der Berichterstattungen der Medienwelt!
Mittlerweile erregen weltweite Demonstrationen, die sich für die Rechte
dunkelhäutiger Menschen einsetzen, große Aufmerksamkeit. Eine globale Bewegung
ist entstanden. Sie nennt sich selbst: „Black Lives Matter“.

Ausschlaggebend für die zahlreichen Proteste war ein
Ereignis, welches die gesamte Welt in eine regelrechte Schockstarre versetzte.
Am 25. Mai 2020 ereignete sich in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota der
Mord eines Polizisten an dem Afro-Amerikaner, George Floyd. Nachdem der
klein-kriminelle Familienvater bereits von der Polizei überwältigt worden war
und sich auf dem Boden befand, wandte einer der Polizisten einen polizeilichen
Würgegriff an und drückte sein Knie in das Genick George Floyds. Eine heimliche
Videoaufnahme zeigte, wie sich Floyd über acht Minuten in dieser Position
befand, während der Polizist sich durch dessen Flehen und Aussagen wie, er
bekäme keine Luft mehr, nicht beirren ließ und keine Anstalten machte, den Griff
zu lockern. An den sich daraus ergebenden Komplikationen starb George Floyd
schließlich im Krankenhaus.

Daraufhin entwickelten sich die bereits angedeuteten Proteste
und die Bewegung „Black Lives Matter“. Für die Rechte von Schwarzen und gegen
Polizeigewalt.

Was wir hier erleben, ist von einem bestimmten Standpunkt aus
als eine Art Revolution zu deuten, zumindest aber als Widerstand gegen die
Staatsgewalt, sind die Feindbilder Polizei und nicht zuletzt auch US-Präsident
Trump selbst, schließlich Vertreter des Staates.

Wenn man die Problematik aus philosophischer Sicht
betrachtet, werden Fragen aufgeworfen, die sich mit dem Verhältnis von Staat
und Volk auseinandersetzen und was im Falle von Machtmissbrauch geschehen
sollte. Als übergeordnetes Leitmotiv, welches diesem Essay zugrunde liegt,
lässt sich folgende kritische Fragestellung formulieren:

In welchem Fall und unter welchen Umständen ist Widerstand
gegen die Staatsgewalt berechtigt und wann sind womöglich gar gewalttätige
Auseinandersetzungen gerechtfertigt? Lässt sich Gewalt als politisches
Instrument überhaupt ethisch rechtfertigen?

Schließlich ist dies genau das, was wir in den USA beobachten
dürfen. Neben vielen friedlichen Protesten, wird auch immer wieder von
gewaltsamen Ausschreitungen berichtet. Spannende Fragen, auf die wir
hoffentlich bald schon Antworten haben!

 

Demonstrationen kann man durchaus als „kleine Revolutionen“
auffassen, da sie Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Demonstrationen
beziehen sich stets auf den politischen „Ist-Zustand“, verdeutlichten also
Unmut über politische oder gesellschaftliche Zustände und verfolgen die
Absicht, auf ausgewählte Probleme aufmerksam zu machen, in der Hoffnung,
dadurch Veränderungen herbeizuführen. Wäre alles gut und alle Menschen zufrieden,
gäbe es schließlich keinen Grund, sich über irgendetwas zu beschweren. Politik
jedoch ist als Rad zu verstehen, welches sich immer weiter dreht. Durch die
stetig fortschreitende Bewegung des Rades wird Entwicklung symbolisiert.
Politik steht niemals still! Sie verändert sich mal zum Guten, mal zum
Schlechten aber der Wandel ist eine Konstante. Sobald ein Problem gelöst ist,
dreht sich das Rad weiter und das nächste Problem erscheint und verlangt
Bearbeitung. Vielleicht ist es etwas gänzlich Neues oder aber eine alte
Herausforderung, die nicht ausreichend behandelt wurde. Aus diesem Grund kann
es in der Politik auch niemals dauerhafte Zufriedenheit für jedermann geben!
Menschliches Zusammenleben ist hierfür schlichtweg zu kompliziert und mit zu
vielen Schwierigkeiten verbunden. Das Rad muss sich weiter drehen, ihm bleibt
nichts anderes übrig!

Demokratische Systeme erkennen die Existenz dieses
symbolischen Rades an im Gegensatz zu totalitären Regimen, die Probleme gerne
verheimlichen und nach außen hin Stabilität und Stärke zum Ausdruck bringen,
obwohl es im Inneren kocht und brodelt.

