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Moments like this

92
21.06.20 00:34
12 Ab 12 Jahren
Heterosexualität
Fertiggestellt

2 Charaktere

Ren Hakuryuu

Ren Hakuryuu ist der dritte Sohn des ehemaligen Kaisers Ren Hakutoku. Durch einen Brannvorfall wurde er zum vierten Prinz und die linke Hälfte seines Körpers wurde verbrannt. Er besitz zwei Djinns und ist Judars selbstgewählter Königskandidat.

Namenloser Charakter

Das ist ein von mir selbst ausgedachter Charakter.

Er mochte seine Freizeit. Keine Arbeit. Kein Training. Nichts. Einfach nichts.
Er mochte es in dem kleinen Garten hinter dem Haupthause zu sitzen. Nachdem er Kaiser geworden war, nachdem er von Sinbad und dessen Anhängern los gekommen war, nachdem er das Kaiserreich, dass in Trümmern lag, wieder aufgebaut hatte, nach dem ganzen Mist, den er durchleben musste, war er endlich in der Lage sich auszuruhen.
Es war nur für ein paar Minuten, aber jede Sekunde dieser Minuten war wertvoll.
Er war noch jung, weshalb es noch vieles gab, das er noch lernen musste.
Die Generäle, die einst unter seinem Vater dienten, waren verstorben.
Die Soldaten waren ihm gegenüber misstrauisch.
Die Bevölkerung verlangte nach mehr Freiheit.

Momentan war das mehr oder weniger neu gegründete Kaiserreich Kou weder militärisch stark noch stabil.
Es war zwar auch nicht schwach oder komplett instabil, aber dies konnte schneller geschehen als einem lieb war.

Ein leichter Hauch streifte seine Haut.
Er nahm einen Schluck von seinem Tee.
Erdbeertee.
Ihr Lieblingstee.
Ihr?
Sie war seine Verlobte.
Sie war gerade bei ihm.
Saß neben ihm ohne ein Wort von sich zu geben.
Sie sprachen fast nie miteinander.
Da war nichts, worüber sie reden wollten oder sollten.
Die anstehende Hochzeit zwischen ihnen diente nur dazu, um sicher zu stellen, dass er nichts Dummes anstellte.
Ihm war von Anfang an bewusst, dass er unter Beobachtung stehen würde, wenn er gemeinsame Sache mit Sinbad und ihr machte – auch nachdem er sich von Sinbad los gesagt hatte.
Es konnte schlimmer sein. Ihr Land verlange nicht viel von ihm.
Heirate die Prinzessin, akzeptiere ein paar Regeln – Regeln, denen er sowieso mehr oder weniger zustimmte – und starte keinen Krieg, um dein Reich zu vergrößern.
Die Prinzessin war eine gutaussehende, intelligente junge Dame. Sie wusste, wie die Welt funktionierte und war in der Lage ihre Meinung zu äußern, meistens aber mischte sie sich nicht in seine und des Kaiserreichs Angelegenheiten ein.
Er mochte das an ihr.

Er setzte die Teetasse ab und sie legte ihren Kopf auf seine Schultern.
Scheinbar war sie müde.
Langsam strich er mit seinen Fingern durch ihr Haar.
Es war weich.

Er mochte die Momente in dem kleinen Garten hinter dem Haupthaus.
Auch wenn es nur ein paar Minuten waren, jede Sekunde dieser Minuten war wertvoll, weil er ein paar Momente des gegenseitigen Verständnisses und der Akzeptanz mit jemanden, den er kaum kannte, teilen konnte.

Stille.
Er mochte die Stille.
Er mochte sie bis er realisierte, dass sie bedeutete, dass er alleine war.
Da war auch eine Stille, wenn er mit ihr zusammen war, aber es war anders.
Es war eine warme Stille, aber die Stille, die ihn im Augenblick umgab, war kalt.

Es war nur normal, dass sie nicht anwesend war.
Warum sollte sie?
Er arbeitete gerade.
Erfüllte seine Aufgaben als Kaiser.
Sie wollte ihn dabei vermutlich nicht stören.
Oder vielleicht schief sie auch einfach.

Vielleicht sollte er nach ihr sehen.
Sie hatte die letzten Wochen nicht sonderlich gesund ausgesehen.
Ja, Wochen.
Er hatte es ignoriert.
Dachte, dass sie nur einen schlechten Tag hatte, wie jeder andere auch von Zeit zu Zeit.
Später war er so in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er ein Gespräch mit ihr immer weiter hinaus geschoben hatte. Es wurde langsam Zeit, dieses Gespräch nachzuholen.

Mit einem Blick nach draußen, beschloss er, dass es Zeit war ins Bett zugehen.
Sie sollte dort sein.
Hoffentlich.
Manchmal schlief sie nicht im Ehebett, sondern in ihrem Bett und mit „ihrem“ meinte er nicht seine Frau. „Sie“ war die beste Freundin seiner Frau, die sie – seine Frau – als ihre Ehefrau bezeichnete.
Nun, seine Frau war offiziell mit ihm verheiratet. Er war ihr Ehemann, aber inoffiziell hatte sie eine Ehefrau. Es war nur ein Spaß, ein Spiel, aber sie liebte es einfach zu sehr.
Ihn selbst störte es nicht. Dasselbe konnte man über „ihren“ Ehemann sagen. Ja, die Frau seiner Frau war auch verheiratet. „Ihr“ Mann war ein netter und zuvorkommender Mann, der dieses Spielchen schon ein paar Jährchen mitmachte.

Langsam legte er seinen Stift zur Seite und stand auf.
Müde, er war so müde und nahm es erst jetzt wahr.
Vielleicht sollte er besser auf sich selbst achtgeben.

Mehr schlafend als wach, bahnte er sich seinen Weg durch den Palast ins Schlafzimmer, in dem seine Frau hoffentlich auf ihn wartete.
Und sie wartete in der Tat auf ihn.
Gut, das war nicht ganz korrekt. Sie schlief bereits und bemerkte somit nicht, dass er gekommen war.
Leise entledigte er sich seiner Kleidung und zog sich sein Nachtgewand an.
Sein Versuch, ins Bett zu gehen, ohne sie dabei zu wecken, scheiterte jedoch.
Aber er hatte es zumindest versucht.
Nachdem er sie neben sie gelegt hatte, rückte sie näher an ihn heran, um ihn in den Arm nehmen zu können.
Sie war kalt, ihre Haut war blass und sie so unbeschreiblich müde und traurig aus.
Sein Herz schmerzte bei ihrem bloßen Anblick.
Es war seine Schuld, dass sie in diesem Zustand war! Er hätte sich besser um sie kümmern müssen! Es war seine Schuld!

Sachte legte er seine Arme um sie.
Ein sanfter Kuss fand seinen Weg auf ihre Stirn.
Mit gedämpfter Stimme flüsterte er ihr ins Ohr, wie sehr er sie liebte. Hoffte, dass sie ihm glaubte – er könnte es verstehen, wenn sie es nicht täte.

Um ehrlich zu sein, mochte er Momente, wie diesen, weil sie ihm das Gefühl gaben, dass sie – seine Frau und er – sich näher kamen, dass sie ihn so sehr liebte, wie er sie inzwischen liebte. Die Kälte in ihm wich für eine kurze Zeit und ließ ihn die Wärmer ihres Körpers und ihrer Liebe spüren.
Momente, wie dieser, fühlten sich am nächsten Tag so surreal an, dass er sich manchmal fragte, ob sie überhaupt wirklich geschehen waren. Er mochte Momente, wie diesen, weil es ihre Momente waren. Nur ihre!

Auf der anderen Seite, mochte er sich aber auch nicht, weil diese Momente bedeuteten, dass seine Frau nicht in Ordnung war!
Sie war traurig!
Sie war fertig!
Und er hatte sich nicht um sie gesorgt, bis es zu spät war!
Bis sie in diesem Zustand war!
Er war sein schrecklicher Ehemann!

Momente, wie dieser, ließen ihn begreifen, dass er noch so vieles über das Leben, am Leben zu sein, ein Ehemann zu sein, ein Mensch zu sein und Verantwortung für andere zu haben zu lernen hatte.

Manchmal blieb sie bei ihm, wenn er arbeitete. Anfangs hatte es ihn abgelenkt, da sie die meiste Zeit im Sessel am Ende des Raumes saß und ihn beobachtete. Nun, zumindest sah es so aus. Wenn er sie ansprach, schien es jedes Mal, als würde sie aus einem Traum erwachen.
Trotzdem war es nicht sonderlich komfortable – im Gegenteil es war sogar reichlich unbehaglich.

