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Ein Händchen voll Asche

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31.01.25 21:15
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

In einem turmartigen Gemäuer saß ein genervter Junge, der von nichts anderem als der Dunkelheit und einem eigenartigen Metallständer umgeben war. Er langweilte sich zu Tode. Sein Vater hatte versprochen, dass es eine Ehre wäre. Das da war aber nur uralte, staubige Asche, die nicht anderes tat, als seit sieben Wiasen-Generationen auf dem Teller zu liegen und zu verstauben. Welch eine Ehre! Sein Vater war der Beste!

Zornig trat er ins Nichts hinein. Doch weil er hier drin nicht das Geringste sah, sondern alles nur erklärt bekommen hatte, traf er den Metallständer mit seinem Aschenbecher und dem seltsamen Haken, an den zwei kurze Ketten mit je einem mini Ring befestigt waren.

Einige Stunden später fand ihn sein Vater ohne Bewusstsein vor. Beeilt räumte er den Körper frei und fühlte den Puls. Er ging schnell, was er in Anbetracht des reglosen Körpers nicht ganz glaubte und nach seiner Atmung horchte. Diese war noch da. Unsicher stand er wieder auf.

Hier her konnte er keine Rettung holen. Dieser Ort war und musste geheim bleiben. Erschrocken wich er zurück. Die verteilte Asche begann sich zusammenzuziehen. Kurz darauf hörte er auch noch eine klare Stimme. „Lass die Feder auf seinen Körper fallen, Wächter Wiasen. Ich rette ihm das Leben.“ Eine orangene Feder fiel aus der kaputten Tasche direkt in seine Hand. Es verhielt sich wie eine Flamme, verbrannte ihn aber nicht.

„Die Zeit rinnt und ich bin nicht mehr sehr stark. Meine Flammen mögen brennen aber eine Waffe bin ich nicht.“ Mehr aus der Verwirrung heraus entglitt dem Vater die anfassbare Flamme. Sanft wie eine Feder schwebte dieses Ding auf den Körper hinab. Nicht Mal eine Sekunde der Berührung verging, da schoss schon der Oberkörper des Jungens hoch. Er gab Schmerzenslaute von sich und rieb sich in den Augen. „Das brennt so, das brennt“, schluchzte er verzweifelt. Die Wunde an seinem Kopf schloss sich Zusehens. Gleichzeitig schuf sich aus der Asche und der verglommenen Feder ein großer, majestätischer Phönix. Das Tier schüttelte sein Gefieder noch während das Kind heilte.

„Wächter Stesson Wiasen, Ailard“, stellte sich das Tier vor, ohne zu verheimlichen, dass es seinen Namen bereits kannte. „Es ist besser sie bringen ihren Sohn zum Arzt. Ich habe sein Leben gerettet aber für seine Heilung hat es nicht gereicht.“ Überfordert wusste der Familienvater nicht, wo hinten und vorne war. Er hatte selbst Jahre lang mit seinem Bruder auf diese uralte Asche aufgepasst und hingenommen, dass es keine Antwort auf den Sinn gab. Jetzt hatte er aber einen Grund vor sich stehen, der noch absurder schien als Asche zu behüten.

„Wächter Wiasen, die Zeit!“ „Papa, was spricht hier? M … meine Augen, das brennt so.“ „Was ist mit deinen Augen?“ Sich gefangen ging er in die Knie und sah sich zuerst die gänzlich verschwundene Kopfverletzung an. Der Phönix flog extra hoch auf einen herausstehenden Mauerstein und spendete Licht.

„Es brennt so.“ „Komm! Du hast die Asche in die Augen bekommen. Wir müssen das auswaschen.“ Sich nun komplett gefangen, brachte er seinen Sohn hinaus zu dem kristallklaren Rinnsal. Obwohl dieses Bächlein nicht einmal eine Hand breit war, hatte es eine Tiefe von viereinhalb Metern und eine Fließgeschwindigkeit von zehn, wenn nicht sogar zwölf km/h. Um das Wasser schöpfen zu können platzierte er seinen Sohn daneben und warf einen passenden Stein mit Wucht in die Enge hinein. Es klappte, für den Moment, das Wasser zu stauen. Dennoch musste er recht zügig sein.

„Besser?“ „Ich seh nichts mehr. Das brennt so“, quengelte er nicht mehr ganz so stark, konnte aber nach wie vor seine Augen nicht richtig öffnen. „Ich bring dich runter. Halte dich fest.“ Für diesen Plan nahm er den Sechsjährigen Huckepack. Bevor er sich aber seinem Gesagten annahm, sah er noch einmal in die Turmruine hinein. Natürlich war der Vogel jetzt nicht mehr da. Ob dieses etwas einen Waldbrand auslösen konnte?

„Papa, es brennt so.“ „Reib nicht dauernd drin rum. Halt dich fest.“ Der Rückweg von diesem geheimen Ort, war nicht der einfachste. Was einer der Gründe war, warum nur noch die Wiasen von diesem Turmüberrest mit dem provisorischen, niedrigen Blechdach wussten.

Am Fuß des Zorntränenberges lag ein Krankenhaus, dass er ganz pragmatisch aufzusuchen konnte. Es stand genau zwischen dem geheimen Ort und den gewaltigen Ländereien der Wiasen. Problem nur es gehörte der verfeindeten Hockhaus-Familie.

„Papa, meine Augen, ich sehe nichts mehr.“ Das Jammern wurde wieder stärker. „Wir sind ja schon da“, erwiderte er ruhig und betrat das Gebäude. „So runter mit dir.“ Mit diesen Worten setzte er ihn auf eine Sitzreihe ab, die nahe dem Eingang war. Während diesem Tun wurde eine Ärztin auf sie aufmerksam.

