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Kapitel: | 3 | |
Sätze: | 420 | |
Wörter: | 7.575 | |
Zeichen: | 47.359 |
Quietschend rauchende Reifen.
Auf dem Boden schabendes Metall.
Ein qualvoll gebrüllter Schrei, gefolgt von knackenden Ästen und raschelndem Blätterwerk.
Ein Aufprall, so verheerend leise, wie auch erschütternd laut.
Fließendes Blut, so rot, wie die leuchtenden Warnsignale in ihrem Kopf.
Der penetrante Geruch von Kupfer ...
Aufgescheuchte Menschen ...
Heulende Sirenen und blinkende Lichter.
...
Träge öffneten sich gedankenlos Cleos grüne Opalen, währenddessen im Hintergrund einige gedämpft klingende Stimmen, sich einen Weg in ihr Gehör verschafften. Mit deutlich erhöhtem Puls und feuchter Stirn, fuhr sich die junge Frau durch die zerwühlte, braune Mähne, erhob sich seufzend von der gepolsterten Couch und starrte nachdenklich auf den Bildschirm, des laufenden Fernsehers vor ihr. In gebückter Haltung saß sie in der blau, weiß flackernden Dunkelheit, lauschte desinteressiert die gemurmelten Worte einer Darstellerin, bevor Cleo sich stehend aufrichtete, den Fernseher ausschaltete und sich leise schlurfend in die Küche begab.
Nach wenigen Schlucken, leerte die Brünette das mit Wasser gefüllte Glas, befeuchtete ihren trocken gewordenen Hals, ehe sie schlaftrunken zurück durch die Flure schlich und ihr Schlafzimmer betrat. Gähnend legte sich die junge Frau unter die ausgekühlte Decke, suchte sich eine angenehme Position und schaute ein letztes Mal auf die digitale Uhr auf ihrem Nachtisch.
02:25 Uhr.
Selbe Zeit, selber Albtraum.
Von dieser Erkenntnis genervt, stöhnte Cleo auf, während sie dem Wecker den Rücken kehrte und mit verzogenen Augenbrauen versuchte wieder zurück in den Schlaf zu finden. Mit leichten Kopfschmerzen erlangte sie in den restlichen nächtlichen Stunden noch genügend Ruhe, dass morgens der piepende Aufschrei der Uhr, nur halb so schrill und übertrieben nervig durch das Zimmer hallte, um ihre Wenigkeit rechtzeitig für die High School zu wecken. Orientierungslos suchte und fand die rechte Hand das störende Geräusch, schaltete es blind umher klopfend aus, währenddessen das Gesicht weiterhin im Kissen vergraben lag. Murmelnd und äußerst widerwillig, gab sich die Brünette einen Ruck, schlug die Bettdecke beiseite und schlurfte, alle Glieder von sich streckend, durch den Flur ins angrenzende Badezimmer.
Kurz darauf dessen, wirkte ihr verschlafendes Gesicht weniger zerknittert, fast schon lebendiger als es noch vor der morgendlichen Prozedur der Fall war. In der Zwischenzeit, fand Cleo sich routiniert auf dem Weg in die Küche wieder, klopfte jedoch aus Gewohnheit im vorbei gehen, an des großen Bruders Türzarge an. „Guten Morgen, Ruven." , lächelte die junge Frau strahlend, bevor sie, ohne eine gleich verlautende Erwiderung, in das Herzstück des Hauses trat. Der Duft von heißem aufgebrühtem Kaffee, vermischte sich mit dem penetranten Aftershave ihres Vaters, der, leise fluchend, seine halb verbrannten Spiegeleier aus der Pfanne zu kratzen versucht. Aus dem Augenwinkel erkannte er Cleos Silhouette, die in sich hinein schmunzelnd an dem runden Esstisch Platz nahm und dem Einundvierzigjährigem dabei beobachtete, wie er sich dabei schwer tat, das Frühstück halbwegs unversehrt auf die Teller zu drapieren.
„Soll ich dich zur Schule fahren?" , fragte der schnaufende Mann Arme verrenkend, während Cleo einen Schluck Orangensaft aus dem Glas nahm und über den gläsernen Rand wie hypnotisiert das wandelnde Chaos weiterhin betrachtete. Faszinierend. „Nein, danke. Heute laufe ich." , nuschelte sie breit grinsend und klopfte ehrlich begeistert auf das Tischholz, als ihr Vater anschließend abgekämpft an ihrer Seite Platz nahm und seinen Kaffee trank. „Nun gut ... . Ich hoffe es schmeckt." , brummte er, bevor er sich Salz und Pfeffer schnappte und seine Eier die gewisse Schärfe verlieh. Das Besteck klimperte, als auch Cleo begann das verbrannte Frühstück zu vertilgen, als es unvorhersehbar laut klimperte, sich eine plötzliche Stille über den Raum legte und beide Anwesenden in ihren Bewegungen inne hielten.
„Frühstück wird sowieso überbewertet." , raunte ihr Vater anschließend verärgert und musterte sein Teller, den er angesäuert von sich schob und stattdessen seine Tasse leer trank. Seine Tochter hingegen verfiel in haltloses Gelächter, nachdem sich mehr Inhalt des geöffneten Salzstreuers auf dem Porzellan befand, als die Menge an Spiegeleier. Kopfschüttelnd und mit der Zunge schnalzend beobachtete ihr Vater sie von seiner Position aus, versuchte den respektablen Vater ihr Gegenüber zu mimen, ehe er selber das laute Glucksen nicht mehr zu verkneifen wusste. Noch eine ganze Weile amüsierten sich die Beiden über das Missgeschick, als die drängende Zeit die Zwei dazu zwang, sich sowohl für die Arbeit in der Werkstatt, als auch für den Unterricht in der Schule zurecht zu machen.
„Bis später." , rief die junge Frau durch das Haus, als ihr Vater sich laut brüllend verabschiedete und mit dem schwarzen Range Rover, in der Garage parkend, davon brauste. Auch Cleo stülpte sich die weißen, abgelaufenen Sneaker über die Füße, schulterte ihren Rucksack über den schwarzen Hoodie und schnappte sich die Haustürschlüssel aus der Glasschüssel, bevor sie lautstark die Tür öffnete. Kurz bevor die Brünette sich jedoch auf dem Weg machte, wandte sie sich ein letztes Mal nach links, betrachtete liebevoll das Familienfoto an der Wand und schenkte dem jungen Mann auf dem Bild ein freches Augenzwinkern. „Pass mir gut auf das Haus auf, hörst du." , flüsterte sie hauchend, ehe die Tür zurück ins Schloss fiel und Cleo die Straße hinunter wanderte.
Träumend und in Gedanken versunken, lauschte die Brünette der Musik, die sie, durch die eingesetzten Kopfhörer, auf dem kurzem Weg begleitete. Die Morgensonne spendete ihrem Gesicht Wärme, während im krassen Kontrast der Morgentau ihre Schuhe durchnässte, als die junge Frau eine Abkürzung durch den nahe gelegenem Park nahm und über den grünen Rasen lief. Gelegentlich sah sie andere Schüler in der Ferne, kennen tat sie jedoch niemanden von ihnen. Währenddessen wirkte ihre Umgebung relativ verlassen und ruhig und sie genoss es in vollen Zügen. Ein Moment, den sie an dem Tag am meisten liebte und wertschätzte.