Manchmal, wenn sie bei ihm blieb, las sie die Schriftrollen, die überall herum lagen. Anfangs hatte er sie dabei beobachtet und fand es sogar sehr interessant von Zeit zu Zeit. Die Art und Weise, wie sie da saß, wie sich ihre Mimik änderte, wie sie die Schriftrolle hielt, wie sie Löcher in die Luft starrte, wenn sie über etwas nachdachte, waren wahrlich interessant zu beobachten.

Inzwischen war all das mehr oder weniger normal. Sie tat ihr Ding und er tat seines.
Heute war einer der Tage an denen sie ihm beim Arbeiten zusah. Es störte ihn nicht mehr. Es störte ihn zumindest solange nicht bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie plötzlich vor seinem Tisch stand und aussah, als wolle sie mit ihm reden. Vielleicht interessierte sie aber auch nur für seine Arbeit?
Mittlerweile kannte er sie soweit, dass es sicher war anzunehmen, dass sie wohl nur reden wollte. Politik interessierte sie nur bedingt. Es war nur nervig und stressig für sie und sie konnte nicht gut mit Stress umgehen. Ihre Energie war ziemlich schnell aufgebraucht. Außerdem konnte sie sich nicht lange konzentrieren. Er hatte gelernt mit all dem umzugehen.

Er legte seinen Stift zur Seite und sah zu ihr auf. Sie sahen sich in die Augen bis sich seine Frau entschied, dass sie sich auf seinen Schoß setzten wollte und auch genau das dann tat.
Während sie auf seinem Schoß saß, erzählte er ihr von seiner Arbeit, da er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Sie hörte ihm aufmerksam zu bis es ihr zu viel wurde. Sie mochte reden meistens nicht. Manchmal störte es sie nicht, wie viel jemand sagte, aber meistens war sie schon total genervt, wenn jemand mehr als zehn Sätze von sich gab – nicht das er sie Sätze wirklich gezählt hätte.

Es gab viele Dinge, die er noch an ihr verstehen und auf die er aufpassen musste. Und es gab so viele Ausnahmen zu den Regeln, die er dachte herausgefunden zu haben. Vielleicht brauchte man mehr als ein Leben, um sie vollständig zu verstehen und sie glücklich zu machen. Er wusste nicht, ob er die Chance erhalten würde, mehr als ein Leben mit ihr zu verbringen. Daher konnte er nur jetzt sein bestes versuchen und alles so perfekt wie möglich für sie gestalten.

Einige Leute fragten ihn, was sie für ihn im Gegenzug tat. Als Antwortet konnte er immer nur schweigend zurück starren. Nicht weil er keine Antwort hatte, sondern weil er nicht die richtigen Worte fand, um diese akkurat zu formulieren. Sie gab ihm eine Familie, ein Zuhause, einen Ort, an dem er sein konnte wie er war ohne verurteilt zu werden. Sie gab ihm eine Wärme, die von Innen kam. Sie gab ihm ein Lächeln, eine Zukunft. Sie verstand ihn und würde bis zum Schluss an seiner Seite bleiben. All diese Dinge waren sehr simpel und waren natürlich für die meistens Menschen um ihn herum, aber für ihn waren diese Sachen, Dinge, die er im Feuer, das ihm alles genommen hatte, verloren hatte.

Manchmal fragte er sich, was seine Brüder über seine Frau denken würden. Würde sie sie mögen? Was war mit seinem Vater?
Fragen auf die er niemals eine Antwort erhalten würde, aber das war schon in Ordnung. Sie waren nicht mehr hier, aber er war es und er musste voran schreiten. Zusammen mit ihr!

Nach ihrer kleinen Kuscheleinheit arbeitete es sich schon viel leichter. Er war danach ruhiger und konnte sich besser auf seine Arbeit konzentrieren. Vielleicht weil es ihn daran erinnerte, für was er all diesen Papierkram überhaupt machte. Die Bürger seines Kaiserreiches wollten alle das gleiche – mehr oder weniger zumindest – wie er. Sie alle wollten ein friedliches Leben zusammen mit ihren Liebsten. Seine Aufgabe war es ein derartiges Leben zu ermöglichen.

Es war einfach derart simple Aspekte zu vergessen, wenn alles was man vor sich sah, ein weißes Papier mit leblosen Wörtern über ein Thema, das einen selbst nicht direkt beeinflusste, war. Die Frage, warum man tat, was man tat, kam einen dabei mehr als nur einmal in den Sinn. Jemanden zu haben, der einen an die Bedeutung dieser leblosen Worte erinnerte, war unglaublich wichtig. Für ihn war dieser Erinnerung besonders wichtig. Das Leben hasste ihn und er hatte das Leben gehasst – bis er gelernt hatte, dass es auch andere Seiten daran gab –, aber das sollte nicht seine Arbeit beeinflussen! Er liebte sie dafür, dass sie seine Erinnerung daran war.

Er konnte sich an ihre Hochzeitsnacht erinnern, als wäre es erst gestern gewesen.
Die gesamte Hochzeit war reiner Stress für ihn und seine Frau gewesen, aber sie hatten da durch gemusst. Zum Glück hatten sie es geschafft von der Feier zu flüchten. Ja, sie waren von ihrer eigenen Hochzeitsfeier abgehauen. Beide mochten keine Feiern. Der Lärm, die betrunkenen Leute, die grellen Lichter, alles war irgendwie zu viel gewesen.
Sie hatten beschlossen eine kleine Pause von alle dem, in einem der kleinen Innengärten des Palastes, zu nehmen und die Sterne zu betrachten. Auch wenn sie nicht viel miteinander gesprochen hatten, war es sehr schön gewesen. Sie hatten die Stille gebraucht.

Einer ihrer Untergebenen hatte sie wieder auf die Hochzeit zurückgebracht, bevor noch jemand Wichtiges mitbekommen konnte, dass sie verschwunden waren. Die Feier war zu diesem Zeitpunkt aber sowieso schon fast vorbei gewesen.
Er hatte nie herausgefunden, wie ihr Untergebener sie so schnell gefunden hatte, aber schlussendlich war es auch nicht von belangen. Seine Frau war ein wenig seltsam und so waren auch ihre Begleiter.
Ein geflüchtetes Liebespärchen zu finden war sicherlich ein Kinderspiel für sie.

Die Hochzeitsnacht war für beide unangenehm gewesen. Hakuryuu war weit davon entfernt naive oder dumm zu sein, daher wusste er, was jeder nun von ihnen erwartete. Eine Hochzeit, ein Vertrag, eine Feier, eine Hochzeitsnacht. Und hoffentlich bald auch die Geburt eines Kronprinzen
Es war eine Tradition im Kaiserreich Kou, dass ein Prinz, sobald er vierzehn Jahre alt wurde, nachts Besuch von Konkubinen bekam. Glücklicherweise musste er das nie durchmachen, da er dafür im Rang zu niedrig war, aber jetzt musste er mehr oder weniger das tun, was ihm all die Jahre erspart geblieben war. Das war, was jeder von ihm erwartete – und von ihr. Das war, was sie tun mussten, da sie nun Kaiser und Kaiserin waren.
Es war ein Teil der Hochzeit. Ohne die Hochzeitsnacht war es keine richtige Ehe, oder?

Es war unsäglich peinlich gewesen, als sie sich beide vor dem Bett gegenübergestanden – sie auf der einen Seite, er auf der anderen – und schweigend herabgesehen hatten, nicht wissend, was sie nun sagen oder tun sollten. Sie hatten Augenkontakt vermieden.
Schlussendlich war es sie gewesen, die die Stille durchbrochen hatte.
Nachdem sie im Badezimmer verschwunden war, hatte er sich auf das Ehebett gesetzt und in die Luft gestarrt.
Beide wussten, was bald kommen würde. Beide wussten, was sie rein theoretisch zu tun hatten.
Er hatte zuvor noch nie Sex gehabt und er war sich sicher, dass das gleiche auch auf seine Frau zu traf. Zwar wusste er nicht, wie es in anderen Ländern ablief, aber war es nicht überall das gleiche für Prinzessinnen? Kein Sex vor der Ehe! Nun, Sindria mochte da vielleicht eine Ausnahme sein, aber sie war nicht die Prinzessin von Sindria.

