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Sätze: | 138 | |
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Der Tag fing schon so merkwürdig an. Hätte ich an diesem Morgen gewusst was auf mich zukommt wäre ich einfach im Bett liegen geblieben. Der Wecker klingelte wie immer um 06.00 Uhr morgens. Ich stand auf, ging ins Bad, hüpfte unter die Dusche und putzte mir die Zähne.
Nachdem ich mir die Haare gemacht und mir die Müdigkeit mit ein wenig Make-Up überschminkte ging ich wie jeden Morgen in die Küche, um mir meinen ersten Kaffee zu gönnen. Aber aus irgendeinem Grund zog es mich zurück ins Schlafzimmer. Irgendetwas störte mich an meinem Outfit. Also wechselte ich das T-Shirt gegen eine dezente Bluse und meine Hose gegen einen hüftlangen Rock, der um meine Beine schmeichelte.
Zufrieden gönnte ich mir nun meinen ersten Kaffee und machte mich auf den Weg zur Arbeit. Der Tag verlief so wie immer. Gegen späten Nachmittag, es hatte leicht zu nieseln begonnen, was mich im Sommer überhaupt nicht stört. Im Gegenteil ich liebe es, wenn der nasse Regen auf den trockenen Asphalt trifft. Also blieb ich einen Moment stehen und atmete tief durch, drehte mich zweimal um die eigene Achse und stieg in mein Auto.
Vor einigen Jahren, als ich neu in diese Wohngegend gezogen bin, spazieren ging fand ich nicht weit von meiner Wohnung entfernt einen Pup, der jeden Donnerstagabend ein kleines Turnier im Schach anbot. Ich bin nicht gut darin, aber die Option dadurch neue Bekanntschaften zu finden hatte mich schließlich überzeugt. Seit diesem Tag gehe ich einmal die Woche in den Pup und ich habe dadurch viele neue Freunde gefunden.
So wie heute auch. Leider habe ich es nicht mehr geschafft mich umzuziehen, normalerweise geh ich nicht so schick in den Pup. Aber dadurch das heute die Besprechung auf der Arbeit länger gedauert hat, ging das nun mal zeitlich nicht anders.
Alle anderen waren schon da und ich bestellte mir noch schnell eine Coke.
Wir nahmen unsere Plätze ein, vorher wurde schon ausgelost wer gegen wen spielte. Ander, unser Teamkapitän, meinte wir warten noch einen kleinen Moment, bevor wir anfangen, da sich ein neuer Mitspieler angekündigt hat, was durchaus nicht unüblich ist.
In diesem Moment ging die Türe des Pups auf und mir rutschte das Herz in die Hose.
Er war groß, blond, durchtrainiert und heiß. Mein absoluter Traumtyp. Ich musste den Blick abwenden und nahm einen großen Schluck von meiner Coke. Zum Glück hatte das Los entschieden, das ich nicht gegen ihn spielen muss, denn seit er durch diese Türe gegangen ist kann ich nicht mehr klar denken. Unauffällig versuche ich ihn zu beobachten. Er trägt eine weinrote Sweatjacke mit einer hellblauen Jeans. Wenn er lächelt, bilden sich an seinem Mundwinkel kleine Grübchen und seine Augen strahlen dabei. Wenn er den nächsten Zug beim Spiel überlegt, fährt er sich dabei immer unbewusst durch sein kurzes blondes Haar, die jetzt schon total verstrubbelt sind. Das lässt mein Herz noch schneller schlagen. Mein Gegenüberspieler räusperte sich. „Hey, du bist dran!“ Ich schüttele mich und tu so als ob ich angestrengt über den nächsten Zug nachdenke. Aber ich kann mich nicht konzentrieren. Also zog ich mit dem Bauer, was definitiv die falsche Entscheidung ist. Mein Mitspieler gewinnt, was mir aber in diesem Moment egal ist. Ich habe nur ihn im Kopf. Da unsere Partie die erste die beendet war, setzte ich mich an die Bar, trank von meiner Coke und versuchte meine Gefühle in den Griff zu bekommen.
