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Meine Leibgerichte (2)

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13.01.24 00:01
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

Ich habe es in meiner ersten Geschichte über meine Essgewohnheiten versprochen, es wird keine weiteren Fortsetzungen geben. Es bleibt bei zwei Geschichten und Rezepten. Das Thema Essen ist zwar wichtig, aber genau, wie mich Kochsendungen im Fernsehen nerven - Geschichten über das Kochen finde ich auch nervig. Vielleicht sind zwei solcher Geschichten gerade noch erträglich, ich lasse es dabei, es reicht.

Ich will nicht zu tief in meine Vorlieben beim Essen einsteigen, denn alles, was mir dazu einfällt, habe ich in meiner Erzählung zur Graupensuppe zu Papier gebracht (wie nennt man das denn heutzutage? In die Tastatur gehauen?). Es gibt aber noch eine Speise, die bei mir ähnliche Gefühle auslöst, wie die von mir hochgeschätzte Graupensuppe. Bei uns zu Hause nannten wir diese einfache Kartoffelspeise Schnibbelkuchen. Es handelt sich um einen Pfannkuchen und ich könnte ein Königreich dafür opfern, um zu dieser Leibspeise zu gelangen. Ich kann mich gut erinnern, als ich noch ziemlich klein war, bereitete meine Mutter oft diese Pfannkuchen zu. Warum sie es später aufgab, weiß ich nicht, ich hätte sie fragen sollen, aber dazu ist es heute zu spät. In mir schlummerte von daher über ein Jahrzehnt die Sehnsucht nach Schnibbelkuchen. Meine Rettung war, dass ich mich bis über beide Ohren verliebte. Zu Anfang unserer Liebe standen natürlich andere Interessen, als Kochen im Fokus unserer Beziehung. Nur, irgendwann war die erste Sehnsucht noch körperlicher Nähe gestillt und so widmeten wir uns auch anderer Themen. Das Objekt meines Begehrens wusste schon früh zu schätzen, dass ich gerne kochte, ich wartete von daher oft ungeduldig darauf, dass meine Mutter mit einer oder mehreren ihrer zahllosen Freundinnen für ein Wochenende aus der gemeinsamen Wohnung verschwand. Dann hatte ich freie Bahn in der Küche und konnte meine Angebetete bekochen.

Es blieb natürlich nicht beim Kochen, aber das ist ein anderes Thema. Trotzdem blieb ausreichend Zeit, sich in Gesprächen einander anzunähern. Schließlich planten wir zur Zeit des Bekochens schon unsere Liebschaft in eine lebenslange Gemeinschaft umzuwandeln und je mehr von den Vorlieben oder den Abneigungen des anderen an das Tageslicht gefördert wurde, umso mehr fanden wir, dass in vielen Dingen unsere Interessen ziemlich deckungsgleich waren. Das betraf dann auch unsere Vorlieben beim Essen, nicht ganz, aber doch so, dass wir beide weitgehend unsere Essgewohnheiten beibehalten konnten. Was mich überraschte, war, dass auch meine Zukünftige Schnibbelkuchen kannte, sie nannte ihn aber Pillekuchen und bei diesem Namen blieb es bis heute. Trotzdem, es genügte ein kurzer Austausch über Rezept und Zubereitung und uns war klar, hier hatten sich zwei Herzen gefunden, die an dieser Stelle im gleichen Takt schlugen. Es gab und gibt mehr Gemeinsamkeiten, immerhin liegt die Zeit des Bekochens mehr als fünf Jahrzehnte zurück. Das Bekochen hat sich erledigt, schließlich wird fast ausschließlich gemeinsam gekocht. Wobei beide Seiten ihre Stärken und Schwächen haben und deshalb kam es in all den Jahren auch nur einmal dazu, dass ich den Pillekuchen zubereitete. Die Umstände, wie es dazu kam, waren nicht erfreulich, meine Liebe war schwer erkrankt und ich wollte sie aufpäppeln.

Was die Kunstfertigkeit meiner Liebe beim Backen von Pillekuchen betrifft, sie ist dabei nur schwer zu übertreffen. Es wird wohl auch kaum eine Köchin geben, die diesen Kuchen öfter zubereitet hat, als sie. Übung macht in diesem Falle die Meisterin. Als wir noch jünger waren, bekochte sie mit Pillekuchen auch Nachbarn und Freunde. Das war ein ziemlich mühsames Geschäft, denn größere Mengen Kartoffeln zu reiben ist anstrengend und tut den Fingern nicht gut. Da ist leicht einmal eine Fingerkuppe im Weg, aber es gab Rettung. Meine Mutter bekam einmal mit, wie sich mein Schatz mit den Kartoffeln an der Reibe abrackerte und daraufhin schenkte sie ihr ein elektrisches Schnitzelwerk. Das ist jetzt fast vierzig Jahre her, aber die Maschine tut immer noch klaglos ihren Dienst. Jahrzehntelang wurde bei uns Pillekuchen gebacken, das Rezept blieb so gut wie unverändert, doch dann hatte mein Schatz eine geniale Idee. Wir waren wohl schon in Rente, ich sage es einmal so, wir waren damals junge Rentner. Der Ausgangspunkt war, dass eine Variante in der Zubereitung von Fischfilets gesucht wurde. Wir überlegten einige Tage hin und her, die Idee kam beim Frühstück. Wieso beim Frühstück weiß ich nicht, aber meine Liebe sagte für mich völlig unvermittelt, wir könnten Pillekuchen füllen. Es hat noch einige Versuche gebraucht, bis wir das System optimiert hatten, aber nach einigen Wochen waren die gefüllten Pillekuchen perfekt in Aussehen und Geschmack. Die Füllung kann je nach Vorlieben variiert werden. Wir füllten bisher nur frische oder geräucherte Fischfilets in die Kuchen, können uns aber durchaus fleischige oder vegetarische Füllungen vorstellen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. So lautet die erste Frage, wenn wir planen Pillekuchen zu backen, Pillekuchen natura oder Pillekuchen gefüllt? Lange haben wir übrigens gebraucht, die richtigen Menge Kartoffeln zu ermitteln. Meist schälten wir viel zu viele Kartoffeln, zu viel Abfall ist uns aber zuwider. Wir wiegen heutzutage die geschälten Kartoffeln ab. Meine Liebe ist eben eine Perfektionistin.