Aus diesem Grund ist das Recht auf freie Meinungsäußerung und
dem eng damit in Verbindung stehenden Recht darauf, seinem Unmut durch
Demonstrationen Geltung zu verleihen, in Demokratien fest verankert und in
Diktaturen stark eingeschränkt, wenn nicht gar gänzlich untersagt.

Demonstrationen sind gleichzeitig auch eine Art Feedback für
die Demokratie und macht darauf aufmerksam, woran gearbeitet werden muss, was
Fortschritt und Weiterentwicklung begünstigen kann.

Auch die Fridays for Future Bewegung, die in Zeiten von
Corona und „BLM“ etwas in den Hintergrund geraten ist aber das vergangene Jahr
mehr geprägt hat, als jede andere politische Bewegung, dient als gutes Beispiel
hierfür. Das demokratische Recht auf Demonstration wird wahrgenommen, um darauf
hinzuweisen, dass die Staaten nicht ausreichend Maßnahmen ergreifen, um dem
Klimawandel entgegenzuwirken, was untrennbar mit der vehementen Forderung nach
Besserung verbunden ist. Sowohl „BLM“ als auch „FoF“ sind eine Form von
Widerstand gegen den Staat und dessen als unzureichend empfundenen Maßnahmen
gegen Rassismus, bzw. Klimawandel.

Was aber Demonstrationen wesentlich von „richtigen“
Revolutionen unterscheidet ist, dass eine Revolution die gesamte staatliche
Ordnung auf den Kopf stellt und ein gänzlich neues System einzuführen wünscht
(etymologisch leitet sich der Begriff „Revolution“ vom spätlateinischen
„revolutio“ ab, was mit „Umdrehung“ übersetzt werden kann).

Während Demonstrationen auf demokratischem Recht beruhen,
kann eine Demokratie eine Revolution nicht dulden, da dies logischerweise mit
ihrem eigenen Untergang einhergehen würde. Revolutionen im politischen Sinne
sind oftmals extremistischer Natur, weshalb sich beispielsweise die
Bundesrepublik Deutschland vor ihnen schützt, indem unser Grundgesetz Aspekte
einer sogenannten „wehrhaften Demokratie“ aufweist, also einer Form des
Selbstschutzes, um zu verhindern, dass extremistische Revolutionen die
Demokratie abschaffen und durch eine neue Staatsform ersetzen.

Nichtsdestotrotz
weist das deutsche Grundgesetz auch einen Artikel auf, welcher es jedem
Staatsbürger garantiert, sich im äußersten Notfall auch mit Gewalt gegen die
Feinde der Demokratie zur Wehr zu setzen. 
Artikel 20 Absatz 4 lässt verlauten: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen,
haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht
möglich ist.“

Mit „Ordnung“ ist hierbei die parlamentarische
Demokratie gemeint. Artikel 20 ist somit also kein Freifahrtschein für
Extremisten, sondern beruht nach wie vor auf dem Grundgesetz selbst. Alles
andere wäre logisch betrachtet auch völlig unsinnig. Ansonsten würde die
Demokratie schließlich in der eigenen Verfassung die Rechtfertigung ihrer
Abschaffung liefern.

Dennoch, ziviler Ungehorsam, womöglich auch mit
Gewalt und Staatswiderstand ist in bestimmten Situationen durchaus erlaubt.
Angefangen bei dem demokratischen Recht des Demonstrierens, bis hin zur
äußersten Notwehr. Die Grenzen liegen innerhalb der jeweiligen Verfassung. Das
Recht auf Staatswiderstand endet, wenn die Freiheit-und Bürgerrechte der
Mitmenschen angegriffen werden oder das gesamte System des Staates geändert
werden soll, also in Form einer Revolution. Versuche oder Übergriffe in diese
Richtung bewegen sich dann nicht mehr auf rechtlich legalem Boden.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, kommen
wir nicht darum herum, auch aus aktuellem Anlass, die „Black Lives Matter“
Bewegung auf diese Kriterien hin zu überprüfen. Zunächst  einmal ist ganz nüchtern festzuhalten, dass
die globalen Demonstrationen und auch andere Proteste wie Fridays for Future,
völlig legitim sind und nur Ausdruck eines demokratischen Rechtes. Es ist
jedermanns Recht, auf die Straße zu gehen und sich für ein bestimmtes Thema
einzusetzen. Niemand ist dafür zu verteufeln!