Zum Glück war es Fenelja Sekretai, die einzige Person in diesem Krankenhaus, die keine Hockhaus war. „Herr Wiasen“, grüßte sie und kümmerte sich sofort um den kleinen Patienten. Dem Vater fiel auf, dass die Frau ihr Dornenranken-Tattoo am Arm hatte entfernen lassen. Man erkannte es nur noch an der helleren Haut.

„Das muss ich mir näher ansehen“, klang sie ernst. Daraus leitete der Vater wohl die Notwendigkeit ab, einen Rollstuhl zu holen. Sie setzte den Jungen hinüber und machte sich auf den Weg, ehe sie gesagt hatte, dass sie ihn verständigen würde. Er nickte, wobei sie ihn eigentlich gar nicht mehr sah und ging nach Hause.

Dort angekommen setzte er sich ohne große Umschweife an den Tisch. Selbst sein Gesicht verriet nicht, dass er gerade seinen Sohn ins Krankenhaus gebracht hatte. Das Gesamtbild rief aber dennoch Verwirrung in seiner Frau hoch.

„Wo ist Lioson?“ „Ich habe ihn auf einer Burgruine alleine gelassen.“ Sie setzte sich mit an den Tisch. Im Gegensatz zu ihm war sie aber kurz davor ihre Nerven zu verlieren. „Er hat sich verletzt und Dreck in die Augen bekommen. Ich habe ihn ins Krankenhaus gebracht.“ „Ins …“ Hin und hergerissen sprang sie wieder auf. Sie wollte ihm seine erste und seine letzte Antwort vorhalten, konnte sich aber nicht entscheiden welche Variante sie schlimmer fand.

„Die Ärztin will sich melden.“ „Warum hast du ihn denn alleine gelassen?“ „Auf dieser Ruine war ich auch immer alleine.“ „Trotzdem! Er ist ein Kind.“ „War ich da auch. Die Ruine ist stabil.“ Angestrengt senkte Stesson seinen Kopf zu seiner Hand und rieb sich die Schläfe.

„Ich muss nochmal wegen einer Waldbrandgefahr los.“ „NEIN! Du bleibst hier und holst mit mir unseren Sohn ab.“ Turmina war völlig überrumpelt. Wenn er jetzt einfach aufstehen würde, um nach dem Phönix zu suchen würde sie ihn an die Wand nageln und das, als diejenige, mit deutlich mehr Temperament und der täglichen Hofarbeit. Sie war ihm körperlich und vom impulsiven überlegen.

„Ich werde wieder da sein aber um den Brandherd muss ich mich kümmern. Nicht nur weil wir selbst an diesen Wald anschließen. Tut mir Leid. Rufst du mich an?“ Auch wenn sie sich immer noch von dieser Nachricht überfahren fühlte, nickte sie zustimmend und ließ ihn ziehen.

Für seine Frau war er Förster und nicht Wächter. Letzteres durfte niemand wissen. Niemand, der nicht auch Wächter war oder Nachfolger werden sollte. Neben seiner geheimen Tätigkeit war er ein recht guter Tüftler. In der Scheune lagerten allerlei selbstgebastelte, nützliche Dinge. Darunter auch ein Löschrucksack. Diesen wollte er haben. Wer wusste schon was ein entflohener Feuervogel anrichten konnte.

„Was ist denn mit dir los?“, sprach ihn sein jüngerer Bruder von hinten an. Sicherlich war er überrascht ihn jetzt schon zu sehn. Regulär hätte er ihn abends abgeholt, um ihn zum Berg führen. Es war ein Manko, dass er sich nach den vielen Malen immer noch verlief. Vielleicht ein innerer Protest gegen das Erbe des Vaters. Es war ein langweiliges Erbe und sein Bruder ein Abenteurer.

„Ist was passiert?“ In dieser Frage war mehr Begeisterung als es ein Unglück auslösen sollte. Übereifrig hatte er ihm auch bereits den Rucksack abgenommen und geschultert. Auch er war wesentlich trainierter. Er arbeitete tagsüber auf dem Hof und saß nachts er sicherlich nicht nur, wie hoch und heilig versprochen, neben der Asche.

„Ich muss etwas Brennendes finden.“ „An diesem gottverschissenen Ort? Den kennt doch niemand. Will sich da jemand um einen Abend mit seinem Sohn drücken?“ Darum schob nämlich auch Estoson so bereitwilligend Wache. Normalerweise wäre der Ältere alleine dafür verantwortlich. Zumindest hatte der Vater nur ihn immer wieder dort oben eingesperrt und ihn manchmal sogar tagelang dort gelassen.

„Ich mach das schon. Ehrenwort. Bring mich nur hin.“ Mit Schwung hakte er sich bei ihm unter und zog ihn zum Anfang der Strecke. Zumindest bis in die Nähe des Berges, hatte er sich den Weg gemerkt. Vielleicht war es auch nicht schlecht, wenn sie zu zweit suchten. Außerhalb würde er aber nix von diesem Phönix erwähnen können.

