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Sehr geehrte Miss Evans,
aufgrund Ihrer bevorstehenden Abschlussprüfung an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei teilt das Ministerium der Zauberei, Abteilung Prüfungsvorbereitung Ihnen hierdurch mit, was Sie nach den Sommerferien erwartet.
Am dreißigsten August wird Ihnen eine Eule ein kleines Paket überbringen. In diesem befindet sich ein Portschlüssel, den Sie nach Erhalt sofort aktivieren. Sie werden in einen leeren Raum reisen, in dem Sie und Ihr Projektpartner aufeinander treffen werden. Auf einem Stück Pergament finden Sie weitere Details zu Ihrer Prüfung, die sämtliche Unterrichtsfächer enthält.
Am einunddreißigsten August werden Sie alle nötigen Vorkehrungen treffen und sich bereithalten. Eine weitere Eule bringt Ihnen alle restlichen Informationen, die Sie wissen müssen.
In der Hoffnung, dass Sie wohlauf sind,
Bronze Fenrin
Leiter der Abteilung für Prüfungsvorbereitungen
Nachdenklich faltete sie den Brief wieder zusammen und schob ihn zurück in den Umschlag, den sie wenige Sekunden später auf den Couchtisch fallen ließ. Mehrere Gedanken kamen ihr in den Sinn, als sie über die geschriebenen Worte nachdachte.
Was für eine Prüfung würde sie denn erwarten? Bisher hatten sie alle Examen in der Schule abgelegt, weswegen sie nicht daraus schlau wurde. Noch nie hatte sie etwas von einem Abteil für Prüfungsvorbereitungen im Zaubereiministerium gehört. Ob es neu war? Wohl kaum, dachte sie und ließ sich auf ihren Lieblingsplatz des Sofas sinken. Die nackten Beine streckte sie aus. Das Ministerium existierte schon seit Jahrhunderten und bestimmt hatte sie von dieser Abteilung bis jetzt noch nichts gehört, weil sie noch nichts damit zu tun gehabt hatte. Die Professoren in Hogwarts erarbeiteten ihre Prüfungen schließlich allesamt selbst.
Sie seufzte und griff nach ihrem Buch, das, mit den geöffneten Seiten nach unten, ebenfalls auf dem Tisch lag. Es handelte über einen Krieg zwischen verschiedenen Drachenarten, der sich, den Angaben nach zu urteilen, irgendwann im späten sechzehnten Jahrhundert in Irland und Großbritannien zugetragen hatte. Auch wenn diese Lektüre sie nur mittelmäßig interessierte, so war es noch besser als das Zeug, das ihre Schwester ihr zu lesen gegeben hatte.
Twilight oder Fifty Shades of Grey. Natürlich hatte sie diese Buchreihen gelesen, doch weder die eine noch die andere Thematik hatte sie sonderlich gefasst. Sie hatte also keinerlei Verständnis für ihre Schwester und ihre merkwürdigen Vorlieben. Zumal es sie auch nicht interessierte, was die Ältere gerne im Schlafzimmer ausübte mit ihrem Verlobten.
Da sie einige Minuten lang dieselbe Seite betrachtete, entschloss sie, das Buch wieder zur Seite zu legen und unter die Dusche zu springen. Seit sie ihre eigene Wohnung hatte, war ihr das auch zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich. Anders als in ihrem Elternhaus. Dort musste sie früh am Morgen oder spätnachts ins Badezimmer gehen, wenn sie wollte, dass sie nicht beobachtet wurde.
Sie kam nicht drum rum, ihren zukünftigen Schwager als Spanner zu bezeichnen, denn, zugegeben, er war genau das! Egal, ob sie in ihrem alten Kinderzimmer war oder im Badezimmer. Sei es nur fürs Zähneputzen oder zum Umziehen. Er folgte ihr auf Schritt und Tritt, doch ihre Schwester schien das nicht wahrzunehmen. Sie hatte bereits mit ihren Eltern darüber gesprochen, doch diese schienen das nur wegzulächeln. Sie mochten ihren baldigen Schwiegersohn und es würde ihnen, ebenso auch ihrer älteren Schwester, nie in den Sinn kommen, er könne schwerwiegende Gedanken hüten.
Das blaugeflieste Badezimmer betretend, schob sie sich den dünnen Pullover über den Kopf und legte ihn unordentlich auf einem Regal ab, das neben der Tür an der Wand hing. Danach zog sie sich die Shorts von den Beinen. Im Spiegel sah ihr eine junge Frau entgegen, deren grüne Augen umrandet waren von dunklen Schatten. Sie musste eindeutig wieder öfters und länger schlafen, bevor die Schule begann. So würde sie die Abschlussprüfungen nie schaffen. Wobei, Abschlussprüfung traf es besser, immerhin war in dem Brief nur von einem Test, der alle Fächer einnahm, die Rede.
