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Kapitel: | 78 | |
Sätze: | 3.266 | |
Wörter: | 86.096 | |
Zeichen: | 538.012 |
Hm, eine Rezensionssammlung … wozu? Glaubt da jemand, über das Autorenvolk erhaben zu sein?
Zwar bin ich mir nicht ganz sicher, wie man von der einen Frage zur anderen kommen kann, aber da ich diese Verbindung bereits oft genug gesehen habe, möchte ich auch beide beantworten: Nein, ich halte mich nicht für etwas Besseres, weil ich mich öffentlich mit einem bestimmten Roman auseinandersetze. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich selbst zum Autorenvolk zähle und ich mich damit gleichzeitig für etwas Besseres und etwas Schlechteres halten würde, und das wäre langfristig gesehen nur die Schmiede für nervtötende Kopfschmerzen.Im Oktober 2014 verbrachte ich einige Tage in Cambridge, Großbritannien. An einem der freien Nachmittage war ein Besuch in einer Buchhandlung der verhängnisvolle Anstoß, der meinen SuB (Stapel ungelesener Bücher) dauerhaft um etwa ein halbes Dutzend Werke erhöhen sollte – und das bis zum Frühjahr 2016, seit dem ich die einst acht englischen Bücher langsam abarbeitete. „A Natural History of Dragons" von Marie Brennan ist das zweite dieser Bücher.
Der High-Fantasy-Roman behandelt Lady Trent, auch Isabelle genannt, die in einer biographieähnlichen Art auf ihr bisheriges Leben zurückblickt. Der Ich-Erzähler ist bereits eine betagte Dame und hat sich durch Forschungen auf dem Feld der Drachenwissenschaften in der männerdominierten Gesellschaft hervorgetan. In diesem Roman werden vor allem ihre Kindheit und Jugend behandelt sowie die anschließende Expeditionsreise in die Berge der Region Vystrana.
Bevor ich mit meiner eigentlichen Meinung beginne, möchte ich kurz auf die Umstände zu sprechen kommen, die den holprigen Lesestart geprägt haben. Zunächst dachte ich nämlich, das Buch sei eine Art Sachbuch – das könnte dem Cover zu Lasten gelegt werden oder aber meinem damals eher bescheidenen Englisch, das wohl nur verstanden hat, was es verstehen wollte –, ehe ich dank der ersten paar Seiten verstand, dass es sich um einen Roman handelt.
Auch danach waren nicht alle Unklarheiten beseitigt, denn ich ging davon aus, der Roman behandle eine Art Fantasy-Gesellschaft, die die Großbritanniens darstellen sollte – was auf den Namen „Scirland", das sehr höflich-formelle Gehabe und die Ähnlichkeit der Landmassenform zu der Großbritanniens zurückzuführen sein könnte –, aber nach ein paar mehr Seiten waren alle Unklarheiten ausgeräumt: „A Natural History of Dragons" ist eine eigenständige Fantasy-Geschichte, die nichts (beziehungsweise: wenig) mit dem Großbritannien unserer Welt zu tun hat.
Noch bevor die ersten zwanzig Seiten gelesen sind, fallen mir zwei Aspekte des Stils auf. Die gute Nachricht: Der Roman lässt sich angenehm lesen und bedient sich keiner so hohen Sprache, dass man es nicht auch als Nicht-Muttersprachler lesen könnte. Die schlechte Nachricht: Beschreibungen werden gerne mal durch Bilder ersetzt.
Das betrifft vor allem die Drachen, seltener die Umgebungen. Gerade bei ersteren ist mir das besonders negativ aufgefallen. Eine Beschreibung kann ich in Gedanken zum Leben erwecken – ein Bild hingegen eignet sich zum Betrachten, nicht zum Erleben des abgebildeten Wesens.
Die Zeichnungen ließen sich erklären, indem man sich in Erinnerung ruft, dass das die Memoiren der Lady Trent sind – was mir als Romanleser dennoch sehr sauer aufstößt. Da das aber als Roman verkauft wird, lege ich auch die entsprechenden Maßstäbe an.
Eine der Ausnahmen, bei der die Zeichnung eher unterstützend als Beschreibungen entziehend wirkt, ist meine Lieblingsszene. In dieser entdecken Isabelle und ihr Mann eine Höhle in einer Schlucht, in der sie zunächst nur den Drachen finden, den sie zu Forschungszwecken Seiten zuvor getötet haben – bald aber finden sie die Knochen Dutzender Drachen, die von einer Kristallschicht überzogen sind.
Diese Szene beweist meines Erachtens nach, dass Frau Brennan definitiv fähig ist, ein Bild im Kopf des Lesers zu malen. Vor allem durch die angespannte Stimmung, die die Charaktere befällt, und die schrittweise Aufklärung, um was es sich bei der Höhle handelt, wird eine Atmosphäre erzeugt, die weitaus dicker ist als die der Bergluft rundherum.
Die aufkommende Spannung ist nicht insofern einzigartig, als dass es ihrer nicht genug Potenzial im Laufe des Romans gegeben hätte, sie wurde nur mit größter Sorgfalt zerstört. Da Lady Trent – die ältere Isabelle – erzählt, steht ihr Überleben nie zur Debatte. Auch gelingt es Trent hervorragend, immer wieder Kommentare einzuwerfen, die den Reiz der Szene unter das Aktionspotenzial für Spannungsnerven absenken.
Ein Beispiel dafür ist die Szene, in der Isabelle und ihr Ehemann Jacob auf den Ort der Drachenhöhle aufmerksam werden, als sie die auf der Karte eingezeichneten Höhlen der Drachen sehen, die in einem Kreis um eine Gegend angeordnet sind, an der sie bisher nichts entdeckt haben:
„But that circle seemed so very regular. Could it possibly be an accident? (The answer, by the way, is yes.)" (S. 233)
Gerettet wurde die Szene nur durch den nachfolgenden Satz „In this case it proved not to be, [...]" (S. 233), dennoch war die Luft bereits raus und die aufgebaute Spannung brach wieder in sich zusammen, um nur ein wenig über Bodenniveau als ein Schutthaufen in die Erinnerung einzugehen.
Zu rechtfertigen sind solche Kommentare erneut mit dem Typ Roman, der hier verkörpert wird: eine fiktionale Biographie, gespickt mit den Impressionen des Ich-Erzählers. Insofern ist es zwar gerechtfertigt, den Spannungsbogen möglichst effektiv nach unten zu drücken – das Risiko, mit der Spannung auch gleich den Lesegenuss zu erwischen, wird hierbei aber vollkommen bedenkenlos eingegangen.
Es bleibt dennoch auch einiges Positives zu sagen: Immer wieder gibt es unerwartete Wendungen im Geschehen, was der Handlung eine angenehme Distanz zu Klischees gibt, die nur für die Geburt eines Sohnes am Ende und seinen Namen gestört wird – diese Wendungen gehen sogar so weit, dass einer der Charaktere geopfert wird, wenn auch nicht Isabelle; wie bereits festgestellt wurde, wäre das für eine Eigenbiographie wenig vorteilhaft.
Die Erzählerin teilt sich mit ihrem jüngeren Ich eine große Gemeinsamkeit: Mit keinem von beiden empfinde ich großartige Sympathie, aber keinen von beiden empfinde ich als unsympathisch. Neben dem Humor, der vielleicht in einer prüden Gesellschaft als herausragend empfunden werden kann, mich jedoch nur ab und an zum Schmunzeln gebracht hat, ist die Protagonistin selbst die Hauptschuldige.
Beziehungsweise, ihre mangelnde Selbstständigkeit ist hauptschuldig. Nach ein paar Eskapaden in ihrer Kindheit sperrt sie ihre wissenschaftliche Faszination für Drachen in ihr Innerstes ein, und hätte sie Jacob nicht kennengelernt, hätte sie nie damit begonnen, sich eine Sammlung kleinwüchsiger Drachen zuzulegen, die sie analysiert. Ohne seine Erlaubnis macht sie nicht einmal letzteres, sondern frisst ihren Frust in sich hinein.
Gewiss, ab und an manipuliert sie die Männer um sich herum ein wenig, aber um große Erfolge verzeichnen zu können, liegt ihr die rhetorische Eleganz zu wenig – und genau das regt mich auf: Kann es nicht mal einen Protagonisten geben, der sich durch widrige Umstände schlagen muss in einer Gesellschaft, die von Höflichkeit und den Balanceakten der Sprache geprägt ist, der sich gut ausdrücken kann? Ist es eine Verpflichtung, nur plump antworten zu können, wenn man als weibliche Hauptfigur in einen Roman eingehen möchte? Gibt es irgendeinen Knebelvertrag, von dem die Leser noch nichts mitbekommen haben?
Die übrigen Charaktere sind – gemäß dem Biographie-Stil – fast ausschließlich auf ihre Funktion für Isabelle beschränkt: der eine Bruder hilft ihr mit ihren Eskapaden ein wenig, ihr Ehemann ist ganz nett zu ihr, lässt sie Bücher über Drachen lesen und letztere sammeln, und so weiter. Es gibt ein paar Ausreißer aus dieser Gleichung, aber die bleiben in einer angemessen kleinen Zahl.
Von weitaus größerer Zahl hingegen sind die ungewöhnlicheren Ideen, die ich in diesem Buch so besonders gehäuft vorfinde. Allein der Biographie-Stil ist etwas, das außerhalb der typischen Fantasy liegt und sich bei entsprechend großer Nachfrage wohl auch als Romantyp etablieren könnte.
Hinzu kommen die Szene des Drachenfriedhofs, die ich bereits angesprochen habe, und der Einfall, Drachen mal wissenschaftlich anzugehen, Skizzen zu machen, ihre Flügelunterseite zu mikroskopieren und Knochenproben zu konservieren.
Meine größte Freude sind aber die kleinsten Drachen, die sogenannten „Sparklings", die Isabelle Drachenmörderin als Kind fängt, konserviert und die den Grundstein für ihre Faszination legen. Sparklings sind sehr kleine Drachen, die als Insekten eingeordnet werden und teilweise in Scharen vorkommen. Sie sind es auch, die Isabelle später tonnenweise fängt, um sie genauer analysieren zu können.
Die Drachenmöderin ist es, die dem Leser Begriffe ihrer Welt vor die Füße wirft, ohne sie immer zu erklären – meistens aber so geschickt platziert, dass man die Bedeutung selbst errät. Gleichzeitig bringt sie mit sich, was ein Markenzeichen der Ich-Erzähler ist: Die Welt, die dem Leser präsentiert wird, wächst mit der Erfahrung, die Isabelle macht.
Im ersten Teil des Buches, das ihre Jugend behandelt, werden kaum mehr Orte erwähnt als Scirland selbst, ihr Heimatland – und wenn sie erwähnt werden, dann bleibt es bei dem, was ein anderer Charakter über sie erzählt.
Im zweiten Teil lernt der Leser etwas mehr über die geographischen und politischen Besonderheiten der Welt, die auch einen Einfluss auf den Ausgang der Geschichte haben. Dabei ist bei mir an keiner Stelle das Gefühl aufgekommen, dass ein Detail schnell noch reingequetscht wurde – es wirkte alles gut durchdacht und gut platziert.
Das einzig Negative, das mir noch auffällt, betrifft weniger die Geschichte selbst als die Aufmachung: Nach den Irrungen, die sehr stark vom Cover beeinflusst wurden, lässt der Klappentext kaum darauf schließen, dass es sich um den ersten Teil einer Reihe handelt und dementsprechend nur der Auftakt zu Isabelles Karriere als Drachenexpertin behandelt wird.
Mein Resümee: „A Natural History of Dragons" ist ein klassisches Beispiel für eine nette Lektüre, die man irgendwann zwischendurch mal liest, um sich auf den nächsten literarischen Kracher einzustellen. Wenn auch der Hauptcharakter, die mangelnden Beschreibungen und der teilweise störende Biographie-Stil nicht zu überzeugen vermögen, so wird durch die gut durchdachte Welt, die wissenschaftliche Seite der Drachen und natürlich die Sparklings die Leselust ausreichend gefördert.
Details zum Roman:
Titel: A Natural History of Dragons
Autorin: Marie Brennan
Verlag: Titan Books
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 9781783292394
Genre: Fantasy
Preis: 13,99€ (s. Datum)
Seiten: 351
Reihe: ja, Teil 1 von 5 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1500
Stand: 09.06.2016
Seit zwei oder drei Jahren zähle ich mich zu den Leuten, die man als Scheibenwelt-Fans bezeichnen könnte. Diese von Terry Pratchett erfundene Welt ist flach und wird von vier Elefanten getragen, die wiederum auf einer riesigen Schildkröte stehen, die durchs Multiversum schwimmt. Das erste Buch, das mich auf diese Scheibe verfrachtet hat, war „MacBest" – die deutsche Übersetzung zum englischen Original, um das es hier geht.
In Lancre, einem kleinen, bewaldeten Königreich in den Bergen, herrschen Lord und Lady Felmet, nachdem König Verence von ihnen ermordet wurde. Beide sind von einem gewissen Wahnsinn geprägt und der Lord hasst das Land, über das er regiert. Dieses nimmt die Sache selbst in die Hand und regt die drei Hexen Wetterwachs, Ogg und Magrat Knoblauch dazu an, zusammen mit dem Narren des Schlosses und Sohn Verences – Tomjon – das Königreich zu retten.
Bereits die erste halbe Seite zeigt dem Leser, auf was er sich einstellen sollte: obskure, aber sehr unterhaltsame Vergleiche; für den deutschsprachigen Leser nicht uninteressant: ein recht hohes Englisch, bei dem das Schulvokabular an der einen oder anderen Stelle versagen wird; und pratchettgemäß jede Menge Humor:
„Granny Weatherwax was not lost. She wasn't the kind of person who ever became lost. It was just that, at the moment, while she knew exactly where she was, she didn't know the position of anywhere else." (S. 128)
Zu dem Fließtext, der den Großteil des Buches ausmacht, gesellen sich auch Fußnoten, die ergänzend zum Haupttext teils vollkommen eigene Geschichten erzählen, einen Begriff erklären oder einfach nur eine Anmerkung darstellen. Das kann man mögen, muss man aber nicht – für mich sind die Fußnoten ein wichtiger und lesenswerter Bestandteil von Terry Pratchetts Stil.
Selbst ein Scheibenwelt-Roman ist aber nicht fehlerlos. Einige Male stolpert der Leser über „OK" und „i.e." – etwas, das schlicht nicht in einem epischen Text vorhanden sein sollte – und ab und an wird auch RUMGESCHRIEN, obwohl an genügend anderen Stellen bewiesen wird, dass die kursive Schrift ein durchaus brauchbares Stilmittel ist.
Die Handlung ist an die von „MacBeth" von William Shakespeare angelehnt und weist viele Parodien zu dieser auf. Nicht jeder Witz ist mit dem Allgemeinwissen erfassbar, dennoch wird der Leser auch dann glänzend unterhalten, wenn er sich weder mit dem Autor noch mit seinen Werken beschäftigt hat.
Ein weiterer Aspekt, bei dem deutlich wird, dass „Wyrd Sisters" nicht fehlerlos ist, ist der Zeitsprung: Im Laufe der Geschichte versetzt Wetterwachs das gesamte Königreich Lancre fünfzehn Jahre in die Zukunft, damit Tomjon – der sich im Ausland aufhält – zu einem jungen Mann heranwachsen kann, der vom Schicksal dazu geleitet wird, Lord und Lady Felmet zu stürzen.
Zeitreisen halte ich für prinzipiell problematisch – bisher habe ich noch keine Version gefunden, mit der ich aus logischer Sicht zufrieden wäre. Terry Pratchetts Version ist da keine Ausnahme. So wird das Königreich eigentlich nicht verändert – es „überspringt" die nächsten fünfzehn Jahre einfach –, dennoch sind die Bäume nach dem Zeitsprung etwas größer, also älter, die Menschen hingegen nicht. Offen bleibt überdies die Frage, wie Lancre wohl während der übersprungenen Jahre aussieht – was passiert mit den Händlern, die während dieser Zeitspanne ins Königreich wollen? Ist es unbewohnt? Verschwunden? Wirkt es auf die Reisenden ebenso erstaunlich und unerklärbar wie eine negative Fläche?
Es gibt noch ein oder zwei kleinere Logikfehler, und obwohl gerade der Zeitsprung ein wichtigerer Teil der Geschichte ist und ich sonst sehr großen Wert darauf lege, hat nichts davon das Lesevergnügen länger als ein oder zwei Absätze lang gestört.
Das liegt nicht nur an den verschiedenen Handlungssträngen, die hervorragend ineinander greifen, und an kleineren Details, die Terry Pratchett dennoch nicht vergisst – hier sei der Sturm stellvertretend genannt –, sondern auch die Klischees und erwarteten Handlungen, die zwar nicht alle vermieden, dafür aber auf den Arm genommen oder kommentiert werden. Ein Beispiel dafür ist die Szene, in der sich Magrat darauf vorbereitet, Nanny Ogg aus dem Verlies des Schlosses zu befreien:
„She turned to her worktable and examined what she [...] called her Tools of the Craft. [...] There was the black-handled knife, used in the magical workings themselves; Magrat had carved so many runes into its handle that it was in constant danger of falling in half. [...]
Magrat shook her head regretfully, went over to the kitchen dresser and took out the breadknife. Something told her that at times like these a good sharp breadknife was probably the best friend a girl could have." (S. 120)
Die Protagonisten – Magrat Knoblauch, Nanny Ogg, Oma Wetterwachs, Tomjon, der Narr – sind vielschichtige Charaktere, die ihre Fehler und Schwächen haben, ohne, dass diese erzwungen wirken. Gerade die drei Hexen stellen sich als wundervolle Protagonisten heraus, die die Handlung zu tragen vermögen und deren Entscheidungen begründet und nachvollziehbar sind.
Die Antagonisten sind, obgleich gut gezeichnet, etwas weniger gut charakterisiert. Ein „böser" Charakter braucht, damit ich ihn als einen „guten" Antagonisten sehe, eine Hintergrundgeschichte, einen Grund, warum er so geworden ist – das muss nicht immer ein tragisches Schicksal sein, das kann auch einfach nur ein wenig förderliches Umfeld, eine schlechte Bezugsperson sein. Während bei Lord Felmet Ansätze von Menschlichkeit erkennbar sind, steht Lady Felmet ohne jede Erklärung da, was zwar den Lesegenuss nicht wirklich zu drücken vermag, mich aber etwas enttäuscht hat.