Der Wunsch nach radikalen Änderungen, vor allem
in den USA, dem Ursprungsland von „BLM“, 
ist groß, so viel ist sicher. Dennoch ist festzustellen, dass die
Demonstranten keine Revolution im „klassischen Sinne“ anstreben. So weit ich
dies aus der Ferne beurteilen kann, erkenne ich bei den Protestierenden nicht
den Wunsch, die gesamte Staatsform über den Haufen zu werfen, um eine neue
Ordnung zu errichten, eine Voraussetzung, die notwendigerweise gegeben sein
muss, damit man auch offiziell von „Revolution“ sprechen darf. Vielmehr sind
die Wünsche und Forderungen der Bewegung zutiefst demokratisch: Sie wehren sich
gegen Machtmissbrauch (in Form von unnötiger Polizeigewalt) und kämpfen für
Gleichberechtigung von Schwarzen und Unterstützung von Minderheiten. Hierbei
handelt es sich zweifellos um die wohl wichtigsten Ideale der Demokratie:
Gerechtigkeit und Freiheit für alle!

„BML“ ist folglich keine revolutionäre Bewegung.
Sie will die Demokratie in den USA nicht abschaffen, sondern sie im Gegenteil,
stärken und besser machen, nämlich durch die verstärkte Durchsetzung von
Gleichberechtigung.

Auf die aktuell stattfindenden Demonstrationen
werde ich später noch einmal zurückgreifen, nämlich wenn es an der Zeit für
eine kritische Bewertung ist. Vorerst jedoch möchte ich mich der Fragestellung
nach der Legitimität von Staatswiderstand noch auf theoretische Weise nähern.

Dass Widerstand gegen Staatsgewalt in der Praxis
stattfindet und in Teilen durch die unterschiedlichsten Verfassungen und Rechte
gar legitimiert ist, haben wir bereits erarbeitet. Beachten müssen wir hierbei
jedoch nach wie vor die Grenzen, in denen Staatswiderstand erlaubt ist. Sobald
dieser den positivistischen Bereich verlässt, wird er schließlich nicht mehr
toleriert. Wie weit Widerstand reichen kann, hängt von der Gesetzgebung des
jeweiligen Staates ab, manche sind in der Hinsicht lockerer, andere sehr
empfindlich.

Sie sehen also, dass wir an eine Stelle gelangt
sind, an der wir mit juristischen Spielereien nicht mehr weiterkommen und uns
intensiver mit der Moral als Rechtfertigung für Staatswiderstand beschäftigen
müssen. Widerstand gegen das Hitler-Regime war zu der Zeit selbstverständlich
aus rein rechtlich-positivistischer Sicht nicht geduldet, aus moralischer Sicht
wäre mehr Widerstand der Deutschen aber natürlich mehr als nur wünschenswert
gewesen!

Ebenfalls von Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang natürlich das Verständnis, welches man selbst vom Staat als
solchen hat. Für den marxistischen Theoretiker, Wladimir Iljitsch Lenin
(1870-1924), seinerseits Revolutionär, impliziere „Staat“ immer ein
Konfliktverhältnis zwischen Privilegierten und weniger Privilegierten. Ein
jeder Staat sei, laut ihm, notwendigerweise auf der Unterdrückung einer Gruppe
durch eine andere aufgebaut. Als Beispiel greift er die zu seiner Zeit
existierende Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats durch die Bourgeoisie
auf und verdeutlicht anhand dieses Beispiels, dass ein Staat immer nur eine
Zusammenkunft von Menschen ist, die die jeweils Schwächeren unterdrücken. Lenin
folgert daraus, dass der Staat etwas grundsätzlich Schlechtes ist und er
demgemäß überwunden werden muss, um der klassenlosen Gesellschaft des
Kommunismus den Weg zu ebnen.

Dass Lenin seine Theorie auch in die Praxis
umgesetzt hat und dabei nicht gerade zurückhaltend agierte, was in der
russischen Revolution von 1917, dem Ende des Zarenreiches, sowie Jahrzehnten
der brutalen Diktatur, vor allem unter Stalin mündete, wissen wir alle
natürlich!