Erst als Cleo den Park verließ, auf die Hauptstraße zurück kehrte und vor ihr das altbekannte Verkehrschaos ausbrach, zupfte sie die Kopfhörer aus ihren Ohren, vergrub die Hände in ihrem Hoodie und wartete, mit einigen Anderen am Straßenrand, dass die gegenüberliegende Ampel auf grün um schwang. Von ihrer jetzigen Position aus, konnte sie bereits das komplexe Schulgebäude an der nächsten Kreuzung wahrnehmen und seufzend musste sie erneut feststellen, wie demotivierend sie sich dem Unterricht heute wieder entgegen stellen musste. Langweilige Stunden, bis hin zu altbackene Lehrer, die sich auf keine Verbesserungen oder gut gemeinten Ratschlägen einließen, war wieder alles vertreten. Die einzigen Lichtbringer an diesem Tag, waren tatsächlich die Unterrichtsfächer Chemie, Mathe und ihr Wahlfach Kunst. Unter anderem freute sich die Brünette, ihre schwer vermisste Freundin Lee wieder zu sehen, die es gewagt hatte für ein Austauschjahr nach Japan zu verreisen. In wenigen Tagen würden sich beide Kindheitsfreundinnen wieder fest umschlungen auf einer Couch wieder finden, sich altmodische Klassiker ansehen und sich die halben Nächte mit Schokolade und Klatsch und Tratsch um die Ohren schlagen. Die Wochenenden wurden episch, soviel stand fest.
Cleos aufregende Gedanken wurden jedoch knatternd und laut aufheulend je unterbrochen, als die ersten Unruhestifter am Morgen, um die Ecke bogen und drei aufgemotzte Motorräder die Straßen unsicher machten. Ungeachtet dessen, dass ungeduldige Menschen einfach eine voll befahrene Straße überquerten, sausten die unmöglichen Proleten querfeldein um die Schüler und Fahrzeuge herum, die Geschwindigkeitsbegrenzung weit überschritten. Die schnellen Fahrtwinde zerwühlten sofort Cleos hergerichtete Frisur, nachdem die jungen Männer ungeniert an ihrer Wenigkeit vorbei zogen, auf die letzten Meter scharf abbremsten und mit der Kupplung spielend auf dem angelegtem Parkplatz fuhren. Die neugierigen, teilweise verärgerten Blicke, waren ihnen auf jeden Fall gewiss, nachdem sie ihre Bikes abstellten und sich anschließend Zigaretten rauchend unter einem Schatten spendenden Baum verzogen.
„Arschlöcher." , murmelte die Brünette in ihrem nicht vorhandenen Bart, zupfte und nestelte an ihren schulterlangen Haaren und setzte ihren Weg zum Schuleingang fort. Nichtsdestotrotz verfingen sich ihre grünen Augen ebenfalls auf die ungleiche Gruppe, enttarnte sie schnell einen der Seniors als Antoine Founier, ein ehemaliger Nachbar aus früheren Kindertagen, bevor seine Eltern vor einigen Jahren weiter ins Stadtinnere zogen. Genauso ungehobelt und frech, wie unverschämt rechthaberisch. Sie mochte ihn nicht. Und doch gab es viele Personen, die ihn merkwürdigerweise akzeptierten. Die gleichaltrigen Männer deswegen, weil sie genauso schreckliche Charakterzüge nachwiesen wie er und die jungen Frauen, weil sie offensichtlichen gerade diesem Charme erlegen waren. Wer seine eigenen Werte soweit nach unten schraubte, ... warum denn auch nicht?
Seine beiden Freunde allerdings, kannte die Brünette nicht. Wollte sie auch nicht kennenlernen, wenn alleine der vorherige Auftritt nur so vor Eitelkeit und Hochmut triefte und die Jungs ihr Gegenüber keinen guten ersten Eindruck hinterließen. Viel interessanter fand Cleo jedoch die Maschinen im Hintergrund. Eine Leidenschaft, die sie ihrem großen Bruder Ruven zu verdanken hatte, mit der sie groß gezogen worden war und die in ihrem Herzen immer aufloderte, sobald ein schön gepflegtes Motorrad ihre Aufmerksamkeit erlangte.
Sie selber fuhr nicht. Der Respekt, einer solch mächtigen Maschine gegenüber, war einfach zu groß und die Angst zu überwältigend, wenn sie die Leute dabei beobachtete, wie sie in halsbrecherischem Tempo die Kurven schnitten, die heraus lehnenden Körper beinahe den Asphalt berührend.
Nein!
Ihre Interessen lagen im Design.
Die Synapsen explodierten wortwörtlich, wenn die Kreativität sie mit beiden Händen packte, Formen, Ornamente und Schriftzügen, sich in ihrem Kopf zu einem Bild zusammen fügten und die Brünette mit vollem Eifer zeichnete. Nicht selten half sie ihrem Vater in der Werkstatt, lackierte Autoteile mit einer Farbpistole, entwarf für Kunden neue Designs und unterstützte ihrem alten Herrn bei den Finanzen. Cleo war der kreative Part in der Familie, sie sorgte für den Feinschliff. Ihr Vater war fürs Grobe zuständig und ihr Bruder lebte mit Herzblut für die Praxis. Auch Ruven ließ öfters die Reifen qualmen, fand es wesentlich interessanter die Straßen neu zu entdecken und das Adrenalin durch die Adern pulsieren zu spüren. Sein Drang fürs Abenteuer war groß, vielleicht sogar zu enorm. Eine Eigenschaft, die die junge Frau stets an ihm bewundert hatte ... .
Und noch immer tat.
"Ruvens Maschine war schöner." , nuschelte sie schlussendlich zusammenhangslos und wollte sich bereits von der Gruppe abwenden. Erst eine feine, Fingernägel lackierte Hand, die sich auf ihre Schulter verirrte und zurück hielt, ließ Cleo in ihren Bewegungen inne halten und zur Seite blicken. Eine schlanke, schön anzusehende Blondine lächelte sie von oben herab an und legte selbstbewusst ihren rechten Arm um Cleos Schulter, drückte sie an ihrem eigenen, sonnengebräunten Körper und deutete auf die drei Motorbikefahrer. „Ein echter Hingucker, ich weiß. Die Kirsche oben auf der Sahnetorte." , philosophierte die Unbekannte plötzlich und ließ deutlich obszön ihre Blicke über die Körper, der drei jungen Männer schweifen. „Ansehnliche Muskeln, zum Küssen einladende Lippen, ein Hintern zum rein kneifen ... ." , zählte sie schmachtend weiter auf, während Cleo nur verwirrt die Augenbrauen zusammen zog und sich etwas überfordert mit der Situation konfrontiert sah. Worauf wollte die Blondine hinaus? Verwechselte sie Cleo mit jemand anderem?