Es gibt einige weitere flache oder eindimensionale Charaktere; bis auf die oben erwähnten Ausnahmen stellen diese aber nur Statisten dar, die selten mehr als einen kurzen Auftritt mit einer bestimmten Funktion haben.
Viele der Charaktere reden umgangssprachlich, was das Lesen für Nicht-Muttersprachler zwar erschwert, zumeist aber nicht den Sinn zu verschleiern vermag. Ebenfalls auffallend sind die altertümlichen Phrasen und Worte, die in der Übersetzung nur sehr selten angemessen übernommen werden, wie auch in diesem von Tomjon nacherzählten Dialog zwischen den drei Hexen zu sehen ist:
„'[...] and then they started arguing about my name, and then they said, "Anyway, who shall be king hereafter?" And then one of them said, "Here after what?" and one of the other two said, "Just hereafter, girl, it's what you're supposed to say in these circumstances" [...]'" (S. 190)
Die gesamte Welt, die der Autor erschaffen hat, wirkt authentisch und gleichzeitig parodiert sie unsere Welt, unsere Kultur, einzelne Werke, Traditionen und eben Klischees, ohne dass sie dabei den Tiefgang vermissen lässt. Dass Lord und Lady Felmet durch den Narr versuchen, die Sicht der Bürger auf die Hexen – ihre größten Feinde im Königreich – allein durch Worte zu verändern, ist da nur ein Beispiel. Das Theater an sich, die Worte und ihre Auswirkung auf Vergangenheit, Denken und Realität sind Themen, die hervorragend zwischen den Muttermalen in Form einer Erdbeere, die jeder verstoßene Königssohn haben muss, und grauen, alten, wenig angenehmen Katzen mit lediglich einem Auge namens Greebo eingeflochten sind, ohne, dass sich diese beiden scheinbar gegenteiligen Aspekte aneinander reiben oder stören würden.
Genau das ist auch der Grund, weswegen ich dieses Buch trotz einiger Patzer und Ungereimtheiten empfehle. Solltet ihr sehr gut Englisch können, würde ich die deutsche Fassung auslassen und mich direkt an die englische wenden, solltet ihr – wie ich – hauptsächlich das Schulvokabular mitbringen, würde ich empfehlen, zuerst die deutsche Version zu lesen und dann, sollte diese gefallen haben, die englische.
Zusammengefasst: „Wyrd Sisters" ist ein sehr gut gelungenes Werk, das mit liebenswürdigen Protagonisten, einer phantasievollen Welt und der richtigen Balance zwischen Parodie und Ernsthaftigkeit glänzt, sodass die zahlenmäßig stark unterlegenen Schattenseiten kaum zu erkennen sind.
Details zum Roman:
Titel: Wyrd Sisters
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Orion Publishing Group
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-1-473-20021-0
Genre: Fantasy
Preis: 11,99€ (s. Datum)
Seiten: 297
Reihe: ja, Teil 6 von 41 (s. Datum; unabhängig voneinander lesbar)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1200
Stand: 24.06.2016
Gerade in der Fantasy ist es wichtig, dass die Leser die Welt kennen und lieben lernen. Dabei werden sie in eine fremde Umgebung mit neuen Namen und Begriffen befördert, in der sie sich zunächst nicht selbst zurechtfinden können.
In einer ebensolchen Fantasywelt spielt "Windjäger". Die Menschen leben auf Bergspitzen in hohen Türmen. Unter ihnen befinden sich der Nebel und eine gefährliche Erdoberfläche, weswegen sie ausschließlich über dem Nebel leben. Handel und Kommunikation zwischen den Türmen geschieht über Luftschiffe. Die Protagonisten Gwendolyn Lancaster, Bridget Tagwynn, Kapitän Francis Grimm und der Kater Rowl von den Leisen Pfoten müssen zusammen mit den Ätherikern Folly und Ferus den FEIND aufhalten – der erste Schritt, der in diesem Buch behandelt wird, ist hierbei, die vom verfeindeten Turm Aurora eingefallenen Soldaten aufzuspüren und zu vertreiben.
Der Stil, in dem die Geschichte vorgetragen wird, ist ein angenehmer: Ausgewogene Sätze mit verschiedener Länge gestalten den Roman einfach zu lesen und nicht zu kompliziert, ohne dabei in die Einfältigkeit abzudriften. Gleichzeitig vermag der Stil allein die Geschichte nicht zu tragen und ist nicht wirklich herausragend gut, aber eben auch nicht herausragend schlecht.
Die Welt und die Charaktere werden besonders effektiv dargestellt, indem Redewendungen und Begriffe angepasst werden, was vor allem bei den Szenen aus Rowls Perspektive sehr gut zu erkennen ist.
Umso mehr stechen die Begriffe heraus, die nicht in die Welt passen wollen. So haben in der Katzengesellschaft alle Katzen und einige Menschen Katzennamen – dennoch wird Rowls Name immer genau so verwendet, obwohl das sein Menschenname ist. In einem anderen Fall wird ein Größenvergleich mit einer Yacht getätigt – was mich zu der Frage bringt: Können die Menschen überhaupt wissen, was eine Yacht ist? Sie leben in Türmen, richtig? Oder gibt es Luftschiffe, die so bezeichnet werden?
Ebenso schleierhaft und unerklärt sind einige Abkürzungen, wobei zwei davon besonders seltsam anmuten. Einmal „IO", eine Bezeichnung für ein bestimmtes Mannschaftsmitglied auf dem Luftschiff, und einmal „AHS", was für mich so lange „Allgemeinbildende Höhere Schule" bedeutet, bis mir erklärt wird, was in diesem Fall gemeint ist. Für gewöhnlich ist es die Aufgabe des Autors, so etwas zu klären, bevor der Leser das Hauptdeck mit einem Gymnasium verwechselt.
Die Erklärungen und Beschreibungen sind eine der zwei gigantischen Schwächen des Romans. Wie ich in der Einleitung geschrieben habe, ist der Leser in einer vollkommen neuen Welt zunächst orientierungslos – der Autor muss ihn durch die Welt führen und kann ihn erst dann mehr oder weniger selbstständig die Handlung entdecken lassen.
Während der ersten dreihundert Seiten wird prinzipiell so wenig wie möglich erklärt. Wie die Luftschiffe aussehen? Ist das wichtig, wenn alle paar Seiten welche gegeneinander kämpfen? Wie die Räume und die Türme genau aussehen, welche Proportionen sie haben? Ist das wichtig, wenn die Handlung in ihnen spielt?
Jim Butcher ist offenbar der Auffassung: Nein, ist es nicht. Das würde von der Action ablenken. Und ja, von der gibt es genug – so viel, dass ich mich dazu gedrängt fühle, zumindest einmal aufzuzeigen, dass weniger manchmal eben doch mehr ist.
Besonders rätselhaft wird es, wenn die „Fasszucht" ins Spiel kommt. Die Frage, wie man Fässer züchten kann, drängt sich einem natürlich auf, wird aber nicht beantwortet. Über mehrere hundert Seiten nicht. Dann, irgendwann in der Mitte, wird erwähnt, dass das Fleisch in den Fässern „gezüchtet" wird und nur noch von einer Lederhaut befreit werden muss, ehe man es zubereiten oder verkaufen kann.
An dieser Stelle habe ich es aufgegeben, den Sinn dahinter verstehen zu wollen. Wenn Jim Butcher die Meinung vertritt, dass es nicht wichtig ist, zu wissen, wie bitte tierische Zellen – und zufälligerweise fast ausschließlich Muskelgewebe – in Fässern „gezüchtet" werden können, werde ich keine Theorien dazu aufstellen. Das ist die Aufgabe des Autors, nicht des Lesers.
Der Mangel an Erklärungen tritt an einigen Stellen aber auch positiv hervor, so zum Beispiel beim Nebelrachen. Alles, was man von ihm weiß, ist, dass er sich im Nebel aufhält und unfassbar groß ist. Gleichzeitig beweist Jim Butcher, dass er sehr wohl einen Raum und eine Atmosphäre beschreiben kann. Das macht die Szene, in der Rowl, Bridget Tagwynn und Folly den Stamm der Neunkrallen treffen, zu meiner Lieblingsstelle im gesamten Buch.
Problematischerweise war's das dann auch mit Beschreibungen zur rechten Zeit am rechten Ort. Auf etwa Seite 280 werden die Luftschiffe beschrieben, gut 250 Seiten, nachdem sie zum ersten Mal eine wichtige Rolle gespielt haben. Besonders sparsam sind die Beschreibungen und Erklärungen, was die Kristalle, die einen wichtigen Aspekt der Welt darstellen, und den Äther angeht.
Allein auf den ersten vier Seiten kann man herauslesen, was einem alles nicht erklärt oder beschrieben wird – zumindest nicht, bis die nächsten zweihundert gelesen sind: Kampfhandschuhe, Ätheringeneurswissenschaften, Turm Albion, die Kristalle, Habbel, Habbel Morgen.
Selbst die etwas interessantere Darstellung des Aplha-Antagonisten („Aber ja, genau. FEIND, in Großbuchstaben." (S. 213)) kann nicht über die eine oder andere unsinnige oder repetitive Satzkonstruktion hinwegtrösten:
„Schiffbaum [Kapitän Grimm] hatte sich ihm gegenüber immer höflich gezeigt und respektvoll dazu, mehr als die meisten Menschen. Diese Tatsache allein war ein Ausdruck des Respekts." (S. 613)
Respektvoll zu sein ist ein Zeichen des Respekts? Was für ein Glück, dass Jim Butcher das noch einmal betont, alleine hätte ich das sicher nicht gerafft! Diese acht Wörter waren definitiv notwendig und hätten überhaupt nicht besser verwendet werden können!
Verlassen wir Frustzentrum Nummer eins und kommen wir zum Augenverdreher Nummer eins, der Handlung. Nachdem die nach dem Leerlauf der ersten dreihundert Seiten endlich mal beginnt und ein paar nicht so leicht vorhersehbare Aspekte bereithält, kommt es bei den Kampfszenen zu einem Phänomen, das mir aus 08/15-Actionfilmen nur allzu vertraut ist: der Protagonistenbonus.
Lasst mich das anhand von zwei Szenen erklären. In der ersten treffen Meister Ferus, Gwendolyn Lancaster, ihr Cousin Benedict und ein Haufen Statisten auf das Muttertier der Seidenweber. Das sind spinnenartige Tiere, die Ätherseide (fragt mich nicht, was das ist; erklärt wurde es jedenfalls nicht so wirklich) produzieren, die zu Stoff verarbeitet werden kann und dabei offenbar die Funktion einer kugelsicheren Weste erfüllt. Der Biss des Tieres ist giftig und mit den Kampfhandschuhen, die Blitze abfeuern können, ist es nur dann verletzbar, wenn es seine Unterseite zeigt.
In der ersten Szene bekämpfen die Protagonisten und die Statisten das Muttertier. Letztere gehen fast alle drauf, erstere natürlich nicht, am Ende ist der Seidenweber besiegt und das Abenteuer kann weitergehen.
In der zweiten Szene, die am Ende des Buches angesiedelt ist, kämpfen Kapitän Grimm mit seiner Mannschaft, Bridget Tagwynn, Folly, Benedict und den Schädlingsbekämpfern gegen mehrere Dutzend Seidenweber, die ausgewachsen und sogenannte Jäger sind, und damit offenbar verletzlicher als das Muttertier.
Interessant nur, dass ein Schuss aus dem Kampfhandschuh, der beim Muttertier nur eine kleinere Delle im Chitinpanzer bewirken kann, plötzlich dazu in der Lage ist, die Jäger zu zerfetzen. Obwohl auch die einen Chitinpanzer haben, der vielleicht nicht so dick ist wie der des Muttertiers, sicher aber eine gewisse Schutzfunktion hat – das heißt, wenn nicht gerade die Protagonisten bedroht sind.
Ganz davon zu schweigen, dass Raum und Zeit in wirklich kritischen Bereichen der Handlung gedehnt und gestreckt werden, wie es gerade notwendig ist, um ja keine Hauptfigur für Band zwei zu verlieren.
Damit betreten wir Krisenherd Nummer zwei: die Charaktere. Und ja, das betrifft sowohl die Prota- als auch die Antagonisten.
Zunächst die beiden Totalschäden: Gwendolyn Lancaster und Bridget Tagwynn. Erstere ist auch die erste Person, die im Buch vorgestellt wird. Gleich fällt auf: Sie ist sehr selbstsicher, egozentrisch, stur und befiehlt selbst ihrer Mutter – sie kommt, für den Fall, dass das untergegangen ist, aus dem höchsten der adeligen Häuser in Turm Albion –, bestimmte Sachen zu tun oder eben nicht zu tun. Das wirklich Beeindruckende ist, dass das von den anderen Charakteren nicht nur gebilligt, sondern überwiegend als eine positive Eigenschaft angesehen wird.
Die gute Lancaster ist so dermaßen auf ihren Dickschädel konzentriert, dass sie sich gleich als Sympathieträger disqualifiziert. Es gibt sehr wohl sture Charaktere, über die ich gerne lese, nur ist bei diesem besonderen Fall klar, dass ihr Dickschädel keine negativen Auswirkungen haben wird.
Natürlich wirkt es nur so, als ob sie alles andere um sich herum kaum bis gar nicht wahrnimmt und keine Rücksicht nimmt; immerhin ist sie die Protagonistin. Und natürlich gelingen ihre Pläne immer – und nein, das eine Mal am Anfang, als ihr vorgeworfen wird, sie hätte das Duell zwischen Tagwynn und dem „Arschloch" zu verantworten, ist für mich absolut ungerechtfertigt; die gute Tagwynn hätte ihren Mund garantiert nicht halten können, zu der komme ich aber noch –, ohne, dass jemand (von den Protagonisten) wirklich zu Schaden kommt. Es gibt ein paar Momente, in denen sie wie ein Mensch wirkt, beispielweise während ihrer Reaktion auf den Mord, den sie begangen hat, aber alles in allem ist sie weder eine Person, mit der ich gerne etwas zu tun haben würde, noch eine, über die ich gerne etwas lesen würde.
Bridget Tagwynn ist ebenfalls eine Prinzessin, nur ist ihr Adelshaus aus irgendeinem Grund bei weitem nicht mehr so mächtig, wie es einmal war, und ihr Vater hat jetzt eine Fasszucht. Natürlich wird sie deswegen von dem „Arschloch" (einem anderen Prinzen von einem recht hohen Haus) nicht respektiert und sie muss mit den Widrigkeiten zurechtkommen, die andere ihr vorwerfen, und sie ist ein prinzipiell liebenswürdiges, nur eben sehr introvertiertes Mädchen, das eigentlich gar nichts mit den Prinzen und Prinzessinnen zu tun haben will, als ob es keine anderen Leute in der Garde gäbe, zu der sie erzwungenermaßen gehen muss, und ...
Tut mir leid, aber mein Mitleid für jemandem, der auf ein paar verletzende Worte mit „Arschloch" reagiert und anschließend demjenigen, der ihm helfen wollte, einredet, dass die Eskalation seine Schuld gewesen sei, hält sich in Grenzen.
Das arme, arme Mädchen wird von dem Kater Rowl begleitet, der mir zwar nicht so richtig sympathisch ist, aber immerhin ein Fenster in die Katzengesellschaft darstellt, was ihm einen gewissen Vorteil gibt. Er ist im Großen und Ganzen genauso stur, selbstverlieb und selbstsicher wie Gwendolyn, aber weil er eine Katze ist, ist das okay. Schätze ich.
Kapitän Grimm, der einzige Charakter, der im Klappentext Erwähnung findet, hat eine Hintergrundgeschichte, die immer wieder angedeutet wird, ohne dass sie erklärt wird, und das ist eine der wenigen Ausnahmen, in der Jim Butchers Nichts-Erklären-Taktik tatsächlich aufgeht. Durch diese unbekannte Geschichte wird Grimm wesentlich interessanter als die beiden Prinzessinnen.
Nicht, dass sein Charakter übermäßig innovativ wäre – er ist aufopfernd, sorgt sich um seine Mannschaft, ist aufrichtig und prinzipiell ein guter Kerl, der immer nur das tut, was er tun muss, ohne, dass ihm das Morden Spaß macht oder ihn ungerührt lässt –, aber immerhin würde ich mich nicht freuen, wenn er plötzlich stirbt. So richtig schade wäre es zwar auch nicht, aber nach der Einführung der beiden Schreckschrauben ist das bereits mehr, als ich erwartet hatte.
Erst nach ein paar hundert Seiten kommt der einzige Charakter ins Spiel, dessen Tod mir tatsächlich nahegehen würde und um den es mir beim Beenden des Buches wirklich schade war – Folly, das Lehrmädchen des Ätherikers Ferus. Letzterer ist als Charakter in etwa auf der Sympathiestufe Grimms, aber gerade durch ihre Macken und durch die Ätherenergie, die Folly zu kontrollieren lernt, ist sie unfassbar interessant.
Sie bekommt zwar nur drei oder vier Erzählszenen, aber diese zählen zu den besten im gesamten Roman. Nicht nur, dass man endlich was über Äther und Kristalle erfährt, nein – dadurch, dass sie als Ätherikerin mit der Ätherenergie in Kontakt steht und sie manipulieren kann, sieht sie Dinge, die anderen verborgen bleiben. Sie redet zu ihren Kristallen – das ist ihre Macke; jeder Ätheriker hat seine eigene –, und oft genug wird das, was sie sagt, falsch interpretiert, obwohl es dadurch seinen Nutzen nicht verliert. Merkt man als Leser aber, was sie tatsächlich damit ausdrücken wollte, kann man nicht umhin, sie zumindest für interessant zu befinden – wenn man das auch nur ansatzweise so sieht wie ich.
Eine Szene mit den Protagonisten ist mir besonders ins Auge gestochen, und zwar ausgesprochen positiv. In dieser verlassen Tagwynn und Lancaster zum ersten Mal ihren Habbel und sehen den freien Himmel, das helle Sonnenlicht, die Luftschiffe. Ihre Reaktionen darauf sind sehr gut durchdacht, wenn man bedenkt, dass sie ihr ganzes Leben im Dämmerlicht und den geschlossenen Räumen der Habbel verbracht haben, sodass ich das trotz aller Kritik hier anbringen muss.
Es gibt noch ein paar Charaktere, die erwähnenswert sind – Benedict Sorellin, der Cousin Gwendolyns, der Archon, der zunächst interessant-schräg wirkt, dann aber doch nur der typisch besorgte, zugleich unfassbar geschickte und intelligente Herrscher ist, und bei den Katzen Mirl, ein „Schnurrhaar" (eine Spionin) der Leisen Pfoten, und Neen und Naun, Prinz und König der Neunkrallen. Da die Rezension aber schon zu lang ist, werde ich auf diese wichtigeren Charaktere nicht mehr eingehen.