Turmina blieb alleine zurück. Sie versuchte sich mit Hofarbeit abzulenken, kam aber nicht umhin alle paar Minuten das Telefon zu verfluchen. Es klingelte einfach nicht. Erst eine Stunde später tat es das endlich. „Wiasen“, meldete sie sich. „Ist es das Hockhaus-Krankenhaus? Die Ärztin? Geht’s um meinen Sohn?“ „Beruhigen sie sich, Frau Wiasen. Setzen sie sich bitte.“ Es fiel ihr schwer aber sie tat es. „Wie geht’s meinem Sohn?“ „Dazu komm ich gleich. Müssen sie noch ihren Mann holen?“ „Er ist grad nicht da. Sagen sie schon, was ist mit ihm?“ „Wir haben seine Augen untersucht. Sie sind noch etwas gereizt …“ „Ist er blind?!“, schoss sie panisch dazwischen. Fenelja zögerte, bestätigte es aber zuletzt. Lioson hatte sein Augenlicht verloren.

„Sie können ihn abholen“, klang nun auch die Ärztin betroffen. „Klar. Ich äh sag nur kurz noch meinem Mann Bescheid.“ „Machen sie das und fahren sie bitte vorsichtig. Sie helfen ihrem Sohn nicht, wenn sie noch selbst einen Unfall haben.“ „Hm. Wir fahren vorsichtig.“ „Gut. Machen sies gut Frau Wiasen.“ „Sie auch.“

Zitternd wählte sie die Nummer ihres Mannes aber das Ding klingelte plötzlich im Haus. Sie legte wieder auf und versuchte ihren Ärger zurückzuhalten. Das allerdings klappte kaum länger als eine Minute. Dummerweise war sie auch zu keiner Vernunft mehr bereit. Mit dieser ganzen Wut, die eher einen Blitzableiter gebraucht hätte, setzte sie sich hinters Steuer und brauste vom Hof.

Stesson war am Fuß des Berges und offensichtlich ziemlich am Ende seiner Kräfte. Noch nie in seinem Leben war er gezwungen sich so viel und mit so viel Steigung zu bewegen. „Nö. Absolut kein Quälmchen“, berichtete Estoson, der ein paar Bäume weiter von einem solchen hinunterkletterte.

Sein Elan, schien kein bisschen angeknackst. „Du hast dir das eingebildet“, schien er sich lustig zu machen. „Komm schon. Du bist jetzt schon sechs Jahre Papa. Der Kleine findet dich toll.“ Ihm war klar, dass er widersprochen hätte, wäre er nicht so platt. Er wusste auch, er hätte als Vater nicht solche Selbstzweifel, wenn er nicht immer als Kind hier eingesperrt gewesen wäre.

„Steh auf, Stesson, geh nach Hause.“ Sein Gesicht rollte auf die Seite. Doch als er zu reden anfangen wollte, fielen ihm die Augen zu. Er war zu kaum mehr in der Lage als noch irgendwie wachzubleiben.

„Du könntest echt mal Sport treiben“, sagte er und gab ihm einen recht groben Stoß. Was ihm immerhin Mal ein Grummeln entlocken konnte. „Stesson, jetzt aber mal im Ernst. Das hier ist Schwachsinn. Du musst es endlich loslassen. Der Idiot sperrt dich hier nicht mehr ein. Du hast Familie, eine wundervolle Frau.“ „Ich muss …“ „Klar!“ Estoson blickte zur Seite, um ihm nicht zu zeigen wie wütend ihn das alles hier machte.

Mit elf Jahren hatte er herausgefunden, das Thorson, ihr Vater, den Ältesten immer, manchmal sogar tagelang in den Turmüberrest am Gipfel einsperrte. Dieser Mensch hatte seinen Bruder derart manipuliert, dass er glaubte, dort oben etwas Wichtiges zu bewachen.

Seit Jahren arbeitete er daran ihn von diesem ganzen Mist hier zu lösen. Es war ein riesiger Schritt ihn vor acht Jahren ins Tal zu bekommen. Das er sich dabei in die aufbrausende Turmina verliebt hatte war ein absoluter Jackpot gewesen. Es war so so knapp, dass er ihn von diesem Gefängnis hier hätte ablösen können.

„Geh nach Hause, bitte. Ich bleibe hier. Ehrenwort. Ich such nochmal alles gründlich ab. Ich werde das Feuer finden, wenn hier eins ist, okay?“ Stesson war noch immer nicht in der Lage glaubhaft zuzustimmen. Irgendwie sah er aber erleichtert aus. Nochmals faste er ihn recht grob an und machte sich auf die Suche.

Acht Stunden später stolperte Stesson ins Haus. Er war froh es endlich erreicht zu haben. Wenn man keine Kraft mehr hatte, war selbst jeder geschlurchste Zentimeter ein Triumph.

Gerade als er sich in den Sessel fallen lassen wollte, hörte er ein Rumpeln aus dem Zimmer seines Sohnes. Kurz darauf folgte ein „Aua“. „Hast du dich verletzt?“, fragte er und überredete seine schmerzenden Muskeln ihn diese paar letzten Schritte auch noch machen zu lassen.

Nahe dem Bett lag sein Junge ausgestreckt auf dem Boden. Er schluchzte leise. Schien aber eher verärgert. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und droschen auf den Boden. „Vorsicht“, kündete er an und brachte ihn behutsam in eine Sitzhaltung. Nun wo er sein Gesicht sehen konnte, war ihm klar wie er das gelandet war.

„Du brauchst einen Blindenstock“, blieb er völlig ruhig und strich ihm die wilde Frisur zurück. Er schien sich nicht verletzt zu haben. Wenigstens nicht nochmal. „Was hat denn die Ärztin gesagt?“ „Das ich blind bleibe. Was ist denn das?“ „Nicht sehen zu können. Ist blind sein.“ „Ich meine doch das hier.“ In seiner linken Hand deigte er einen Moosklumpen rum. Vermutlich war es an der Kleidung seines Vaters gehangen, da der auch links saß und nach seinen viel Pausen, eventuell nicht mehr das sauberste trug.