Je grundsätzlicher ein Mensch denkt, desto
überzeugter ist er von seinen Ansichten und je überzeugter jemand von seinen
Ansichten ist, desto eher vertritt er die Annahme, dass der Zweck die Mittel
heilige. Wenn jemand, genau wie Lenin, felsenfest daran glaubt, er kämpfe für
das „Gute“ oder das „Richtige“, dann sind ihm alle Mittel recht, dieses Ideal
auch zu verwirklichen. Ein Mensch, der in Grundsätzlichkeiten denkt (in diesem
Beispiel, dass der Staat „grundsätzlich“ schlecht ist), neigt zu
undifferenziertem „Schwarz-Weiß-Denken“ und ist demgemäß als radikaler,
extremistischer und weniger vernünftig einzustufen. An dieser Stelle kommt die
Gewalt ins Spiel! Nicht umsonst bedienen sich in erster Linie politische
Extremisten der Gewalt und des Terrors als politisches Instrument, um die
eigenen (angeblich guten und wahren) Absichten durchzusetzen. Logisch, wer
glaubt, er sei im Recht, muss alle Abweichenden als Lügner betrachten, die
falsch liegen und demgemäß den eigenen Zielen im Weg stehen. Es ist kein
Zufall, dass die großen Revolutionen in der Menschheitsgeschichte nahezu immer
mit Gewalt einhergingen, von großen Vorbildern der Menschlichkeit wie Mahatma
Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela einmal abgesehen.

Gewalt als politisches Instrument einzusetzen ist
eine Option, jedoch eine, die zumeist von unvernünftigen Menschen in Erwägung
gezogen wird. Keine Idee der Welt rechtfertigt reales Leid. Gewalt als Form des
Staatswiderstandes ist also ein ganz schön heißes Eisen und moralisch zumindest
bedenklich!

Etwas differenzierter formulierte es einst der
große Aufklärungsphilosoph John Locke (1632-1704) in seinem Werk „Zwei
Abhandlungen über die Regierung“ (1689). Er argumentiert, dass der
vorstaatliche Zustand, in dem sich die Menschen befinden (der häufig zitierte,
fiktive „Naturzustand“) von Gleichheit und Freiheit aller geprägt sei, jedoch die
Unvernunft mancher Menschen dazu führe, dass man sich der Freiheit seiner
eigenen Person, sowie seines Besitzes nicht immer sicher sein könnte und der
Mensch aus diesem Grund des Staates bedarf, um seine eigenen Freiheitsrechte
vor dem Übergriff anderer zu schützen. Auch eine demokratisch legitimierte
Regierung, sowie eine unabhängige Rechtsprechung ist bei Locke bereits
vorhanden. Überdies legt er auch Wert auf ein Widerstandsrecht! Demgemäß
verliert eine Regierung ihre Legitimität, wenn es ihr nicht mehr gelingt, ihrer
Aufgabe nach Sicherung dieser Freiheit und Menschenrechte (also der Gründe,
warum der Staat überhaupt erst gegründet werden musste) nachzukommen, weshalb
es das Recht des Volkes ist, sich gegen den Staat aufzulehnen (die Mittel lässt
Locke im Übrigen offen) und eine neue Regierung zu installieren.

Hier haben wir also endlich die moralische
Rechtfertigung von Staatswiderstand, nach der wir gesucht haben! Widerstand
gegen den Staat ist bei Locke moralische Verpflichtung, um sich gegen Freiheitsberaubung
und Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen, nicht etwa „nur“ ein eingeschränkt
gültiges demokratisches Recht wie in unseren modernen Staaten.

Die Staatstheorie John Lockes habe ich bewusst
gewählt, handelt es sich bei diesem englischen Philosophen doch um den oftmals
betitelten „Vater des Liberalismus“, also des Begründers jener
Gesellschaftsordnung, die auch in den USA, maßgeblich von Locke geprägt,
vorhanden ist.

Angesichts dieser neu gewonnenen Erkenntnisse,
ist es wesentlich einfacher, die „Black lives Matter“ Bewegung einer kritischen
Überprüfung zu unterziehen. Stellen die Demonstrierenden die Verwirklichung des
liberalen Ideals dar oder ist das alles nicht mehr als ein vorübergehendes
Massenphänomen?

Schwarze Menschen in den USA sehen ihre
Grundrechte unter anderem durch unverhältnismäßige Polizeigewalt massiv
eingeschränkt. Doch ist dies überhaupt in diesem Zusammenhang richtig?