Wenden wir uns stattdessen den Antagonisten zu. Positiv sind hier die beiden vom Turm Aurora stammenden Militärmitglieder Espira und Ciriaco zu nennen. Beide haben menschliche – sehr menschliche – Seiten, und es fällt mir nicht schwer zu glauben, dass sie als Protagonisten eines „Gegen-Romans" ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen hätten, ohne dabei als Antagonisten zu erscheinen. Kurz gesagt: Geradezu beispielhafte „Bösewichte"; gerade für die moderne Fantasy würde ich mir mehr solcher Gegenspieler wünschen.
Über den FEIND, der der Drahtzieher der ganzen Geschichte ist, kann ich nicht viel sagen, da man so gut wie nichts über ihn weiß. Ich hoffe sehr, dass Jim Butcher ihm eine glaubwürdige Hintergrundgeschichte und Motivation in den nachfolgenden Romanen gibt, kann da aber nicht meine Hand ins Feuer legen.
Die Begründung dafür ist der Antagonist, der am meisten hervorsticht: Madame Cavendish. Sie ist ebenfalls Ätherikerin und hat einen Höflichkeitsfimmel. Ebenso liebt sie es, Leute dazu zu bringen, sich selbst die Augen auszureißen, Schmerzen zu haben oder zu sterben. Die einzige Erklärung, die dafür gegeben wird, ist die, dass alle Ätheriker verrückt sind, aber einige sind halt gefährlich-verrückt. Oder so.
Cavendish verkörpert für mich den klassischen Fantasy-Bösewicht. Er liebt es zu töten, zu verstümmeln, zu verletzen und Schmerzen zuzufügen, hat eine eher dürftige Erklärung dafür und ist so mächtig, dass ihn selbst ursprünglich mächtigere seinesgleichen (zum Beispiel Ätheriker wie Ferus, der mal Cavendishs Lehrer war) aus irgendeinem Grund nicht besiegen können.
Furchtbar innovativ.
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist, dass der Roman zwar aufgerundet 800 Seiten hat, aber kaum etwas darauf verwendet, die Charaktere zu entwickeln oder zu verfolgen oder irgendetwas mit ihnen zu machen, außer sie von einer Kampfszene in die nächste zu stoßen. Besonders aufgefallen ist mir das bei der aufkeimenden Liebesbeziehung zwischen Benedict und Tagwynn, die man aber rasch wieder vergisst, bis man gegen Ende aufgrund einer unfassbar dummen Tat Tagwynns draufkommt: Ach ja, da war doch etwas ...
Hätte man vielleicht ein paar Kampfszenen einsparen und dafür mehr auf die Charaktere setzen sollen ...? – Dort! Seidenweber! Hinter dir!
Damit haben wir die beiden schlimmsten Aspekte hinter uns gebracht und kommen zu dem, der mich so frustriert: die Welt. Die Ideen.
Ich hatte mir Windjäger gekauft, weil ich diverse Leute über Dinge habe schwärmen hören, für dich ich als Leser sehr empfänglich bin: eine Katzengesellschaft, die versucht, Anerkennung und Respekt unter den Menschen zu finden; Kristalle, die die „Batterien" dieser Welt sind und diverse Aufgaben zu erfüllen haben, dabei aber generationenlang gezüchtet werden müssen; Äther und Ätherenergie, von der so unfassbar viel abhängig ist.
Und was wurde daraus gemacht? Nun, wir haben fast keine Erklärungen oder Beschreibungen erhalten – die Katzengesellschaft ist hier als einzige Ausnahme zu nennen, was mich sehr gefreut hat –, und die Akteure sind in einer überwiegenden Zahl so dermaßen unsympathisch, dass sie weder Welt noch Handlung verdient haben.
Die Politik, Beziehungen und Ansichten der Katzen nehmen einen zwar eher kleinen, aber doch nennenswerten Teil des Buches ein und sind wunderbar herausgearbeitet und schlüssig. Über den Äther erfährt der Leser nur sehr wenig, und wenn, dann durch Folly, was ihren Charakter und ihre Perspektive noch wertvoller macht. Die Kristalle werden nur am Rande wirklich beschrieben, und das auch hauptsächlich aus der Sicht eines Ätherikers.
Es frustriert mich, dieses Buch mit seinen beiden Totalausfällen gelesen zu haben, denn die Welt hat unglaublich viel Potenzial – wenn ich nur etwas von ihr mitbekommen würde, wenn ich nur ihre Charaktere leiden könnte! Läge der Fokus beispielweise auf den Ätherikern und den Katzen, hätte ich dieses Buch wesentlich mehr genießen können.
Nur ein kleiner Trost ist da ein weiterer, unerwarteter, aber sehr interessanter Aspekt: die Kapitän-Schiff-Beziehung. Hier kann ich nicht mehr verraten, ohne zu spoilern, aber das ist für mich ein weiterer Beweis, dass das Potenzial zwar für fehlende Erklärungen, unsympathische Charaktere und natürlich viel Bumm-Bumm verschleudert wurde, aber an sich da ist.
Immer wieder versucht Jim Butcher, die Erzählung durch etwas Humor aufzulockern – sehr selten gelingt ihm das; am ehesten hat es noch bei den Ätherikern geklappt. Gerade Ferus hat einen unvermuteten Pluspunkt hervorgebracht: ein recht kurzes, philosophisches Gespräch, das zunächst etwas deplatziert wirkte, mit seiner Conclusio aber besonders beeindruckend war.
Obwohl ich die Welt ein paar Absätze zuvor gelobt habe, muss ich hier eine Frage anbringen, die mir die ganze Zeit über schon auf der Zunge brennt. Holz ist ein sehr teurer Rohstoff, da er nur von der gefährlichen Oberfläche geborgen werden kann. Wieso nutzt man dann nicht ein paar der leeren Habbel, um einen Wald anzupflanzen?
Im Tempel des Weges wird das teilweise gemacht, aber daraus wird kein finanzieller Nutzen geschlagen. Wieso interessiert diese Geschäftsidee sonst keinen? Wäre es nicht, ich weiß nicht, praktisch, einen Holzlieferanten im Turm zu haben, anstatt das Leben der Menschen aufs Spiel zu setzen und sie zur Erdoberfläche zu schicken?
Wieso ist es eigentlich nicht möglich, Holz in Fässern zu züchten? Wenn das mit Fleisch geht, sehe ich keinen Grund, wieso das nicht auch mit pflanzlichen Zellen funktionieren soll. Ich schätze mal, da wäre eine Erklärung des Autors hilfreich gewesen, aber nein, alles, bloß nicht auf die eigene Welt eingehen.
Als Lösungsvorschlag hätte ich ein Lexikon, das ein paar der ersehnten Informationen bereithält und am Ende des Buches aufzusuchen ist. Dadurch könnte sich der Leser von Seite dreißig an, wo etwa die Luftschiffe ins Spiel kommen, ebenjene vorstellen, ohne dass der Autor sich darum bemühen müsste, sie zu beschreiben. Würde noch mehr Platz für Kämpfe bringen, sollte das ein brauchbarer Grund sein.
Nach dieser ausführlichen Rezension komme ich zu meinem Fazit. Ich würde „Windjäger" nur unter zwei Bedingungen empfehlen:
a) Der geneigte Leser ist ein ausgesprochen großer Fan von Action(filmen), die sich nur halbherzig um Raum und Zeit, ihre Charaktere oder ihre Welt kümmert, und kann überdies gut damit zurechtkommen, dass nahezu alles ohne irgendeine Hilfe von seiten des Autors seiner eigenen Phantasie überlassen ist.
b) Der geneigte Leser führt sich einen großen Teil der Leseprobe zu Gemüte. Die ersten dreihundert Seiten sind mit Abstand die schlimmsten im gesamten Roman; wer die liest und sich denkt, dass er das aushält oder dass ihm das gefällt, wird mit diesem Buch gut beraten sein.
Details zum Roman:
Titel: Windjäger
Autor: Jim Butcher
Verlag: blanvalet
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-7341-6000-4
Genre: Fantasy
Preis: 10,30€ (s. Datum)
Seiten: 764
Reihe: ja, Teil 1 von unbekannt (Reihe ist noch im Entstehen; s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 3200
Stand: 02.07.2016
Technologie in die eigene Fantasywelt zu bringen ist immer eine interessante Angelegenheit. So ungefähr das einzige, das bisher kaum in die Fantasy Einzug gehalten hat, ist die Elektronik – ebenso in diesem Roman. Dafür geht es um eine andere technologische Entwicklung, die auch in unserer Welt eine große Bedeutung hatte und nun auf die Scheibenwelt übersiedelt: die Eisenbahn.
Feucht von Lipwig, ehemaliger Betrüger und Abzocker, arbeitet als Oberhaupt der Bank und der Post von Ankh-Morpok. In diese Stadt kommt der junge Erfinder Dick Simnel, der einem Millionär seine neueste Erfindung vorstellt und sowohl von ihm als auch von Feucht und Lord Vetinari, dem Tyrannen der Stadt, Unterstützung erhält. Während sich Feucht mit Baugenehmigungen und der Presse herumschlägt, brodelt es in der Zwergengesellschaft: Die Grags, die radikal gegen alles vorgehen, das sie als „unzwergisch" erachten, versuchen sich an einem Putsch.
Wer die Rezension zu „Wyrd Sisters" gelesen hat, wird sich denken: Noch ein Buch aus dieser Reihe? Muss man da viel dazu sagen? – Zumal ein paar wenige wissen dürften, dass die Scheibenwelt-Reihe die einzige ist, die ich bisher als wirklich brillant empfinde. So gesehen: Es werden sicher noch Rezensionen zu ihr kommen.
Das, was mich an Terry Pratchetts Stil so begeistert, ist sein eigenartiger Humor, der in fast jedem Absatz seiner Romane enthalten ist. Zumindest dachte ich das bisher. „Raising Steam" weist nicht die in „Wyrd Sisters" so gelungene Balance zwischen Ernst und Humor auf, sondern schlägt wesentlich dunklere und kritischere Töne an als seine Vorgänger.
Die Kritik und das Thema, die Terry Pratchett – erstrangig über den Zwergenkonflikt – anspricht, sind nicht so gut in den Roman eingebettet und gerade im direkten Vergleich wirkt es, als ob dem Leser eingehämmert werden sollte, dass es hier Probleme gibt und das die Lösung sein könnte.
Für gewöhnlich würde ich das keinem Autor vorhalten – ich weiß aber, dass diese (Sozial-)Kritik vom selben Autor schon wesentlich besser umgesetzt wurde und hier der Humor, der Hauptgrund dafür, dass ich die Scheibenwelt so mag, etwas untergegangen ist.
Ansonsten gibt es recht wenig zu sagen, was nicht schon bei „Wyrd Sisters" gesagt worden wäre: Terry Pratchett verwendet eine höhere Sprache, als man sie durch das Schulenglisch erlangt haben dürfte; seine Sätze erstrecken sich teilweise über mehrere Zeilen, während andere nur wenige Wörter umfassen, und auch in punkto Vokabular wäre es für den einen oder anderen Deutschsprachigen hilfreich, ein Wörterbuch griffbereit zu haben. Hinzu kommen die Fußnoten, die in „Raising Steam" besonders großzügig verteilt sind und ihre eigenen Geschichten erzählen, wenn sie nicht gerade etwas zum Fließtext ergänzen.
Für Nicht-Muttersprachler ebenfalls interessant sind der Dialekt und die Sprachfehler, die verschiedene Charaktere während ihrer direkten Reden aufweisen. Persönlich zähle ich das als positiv, da es ein Zeichen der Charakterisierung ist:
„'Vell,' said Lady Margolotta, 'Rhys Rhysson is managing quite vell in the circumstances and ve in higher Uberwald...'" (S. 25)
Auch die Handlung kann nicht mehr so bestechen wie in früheren Romanen. Nicht, dass sie übermäßig vorhersehbar wäre – man ist sich nur nicht sicher, ob es sie gibt. Von den aufgerundet 500 Seiten verbringt man gute dreihundert damit zu lesen, welche Fortschritte der Bau der Eisenbahnlinien macht, welche Probleme es gibt und welche Lösungen bemüht werden.
Das mag zwar ganz nett sein, geht aber kaum als Handlung durch. Subtil wird am Anfang der Zwergenkonflikt eingeführt und auf den letzten zweihundert Seiten werden beide – nun, Handlungsstränge zusammengeführt, sodass der Leser endlich weiß, wohin dieser Roman will. Diese letzten zweihundert Seiten sind aber schon fast lächerlich, denn es wirkt wie eine gehetzte Quest: ständig gibt es kleinere oder größere Hindernisse, die die Protagonisten überwinden müssen, sodass ich beim Lesen das Gefühl gehabt habe, dass hier etwas halbherzig gearbeitet wurde.
Wie bei „Wyrd Sisters" gibt es wieder ein paar mehr oder weniger kleine Logikfehler. Darunter:
Gegen Ende des Romans muss der Zwergenkönig sicher nach Überwald gefahren werden – natürlich mittels der Eisenbahn. Hierzu müssen die Charaktere zunächst zu den Gleisen kommen, was sie über Kutschen versuchen, von denen sie aber mehr als eine aussenden, um die Grags – die radikalen Zwerge – abzuschütteln. Zwei dieser Kutschen werden „überfallen", doch die Grags werden ohne große Schwierigkeiten niedergemetzelt, als ob sie damit gerechnet hätten, dass man ihnen freiwillig den König aushändigt – was mich zu der Frage bringt: Die sind nicht ernsthaft so hirnverbrannt gewesen zu glauben, dass sie den König ohne zu kämpfen bekommen?
In einem anderen Fall sind die Herrschaften bereits im Zug nach Überwald und entdecken zwei Zwergenspione, von denen einer von Feucht auf den Boden geworfen wird. Da sie in einer regulären Zuglinie sind, gibt es Passagiere, die von dem Gekämpfe ziemlich überrascht sind. Von Hauptmann Mumm wird ruhig erklärt, dass der gute Zwerg seine Fahrkarte nicht dabeigehabt hätte und das Personal da leicht ausrastet – dabei hatte Feucht den Zwerg einfach so niedergeworfen, ohne sich nach einer Fahrkarte zu erkundigen, und in dem vorherigen Gespräch mit dem anderen Spion war die Fahrkarte auch nie ein Thema. Sind die Passagiere wirklich so blöd?
Ebenso wie beim Schreibstil und bei der Handlung gibt es auch bei den Charakteren ein paar Probleme. Auf den ersten einhundert Seiten weiß man nicht einmal, wer der Hauptcharakter ist, so viele Perspektiven werden eingeführt und drei davon auch konsequent durchgehalten: da wäre Dick Simnel, der Eisenbahnerfinder – ja, er heißt mit Vornamen wirklich „Dick", da kann ich auch nichts dran ändern, ebensowenig daran, dass Feucht von Lipwig Feucht von Lipwig heißt –, Feucht, der Post- und Bankenchef in Ankh-Morpok, und Lord Vetinari, der Tyrann der Stadt.
Mit den Seiten wird klar, dass Feucht der Protagonist ist. Die Perspektiven werden aber fröhlich weiter eingeführt, teilweise nur für eineinhalb Seiten, um noch kurz zu erzählen, was danach geschah – obwohl das nicht neu für die Scheibenweltromane ist, habe ich es bisher nie in diesem Ausmaß angetroffen.
Der Protagonist an sich ist ein Charakter, der zum Sympathisieren einlädt. Er hat seine Schwächen – beispielweise die Tatsache, dass er ein stückweit ein Antagonist ist, indem er ein Betrüger war und ihn das noch immer nicht loslässt, doch gerade dadurch ist er ein aufmerksamer Beobachter und weiß, wie er mit Leuten umgehen muss, was als Pressestimme für gleich drei Unternehmen keine schlechte Eigenschaft ist. Kurz gesagt: Er ist ein ausgewogener Charakter.
Es wäre mir auch nicht egal gewesen, wäre er plötzlich verstorben, aber so sehr wie mit den Hexen aus „Wyrd Sisters" konnte ich mich nicht mit ihm identifizieren. Er war da, und er war ein guter Protagonist, aber in Anbetracht anderer Charaktere der Scheibenwelt ...
Die Antagonisten sind wohl die Grags, die radikalen Zwerge, und als ihr Kopf ist der Zwerg Ardent der Alpha-Bösewicht. Er weiß, was er macht und wie er es machen muss, damit es funktioniert, aber so richtig eine Erklärung, warum er es macht, gibt es nicht.
Die meisten seiner Handlanger hingegen werden als „junge, unwissende Zwerge" beschrieben, denen er dumme Ideen in den Kopf gesetzt hat und die es einfach nicht besser wissen – und wer jetzt an einen gewissen Konflikt aus unserer Welt denkt, dem sei versichert, dass auch ich während des Lesens ständig daran denken musste.
Dadurch, dass viele Eigenheiten der Scheibenwelt kurz angesprochen werden und viele der Hauptcharaktere anderer Romane zumindest erwähnt werden, wirkt das Ganze wie eine Ouvertüre – nur am falschen Ende der Reihe. Gleichzeitig konnte die Welt, die auf dem Rücken vierer Elefanten ruht, nicht ihren ganzen Charme entwickeln, da der dafür notwendige Humor zwar nicht abwesend, aber nicht in den Maßen vertreten war, die dafür notwendig gewesen wären.
Es wirkte ein wenig, als wollte Terry Pratchett unbedingt Eisenbahnen in seine Scheibenwelt bringen und diesen einen besonderen Konflikt ansprechen. Ein klares Zeichen sind da auch die Goblins, deren Kultur – darunter auch die Namen – und Einstellungen zwar sehr schön herausgearbeitet werden, die aber auch etwas eindimensional in ihrer Opferrolle wirken: Gibt es keine radikalen Goblins?
Gibt es keine, die sich dagegen wehren, in die große Stadt zu gehen, auch dann, wenn sie fliehen müssen? – Hätte man sich hier die Zeit genommen, die Gesellschaft etwas klarer und detaillierter darzustellen, hätten die Goblins eine Quelle der Faszination werden können; so aber ist es eher ein Tröpfeln aus einem halbherzig bewölkten Himmel.
Auch den Charme der Eisenbahnen, den Terry Pratchett so oft herausarbeitet, konnte ich nur sehr kurz verspüren, nämlich bei der letzten Szene mit Iron Girder, der ersten Lokomotive der Scheibenwelt, die den letzten Teil der Strecke nach Überwald bewältigt. Mehr zu verraten würde zu spoilern bedeuten, deswegen belasse ich es dabei.