Genau, wie sich unsere Tochter oft Graupensuppe von uns wünscht – ich habe das in der Erzählung Graupensuppe ausführlich dargelegt – wünscht sie sich von uns ähnlich oft Pillekuchen. Das kam so, einmal hatten wir einen sehr langen Aufenthalt bei ihr geplant, da kamen wir auf die wahnsinnige Idee, in dieser Zeit Pillekuchen zu backen. Wir packten also unser Schnitzelwerk in den Kofferraum und fuhren gen Süden. Unsere Tochter kam zur Begrüßung, als wir gerade das Auto entladen hatten. Leider hatten wir unser Schnitzelwerk noch nicht versteckt, ihr gingen die Augen über. Jüngere Menschen haben ein hervorragendes Gedächtnis und sie konnte sich gut an die Maschine erinnern. So fragte unsere Tochter recht scheinheilig, was wir denn mit der Maschine vorhätten. Wir antworteten wahrheitsgemäß, wir würden uns Pillekuchen backen und erhielten eine prompte Antwort – aber nicht nur für euch. Wir haben ihr beim nächsten Besuch ein Schnitzelwerk geschenkt, preiswert ersteigert bei eBay. Das hat nichts geholfen, wir sind die einzigen, die die Maschine benutzen – bisher zumindest

Zutaten für zwei Personen

400 Gramm  geschälte Kartoffeln für gefüllten Pillekuchen
500 Gramm  geschälte Kartoffeln für traditionalen Pillekuchen natura
2                   Eier
                     Salz
                     Pfeffer aus der Mühle
                     Muskatnuss frisch gerieben
                     Öl zum Braten
                     Wahlweise Knoblauch
                     Ein Zweig Basilikum für die gefüllten Pillekuchen

Zubereitung

Um die Zubereitung zu beschleunigen besitzen wir zwei gleiche 28 cm Pfannen.

Die Kartoffeln grob Schnitzeln. Mit den Eiern und den Gewürzen gut vermischen. Öl in die Pfanne(n) geben, die Kartoffelmasse gleichmäßig darauf verteilen und anschließend bei mittlerer Hitze von einer Seite goldbraun backen.

Jetzt trennt sich die weitere Zubereitung.

Gefüllter Pillekuchen

Die Füllung auf einer Hälfte des Kuchens verteilen und die nicht belegte Seite über die belegte Seite klappen.

Wenn wir zwei gefüllte Pillekuchen zubereiten, legen wir beide in eine Pfanne, mehr als zwei Pillekuchen verteilen wir auf einem Backblech. Den Zweig Basilikum dazulegen und Blech oder Pfanne für ca. eine halbe Stunde in den Backofen geben (mit der Temperatur muss etwas experimentiert werden. Wir stellen auf Heißluft bei 160° C ein.)

Traditioneller Pillekuchen

Den gebräunten Kuchen wenden und von der anderen Seite ebenfalls goldbraun backen.

Traditionell wird dazu Apfel- oder Rübenkraut und Rheinisches Schwarzbrot (Vollkornbrot) gegessen. Wir mögen das nicht, so essen wir entweder gar nichts oder einen Salat dazu.

Autorennotiz

Das ist nun die zweite Kocherzählung. Sie ist gleichzeitig das Ende der Serie. Ich habe a)keine weiteren Kochgeschichte verfasst und b)ich glaube, das reicht auch.

Der Schluss meiner Geschichte beschreibt, dass das zweite Schnitzelwerk bisher nur von uns genutzt wurde. Ob das so bleibt, liegt nicht in unserem Ermessen. Für uns hat sich das erledigt. Die Reise zu unserer Tochter nach Aquitanien ist inzwischen zu anstrengend. Sie backt sich den Kuchen entweder in Zukunft selbst oder, sie macht sich auf den Weg zu uns.

Das Original dieser Geschichte gibt es hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=pillekuchen.pdf

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Autor

BerndMooseckers Profilbild BerndMoosecker

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Statistik

Kapitel: 2
Sätze: 63
Wörter: 1.265
Zeichen: 7.924

Kurzbeschreibung

Die Geschichte des Pillekuchens entspringt der gleichen Zeit, wie die Geschichte der Graupensuppe. Welches Gericht ich von den beiden bevorzuge? Ich weiß es nicht!

Kategorisierung

Diese Story wird neben Vermischtes auch im Genre Familie gelistet.

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