Nach Stunden – es hatte sich zumindest wie Stunden angefühlt – verließ sie das Badezimmer wieder. Er war nun an der Reihe und er nahm sich reichlich Zeit. Seine Gedanken waren ganz woanders.
Was zur Hölle sollte er jetzt machen?
Wie sollte er anfangen?
Sollte er etwas sagen?
Was wenn sie seinen Narben abstoßend fand?
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nur die Narbe in seinem Gesicht gesehen.
Was sollte er machen, wenn sie von ihm angewidert war?
So viele Gedanken ohne Antworten.
Damals hatten sie ihn fast um den Verstand gebracht, heute wusste er, dass es seiner Frau egal war, wie viele Narben er hatte oder nicht.
Für sie war er die schönste Person – nach ihrer selbsternannten Ehefrau natürlich – der Welt!

Als er wieder ins Schlafzimmer zurückgekehrt war, hatte sie sich bereits ins Bett gelegt. Sie schlief nicht und gaukelte es auch nicht vor, sie hatte sah ihn einfach nur angesehen. Er hatte sich neben sie gelegt. Und dann war das wieder die Stille gewesen, aber dieses Mal war es eine unangenehme, unruhige Stille gewesen.
Sie brauchten Stunden um endlich einzuschlafen. In diesen Stunden hatten sie nicht gesprochen und nicht einmal gewagt sich auch nur im Geringsten zu bewegen.

Im Gedanken hatte er versucht einen Plan zu schmieden, was er tun sollte. Doch jedes Mal, wenn er dachte, dass er jetzt bereit wäre, seinen Plan umzusetzen, hielt ihn etwas in seinem Inneren davon ab. Irgendetwas in ihm, sagte ihm, dass er ihr nicht zu nahe kommen sollte, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Irgendetwas in ihm, sagte ihm, dass er einfach nur neben ihr lieben bleiben und sich darüber freuen sollte. Er mochte dieses „etwas“.
Er hoffe, dass dieses „etwas“ auch zu ihr sprach – er hatte ihr nie davon erzählt, weil es ihm zu peinlich war.

Der nächste Morgen begann genauso unbehaglich, wie der vorherige Tag geendet hatte, aber am Ende des neuen Tages hatten sie beide herausgefunden, dass es für sie beide mehr als nur in Ordnung war, keinen Sex miteinander zu haben.
Und es musste auch kein anderer wissen, was in der vorherigen Nacht passiert oder besser gesagt nicht passiert war – und niemals passieren würde.

Ihre Hochzeitsnacht verewigte sich in der Geschichtsschreibung – seiner Geschichtsschreibung – als die wohl unbehaglichste und peinlichste seines – noch – jungen Lebens!

Es war nicht ungewöhnlich, dass er während seiner Arbeit den Arbeitsplatz wechseln musste. Meistens erledigter seine Arbeiten in seinem Arbeitszimmer, aber manchmal musste er auch Sachen nachschlagen oder etwas Wichtiges kam auf, das ihn nötigte sein Büro zu verlassen.
Er war nie wirklich in Eile, selbst wenn es eine dringende Angelegenheit war. Zu Beginn seiner Zeit als Kaiser dachte er, dass er alles sofort erledigen musste, aber jetzt wusste er, dass Hetzen nicht zu besseren oder schnelleren Resultaten führten. Ruhig bleiben war eines der ersten Dinge, die er zu lernen hatte und es war eines der ersten Dinge, die ihm seine Frau beibrachte – aus seiner Sicht war sie ein wenig zu ruhig, aber das war nur seine Meinung.
Etwas anderes, das er erst lernen musste – wieder erlernen musste –, war anderen zu vertrauen.
Seit des Feuers hatte er alles Vertrauen in andere – nur seine Schwester war eine Ausnahme – verloren, was dazu führte, dass er seine Augen nicht mehr schließen konnte. Es kostete ihn viel Zeit bis er in der Lage war ein zu schlafen und seine Augen in Gegenwart anderer zu schließen war für eine noch viel längere Zeit unmöglich – auch wenn es schien als wäre er allein. Es wurde über die Jahre ein wenig besser.

Es war nicht hilfreichen, wenn der Kaiser seinen Dienern und Untergebenen nicht traute. Und es war nicht hilfreich, wenn die Leute ihrem Kaiser nicht trauten. Die meisten von ihnen benahmen sich, als wäre alles in Ordnung. Für ein paar war auch wirklich alles in Ordnung, weil es sie nicht interessierte, wer regierte, solange sie ihr Leben wie bisher weiterführen können. Hakuryuu aber wusste, dass es noch immer die gab, die nicht glaubten, was damals passiert war und seine Worte für Lügen hielten.
In seinen schwachen Momenten überkam ihn Hass und Wut und er wünschte, dass diese Leute sterben würden, aber er hatte sich selbst unter Kontrolle. Er kannte jetzt besser Wege, um seine Gefühle und Gedanken auszudrücken – und jetzt hatte er auch jemanden, der ihm zuhörte und verstand; zumindest hoffte er das.
Es war ein weiter Weg von einer Heulsuse zum Kaiser gewesen und er hatte noch einen langen Weg vor sich. Wenn er voran schritt, würde er Dinge sehen, die er beim ersten Mal nicht sehen konnte.

Heute war einer der wärmeren Tage im Kaiserreich.
Der Palast war ein Ort an dem man sich leicht verlaufen konnte, selbst Leute, die ihr ganzes Leben hier braucht hatten, konnten sich verlaufen. Als kleines Kind war er relativ oft verloren gegangen, weshalb er sich an seine Schwester und Diener klammerte und nicht alleine herum lief. Wenn seine Brüder Zuhause waren, folgte er ihn solange bis sie ihn wegschickten. Nach dem großen Feuer ging er ebenso oft im Palast verloren, aber jetzt war niemand mehr da, um ihm den Weg zurück zu zeigen – er war nicht mehr wichtig genug –, weshalb er anfing den Palast unfreiwillig zu erkunden. Dabei fand er Judars Versteck.
Aber all diese Dinge waren nun Vergangenheit. Er musste sich auf die Zukunft konzentrieren und für diese Zukunft hatte er eine Menge Arbeit zu erledigen.

Wenn er seinen Arbeitsplatz wechseln musste, weil er beispielsweise eine Schriftrolle aus der Bibliothek benötigte, mochte er es ein paar Pausen einzulegen – zumindest wenn die Sonne schien. Das Kaiserreich Kou war weder ein warmer noch kalter Ort, aber das Wetter tendierte dazu eher kalt als warm zu sein, deshalb versuchte er so viel Sonnenlicht abzubekommen, wie nur möglich. Außerdem hatte er, seitdem er Kaiser geworden ist, nicht mehr viele Gelegenheiten nach Draußen zu gehen. Leider erledigte sich der Papierkram nicht von selbst.
Als Kind hatte er fast den gesamten Tag draußen gespielt – oder besser gesagt, er trainierte um eines Tages ein nützlicher Soldat für das Kaiserreich zu sein.
Jetzt nahm er die Chance war, sich von der Sonne aufwärmen zu lassen. Meistens fing er dabei an sich an seine Kindheit zu erinnern und er erinnerte sich an seine Brüder, seine Schwester und seine Mutter – aber an sie zu denken schmerzte ihn, weil er sie so sehr geliebt hatte und sie hatte ihn betrogen.
Die Vergangenheit war die Vergangenheit und er konnte die alten Zeiten nicht zurückholen, aber er konnte versuchen derart schöne Erinnerungen den Leuten seines Reiches zu schenken. Er hatte eine wunderschöne Kindheit gehabt bis das Feuer ausbrach und er wollte, dass die Bevölkerung ebenfalls so schöne Erinnerungen sammeln konnte – ohne ein Feuer, das alles vernichtete.
Keiner sollte jemanden, der ihm wichtig war, wegen eines Kriegs, wegen Intrigen, wegen einer Organisation wie Al-Thamen, verlieren.
Er würde dafür sorgen, dass seine Leute einen Job hatten, ein Haus, Geld und Zeit für ihre Familie. Er wusste, dass er einen langen Weg vor sich hatte bis sein Traum wahr wurde – Sinbads neu erschaffene Welt verursachte seinem Reich eine Menge Probleme, aber Probleme gab es um gelöst zu werden – und dafür musste er selbst noch einiges lernen.

Er mochte warme Tage voller Sonnenschein, weil es ihn an seine Kindheit erinnerte und daran, dass er einst an eine Welt ohne Krieg, Hass und Eifersucht geglaubt hatte. Er hatte einst an eine Welt voller Liebe, Sonnenschein und Glücksehelichkeit geglaubt.