Insgesamt ist „Raising Steam" zwar nicht so brillant wie andere Scheibenweltromane und wirkt an einigen Stellen nicht ganz sorgfältig verfasst, ist aber bei weitem nicht so schlecht wie manch anderes, das man auf dem Buchmarkt findet. Als Happen für Zwischendurch oder als Pflichtlektüre für Scheibenwelt-Fans gibt es eine klare Empfehlung, die nicht dadurch in Zweifel gezogen werden sollte, dass der Roman mit meinen Erwartungen nicht mithalten konnte.
Details zum Roman:
Titel: Raising Steam
Autorin: Terry Pratchett
Verlag: Transworld Publishers
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-0-55217-046-8
Genre: Fantasy
Preis: 9,99€ (s. Datum)
Seiten: 475
Reihe: ja, Teil 40 von 41 (unabhängig voneinander lesbar; s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1500
Stand: 14.07.2016
Der junge Priester Grumni lebt in den Futterbergen und begleitet seine Schüler durch den Tag, bis ein Professor für Anthropologie zum Kloster kommt und für eine Reise ins Unbekannte Unterstützung von ihm und seinem Meister Zolam erbittet. Er möchte herausfinden, wieso die Menschen vor ein paar Jahrhunderten verschwunden sind.
Frederik Langbeins Debüt liest sich speziell am Anfang sehr unangenehm, da die vielen einfachen, kaum variierenden Sätze von Wortwiederholungen und Stilblüten gespickt sind, die den Leser selten einen Blick auf das Potenzial des Stils erhaschen lassen. Die Handlung schreitet schnell voran und selten werden Details beschrieben, was für eine Entfremdung der Charaktere sorgt. Dies wird von dem Fehlen der Beschreibungen der Gefühle und emotionalen Reaktionen der Protagonisten unterstützt; die direkten Reden wirken gestellt.
Gegen Ende bessert sich der Stil und der Umgang mit den adaptierten Sprichwörtern („sich die Pfote geben") wird trittfester und sicherer.
Die Handlung sorgt erst am Ende für Spannung, da ihr der Konflikt fehlt, und ist von überraschenden Bekanntschaften und Plottwists geprägt. Gerade zu Anfang wird das nicht ersichtlich und durch das gesamte Buch ziehen sich kleinere und größere Logikfehler, die den Lesefluss zu unterbrechen vermögen und überaus störend wirken.
Der Protagonist hat eine reinweiße Weste und nicht eine negative Eigenschaft, die als negative Eigenschaft interpretiert werden soll. Keiner der Gläubigen To-Gulis ist unfreundlich, böse oder macht etwas Illegales; Ungläubige werden als wahnsinnig abgetan und die Anhänger Ka-Nulis bekommen eine zwei Absätze lange Chance, sich zu erklären, die als irre Rede untergeht. Mehr Ausgewogenheit und Tiefe im eindimensionalen Schwarz-Weiß-System hätte dem Roman gut getan.
Die Welt ist kreativer als das meiste, das man sonst auf dem Fantasy-Buchmarkt findet, und gut an die Verhältnisse von Meerschweinchen angepasst. Diese weisen fortschrittliche Technologien und sozialpolitische Systeme auf, die von den angepassten Redensarten unterstützt werden.
Der Roman ist von Grammatikfehlern geprägt und hätte ein Korrektorat sehr gut vertragen können. Sein größtes Plus ist die kreative, neuartige Welt, die Frederik Langbein erschaffen hat – wem das reicht, um an einem Roman gefallen zu finden, dem sei „To-Gulis Kinder" dringend empfohlen.
Details zum Roman:
Titel: To-Gulis Kinder
Autor: Frederik Langbein
Veröffentlicht über: neobooks
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-7380-6411-7
Genre: Fantasy
Preis: 1,99€ (s. Datum)
Seiten: 533
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 300
Stand: 21.07.2016
Bevor ich mir diesen Roman gekauft habe, habe ich lange überlegt, ob ich ihn wirklich haben möchte. Das lag vor allem an den abgerundet 1000 Seiten, aber auch am Inhalt: eine fiktionale Erde im neunzehnten Jahrhundert mit Zauberei und zwei konkurrierenden Zauberern? Etwas außerhalb meines üblichen Lesespektrums.
Die beiden Zauberer heißen Jonathan Strange und Gilbert Norrell. Nach etwa einem Drittel des Buches treffen sie aufeinander und Strange wird Norrells Schüler, bevor er die Engländer im Krieg gegen Napoleon unterstützt und sich von seinem Lehrer lossagt. Der Hauptkonflikt startet nach etwa zweihundert Seiten: Um die englische Zauberei, die de facto ausgestorben ist und nur von theoretischen Zauberern gelesen wird, wiederzubeleben, holt Norrell eine junge Frau zurück ins Leben – mit weitreichenden Folgen.
Selbst dann, wenn man nicht so viel Wert auf den Schreibstil legt, kann es leicht passieren, dass er hier in den Vordergrund rückt: Die schiere Länge des Romans sorgt dafür, dass ein etwaiges Missfallen so lange strapaziert wird, bis es zu Hass umschlägt.
Der Stil ist sehr detailfreudig und beschreibend. Gerne verwendet Susanna Clarke sprachliche Bilder, wie dieses Beispiel zeigt:
„Eine große Rosskastanie ragte über die Straße und bildete einen Teich aus schwarzem Schatten, und als die zwei Reiter ihn erreichten, verschluckte er sie, so dass nichts von ihnen übrig blieb außer ihren Stimmen." (S. 275)
Das Ganze ist unterlegt von einem meistens subtilen Humor, der gerne über Klammern und Fußnoten ergänzt wird. Die meisten Klammern haben den Sinn, dass sie den Leser an bestimmte Umstände erinnern oder welche ergänzen, während die Fußnoten Verweise auf andere, fiktive Bücher darstellen oder mehrseitige Abhandlungen über Randgeschichten sind – die längste erstreckt sich über fünf Seiten.
Die meiste Zeit über ist die Erzählperspektive eine personale, die jedoch von Einwürfen eines Ich-Erzählers unterbrochen wird. Dieser wendet sich ab und an direkt an seine Leser, die ebenfalls in der fiktiven Welt sitzen – warum genau er die Geschichte erzählt, ist unbekannt; er ist keiner der handelnden Charaktere, was mich zu der Annahme verleitet, er könnte die Geschichte rund um die beiden Zauberer nacherzählen wollen.
Die einzigen Störfaktoren im Stil sind die Wortwiederholungen – die zwar bewusst eingesetzt wirken, aber manchmal unschön klingen –, und die Abkürzung „etc.", die nicht nur in Briefen – wo sie zu verstehen wäre –, sondern auch im Fließtext und in direkten Reden vorkommt.
Die Handlung verfolgt mehrere Perspektiven, die sich gegen Ende immer enger miteinander verflechten. Keiner der Handlungsstränge führt ins Nichts oder ist einfach nur da, weil er schön aussieht; jede Handlung hat Einflüsse auf die nachfolgenden Handlungen der anderen Charaktere, selbst dann, wenn sie nichts von deren Existenz wissen.
Susanna Clarke lässt den Leser dabei oft genug selbst denken – oder lässt ihm Raum, selbst zu denken. Immer wieder werden Anspielungen oder Vorahnungen eingebaut, die man nach einiger Zeit entschlüsseln kann, bevor die Charakter soweit sind.
Trotz der Länge des Buches ist der Hauptkonflikt nach zweihundert Seiten begründet, wenn er auch noch nicht als Hauptkonflikt erkennbar ist. Obwohl die Handlung insgesamt sehr gut durchdacht wirkt, haben sich nicht alle meine Fragen auflösen können.
Norrell, der strikt gegen eine Zauberschule ist, unterbindet eine erste, die von John Segundus geführt werden sollte – er droht ihm mit seinen guten Beziehungen und dass er sie einzusetzen weiß, wenn Segundus die Zauberschule nicht von selbst aufgibt.
Ein paar hundert Seiten später gründet ein anderer Mann eine Zauberschule, in der er theoretische Zauberei unterrichtet; Norrell kann sich jedoch nicht helfen. Sehen die Herren in der Regierung theoretische Zauberei als nicht gedenkwürdig an oder wie soll ich mir das erklären?
Im Laufe des Buches wird Strange – und an dieser Stelle gibt es einen Spoiler; Empfindliche mögen zum Ende des Absatzes springen – vom Elfen verflucht, woraufhin ihn eine Säule aus Dunkelheit umgibt. Nach dem Tod des Elfen löst die sich aber nicht auf, obwohl alle seine anderen Zauber unwirksam werden.
Insgesamt ist die Handlung nicht bis kaum vorhersehbar. Das Ende empfand ich als etwas enttäuschend; nicht unbedingt schlecht, aber es konnte nicht Schritt halten mit dem Rest des Buches.
Im Roman gibt es eine Vielzahl an Charakteren – es sind so viele, dass man sich bei einigen, wenn sie nach langer Abwesenheit wieder auf den Plan gerufen werden, unweigerlich fragt, wer das noch mal war, auch wenn einige dieser Fragen von einer kurzen Anmerkung der Autorin geklärt werden.
Die titelgebenden Protagonisten – Strange und Norrell – werden nacheinander eingeführt. Norrell stellt sich als eine sehr introvertierte, egozentrische Person heraus; für die ersten paar hundert Seiten ist sie ein interessanter Protagonist. Im Laufe der Geschichte – auch durch den Konflikt der beiden Zauberer bedingt – wird der erste der englischen Zauberer zusehends unsympathischer. Er kümmert sich nicht um die Belange anderer; die einzige Ausnahme ist Strange, und selbst das nur bedingt.
Dennoch würde ich ihn, ebenso wie Strange selbst, als guten Protagonisten bezeichnen, denn er ist kein perfekter oder vollkommen unvollkommener Mensch. Sein Schüler ist ein ganzes Stück offener und sympathischer, wenn er auch oft genug scheitert. Zusätzlich zu den beiden kommen John Segundus – ein theoretischer Zauberer, der Norrell dazu motiviert, nach London zu gehen –, Childermass – Norrells Diener, der selbst zaubern kann, dies aber nur begrenzt anwendet –, und Stephen Black, der Diener eines Regierungsmitglieds, der vom Elfen verzaubert wird, ins Spiel. Sie sind, ebenso wie die Protagonisten, ausgewogene Charaktere mit eigenen Motivationen, Ängsten und Hoffnungen. Sämtliche Figuren – auch die, die nur ein paar Seiten lang auftreten – werden durch ihre Sprache in der direkten Rede charakterisiert.
Weniger gut durchdacht wirken Drawlight, Lascelle und der Elf selbst. Die ersten beiden sind auf zunächst unterschiedliche Weise egozentrisch und hoffen auf ihren eigenen Vorteil, weswegen sie versuchen, einen größtmöglichen Einfluss auf Norrell zu bewahren. Gegen Ende eskaliert die Situation – warum die beiden so auf sich selbst bezogen sind, dass es an Norrell grenzt, nur ohne die Hemmungen, die ihm sein Gewissen mit auf den Weg gibt, wird nicht erklärt.
Der Elf, der der Antagonist des Romans ist, hält sich selbst nicht für böse, obwohl er Menschen verzaubert und verschleppt, Kinder von hohen Türmen stürzt und mehrere Menschen tötet, um Stephen Blacks wahren Namen herauszufinden. Doch auch bei ihm fehlt die Erklärung, wieso er all das als „nicht böse" bezeichnen würde, warum er glaubt, seinen Freunden damit einen Gefallen zu tun. Ein paar Andeutungen dazu, unter welchen Umständen sich seine Persönlichkeit entwickelt hat, wären bereits hilfreich genug gewesen.
Ein ähnliches Phänomen findet sich teilweise in den Fußnoten wieder – hier werden Charaktere eingeführt, die nie wieder gebraucht und dementsprechend nur kurz behandelt werden. In dieser Abhandlung geschieht es oft genug, dass sie zu einfachen Archetypen heruntergebrochen werden – was nur ein kleiner Störfaktor ist, da sie nur kurz angesprochen werden und keine wirkliche Relevanz haben, aber einen unschönen Nachgeschmack hinterlässt.
Die Welt an sich – ein fiktives neunzehntes Jahrhundert – ist in sich schlüssig und bedient sich keiner Elemente, die noch nicht existieren sollten. Das einzige, das mir hier etwas sauer aufstößt, ist die Zauberei selbst.
Ich bin eine Leserin, die gerne weiß, warum etwas so oder so funktioniert. Das muss nicht realistisch, aber logisch sein, auch innerhalb von Fantasywelten. Was genau Zauberei ist und wieso Wetterzauber so unfassbar simpel sind, während es viel Konzentration und Energie kostet, eine Gestalt aus Wasser zu erschaffen, wird nicht erklärt.
Der einzige Hinweis lautet: Alle Dinge, auch unbeseelte Gegenstände, haben eine Absicht, die sie ausführen. Man kann ihnen in diese Absicht aber hineinreden – und das ist die Form der Zauberei, die in England seit langem verschollen ist und an die selbst Norrell und Strange erst gegen Ende kratzen.
Einer der Fragen, die offen bleibt, ist, warum es die Zauberer kein Stück Energie kostet, einen Zauber zu wirken. Stellen die Objekte selbst die Energie zur Verfügung? Wenn ja, woher? – Da ich solche Fragen lieber beantwortet haben möchte oder zumindest vernünftige Ansätze, die ich interpretieren kann, verbuche ich das als weniger erfreulichen Aspekt des Romans. Die einzige Erklärung, die mir dafür in den Sinn kommt, wäre die, dass der Ich-Erzähler uns nichts sagen kann, das er selbst nicht weiß – offenkundig interessiert es ihn auch nicht.
Zusammenfassend halte ich „Jonathan Strange & Mr. Norrell" für einen Roman, der einen Versuch wert ist, wenn man sich mit dem Stil anfreunden kann. Das Ende und die Unklarheiten zur Zauberei sind für mich der Hauptgrund, wieso ich ihm keine fünf Sterne gebe – knapp daneben ist eben auch vorbei.
Details zum Roman:
Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell
Autorin: Susanna Clarke
Verlag: Berliner Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2015 (3. Auflage)
ISBN: 978-3-8333-0333-3
Genre: Fantasy
Preis: 15,50€ (s. Datum)
Seiten: 1021
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1400
Stand: 25.07.2016
Seit „Windjäger" lehne ich das Konzept eines Blindkaufs prinzipiell ab. „Good Omens" habe ich mir 2014 in England gekauft, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht, da ich auf die Schnelle keinen Klappentext gefunden habe – eine Entscheidung, die sich nach einer kurzen Leseflaute als eine unterm Strich lohnenswerte herausgestellt hat.
Der Tag des Jüngsten Gerichts ist nahe; die Hölle und der Himmel sammeln sich, um den finalen Kampf auszutragen. Crowley, ein Dämon, und Aziraphale, ein Engel, die seit sechstausend Jahren auf der Erde leben und auf ihr intrigieren, finden das nicht so toll und versuchen, den Weltuntergang zu verhindern.
Beide Autoren – Terry Pratchett und Neil Gaiman – weisen einen ausgewogenen, zu etwas komplexeren und längeren Sätzen neigenden Stil auf. Das verwendete Vokabular ist ein Stück höher als das klassischer Scheibenwelt-Romane – ich vermute, dass das Neil Gaimans Einfluss ist, denn gerade am Anfang, den er mehr bestimmt hat als Terry Pratchett (wenn man dem im Buch abgedruckten Interview glauben darf), weist viele Wörter auf, die das Schulenglisch nur misstrauisch beäugen kann.
Das gesamte Buch ist von Humor geprägt und weist oft genug Szenen auf, die abstrus sind oder denkwürdigen Charaktere aufweisen, die zum Lachen anregen und durch Fußnoten zusätzlich reizen, wie ein Beispiel zeigt, bei dem erklärt wird, wie der Engel Aziraphale mit seinem Computer umgeht:
„Aziraphale used it religiously for doing his accounts, which were so scrupulously accurate that the tax authorities had inspected him five times in the deep belief that he was getting away with murder somewhere." (S. 169)
Der Roman wird getragen von verschiedenen Perspektiven, die weit mehr Personen abdecken als Aziraphale und Crowley (letzterer ist die biblische Schlange), wobei jeder Charakter anders spricht und andere Dialekte verwendet.
Negativ sind mir nur die Abkürzungen aufgefallen, wie „OK" statt der ausgeschriebenen Version. Diese kommen aber ziemlich selten vor.
Die eben angesprochenen verschiedenen Perspektiven laufen gegen Ende immer mehr zusammen und sind miteinander verflochten. Prinzipiell sind die nächsten Schritte der Charaktere zwar teilweise erahnbar und das Ende nicht so unfassbar überraschend, aber die meiste Zeit über weiß man nicht bereits, was im nächsten Kapitel passieren wird.
Während des Lesens habe ich alle paar Dekaden Seiten innegehalten und mir überlegt, wie diese oder jene Handlung in dieser Welt zu entschuldigen ist. Als Fehler habe ich mir letztlich nur einen dieser Momente aufgeschrieben. Gegen Ende überwinden sowohl Crowley als auch Aziraphale eine Art Ring des Todes, der gleichzeitig sehr heiß und sehr kalt ist und mehr oder weniger direkt aus der Hölle stammt, um zum Zentrum des Geschehens zu gelangen.
Dabei ist anzumerken, dass der Engel etwas höher fliegt als der Dämon – beide sind in Autos oder auf Motorrädern unterwegs und beide können sie fliegen lassen, nur fliegt Crowley bemerkenswert tief über die Flammen/die Kälte hinweg, sodass er fortan sein Auto mit purer Willenskraft am Fahren hält. Etwas höher wäre zu anstrengend gewesen ...?
Ansonsten ist die Handlung gut durchdacht oder lässt sich mit etwas Phantasie erklären, nachdem man eine halbe Minute lang nachdenklich in die Luft gestarrt hat. An einigen Stellen gibt es tiefsinnigere Anspielungen oder Gedankenanstöße, die aber recht rar bleiben und die Geschichte kaum dominieren – bis auf der, dass der Engel etwas dämonisch und der Dämon etwas engelsgleich ist.
Wie bereits gesagt sind die Charaktere recht zahlreich, aber überwiegend gut durchdacht. Sowohl Crowley als auch Aziraphale sind aus den oben genannten Gründen wohl ausgeglichener, als sie es als Engel und Dämon sein sollten. Adam, der Antichrist, der den Weltuntergang heraufbeschwören soll und des Teufels Sohn ist, ist weder wirklich gut noch wirklich böse, hat seine Stärken und Schwächen und ist ein interessanter Charakter.