„Ein Traum von einem Mann." , betonte sie weiter, bevor sie sich grinsend an Cleo wandte und ihre geschwungenen Lippen sich plötzlich missbilligend nach unten verzogen. „Und er gehört mir! Also ... hast du ihn angestarrt?" „Wen meinst du?" , fragte die Brünette schließlich deutlich irritiert und entfernte dann endgültig den festen Griff um ihre Schultern, befreite sich aus dieser unangenehmen Umklammerung und betrachtete missverstanden die blonde Schönheit. Blaue Augen funkelten ihre Wenigkeit an, die manikürten Hände unfreundlich in die kurvigen Hüften gestemmt und die lange Mähne erzürnt in den Nacken geworfen. Ihr linker Fuß wippte aufgeregt auf und ab, als würde sie jeden Moment ein kleines Kind belehren wollen, währenddessen ihr perfekt geschminkter Mund sich öffnete und die unfreundlichen Worte geradezu unaufhaltsam heraus purzelten.
„Natürlich Shane." , erwiderte sie zischend, als würde Cleo nun wissen, wer dieser junge Mann war, der sich offenbar glorreich ihr Freund schimpfen durfte. „Er sieht gut aus und es gibt genug Weiber, die sich ihn am liebsten unter den Nagel reißen wollen. Hinterher sabbernde, kleine Mädchen, wie du, haben erst recht keine Chancen bei ihm. Er steht auf echte Frauen." „Du musst es ja wissen." , schmunzelte die Brünette und schüttelte ungläubig den Kopf. Eine scharfe Zunge besaß die junge Seniorin durchaus, die Bedeutung ihrer frei heraus gesprochenen Worte musste sie jedoch selbst noch verstehen lernen und die Situation begreifen, in der sie sich selbst hinein manövriert hatte. Peinlich, so ein Verhalten und absolut nicht nachvollziehbar.
„Ich glaube, du hast da etwas missverstanden." , wagte Cleo einen Versöhnungsversuch, wurde jedoch von einer wegwerfenden Handbewegung barsch unterbrochen. „Spar dir deine Ausflüchte. Es bleibt bei einer Verwarnung." Schulterzuckend und ihre lächerliche Kriegserklärung belächelnd, nickte Cleo lediglich nur und vergrub abwartend ihre Hände in ihrem Hoodie. „Wenn du meinst." , nuschelte sie lediglich und wartete ob ihr Gegenüber noch etwas erwiderte. Die Lippen blieben erstaunlicherweise jedoch verschlossen. Die einzige Regung in dem Gesicht der Blondinen, waren die Augenbrauen, die sich genervt zusammen zogen, sie kurz darauf Cleo den Rücken zuwandte und wie eine Diva auf dem Laufsteg davon stolzierte.
Deutlich amüsiert, beobachtete Cleo, wie die junge Frau sich zu den drei Männern begab, übertrieben aufreizend einem von ihnen die Arme um den Hals schlang und deutlich in Pose stellend versuchte sich einen leidenschaftlichen Kuss zu ergaunern. Die grinsende Erwiderung blieb natürlich nicht aus, wurde der schwarze Helm in Shanes Hand desinteressiert beiseite gelegt, die Hüften der Blondine fest umgriffen, bevor die entgegen kommenden Lippen hungrig übereinander herfielen und den Mund des jeweils anderen zu plündern versuchen.
Wow.
Dachte sich die Brünette lediglich nur und bewunderte ehrlich überrascht das Verhalten des Paares. In der Öffentlichkeit eine derartige Show abzuliefern, in dem Wissen, das sie im Augenblick die Eyecatcher schlechthin auf dem Gelände waren, zeugte von starkem Selbstvertrauen ... oder für geschmacklosen Aufsehen zu sorgen, das die Gerüchteküche wild zu brodeln begann.
Egal wie Cleo die Situation betrachtete, so hatte sie letzten Endes genug gesehen.
„Stacy Gibbs. Angehende Influencerin. Liebt es ins Fitnessstudio zu gehen, betrachtet sich gerne im Spiegel und von Säure belastetem Obst, bekommt sie Hautausschläge." , ertönte es schließlich fröhlich trällernd hinter der Brünetten und für einen Moment schloss die junge Frau ungläubig die Augen, drehte sich anschließend schmunzelnd um die halbe Achse, nur um in die breit grinsende Fratze ihrer langwährenden Freundin Lee zu blicken. „Shane Collins ist der heißbegehrte Boyfriend von Schreckschraube Stacy? Wohl kaum. Freunde mit gewissen Vorzügen darf man eher schimpfen." , lachte die gebürtige Europäerin mit japanischen Wurzeln und zog die Kopfschüttelnde Cleo in eine feste Umarmung.
„Hast du mich vermisst? Natürlich hast du das." „Hörst du jetzt endlich auf zu sabbeln?" , kommentierte Cleo lediglich glucksend und erwiderte nur allzu gerne die überschwängliche Begrüßung mit der gleichen Intensität. „Oh, ich habe doch gerade erst angefangen. Du willst nicht wissen, was ich alles im letzten Jahr erlebt habe." , ahnte Lee die langen Gespräche der beiden Freundinnen heraus und wippte aufgeregt mit den Füßen auf und ab. „Hat das was mit Shane und Stacy zu tun? Oder woher kennst du die Beiden?" „Oh nein, ich folge Stacy nur auf Instagram. Und auch wenn ich sie als ziemlich begriffsstutzig und selbstverliebt einschätze, von Frisuren und Make Up versteht sie allerdings etwas." , nickte Lee nachdenklich und musterte aus der Ferne, die schlanke Schönheit. „Wie bekommt sie nur die Haare so ... voluminös? Sind meine zu kurz?" „Deine Haare sind perfekt. ... So schwarz und aalglatt, wie deine verdammte Seele." , scherzte Cleo Augen verdrehend, woraufhin sie sofort einen Schlag gegen den Oberarm kassierte.
„Du bist ganz schön frech geworden, während ich weg war. Dafür schuldest du mir eine Cola und gelbe Gummischlangen." „Deal." Mit den Fingern schnipsend besiegelte Cleo Lees Anforderungen und harkte sich unter ihre Arme, währenddessen sie Beide im Gleichschritt durch die Eingangstür ins Schulgebäude schlenderten. „So und nun hast du noch eine viertel Stunde Zeit mir zu erklären, wie du es geschafft hast dir Stacy als Feindin anzulachen? Hast du es gewagt dich an ihrem Lover ran zu machen?" , riet die Schwarzhaarige drauf los, doch die junge Frau neben ihr zuckte selbst nichts ahnend mit den Schultern.
„Vor zehn Minuten wusste ich nicht einmal etwas von seiner Existenz, geschweige denn seinen Namen. Ich behaupte nur, das Stacy ein wenig über reagiert hatte." „So so, die Eifersucht. ... Teuflisch." , murmelte Lee verschwörerisch und nickte verstehend. „Du bist unmöglich." „Was denn?" , maulte die Freundin gespielt ahnungslos und riss empört die Augen auf. „Ich würde einfach mal sagen, du fängst endlich an zu erzählen wie es denn nun in Japan war, noch bevor der Unterricht beginnt."