„Rate mal.“ „Hm Stoffball? Ist aber feucht. Kann man das werfen, Papa?“ Würde er Nein sagen, wäre er frustriert. Bei einem Ja würde das Moos im ganzen Zimmer rumfliegen. „Versuchs mal.“ Der Kleine lachte und warf seinen vermuteten Ball gegen die Fensterschreibe. Das Geräusch fand er noch lustiger.

„Papa, spielen wir morgen wieder verstecken aber auf den blöden Turm will ich nicht mehr, der ist blöd. Urblöd! Ich will verstecken spielen!“ „Morgen früh ist erstmal Bill und deine anderen Haustiere dran.“ Haustiere war etwas falsch formuliert. Bill war ein Stier, der Rest waren vier Schafe, drei Schildkröten, elf Mäuse, ein Bienenstock und achtunddreißig Fische. Im Grunde bekam er jedes Tier zugesprochen, sobald er nur damit anfing, es haben zu wollen.

„Okay“, klang er entschlossen. Trotzdem sah man, dass er auch ein bisschen unsicher war. Und das ausgerechnet er, der Bill händeln und sogar reiten konnte. Der Stier hasste jeden, der es nur wagte in seine Sichtweite zu treten. Lioson war aber auch wirklich ein Tiermagnet.

„Komm“, sagte er und stand auf. Behutsam führte er seinen Sohn ans Bett und sicherte ihn ab, für den Fall, dass irgendetwas beim Hochklettern schief ging. Unbeschadet lag er wieder im Bett. „Gute Nacht“, wünschte er und hoffte, dass er jetzt nichts falsch gemacht hatte. „Gute Nacht“, wünschte er zurück und rutschte bis zur Nase unter die Bettdecke. Immer ein Indiz dafür, dass er ausnahmsweise mal nicht nachts in die Küche schleichen wollte, denn Lioson war gut seit einem Jahr immer nachts hungrig und ein hungriger Lioson aß gut und gerne mal für zwei erwachsene Personen.

Bevor er ging rollte er noch den Teppich zusammen. Er war sich sicher, dass dieser zum Sturz geführt hatte. Nur zur Scheune wollte er heute nicht mehr rüber. Deshalb fand die Rolle einen Zwischenstopp in dem Sessel, in dem er hatte sich ausruhen wollen. Die Trägheit wieder zurückgewonnen, schleppte er sich ins Elternschlafzimmer.

Am nächsten Morgen waren es gleich mehrere, leisere Rumpler, die den Vater hochschreckten. Seine Frau wurde entweder vom Gleichen oder durch ihn wach. „Ich geh“, sagte er, schon längst wieder mit einem schlechten Gewissen. Er beeilte sich, bekam daher nicht mit, dass seine Frau ebenfalls aufstand.

„Was machst du denn?!“ Mit einer eigenen Bruchlandung bekam er es gerade noch hin, dass der Jungen nicht die einzelne Eingangsstufe hinunterstürzte. „Ich muss doch Bill füttern!“ „Warum ist denn die Eingangstür offen?“ Die Frage stellte er nicht etwa, weil sein Sohn hinaus wollte, sondern weil es eiskalt in der Wohnung war.

„Ach du Scheiße!“ schrie seine Frau, die die kaputten Bilderrahmen und die zerschellten Vasen am Boden erblickte. „Lioson! Du bewegst dich nicht vom Fleck! Keinen Millimeter!“ Überall lagen Scherben und der Junge war ebenso Barfuß unterwegs wie alle anderen.

„Du auch“, befahl der Vater, klang dabei aber völlig ruhig. Er streckte sich lang, angelte seine Schuhe her, zog diese an, kümmerte sich um die Scherben und gab dann seiner Frau, das Zeichen, dass sie zu ihrem Sohn durfte.

„Was bist du denn immer für ein Wirbelwind?! Unmöglich. Die ganzen Erbstücke. Krieg ich eine Entschuldigung zu hören?“ „Aber ich muss doch …“ „Ich hör zuerst eine Entschuldigung!“ „Ja Mama.“ „Wo ist die Entschuldigung? Keine Ausrede!“ „Entschuldigung, Mama. Danke für Aufräumen Papa.“ „Kein Ding … Dreck!“ Damit war der Vater gleich zwei Krumen los und musste sich erheblich zusammenreisen keinen dritten zu verlieren.

Übrigens war das auch seine Idee, dieses ‘‘Fluch und Dings‘‘-Glas einzuführen, da er es in einem Erziehungsratgeber gelesen hatte. Die Frage war eigentlich nur wen es hier erziehen sollte, denn so häufig wie er Dings benutzte, hatte er bei diesem Dings-Glas schon Hundert Krumen verloren und seine Frau, die hervorragend aus der Haut fahren konnte, fluchte noch eher, als ihrer beider, etwas hitzköpfiger Nachwuchs, zumal sie eben dies immer sofort unterband.

„Wir gehen jetzt …“ Wenn er nicht über dieses Ding nachgedacht hätte würde, ihm jetzt nicht Ding sondern dieses Blindendings auf der Zunge liegen. „Ja, Papa?“, grinste der kleine Fiesling. „Lioson! So gehst du nicht mit deinem Vater um!“ „Ja, Mama“, war er sofort wieder ganz brav. „Aber ich brauche ganz dringend Hilfe zum Füttern meiner Tiere.“ „Das machen wir zusammen!“ Das Wort ‘‘Zusammen‘‘ war eindeutig eine Drohung an ihren Mann, der immer noch damit beschäftigt war, auf das Hilfsmitteldings zu kommen.