Näher zur Eindimensionalität sind beide Seiten, der Himmel und die Hölle, die ab einem gewissen Zeitpunkt als vernarrte Feinde auftreten, die sich unbedingt jetzt gegenseitig abschlachten wollen (sofern möglich). Dieses Mal sehe ich ihre nicht sehr ausgewogenen Charaktere jedoch als nicht schlimm an – immerhin sind sie das personifizierte Gute und das personifizierte Böse, da erwarte ich nicht sehr viel Tiefe.
Ich muss sagen, zu Anfang habe ich mich mit „Good Omens" nicht sehr wohl gefühlt. Das liegt daran, dass ich bisher recht erfolgreich Romane gemieden habe, die ihren Fokus auf Religion – egal welche – legen. Ein Thema unter vielen darf es gerne sein, aber nicht das Hauptthema.
Daran könnte es wohl liegen, dass ich das Buch nicht als so gut befinde, wie es offenbar in der englischsprachigen Leserschaft aufgenommen wurde, aber meine Befürchtungen haben sich nur geringfügig bestätigt. Beide Autoren handhaben das Thema sehr humorvoll und flechten ein paar Denkanstöße mit ein.
Letztlich bleibt mir nur die Frage: Wie kommt man auf die Idee, die biblische Schlange mit einem Engel darüber debattieren zu lassen, ob sie das Falsche oder das Richtige getan hat und ob die Tat des Engels gut oder schlecht war?
Als Anmerkung am Rande möchte ich ein Zitat von Seite 292 anbringen, das genauso im Buch steht: „Sprechen sie [sic] Deutsch?" – Ein wunderschönes Beispiel dafür, wie ein gut gemeinter Abstecher in eine andere Sprache ein Grinsen hervorbringen kann.
Alles in allem ist „Good Omens" ein unterhaltsames Buch, das nach etwa der Hälfte seiner Länge die letzten Stunden bis zum Weltuntergang behandelt und dabei die Themen Religion, Gott, Gut und Böse und Engel und Dämonen sehr humorvoll handhabt.
Details zum Roman:
Titel: Good Omens
Autoren: Terry Pratchett, Neil Gaiman
Verlag: Transworld Publishers
Erscheinungsjahr: 2011
ISBN: 978-0-552-15984-5
Genre: Fantasy
Preis: 6,99€ (s. Datum)
Seiten: 416
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 900
Stand: 30.07.2016
Erdree ist eine Glasbrecherin, das heißt, dass sie eine unerträgliche Stimme hat, Glas zersprengen kann und sehr krankheitsanfällig ist. Ausgerechnet sie soll Generalin Ulante helfen, gegen die Ronn, menschenähnlichen Feinden, zu siegen – und deckt dabei zusammen mit dem Bogenschützen Wiralin mehrere Verbrechen auf.
Der Schreibstil ist solide und beschreibt sowohl die Umgebungen als auch die Emotionen der Charaktere gut bis herausragend; kaum eine Stilblüte trübt ihn und so vermag er in die Geschichte zu führen und den Leser zu fesseln. Er könnte zwar noch etwas komplexere Sätze hervorbringen, ist aber insgesamt recht ausgewogen und wechselt zwischen abgehackt-kurzen und elegant-langen Konstruktionen.
Die Handlung gestaltet sich an einigen Stellen etwas vorhersehbar und am Ende gibt es in erster Linie auszusetzen, dass es etwas zu happy ist, aber die kleineren Entbehrungen werden von überraschenden Wendungen wettgemacht, die das Schicksal der Protagonisten Erdree und Wiralin immer wieder in eine neue Richtung schleudern.
Die beiden Hauptcharaktere warten mit etwas auf, das in der modernen Fantasyliteratur etwas verkommen ist: Sie haben ihre Geschichte, sie haben ihre Konflikte, sie haben ihre Schwächen und Erfahrungen, die sie überwinden und richtig nutzen müssen. Die Antagonistin Ulante scheint an einigen Stellen etwas zu simpel zu sein, aber gerade durch Wiralins Perspektive wird dem Leser präsentiert, wie rasch sich die Ansicht, wer wessen Feind ist, verändern kann.
„Die Glasbrecherin" glänzt mit einer gut durchdachten Welt, deren Sprachen, Politik, Religion und Alltagsleben zwar nicht vollständig aufgedeckt, aber sehr gut beleuchtet werden und die Platz für faszinierende Phänomene bietet. Ebenso verweigert sie sich einem simplen Gut-Böse-Schwarz-Weiß-Schema, was durch die sich verändernden Perspektiven Erdrees und Wiralins gut zur Geltung gebracht wird.
Der größte Kritikpunkt betrifft die fehlenden Absätze, die das Lesen an einigen Stellen erschweren, und die sprachlichen Fehler, die besonders häufig bei der Zeichensetzung der direkten Rede auftreten („Yyy," xxx statt „Yyy", xxx), aber auch bei Nebensätzen nach „als" und „wie" manchmal zu finden sind und die in einem Roman dieser Güteklasse nichts zu suchen haben.
Wen diese Fehler nicht schrecken, dem sei „Die Glasbrecherin" wärmstens empfohlen – es wartet eine faszinierende Welt mit dreidimensionalen Charakteren, die von ihren Konflikten geprägt sind, und die mit einigen Wendungen des gewohnten Handlungsverlaufs aufwarten kann auf jeden, der sich in den Roman vertieft.
Details zum Roman:
Titel: Die Glasbrecherin
Autorin: Irene Euler
Veröffentlicht über: neobooks
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-7380-5683-9
Genre: Fantasy
Preis: 3,99€ (s. Datum)
Seiten: 328
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 31.07.2016
Wörter: circa 400
Stand: 31.07.2016
Markant für die Scheibenwelt-Romane ist, dass leblose Objekte nicht automatisch geistlos sind. So entwickelt in „Moving Pictures" die Idee der Filme – wenn auch etwas anders umgesetzt als in unserer Welt – eine eigene Persönlichkeit, wenn man es so nennen möchte.
Der Zaubererstudent Victor trifft auf die neueste Erfindung der Alchemisten Ankh-Morpoks, die Filme, und wird – ebenso wie viele andere Menschen und auch einige Tiere, darunter eine Ente, eine Maus, eine Katze und ein kleiner Hund – nach Holy Wood gezogen, wo sich die Filmindustrie niederlässt. Bald gibt es aber erste Anzeichen, dass etwas mit der neuen Erfindung nicht stimmt.
Grundsätzlich ist über den Roman zu sagen, dass er repräsentativ für den Stil ist, wegen dem ich die Scheibenwelt-Romane lese. Wie auch bei „Wyrd Sisters" wechseln sich lange und kurze Sätze ab, wobei erstere in der Überzahl sind, die Charaktere zeigen in direkten Reden, welche Wortverstümmelungen sie bevorzugen, und alles wird durch eine ordentliche Portion Humor aufgelockert, die alles und jeden auf die Schippe zu nehmen scheint:
„A month went by quickly. It didn't want to hang around." (S. 23)
Besonders stark ausgeprägt sind in diesem Roman die Querverbindungen zu unserer Welt – ich möchte an dieser Stelle lediglich auf die Szene hinweisen, in der eine gigantische Frau auf einen Turm klettert und dabei einen Affen in der Hand hält.
Wie üblich gibt es ein wenig GESCHREIE – wenn ich auch anmerken muss, dass es im Fall des Realitätsmessers einen gewissen positiven Effekt hat –, und ein paar Abkürzungen, von denen die störendste „=" war. Auch werden nicht allzu viele für das Schulvokabular untypische Wörter verwendet, wenn man auch sicher ein paar dazulernen kann.
Während der Konflikt recht bald erahnbar ist – etwas stimmt nicht mit der neuen Erfindung –, ist die Lösung zu diesem Konflikt nicht vorhersehbar. Wohlgemerkt habe ich diesen Roman vor etwa drei Jahren bereits auf Deutsch gelesen und dank eines gewissen Gedächtnisausfalls wusste ich so gut wie gar nicht, wie genau es endet – gerade die letzten einhundert bis fünfzig Seiten haben mich durchgehend grinsen lassen; das Finale ist ausgesprochen gut gelungen.
Es werden nicht sehr viele Handlungsstränge verfolgt – im Gegensatz zu „Raising Steam" –, aber wie gewohnt sind diejenigen, die zu lesen sind, miteinander verschlungen, wobei vieles hier offensichtlich ist und nur wenig überraschend kommt.
Was als positiv anzumerken ist, ist die Tatsache, dass ich mir keinen Logikfehler notiert habe. Für gewöhnlich finde ich irgendwelche Kleinigkeiten auszusetzen - auch bei „Moving Pictures" haben mich einige Dinge stutzig werden lassen, die ich mir aber nach einigen Sekunden des Nachdenkens erklären konnte.
Der Protagonist ist Victor, der recht rasch Bekanntschaft mit Ginger und Gaspode macht. Ich würde den Zauberlehrling nicht als herausragenden Charakter bezeichnen, aber als durchaus ausgeglichenen: er ist intelligent, aber viel zu faul, um daraus etwas zu machen, wie bereits gut daran zu erkennen ist, dass er seit mehreren Jahren die Finalprüfung mit genau vierundachtzig Prozent der Punktezahl verhagelt. Unter achtzig Prozent und das Erbe seines Onkels wird ihm gestrichen, achtundachtzig und er wird zum Zauberer.
Als witziger und interessanter stellt sich der Wunderhund Gaspode heraus, der zu seinem großen Verdruss sprechen kann und intelligent ist. Sein Hauptkonflikt besteht darin, dass er sich einerseits nicht als menschenhörig bezeichnen möchte, andererseits ist er aber auch kein Wolf, der auch mal seinen Speiseplan umstellt, wenn es die Umstände verlangen. Letztlich ist diese Zerrissenheit eine Eigenschaft, die ihm hilft, wenn er es auch kaum mitbekommen dürfte.
Als Antagonisten kann man höchstens die Kreaturen bezeichnen, die sich am Ende als die eigentliche Bedrohung herausstellen – wobei nicht ganz klar ist, was sie überhaupt wollen, außer einer Existenz auf der Scheibenwelt. Insofern kann ich hier weder Schlechtes noch Gutes anmerken – höchstens, dass es mal eine nette Abwechslung ist, dass der Leser nicht sofort weiß, wer der Böse ist, ebenso wenig die Charaktere – Victor begeht hier einen recht kritischen Fehler.
Die herrliche Schrägheit der Scheibenwelt offenbart sich in „Moving Pictures" besonders gut. Ebenso wie in „Wyrd Sisters" gelingt es Terry Pratchett, Ernst und Gedankenanstöße mit seinem Humor zu mischen, ohne dass das Ergebnis auch nur ansatzweise misslingt.
Der einzige Grund, warum ich keine fünf Sterne gebe, ist der, dass zwar einiges an Faszinations-Potenzial und Wow-Effekten dabei war, es aber nicht gereicht hat, um die Höchstwertung zu bekommen. Ebenso wie bei „Jonathan Strange & Mr. Norrell" und „Die Glasbrecherin" ist der Roman sehr knapp an einem Lesetipp vorbeigeschrammt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Terry Pratchett mit „Moving Pictures" ein unterhaltsamer, gut durchdachter Roman gelungen ist, der mit interessanten Charakteren und einem schwer vorhersehbaren Ende punkten kann: Eine klare Leseempfehlung.
Details zum Roman:
Titel: Moving Pictures
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Orion Publishing
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-1-473-20023-4
Genre: Fantasy
Preis: 9,99€ (s. Datum)
Seiten: 351
Reihe: ja, 10 von 41 (unabhängig voneinander lesbar; s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 31.07.2016
Wörter: circa 1000
Stand: 06.08.2016
Nachdem Auc von diesem Roman geschwärmt hat, habe ich ihn mir ohne großes Federlesen gekauft. Freilich hat so auch meine Bekanntschaft mit „Windjäger" ihren Anfang genommen, wenn auch von jemand anderem empfohlen – obwohl ich dazu sagen muss, dass es hier bei weitem nicht so schlimm ausgegangen ist.
Auf einem Planeten, der sich so langsam dreht, dass eine Nacht mehrere Jahrzehnte dauert, leben die Menschen in dieser und die Sasseks, intelligente Amphibien, im Tag. Als die Nacht nicht mehr kommt, sondern von einem blauen Tag abgelöst wird, muss neben der Vereinbarung dieses Paktes noch eine gänzlich andere Bedrohung aus dem Weg geräumt werden.
Kaum ein Schreibstil hat mich so wenig beeindruckt wie der von Robert Corvus. Dabei kommt er meinen Gewohnheiten sehr entgegen: Längere, verschachtelte Sätze wechseln sich mit kürzeren ab und die meiste Zeit über wird weder zu zeitraffend noch zu sehr zeitstreckend erzählt. Die Handlungen werden gut beschrieben, auch die Kampfszenen – ab und an hätte ich mir etwas fließendere Übergänge zwischen kleinen Handlungen gewünscht; man findet sich teilweise mit einer neuen Person im Szenario, die zuvor noch nicht da war, oder plötzlich außerhalb der Behausung, weil nicht geschrieben wurde, dass die Charaktere rausgegangen sind –, aber im Großen und Ganzen habe ich nichts Dramatisches daran auszusetzen.
Die Umgebung ist recht detailliert und oftmals mit Vergleichen und Metaphern beschrieben. Müsste ich schätzen, würde ich sagen, dass ein Viertel bis ein Drittel des Romans aus solchen Beschreibungen besteht – erneut: Etwas, das mir in die Hände spielt.
Auch die Gefühle der Charaktere werden eingehend und mit ihren physischen Komponenten versehen – die meiste Zeit über. Das einzige, das mir gerade in der ersten Hälfte des Romans negativ aufgefallen ist, ist dass einige der Gespräche recht steif, teilweise gestellt wirken – und doch, der Schreibstil will und will mich einfach nicht packen, obwohl fast alle Kriterien stimmen.
Und hier sieht man, dass ein paar Analysepunkte nicht ausreichen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es einem tatsächlich gefällt.
Was ich recht kurios fand, waren die Fehler auf der Ebene der Rechtschreibung und Grammatik. Nicht, dass sie nicht in vertretbarem Umfang zu lesen gewesen wären – es waren einfach sonderbare. Mal wurde ein Hilfsverb ausgelassen, was den Satz ziemlich ulkig aussehen ließ, mal ein Buchstabe vergessen – einmal ein "s", einmal ein "h" bei „ihn". Von der Anzahl her nicht der Rede wert, aber für gewöhnlich liegen die Fehler in Romanen eher im Bereich der Beistriche oder Zeichensetzung allgemein, deswegen ist es mir so sehr aufgefallen.
Das einzige, das sonst negativ heraussticht, sind die Beschreibungen der erfundenen Tiere. Ich kann mir nach wie vor kein richtiges Bild von den Sasseks machen, weiß nicht, wie ein Weißpüschel oder sonstiges Getier aussieht – auch die Beschreibungen der erfundenen Pflanzen ist eher mangelhaft; "blaue Blumen" – erklärt alles.
Der Handlung muss man zugutehalten, dass man nicht sofort weiß, wie es enden wird – was auch daran liegt, dass die größte Bedrohung erst auf den letzten Dekaden Seiten erkennbar ist. Einige der Dinge, die die Charaktere verbockt haben, waren absehbar und letztlich würde ich den Plot nicht als übermäßig innovativ bezeichnen, aber als recht solide.
Es wird aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei eine davon einem Charakter gehört, den ich nicht zu den Protagonisten zählen würde – dazu aber später noch mehr. Es gibt keine großartigen Verflechtungen; die Auswirkungen sind recht offensichtlich. Ab und an gibt es ein paar Begebenheiten, die verdächtig zufällig wirken, aber auch das hält sich im Rahmen.
Im Allgemeinen ist die Handlung schlüssig, wenn sie nicht gerade von stupiden Charakteren ruiniert wird. Dennoch habe ich mir zwei Fragen notiert, die beide mit der Bilteca (einer Art Bibliothek, die die Kristallbücher enthält) zusammenhängen.
Zunächst einmal: Das Verbot, dass Gelehrte nicht lesen dürfen, ist unfassbar dumm und sticht heraus wie ein bunter Hund. In der Stadt am Nordpol wurde das zwar dem Volk begründet – aber auch nur deswegen, weil das Verbot universell galt, nicht nur auf Gelehrte bezogen. In Oculor hingegen ist es doch sehr verwunderlich, dass sich da keiner gewundert hat.
Dann noch: Ist keiner der Gelehrten, die von der eigentlichen Bedrohung wissen, auf die Idee gekommen, die Eine-Millionen-Euro-Frage zu stellen: „Wie können wir die besiegen?" Oder soll ich einfach davon ausgehen, dass die lieber tatenlos dabei zusehen, wie fast alle Menschen und Sasseks umkommen, weil sie nicht glauben, dass sich ein paar Botschafter zur Notwendigkeit überreden lassen?
Die Charaktere sind eines der größten Probleme, die ich mit diesem Roman habe. Nicht, dass sie herausragend hassenswert wären – sie sind schlicht unsympathisch und ihr Schicksal juckt mich so rein gar nicht.
Der Protagonist ist Remon, der der Grauwacht – die den Wechsel von Tag und Nacht und die Einhaltung des Pakts überwacht – desertiert ist, indem er seinen Tod vortäuscht und sich mit seiner Frau Nata in die Wildnis flüchtet. Durch das Nabo, das er in der Grauwacht bekommen hat und das ihm übermenschliche Schnelligkeit, Kraft, Sinneswahrnehmung und sonstiges Tralala verleiht, ist er prinzipiell der Beste in allem, außer dann, wenn er es mit anderen Grauwächtern zu tun bekommt.
Er wirkt wie der leidende, abgebrühte Mann mit dem harten Leben, der doch nur tut, was er für richtig hält, und sich nicht alles vorschreiben lassen will. Ironischerweise lässt er sich alles vorschreiben, sobald er mal in Kontakt mit der Grauwacht kommt. Die einzige positive Eigenschaft, die ich bei ihm sehe, ist die Fürsorge für Nata und seine Tochter Enna.
Die Tatsache, dass er bei den Sasseks aufgewachsen ist und dadurch sozusagen ein Kind beider Kulturen ist – wunderbar symbolisch, nicht? – macht es übrigens kein Stück besser. Es scheint, als ob es nur naheliegend wäre, dass sich die Grauwacht neben dem Kämpfen auch ein wenig mit der Körpersprache der Sasseks auseinandersetzt, aber das wäre dann wohl zu viel von den Menschen verlangt.