Im Garten zu sitzen und Blumen zu pflücken war etwas, das sie tat, nicht weil sie es mochte, sondern weil sie sich langweilte. Außerdem war es nicht so als würde sie die Blumen gewollte und bewusst pflücken. Eigentlich saß sie im Gras, sah in den Himmel und riss Blumen, Gras und Unkraut gleichermaßen aus.
Während sie hier saß, dachte sie an alles und nichts.
Sie dachte an ihre Vergangenheit, sie dachte an die Gegenwart, an ihren Ehemann und sie dachte an die Zukunft.
Das Kaiserreich Kou hatte schwer unter den neuen Gesetzen und Gegebenheiten zu leiden, aber es waren friedliche Zeiten. Doch sie wusste, dass diese Zeit nicht für ewig anhalten würde. Friedliche Zeiten waren selten und kurz, deshalb entschied sie sich die Zeit, in der nichts Schlechtes passierte, zu genießen.

Als sie das erste Mal in das Kaiserreich kam, war sie nicht erfreut. Sie mochte weder das Land noch dessen Bevölkerung.

Den neuen Kaiser zu treffen fühlte sich seltsam an. Er war anders als sie erwartet hatte, auch wenn Sinbad ihr schon ein paar Dinge über Hakuryuu verraten hatte. Nicht das sie irgendetwas Schlechtes erwartet hatte, es war halt einfach nur anders.

Wenn sie an die Zukunft dachte, wünschte sie sich mehr friedvolle Zeiten. Sie hoffte für sich selbst und Hakuryuu, dass sei zumindest einmal Freunde werden konnten.
Neben ihm zu schlafen war unangenehm. Ein Gespräch mit ihm zu starten war auch nicht so leicht. Meistens redete sie einfach darauf los, aber es fühlte sich falsch an, insbesondere weil sie auch über sehr persönliche Dinge sprach, aber sie wollte ihn besser kennenlernen und Etwas verändern.
Was genau sie ändern wollte stand noch in den Sternen, aber sie war der Meinung, dass sie etwas verändern musste.
Hakuryuu war unglücklich, aber sie wollte, dass er glücklich war. Er verdiente es glücklich zu sein. Sie wollte ihrem Mann und dessen Cousine Kougyoku Freude bringen.
Sie mochte das andere Mädchen vom ersten Augenblick an, auch wenn sie nicht mit Kougyokus Sichtweise im Bezug auf das Kaiserreich und die kaiserliche Familie übereinstimmte – aber das war ein anderes Thema.

Wenn sie ihm Palastgarten saß und über alles und nichts nachdachte, dachte sie daran, dass die Welt doch sehr seltsam war, dass am Lebensein seltsam war und sie fragte sich, was der Grund für all ihre Existenz war.
Schlussendlich stand sie aber immer auf und ging in die Küche um etwas Süßes für sich und ihre neue Familie zu backen. Sie liebte backen und sie liebte ihre neue Familie – auch wenn es sich noch immer seltsam, unrealistisch und gezwungen anfühlte, aber was nicht war konnte ja noch werden.
Alles was sie sich wünschte, war ein Teil einer großen Familie zu sein. Doch dafür musste sie sich selbst erst einmal ändern. Hakuryuu tat bereits sein bestes für sie beide, obwohl er sie nicht liebte und zur Hochzeit mit ihr gezwungen worden war. Sie musste auch ihr Bestes geben!

Jedes Mal, wenn sie ihm Garten saß und Blumen sowie Unkraut gleichermaßen ausriss, entschied sie, nicht aufzugeben und stattdessen ihr Bestes zu geben – dieser Welt und ihren Bewohnern eine zweite Chance zu geben.

Normalerweise schliefen er und seine Frau in getrennten Betten, in verschiedenen Schlafzimmern. Ihre Hochzeit basierte nicht auf Liebe, sondern auf politischer Notwendigkeit. Nach ihrer Hochzeitsnacht hatten sie beschlossen, dass es das Beste für sie beide wäre, wenn jeder sein eigenes Schlafzimmer hatte. Seine Frau liebte ihre Freiheit und brauchte Platz für sich selbst und er war nicht anders in dieser Hinsicht. Später hatten sie dann hin und wieder eine Nacht zusammen verbracht und waren dabei nebeneinander eingeschlafen und am nächsten Tag in einer Umarmung aufgewacht. Sie gewöhnten sich aneinander. Ihre Gefühle für einander wuchsen langsam von einem „Ich komme mit dieser Person klar“ zu einem „Ich mag den anderen“ heran. Damals dachte er, es wäre großartig, wenn sie eines Tages Freunde sein könnten.

Der Grund warum sie beschlossen, ein Bett zu teilen, war immer unterschiedlich. Manchmal weil sie einfach zu faul waren in ihr eigenes Bett zurückzukehren und manchmal weil sie einfach die Nacht nicht alleine verbringen wollten.
Wenn sie eine Nacht gemeinsam verbrachten, wachte er oftmals in ihren Armen auf.
Sein Kopf ruhte auf ihrer Brust. Anfangs hatte er sich dafür geschämt. Er sollte derartiges nicht tun! Deshalb rückte er von ihr ab und fühlte sich schlecht. Sie unterdessen schlief und bekam von dem „Verbrechen“ nichts mit. Er sollte es ihr sagen und sich entschuldigen, aber er tat es nicht. Eines Tages als er aufwachte und versuchte von ihr abzurücken, hielt sie ihn auf. Sie fragte ihn, ob er sich unwohl fühlte. Sie fragte ihn, ob er nicht so liegen bleiben wollte. Sie sagte ihm, dass sie keine Probleme damit hatte.
Und so blieb er liegen. Er fühlte sich wohl bei ihr. Sie war warm. Er konnte ihren Herzschlag hören. Sie strich ihm sanft durch das Haar. Sie roch immer so gut! Manchmal summte sie auch eine Melodie. Er liebte es.

Momente wie dieser, in dem er in ihren Armen lag und sein Kopf auf ihrer Brust ruhte, ließen ihn sich wohl und sicher fühlen. Es erinnerte ihn an eine Zeit, in der noch alles in Ordnung war. Sein Vater und seine Brüder waren noch am Leben. Seine Mutter liebte ihn – oder zumindest dachte er damals, dass sie ihn liebte – und alles war einfach in Ordnung. In der Zukunft würde er seinen Brüdern dabei helfen eine Welt ohne Krieg zu schaffen – ein Traum dem er jetzt widersprach. Er wollte eine Welt ohne Krieg, aber nicht mit den Mitteln seines Vaters und seiner Brüder – es war die Art und Weise, wie sie ihr Ziel erreichen wollten, mit der er jetzt nicht mehr einverstanden war.

Wenn sein Vater nicht im Palast war, schlich er sich manchmal in das Schlafzimmer seiner Eltern und legte sich neben seine Mutter. Er kuschelte sich dann immer an sie und sie strich ihm sanft durchs Haar und fragte, was soll sei.
Früher hatte er manchmal davon geträumt, dass seine Brüder und sein Vater auf dem Schlachtfeld verstarben oder von Assassinen getötet wurden. Er wusste, dass diese Träume bloß Träume waren – er wusste das sogar schon als er sie hatte –, aber sie flößten ihm dennoch Angst ein – wenn er gewusst hätte, dass einer dieser Träume eines Tages Realität werden würde …
Seine Mutter sagte ihm immer, dass diese Träume nicht echt waren und dass seiner Familie nichts Schlimmes widerfahren würde. Er hatte ihre Lügen geglaubt.
Ab und zu schloss sich ihnen seine ältere Schwester Hakuei im Bett an.
Er hatte sich damals sicher, geliebt und glücklich gefühlt.

Von Zeit zu Zeit war er auch zu seinen Brüdern ins Schlafzimmer geschlichen. Hakuyuu gefiel das nicht so sehr, da Hakuryuu ja schon alt genug war alleine zu schlafen, aber er schickte seinen kleinen Bruder auch nicht weg oder sagte irgendwas dazu – Hakuryuu war sich sicher, dass Hakuyuu es eigentlich mochte. Hakuren auf der anderen Seite war immer froh über den Besuch seines kleinen Bruders. Eines Nachts hatten Hakuryuu und seine restlichen Geschwister all bei Hakuyuu im Bett geschlafen – der Grund warum sie alle überhaupt reingepasst hatten, war Hakuei und seine nicht vorhandene Größe.
Die Erinnerungen an seine Familie ließ ihn sich gut fühlen, gleichzeitig machten sie ihn aber auch traurig. Es war alles vorbei. Sein Vater war tot. Seine Brüder waren tot. Seine Mutter war tot – und er hatte begreifen müssen, dass sie ihn immer nur angelogen hatte und nicht Person gewesen war, die er dachte, dass sie gewesen sei. Daher schmerzte ihn auch nicht ihr Tod, sondern die Tatsache, dass alles eine Lüge gewesen war. Ein großer Teil seines friedlichen Lebens war eine Lüge gewesen!