„Was ist?“, realisierte er die ernsten Blicke. „Ich muss meine Tiere füttern! Sie haben Hunger.“ „Freundlicher!“ „Hilfst du mir bitte, Papa?“ „Gerne.“ Wieder stellte er sich an seine Seite, führte die Richtung, stoppte ihn an der Treppe, ging vor, hielt sich bereit für den Fall eines Sturzes. Seine Frau strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Im Freien nahm er seinen Sohn an die Hand, der nach ein paar Stolperer lieber doch langsamer machte und darauf reagierte, wohin ihn sein Vater leicht drückte oder zog.

Der erste Anlauf war die Scheune. Dort bastelte er aus einem passenden Stock, einem Nagel und einem Tischtennisball einen Blindenstock. Lioson war damit nicht so ganz zufrieden, da er auch noch nicht so recht wusste, wie er das Ding einsetzen sollte. Für seine kurze Geduld war aber seine strenge Mutter dabei, die ließ ihn nämlich gar nicht erst irgendwo frustriert hinbocken, er musste weiter machen. Das Füttern aller Tiere übernahm dann aber doch vorerst der Papa. 

„Ich müsste nun wieder an die Arbeit.“ Wieder ein schlechtes Gewissen, da sein Bruder seine Arbeit noch länger übernahm, als üblich und darüber hinaus, das alles gar nicht tun müsste. „Papa, darf ich mit?“ „Du hast Schule. Oh.“ Auch die Mutter verzog das Gesicht. Wie sollte Lioson am Schulunterricht teilnehmen?

„Ich bin im Krankenhaus gewesen!“, nahm er wieder seine bockige Haltung ein. „Jetzt bist du nicht mehr im Krankenhaus und musst was lernen.“ „Aber du lernst doch auch zu Hause.“ Das war ein guter Einwand. Stesson hatte nie eine Schule besucht. Lesen, schreiben, rechnen. Hatte er alles erst lernen können als der Vater verstorben war.

„Lioson! Du hörst sofort damit auf!“ „Aber ich kann nicht mal mehr meine Tiere füttern!“ Jetzt begann er zu weinen und setzte sich auf den Boden. „Stesson! Du bleibst hier! Und kein Fluchen!“, drohte sie und fluchte selbst. Stesson machte trotzdem noch einen Schritt zurück.

„Entschuldigung“, presste sie schnell hervor. Sie wollte ihren Mann nicht anfahren. „Entschuldigung“, sagte sie erneut. Diesmal aber etwas ruhiger. „Wir sind alle etwas aufgewühlt“, fasste es Stesson zusammen und war wieder so gelassen, wie man es von ihm kannte. „Warum nimmst du ihn nicht mit auf die Arbeit. Er könnte auf …“ Angespannt wanderte ihr Blick über die Kuhweide.

„Ich will Bill reiten!“ „Den kann ich nicht durch den Wald führen. Und das muss ich, wenn ich mir die Bäume ansehen will. Wie wärs denn mit seiner Tochter? Candie, richtig?“ „Muss ich Candie fragen, ob sie das mag. Bill ist das egal.“ Mit einer Berichtigung in der Richtung tastete sich Lioson an den Zaun und rief den Namen der Kuh. Von den grauen Kühen, die beinahe ins Weiße übergingen hoben etwa drei Stück den Kopf aber nur eine davon kam wirklich zu Lioson.

„Guten Morgen, Candie.“ Vorsichtig suchte er die Nase des Rindes. „Hast du Lust mich auf ein Abenteuer zu begleiten?“ Ob es eine Ablehnung oder überhaupt eine Antwort war, dass sie ihren Kopf senkte und das Grün außerhalb des Zaunes fraß, schien Lioson egal zu sein. „Okay. Sie möchte das. Ich …“ Plötzlich hielt er inne und war wieder kurz davor vor Verzweiflung bockig zu werden.

„Du musst lernen deinen Blindenstock einzusetzen.“ Stessons Worte waren vollkommen entspannt, was man von seiner Mimik nicht gerade behaupten konnte. „Dein Vater hat absolut recht. Du musst lernen ein selbständiger Mann zu werden.“ „Seid ihr eigentlich Papageien?!“, schmollte er. Zur Maßreglung hob sich bereits Turminas Arm. Stesson wollte aber langsam mal los. Die Wächtersache war sein Job, den entlaufenen Phönix hatte er verbockt.

Dementsprechend pickte er seine Frau zwei, dreimal an und brauchte noch einen kurzen Moment um einen effektiven Satz ohne Ding zu formulieren. „Ich muss los. Wenn du nun mitkommen willst, mach dich bitte fertig.“ Damit fiel ihm auf, dass sein Sohn noch nichtmal aus seinen Schlafsachen raus war. Sein Bruder übernahm seinen Job schon viel zu lange und die Waldbrandgefahr, durch den entlaufenen Phönix begann ihn nun auch wieder zu bedrücken. Er atmete laut ein und ließ die Luft wieder ab. Hätte es irgendwo einen Waldbrand gegeben, würde er es von hier aus mittlerweile sehen.

„Schatz, bitte kümmer dich um die Kuh. Ich steck ihn in irgendwelche Klamotten.“ Lioson weigerte sich aber zurückzugehen, wodurch er ihn kurzer Hand reintrug, ihm die Klamotten einfach überstülpte und ihn wieder raustrug.

