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Sätze: | 28 | |
Wörter: | 824 | |
Zeichen: | 4.581 |
Wann immer sich die Nacht als dunkler Schleier über Timaar legt, ziehen die Männer mit Langspieß und Fackel aus, um die Laternen zu entzünden. In jeder Nacht steht er am Fenster um das Aufflammen der Lichter zu beobachten, bis die Wachen sich an Lagerfeuern niederlassen und den Schlaf mit Alkohol aus ihren Knochen vertreiben.
Es ist das selbe Spiel, Nacht für Nacht, Jahr für Jahr. Seine Hand spielt mit den Kerzen auf dem Fensterbrett, die unter seinen Fingern mit dem Wind tanzen und verharren. Die Königin streicht ihm sanft durch das blonde Haar, lässt ihren Blick voll Sorge von den Lichtern zum dunklen Horizont schweifen und spricht die selben Worte, immer und immer wieder, bis sie fest in seinen Erinnerungen verankert sind und dann bis er längst zu groß ist, um an Kindergeschichten zu glauben. Aber es sind keine, Himmel, nein. Selbst die Wachen am Rande der Felder erzittern bei den Erzählungen, und eisige Kälte kriecht in ihre Felle wie tote Hände, die sich um ihre Kehlen legen. Einem von ihnen entstammen die Zeilen, die von Kindern und Greisen wie Gebete wiederholt werden, um die Warnung nie zu vergessen.
Monster sind sie, ohne Zweifel. Sie verkauften ihr Herz an den Wald, einen bösartigen Dämon, der ihnen ein grässliches Geschenk bereitet hat. Ihr Fleisch ist verrottet und Wurzeln wie die eines Baumes nähren sich von ihren Körpern. Aber ihr Geist geht darin über, tief in das Holz und lässt es atmen wie Tier und Mensch. Sag mir, wie kann sich etwas bewegen, das kein Herz mehr hat? Was kann es dann anderes sein, als ein Ungeheuer? Es haust in der Dunkelheit zwischen den Bäumen, seinen Brüdern, und jagt die armen Herzen, die sich dort hinein wagen. Betritt den Wald nur, wenn du einen schnellen Tod suchst, Narr! Leuchtende Augen künden von den Mächten, über die es gebietet - die Tiere jagen dich tollwütig, selbst die Vögel verspeisen deine Augen mit ihren messerscharfen Schnäbeln und ihr Gekreische wird das Letzte sein, das du in dieser Welt hörst. Pflanzen schlingen sich um deinen Körper, Dornen zerschneiden deine Haut und ihre Wurzeln graben sich tief durch deine Knochen, um zu fressen und dir den Atem zu rauben. Du kannst nicht fliehen, denn der Boden tut sich unter deinen Füßen auf und verschlingt dich, um dich in der Dunkelheit deines Grabes zu ersticken während du verstummt dem Wahnsinn verfällst.
Sie beendet ihre Geschichte stets mit den Worten, die die Männer wie einen stärkenden Segen sprechen, bevor sie die Wälder betreten. Ein Schwur an ihren König und die Macht, der sie so viel verdanken.
Wie tötet man, was nicht lebt? Was bringt dir deine Klinge, wenn kein Blut vergossen werden kann? Kein Gebet wird dir helfen, kein vergessener Gott. Nur das reinigende Feuer, das die bösen Geister austreibt und die Schatten an den Rand der Welt verbannt. Mit Axt und Fackel ziehen wir aus, um unser Reich zu schützen.
Unsere Reihen führt ein König, der die Flamme ohne Furcht in seinen Händen trägt. Er kontrolliert das Feuer selbst.
Seine Ahnen wurden als Helden verehrt, denen sich sogar das Feuer beugte. Magier und Krieger, denen sie ihre Heimat verdankten. Aber keine Geschichte erzählte von seinem Vater, der seine Truppen seit Jahren von den dunklen Wäldern fernhielt statt sie niederzubrennen und so einen unausgesprochenen Waffenstillstand mit den Monstern schuf.
Ihm folgen wir bis in den Tod.
Und keine Geschichte erzählte von den Wortgefechten zwischen dem König und kriegssüchtigen Beratern, die das Übel endgültig ausmerzen wollten. Von lauten Stimmen und leeren Drohungen, die auch in dieser Nacht bis in sein Zimmer drangen und ihm keinen Schlaf gewähren wollten - aber es war mehr als das.
Wenn die Dunkelheit vertrieben ist, herrscht Frieden im Licht.
Von beißendem Rauch, der ihn aus tiefen Träumen riss und in den Augen brannte, bis seine Sicht verschwamm. Von den Bildern, die er nächtelang im Schlaf gesehen hatte und sich nun direkt vor seinen Augen abspielten, als würde sich sein Schicksal nun erfüllen. Von dem Terror in seinem Geist und Stimmen und Flüchen und Verzweiflung, lähmender Verzweiflung, die ihn fast das Leben kostete.
Feuer wird uns leiten.
Von tanzenden Flammen, die seine Haut küssten als er sich schreiend einen Weg durch die Hölle bahnte und die Decke hinter ihm einstürzte, um alles unter sich zu begraben.
Von dem einen Mal, als er vor dem Licht in die rettende Dunkelheit floh, taumelnd und fliegend und fallend, und der Boden nach ihm griff, als seine Beine ihn nicht mehr tragen wollten.
Von dem Königssohn, der zu schwach für die Kräfte in ihm war, und so den Tod seiner Eltern zu verschulden hatte.
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