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Die Europawahl

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15.05.19 22:19
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Bedingt durch die mediale Präsenz der Thematik ist zumindest der Begriff "Europawahl" den meisten Bürgern geläufig. Wahlplakate in allen noch so kleinen Ortschaften erinnern uns daran, dass irgendwann demnächst irgendeine Wahl stattfinden muss. Wir sehen überall Politiker, die uns von Bildschirmen und Plakaten anlächeln, werden mit Versprechungen und provokanten politischen Aussagen regelrecht bombadiert und in "gebildeten Kreisen" gibt es kaum ein beliebteres Gesprächsthema aktuell.
Wenngleich die Europawahl in beinahe jedem von uns bestimmte Assoziationen erweckt, so sind die genauen Hintergründe dieser besonderen Wahl doch zumeist unbekannt. Zwar heißt es überall, man solle diese oder jene Partei wählen, doch welchem Zweck dies genau dient, wird oftmals übergangen. Wer wird bei der Europawahl gewählt und warum? Welche Besonderheiten liegen dieser Wahl zugrunde, wie kann man sich einbringen und vor allem: Wen soll man wählen?
Diese durchaus berechtigten Fragen liegen diesem Essay zugrunde und werden in den nachfolgenden Teilabschnitten thematisiert. Explizite Erklärungen über die Arbeitsweise der EU, werden schließlich nur äußerst selten durchgeführt. In diesem Bereich ist es daher unbedingt vonnöten, selbst aktiv zu werden und sich ausführlich zu informieren. Dieser Text soll eine Grundlage dafür bieten und zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Europawahl oder den politischen Entwicklungen im Allgemeinen anregen.
Allgemeine Informationen:  Am Sonntag, dem 26. Mai 2019 findet die insgesamt neunte Wahl der Europäischen Union statt. Die erste Wahl wurde 1979 durchgeführt.
An diesem Tag haben alle wahlberechtigten Bürger der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (inklusive Großbritannien) die Möglichkeit, das Europäische Parlament zu wählen, bei welchem es sich um die einzige, direkt gewählte, überstaatliche Versammlung der Welt handelt. Die Abgeordneten sind hierbei die Vertreter der Bürger.
Die EU verfügt insgesamt über sieben große Institutionen, wie beispielsweise die Europäische Kommission, der Europäische Gerichtshof, usw.
Mit 96 Politikern, stellt Deutschland die meisten Abgeordneten im demokratisch gewählten Europäischen Parlament. Wie viele Sitze einem Land zustehen, wird auf Grundlage der Größe und Einwohnerzahl eines Landes berechnet. Aus diesem Grund stammen die wenigsten Abgeordneten (jeweils nur sechs) aus den Staaten Malta, Zypern und Luxemburg.
Die Politiker sind in Parteien organisiert, wobei jeder Wähler nur für die Parteien stimmen kann, die in seinem Staat vertreten sind. In Deutschland stehen 40 Parteien zur Wahl.
Im Parlament selbst bilden sich Fraktionen, also Zusammenschlüsse verschiedener Politiker und Parteien, die ein ähnliches Interessengebiet und eine vergleichbare Weltanschauung aufweisen. Das aktuelle Parlament verfügt über acht dieser Fraktionen und über eine fraktionslose Gruppe.
Warum überhaupt wählen? Die Europawahl genießt in der Bevölkerung offensichtlich kein hohes Ansehen. An der Sinnhaftigkeit dieser Wahl scheinen große Zweifel zu existieren, jedenfalls lässt sich dies Statistiken entnehmen. Im Durchschnitt lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl im Jahr 2014 bei mageren 43 Prozent, wobei Deutschland immerhin 48 Prozent und somit einen überdurchschnittlichen Wert erreichte. In der Slowakei jedoch war die Wahlbeteiligung  erschreckend niedrig (13 Prozent). Womöglich lassen sich die sinkenden Werte bei der Wahlbeteiligung durch die aktuelle Krise der EU erklären. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser überstaatlichen Institution, sympathisieren einige Mitgliedsstaaten mit einem Austritt. Während konkrete Bemühungen bereits in Großbritannien vorgenommen werden, finden anti-europäische Stimmen vor allem in etablierten Mitgliedsstaaten wie Italien und auch Deutschland immer mehr Gehör.