Auf ihren Weg sprachen sie kein Wort. Das schlechte Gewissen nagte mehr an ihn, als es sonst der Fall. Sein Bruder war kein Wächter. Er übernahm das freiwillig, allein, obwohl er dort gar nichts zu suchen hatte.

Am Fuß des Zorntränenberges hielt Stesson an und pfiff. Sofort erschien Estoson ein Stück weit über ihnen. Er lächelte breit, als er das Trio sah und schlitterte auf seinem Hintern hinunter, um sich den Abstieg zu ersparen. „Das ist ja ein Bild. Der Papa mit seinem Sohne und dem Reittier einer Kuh.“ Erst danach fiel ihm auf, dass mit den Augen seines Neffen etwas nicht stimmte. Er blickte zu Stesson, der all zu deutlich von Schuldgefühlen geplagt wurde.

„I … Ihr geht sofort nach Hause“, begann er stotternd und versuchte unnachgiebig zu wirken. „Ich muss diesen Vogel finden“, sprach er mechanisch und ging bereits ein paar Schritte alleine weiter. „Papa, warum leuchtet da was?“ Estoson blickte verwirrt hin und her. So verhielt sich sein Bruder nicht. Ja, er hatte die Gabe, auf alles gelassen zu reagieren aber nicht, als wäre er ein Roboter und leuchten sah er auch nichts.

„Was meinst du?“, fragte er schließlich noch verwirrter den Jungen, der auf Grund seiner Blindheit, seine Augen nicht kontrolliert auf einen Punkt richten konnte. „Da, es leuchtet richtig grell.“ Wenn es nicht täuschte meinte sein Neffe den Arm seines Vaters. Er sah daran nichts außergewöhnliches aber da gerade alles komisch war und er Angst um seinen Bruder hatte, stürzte er auf ihn zu und griff oberhalb seines Handgelenkes den linken Arm.

„Aua!“, zischte er und wich zurück. Er hatte sich verbrannt. Er hatte sich ernsthaft die Hand am Arm seines Bruders verbrannt. „Ist das blaues Feuer, Papa?“, fragte der Sohn, der dabei auch abstieg. „Und warum sollst du einen Phönix finden? Was ist das?“ Mühelos fand er den Arm seines Vaters. Es war der rechte und mit diesem schien ihn Stesson hinter seinem Rücken halten zu wollen.

„Was ist denn hier los?“, verzweifelte der Bruder. Sein Drang, zu erfahren was los war, ließ ihn in Kauf nehmen sich erneut zu verbrennen. Diesmal schaffte er es jedoch den Ärmel hoch zu schieben. Zum Vorschein kam: mehrere Ringe, die sich wie Armreifen um den Bereich des Armes schlangen, an den er ihn berührt hatte. Es waren winzige blaue Flammen und sie loderten auf dem Unterarm seines Bruders.

„Was ist das?“, wich Estoson zurück. Auch mit dem Instinkt seine verbrannten Hände mit irgendetwas zu beruhigen. „Papa, soll einen Phönix fangen. Ist das ein Tier, Onkel. Ich …“ Stessons rechte Hand brachte mit einem Druck den Jungen zum Abbruch dieser Worte. Gleichzeitig wurden die Flammen auf seiner Haut größer.

„Finde den Phönix“, hörte nun auch Estoson und er erkannte sogar die Stimme. Die Stimme gehörte der Ärztin Fenelja Sekretai aber die war gar nicht hier. Sie klang auch nicht als sei sie hier. Sie klang als würde sie sich in einer leeren Halle befinden.

„Man man man. Das ist zu viel!“, Estoson blickte zu seinen Füßen und erblickte rote Flammen in Form eines großen Vogels. Ein bisschen Pfauenartig aber irgendwie auch nicht. Bevor er es wirklich erfassen konnte schallte ein lautes Niesen durch den Wald und noch eines folgte hinter her. Die Flammen auf Stessons Arm erloschen fast.

„Estoson, schnell, weg!“ schrie Stesson, drängte seinen Sohn zur Kuh und krümmte sich ohne die Schmerzen dabei auszustoßen. „Etwas tiefer bitte“, meinte der Phönix vor dem Geplagten. Als er weiter sank, flatterte er auf sein Knie, weiter auf die Schulter und schließlich auf seinen Kopf.

„Ich entschuldige viel Mals.“ Die Flammen auf Stessons Arm wurden zu einem Dornenrankentattoo. „O je, o je. Das ist aber ein großes Missgeschick. Wächter Stesson Wiasen, das ist noch keinem Menschen passiert.“ „Mein Sohn … macht das nicht!“, ächzte Stesson geschwächt und taumelte ein paar Schritte vor.

„Ist dass das Feuerdings?“, fragte Estoson und musste trotz dieser angespannten Situation einen Krumen blechen. Lioson ernährte davon schließlich seine Haustiere „Ich bin ein Phönix, Ailard genannt.“ Ailard prustete sein Gefieder auf, wodurch er mehr den Eindruck eines aufgeblasenen Gockels machte.

„Was ist denn hier los?“, kam es noch immer aus dem Mund des verwirrten Bruders. „Die Kurzform ist: Ich wurde von einer Wiasen Generation entführt. Die betrieben einen Unsterblichkeitshandel mit meinen Federn. Dumm nur das eine Phönixfeder keine Unsterblichkeit verleiht.“ Der Vogel wandte sich zu Lioson. „Wärter und Wärterinnen, deren Name vorbestimmt Lioson lauten sollte …“ Stesson unterbrach den Vogel auf seinen Kopf. Anscheinend wusste er, worauf er hinaus wollte und befürchtete seinen Sohn davor beschützen zu müssen.