Nata ist nicht wesentlich sympathischer. Das, was sie als großen Charakterfehler besitzt, ist stupide Phantasielosigkeit. Ich bin selbst niemand, der übermäßig schlagkräftig in spontanen Diskussionen ist, aber selbst mir wäre in den Situationen, in denen sie ihre Anwesenheit hier und dort nicht zu begründen weiß, auf Anhieb etwas Brauchbares eingefallen. Im Übrigen leidet nicht nur sie darunter, sondern alle, die das brauchen könnten – außer der „bösen" Gelehrten, die kann es umso besser.
Dafür, dass von Nata gesagt wird, dass sie intelligent sei, verhält sie sich nicht sehr intelligent, eher ziemlich kurzsichtig und unüberlegt. Meistens geht das Ganze glücklich aus, was aber eher dem magischen Zufall als ihrem Geschick zuzuschreiben ist. (Und natürlich ist ihre Tochter Enna ein Wunschkind. Es kann ja nicht sein, dass es mal nur ein durchschnittliches Kind ist oder sogar eines mit einer mentalen Behinderung. Das passt einfach nicht ins Konzept, okay?)
Dann wäre da die einzige Sassek-Perspektive, die dem Leser präsentiert wird; die von Ssarronn. Er ist ein Mitglied der Goraja, was so viel wie Sittenhüter und Geschichtenerzähler (Weise und Gelehrte, wenn man so will) bedeutet. Die Seiten aus seiner Sicht waren mir noch die liebsten – nicht, weil er ein wirklich interessanter Charakter ist, sondern weil sie eine andere Sicht als die menschliche (die sich als erstaunlich langweilig herausgestellt hat) auf die ganze Situation zur Geschichte beitragen.
Auch er ist geradezu schicksalsergeben und gleichzeitig neugierig auf die Verfärbung in ausgerechnet die Unglücksfarbe seiner Spezis, Blau. Außerdem möchte er es mit Kress, einer sehr impulsiven und reichlich kleingeistigen Sassek, die erst gegen Ende Vernunft annimmt, treiben. Wesentlich mehr fällt mir zu seinem Charakter nicht ein.
Habe ich schon erwähnt, dass alle Protagonisten es mit irgendwem treiben wollen? Meistens mit einem anderen Protagonisten.
Zuletzt noch Vorena, obwohl sie nicht wirklich ein Hauptcharakter ist. Ich denke, ihr Charakter lässt sich am besten umreißen, wenn ich sage, dass sie zu den Menschen gehört, die Tausende töten würden, wenn ihr das von der Autoritätsperson – dem Plexo beziehungsweise der Grauwacht – so aufgetragen wird. Der einzige Stern am Horizont ist die Tatsache, dass sie nicht sadistisch ist, aber abgesehen davon kann ich bei ihr nichts Positives finden. Sie ist sehr in ihre eigenen Ansichten verbohrt, und nur, wenn man sich nach denen richtet und sie quasi mit ihren eigenen Waffen schlägt, kann man ihr etwas hineinreden.
Antagonisten gibt es nicht wirklich, lediglich ein paar Sasseks, die sich kindisch benehmen, und ein paar Gelehrte der Menschen, die sich kleinlich benehmen. Nichts davon wird näher begutachtet oder ergründet; die Leute sind einfach, wie sie sind, und Punkt.
Obwohl mich die Welt nicht so sehr mitgerissen hat, wie ich das erwartet und erhofft habe, ist es nur gerecht, wenn ich hier ein paar Worte des Lobes loswerde. Ich habe keine Ahnung, ob die Konstellation der Sonne(n) und des Planeten so physikalisch möglich wäre unter der Voraussetzung, dass darauf noch etwas leben kann – ich tendiere zu „nein" –, aber der Gedanke an sich ist ganz nett und auch mal etwas Neues.
Der Planet ist von anderen Tieren bevölkert als die Erde, was den gesamten Roman realistischer erscheinen lässt. Zu den Sasseks muss ich sagen, dass es mich nicht verwundert, dass so viele Rezensenten sie für Reptilien halten. Immerhin weisen Amphibien weder Schuppen auf noch können sie im Salzwasser sonderlich gut überleben – wobei ich hier gewillt bin, das auf die unterschiedliche Evolution zu schieben. Als Amphibien würde ich die Sasseks dennoch nicht bezeichnen.
Herausragend empfinde ich das Konzept der Kristallbücher und wie man an sie kommt. Diese fallen von einer Art Wasserfall – in diesem Fall wohl einem Kristallfall – in der Bilteca nach unten. Um eines der Kristallbücher lesen zu dürfen, muss man eine Frage stellen und dann die Gegenfrage des Geistes – noch so eine nette Erfindung – richtig beantworten.
Zu guter Letzt muss ich auch der Auflösung des Rätsels und der Aussage, die dem Ende des Romans zugrunde liegt, ein Lob aussprechen. Auf gleich zwei Ebenen kommt wunderbar heraus, dass der Mensch seine Intelligenz dafür verwenden kann, mit anderen Lebewesen nebeneinander, nicht gegeneinander zu existieren.
Abschließend muss ich sagen, dass mich „Grauwacht" zwar ziemlich kalt gelassen hat, es aber auch ziemlich schlechte Karten hatte, waren die letzten drei Bücher doch sehr knapp an der Grenze zur Höchstwertung. In puncto Welt ist Robert Corvus sehr kreativ geworden und auch die meisten anderen Aspekte passen soweit, aber da es mich so gar nicht berührt hat, bleibt die Wertung mittelmäßig.
Details zum Roman:
Titel: Grauwacht
Autor: Robert Corvus
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-492-26994-0
Genre: Fantasy/Science-Fiction
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 432
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1700
Stand: 31.07.2016
Wie unschwer an den vorherigen Rezensionen erkennbar, gab es 2014 - dem Jahr meiner englischen Blindkäufe - praktisch nur einen Autor, dem ich zugetraut habe, verlässlich ein gutes Buch zu schreiben - und das Bisschen, das als Klappentext präsentiert wurde, versprach eine unterhaltsame, amüsante Lektüre, eben im Stile Pratchetts.
So ganz ist das nicht gelungen. Joshua, der Protagonist des Romans, kann ohne das Hilfsgerät, das die meisten anderen Menschen brauchen, zwischen den unendlich vielen Erden wechseln und liebt die Einsamkeit, die Stille in den unbewohnten Welten. Deswegen wird er von Lobsang, einem wiedergeborenen tibetanischen Techniker, der ein intelligenter Computer ist, auf eine Reise mitgenommen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, so weit in die unendlichen Erden vorzudringen wie nur möglich.
Dass das Hilfsmittel, mit dem der Durchschnittsmensch die Dimension wechseln kann, eine Kartoffel als Energiespeicher aufweist und Lobsang ein wiedergeborener Mechaniker in der Gestalt einiger Schaltkreise ist, ist so ungefähr das einzige, das Terry Pratchetts Mitwirken offenkundig bezeugt. Der übliche Humor, der auch in „Good Omens" zu finden ist, ist ansonsten abwesend.
Dennoch lässt sich der Roman recht flüssig lesen. Kürzere Sätze folgen auf verschachteltere, sodass ein ausgewogenes Lesegefühl entsteht, und bereits mit dem Schulenglisch einer zwölften Klasse kommt man hier recht weit, wenn man auch ein paar neue Wörter dazulernen kann. Gefühle und Handlungen werden gut und glaubhaft wiedergegeben, die Umgebungsbeschreibungen hingegen lassen etwas zu wünschen übrig, obwohl man sich immer grob vorstellen kann, wie es um die Protagonisten herum aussieht - mehr dazu später.
Selten werden Abkürzungen verwendet, darunter mehrere „/", ansonsten habe ich nichts wirklich anzukreiden. Einige der Kapitel sind ziemlich kurz, aber sonst fällt nur noch auf, dass neben Joshuas Sicht immer wieder andere eingebaut werden, die mehr von der Welt erzählen und die Gegebenheiten nach dem „Step Day", an dem die ersten Menschen mithilfe des „Steppers" die Erden gewechselt haben, besser beleuchten.
Diese recht zahlreichen Einwürfe, die mit der Handlung selbst tendenziell wenig zu tun haben und ihren Sinn nur darin finden, dass sie den Leser die Welt etwas besser erschließen lassen, zählen zu meinen Kritikpunkten. Gerade weil das einzige Ziel der Handlung ist, so weit wie möglich vorzudringen, wirken sie, als hätten die Autoren nach irgendetwas gesucht, mit dem sie die rund vierhundert Seiten füllen könnten.
Das Ergebnis: Die Handlung erweckt einen zerfledderten Eindruck, wie eine Socke, die zur Hälfte aus Löchern besteht.
Positiv anzumerken sind die quasi nicht vorhandenen Logikfehler und die Tatsache, dass sämtliche Eigenheiten der Welt von den Handlungen der Charaktere gespiegelt werden. Ebenso denkwürdig ist, dass die Auflösung des Konflikts nicht in dieser Form erwartet wurde und dementsprechend als überraschende Wendung über den Leser herfallen kann.
Weniger positiv ist die Handlungskurve an sich. Dadurch, dass während der ersten zweihundertfünfzig Seiten erzählt wird, wie andere Charaktere mit den neuen Welten umgehen oder umgegangen sind und wie einzelne Sequenzen auf der Reise Joshuas und Lobsangs aussehen, die erzählenswert wirken, wirken die letzten einhundertfünfzig Seiten - ab denen der eigentliche Konflikt absehbar ist - besonders dicht gepackt mit Ereignissen.
Das Ende wiederum läuft auf den zweiten Band hinaus, der sämtliche nicht schwer zu bekommenden Vorahnungen bestätigend „The Long War" heißt, und ich wage darauf zu spekulieren, dass, hätte man keinen zweiten Band mehr gehabt, die Handlung etwas gleichmäßiger verteilt gewesen wäre, indem die Konflikte früher schon zu brodeln begonnen hätten.
So wirkt das Ganze wie eine Art Vorspiel, bis es darum geht, die Leser für den zweiten Band zu gewinnen. Solche (angedeuteten) Cliffhanger haben bereits bei „Windjäger" nicht gezogen und ziehen auch hier nicht.
Während Lobsangs Charakter ein ganz passabler Protagonist ist - er ist sehr analytisch, tendiert zu einem etwas zu großen Ego und kann dementsprechend als halbwegs ausgeglichen bezeichnet werden -, kann ich mit Joshua auch nach vierhundert Seiten nicht viel anfangen.
Als ich mir Notizen für diese Rezension gemacht habe, habe ich versucht, seinen Charakter zusammenzufassen. Herausgekommen sind folgende Stichwörter: will allein sein, hält sich an Instruktionen für Gegenstände, ist gründlich. Obwohl ich einen ganzen Roman über ihn gelesen habe, kann ich seinen Charakter nicht richtig erfassen - was schlicht nicht passieren sollte.
Während der recht zahlreichen Gespräche zwischen Joshua und Lobsang ist gut erkennbar, dass zumindest letzterer in der direkten Rede leicht von den anderen Charakteren unterschieden werden kann - seine Sprache reflektiert sein Denken, wofür ich hier lobend ein Zitat zur Schau stellen will:
„'A civilization built by post-dinosaur evolutionary descendants, perhaps,' Lobsang said fussily. 'We must be precise about terms.'" (S. 339)
Es gibt keinen klaren Antagonisten, sofern man die „Anti-Stepper"-Bewegung auf den letzten einhundert Seiten wegzählt. Das ist durchaus erfrischend und auch die Tatsache, dass das Problem, über das Joshua und Lobsang während dieser letzten Dekaden Seiten stolpern, nicht ultimativ gelöst werden kann oder zumindest noch nicht gelöst ist, ist unüblich.
Es gibt viele Nebencharaktere, die ein paar Seiten von den Autoren gespendet bekommen, die aber unterschiedlich gut ausgebaut werden. Einige bekommen ihre eigene Geschichte und handeln nachvollziehbar, genug andere hingegen nicht - gerade bei der „Anti-Stepper"-Bewegung fällt das auf, da lediglich ein Charakter so etwas wie einen Hintergrund hat, alle anderen, inklusive dem Anführer der Bewegung, handeln einfach nur - um den zweiten Band zu promoten? Bekommen sie da etwas mehr Raum?
Gerade gegen Ende bekommt der Roman ein paar sozialkritische Züge, eben über diese Bewegung, die ins Terroristische abgleitet und sich in der jetzigen Zeit an verschiedenen Orten beinahe eins zu eins wiederfinden lässt. Um aber mehr Kritik zu üben als zu sagen „Was die da machen, ergibt keinen Sinn", gehen die beiden Autoren nicht tief genug und geben nur einem Charakter eine glaubwürdige Motivation.
Ansonsten gibt es einige philosophische Ansätze, die die typischen Fragen - Wozu sind wir? Warum gibt es so viele Erden? Was ist der Sinn dahinter? - abdecken und teilweise von den Charakteren ausdiskutiert werden - letztlich mit der Antwort, dass sie es auch nicht wissen.
Ansonsten lässt sich zu der erschaffenen Welt in erster Linie sagen, dass die Idee alternativer Universen nicht neu ist, aber dafür sehr weit gedacht wurde und das auf sehr vielen Ebenen: wirtschaftlicher, finanzieller, persönlicher, krimineller, politischer, sozialer ...
Die Sachen mit der Kartoffel, den Elfen und Trollen und der fehlenden Erde sind ganz nett, ebenso die Vorstellung unendlich vieler Mars-Planeten, und auch der Antagonist ist nicht von schlechten Eltern und etwas abseits des Erwarteten, aber so richtig einnehmend sind die Ansätze nun auch wieder nicht. Am überzeugendsten sind die Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft, für anderes gab es entweder zu wenig Platz oder es ist eben nichts Weltbewegendes.
Was ich dann doch etwas suspekt fand, waren die Landschaften der mehrere Millionen Erden, über die sie fliegen, die in „Meer", „Ödland" und „Wald" unterteilt werden. Ernsthaft - mehr ist nicht drinnen? Kein Sumpfgebiet, keine Wiesen, keine Steppen, keine Tundren, nur „Wald"?
Unterm Strich ist „The Long Earth" ein Science-Fiction-Roman, der durchaus seine Stärken hat, der mich aber ziemlich unbeeindruckt dem nächsten seiner Art überlässt. Für zwischendurch oder als Geschenk ist er gut geeignet; den zweiten Band werde ich mir aber nicht kaufen und ihn aller Voraussicht nach auch nicht lesen.
Details zum Roman:
Titel: The Long Earth
Autoren: Terry Pratchett, Stephen Baxter
Verlag: Transworld Publishers
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 978-0-552-16408-5
Genre: Science-Fiction
Preis: ca. 6,99€ (s. Datum)*
Seiten: 424
Reihe: ja, 1 von 5 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 30.08.2016
Wörter: circa 1200
Stand: 30.08.2016
*: Da ich genau die Ausgabe, die ich gelesen habe, nicht wiedergefunden habe, habe ich eine ähnliche genommen. Dementsprechend kann der Preis variieren.
Der Astrophysiker Jake Forrester wird von Aliens entführt und auf ihrem Planeten zu einer Menschenkolonie gebracht, in der strikte Regeln und Überwachung den Alltag dominieren. In dem Bestreben, zurück zur Erde zu kommen, zieht er die Aufmerksamkeit seiner Entführer auf sich – zusätzlich nähert sich auch noch eine Katastrophe, die bereits mehrere Sterne und Planeten auf dem Gewissen hat.
Von der ersten Zeile an drängt die aufgebaute Spannung den Leser dazu, die Seiten immer weiter umzublättern. Diese wird jedoch nicht durch atmosphärisches Beschreiben, sondern durch kurze Sätze und ein rasendes Erzähltempo verursacht, das keinen Platz für Beschreibungen von Umgebungen, Charakteren, Emotionen, Handlungen oder der Welt lässt. Auf den letzten Dekaden Seiten bessert sich der Stil und es gibt öfter anspruchsvollere Sätze, unterm Strich ist er aber sehr einfach gehalten und setzt einzig auf Spannung.
Abkürzungen, vereinzelte Stilblüten und ein wenig GEBRÜLLE trüben den Roman zusätzlich, angepasste Redewendungen lassen die Welt hingegen authentischer wirken. Hätte man sich die Seiten genommen, vernünftig zu beschreiben und auch mal Ruhepausen einzulegen, hätte der Plot wahrscheinlich drei Bände füllen können.
Zunächst ist die Handlung nur schwer vorhersehbar, aber etwa ab dem Zeitpunkt, zu dem sich Jake in der neuen Welt so halbwegs auskennt, sind die meisten Wendungen bereits Seiten zuvor erkennbar. Dutzende Logikfehler unterschiedlicher Ausmaße prägen den Plot und der Zufall wird einen Tick zu oft bemüht. Ungelenk eingebaute Flashbacks helfen kaum, Sympathie oder Verständnis für die schwammigen Charaktere zu entwickeln und ebenso auffällig ist, dass nebst der weisen, alten Dame keine einzige hässliche Frau im Roman zu existieren scheint.
Oft werden die Handelnden von anderen Figuren direkt charakterisiert, ohne dass ich diese Eigenschaften nachvollziehen kann. Viele der Protagonisten halten das, was ihnen zugeschrieben wird, nicht durch und ändern ihre Eigenschaften, wie es gerade für die Handlung notwendig ist. Die Hauptcharaktere haben kaum einen Makel und im Falle von Wate und Jake kann ich ihren Charakter nicht einmal in Worte kleiden, so schwammig wirkt er auf mich, während die Antagonisten sadistisch, arrogant und böse sind, jedoch nicht die Hintergrundgeschichte bekommen, die sie zu halbwegs brauchbaren Bösewichten machen würde. Auch weisen sie so gut wie keine positiven Eigenschaften auf, was ebenfalls für das simple Schwarz-Weiß-System des Romans spricht.
Durch das rasende Erzähltempo kommt die Welt zu kurz, gerade die der Aliens, sodass die Tiefe und die Kritik, die im Ansatz vorhanden sind, keine Chance zur Entwicklung haben. Politik, Wirtschaft, Intelligenzfragen bleiben angedeutet, aber ungelöst. Zusätzlich zieren jede Menge sprachlicher Fehler wie bei der Zeichensetzung und Formatierungsfehler rund um die kursive Schrift den gesamten Roman, sodass die Grenze zwischen Fehler und Absicht verschwimmt.