Nun, diese Frage ist äußerst schwierig zu
beantworten, da sich zu viele wichtige Hintergrundinformationen im Verborgenen
befinden. Sicher ist, dass Afro-Amerikaner und andere Minderheiten in den USA
gesetzlich gleichgestellt sind. Von eingeschränkten Grundrechten kann man
jedoch erst sprechen, wenn eine explizite Diskriminierung von staatlicher Seite
vorliegt, also eine juristische Ungleichbehandlung. Zwar sind Polizisten
Vertreter der staatlichen Exekutive, allerdings handeln sie auch bei der
Amtsausübung immer noch als Individuen. Für rassistische Gesinnung einzelner
Polizisten ist also nicht der Staat zu verantworten. Schließlich gibt es keine
staatlichen Anordnungen, dass Polizisten vor allem gegen Schwarze mit
besonderer Brutalität vorzugehen haben. Ist dies dennoch der Fall, liegt die
Schuld bei demjenigen, der die Tat selbst ausgeübt hat, beispielsweise dem
Mörder George Floyds. Sowohl Kritik am Staat, wie auch ein Generalverdacht
Polizisten gegenüber, halte ich in dieser Hinsicht für unsachlich. Der Mörder
George Floyds muss sich vor Gericht verantworten, genau wie jeder andere
Straftäter auch. Dies allein ist Zeichen eines funktionierenden Rechtsstaates
(wir erkennen die Bezüge zu Lockes Idee von unabhängigen Richtern). Es gibt
keine staatliche Diskriminierung von Schwarzen in den USA!

An dieser Stelle dürfen wir aber natürlich nicht
aufhören. Die gesetzliche Lage allein zu betrachten reicht eben nicht, um ein
allumfassendes Verständnis der Gesamtsituation zu erlangen, wie wir auch zuvor
schon bei dem Thema des Staatswiderstandes festgestellt haben. 

Die mutwillige Tötung George Floyds war ein
entsetzliches Verbrechen, eine abscheuliche Tat, die allen humanitären Werten
zuwiderläuft! Dennoch ist es äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu
beurteilen, inwiefern Rassismus das ausschlaggebende Mordmotiv des Polizisten
war. Bei ihm handelt es sich zweifellos um einen sadistischen Menschen, der
seinen Beruf womöglich gar nur der Macht und Überlegenheit wegen ergriffen hat,
die ihm als Polizist zugestanden wird. Hätte er den Mann unter seinen Knien
auch kaltblutig ermordet, wäre derjenige weiß gewesen, weil der Polizist
einfach nur ein Sadist ist oder äußerte sich in der brutalen Tat der
persönliche Hass Dunkelhäutigen gegenüber? Die Kausalitäten sind nicht
eindeutig bestimmbar. Hoffentlich werden weitere Ermittlungen neue Erkenntnisse
liefern. Fest steht, dass dieser Mord hart bestraft werden muss! Sehr hart
sogar!

Das Fass noch weiter zum Überlaufen gebracht hat
der sich kürzlich ereignete zweite Mord eines Afro-Amerikaners durch
Polizisten. Wie erwartet verstärkten sich die Proteste weiterhin infolgedessen.
Die erneute Tat ereignete sich folgendermaßen:

Am 12.6.2020, einem Freitag Abend, blockierte ein
Afro-Amerikaner namens Rayshard Brooks mit seinem Auto, in welchem der
alkoholisierte Mann eingeschlafen war, die Einfahrt eines Restaurants, dessen
Besitzer daraufhin die Polizei verständigte.

Brooks widersetzte sich der Festnahme durch die
bald darauf eintreffenden Beamten, entwendete einem Polizisten einen
Elektroschocker, rannte weg und zielte mit der Waffe auf den Polizisten,
welcher ihn daraufhin erschoss.

Dem Polizisten in dieser Situation Rassismus
vorzuwerfen, erachte ich als unzutreffend. Dass die Hautfarbe des Mannes
tatsächlich eine Rolle gespielt hat, ist doch äußerst unwahrscheinlich. Ich
frage mich eher, ob es wirklich nötig war, direkt zu schießen. Die
amerikanischen Polizisten scheinen gerne und sehr schnell zu schießen. In
Deutschland wäre das in dieser Form wohl eher nicht passiert. Man muss bei der
grundsätzlichen Ausbildung der amerikanischen Polizisten ansetzen. Rassismus
war wohl in diesem ganz spezifischen Fall, nicht das entscheidende Motiv.