„Für einen Menschen, der mir ähnlich litt, seid ihr ganz schön mächtig diesen Zauber in euch zu bannen. Hm.“ Ailard schüttelte wieder sein Gefieder. „Weiß diese Wiasen Generation noch, was auf Beraubung der Kräfte eines Fabelwesens besteht? Man beachte ebenfalls das ein Phönix zwar wiedergeboren werden kann aber nur ein einziges Mal existiert.“ „Todesstrafe“, murmelte Estoson kreidebleich und sah sich sicherlich schon an einen Galgen hängen.

„Genau. Und wenn man mit dieser Fähigkeit auch noch einen Krieg auslöst …“ Ailard schüttelte wieder sein Gefieder. „Dann fällt das Urteil auf alle Blutverwandte.“ „Das ist Scheiße“, fiel Estoson nichts Besseres dazu ein.

„Aber Phönix Ailard, das will ich nicht.“ „Ich hatte auch nicht meiner Federn beraubt werden wollen und Jahrtausende in Ketten verbringen.“ „Das tut mir Leid, Phönix Ailard.“ Wieder schüttelte das Tier sein Gefieder. „Nicht mal fliegen kann ich mehr.“

„Juckt es sie Herr Phönix Ailard?“ Lioson ging näher und schien Punkt genau zu wissen, wo sich der Phönix befand. Nur den Weg selbst ging er nicht so sicher ab. Estoson, war wie gelähmt von diesem unwirklichen Anblick und dem Todesurteil.

„Pass auf. Nicht die blaue Flamme berühren.“ Tatsächlich flimmerte um das Vogelbein, drei blaue Flammenringe. „Kann ich das lösen?“ „Du gehst nach Hause! Es … Estoson nimmt dich mit.“ Die Flammen am Vogelfuß zogen sich zurück, dagegen ersetzten es wieder das Tattoo.

„Das mach ich nicht!“ Es fehlte nur noch, dass er trotzig die Zunge rausstreckte. „Du hörst jetzt auf mich!“ „Nicht aufregen!“ Obwohl ihn der Phönix mit seinen Krallen mehrfach über die Stirn kratze reagierte er nicht darauf. Die blauen Flamen flochten sich weiter und wilder den Arm hinauf.

„Was ist ein Siegelzauber, Herr Phönix Ailard?“ „Du hörst die Agir-Deklate noch?“ „Sie sagt, Papa soll den Siegelzauber nicht anziehen, da er sich sonst in einen Baum verwandelt.“ „Immerhin in einen Baum“, meinte der Phönix und nutzte das andere Bein um ihn quasi wachzuhauen. Dumm nur, dass seine Beine nicht solche Kräfte wie die der Raubvögel hatte. Seine Trittkraft glich eher einem kleinen Singvogel.

„Stesson du hörst doch dieses Dirklame Ding. Lass es!“, fand der Bruder zur Tatkraft und Farbe zurück. „Dieses Siegeldings, kann das nicht irgendetwas versiegeln und gut ist?“ „Könnte es aber er ist ein Mensch und kein Agir-Deklate. Solche Zauber gehören zur höchsten Stufe, vor allem mit dieser Stärke.“

„Wird er auch auf Stein zum Baum, Frau Deklate?“ Unruhig starte Estoson wieder auf seinen Neffen. „Was ist die Antwort? Sprich!“ Das blaue Flammenmuster war inzwischen bis über die Schulter angewachsen und drang mittweile durch die Kleidung hindurch. „Sprich, verdammt!“

„Es gab noch nie ein Mensch, der einen Siegelzauber abtrennen und absorbieren konnte. Was ist absorbieren?“ „Das … äh … Ist jetzt nicht wichtig!“ Estoson eilte auf Stesson zu und zog an seinen Arm. „Wir … äh, schmeißen dich einfach ins Wasser, das ist doch Feuer. Irgendwie.“

Der Vorschlag machte die Flammen ein wenig milder und gab dafür dem Phönix wieder Ringe. „Das ist magisches Feuer. Mit dem Siegelzauber kann man auch Meerwesen versiegeln. Meistens ertrinken sie oder brechen sich das Genick, nur für den Fall das aggressiv bei ihnen nicht angekommen ist.“

„Und was dann? Ich lass meinen Bruder ganz bestimmt nicht zum Baum werden. STEINPLATTE! Die Ruine oben! Stesson, du musst darauf!“ Als er ihn rumdrehte und hochschieben wollte, fielen ihm seine verbrannten Hände wieder auf. „Ah“, fauchte er. So gerne wollte er das ignorieren aber der Schmerz bei der Berührung war wohl stärker.

„Mach schon, du sturer Bock!“ „Bring zuerst meinen Sohn hier weg!“ „Damit der einzige Grund weg ist, vor dem du nicht zum Baum werden willst? Vergiss es! Eher werde ich zum Stein!“ „Baum“, verbesserte ihn der Phönix. „Ist doch mir egal, verdammt nochmal! Beweg dich jetzt!“

Stesson ließ sich antreiben. „Und wehe du wirst ein Ahorn. Ich pinkel dich höchst persönlich an und wenn ich hier auch sämtliche Mistkarren herfahren muss!“ Die Kuh sah es als ihre Pflicht an, eine Untermalung dieser Aussage im passenden Moment fallen zu lassen.