Nichtsdestotrotz machten ihn die Momente, in denen er in den Armen seiner Frau lag mit seinem Kopf auf ihrer Brust und ihrem Herzschlag lauschte, glücklich. Ein Teil war trotzdem um diese Erinnerungen an die Vergangenheit froh – auch wenn ein anderer Teil ihm sagte, dass sie nur Lügen waren.

Solche Momente erinnerten ihn an Liebe, die Wärmer eine Familie und die Freuden, die sie bringen konnte. Die Freude, wenn jemand, den man liebte wieder nach Hause kam. Die Freude in der Lage zu sein mit ihnen zu reden und zu berühren – eine Freude, die man erst dann wahrnahm, wenn es nicht mehr möglich war genau all das zu tun.
Seine Frau ermöglichte es ihm all diese Gefühle wieder zu spüren und ließ ihn in eine Mischung aus Träumen und Erinnerungen eintauchen – ein Ort an dem alles so war, wie es ein sollte, unabhängig von Wahrheit und Lüge.

Irgendwann in ihrer Ehe fing er an sich auf die gemeinsamen Nächte zu freuen – er freute sich darauf die Nacht mit ihr zu verbringen und an sie gekuschelt aufzuwachen. Sie ließ ihn von einer strahlenden Zukunft träumen mit ihr an seiner Seite.

Momente, wie dieser, ließen ihn zur Ruhe kommen.

Hakuryuu hatte es schon immer gemocht, Tee zu trinken. Er mochte Tee bereits als Kind, während andere Kinder süße Getränke bevorzugten. Jetzt liebte er Tee trinken noch immer. Er liebte es, den Tee seiner Frau zu trinken, den sie selbst herstellte. Sie hatte sogar Pfirsichtee für Judar hergestellt, der aber niemals zugeben würde, dass er nicht genug von diesem bekommen konnte.
Seine Frau hatte verschiedene Teesorten für unterschiedliche Situationen. Ein Tee um morgens wach zu werden, einen für den Tag, um ruhig zu bleiben und Energie wieder herzustellen sowie ein Tee für den Abend, um zu entspannen und einen guten Schlaf zu haben. Hakuryuu trank oft einen ihrer Tees um wieder runter zu kommen, nicht nur unterm Tag, sondern auch am Morgen und Abend. Viele Dinge waren nach dem Bürgerkrieg schief gegangen und es gab noch viele Dinge, die schief gehen konnten und schief gingen. Aber anders als zuvor war er jetzt nicht mehr alleine und er hatte den Tee seiner Frau, um seine Nerven zu beruhigen und um einen kühlen Kopf zu bewahren.
Der beste Moment, um eine Tasse Honig-Minz-Tee – sein Favorit – zu trinken, waren Tage, an denen die Welt da draußen, kalt waren, es vielleicht sogar regnete oder schneite, während er drinnen, wo es warm und gemütlich war, saß. Es gab ihm ein seltsames Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit, Normalität und Frieden. Für ein paar Augenblicke vergaß er all die grausamen Dinge, zu der diese Welt fähig war.

Als Hakuryuu zu ersten Mal den Honig-Minz-Tee seiner Frau probierte, war er skeptisch gewesen. Der Gedanke, Minze mit Honig zu kombinieren, war komisch und irgendwie absurd gewesen. Aber nach ein paar Schlucken war er hellauf begeistert gewesen.
Wann auch immer er eine Pause von seiner Arbeit brauchte, nahm er seine Tasse voller Tee, machte es sich bequem und begann langsam seine Teetasse zu leeren, während er aus dem Fenster sah. Er liebte solche Momente. Komischerweise kam just in solchen Augenblicken gerne seine Frau vorbei und bat um ein paar Minuten seiner Aufmerksamkeit, in denen sie ihm von all den Dingen erzählte, die sie beschäftigten oder glücklich machten. Wenn er ihren ersten Besuch mit ihren späteren verglich, sah er, dass sie zu Beginn sich oft über das Kaiserreiche sowie die Art und Weise, wie die Bevölkerung behandelt worden war, beschwerte und wie Hakuryuu das alles zu ändern hatte – sie hatten sich oft über dieses Thema gestritten.
Anschließend freute sie sich über all die Veränderungen, nur um anzufangen sich um Sinbad und dessen Machenschaften zu sorgen, die ihre Mühen zunichtemachen konnten. Er wollte zu vieles zu schnell, hatte sie oft gesagt. Hakuryuu hatte zugestimmt. Seit der Ermordung seiner Familie dachte er anders als der Rest seiner noch verbleibenden Familie und er begann andere Ziele und Einstellungen zu haben. Aber auch für ihn waren all die plötzlichen Veränderungen zu viel. Etwas, das dir seit deiner Geburt eingebläut wurde, konnte man nicht einfach über Nacht verlernen, vergessen oder ersetzen. Leider konnte Hakuryuu aber nichts tun. Er konnte sich Sinbad nicht widersetzen, weder mit Waffengewalt – und Hakuryuu wollte es auch gar nicht auf diese Weise – noch anderweitig. Trotz der Allianz zwischen Sinbad und dem Land seiner Frau, war es sie, die ihre Gedanken über Sinbad zuerst preis gab und dabei auch kein Blatt vor den Mund nahm, was ihn durchaus überraschte. Sollte sie als Verbündete Sinbads nicht auch so denken wie er? Auf der anderen Seite, der König Kinas war auch nicht begeistert von Sinbad und war dennoch ein Teil der früheren „Allianz der Sieben Meere“.

Hakuryuu brauchte eine Weile um seine Frau besser zu verstehen, was nicht sonderlich überraschend war in Anbetracht der Umstände, unter denen ihre Ehe geschlossen worden war. Vor ihrer Hochzeit hatten sie auch kaum Zeit sich wirklich kennenzulernen. Daher nutze er die Zeit, in der er seinen Tee trank, um über seine Frau nachzudenken. Zuerst dachte er, dass er das nur tat, weil er so wenig über sie wusste, aber nachdem er sie besser kennengelernt hatte und länger mit ihr verheiratet war, dachte er auch weiterhin an sie, während seiner Teepausen.
Einmal hatte er sich überlegt, dass seine Frau wohl ein Tee sein würde, wenn wäre sie ein Getränk. Tee war einfach, bloß heißes Wasser und Kräuter. Sie war einfach. Zu einfach für manche Leute. Er war einer dieser Leute gewesen. Es war so einfach sie glücklich oder traurig zu machen. Sie mochte es warm und flauschig; sie mochte keine gekochtes Gemüse und stark gewürztes Essen; mochte warme Farben und Süßigkeiten; mochte kein kaltes Wetter; mochte Geschenke, aber keine Überraschungen, dafür aber Komplimente über Leute, die sie liebte und mochte es nicht übersehen, herabgesetzt oder nicht ernst genommen zu werden. Sie mochte schöne Menschen und Dinge; mochte keine Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Vorurteile. Sie war so normal und einfach, so wie das heiße Wasser des Tees.
Und dann waren da noch die Kräuter. Das Gemüse, dass sie niemals essen würde ohne es vorher zu kochen und das Essen, das scharf sein musste. Dinge mit denen sie überrascht werden wollte. Ihre Definition von Schönheit. Wie manche Sachen kalt sein mussten – egal ob Essen oder das Wetter zu bestimmten Zeiten – oder wie sie manchmal meinte, dass Menschen nur lernten, was Ungerechtigkeit bedeutete und was falsch war, wenn sie selbst mit Ungerechtigkeit zu kämpfen hatten. Wie sie Dachte und Dinge sah auf der einen Seite sah, aber das Gegenteil davon tat, weil sie wusste, dass es sie nicht weiterbrachte und falsch war, wenn sie ihren Gedanken und Gefühlen folgte.

Am Ende fing er sogar an andere ebenso mit Getränken zu vergleichen. An seine Frau zu denken, während er Tee trank, brachte ihn dazu, an die seltsamsten Dinge zu denken. Es störte ihn nicht mehr und war sogar recht erheiternd.