Als ich gerade dabei war die Zitrone aus meinem Glas zu angeln, tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich ging davon aus das es Ander war der Fragen wollte, wieso ich verloren habe. Normalerweise zähle ich zu den Stärksten und in der ersten Runde zu verlieren ist total unüblich für mich. Also drehe ich mich um und erstarre mitten in der Bewegung. Es war nicht Ander, es war Er. „Hey, du bist Charlotte, stimmt´s? Ich war mir die ganze Zeit nicht sicher, aber jetzt weiß ich, woher ich dich kenne. Wir waren zusammen in der Schule. Ich bin Paul. Schön dich wieder zu sehen.“ „Ich, ähm, ja Hi, ich bin Charlotte, aber ich kann mich gerade nicht mehr an dich erinnern“.
Oh nein, wie peinlich, ich stottere einen Mist zusammen. „Es ist schön jemanden zu kennen der auch Schach spielt, heutzutage sind alle so auf Gaming fixiert. Da ist es schwer noch jemanden zu finden der klassische Spiele liebt“, meinte Paul. Ich lächle ihn an und nicke nur. Ander rief zur zweiten Runde auf und ich atme erleichtert aus. Wie kann man sich bitte nur so peinlich benehmen. Die zweite Runde läuft schon besser, gewonnen. Aber auch nur weil ich Paul versuche komplett zu ignorieren. Den ganzen Abend werfe ich ihm verstohlene Blicke zu, aber ein Gespräch ist nicht mehr zustande gekommen. Was auch kein Wunder ist.
Nachdem das Finale ausgespielt wurde, haben wir uns alle verabschiedet und jeder ging seinen Weg nach Hause. Als ich im Bett war und gerade das Licht ausmachen wollte klingelte mein Handy. Eine WhatsApp Gruppenbenachrichtigung. Paul wurde zur Gruppe „Schach“ hinzugefügt. Ach verdammt, auch noch das. Jetzt habe ich seine Handynummer und er meine, wenn er möchte. Ich kenne mich, irgendetwas blödes werde ich dadurch anstellen. Meine Gedanken können nicht ruhen, die ganze Nacht liege ich wach im Bett und male mir etliche Szenarien aus wie es mit uns weitergehen könnte. Sowas ist mir noch nie passiert. Bin ich etwa verknallt. Nein, das ist unmöglich. Ich kenne ihn doch nicht. Das kann nicht sein. Irgendwann schlafe ich ein, mit dem Gedanken an Paul.
Die Tage gehen vorbei, keiner ohne das ich an ihn denken kann. Jede Minute ist er präsent in meinem Kopf. Ständig checke ich WhatsApp und Instagram, ob er nicht einen neuen Post oder Status gesendet hat. Doch nichts, kein Status, keine Nachricht, kein Lebenszeichen. Fühle etwa nur ich so? Bilde ich mir das alles nur ein?
Heute ist nun wieder Donnerstag, Schach-Donnerstag. Mit einem mulmigen Gefühl starte ich in den Tag. Sehe ich ihn heute Abend wieder? Was soll ich sagen? Auf der Arbeit kann ich mich nicht konzentrieren und bin froh als Feierabend ist.
Total nervös ging ich also in den Pup. Er war schon da und stand lässig mit einem Bier an der Theke. Paul hatte heute ein schwarzes Shirt und eine graue Jogginghose mit Sneakern an. Verdammt sieht das gut an ihm aus. Ich merke, wie ich schwach werde. „Reis dich zusammen, Charlotte“, sprach mein inneres Ich. Also begrüßte ich ihn mit einem Handschlag, wie das bei uns so üblich ist. Nichts, keine Reaktion von ihm. Enttäuscht widmete ich mich den anderen Spielkollegen und begrüßte sie. Ander loste unsere Mitspieler aus und zum Glück musste ich wieder nicht gegen Paul spielen. Den ganzen Abend beobachtete ich ihn unauffällig. Aber er würdigte mir keines Blickes, zumindest nicht so, dass es mir aufgefallen wäre. Der Abend lief im Schach besser als erwartet. Wie gewohnt holte ich mir abermals den Sieg des Abends. Ich war selbst überrascht das ich trotz Pauls Gegenwart gewonnen hatte. Zufrieden nickte Ander mir zu und ich musste lächeln. Verstohlen schaute ich dabei zu Paul der mich wohl zufällig auch beobachtete. Schnell schaute ich wieder weg und war mir nicht sicher, war das Zufall oder Absicht von ihm.