Man kann mir natürlich vorwerfen, in gewisser
Weise von „oben herab“ zu argumentieren, als ein „privilegierter Weißer“, der
selbst noch nicht mit Rassismus konfrontiert wurde und demgemäß die Ausmaße der
„BLM“ Bewegung nicht richtig aufzufassen und einzuordnen vermag. Mal abgesehen
davon, dass man nicht grundsätzlich bestimmte Bevölkerungsgruppen als
privilegiert betrachten sollte, sind wir doch alle mehr als Individuen mit ganz
persönlichen Problemen und Sorgen zu bewerten und nicht auf die bloße ethnische
Zugehörigkeit zu reduzieren, wehre ich mich des Weiteren nicht gegen diesen
möglichen Vorwurf.

Nichtsdestotrotz erkenne ich definitiv an, dass
Rassismus leider immer noch ein großes Problem in den USA und in der Welt im
Allgemeinen ist, auch wenn es heutzutage natürlich nicht mehr so sein sollte.
Für die „BLM“ Bewegung war der Tod George Floyds schließlich auch nur der
Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Dass bereits davor, übrigens
auch noch weit vor der Amtszeit Donald Trumps, rassistische Vorfälle an der
Tagesordnung waren, steht außer Frage! Auch wir in Deutschland kennen dieses
Problem.

Von Beleidigungen auf der Straße, gewalttätigen
Übergriffen, polizeilichen Untersuchungen ohne ersichtlichen Grund, sowie
Nachteile bei Wohnungssuche und Beruf, ist alles vertreten, in den USA
tatsächlich noch wesentlich ausgeprägter als in Deutschland.

Viele weiße Amerikaner berufen sich gerne darauf,
dass ja Schwarze wesentlich häufiger kriminell seien, was die Maßnahmen, ihres
Erachtens rechtfertige.

Nun, Zahlen und Statistiken schenke ich generell
nicht viel Vertrauen, weder in dieser Hinsicht noch bei angeblichen Belegen,
dass Polizeigewalt gegen Schwarze häufiger vorkomme, als gegen Weiße. Ich halte
es da eher mit Churchill: „Vertraue keiner Statistik, die du nicht selbst
gefälscht hast!“

Dass Afro-Amerikaner dennoch häufiger kriminell
in Erscheinung treten, kann ich mir auch ohne die Kenntnisse von (gefälschten)
Zahlen sehr gut vorstellen und zwar nicht, weil sie von Natur aus schlechtere
Menschen sind, sondern aufgrund eines logischen Kausalzusammenhangs.

Aggressionen und Hass werden durch
Diskriminierung und Ausgrenzung im Alltag begünstigt. Wem berufliche
Aufstiegschancen aufgrund seiner Hautfarbe verweigert werden und wer es dadurch
schwieriger hat, in anständigen Vierteln zu wohnen und sich daher mit
kriminellen Ghettos zufrieden geben muss, der wird doch rein logisch
betrachtet, fast schon zur Kriminalität gezwungen, um sich irgendwie Geltung zu
verschaffen, was auf rechtlichem Wege wohl nicht möglich ist. Und machen wir
uns keine Illusionen! Die zuvor geschilderten Lebensumstände sind auch
heutzutage noch in vielen Städten der USA traurige Realität! Wer leidet
erwiesenermaßen in den USA vor allem unter der Corona-Krise? Afro-Amerikaner! Die
weißen  Amerikaner sind selbst Schuld,
dass ihre schwarzen Mitmenschen häufiger kriminell werden, sofern dies wirklich
der Fall sein sollte. Sie bekommen das zurück, was sie selbst hineingeben. Kausalität,
nichts anderes!