Blumenkränze.
Sie liebte sie. Sie erinnerten sie an ihre Familie. Eine Familie, die sie zurück lassen musste. Sie hatte damals nicht verstanden, warum sie Hakuryuu heiraten musste – er war ein netter Kerl, aber schlussendlich liebten sie sich nicht. Ihr Heimatland profitierte nicht einmal von dieser Ehe. Sie wusste, dass ihre Adoptivvater Sinbad misstraute – und er würde mit seinem Gefühl recht haben –, also warum heiratete sie Hakuryuu und nicht Sinbad? Nichtsdestotrotz war sie aber nicht wütend oder enttäuscht von ihrer Familie. Als Prinzessin genoss sie Privilegien und deshalb musste sie diese Privilegien zum Wohl des Volkes einsetzen. Die königliche Familie waren die Diener des Volkes und nicht andersherum!
Außerdem war sie nicht alleine in diesem fremden Land. Ihre „Frau“ und der Ehemann ihrer „Frau“ waren bei ihr und stellten sicher, dass sie sich nicht einsam fühlte oder schlecht behandelt wurde – dennoch fühlte sie sich manchmal einsam. Eine politische Hochzeit war eine grausame Sache, auch wenn es für das Land und dessen Bewohner profitabel war. Da waren immerhin noch zwei Menschen, die ein Leben mit einem Fremden verbringen mussten und niemals die schöne Seite von Liebe – wahrer Liebe – kennenlernen würden.

Sie hatte in der Vergangenheit schon so viele Blumenkränze für ihre Familie geflochten und sie würde in der Zukunft noch viel mehr für sie machen. Vielleicht würde sie auch welche für Hakuryuu und Kougyoku flechten. Vielleicht würden die beiden eines Tages ebenfalls ein Teil ihrer Familie sein.
Wann auch immer sie im Palastgarten saß und Blumenkränze flocht, überlegte sie, welche Blumen wohl Kougyoku und Hakuryuu stehen würden. Welche Blumen mochten sie? Mochten sie überhaupt so ein Geschenk? Hätte sie gewusst, dass Kougyoku selbst es liebte Blumenkränze zu flechten, hätte sie diese gefragte, sich ihr anzuschließen. Es machte mehr Spaß gemeinsam etwas zu tun, dass man mochte. Zudem war es eine gute Art und Weise sich besser kennenzulernen.
Leider hatte sie es nicht eher gewusst.
Zum Glück kamen sie und Kougyoku sich im Laufe der Zeit trotzdem näher.
Hakuryuu hatte sich ihnen auch eines Tages angeschlossen. Er hatte einst Blumenkränze für seine Brüder geflochten. Hakuei hatte ihn damals geholfen, jetzt war er in der Lage sie selbst flechten, aber es gab für eine lange Zeit niemanden für den er sie hätte machen können.

Sie liebte blaue Blumen. Sie erinnerten sie an ihre Familie. Eine Familie, die sie so sehr liebte, aber hinter sich lassen musste.
Nachts weinte sie manchmal. Wenn sie Blumenkränze flocht weinte sie manchmal. Sie weinte, wenn sie alleine, wenn niemand in der Nähe war, um sie zu hören. Sie weinte anfangs oft. Sie vermisste ihre Familie und ihr Heimatland. Eine Menge blauer Blumen wuchsen in ihrer Heimat. Manche Felder sahen wie das Meer aus. Sie liebte das Meer ebenfalls.

Als sie damals den ersten Blumenkranz im Kaiserreich Kou geflochten hatte, hatte sie sich gewünscht, sie könnte wieder Kränze auf die Köpfe ihrer Familie legen. Wieder mit ihnen lachen. Wieder Blumenkränze mit ihnen zu flechten. Sie wollte wieder nach Hause. Und sie hoffte, dass Hakuryuu und Kougyoku eines Tages ebenfalls zu ihrer Familie zählten. Von einer strahlenden, glücklichen und schönen Zukunft mit ihren Liebsten zu träumen, hielt sie davon ab deprimiert zu sein. Letzten Endes war sein ein Mensch, wie jeder andere, und wollte wahre Liebe erfahren – wenigsten ein einziges Mal. Bis jetzt hatte sie niemanden gefunden und dann war sie verheiratet worden. Dabei wollte sie eine Beziehung so wie es ihre „Frau“ mit „ihrem“ Ehemann hatte.
Zu Beginn verlor sie all ihre Hoffnung an eine derartige Zukunft. Am Ende bekam sie was sie wollte!

Wann immer sie Blumenkränze flocht dachte sie an ihre Familie. Eine Familie, die sie mehr liebte als das Leben selbst. An sie zu denken machte sie glücklich und von ihnen zu träumen brachte ein Lächeln auf ihre Lippen und sie vergaß die Einsamkeit. Irgendwann waren die Blumenkränze nicht mehr nur eine Erinnerung, ein Symbol ihrer Adoptivfamilie, sondern standen auf für ihre neue Familie.

Momente, wie dieser, in denen sie im Garten des Palastes des Kaiserreich Kous saß, erinnerten sie daran, dass eine Familie nichts war, dass man für selbstverständlich ansehen sollte oder konnte. Momente, wie dieser, erinnerten sie an die Vergangenheit und verleiteten sie dazu ihre Vergangenheit mit der Gegenwart zu vergleichen und ließen sie sich eine fröhliche Zukunft ausmalen.

Hakuryuu kochte gerne. Er hatte es nur nie jemanden verraten, weil kochen nichts war, das ein Prinz tun oder gar mögen sollte. Also kochte er heimlich. Dementsprechend hatte er niemanden gehabt mit dem er seine Freude beziehungsweise sein Essen teilen konnte. Ein paar Mal hatte er Frühstück für seine Schwester Kougyoku, die traurig und unglücklich nach dem Ende des Bürgerkriegs war, gemacht. Er hatte sich schlecht gefühlt, weil er wusste, dass es seine Schuld war, dass sie sich so fühlte. Es war teilweise seine Schuld. Jedoch schien es als würde sie ihn nicht für irgendetwas verantwortlich zu machen. Mit einer solchen Güte konnte er nicht umgehen. Viele Jahre hatte man ihn schlecht behandelt. Nur seine große Schwester Hakuei schien ihm wohlgesonnen gewesen zu sein, die einzige, die sich um ihn sorgte und jetzt war da plötzlich auch noch Kougyoku, die so nett zu ihm war. Sie kamen sich näher – wurden eine richtige Familie. Kougyoku war vermutlich die erste Person, mit der seine Gefühle im positiven Sinne auf Gegenseitigkeit beruhten. Normalerweise wurde er immer von allen zurückgewiesen, sei es nun von seiner Familie oder Freunde – Menschen von denen er dachte, sie wären seine Freunde. Deshalb dachte er, er verdiente keine Güte oder Verständnis. Dieser Gedanken wurde ihm von seiner Familie und seinen Freunden über die Jahre hinweg eingebläut. Es war seine Frau gewesen, die ihn dabei half diesen Gedanken mehr oder weniger abzulegen – ab und zu erinnerte sie ihn daran, dass er Nettigkeit, Güte, Liebe und Verständnis verdiente. Laut ihr war er eine großartige Person, weshalb man ihn gut behandeln musste! Kougyoku trug dazu ebenfalls eine Menge bei!

Jetzt, nachdem sie schon einige Zeit verheiratet waren, kochten sie zusammen und sie taten es nicht im Geheimen. Einmal hatte sie in auf frischer Tat ertappt, seit dem schloss sie sich ihm während seiner nächtlichen Kochabenteuer von Zeit zu Zeit an.
Das erste Mal, als sie zusammen gekocht hatten, war auch das erste Mal, dass sie in der Palastküche gewesen war – wenn man von dem Mal absah, an dem sie ihn erwischt hatte. Dementsprechend sah sie ein wenig verloren aus. Zuerst hatte er gedacht, dass sie noch nie in einer Küche gewesen war und deshalb nicht kochen konnte. Wie falsch er damit nur gelegen war. Ihre Kochkünste waren um einiges besser als seine eigenen, aber ihr fehlten Konzentration und Motivation große Mengen zu zubereiten. Sie bevorzugte es die Mahlzeiten zu essen anstatt sie zu kochen. Dafür liebte sie es aber umso mehr zu backen und wenn sie einmal anfing, war sie fast nicht mehr zu stoppen. Er liebte ihre Gebäcke.
Als sie ihr erstes gemeinsames Gericht zu bereiteten, kümmerte sich seine Frau um die Beilagen, wie beispielsweise den Salat. Er hingegen war für das Hauptgericht verantwortlich. Von Zeit zu Zeit erkundigte er sich, ob bei ihr alles in Ordnung war oder ob sie irgendwas brauchte. Es war ein wenig unangenehm, da er unschlüssige war, worüber er mit ihr reden sollte. Und er war unsicher, ob sie überhaupt mit ihm reden wollte. Aber was wenn sie einfach nur zu schüchtern war oder vielleicht sogar Angst hatte ihn etwas zu fragen – Angst davor ihn zu fragen, wo sich bestimmte Zutaten, die sie brauchte, oder Küchenutensilien befanden. Auf der anderen Seite war sie in der Lage gewesen ihre Beilagen anzurichten, scheinbar hatte sie somit seine Unterstützung nicht gebraucht und alles selbst gefunden.