Sie wandte sich vom Spiegel ab. Der kleine Lautsprecher, der auf der Waschmaschine stand, fiel ihr ins Auge. Leicht lächelnd kramte sie ihr Telefon aus der Hosentasche, aktivierte es und durchsuchte den Musikordner nach ihrer Lieblingsplaylist. Als sie diese gefunden hatte, drückte sie auf das kleine Abspielsymbol und schon war der kleine Raum erfüllt mit leiser Indie-Musik. Das Handy zurücklegend, seufzte sie und entledigte sich auch noch dem Rest der Kleidung, die sie noch trug. Kurz darauf trat sie unter die Duschbrause, die etwas über ihrem Kopf an der Wand befestigt war. Sie drehte den Knauf der Armatur ein wenig und schon rieselte lauwarmes Wasser auf sie herab.
Das Gesicht dem Wasserstrahl entgegenreckend, strich sie mit ihren Händen leicht an ihren Seiten entlang. Wie gerne hätte sie eine Badewanne. Da könnte sie sich entspannen, während sie ein gutes Buch las. Das Lied wechselte, als sie nach einer Shampoo-Flasche griff und begann, die langen Haare einzuseifen. Dabei wanderten auch ihre Gedanken zurück an die Abschlussprüfung, die ihr noch bevorstand.
Ihr wollte einfach nicht klar werden, was sie und ihre Mitschüler zu erwarten hatten. Noch nie hatte sie gehört, dass es einen Test gab, der sämtliche Fächer umfasste und egal, wie sehr sie hin und her überlegte, ihr wollte nicht einfallen, wie man eine derartige Prüfung auf die Beine stellen konnte. Es mussten die verschiedensten Unterrichtskurse untergebracht werden. Von Verwandlungen bis hin zu Zaubertränke, Pflege magischer Geschöpfe und Arithmantik. Mugglekunde und Geschichte der Zauberei würden hierbei wohl die kleinsten Probleme bereiten, doch natürlich wusste sie, dass sie sich bei diesem Gedanken auch irren konnte.
Erneut wechselte das Lied. Leise, klare Melodien drangen aus dem Lautsprecher an ihr Ohr und veranlassten sie dazu, mitzusingen. Sie sprang leicht im Takt mit, wobei ihre Brüste ebenfalls schwach auf und ab wippten und schüttelte den Kopf, sodass ihr die Haare im Gesicht kleben blieben. Blind tastete sie nach der zweiten Flasche, die auf dem kleinen Regal in der Ecke stand und verteilte etwas auf ihrer Haut. Sie verwischte alles und stellte sich wieder direkt unter den Wasserstrahl, der nach wie vor warmes Wasser herabregnen ließ. Nachdem sie sich die Haare noch ordentlich ausgewaschen hatte, stoppte sie die Wasserzufuhr, langte aus der Dusche raus und griff nach einem Badetuch. Sich abtrocknend, trat sie vorsichtig zurück auf die kalten Fliesen.
Sie konnte gar nicht schnell genug das kleine Badezimmer verlassen, als jemand leise an ihre Tür klopfte. Verwundert darüber, tapste sie auf den alten Holzbrettern zur Wohnungstür, nicht daran denkend, dass sie nur mit einem dünnen Pullover gekleidet war, der nur knapp unter dem Hintern endete. Sie schloss auf, ließ jedoch die Vorhängekette dran. Auch wenn sie hier im von Muggle bewohnten Teil Londons war, so konnte man hier ebenfalls nicht sicher sein. Obwohl sie zaubern konnte, war sie auf der Hut.
Die graue Tür war einen Spalt breit offen und sie lugte durch diesen hindurch. Vor ihr auf dem Flur stand Carter und sah sich, die Hände in den Hosentaschen vergraben, schüchtern um. Sie mochte ihn, das stand außer Frage. Er war ein Muggle und hatte nicht die leiseste Ahnung von ihrem Zweitleben, das sie während der Schulzeit führte. Dass sie weit weg auf einem Internat lebte, war alles, was sie ihm verraten hatte.
„Carter.“
„Oh, Lily“, antwortete er verblüfft und schrak aus seinen Gedanken hoch. Als er sie jedoch erblickte, bildete sich ein Kloß in seinem Hals.
„Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs“, wollte Lily wissen und lächelte dabei kokett. Sie wusste natürlich, wie sie auf Männer wirkte. Auf normale Männer.