Ebenfalls möglich ist, dass vielen Wählern die Europawahl zu abstrakt erscheint. Während man in Deutschland  (hoffentlich) bei den Bundestagswahlen die eigene Betroffenheit erkennt, so scheint die EU doch über alldem zu stehen. Sie erscheint als schwer greifbar, schwer fassbar und allgemein ist alles irgendwie ganz weit weg. Ganz gemäß dem Motto: "Die in Brüssel machen doch eh, was sie wollen".
Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die EU über einige Kompetenzen verfügt, die jeden Mitgliedsstaat betreffen. In Kraft gesetzt wurde diese Reform durch den 2007 beschlossenen Vertrag von Lissabon. Das von uns gewählte Parlament kann beispielsweise in die nationale Gesetzgebung eingreifen. Daher sind auch Bestrebungen eines europaweiten Mindestlohnes, wie sie von Links vorangetrieben werden, möglich. Auch die vom Parlament letztendlich angenommene Urheberrechtsreform stellt hierfür ein Beispiel dar.
Folglich ergibt sich daraus, dass die Europawahl uns doch alle betrifft und wir aktiv über die europäische Politik mitbestimmen können. Von diesem keineswegs selbstverständlichen Privileg sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden.
In Griechenland existiert beispielsweise gar eine Wahlpflicht. Einer solchen stehe ich dennoch ablehnend gegenüber, da das Wählen ein einzigartiges Privileg, ein wichtiges Recht, welches vollkommen bewusst und in aller Freiheit ausgelebt wird, darstellen sollte. Pflicht ist dagegen negativ konnotiert und wird mit Zwang assoziiert. Außerdem darf das Wählen keinen lästigen Zwang darstellen, bei dem zudem die Wahrscheinlichkeit des unreflektierten Wählens drastisch erhöht wird, sondern sollte dem Wähler im besten Falle sogar Freude bereiten und aus Selbstverständlichkeit erfolgen. Das Erwachsenendasein geht mit vielen Pflichten einher, doch auch mit unschätzbaren Rechten, wovon das Wahlrecht sicherlich als eines der höchsten einzustufen ist. Die Frage, ob man wählen geht, sollte sich also folglich gar nicht erst stellen. Weitaus berechtigter ist dagegen die Frage, wen man wählen soll!
Warum wir links wählen sollten: In politisch unruhigen Zeiten ist Zusammenhalt von essentieller Wichtigkeit! Populisten spalten die Bevölkerung, kontroverse und polarisierende Themen wie Migration, Terrorismus oder der Klimawandel drohen die EU zu zerreissen. Nationalistische Tendenzen scheinen die Oberhand über das Allgemeinwohl zu gewinnen. Doch die Geschichte zeigt, dass große Probleme niemals im Allgemeingang zu bewältigen sind. Besonders in Krisenzeiten ist Solidarität, Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt wichtiger denn je. Zweifellos ist die aktuelle EU reformbedürftig, doch Abschottung ist definitiv der falsche Weg. Wenn jemand ein krankes Kind hat, würde er versuchen, es gesund zu pflegen und es nicht umbringen! Warum verfahren wir bei unserer angeschlagenen EU nicht genauso?
Gemäß der offiziellen Definition, dramatisiert der Populismus die politische Lage, um die Gunst der Massen zu gewinnen. Politisch komplexe Sachverhalte werden auf einfache Erklärungen reduziert, wobei oftmals ein gemeinsames Feindbild ausfindig gemacht wird. Der Populismus arbeitet mit manipulativen Mitteln, liefert scheinbar einfache Antworten. Doch hierbei handelt es sich um leere Versprechungen. Ein rechtes Parlament ist für niemanden wünschenswert. In Deutschland spricht sich die AfD beispielsweise deutlich gegen sämtliche Sozialleistungen aus. Dazu zählt das Arbeitslosengeld oder der Mindestlohn. Ironischerweise würden viele AfD-Wähler unter der Regierung ihrer eigenen Partei enorm leiden, wenn es zu einer solchen käme, betrachtet man die soziale Herkunft großer Teile dieser Wählergruppe. Folglich ist es sinnvoll, sich genauer zu informieren, bevor plakativen, oberflächlichen und von Hass erfüllten Aussagen Glauben geschenkt wird. Bei anderen rechten Parteien in Europa verhält es sich im Übrigen ähnlich! Konstruktives Arbeiten und Lösen von Problemen sieht eindeutig anders aus! Was die Gemeinschaft betrifft, kann auch nur in der Gemeinschaft gelöst werden!