„Ist ja gut. Ist ja gut. Wo soll ich anfangen?"
„Am Anfang?"
„Guter Einwand."
Die wenigen Tage in der Schule, verliefen relativ ereignislos und recht unspektakulär. Viel mehr konnte man in dieser Woche auch nicht erwarten, bestanden die Unterrichtsstunden ausschließlich um die schriftlichen und formellen Angelegenheiten, wie in jedem neuem Schuljahr. Am Freitag fanden schließlich die unnötigen Vorstellungsrunden in jeweiligen Klassen, Ausarbeitungen der Stundenpläne, Bücherverleihungen, sowie beantragte Kurswechsel und Spind Verteilungen unter den Schülern, ein jähes Ende und das Wochenende rückte von Stunde zu Stunde immer näher. Dementsprechend ausgelaugt und seufzend, schloss Cleo leise scheppernd ihr Schließfach, lehnte sich dagegen und beobachtete ihre Freundin Lee, wie auch sie die letzten Fachbücher heraus nahm und nicht minder demotivierend dabei aussah.
„Egal wie sehr mich der Gedanke auch quält, Schulen sind in jedem Land absolut gleich langweilig.“ , stöhnte die Schwarzhaarige und Cleo schmunzelte bei ihren Worten in sich hinein, stimmte ihr gedanklich jedoch zu, auch wenn sie nicht leugnen konnte, selbst aufregende und lustige Tage in der Schule verbracht zu haben. Es kam einfach auf die Stunden an, besonders aber auf die Lehrer und Mitschüler. „Es läuft mir kalt den Rücken herunter, wenn ich daran denke, noch zwei weitere Jahre diese Farce mitzumachen.“ „Als ob dich das so belastet, du Dramaqueen.“ , lachte die Brünette auf und schüttelte belustigt den Kopf, währenddessen Lee lediglich schnaufte und mit der Zunge schnalzte. „Als ob du nicht genauso denkst.“
„Ein wenig mehr Einsatz zeigen, die Damen. Es geht immerhin um Ihre Zukunft.“
Die Stimme der Direktorin, könnte nicht weniger belustigt, wie auch streng zugleich klingen, desto überraschender drehten sich beide Freundinnen zu der Älteren Frau um und blickten ihr verwundert ins Gesicht. „Würden Sie sich bei ihrem Arbeitgeber genauso beschweren, nur weil Ihnen die Lust zum lernen fehlt?“ „Selbstverständlich nicht, Frau Krösche.“ , schleimte Lee der Direktorin ordentlich Honig um den rot bepinselten Mund und warf Cleo einen Schalk triefenden Seitenblick zu, den sie genauso amüsiert erwiderte und, um Selbstbeherrschung ringend, auf die Lippen biss. „Im Leben lernt man nie aus. Noch Lachen Sie darüber, aber merken Sie sich meine Worte für später.“
Beide Mädchen nickten daraufhin synchron und traten zur Seite, als die Frau sich mit einem undefinierten Laut zwischen die Beiden schob und mit verschränkten Händen und hoch erhobenen Hauptes durch die Schülermassen wanderte. Es dauerte nur wenige Sekunden und die Direktorin fand eine weitere Gruppe Jugendliche, die sie wahrscheinlich genauso mit ihren Weisheiten überforderte, wie die beiden jungen Frauen vor ihnen. „Das war ja schräg.“ , murmelte die Brünette bemitleidenswert und Lee gab ihr mit einem Kopfnicken recht. „Aus welchem Loch kam sie eigentlich gekrochen?“ Irritiert sah sich Lee nach einem möglichem Versteck im Flur um, doch es war Cleo, die an ihrem Ärmel zupfend nach draußen deutete und das recht einseitige Gespräch mit der Direktorin in die hintersten Gedankenecken schob.
„Ich verbringe meine restlichen Minuten nicht damit, Frau Krösche hinterher zu starren, geschweige denn über ihre Worte nachzudenken. Lass uns noch etwas raus gehen, bevor die letzten Unterrichtstunden beginnen.“ Sich einverstanden erklärend, zuckte die Europäerin die Schultern und folgte der Brünetten durch eine gläserne Doppeltür, die hinaus auf den grün flächigem Hof führte. Die mittlerweile hoch stehende Sonne knallte auf jedermanns Köpfen und nur die wenigen Schüler fanden angemessenen Schutz unter den vereinzelt bepflanzten Bäumen. Darunter hauptsächlich die meisten Zwölftklässler, während Cleo und Lee sich mit einer einfachen Bank begnügten und ihre Gesichter gen Sonne richteten, die Beine von sich streckend und die Seele baumeln lassend.
Eine seltene, aber angenehme Ruhe, herrschte anschließend zwischen den Freundinnen und blieb eine Weile auch bestehen, bis Lee sich seufzend erhob und ihren steif gewordenen Nacken unangenehm knacken ließ. „Ich besorge mir was zu trinken. Willst du auch was?“ „Nein, danke.“ , verneinte die Brünette mit verzogenem Gesicht, verursachtet das Geräusch knackender Knochen und Knorpel ihr immer wieder aufs Neue eine unangenehme Gänsehaut, und schaute der schlanken Schwarzhaarigen hinterher, die sich beiläufig winkend kurz verabschiedete, um dem Getränkeautomat einen Besuch abzustatten.
In der Zwischenzeit surfte Cleo ein wenig im Internet herum, ließ sich weiter von der Sonne bräunen und aufwärmen oder blickte sich Gedanken verloren in ihrer Umgebung um. Bis auf einige heimlich rauchende oder tatsächlich in der Freizeit lernende Schüler, blieb das vor ihr lebhafte Geschehen eher ereignislos und gleich ablaufend. Nicht so ganz uninteressant aber fand sie die Gruppe der Seniors, die ihr bereits am Anfang der Woche einige Probleme mit einer schönen Blondine beschert hatten, die heute erstaunlicherweise nicht mit ihrer Anwesenheit glänzte. Nichtsdestotrotz waren aber nicht Antoine oder Shane der Grund für Cleos heimlichem Starren. Es war auch nicht die Tatsache, dass die jungen Männer sich außerhalb des Schulgeländes befanden und eigentlich jeder vorbei laufende Lehrer sie durch den Drahtzaun entdecken könnte, die dadurch nachziehenden Konsequenzen gewusst wie ignorierend.
Mitnichten, die Männer waren der Brünetten völlig gleichgültig.
Es waren nach wie vor die erstaunlichen Maschinen, die die Seniors fuhren und sich dabei nicht zu Schade fühlten damit zu prahlen und zum Ausdruck brachten, wie Stolz sie selber waren, damit die Straßen unsicher zu machen, saß einer von ihnen doch auf ein eben jenes genannte Bike und ließ aufheulend die Motoren sprechen.