Die Stille zwischen ihnen wurde lediglich durch seine Frage unterbrochen und später durch sie und ihre Fragen, was er da genau machte – es klang als hätte sie zuvor noch nie selbst ein Gericht zu bereitet, was Hakuryuus Annahme, dass sie zuvor noch nie gekocht hatte, verstärkt hatte. Später fand er heraus, dass sie nur gefragt hatte, weil sie eine andere Methode zur Zubereitung verwendete.
Dank ihrer Fragen war langsam ein Gespräch entstanden. In ihrer Unterhaltung war es Hakuryuu, der den größten Teil des Redens übernahm und in den kurzen Pausen, die er einlegte, weil er sich auf das Essen konzentrieren musste, fürchtete er, dass er sie langweilte. Ein paar Mal wandte er seinen Blick von seiner momentanen Arbeit ab, um sie zu beobachten. Sie sah sich entweder um – er war nicht sicher, wie er ihren Blick interpretieren sollte – oder kümmerte sich wieder um einen ihrer Beilagen, die fast genauso lange dauerten, wie das Hauptgericht.

Während ihrer Zeit in der Küche wurde die Stille, die immer und immer wieder zwischen ihnen auftrat, angenehmer. Auch wenn Hakuryuu oft fürchtete, dass sie von ihm gelangweilt war oder sich unwohl fühlte. Ja, er hatte eine sehr schlechte Meinung von sich selbst. Seine Frau änderte dieses Selbstbild über die Jahre hinweg ins Positive.

Hakuryuu verlor sich oft im Kochen und hatte am Ende zu viel gekocht, aber alle Gerichte waren sehr kreative, sei es in der Art und Weise, wie er sie herrichtete zum Servieren oder wie er sie gekocht hatte. Dasselbe passierte als er mit seiner Frau zum ersten Mal kochte. Als er die Küche betreten hatte, war sein Ziel gewesen ein einfaches Gericht mit Fleisch und Gemüse zu kreieren. Nichts Großes oder Besonderes. Als er und seine Frau die Küche wieder verlassen hatten, hatten sie genug Essen für die gesamte Palastbelegschaft. Natürlich teilten sie mit allen.
Für die Dekorationen der Mahlzeiten hatte er dieses Mal seine Frau um Hilfe gebeten, die freudig zugestimmt hatte. Die Dekorationen waren aus dem Gemüse, das er kunstvoll gestückelt hatte, damit sie beispielsweise wie kleine Blätter aussahen. Sowas war nicht einfach und es bedarf guter feinmotorischer Fertigkeiten sowie eine ruhige Hand. Beide erfüllten diese Kriterien, aber seine Frau hatte dennoch Hilfe gebraucht, weil ihr die Konzentration ausgegangen war.
Es hatte sich komisch – er hatte keine Worte um genau zu beschreiben, wie er sich fühlte – angefühlt ihr so nahe zu sein oder ihre Hand in seine zu nehmen, um ihr zu zeigen, wie sie bestimmte Sachen halten oder schneiden musste. Zuerst hatte er versucht es ihr nur zu zeigen, aber selbst als sie versuchte das Gezeigte nachzumachen, versagte sie. Sie war zu unsicher und scheinbar wohl auch ein wenig zu ängstlich. Vielleicht fürchtete sie sich davor sich zu schneiden. Deshalb nahm er ihre Hand und zeigte ihr somit die richtigen Art und Weise. Derartiges bedeutete, dass man sich sehr nah sein musste und Hakuryuu war mal wieder nicht sicher, ob sie damit einverstanden war oder nicht. Zwar beschwerte sie sich nicht, aber vielleicht war sie auch nur still, weil sie zu schüchtern oder zu ängstlich oder zu nett war, um ihm zu sagen, dass er auf Abstand gehen soll. Oder vielleicht machte er sich einfach zu viele Gedanken über das Ausbleiben von Reaktionen ihrerseits.
Zu denken, dass er eine angenehme Gesellschaft war, war etwas, dass er nicht einmal zu träumen wagte. Das war etwas, das für ihn nicht real war, nicht sein real sein konnte. Es war etwas, das er nie mit sich selbst in Verbindung gebracht hatte.

Ihre Finger waren kalt gewesen – er hatte es auf die Tatsache, dass sie zuvor Gemüse gewachsen und sich anschließen die Hände mit kalten Wasser gewaschen hatte, geschoben, nur um später zu erfahren, dass ihre Finger immer so kalt waren und sie auch immer fror.
Ihre Haut war weich gewesen. Sie hatte immer weiche haut und das war einer der Gründe warum er es später so mochte sie anzufassen.
Außerdem roch sie auch gut. Ein angenehmer Mandarinengeruch. Er musste gestehen, dass es großartig gewesen war, ihr so nahe zu sein, aber seine negativen Gedanken waren in dem Augenblick viel stärker gewesen. Seit dem Tod seiner Brüder hatte Hakuryuu kaum noch Kontakt mit anderen, insbesondere Körperkontakt war so gut wie nicht existent. Niemals hätte er gedacht, dass er den Körperkontakt zu anderen so sehr vermisste oder brachte. Er hatte sich schlecht gefühlt, so zu fühlen und auf mehr zu hoffen und mehr zu wollen.

Als sie die Küche verlassen hatten, hatte er sich noch immer schlecht für seine Begierde, seinen Wunsch gefühlt, während sein Frau lächelte und meinte, dass sie hoffe, dass sie wieder mal zusammen kochen konnten.

Wann auch immer er und seine Frau zusammen kochten, erinnerte sich Hakuryuu an ihre erstes Mal zusammen in der Küche. Inzwischen konnte er darüber lachen. Sich an die holprigen, gezwungenen Konversationen und die unbehagliche Stille zwischen ihnen zu erinnern, ließen ihn begreifen, wie weit sie beide seit damals gekommen waren.

Zu arbeiten bis der Mond und die Sterne am Himmel erstrahlten war nichts Neues oder Ungewöhnliches für Hakuryuu. Mit der Zeit wurde es besser. Nachdem die Welt vom Schicksal befreit worden war, hatte Hakuryuu seinen Posten als Kaiser wieder aufgenommen und der Wiederaufbau des Kaiserreichs Kou ging noch immer von statten. Da sie nun mehr Freiheiten hatten, waren viele Dinge nun wesentlich einfach, dennoch war es nicht ungewöhnlich bis Mitternacht oder länger zu arbeiten.

Auf seinem Weg zurück in sein Schlafzimmer, nahm er sich immer einen kurzen Moment Zeit, in den Himmel zu schauen. Es erinnerte ihn an eine Zeit, als er ebenfalls auf dem Rückweg in sein Zimmer war und eine kurze Pause eingelegt hatte, um den Himmel zu betrachten. Damals hatte er gesehen, wie seine Frau von ihrem Zimmer aus zu den Sternen aufgesehen hatte und hatte beschlossen ihr einen Besuch abzustatten. Er hatte Tee und Süßwaren mitgebracht. Es war das erste Mal für ihn gewesen, dass er ihr Schlafzimmer betreten hatte und hatte sich dementsprechend seltsam gefühlt. Sie schien keine Probleme damit zu haben und hatte ihn sogar angeboten sich neben sie auf das Bett zu setzen, damit sie gemeinsam die Sterne betrachten konnten. Nach kurzem Schweigen begann sie über die verschiedenen Sternenkonstellationen, Astronomie im Allgemeinen und das Universum im Besonderen zu reden. Hakuryuu hatte schweigend zugehört und war überrascht und begeistert darüber gewesen, wie viel sie wusste. Er wusste zwar schon seit ihrem ersten Treffen, dass sie eine sehr gebildete Person war, aber dennoch konnte er sich nicht davon abhalten überrascht und begeistert zu sein.
Sie hatte ihm in all den Jahren so viel beigebracht und er war sich sicher, dass noch viel mehr Leute von ihr lernen konnten. Leider behielt sie oftmals Dinge für sich, weil sie nicht so gerne redete und manchmal einfach ein bisschen zu schüchtern war oder dachte, dass andere von ihr genervt waren. Gegensätzlich dazu konnte sie aber auch sehr laut und aufbrausend sein, wenn jemand ihr zu nahe kam. Es war das Beste, nicht auf ihrer schlechten Seite zu sein!