„I-ich wollte fragen, ob du Lust hättest, mit ins Kino zu kommen?“
„Natürlich“, sagte sie prompt und ließ die Kette, die die Tür noch versperrte, mit einem unausgesprochenem Zauber verschwinden. „Komm rein!“
Lily trat einige Schritte zurück, ehe Carter eintrat und sie leicht lächelnd musterte. Unter dem dünnen Stoff, den sie trug, zeichneten sich deutlich ihre Rundungen ab. Er konnte nur mit größter Mühe wegsehen, auch als sie vor ihm, leicht springend, ins Wohnzimmer ging. Dort deutete sie die Couch.
„Mach’s dir bequem. Muss mir nur noch eben was anziehen.“
Der Besucher nickte und schluckte dabei. Sie war bildschön. Das stand außer Frage für ihn, doch der Gedanke, dass er niemals eine Chance bei ihr haben würde, quälte ihn tags- als auch nachtsüber. Er hörte, wie sie in ihrem Schlafzimmer mit etwas raschelte, ehe ihre Stimme wieder an seine Ohren drang.
„Welchen Film willst du dir denn ansehen“, wollte sie interessiert wissen.“
„Ach, weißt du, ich dachte, wir könnten das entscheiden, wenn wir dort sind.“
Sie lachte leise, gab ihm jedoch keine Antwort darauf. Carter entdeckte das Buch, welches Lily vorhin noch gelesen hatte, auf der kleinen Ablage unter dem Couchtisch und nahm es hoch. Vollkommen neugierig las er den Titel und stutzte. Drachenkriege. Kriege zwischen Drachen. Ob das ein Fantasyroman ist, dachte er sich und blätterte durch die Seiten. Den Daumen hatte er an jene Stelle gelegt, an der Lily aufgehört hatte, zu lesen.
Als diese zurückkam, zog sie eine Augenbraue nach oben. Bei Merlin! Sie hatte doch ganz vergessen, dieses Buch außer Sichtweite zu bringen. Aber wie hätte sie auch ahnen können, dass Carter heute noch vorbeischauen würde? Eigentlich hatte sie mit einem ruhigen Abend gerechnet, doch der würde jetzt wohl nicht mehr drinnen sein. Carter bemerkte sie und legte das Schriftstück wieder weg. Er lächelte.
„Du siehst echt toll aus.“
Ein breites Lächeln erschien auf ihren Lippen, als er diese Worte sagte. Sie drehte sich leicht hin und her, um ihrem Kleid Schwung zu geben, was Carter leise lachen ließ. Als er aufstand, streckte sie ihm ihre Hand entgegen, die dieser zögernd ergriff. Während Lily noch kurz ins Bad huschte, um sich mittels Zauberei zurecht zu machen und ihr Handy einzustecken, zog sich Carter bereits die Schuhe an, die er zuvor ausgezogen hatte. Einen kurzen Augenblick lang musste er warten, ehe Lily wieder erschien. Als diese sich ebenfalls Jacke und Schuhe übergestreift hatte, verließen sie die Wohnung.
***
„Es ist wirklich schön hier“, entkam es Lily leise, als sie entlang der Themse spazierten.
„Da hast du recht.“
Der Film hatte gute zwei Stunden gedauert. Sie hatten sich für eine Romantikkomödie entschieden, die sowohl sie als auch ihn hatte herzhaft lachen lassen. Zum Schluss hatten sie sich noch in ein kleines Asia-Restaurant gesetzt, wo Carter darauf bestanden hatte, die gesamte Rechnung zu übernehmen. Im Normalfall mochte Lily das nicht, doch heute war sie ausnahmsweise glücklich darüber. So würde ihr noch etwas Geld für diesen Monat bleiben.
Und nun spazierten sie den kleinen Weg entlang, nahe der Waterloo Bridge. Carter hatte sie darum gebeten, ihn nicht dazu zu zwingen, sie alleine nach Hause gehen zu lassen. Lily hatte nach diesen Worten auch schlecht nein sagen können. Er wusste immerhin nicht, dass sie durchaus imstande war, sich selbst zu verteidigen. In den meisten Fällen sogar besser als Muggles.
Der Heimweg zur ihrer Wohnung war nicht besonders weit. Sie hatte das Glück inmitten der City of London zu leben. Ihr Vater hatte ihr dieses kleine Appartement besorgt und sie war froh darüber. Die Lage war toll. Um sie herum hatte sie jede Menge Einkaufsmöglichkeiten und in nur wenigen Minuten war sie auch an der U-Bahn-Station. Das Einzige, das sie störte, war die etwas höhere Miete. Außerhalb der Innenstadt wären die Wohnungen günstiger gewesen, doch solange sie das Geld jeden Monat zusammen bekam, war ihr dieses kleine Manko egal.
