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Wieder, Wieder und wieder Wieder

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10.11.23 20:38
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Daniel löffelt das Kaffeepulver in seine Filtermaschine und hat das Gefühl, das schon mal erlebt zu haben. Ich mach jeden Morgen Kaffee, klar hab’ ich das schon mal erlebt. Der Geruch von frischem Kaffee verbreitet sich, als er beobachtet, wie der Kaffee in die Kanne tropft. Sogar als er mit seiner Tasse Kaffee an seinem Laptop sitzt, hält das Gefühl des Déjà-Vu an. Er scrollt durch seinen Newsfeed. Die gleichen Spinner wie jeden Tag, der gleiche Tratsch, die gleichen Hiobsbotschaften. Er scrollt und erinnert sich an alles was kommt. Wie wird das Wetter heute? Und er weiß es schon.

»Zweiundsechzig Sekunden Versatz. Wiedereinsetzung ist erfolgt.«
»Gut gemacht. Dreh den Regler runter. Jetzt bist du gleich wieder in der Normzeit.«
»Was bedeutet das rote Licht?«
»Hm?«

Daniels Kaffee steht unangetastet vor ihm und ist inzwischen kalt. Er sitzt an seinem Laptop und rührt sich nicht und er kann sich daran erinnern, wie er dasitzt und sich nicht rührt. Die Palme auf seinem Schreibtisch rührt sich mit ihm nicht. Er hatte schon Déjà-Vus, aber was er jetzt erlebt, grenzt schon an lächerlich. Um diesen Fluch zu brechen, muss ich was Verrücktes machen. Er stellt sich auf ein Bein, hüpft darauf im Kreis und zieht sein Hemd aus. Gerade noch rechtzeitig erinnert er sich daran, dass er kurz vor der Abteilungsbesprechung sein Hemd wieder zuknöpfen würde. Und da baut sich auch schon die Hologrammverbindung auf.

»24 Stunden? Du hast dich um einen ganzen Tag verrechnet.«
»24 Stunden und zweiundsechzig Sekunden.«
»Das sollten eigentlich nicht mehr als zehn Sekunden sein.«
»Muss ich etwas unternehmen, oder lass ich das einfach so laufen?«
»Ein ganzer Tag? Dein armes Objekt bekommt den Doppelungskater des Jahrhunderts.«

Daniel starrt auf seine Hände, die auf der Tischplatte vor ihm liegen. Die Besprechung ist zu Ende. Alles.schon.mal.dagewesen. Ohne dass es ihn überraschen würde, juckt plötzlich sein rechter Oberschenkel. Er schiebt seine Shorts nach oben und entdeckt einen roten Fleck. Besser gesagt, er entdeckt ihn wieder. Als er sich heute Morgen geduscht hat, war der noch nicht dagewesen. Er erinnert sich an diesen Gedankengang. Wenn er sich kratzen würde, würde es wehtun, doch er kann nicht anders. Autsch.

»Siehst du, hier hast du deinen Fehler gemacht. Du musst die Objekte 24 Stunden im Zeitvortex halten, damit alles verheilen kann und erst dann schickst du sie zurück. Du hast die 24 Stunden hinten rausgerechnet ohne sie vorne zugeteilt zu haben.«
»Und was machen wir? Holen wir es nochmal zurück?«
»Innerhalb einer Dopplung? Nicht dass du an deinem ersten Tag hier das Raum-Zeit-Kontinuum zur Implosion bringst.«
»Was?«
»Das gehört jetzt zum Berufsrisiko. Mein Ausbilder hat mir damals die Geschichte erzählt, wie ein Objekt zur gleichen Zeit zweimal geholt wurde. Bumm. An dem Standort der ehemaligen VAC-Einrichtung befindet sich jetzt ein Krater.«
»Nicht wahr!«
»Vermutlich nicht. Der Kern der Geschichte aber wohl. Und der ist, dass wir genau arbeiten müssen. Hier auf dem großen Bildschirm siehst du den Zeitfluss und die roten Punkte sind alles Zeitpunkte bei denen wir uns gerade einmischen oder bereits eingemischt haben.«
»Was ist mit den Punkten in die wir uns einmischen werden?«
»Über die brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Da passen dann unsere Nachfolger auf. Sei du nur genau mit deinen Aufzeichnungen. Und mit deinen Berechnungen. Ein paar Sekunden Doppelung haben dem Raum-Zeit-Kontinuum bisher noch nicht geschadet.«
»Und den Objekten. Schadet das denen?«
»Nein, die haben lediglich ein Gefühl der Doppelung. Und die hält in der Regel nicht lange genug an, dass es einen Unterschied machen könnten.«
»Und was mach ich jetzt mit meinem Objekt?«
»Keine Sorge, das wird es überstehen. Wird ihm als komischer Tag in Erinnerung bleiben, nichts weiter. Jetzt mach dich an die Extraktion ohne diesmal was zu verbocken.«

Daniel löffelt das Kaffeepulver in seine Filtermaschine und hat das Gefühl, das schon mal erlebt zu haben. Er sticht sich mit dem Löffel ins Auge. Nein, das ist neu. Alles gut. Seit diesem komischen Tag letzte Woche ist alles normal geblieben. Er fühlt sich gut. Sehr gut. Der Kopfschmerz und die Müdigkeit der letzten Woche ist verflogen. Vielleicht ist es eine Art von Migräne gewesen. Mit einem Geräusch, dass sich durch die Abwesenheit jeglicher Geräusche auszeichnet, verschwindet Daniel.

»Du hast ihn, jetzt ins Labor 2.23 mit ihm. Dort werden ihm die Antikörper extrahiert. Von dort kommen sie in die Massenproduktion und sind dann ab nächstem Zyklus in unserem VAC-Cocktail. Und bis dahin machst du weiter. Und weiter und immer weiter.«
»Jaja, ich weiß. 200 Millionen Schnupfenviren.«
»Du hast die Broschüre gelesen. Hier in Abteilung 4 können wir unsere Objekte zufällig wählen. Keine Kinder, keine Alten, keine Autoimmunerkrankungen. Der Filter ist im System schon eingegeben. Aber sonst gibt es keine Einschränkungen. Abteilung Schnupfen bringt niemanden um.«
»Abteilung Schnupfen?«
»Lass sich die anderen nicht über dich lustig machen. Wir sind genauso wichtig wie alle anderen. Und der Vorteil ist, du kannst nachts ruhig schlafen, weil du niemandem wirklich schadest.«
»Wenn ich mich nicht verrechne.«
»Wenn du dich nicht verrechnest. Denk bitte daran wie wichtig unsere Objekte sind und das was wir hier tun.«
»Deswegen bin ich hier.«
»So wie ich. Gute Objekte kannst du gerne mehrfach nehmen. Für unseren Zweck bewegen wir uns im Zeitraum 1980 bis 2250. Von später brauchst du keinen mehr holen, da hat der kollektive Zerfall des Immunsystems schon angefangen. Wen du dir da holst, bringst du mit einem deiner Schnupfen-Viren vermutlich um, so wie uns.«
»Hm.«
»Da. Er ist fertig. Du kannst ihn zurückschicken. Denk diesmal an die 24 Stunden im Zeitvortex. Und jetzt möchte ich einen Versatz von unter zwanzig Sekunden sehen.«

Daniel löffelt das Kaffeepulver in seine Filtermaschine und hat das Gefühl, das schon mal erlebt zu haben. Er sticht sich mit dem Löffel ins Auge. Ein bekannter Schmerz durchzuckt ihn. Er sticht sich ins Ohr. Der ist neu. Alles gut.

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