Wie sich herausstellte, hatten sie und der Ehemann ihrer „Ehefrau“ oft in den Nachthimmel geschaut und er hatte ihr dann alle möglichen Geschichten in Verbindung mit den Sternen und dem Mond erzählt.

Sie erzählte ihm ein paar dieser Geschichten. Er hörte einfach nur zu. Sie hatte eine beruhigende Stimme. Zwar würde er es nie zugeben, aber damals wäre er fast eingeschlafen. Nicht weil er so gelangweilt gewesen war oder ähnliches, sondern weil ihre Stimme so beruhigend und ihre Bett so komfortable gewesen war und er war müde gewesen. Nichtsdestotrotz hielt er sich wach, um ihren Geschichten zu lauschen. Er würde ihren Geschichten immer lauschen egal was war. Sie waren wichtig für sie und warum auch immer, wurden sie ihm auch wichtig.

„Sag mal, Hakuryuu, liest du eigentlich Bücher?“
Zuerst war er von ihrer Frage überrascht gewesen.
Natürlich las er Bücher! Wie sollte er sonst seine Arbeit erledigen? Dabei musste er eine Menge lesen, unter anderem Bücher.
„Natürlich lese ich.“
„Liest du auch Romane`“
„Nein.“
Als er ein kleines Kind gewesen war, hatte seine Mutter ihm vorgelesen. Aber nach dem Brandvorfall las er nur noch Bücher und Geschichten, die sich auf die Historie des Kaiserreiches, Kriegsführung, Wirtschaft und ähnliches bezogen.
„Ich liebe es zu lesen. Ich liebe Liebesgeschichten. Aber weißt du was?“
„Was?“
„Ich verstehe einfach nicht, wie der weibliche Hauptcharakter sich oftmals in den männlichen Hauptcharakter, der sie gerettet hat, verliebt und ihn als ihre Sonne bezeichnet. Ich mein, ich hab ja nichts dagegen, dass sie sich in ihren Retter verliebt, aber es ist immer so vorhersehbar und andere, die ebenfalls zu ihrer Rettung beigetragen haben, werden schlicht ignoriert. Ich hasse es, wenn die Errungenschaften und Arbeit anderer einfach ignoriert werden und eine andere Person für diese gefeiert wird, insbesondere wenn diese Person weder diese Errungenschaften erreicht oder die gleiche Arbeit geleistet hat.“
Hakuryuu war sich nicht sicher gewesen, was er darauf antworten sollte, aber er musste etwas sagen.
„Verständlich, denke ich. Ich würde es auch nicht mögen, wenn man mich ignoriert oder jemand anderes für Sachen, die ich erreicht oder geschaffen habe, gefeiert wird. Ich denke, niemand mag so etwas.“
Sie lächelte ihn an.

„Ich finde, es ist dämlich jemanden als seine Sonne zu bezeichnen. Hast du jemals versucht in die Sonne zu schauen? Man kann es nicht. Es tut weh! Warum sollte man jemanden wollen, den man nicht mal anschauen kann? Wie kann man jemanden lieben, den man nicht mal anschauen kann? Warum sollte man eine Beziehung wollen, in der man den anderen über sich selbst stellt? Sollte eine Beziehung nicht auf Gleichheit beruhen?“
Er stimmte ihr zu.

„Ich bevorzuge den Mond. Ich möchte jemanden, der mein Mond ist und nicht meine Sonne.“
Er fragte sie, warum.
„Ganz einfach, der Mond bleibt bei dir. Du kannst den Mond ansehen, ohne dass die deine Augen schmerzen. Der Mond ist da, wenn es alles dunkel ist. Mit einem sanften Licht führt er dich durch die Dunkelheit. Er lässt dich selbst entscheiden, wie weit du in die Dunkelheit oder das Licht gehen willst. Er hilft, dich nicht vor der Dunkelheit zu fürchten. Die Sonne hingegen ist eine Lüge. Sie ist nur an deiner Seite, wenn es hell ist, aber sobald es dunkel wird, lässt sie dich im Stich – lässt andere ihre Arbeit machen und tut dann so als wäre alles in Ordnung und nie anders gewesen. Die Sonne zeigt dir nur die grausame Seite der Welt, ungeachtet deiner Gefühle. Der Mond auf der anderen Seite lässt dich entscheiden, wie viel du sehen und hören willst – wie viel du ertragen kannst. Die Sonne ist egoistisch! Sie ist kein Kamerad für die guten und schlechten Zeiten, weil sie nur zu den guten Zeiten da ist. Sie verlässt dich, sobald sich Ärger anbahnt. Und weißt du was? Der Mond ist nicht allein. Die Sterne sind an seiner Seite. Auch wenn der Mond dich nicht erreichen kann, so können dir die Sterne den Weg zeigen. Wusstest du, dass du deinen Weg durch die Welt mit Hilfe der Sterne als Kompass finden kannst? Aber die Sonne akzeptiert niemanden neben sich. Sie will, dass du dich nur von ihr abhängig machst. Sie will all das Lob für sich allein! Sie will nicht, dass andere dir zur Seite stehen! Die Sonne ist grausam, falsch und egoistisch! Ich finde, der Mond ist besser! Aber leider denken die meisten Leute, dass die Sonne besser ist.“
„Vielleicht weil es scheint als würde nichts Schlechtes existieren, wenn die Sonne scheint? Menschen fürchten sich vor der Dunkelheit und wenn die Sonne scheint, gibt es keine Dunkelheit.“
Seine Frau schwieg für einen Augenblick und dachte über seine Worte nach.
„Das stimmt so nicht. Schlechtes passiert sowohl am Tag als auch nachts. Schlechtes passiert immer! Und es gibt auch Dunkelheit während des Tages! Denk nur an all die kleinen Seitengassen. Die Sonne erreicht sie nicht immer, deswegen sind sie dunkel. Die Sonne und das Licht, das sie bringt, sind eine Lüge. Die Menschen sind nur geblendet von ihr!“
Hakuryuu hatte sich ehrlich gesagt sich über derartiges noch nie Gedanken gemacht. Warum hätte er auch? Bis jetzt hatte es dazu keinen Grund gegeben. Warum sollte es überhaupt wichtig sein, ob jemand einen anderen als Sonne oder als Mond bezeichnete?
Es dauerte eine Weile, bis er die Bedeutung hinter ihren Worten wirklich verstand.
„Ich möchte jemanden, der mein Mond ist, nicht meine Sonne. Ich brauche die Sonne nicht.“
Hakuryuu brauchte die Sonne. Sein Leben war so lange kalt und dunkel gewesen, dass er nur noch raus wollte. Er hatte auch nie den Mond und die Sterne gehabt, die ihn hätten leiten können. Ihm war es egal, wer oder was ihn aus der Einsamkeit, Dunkelheit und dem Schmerz holte, so lange er endlich seinen Frieden finden konnte.

Hakuryuu hatte in dieser Nacht nicht viel Schlaf abbekommen. Ihre Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf und sie blieben dort auch. Selbst heutzutage dachte er von Zeit zu Zeit daran.
Wann auch immer er sich einen Moment nahm, um in den Himmel zu schauen, den Mond und die Sterne sah, dachte er an diese eine Nacht mit seiner Frau. Von jener Nacht an fing er an sich in den Mond, die Sterne und die Nacht zu verlieben.

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Kapitel: 11
Sätze: 430
Wörter: 9.897
Zeichen: 56.585

Kurzbeschreibung

Eine One Shot Sammlung mit Momenten zwischen Hakuryuu und seiner Frau (OC), die er aus politischen Grüden geheiratet hat.

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Romanze, Alternativuniversum, OneShot-Sammlung, Fluff, Angst und (romantische) Beziehungsentwicklung getaggt.

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