„Squids: Aus der Tiefe des Alls" ist eine seichte Lektüre, die von ihrer Spannung lebt und zusammengehalten wird, gerade aber durch deren Aufbau sämtliches Potenzial an die Umstehenden verschenkt. Für die nächste Überarbeitung würde ich dringend einen Korrektor und einen großen Haufen Betaleser empfehlen, um die peinlichsten Fehler rauszufischen. Die drei Sterne bekommt der Roman lediglich deswegen, weil das Lesen selbst unterhaltsam war, wenn auch nicht immer so wie ursprünglich geplant.
Details zum Roman:
Titel: Squids: Aus der Tiefe des Alls
Autorin: Leo Aldan
Veröffentlicht über: Belle Époque Verlag
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-945796-52-8
Genre: Science-Fiction
Preis: 16,99€ (s. Datum)
Seiten: 508
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 05.09.2016
Drachen zählen zu den Wesen, die in der Fantasy sehr weit verbreitet sind und die es bald in allen Variationen gibt, die man sich ausdenken kann. Auch in der Scheibenwelt sind sie vertreten, und das gleich doppelt.
Die Nachtwache in Ankh-Morpok ist die am wenigsten geachtete Wache auf der gesamten Scheibenwelt. Ausgerechnet ihr Hauptmann bekommt vom Patriarchen der Stadt den Auftrag, herauszufinden, was es mit den Anzeichen der Rückkehr der großen Drachen auf sich hat. Bald steht fest: Woher auch immer der Drache kommen mag – in Ankh-Morpok geht es nicht mit rechten Dingen zu. (Noch weniger als sonst schon.)
Wie üblich gestaltet sich Terry Pratchetts Schreibstil sehr humorvoll und ausgewogen. Es gibt Sätze, die sich über einen beachtlichen Absatz spannen, während andere lediglich ein Wort umfassen. Der Dialekt und die Umgangssprache, die die Charaktere in ihren direkten Reden und Gedankengängen demonstrieren, verleiht dem Roman einen authentischen Anstrich.
Ebenfalls erwartet und natürlich enthalten sind die Fußnoten, die Details ergänzen oder humorvolle Anmerkungen machen, und die Anspielungen auf diverse andere Werke der Literatur, des Films und generell unserer nur zu gut bekannten Kultur – wie auch diese hier:
„Once you've ruled out the impossible then whatever is left, however improbable, must be the truth. The problem lay in working out what was impossible, of course." (S. 124)
Freilich gibt es auch die altbewährten Abkürzungen und ein wenig GESCHREIE – da es hier bereits eine Frage gegeben hat: Nein, mit GESCHREIE meine ich nicht die direkte Rede von Tod. Seine Art zu sprechen ist eine eigene Kategorie für sich.
Die Handlung gestaltet sich nicht so verwoben und komplex, wie sie in einigen anderen Scheibenweltromanen vorhanden ist, aber von geradlinig und einfach ist sie dennoch ein ganzes Stück weit entfernt. Obwohl Hauptmann Mumm der Protagonist ist, gibt es einige meist kürzere Sequenzen, die anderen Personen folgen, wobei eine davon der „Supreme Grand Master" ist, auf den ich noch einmal zurückkommen werde.
Wenn der Roman das Rad auch nicht neu erfindet, so parodiert er es doch und wartet mit einigen Überraschungen auf, gerade, was die Charaktere betrifft.
Logikfehler habe ich in dem Sinne kaum welche gefunden. Etwas sehr überspitzt kam mir die Szene vor, in der Karotte – ein Mensch, der unter Zwergen aufgewachsen ist und sich deswegen auch als Zwerg sieht und zur Nachtwache gekommen ist, weil seine Zieheltern gemeint haben, er müsse sich unter sein Volk mischen – eine Rede vor sich besaufenden Zwergen hält, die innerhalb weniger Sätze in Tränen ausbrechen. Ich schätze aber, dass man das als Stil der Scheibenwelt bezeichnen könnte – „überspitzt" ist schließlich etwas, das sich auf praktisch jeden Roman dieser Reihe beziehen könnte.
Die zweite Sache ist die, dass zwar gerne die Naturwissenschaften herangezogen werden, um einige Phänomene zu erklären, auch was die Drachen betrifft – auf die ich ebenfalls noch zu sprechen komme –, aber gerade bei einem von diesen scheinen grundlegende biologische Prinzipien auszusetzen, beispielweise als er so kalt ist, dass er die Haut quasi verbrennt, wenn man ihn berührt, oder wenn er so heiß ist, dass ebendiese Gefahr ebenfalls besteht. Sagen wir's mal so: Es gibt einen Grund, warum so verdammt wenige Lebewesen sehr hohe oder tiefe Temperaturen überleben, und der hat etwas mit Proteinen und Wasser zu tun. (Unter anderem.)
Abgesehen davon gibt es noch eine kleine Zeitreise und wer meine Rezension zu „Wyrd Sisters" gelesen hat, weiß bereits, dass das automatisch mit Logikfehlern einhergeht – zumindest aus meiner Sicht –, aber ebenso wie bei den Hexen hält sich auch hier mein Widerwille in Grenzen. Ansonsten gibt es nicht wirklich etwas anzukreiden.
Als Protagonist kristallisiert sich Hauptmann Mumm, Leiter der Nachtwache, sehr klar heraus. Ihn als „ausgewogen" und „interessant" zu bezeichnen ist wohl das einzige, das mir nach der Lektüre möglich ist, denn obwohl er gerade in späteren Romanen rund um die Nachtwache zu einem angesehenen Charakter aufsteigt, fängt er in „Guards! Guards!" praktisch ganz unten an – eben auch, was seine Stärken und Schwächen betrifft.
Er hadert mit seinem Schicksal, mit dem Ansehen seiner Wache und sieht die Welt ziemlich zynisch. Nüchternheit ist etwas, das er sich erst noch angewöhnen muss, und obwohl er rhetorisch begabter ist als seine Untergebenen, ist er bei weitem nicht so wortgewandt, wie es hilfreich gewesen wäre. Gleichzeitig verfügt er über einen scharfen Verstand – wenn er denn mal nüchtern ist –, den er im Laufe des Romans auch einzusetzen lernt, ohne dabei übermächtig zu wirken.
Auch um die Antagonisten ist es gut bestellt. Zunächst gibt es den Drachen, dessen Philosophie zwar erst gegen Ende des Romans tatsächlich zum Vorschein kommt, dafür aber auch für Menschen eine Überlegung wert ist. Diese ist wohl der Hauptgrund dafür, dass ich ihn als einen interessanten Feind betrachte.
Der zweite ist der „Supreme Grand Master", der einiges mit dem Drachen zu tun hat und der über den gesamten Roman hinweg ziemlich verrückt und wohl auch ein wenig größenwahnsinnig rüberkommt – gerade am Anfang aber gibt es mehrere Sequenzen, die auch ihm das Teuflische nehmen. Er ist intelligent und hält die Situation Ankh-Morpoks für schlecht, weswegen er sie ändern will – wenn auch mit ziemlich radikalen Mitteln.
Über die Natur des Bösen und des Guten hat Lord Vetinari, der Patriarch der Doppelstadt, einiges zu sagen, das er am Ende des Romans auch preisgibt. Obwohl er weder ein Prota- noch ein Antagonist ist und meines Wissens nach in keinem der Scheibenweltromane eine Hauptrolle spielt, zählt er zu meinen Lieblingscharakteren der gesamten Reihe.
Auszuführen, wieso ich ihn so sehr mag, würde die Rezension sprengen und einiges vorwegnehmen, aber es ist in erster Linie die Kombination aus seiner herrlich schrägen Art, die Welt zu sehen und sie dementsprechend zu regieren, seinem Menschenverständnis und seinen Ansichten selbst, die keine Denkanstöße, sondern –tritte bereithalten.
Auch möchte ich kurz Errol erwähnen, einen Sumpfdrachen, der letztlich noch eine größere Rolle im Verlauf der Handlung spielt. Obwohl er hässlich, missgestaltet und generell außenstehend ist, wird er so beschrieben, dass nicht nur die Nachtwache ihn in ihr Herz schließt.
Mein einziger Kritikpunkt ist die Palastwache, die durchgehend hochnäsig, arrogant, zu gut bezahlt, kurzum negativ dargestellt wird. Mir ist bewusst, dass Terry Pratchett mit der Nachtwache mal einen anderen Teil der Wachen darstellen wollte als den, der sonst in Fantasyromanen dominiert, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass alle Palastwachen durchgehend arrogant sind. Gerade in Anbetracht der sonst sehr gelungenen Antagonisten ist dieser Makel auffällig.
Die Scheibenwelt an sich ist eine positive Erwähnung wert, aber wie die Drachen dargestellt werden, hat mir besonders gut gefallen – sowohl die Sumpfdrachen als auch die klassischen. Chemiefabrik und Magie – was will man mehr vom Spiegel der Welten?
Ebenfalls begeistert hat mich – gerade unter dem Aspekt, dass ich mich trotz der vergleichsweise niedrigen Zahl der gelesenen Bücher pro Jahr als „Leseratte" bezeichnen würde – der L-Raum. Mal sehen, ob ich die dazugehörige Gleichung aus dem Stehgreif zusammenbekomme: Bücher = Wissen = Macht = Energie = Masse, und wie viele Leute wissen, verzerrt Masse den Raum. Scheibenwelt eben.
Auch sehr ausgewogen empfand ich die Mischung aus Ernst und Humor. Man braucht nur eine halbe Seite zu lesen, und wenn einem die Art des Humors so halbwegs zusagt, wird man lächelnd bis grinsend vor dem Buch sitzen. Die Denktritte, die Lord Vetinari und der Drache verteilen, reiben sich an dem Witz so rein gar nicht, was eine beachtliche Leistung ist.
Abschließend bleibt mir zu schreiben, dass ich die Lektüre von „Guards! Guards!" sehr genossen habe, wenn es auch einige Schönheitsfehler gibt. Ich empfehle diesen Roman jedem, der etwas mit dem Humor von Terry Pratchett anfangen kann und wissen will, wie man den klassischen Fantasydrachen in einer Welt darstellt, die eine Stadt beherbergt, in der selbst das Verbrechen legal organisiert ist.
Details zum Roman:
Titel: Guards! Guards!
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Orion Publishing Group
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-1-473-20018-0
Genre: Fantasy
Preis: 9,99€ (s. Datum)
Seiten: 344
Reihe: ja, Band 8 von 41 (unabhängig lesbar; s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 25.09.2016
Wörter: circa 1300
Tessa wird einen Tag nach ihrem dreizehnten Geburtstag aus ihrem normalen Leben gerissen, als ihr ein Wächter, eine zum Leben erwachte Statue, verkündet, dass er sie vor den Engelsstatuen retten muss und sie möglicherweise die einzige Hoffnung in einem Krieg ist, von dem die Bewohner der Stadt nichts mitbekommen haben – ein Krieg, der nur in der Nacht von der Träumenden Stadt und ihrer Magie ausgefochten wird.
Besonders positiv hervorzuheben ist der Schreibstil, der mit vielen Vergleichen und Metaphern arbeitet, die überwiegend geschickt eingesetzt und formuliert sind. Auch Atmosphäre, Umgebung, Gefühle und Handlung werden gut beschrieben, zumindest bis zur Hälfte des Romans, ab der es einige Abstriche in puncto Qualität gibt.
Die Handlung selbst ist nichts Weltbewegendes, aber auch nicht unfassbar vorhersehbar, und der einzige Grund, wieso sie kompliziert wirken kann, ist das Konzept der Träumenden Stadt, auf das ich gleich zu sprechen komme. Im Laufe der Handlung gibt es einige Fehler und Ungereimtheiten; außerdem gibt es eine weise alte Dame, die für zwei Sätze von dem hinteren Ende einer Menge nach vorne tritt, nur um gleich darauf wieder nach hinten zu verschwinden.
Tessa als Protagonistin hat mir sehr gut gefallen – bis sie spontan begonnen hat, enorme Charakterveränderungen quasi über Absatz zu entwickeln, und das zwei- oder dreimal im Roman. Das Medusenhaupt als einer der Antagonisten ist recht ausgewogen gestaltet, hat am Ende aber zu viele Tendenzen zu „eigentlich ist sie eh lieb und nett, nur hat sie sich halt der bösen Seite angeschlossen", was das Bild etwas zerstört hat.
Eine nette Idee ist es, Engel mal die Bösen sein zu lassen und die Hässlichen die Guten. Abgesehen davon hat mich das Konzept der Träumenden Stadt nicht überzeugt, da es einerseits sehr eindimensional gestaltet ist, andererseits auch einige Ungereimtheiten aufweist, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, da die Ausführung zu viel Platz in Anspruch nehmen würde.
Alles in allem ist „Der Krieg in der Träumenden Stadt" ein Roman, der einen starken Anfang hat, etwa gegen Mitte einiges an Schubkraft einbüßt und sich mit der Träumenden Stadt wohl etwas übernommen hat. Wer das und die sprachlichen Fehler im Bereich Zeichensetzung, Großschreibung und Apostrophe ignorieren kann, wird in Manfred Lafrentz' Werk eine nette Geschichte für zwischendurch wiederfinden.
Details zum Roman:
Titel: Der Krieg in der Träumenden Stadt
Autor: Markus Lafrentz
Veröffentlicht über: neobooks
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-7380-6746-0
Genre: Fantasy
Preis: 1,99€ (s. Datum)
Seiten: 333
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 27.09.2016
Wörter: circa 400
Etwas außerhalb meiner üblichen Lesegewohnheiten liegt dieser Low-Fantasy-Steampunk-Roman, der sich thematisch mit den Elfen befasst. Nebst der Leseprobe haben auch die Lobeshymnen auf die Kreativität und Innovation des Romans meine Vorfreude geschürt – und ich beweise mal wieder, dass ich wohl in Bezug auf Rezensionen immer etwas Lernresistenz an den Tag legen werde.
Vor einigen Jahren sind durch ein natürliches und sofort wieder verschwundenes Portal Feenwesen aus ihrer Welt auf die Erde gelangt. Seitdem haben sie sich – mehr oder weniger – in die englische Gesellschaft immigriert. Mischlinge wie Bartholomew sind dabei vorprogrammiert und geächtet, doch ausgerechnet seine Schwester fällt einer Entführung zum Opfer – alles, damit sich noch einmal ein Portal öffnen kann und die Feenwesen über die Erde herfallen können.
Obwohl ich mir einbilde, dass die Fehler in vertretbarer Zahl zu finden sind, möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass wohl die Übersetzung nicht immer so ganz den Sprung in die deutsche Sprache geschafft hat. Nebst einigen Abkürzungen finden sich auch nicht ausgeschriebene Zahlen. Nun weiß ich nicht, ob das im englischsprachigen Raum so in Ordnung ist, dass man beispielweise „No. 10" in einem Roman schreibt, in der deutschen Sprache verzeichne ich das aber als Fehler.
Der Schreibstil ist flüssig und der Leser wird schnell in den Sog der Ereignisse gezerrt. Obwohl oft genug auch etwas anspruchsvollere Satzkonstrukte gebildet werden, bleibt der Eindruck simpel zurück, der auch durch diverse Wiederholungen von Nomen ohne erkennbare stilistische Relevanz verstärkt wird – ich weiß nicht, ob „Die Seltsamen" offiziell als Kinderbuch durchgeht, aber ich würde es vom Stil her irgendwo zwischen dem und Romane für Teenager einordnen. Vom Inhalt her allerdings nicht, was mich etwas verwirrt.
Positiv hervorzuheben sind die Umgebungsbeschreibungen, die anschaulich und atmosphärisch ausfallen, die Gefühlsbeschreibungen, die authentisch und realitätsnah wirken, und die direkten Reden, die dem rhetorischen Stand des jeweiligen Sprechers angepasst sind.
Die Beschreibungen der Handlung sind vorhanden, keine Frage, aber an einigen Stellen werden Details ausgelassen, die dem Handlungsfluss ein paar Steine in den Weg werfen. Auch die Beschreibungen der Feenwesen könnten ab und zu etwas enthusiastischer ausfallen; genug werden gut beschrieben, aber eine eindeutig zu große Zahl wird nur vom Namen her erwähnt, nicht von der Gestalt.
Hinzu kommen noch kleinere Ungereimtheiten. Beispielweise wird in einer Szene der Erzähler, der zwischen Mr. Jelliby und Bartholomew schwankt, einfach so gewechselt, ohne Übergang, ohne Markierung, was wiederum ziemlich störend ausfällt. Dann werden ein paar Wahrscheinlich-Gedankengänge zwar kursiv geschrieben, meist auch in der ersten Person, aber in der Vergangenheitsform wie der Fließtext. Ach ja, und der Leser wird ab und an auch mal ANGEBRÜLLT, weil sich das halt so ziemt.
Die Handlung bietet zwar ein wenig Raum zum Selberdenken, geht aber keine besonders verschlungene Wege und lässt sich von den Eckpunkten her recht klar voraussehen. Zwar weiß der Leser nicht, was genau passieren wird, aber dass bestimmte Schlüsselereignisse eintreten werden, ist bereits absehbar – vor allem, wenn man sich tatsächlich die fünf Sekunden Zeit nimmt, über die Andeutungen nachzudenken.
Dafür gibt es ein paar inhaltlich-logische Ungereimtheiten, etwa die Tatsache, dass Bartholomew wie alle, die Feenblut in sich tragen, mit Schmerzen auf Eisen reagiert. Bei ihm gestaltet sich das nur als eine Art Pochen im Hinterkopf, aber das wird in ein, vielleicht zwei Szenen mal erwähnt und ansonsten großzügig ignoriert. Man müsste meinen, dass man in einer Stadt zur Zeit der Stahlproduktion und Lokomotiven auf etwas mehr Eisen treffen würde als in zwei Szenen.
Dann gibt es noch einen der Antagonisten, Jack Box, zu dem ich später noch ein paar Worte verlieren werde. Er hat eine Motivation, die ihn dazu bringt, dem Oberbösen zu helfen und zu morden – ganz am Ende, als seine Motivation aber sprichwörtlich gestorben ist, hilft er ihm immer noch, obwohl er offenbar weiß, dass seine Motivation gestorben ist. So ganz werde ich aus ihm nicht schlau.
Ebenso wenig wie aus Mr. Jellibys Verhalten. Der klappert ein paar Koordinaten ab, von denen er glaubt, sie könnten etwas zum Plot beitragen, ohne dabei konkret etwas zu suchen außer – naja, etwas halt. Irgendwas. Dennoch beschwert er sich bei Bartholomew, er würde ihn aufhalten und ihm wertvolle Zeit kosten.