Die brummenden Geräusche, die Cleo aus dieser Entfernung erreichten, und das Bild, welches der Dunkelhaarige Shane bislang auf seinem Motorrad projizierte, ließen die Brünette bedenkenlos handeln und ungeduldig in ihrer Tasche herum wühlen. Mit Stift und Papier bewaffnet, begann die junge Frau grobe Skizzen anzufertigen, die für Collins Bike und ihm gleichermaßen in ein anderes Licht warfen und perfekt miteinander abstimmten, sowohl in der ausgewählten Farbwahl, als auch im Design selber. In der Zeichnung verschmolzen Beide zu einem Ganzen, Maschine und Mensch vereint. Und es bereitete Cleo regelrechte Freude ihrer Fantasie dabei freien Lauf zu lassen. Nicht selten verfiel sie in einem Rausch, der erst zu Ende schien, wenn man sie unterbrach oder ihre Zeichnung zu ihrer eigenen Zufriedenheit fertig gestellt wurde. Ihre auflodernde Leidenschaft kannte an diesem Punkt keine Grenzen, fühlte sie sich doch jedes Mal befreit und wie neu geboren.
Ungeachtet dessen sah Cleo oft und selten unauffällig in die Richtung der Männer, korrigierte Linien und Formen, dachte sich nachdenklich starrend verschiedene Farbkombinationen und Varianten aus, nur um letzten Endes in ihren eigenem Wahn inne zu halten und Shanes stechenden Blicken zu begegnen. Ihre hektischen Bewegungen erstarben augenblicklich und für einen kurzen Moment dachte die junge Frau er würde eine Person hinter ihr wahrnehmen, die seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Aber bis auf einen Süßigkeitenautomaten und einem Tischtennistisch befanden sich keine Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe.
Desto verwirrter und völlig aus dem Konzept gebracht, blickte sie mit der gleichen Intensität zurück, versuchte ein wenig überfordert die Motivation zum weiter zeichnen zurück zu erlangen und ihn einfach zu ignorieren. Wenige neue Linien und Schatten fanden sich allerdings kurz darauf auf dem Papier wieder, als ihre grünen Opalen erneut den Weg in seine Richtung fanden und bis auf einen Positionswechsel seiner Seits keine Veränderungen bestand. Sein Starren wirkte beinahe schon penetrant, eigentlich schon unverschämt, obwohl nichts feindliches von ihm auszugehen schien. Und auch wenn ihre Beobachtungen aus mitreißenden Gründen zur Stande gekommen waren, so konnte Cleo Shanes Absichten nicht genau erklären.
Es verunsicherte die Brünette.
Nichtsdestotrotz aber wagte sie einen zweiten Versuch ihren Stift über die Skizzen zu ziehen, die Motivation dazu blieb jedoch aus. Beinahe enttäuschend, denn ohne jeglichen Ansporn, wollte sie nicht weiter machen, denn daher rührte ihre Kreativität. Bedenkenlos und ohne Sinn und Verstand, wollte die junge Frau ihren Fortschritt nicht verunstalten, womit sie an dieser Stelle gänzlich aufgab, ihren Block und Utensilien ordentlich in die Tasche zurück sortierte und ein letztes Mal in Shanes Richtung blickte.
Anders als erwartet jedoch, schien er sein unerbittliches Starren nicht unterbrochen zu haben, wirkte geradezu in Gedanken versunken. Mittlerweile schien Antoine ebenfalls Notiz davon genommen zu haben, stupste er seinen Kumpel doch mehrmals mit dem Ellenbogen von der Seite an, nachdem seine Augen vom Display seines Handys wichen und er um Shanes Aufmerksamkeit buhlte, ihm offensichtlich etwas zeigen wollte. Als der Dunkelhaarige lediglich mit einer abwertenden Handbewegung reagierte und augenscheinlich in keine belanglose Konversation eingebunden werden wollte, suchte und fand Antoine den Störenfried, der seinen Freund bemerkenswert abzulenken wusste. Zwei neugierige Augenpaare waren demnach einer zu viel auf ihre Wenigkeit gerichtet.
Es wurde unangenehm peinlich.
Sich plötzlich verlegend fühlend, räusperte sich Cleo unmissverständlich laut, schulterte hektisch ihre Tasche über die Schulter und lief einfach davon. Denn auch wenn sie sich keiner Schuld bewusst war, so schlug ihre vorerst gute Laune drastisch um und sie ärgerte sich erheblich, so empfindlich auf die Reaktionen der beiden jungen Männer reagiert zu haben. Es bestand kein Grund dafür derart pikiert darüber zu sein. … Ihrem Gemütszustand nach zu Urteilen tat es das aber aus einem ihr unbegreiflichem Grund. Dementsprechend irritiert sah ihr die entgegen kommende Lee ihrer schlecht gelaunten Freundin hinterher, als sie unmittelbar an der Schwarzhaarigen vorbei lief und offenbar Anstalten machte in den Innenbereich des Schulgebäudes zurück zu verschwinden.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Lee der Brünetten in angemessenem Abstand folgte, noch immer am Strohhalm ihres Getränkes saugend, und konnte Cleo noch rechtzeitig in die Schultoiletten verschwinden sehen. Währenddessen Lee sich demnach noch durch den Schwarm an Schülern zu ihr durchkämpfen musste, wusch die Brünette sich sowohl die Hände, als auch das Gesicht, kühlte sich ab und beruhigte ihr hitziges Gemüt. Das darauffolgende dröhnende Geräusch des Handtrockners und die tuschelnden Frauengespräche der zwei Schülerrinnen neben ihr, brachten sie derweil auf andere Gedanken. Deutlich entspannter sah sie Lee im Nachhinein in die Augen, die ihr, mit verschränkten Armen an der gefliesten Wand lehnend, einige Papiertücher entgegen reichte und in geduldiger Manier darauf wartete, das Cleo ihre plötzliche Stimmungsschwankungen erklärte.
„Danke.“ , nuschelte die junge Frau undeutlich in Lees Richtung, trocknete ihre Haut, warf das feuchte Papier in den dafür vorgesehenen Abfalleimer und lehnte sich anschließend seufzend gegen das demoliert aussehende Waschbecken. „Erzählst du es mir?“ , fragte ihre Freundin daraufhin neugierig und Cleo konnte es ihr nicht einmal verübeln, wusste sie schließlich nicht, wie lächerlich albern sich ihre schlechte Laune begründen ließ. Dennoch zuckte ihre Wenigkeit lediglich mit den Schultern, nicht wissend, in welche Bahnen sie das Gespräch lenken, geschweige denn, an welcher Stelle sie beginnen sollte. Wie selbstverständlich sprach sie schließlich das naheliegendste aus.