„Und jetzt?“, fragte Stesson oben in der Ruine. Er hatte die Tür zugezogen. Licht spendete der Phönix mit einem blauen Punkt. An Stessons Arm war wieder nur das Tattoo.

„Das Siegel scheint zu erkennen, dass das, was es bewacht hat, hier gewesen ist. Es wird ruhiger.“ „Dann werde ich hier wohl bleiben müssen. Und tut mir Leid, Ailard, du musst auch hier bleiben. Als Fabelwesen kannst du nicht frei durch die Gegend streifen.“ „Ich erinnere dich mal daran, dass du Vater bist.“ „Eben auch darum.“ Wieder schüttelte der Phönix das Gefieder.

„Ich wäre dir wirklich verbunden, wenn du zuerst andere Lösungen suchst.“ „Etwa, das Siegel zu nutzen?“ „Warum nicht? Während ich ein Teil des Siegels absorbiere, kannst du einen geringen Teil auf die Mauer ansetzen. Im jetzigen Zustand reicht es auch nicht bis zu deinem Sohn. Willst du es denn nicht wenigstens wagen? Wurzel kannst du hier offenbar keine schlagen.“ „Bist du dir sicher? Meinetwegen ist der Junge schon blind. Ich kann nicht besonders gut mit seinen Launen umgehen.“ „Zähl mir doch mal einen Menschen auf, der perfekt ist. Hm. Komm! Tritt nah an die Wand, drück deine Hand dagegen und gib alles nicht zu verrutschen.“ Zögernd tat es Stesson.

Das Tattoo begann nur blau zu leuchten, flackerte ein wenig. „Stoppen bitte.“ Stesson ließ die Hand an der Wand bis das Leuchten aufhörte und vergaß offensichtlich kurz für einen Moment, das sein Gesprächspartner oben aufsaß. Er blickte nämlich kurz nach hinten.

„Das sah sehr gut aus. Dieser Zauber braucht Kontrolle und Konzentration. Hm.“ Der Phönix schüttelte sich. „Feuer ist nicht zähmbar, das sollte vermutlich noch hilfreich sein. Lass es nicht ausbrechen und füttere es nicht mit Wut. Das ist sehr heikel. Die Konzentration und Ruhe beim Anwenden von Feuermagie ist wichtig. Ach ja und wie gesagt, magisches Feuer ist Wasserfest, nur für den Fall.“

Mit der rechten Hand strich Stesson über den warmen Stein. „Das Siegel soll wirklich Lebewesen bannen?“ „Nur die Schlimmsten und im Normalfall wird es eher zum Transport genutzt. Für die Gefangenschaft selbst gab es ja die Wärter Wiasen. Dein Sohn hat ebenfalls die Fähigkeiten. Er braucht jemand, der ihm das richtig lehrt. Das kannst nur du Wächter Wiasen.“

Halb sicher, halb unsicher trat der Vater erneut an die Wand, legte die Hand an und konzentrierte sich. Diesmal jedoch ließ es einen lauten Knall. Obwohl es ihm in den Ohren schellte, hielt er sie weiterhin gegen das Gestein. Er wartete bis es nicht mehr warm war, erst dann nahm er seine Hand mit dem Siegel zurück. „Was du für ein guter Schüler bist“, freute sich der Phönix trippelte auf seinem Kopf. „Nicht ein Wiasen, war je so konzentriert bei der Sache. Der pure Einklang.“ Gerade noch getänzelt, schüttelte er sich wieder.

„Also“, hatte er sich wieder beruhigt. „Feuer ist nicht zähmbar. Egal wie gut du bist, du musst immer damit rechnen, dass das Feuer nicht deinem Willen gehorcht.“ „Oder bei einer Allergie davonfliegt.“ „Richtig. Konzentriere dich und wir machen es noch einmal.“ Schon selbstbewusster ging Stesson an eine neue Wand, legte die Hand auf, atmete tief ein und wieder aus. Das Tattoo leuchtete blau, begann zu brennen. Mindestens eine Minute lang blieb die Erscheinung gleich. Als er seinen Kopf leicht senkte, bildete sich eine feine blaue Linie seinen Arm hinauf. Ging an seinem Hals und an seiner Wange weiter bis zu dem Fuß des Vogels. Plötzlich hing in der Luft der Geruch von Schwefel. Die Flammen nahe dem Handgelenk wurden unruhig aber schnell wieder zahm.

„Ailard, wollt ihr auf dem Hof der Wiasen leben?“ Im Bereich der Hand strahlte blaues Licht aus der Wand entgegen. „Wenn ihr mir die Freiheit anbieten wollt.“ Ailard strampelte mit den Beinen. Kaum hatte er jenes gehoben, an dem die Ringe waren, verschwand das Feuer und die feine Linie. Einen Augenaufschlag später war der ganze Raum in leicht bläuliches weißes Licht gehüllt. Genauso schnell wie das gekommen war, war es auch wieder weg.

Stesson stand an der Wand, hielt seine Hand dagegen und hatte einen grünen Zwergara anstelle des Phönix auf den Kopf. „Ich habe Kompromisse gemacht“, rechtfertigte sich der Papagei und flatterte ein wenig. Irgendwann würde er auch wieder fliegen können.

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Kurzbeschreibung

An einem geheimen Ort wacht ein Wächter über Asche. Nun soll auch sein Sohn langsam an diese scheinbar sinnlose Aufgabe herangeführt werden. Doch ein sechsjähriger Junge hat sicherlich andere Pläne als neben einer Hand voll Asche in der Dunkelheit zu hocken.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Fantasy auch in den Genres Abenteuer, Familie gelistet.

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