Des Weiteren muss bei der Europwahl bedacht werden, dass, im Gegensatz zu unserer Bundestagswahl, keine Fünf-Prozent-Hürde vorhanden ist, die verhindert, dass Parteien, die diesen Prozentsatz nicht erreichen, in das Parlament einziehen. Aus diesem Grund weist das aktuelle Europäische Parlament beispielsweise gar ein NPD-Mitglied auf.
Bei Betrachtung des Wahlbogens fällt auf, dass viele rechtsextreme Parteien kandidieren. Neben sehr konservativen Parteien wie der AfD, zählen darunter auf die Rechte, der dritte Weg und die NPD. Bei größeren Wahlerfolgen dieser Parteien, wäre eine rechtsextreme Fraktion im Parlament überaus wahrscheinlich, was eine enorme Bedrohung für die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in den europäischen Staaten darstellen würde.
Bei aller berechtigten Kritik an der EU dürfen wir außerdem nicht vergessen, dass wir dieser einiges zu verdanken haben! Wohlstand, internationale Zusammenarbeit und Frieden wurden nur durch die EU gewährleistet! Auf unserem Kontinent herrscht bereits seit über 70 Jahren, seit dem Ende des 2. Weltkriegs, dauerhafter Frieden, die mit Abstand längste Friedensperiode, die jemals auf diesem Kontinent stattgefunden hat. Wer also mit dem beispielsweise von der AfD favorisierten "Dexit" (der Austritt Deutschlands aus der EU, in Anlehnung an den "Brexit") sympathisiert, sollte sich die zuvor beschriebene Tatsache einmal in aller Deutlichkeit vor Augen führen!
Die Rechten treten viele unserer für uns selbstverständlichen Werte, die Privilegien, an denen wir uns erfreuen und für die wir hart kämpfen mussten, mit Füßen! Zahllose Frauen mussten ihre Erfolge in Bezug auf die Frauenrechte mit ihrem Leben bezahlen, verheerende Kriegen wurden auf diesem Kontinent geführt, allen voran die beiden Weltkriege, aber auch der Dreißigjährige-Krieg (1618-1648). Noch heutzutage werden Menschen eingesperrt und gefoltert, ihrer politischen Meinung wegen. Pressefreiheit stellt für viele Menschen auf der Welt eine nahezu unvorstellbare Utopie dar. Diskriminierung ist an der Tagesordnung. Doch das ist nicht Europa! Europa ist Menschenwürde, Freiheit und Zusammenhalt und wir lassen uns diese Privilegien nicht von den Rechten nehmen!
Ich werde niemals irgendjemandem vorschreiben, was er zu wählen hat. Dafür bin ich ein zu überzeugter Verfechter des demokratischen Pluralismus! Mein Vorschlag ist dennoch, weiterhin für die moralischen Werte zu kämpfen, die Europa zu eigen sind und die EU wesentlich ausmachen und diese mit allen Mitteln zu schützen und zu bewahren. Doch diese Schlacht wird nicht mit Gewehren und Panzern ausgetragen, sondern mit Stift und Papier. Wir kämpfen nicht auf einem Schlachtfeld, sondern an der Wahlurne. Gemeinsam, vereinigt gegen den zunehmenden Rechtsruck Europas und für eine freie, demokratische und menschenwürdige Welt, in der wir alle gut und gerne leben können! Also, raus aus den Federn! Tu etwas! Geh am 26. Mai wählen und mache dein Kreuz! Weil deine Stimme zählt!
 

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