„Ich habe gezeichnet.“
Lee zog lediglich eine geschwungene Augenbraue empor, wog nachdenklich ihr Haupt hin und her, während Cleo ungeduldig abwartete, welche Antwort ihre langwährende Freundin auf der Zunge brannte. Schlussendlich zuckte sie nichtssagend mit den Schultern, fand Lee anscheinend nichts ungewöhnliches an ihrem Hobby, zeichnete die Brünette doch bereits seid Jahren begeistert irgendwelche Zeichnungen. „Wirst du seid neuestem deswegen wütend? Habe ich so viel verpasst, während ich in Japan war?“ Berechtigte Frage, aber sie lag falsch. Teilweise gelangweilt trottete Cleo letztes Jahr durchs Leben, schaltete oft auf Durchzug und das nur, weil gleich zwei wichtige Personen aus ihrem Alltag verschwunden waren.
Lee und ihr Bruder Ruven.
„Eigentlich nicht … .“ , murmelte die junge Frau relativ nüchtern und reichte in der Zwischenzeit, mühelos aus der Tasche ziehend, der Schwarzhaarigen ihr Skizzenblock. Unaufgefordert nahm Lee den Gegenstand entgegen, blätterte auf die letzte bearbeitete Seite, währenddessen Cleo erneut das Wort ergriff. „Ich war wohl etwas … abwesend.“ „Wie so oft, wenn du deine Nase nicht mehr aus deinen Zeichnungen bekommst.“ , gluckste ihre Freundin wissend und deutete auf die Kohle verschmierten Entwürfe. „Sieht doch gut aus. Wo liegt denn das Problem?“ „Wenn du dabei erwischt wirst, wie du ungeniert Leute anstarrst.“ , erwiderte Cleo maulend und rieb sich seufzend kleinlaut über die Augen. „Es ist selten, dass du Personen zeichnest, das stimmt. Aber ich bin neugierig geworden, wer dich denn inspirieren konnte. Muss ein sehr interessanter Typ sein … .“ , murmelte Lee den letzten Satz mehr an sich selbst gerichtet und fuhr vorsichtig über das gesichtslose, männliche Model auf der angefertigten Motorradzeichnung.
„Es war nicht die Person direkt … .“ , versuchte die Brünette sich selbst aus dem Schneider zu ziehen, sprach jedoch nicht weiter, sich in ihrer Haut deutlich unwohl fühlend. Für die Europäerin allerdings ein Anlass aufzublicken und grinsend nachzuhaken. „Oh, schon klar. Und wer war der Auserwählte?“ „Es war einfach der Moment. Die Kulisse hatte gepasst, die Farben … .“ „Wer Cleo?“ , unterbrach Lee aufdringlich, zugleich neugierig und ungeduldig.
„Niemand wichtiges. … Nur Shane.“ „Sprechen wir über den gleichen Shane? Collins? Und er hat dich beim Starren erwischt?“ , harkte sie weiter nach und die Brünette war froh, mittlerweile alleine mit ihrer Freundin in den Waschräumen zu tratschen, verzogen sich die beiden unbekannten Mädchen recht schnell wieder, nachdem sie ihr Make Up neu aufgefrischt hatten und ihre Gespräche auf den Fluren weiter führten. „Aus deinem Mund hört sich das echt schräg an. Ich hatte ihn lediglich für meine Entwürfe missbraucht. Es hätte genauso gut Antoine gewesen sein können.“ „Natürlich … .“ Schelmisch grinsend reichte Lee der jungen Frau ihren Skizzenblock zurück, die leise schnaufend alles zurück in ihre Tasche zwängte und der Schwarzhaarigen einen mahnenden Blick zuwarf.
„Hör jetzt auf damit. Shane mag zwar etwas gut aussehen, meine Augen aber lagen konzentriert auf sein Bike. Ruven wäre ebenfalls begeistert gewesen, auch wenn ich der Meinung bin, dass seine Maschine immer noch besser aussah.“ , wich Cleo weiterhin Lees anzügliche Andeutungen aus, währenddessen zeitgleich die Klingel zu den letzten Unterrichtsstunden läutete. „Außerdem hat er Stacy. Ich werde mich hüten, jemand anderes Freund auszuspannen.“ „Soweit denken wir also schon, meine liebe Cleo?“ „Nicht einmal ansatzweise.“ , warf die Brünette spitz zurück und zog ihre Freundin aus den Toiletten. „Sie sind im übrigen kein Paar.“ „Ruhe jetzt!“ Laut lachend, ließ sich Lee von der Brünetten durch die Schülermassen ziehen, verkniff sich ihr zuliebe aber weitere Kommentare und schlurfte stattdessen ihr nicht mehr ganz so kühles Getränk aus.
In der Zwischenzeit kämpften sich beide jungen Frauen durch die wild aufgescheuchten Menschen, quetschten sich durch die Klassenzimmertür und bereiteten sich seelisch auf die letzten Stunden vor, währenddessen alle Anwesenden im Raum auf den Geschichtslehrer warteten und sich in Gespräche vertieften.
Darunter Lee, die Cleo letzten Endes die alles entscheidende Frage, laut durch den Raum brüllend, stellte, nachdem Mr. Bernadotte sie abschätzig ermahnte und die große Ledertasche laut auf seinen Pult ablegte, als er leise schlurfend die Räumlichkeit betrat.
„Pizza oder Popcorn?“
„Natürlich beides.“
Welch dumm gestellte Frage.
Der unverwechselbare Geschmack nach versüßten Popcorn und vor Fetttriefender Pizza, ließen Cleo in den letzten Vierundachtzig Stunden in den siebten Himmel schweben, nur um am Montagmorgen gnadenlos die engelsgleichen Flügel heraus gerissen zu bekommen und auf die Erde herab zu stürzen. Grummelnd rieb sich die junge Frau ihren Magen, der sich nur allzu gern über das viele ungesunde Essen beschwerte, währenddessen sie sich ihren Weg durch die Korridore der Schule bahnte, geradezu quälte. Es grenzte an einem Wunder, dass sowohl der Inhalt ihres Magens, seinen Platz im Körper zu kennen vermag, als auch die Schulmaterialien in ihrer Tasche, die die Brünette mit geöffnetem Reißverschluss halb über den Boden schleifen ließ.
In der Zwischenzeit sah sie Lee wenige Meter vor sich, die sich freundlich mit einigen Seniors aus der zwölften Klasse unterhielt ... und dabei unverschämt gesund aussah! Hatte ihre Freundin nicht sogar am ehesten mit dem Fast Food übertrieben? Und doch musste Cleo für ihre Wochenendsünden Buße zahlen, glich sie im Moment mehr denn je einer Toten. Eine Tatsache auf die Cleo nicht gerade Stolz war, geschweige denn damit prahlte. Vielmehr sollte die junge Frau in ihrem Bett liegen, schlafen ... . Welch grausame Fügung des Schicksals, ... und der strengen Aufforderung ihres Vaters, der keine Gnade walten ließ und sie in der Schule wissen wollte, ganz gleichwie schlimm sie ihre Lage auch beschrieben hatte. Fehlen am Anfang des neuen Schuljahres? Nicht tolerierbar, in seinen Augen.