Das amerikanische Problem des Rassismus ist
mittlerweile nicht mehr von staatlicher Seite gegeben (Martin Luther King sei
Dank) aber es hat tiefe Wurzeln geschlagen, die sich nun inmitten der
Gesellschaft befinden. Ich würde nicht ausschließen, dass vor allem in den USA
noch die „Sklavenhalter-Mentalität“ ausgeprägt ist, womöglich auch nur noch
unterbewusst. Wir müssen schließlich bedenken, dass durchaus viel vom heutigen
Reichtum der USA auf Unterdrückung und Ausbeutung beruht, angefangen bei der
systematischen Vertreibung der Ur-Einwohner bis hin zu der schrecklichen
Sklaven-Zeit. Erschwerend hinzu kommt der amerikanische Hardcore
Wirtschaftsliberalismus. Wer sich der Leistungsgesellschaft nicht anpassen will
oder kann, wird kaum aufgefangen. Wenig soziale Netze, kaum Hilfe für
Arbeitslose und Arme, eines der Länder, in welchem der Wohlstand am
ungleichsten verteilt ist. All das müssen wir bei unserer Bewertung im
Hinterkopf behalten! Die USA sind ein unglaublich unsoziales Land. Da passt
Rassismus gut ins Bild! Der „American Dream“ wurde zum „American Nightmare“ für
die unzähligen Benachteiligten und Abgehängten!

Ob es „BLM“ alleine gelingen wird, daran etwas zu
ändern, ist unwahrscheinlich. Zu tief sind die Gräben. Außerdem ist die
Bewegung an sich ebenfalls nicht ganz aus der Kritik zu nehmen.
Massenbewegungen wie diese verleihen radikalen Extremisten einen Deckmantel für
unnötige Gewaltausbrüche. Wenn Läden ausgeraubt und Restaurants angezündet
werden (ja, das hat es alles gegeben und ist nicht gutzuheißen!), gilt der
berechtigte Hass den Falschen.

Niemanden nützt es, wenn ein mittelständischer
Ladenbesitzer, der selbst um sein Überleben kämpfen muss, seine gesamte
Existenzgrundlage verliert. Es richtet nichts als vermeidbaren und somit
unnötigen Schaden an, wenn diejenigen von den Auswirkungen betroffen sind, die
selbst nichts dafür können. Das ist ungerecht und wirft einen Schatten auf die
gesamte Bewegung, wenngleich diese an sich ja ebenfalls nicht dafür zu
verantworten ist. Dies ist einfach die Problematik von großen Massenbewegungen.
Sie geraten schnell außer Kontrolle, da sie eine beinahe unheimliche
Eigendynamik entwickeln und sich dann schnell von der eigentlich lobenswerten
und guten Intention distanzieren. Ganz gemäß des berühmten Zitates von Georg
Bücher: „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.“

Ebenfalls als negativ erachte ich die Tatsache,
dass George Floyd im Rahmen der „BLM“ Bewegung völlig instrumentalisiert wurde.
Die Beerdigung eines zu Lebzeiten unbekannten Mannes wird im Fernsehen
ausgestrahlt und zum Anlass für politische Botschaften genommen? Wird der Mann
dadurch nicht auf seine Hautfarbe und die bloßen Umstände seines Todes
reduziert, ohne den Menschen an sich zu würdigen? George Floyd wurde zu einem
Werkzeug, einem Aushängeschild. Ein unpolitischer Mensch wird zum Symbol einer
politischen Bewegung. Dies erinnert mich an den Film „JOKER“ von Todd Phillips.

Protagonist Arthur Fleck, ebenfalls ein sozial
Abgehängter und Benachteiligter, erschießt in Notwehr eine Gruppe reicher
Männer und begründet somit unbeabsichtigt eine Bewegung von armen Menschen, die
sich ganz im marxistischen Stile gegen die Eliten auflehnen.

Haben wir bei all der politischen
Instrumentalisierung nicht vergessen, dass hierbei ein Mensch umgekommen ist?
Interessiert es überhaupt irgendjemanden, dass George Floyd, der Mensch, der
Familienvater, gestorben ist? Sieht überhaupt irgendjemanden den Menschen
hinter dem politischen Symbol?

Wie jede Massenbewegung läuft auch „BLM“ gerade
Gefahr, zu nichts weiter zu werden als politisch korrekte Heuchelei.

Es ist Heuchelei, wenn beispielsweise Heidi Klum,
die einen Instagram-Post von den Händen ihrer Familienmitglieder (alle
unterschiedlicher Hautfarbe) gepostet hat und für den Hashtag #alllivesmatter“
angefeindet wird, da sie nicht #blacklivesmatter geschrieben hatte und ja damit
den Rassismus Schwarzen gegenüber verharmlose. Dabei ist doch das die
eigentlich wahre Botschaft. Alle Menschen sind gleich an Würde und Wert. „All
Lives Matter“ ist doch weitaus zutreffender als das exklusive „Black Lives
Matter“ (denn im Übrigen werden in den USA andere Minderheiten wie
beispielsweise die Menschen hispanischer Herkunft ebenso diskriminiert).