Schwach schien das Licht auf den Gehsteig, als sie näher an das Wohnhaus traten. Vor der doppelten Eingangstür blieb Lily stehen und wandte sich zu Carter um, der seine Hände, wie so üblich, wieder in den Hosentaschen vergraben hatte. Er ist süß, dachte sie, als der Wind um ihre Beine wehte und sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Man könnte meinen, Carter wäre einer dieser typischen Bad Boys, wie sie heutzutage an jeder Straßenecke gefunden werden konnten. Alles ließ darauf schließen. Sein Name, sein Aussehen, die Art, wie er sich bewegte. Doch genau das war es, was sie so faszinierte. Die Tatsache, dass er eben nicht so war. Dass er eigentlich schüchtern und zuvorkommend war. Dass er gebildet war.
„Der Abend war wirklich schön.“
„Das war er“, nuschelte Carter leise und sah auf den Boden. Lily hatte ihre Schuhe bereits nach dem Verlassen des Restaurants ausgezogen und trug sie daher in den Händen.
„Vielen Dank, Carter“, erwiderte Lily und beugte sich nach vor. Ihre Lippen berührten ganz kurz seine kühle Wange. Er wollte noch etwas sagen, als sie sich umdrehte und in dem Hausflur verschwand, doch er bekam, wie so oft, kein Wort raus. So wandte er sich einfach um und bog, mit gesenktem Kopf, um die Ecke.
Lily hingegen lief die paar wenigen Stufen nach oben in das Stockwerk, in dem sie wohnte und öffnete die Wohnungstür mit einem gemurmelten Alohomora. Kurz darauf folgte das Licht im Flur, als sie eintrat und den Lichtschalter betätigte. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und sie ließ achtlos ihre Schuhe fallen. Sie wollte das Schlafzimmer betreten und sich für die Nacht umziehen, als sie etwas leise klopfen hörte. Es war jedoch kein normales Klopfen, sondern es klang fast wie eine Eule, die mit dem Schnabel gegen Glas pickte.
Sofort machte sie sich auf ins Wohnzimmer, wo sie bereits den Übeltäter sah. Sie hatte recht, dass es sich um eine Eule handelte. Wobei, streng genommen war es ein Waldkauz, der sie spätnachts noch belästigte. Hastig öffnete sie die Balkontür und ließ den Vogel in die Wohnung. Er zog zwei, drei kleine Kreise und ließ sich dann auf der Lehne des Sofas nieder. Der Brief, den der kleine Kauz dabei hatte, rutschte auf die Sitzfläche, wo ihn Lily aufnahm und öffnete. Während sie das Pergament rauszog, erinnerte sie sich daran, was in dem ersten Brief gestanden hatte, der ihr vom Ministerium zugeschickt wurde. Doch heute war noch nicht der dreißigste August. Bis dahin waren es noch vier Tage.
Den Brief entfaltend, setzte sie sich auf die Couch und griff blind nach der Schüssel voller Kekse, die auf dem kleinen Tisch stand. Sie nahm einen und hielt ihn dem Vogel hin, der genüsslich begann, kleine Stück abzubrechen. Währenddessen begann Lily die Worte zu lesen, die dort geschrieben standen.
Sehr geehrte Miss Evans,
aufgrund Ihrer anstehenden Prüfung bitte ich Sie darum, am dreißigsten August pünktlich nach Erhalt des Portschlüssels in Ihrem ausgewählten Raum anzukommen.
Zusammen mit Ihrem Projektpartner werden Sie von mir Informationen über den Ablauf der Prüfungsphase bekommen. Da Sie und Ihr Partner jedoch zwei der talentiertesten Schüler des diesjährigen Abschlussjahrganges sind, werden auf Sie noch ein paar Extraaufgaben zukommen, die Sie erarbeiten müssen.
In der Hoffnung, dass Sie wohlauf sind
Minerva McGonagall
stellvertretende Schulleiterin von Hogwarts
Sie und ihr Prüfungspartner würden Extraaufgaben erledigen müssen? Waren dies gute oder schlechte Nachrichten? Sie wusste es nicht und ehrlich gesagt, es war ihr in dem jetzigen Moment auch egal. Sie wollte nur noch ins Bett und schlafen. Die Augen fielen ihr beinahe schon zu, deswegen wartete sie darauf, dass der Waldkauz die letzten Krümel verspeiste und wieder davonflog. Als dies geschehen war, machte sie die Balkontür wieder zu und drehte das Licht überall ab. Die Wohnung lag nun in gänzlicher Schwärze da, als sie das Schlafzimmer betrat und die Tür hinter sich schloss.
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