„Du siehst Scheiße aus." „Danke für die Blumen. ... " , murmelte Cleo zurück und setzte sich auf dem Boden, lehnte ihren, sich schweranfühlenden Kopf, gegen die, in blauen Jeans steckenden Beine, ihrer Freundin, während das kühle Metall der Spinde hinter dem Rücken ihr eine Gänsehaut bescherte.
„Weck' mich, wenn der Unterricht beginnt." „Du solltest nicht auf dem Boden sitzen." , kommentierte die Schwarzhaarige schmunzelnd und schüttelte ihr Haupt, als Cleo tatsächlich ihre Augen verschloss und leise in sich hinein döste. Nebenbei bemerkte sie, wie Lee damit begann ihre Finger durch Cleos Strähnen zu kämmen, daran zupfte und sich einen Spaß daraus machte, ihre Haare wieder unordentlich auf dem Kopf zu hinterlassen. Es war Cleos Zustand zu verdanken, dass sie nichts gegen Lees Dreistigkeit unternahm und es grummelnd über sich ergehen ließ, währenddessen die Europäerin sich weiter mit den Anderen unterhielt. Einerseits war es auch sehr beruhigend und lenkte sie von ihrer Übelkeit ab. Anderseits fühlte es sich frustrierend an, eben weil die Brünette lange an diesem Morgen gebraucht hatte, sich für die Schule herzurichten.
Ein teuflischer Kreislauf.
Genauso wie der Unterricht.
Cleo hörte nur mit einem halben Ohr Frau Talez, ihrer Mathelehrerin zu, obwohl sie dieses Fach eigentlich sehr mag. Sie sollte sich mit den Rechenaufgaben im Buch beschäftigen, die sie von ihrem Unwohlsein ablenken würden. Stattdessen starrte die junge Frau unauffällig aus dem Fenster, kritzelte die Kästchen im Schreibblock voll oder betrachtete das Verhalten der anderen Mitschüler um sich herum. Wenn sie glaubten sie seien unbeobachtet, traten bei den Anderen tatsächlich merkwürdige Angewohnheiten ans Licht.
Der schüchterne Sven kaute hartnäckig auf seinen Fingernägeln, Blaire nahm ihre Haarsträhnen in den Mund , währenddessen George, mit dem Stuhl kippte und immer wieder aufs Neue drohte zu stürzen. Sah gefährlich aus, aber das ließ Cleo seine Sorge sein, wenn es passieren sollte.
Die Stunde fühlte sich ewig lang an und es graute ihr darüber nachzudenken, ähnlichen Unterricht noch für den Rest des Vormittags absitzen zu müssen. Das Läuten der Schulglocke, die die Pause ankündigte, wirkte daher weniger befreiend und ließ die Brünette nur seufzend ihre Materialien in die Tasche zurück verstauen. Es war eben nicht das Ende des Schultages.
Daher trottete die Brünette, weniger in Gesprächslaune, Lee durch die voll belaufenden Flure hinterher, nickte ab und zu auf eine Frage oder gab ein einsilbiges 'Ja' von sich. Ihre Freundin wirkte nicht gekränkt, wegen ihrer kaum vorhandene Anteilnahme der Gespräche, wusste sie doch, dass Cleo, trotz stillschweigen, dennoch zuhörte und auch antwortete, wenn es wichtig war.
Seelenruhig huschten ihre Augen schließlich über die Auslage der Gerichte hinter dem Tresen, spürte den auffordernden Blick der Cafeteria Dame auf sich ruhen und entschied sich für ein einfaches, belegtes Sandwich und eine Flasche stilles Wasser. Ihr Magen würde es ihr danken, so viel stand fest. Auch wenn sie jetzt in dem Moment einen warmen Tee bevorzugen würde.
„Warum quälst du dich so? Geh' doch nach Hause." , versuchte Lee die junge Frau zu überzeugen. Sie jedoch, schüttelte konsequent den Kopf. „Ich kann nicht. Und so schlimm ist es ja nicht." Strähnen ihres braunen Haares fielen ihr vors Auge, die sie rigoros beiseite schob, als die Beiden sich einen freien Tisch suchten.
„Wenn du mir einen Klappmann machst, trete ich dir in den Arsch."
Ehrlich amüsiert, quetschte sich ein Glucksen aus Cleos Mund und sie setzte zu einer Erwiderung an, während die jungen Frauen sich dazu entschieden, sich zwischen einer Gruppe Läufer, aus dem Athletikkurs, zu setzen. Eine plötzlich randalierte Truppe Footballspieler, die sich gegenseitig den eiförmigen Ball zuspielten, unterbrachen Cleos Vorhaben jedoch ganz schnell wieder. Stattdessen waren die Freundinnen damit beschäftigt auszuweichen und sich ihren Weg zu den ausgewählten Plätzen durch zu schlängeln. „Passt doch auf." , brummte Lee sofort, als sie beinahe angerempelt wurde. Glücklicherweise geschah nichts dergleichen und sie konnte rechtzeitig dem Ellenbogen, des großgewachsenen Jungen, entkommen, der sie direkt unters Auge getroffen hätte. „Könntet ihr eure Spielchen woanders treiben?"
Das sofort eine Diskussion zwischen Lee und den Sportlern entbrannte, war nicht anders zu erwarten gewesen. „Dann steht nicht so im Weg herum." „Wie bitte? Verzieht euch auf dem Feld. Hier wollen welche in Ruhe essen."
Fieses Gelächter ertönte und schnaufend schüttelte Lee verständnislos den Kopf, während sie Cleo einen ungläubigen Blick zuwarf. Aus Trotz, ihres Protestes wegen, begannen die jungen Männer schließlich erneut, sich den Ball zuzuspielen. Nur deutlich provokanter. „Was für Proleten." , echauffierte Lee gereizt und streckte allzu deutlich den Mittelfinger in die Höhe. Weiteres, laut grölendes Gelächter, war die Antwort darauf.
„Sie denken, sie dürfen alles."
„Reg dich nicht auf. Das sind sie doch nicht Wert. Eben kein Grips im Hirn." , kommentierte Cleo schulterzuckend und wandte sich dem Platz zu, den sie sich ausgesucht hatten. „Ich hasse solche Typen." „Wer nicht?"
„Schnepfen?", lachte Lee wieder besser gelaunt und stupste die junge Frau kurz mit der Hüfte an. Wankend wollte die Brünette etwas amüsantes darauf erwidern, als die Worte: „Hier. Fangt!" , ihr Gehör erreichten und Beide sich zu den Sportlern zurück drehten. Ob Neugier oder aus einfachem Reflex wegen. Einen fliegenden Ball auf sich zufliegen zu sehen, haben die Freundinnen dennoch nicht erwartet, obwohl die Aufforderung klar verständlich war. Dementsprechend erschrocken reagierten die Mädchen auf die bevorstehende Eskalation.
Lee wich fluchend aus und balancierte ihr Essen auf dem Tablett hin und her, während Cleo das ihres lediglich in die Höhe zog, um einen Aufprall mit dem Football zu vermeiden. Donnernd flog der Ball gegen das biegsame Plastik und scheppernd landete die Flasche, sowohl auch das Sandwich, zu Boden. ...