Abends im Bett kreisten wieder einmal meine Gedanken nur an ihn. Ich überlegte krampfhaft, ob ich ihm schreiben soll. Vielleicht absichtlich eine Nachricht an ihn schicken die eigentlich nicht für ihn bestimmt ist? Ich wartete noch eine halbe Stunde aber diese Idee lies mich nicht mehr los. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und schrieb eine Nachricht an ihn, was eigentlich an meine Freundin gedacht sein soll.
„Hey Süße, hast du Lust die Woche abends mal auf ein Gläschen Wein vorbeizukommen und zu quatschen? Es gibt Neuigkeiten die muss ich dir unbedingt erzählen!“
Na, das klingt doch nicht schlecht und überzeugend, oder? Also klicke ich auf Senden. Kaum hatte ich den Knopf gedrückt bekam ich schon die ersten Zweifel, ob das das richtige war. Aber jetzt die Nachricht wieder zu löschen wäre auch peinlich. Immerhin würde er sehen das ich ihm eine Nachricht gesendet habe. Es gab also kein zurück mehr. Ich lag da und starrte auf mein Handy und wartete darauf das es vibrierte und er mir antwortete. In meinem Kopf malte ich mir schon etliche Szenarien aus was er schreiben könnte und wie dadurch eventuell ein Treffen zustande kommen könnte. Aber mein Handy klingelte nicht. Enttäuscht schlief ich ein.
Am nächsten Morgen checkte ich als aller erstes mein Handy, ob er meine Nachricht gelesen hat. Zwei blaue Häkchen bei WhatsApp aber keine Antwort von ihm. Enttäuscht stand ich auf und machte mich für die Arbeit fertig. Mein Gedankenkarussell drehte sich. Ich muss mir einfach eingestehen, dass er kein Interesse an mir hat. Am besten ich vergesse ihn. Die Arbeit war nicht sehr produktiv. Immer wieder schaute ich auf mein Handy und wurde immer trauriger. Ich habe es versucht und muss mir einfach eingestehen das er anders fühlt als ich. Wir kennen uns auch gar nicht. Was weiß ich schon über ihn. Ich bin für ihn wohl nur eine Bekannte, was auch stimmt. Wieso bekomme ich ihn einfach nicht mehr aus meinem Kopf? Ich verstehe es selbst nicht.
Während meiner Mittagspause checkte ich wieder einmal mein Smartphone. Ich scrollte lustlos durch Instagram als plötzlich eine Nachricht von IHM auf ploppte.
-Paul hat dir eine Nachricht gesendet.-
Mein Herz fing an schneller zu pochen und ich bekam schwitzige Hände.
Aufgeregt öffnete ich die Nachricht und überflog den Text.
-Hallo Charlotte, kann es sein das die Nachricht für deine Freundin gewesen ist? -
Ich antwortete ihm.
-Hey, oh stimmt. Wie peinlich. Naja, musst du wohl vorbei kommen, meinte ich scherzhaft.
In meinen Gedanken malte ich mir schon wieder alles aus.
-Alles gut, ist doch nichts passiert. Aktuell habe ich leider keine Zeit, mein Hobby und mein Hund nehmen sehr viel Zeit in Anspruch.-
Enttäuschend legte ich mein Handy weg und eine kleine Träne lief mir die Wange herunter.
Ich muss die Wahrheit akzeptieren. Ich bin ein Schritt auf ihn zugekommen, aber er hat seine Chance komplett ignoriert. Er sieht mich nicht so wie ich ihn sehe. Er hat mir, ohne dass ich ihn kenne meine Gefühlwelt komplett auf den Kopf gestellt. Charlotte, das musst du verstehen. Wenn er wirklich Kontakt mit dir haben wollen würde, muss er sich bei dir melden. Konzentriere dich auf das, was wirklich wichtig ist und vergeude deine Zeit nicht damit was hätte sein können, sondern fokussiere dich auf das hier und jetzt.
Lass das Schicksal entscheiden, wie deine Zukunft mit ihm weitergeht aber verrenne dich nicht in deine Gedankenwelt. Irgendwann wirst du es verstehen.
Aufstehen, Krone richten, weiterleben! Du bist wundervoll!
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