Es ist ebenfalls Heuchelei, wenn Fußballvereine
wie der FC Bayern München und Eintracht Frankfurt sich Sondertrikots anfertigen
lassen mit #blacklivesmatter und direkt daneben der Name des Sponsors zu sehen
ist. Fußballvereine leben Vielfalt bereits, eine Mannschaft vereint Spieler
aller möglichen Nationen. Das ist doch Botschaft genug! Was soll ich denn
denken, wenn ich ein solches Trikot sehe, abgesehen davon, dass der Konzern mal
wieder Blut geleckt hat und sich, der Vermarktung wegen, der Kommerzialisierung
einer politischen Bewegung bedient?

Was ich wirklich bewundere ist eine Situation,
die sich am 13.6.2020 bei einer Londoner Demonstration ereignete, bei der
Protestierende von „Black Lives Matter“ auf teilweise rechtsextreme
Gegendemonstranten stießen. Hierbei wurde ein weißer Gegendemonstrant verletzt
und von einem schwarzen Demonstranten auf den Schultern getragen und bahnte
sich den Weg durch die Menschenmenge zu einem sicheren Ort. Das hierbei
entstandene Bild ging viral.

Was mich daran so freut, ist die Tatsache, dass
dieser eine Demonstrant, ein Vorbild für Zivilcourage und Menschlichkeit,
verstanden hat, worauf es wirklich ankommt. Keine übertriebene politische
Korrektheit, keine unnötige Kommerzialisierung, kein Opportunismus, sondern die
Anerkennung des Umstandes, dass wir trotz verschiedener Herkünfte, Hautfarben
und politischen Ansichten, alle Menschen sind und uns eben dieses Menschsein
tief im Herzen mit den anderen verbindet. Das ist die Wahrheit! All Lives
Matter!

 

Die „BLM“ Bewegung hat sicherlich Potential, in
den USA wirklich etwas zu bewegen, auch wenn es schwierig wird und aufgepasst
werden muss, dass sich die Proteste nicht in eine falsche Richtung entwickeln.
In erster Linie sollte sich das gesamte amerikanische Volk seiner Stärke bewusst
werden! Was es in den USA wirklich braucht, ist keine Revolution, sondern
umfangreiche Sozialreformen. Endlich sozialstaatliche Maßnahmen, vernünftige
finanzielle Absicherungen und Versicherungen für Kranke und Arbeitslose. All
das, was in Deutschland schon selbstverständlich ist. Ein besseres
Auffangprogramm für sozial Abgehängte, eben oftmals Afro-Amerikaner oder
Angehöriger anderer Minderheiten, unterbindet den entsetzlichen Teufelskreis
zumindest in Teilen. Wer schließlich das Recht auf eine staatliche
Mindestsicherung hat, wird auch nicht so schnell in die Kriminalität getrieben
und somit wiederum könnte sich auch das gesamtgesellschaftliche Bild von
Schwarzen in den USA verbessern und dem Rassismus entschieden den Kampf
ansagen. Dann würden womöglich auch viele Weiße endlich einsehen, dass Schwarze
wohl doch keine gefährlichen Tiere sind, sondern auch nur Menschen mit
Bedürfnissen, deren Nicht-Erfüllung verständlicherweise Verzweiflung und
Wahnsinn hervorbringt! Die größte Veränderung kann zweifelsohne an der Wahlurne
herbeigeführt werden. Es ist dieses Jahr schließlich wieder soweit. Eine große
Gelegenheit, einen rassistischen Präsidenten abzuwählen, der mit seinem
Verhalten auch in keiner Weise zu einer Deeskalation der Situation beigetragen
hat und einen großen Wandel einzuleiten. Hoffentlich lassen die Amerikaner
Vernunft walten und geben Joe Biden ihre Stimme und nicht Trump, sodass sich
endlich auch mit mehr sozialstaatlichen Maßnahmen, für die Biden eintritt, die
große Wende vollziehen lässt. Für eine gerechtere und für alle bessere Welt!
Damit es sich verwirklichen lässt, dass wirklich ausnahmslos alle Leben zählen!

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