Zumindest ging Cleo davon aus.
Auf dem Boden umher rollend, erblickte sie das Wasser vor ihren Füßen. Zur gleichen Zeit aber, bemerkte sie die plötzliche Stille in der Cafeteria und die darauffolgenden gemurmelten Gespräche der umliegenden Schüler. Vereinzeltes Gelächter und vorwitzige Sprüche folgten kurz danach, als auch schon der Grund für die Unruhe vor Cleo tritt.
Shane Collins.
Bekleckert mit dem Belag des Sandwichs. ... Ihres Sandwichs.
„Oh... „ , war ihre schuldbewusste Antwort, als sie seinen abweisenden Blick auf sich spürte, während er angespannt ein Salatblatt aus seinen dunklen Haaren zog und eine Tomatenscheibe von der Schulter. Offensichtlich waren Shane und Antoine auf dem Weg gewesen, sich ebenfalls an der gut bedeckten Theke zu bedienen. Und ausgerechnet an ihnen wollten sie sich vorbei zwängen, während die Debatte zwischen den Sportlern direkt aus den Fugen geraten war. „Tut ... mir leid." , zögerte Cleo zu äußern. Schuld war noch immer der intensive Blick, seitens Shane, mit dem er sie regelrecht erdolchte.
Es war unangenehm, keine Frage. Dass er wiederum nichts auf ihre Entschuldigung erwiderte, machte die Sache um einiges schlimmer, auch wenn es zum großen Teil nicht ihr verschuldet war, dass es zu dem Unfall erst kam.
Wütend und gleichermaßen beschämt, schielte Cleo zu den Jungen, der den Ball geworfen hatte. Er und seine Freunde wiederum grinsten und schüttelten die Köpfe, bevor sie sich lästernd umwandten und sich tatsächlich aus der Cafeteria verzogen.
Frechheit!
„Es hilft vielleicht nicht viel. ... Ein Taschentuch?" , versuchte Cleo die unglückliche Lage zu beschwichtigen, legte das leere Tablett beiseite und kramte in ihrer Hosentasche nach dem zerknitterten Päckchen, dass sie eigentlich stets bei sich trug. Lee blieb erstaunlicherweise ruhig, obwohl sie in diesem Augenblick gerne ihre Hilfe gebraucht hätte. Stattdessen blieb sie im Hintergrund, beobachtete das Szenario vor ihr. ... Danke für nichts, dachte sich die Brünette zerknirscht, in dem Wissen, dass die Europäerin dennoch einschreiten würde, wenn Shanes Ruhe doch ins Nichts verpuffen und es zwischen ihnen eskalieren sollte.
Knisternd zog Cleo das Tuch aus der Packung hervor, reichte es schnell dem großgewachsenen jungen Mann und hoffte insgeheim auf seine Begnadigung.
Bitte, mach keine Szene draus, überlegte Cleo heimlich flehend und bekam große Augen, als Shane das ihm gereichte Taschentuch ignorierte und sich ihr einige Schritte weiter näherte. Sofort spannten sich Cleos Schultern an. Ihr Rücken durchgedrückt, erwartete sie eine Beleidigung, vielleicht sogar eine öffentliche Drohung oder Handgreiflichkeit. Nichts dergleichen geschah allerdings, als sich Shane schnaufend an ihr vorbei drängelte, mit den Worten: „Lass stecken, Kleine."
Sein herber Duft schwebte um ihre Nase, als er Cleo ohne jegliche Konfrontation zwischen den gaffenden Schülern stehen ließ. Ob beabsichtigt oder nicht, streifte sein Oberarm den ihren, wodurch sie sich gezwungen fühlte auszuweichen und zurück zu taumeln, während er versuchte die übrigen Reste des Belags auf seiner Kleidung zu entfernen. Antoine folgte ihm grinsend, nicht jedoch bevor er seine rechte Hand auf ihre Schulter klopfte. „Hast du gut gemacht. Bleibender Eindruck."
Wenn das ironisch sein sollte, wäre Cleo wirklich geneigt ihm einen Tritt in den Arsch zu versetzen, einfach, um sein vorlautes Mundwerk zu stopfen. „Jetzt schleich' dich." , kommentierte Lee endlich, brach das eiserne Schweigen und gesellte sich neben Cleo.
Letzten Endes beobachtete die Brünette Antoine dabei, wie er lachend zu Shane aufholte, auf ihn einsprach und offensichtlich auf Antworten hoffte. Cleo schluckte, als daraufhin Shane zu ihr zurück blickte. Die junge Frau konnte regelrecht spüren, wie skeptisch seine Augen über ihren Körper fuhren. Schließlich wandte er sich ab, gab, soweit Cleo das beurteilen konnte, seinem Freund jedoch keine Antworten und verschwand mit seinem Kumpel durch die Flügeltür. Wahrscheinlich beabsichtigte er sich in den Waschräumen zu reinigen.
Seufzend fuhr Cleo sich durch die Haare, hob die Wasserflasche auf und setzte sich endlich auf den Platz, den die beiden Freundinnen für sich beanspruchen wollten, bevor der blanke Irrsinn ausgebrochen war. Jedoch ohne jegliche Art von Nahrung. Zumindest für Cleo.
„Das war ... interessant." , beurteilte Lee die durcheinander geratene Situation von eben. Doch Cleo war weniger begeistert, schließlich geriet für sie alles ins Wanken.
„Von wegen ... „ , murmelte sie ausgelaugt, verdrängte die tuschelnde Menge um sich herum und stützte ihren Kopf auf den Händen ab, währenddessen Lee ihren noch immer voll beladenen Tablett betrachtete. In Gedanken versunken, ließ Cleo das Geschehen noch einmal Revue passieren, kniff aber lediglich nur die Augen zusammen, als das Unwohlsein direkt wieder ihr ganzes Sein beanspruchte. Stöhnend legte sie ihr Haupt auf dem Tisch, versuchte sich vor den neugierigen Blicken zu verstecken und fluchte leise vor sich hin.
„Jetzt nimm es nicht so Ernst. Es war nicht deine Schuld."
„Ich weiß."
Und trotzdem hatte die Aktion die halbe Schule auf dem Plan gerufen. Das Gesprächsthema schlechthin zu werden, stand für heute nicht auf der Tagesordnung. Es sollte sich problemlos dem Ende neigen. ... Sie hatte sich schon auf ihrem Bett liegen gesehen. Entspannt und Sorgenfrei ... während ihr rumorender Magen sie quälte.
Das konnte die Brünette nun vergessen, soviel stand fest. ... Für die restliche Woche.
„Willst du meinen Apfel?" , bot Lee an, versuchte Cleos nun schlechtgelauntes Gemüt aufzumuntern und sie abzulenken. Doch sie verneinte direkt, als sie das giftige Grün vom Obst betrachtete und sich ihr Magenproblem sofort bemerkbar machte. „Nein danke." , schluckte die junge Frau und wandte sich würgend ab.
„Mir ist der Appetit vergangen."
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