Tatsächlich ist Mr. Jelliby noch der interessanteste Charakter. Er hat einen Platz in der Regierung, legt jedoch großen Wert darauf, sympathisch und unverbindlich zu sein. Er scheut Konfrontationen und Konflikte und führt, bis er der Sache mit dem geplanten Feenportal auf die Schliche kommt, ein sorgloses, aber auch weitestgehend verantwortungsloses Leben.
Kurzum: Der Grundzug seines Charakters ist von Schwächen und Liebenswürdigkeiten geprägt. Er legt sehr viel Wert darauf, wie andere ihn sehen, und hat umgekehrt den gesellschaftlichen Konventionen – etwa, die Mischlinge zu ächten – nicht allzu viel entgegenzubringen. Im Laufe des Romans geht er zumindest in Bezug auf den letzten Punkt in die richtige Richtung, er macht also eine kleine Charakterentwicklung durch.
Er ist kein Held und, wenn er ehrlich ist, möchte er auch gar keiner sein. Nur hat er auch ein Gewissen, das sich mit seiner Sorglosigkeit nicht ganz so gut verträgt.
Bartholomew ist gerade am Anfang sehr gut gezeichnet und interessant. Mit Fortschreiten des Romans wirkt er aber zu perfekt – ja, er möchte seine Schwester unbedingt wiederbekommen und würde dafür wahrscheinlich auch über Leichen gehen, aber er kommt nie in eine solche Situation. Und ja, er ist impulsiv, er ist eben ein Kind und ein emotionales Wesen wie die meisten auf diesem Planeten, aber abgesehen davon? Gibt's nicht viel, um es kurz zu machen.
Die Antagonisten schneiden noch einmal schlechter ab. Am besten kommt noch Jack Box davon, ein Feenegel, der andere Lebewesen befällt und sie zwingt, zu tun, was er möchte. Er hat sich in eine Menschenfrau verliebt, für deren Leben er mehrere andere opfert, und damit ist er derjenige, der noch die glaubwürdigste Motivation für seine Taten hat. Aber auch da gibt es, wie bei dem Punkt Logik vorgebracht, einen Fehler, und alles in allem hätten etwas mehr Einblicke in seine Person mehr Sympathie und eine bessere Charakterzeichnung erlaubt.
Mr. Lickerish, der Justizminister und derjenige, der mithilfe von Mischlingen das Portal öffnen will, hat kaum nennenswerte Motive, die weiter thematisiert werden. Hass, Machtgier, das Übliche eben. Hier wäre es interessant gewesen, zu wissen, wieso er so geworden ist, warum er das als Tugenden beschreibt, woher sein Hass kommt, warum er über Leichen zu gehen bereit ist, aber es wird nicht näher erläutert.
Zum Schluss gibt's die Feenwesen, speziell die Hochelfen, als allgemein sadistische Kreaturen. Die Problematik ist dieselbe wie bei „Jonathan Strange & Mr. Norrell", bei dem die Elfen auch die Bösen sind, weil es halt so in der Mythologie verankert ist. Schön und gut, ich will aber trotzdem wissen, warum es in ihrer Gesellschaft anerkannt oder zumindest normal ist, irdisches Leben zu verpönen. Oder soll ich als Leser einfach die umgekehrte Situation annehmen, die immerhin etwas beschrieben wird, und davon ausgehen, dass es andersrum genauso ist?
Nun zur Welt, die ja als kreativ und innovativ betitelt wurde. Fangen wir mit dem Positiven an: Ab und an ist zwischen den Zeilen eine Moral herauslesbar, die so nebenbei eingebaut wird, dass sie einem nicht mit einem metaphorischen Brett über den metaphorischen Schädel gezogen wird – eine davon ist folgende:
„Ihr seid wirklich gleich, ihr Engländer und Feen. Schlagt euch so weit auf jede Seite, dass ihr nicht mehr sehen könnt, was dazwischenliegt." (S. 181)
Dann gibt es noch die harmloseren Ungereimtheiten und Kuriositäten, beispielweise, dass aus Apfelkernen – also eigentlich pflanzlichen Embryonalzellen – Herz und Lunge wachsen können, weil – weil Magie, verdammt. Nicht, dass die erklärt oder beleuchtet wird, weshalb sie eine wunderbare Begründung für alles ist, das irgendwie nicht passt.
Dass das vom Mischling beschworene Portal je nachdem, in welche Richtung er ein oder zwei Schritte macht, gefestigt oder zerstört werden kann, hört sich für mich auch etwas problematisch für Mr. Lickerish an – scheint jedoch nie ein Problem zu sein. Also, natürlich nur, bis die Protagonisten ins Spiel kommen, aber daran hätte der gute Herr Oberböse wirklich denken können.
Jetzt zur Kreativität, die in so hohen Tönen gelobt wurde. Ehrlich gesagt habe ich hier eine recht durchschnittliche, wenn auch eher detailreiche Fantasywelt, die an die englische bis irische Mythologie angelehnt ist und nicht allzu viel zu ihr hinzudichtet, wenn meine spärlichen Kenntnisse da etwas zu sagen haben. Der Feenmarkt beispielweise, bei dem diverse Kuriositäten angesprochen werden, hat mich eher an die Einkaufsstraße aus den Potter-Romanen erinnert als an eigenständige Ideen, aber gut.
Wesentlich schlimmer ist da eine Aussage, die nie so getätigt, aber impliziert wird. Dazu muss ich ein wenig spoilern, aber das mache ich ohnehin die ganze Zeit, also medias in res.
Bevor das mit dem Portal klappt, haben die Bösewichte bereits neun Mischlingskinder „verbraucht", die alle gestorben sind, weil sie kein vernünftiges Portal auf die Reihe bekommen haben. Das ist dadurch begründet, dass sie Mischlinge von Menschen und diversen Feenwesen sind, nur nicht von Hochelfen, die aber in Kombination mit Menschen die einzigen sind, die genau eine Fifty-fifty-Teilung von Erde zu Elfenwelt erreichen.
Wohlgemerkt geht es hier nicht ums Genom, soweit ich das verstanden habe, sondern um die Welt. Die Mischlinge müssen deswegen Mischlinge sein, um das Portal zu wirken, weil sie etwas von beiden Welten haben müssen, um sie verbinden zu können. Ergibt Sinn, das ist auch nicht mein Kritikpunkt.
Das ist eher der, dass diese Aussage – nur Hochelf x Mensch = 50 Prozent Feen, 50 Prozent irdisch – bedeutet, dass gewisse (Feen-)Wesen mehr oder weniger von ihrer Welt in sich tragen. Ein Gnom ist also entweder zu viel oder zu wenig Fee, um mit einem Menschen eine Halbfee zeugen zu können.
Was ich für eine eher gefährliche Aussage halte. Würdet ihr behaupten, dass eine Pappel weniger irdisch ist als ein Regenwurm? Ich jedenfalls nicht – beide haben ein Genom, das auf der Erde entstanden ist, beide sind auf der Erde geboren/gekeimt, haben auf ihr gelebt, mit ihr gelebt und sich vielleicht auch schon in ihr fortgepflanzt.
Die Feenwelt sollte da nicht so grundlegend verschieden sein, dass sich dieses Prinzip nicht auf sie anwenden lässt. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass es natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass ich das alles falsch interpretiere, aber das, was ich interpretiere, ist eine verachtenswerte Moral, heißt sie doch, dass eine gewisse Spezies mehr Fee ist als eine andere.
Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass mir das Ende, das an sich offen ist, als ein solches besser gefallen hätte, wenn es nicht eine Fortsetzung geben würde. Das würde mit der Konvention brechen und die Erwartungen der Leser über den Haufen rennen, aber nein – lieber ein Band zwei, weil halt.
Insgesamt ist der Eindruck, der „Die Seltsamen" hinterlässt, durchwachsen, und der Hauptgrund, weswegen ich nicht noch einen Stern abziehe, ist der, dass ich durch meine hohe Erwartungshaltung vielleicht einfach nur enttäuscht vom Roman bin und zwei Sterne wahrscheinlich unfair wären.
Es gibt viele verfolgenswerte Ansätze und einen interessanten Charakter, aber ansonsten ist das eher eine Zwischendurch-Lektüre. Den Folgeband werde ich ziemlich sicher nicht lesen, dazu konnte der Roman nicht genug überzeugen.
Details zum Roman:
Titel: Die Seltsamen
Autor: Stefan Bachmann
Verlag: Diogenes Verlag (Taschenbuch, Nummer 24331)
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-257-24331-4
Genre: Fantasy
Preis: 10,30€ (s. Datum)
Seiten: 367
Reihe: ja, 1 von 2 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 14.10.2016
Wörter: circa 1800
Stand: 14.10.2016
Corin wächst als unehelicher Sohn des Königs auf dem Bauernhof seiner Mutter auf. Eines Tages steht sein Vater vor ihm und nimmt ihn mit zum Königshof, wo er sich wie ein Prinz zu benehmen lernen soll – nicht wissend, welche Pläne der König über ihn schmiedet ...
Auffallend sind die falsch gesetzten Beistriche, die vor allem bei Nebensätzen und Vergleichen auftreten und sich dadurch äußern, dass mal zu viele, mal zu wenige und mal welche an der falschen Stelle gesetzt sind.
Der Schreibstil punktet mit ausgewogenen Satzlängen, die ab und an aber ein wenig länger hätten sein dürfen, und am Anfang auch mit einer hervorragenden Beschreibung bezüglich Corins Innenleben. Während des Romans nehmen die Gefühlsbeschreibungen aber ab, bis sie eher erklärt werden, und das gesamte Buch ist von einem zeitraffenden Stil geprägt, der viele Handlungsdetails auslässt. Die Umgebungen werden in den meisten Fällen nicht näher beschrieben; erneut muss sich der Leser die Details selbst ausdenken.
So einfach, wie die Inhaltszusammenfassung es ankündigt, gestaltet sich auch die Handlung, die nur durch seltene Andeutungen – die meistens sofort von der Autorin erklärt werden – aufgelockert wird. Es gibt einige Wendungen, die zwar unerwartet, aber nicht für die Spannung oder den Plot wirklich relevant sind, sodass Fehler unterschiedlicher Qualitäten übrig bleiben, darunter sowohl eher nervige als gravierende Detailfehler als auch gröbere Ungereimtheiten.
Der einzige Hauptcharakter, der gut ausgearbeitet ist, ist der König selbst, in den ich mir aber noch einige Einblicke mehr gewünscht hätte. Sein Sohn kann praktisch alles und wird von praktisch jedem gemocht, glänzt aber durch Egoismus, Idiotie und Naivität. Die Antagonisten haben entweder keine Motivation oder eine, der man mehr Zeit hätte widmen müssen, damit sie wirklich ins Gewicht fällt.
Die interessanten politischen Beziehungen der Königreiche werden zwar thematisiert, aber nicht so sehr, wie das förderlich gewesen wäre, sodass mehr Seiten für uninspirierte oder nicht näher erläuterte Völker bleiben. Darunter: die Lindoraner, die es unter anderem Namen schon dutzende Male gegeben hat, die Riesenadler, über die man nichts weiß, und ein paar am Rande erwähnte Völker, die zumeist eine einzelne Eigenschaft bekommen, sonst aber nicht näher erwähnt werden.
Etwas besorgniserregende empfinde ich die Tatsache, dass die einzige handelnde Frau im gesamten Roman Corins Mutter ist. Zwar eignet sich das Setting nicht perfekt dafür, in einer mittelalternahen Welt Frauen eine übergeordnete Rolle zukommen zu lassen, sonderlich viel Engagement scheint in die Richtung aber auch nicht investiert worden zu sein.
Alles in allem ist „Horizon: Aufbruch ins Ungewisse" eine Fantasylektüre, die mit vielen, teils sehr guten Ansätzen lockt, aber kaum einen davon zu entfalten vermag. Sowohl Stil als auch Charaktere brauchen noch eine Verbesserung, ebenso die Schwerpunktsetzung in Bezug auf die Fantasywelt – persönlich werde ich Amanda Laurie aber im Hinterkopf behalten und vielleicht in einigen Jahren noch einen Roman von ihr lesen – das Potenzial ist definitiv gegeben.
Details zum Roman:
Titel: Horizon: Aufbruch ins Ungewisse
Autorin: Amanda Laurie
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-7347-6819-4
Genre: Fantasy
Preis: 11,30€ (s. Datum)
Seiten: 374
Reihe: ja, Band 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Stand: 20.10.2016
Wörter: circa 500
Solange es Fantasyelemente beinhaltet, lese ich – bis auf wenige Ausnahmen – praktisch alles. Da passiert's auch mal, dass ich mich nicht in Fantasy stürze, die einen Kriminalfall aufklärt, sondern in einen Kriminalfall, der ein paar Magier im Gepäck hat.
Peter soll seine Polizeikarriere mit einem Schreibtischjob beginnen, wird aber kurz vor dieser Beförderung zum Zauberlehrling abkommandiert. Parallel zu den Grundpfeilern seiner Ausbildung hat er mit einer Mordserie zu kämpfen, für die er sein neues Wissen schneller braucht, als ihm lieb ist.
Der Stil wirft dem Leser keine Stolpersteine in den Lesefluss, sodass man gut vorankommt und keine Schwierigkeiten mit dem Verständnis hat. Es werden durchaus Wörter verwendet, die nicht unbedingt im aktiven Wortschatz vorhanden sind, aber Probleme habe ich dabei keine gehabt.
Umgebungen und geschichtliche sowie geographische Hintergründe werden teils sehr detailliert wiedergegeben. An einigen Stellen habe ich mich bei letzterem gefragt, ob sich da nicht ein paar Zeilen hätten streichen lassen, und die unzähligen Straßennamen haben mir auch nichts gesagt – letztlich habe ich mich wohl daran gewöhnt.
Die Gefühle des Protagonisten werden nicht sehr detailliert dargestellt. In einigen Situationen liegt der Gedanke nahe, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, genauer darauf einzugehen - und jetzt ist das Zeitfenster wieder zu. Obwohl hier definitiv noch Luft nach oben ist, fügen sich diese nicht vorhandenen Beschreibungen in das Gesamtbild, das ich im Fazit beschreiben werde.
Gänzlich konträr zu den teils bemerkenswert ausführlichen Geschichtsstunden sind die Handlungsbeschreibungen, die immer wieder in einen Zeitraffer verfallen, sodass die Stellen, die offenbar in Ben Aaronovitchs Augen nicht näher interessant sind, schnell abgehandelt werden. Während der rund fünfhundert Seiten des Romans vergehen auf diese Weise etwa vier Monate.
Diese zeitraffenden Darstellungen sind nur deswegen nicht störend, weil sie sehr humorvoll gestaltet sind – ebenso wie der Rest des Romans. Dieser trockene Humor ist einer der beiden Hauptgründe, weswegen „Die Flüsse von London" zu unterhalten vermag.
Der zweite große Pluspunkt ist die Spannung. Sie zieht sich mit mehreren Höhen und Tiefen durch das gesamte Buch, wobei immer dann, wenn ein Tiefpunkt erreicht ist, erkennbar wird, dass sie essentiell für diesen Roman ist. An mehreren Stellen, an denen sich die Geschichte zieht, ist überdeutlich zu erkennen, dass der Roman beides braucht – Spannung und Humor –, denn viel mehr hat er nicht zu bieten.
Positiv anzumerken sind die direkten Reden, die teils mit Umgangssprache versehen sind, und die Details der Polizeiarbeit (inklusive Überlebenstipps). Ich habe keine Ahnung, ob auch nur die Hälfte dieser richtig ist oder so umgesetzt wird, aber wenn nicht, ist hier hervorragend gemogelt worden.
Obwohl es nicht viele verschlungene Aspekte des Plots gibt, wartet er gerade gegen Ende mit einigen überraschenden Wendungen auf, die zumindest für mich (meistens) nicht vorhersehbar waren. Insofern ist zumindest ein Teil der Verbrechensauflösung mit einem gewissen Aha-Effekt versehen.
Es gibt, soweit ich das feststellen konnte, keine größeren Ungereimtheiten, lediglich eine Handvoll Detailfehler, die zwar nicht hätten sein müssen, aber eben auch mal durch die Lappen gehen können. Und obwohl die Handlung durchaus durchdacht wirkt, fehlt dem gesamten Leseeindruck die Tiefe – etwas, das wohl auch durch den Schreibstil provoziert ist.
Das einzige, das mich tatsächlich aneckt, das aber auch eine Schwäche des Protagonisten sein könnte, ist die Tatsache, dass er ständig den Plot vergisst. Er ist auf der Jagd nach einem übernatürlichen Mörder und sollte das auch die ganze Zeit im Hinterkopf haben – hat aber teilweise nichts Besseres zu tun, als sich noch einmal schlafen zu legen oder Feierabend zu machen.
Mein größter Kritikpunkt geht jedoch ganz feierlich an den Gore-Faktor. Der entsteht in erster Linie durch eine höchst unschöne Verformung des Gesichts bei den Leuten, die vom Mörder besessen sind – und die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Beide Übeltäter – ohne hier zu viel vorwegnehmen zu wollen – können die Menschen auch ohne Gesichtszerstörung kontrollieren, wozu das Ganze also?
Mal abgesehen davon, dass sich mir die Mordserie selbst nicht erschließt, aber darauf komme ich bei den Antagonisten zu sprechen.
Vorerst bleibe ich bei den Protagonisten, also in erster Linie Peter, seine Kollegin Lesley und sein Mentor Nightingale. Nur kurz erwähnen möchte ich noch Molly, die Haushälterin in Nightingales Folly, von der nicht genau geklärt wird, was sie ist, aber es hat etwas mit spitzen Zähnen, Blut und einem Wesen der Nacht zu tun. (Ich glaube trotzdem nicht, dass sie ein Vampir ist.)
Peter ist der Erzähler der Geschichte und dadurch, dass der Leser in seinem Kopf sitzt, kommt es ab und an mal zu Gedankensprüngen, die in den Dialogen deswegen so witzig sind, weil der andere keine Ahnung davon hat, wie Peter bei einem Bewerbungsgespräch beim Thema Undercoverarbeit auf Rap zu sprechen kommt.
Er lässt sich auch sonst leicht ablenken – eine mehrmals betonte Eigenschaft seines Charakters –, hat einen trockenen Humor und ist sehr rational-naturwissenschaftlich veranlagt, was zu einigen interessanten Experimenten mit Magie führt. Störend finde ich nicht die Tatsache, dass er auf Lesley steht, sondern dass das durchgehend betont wird – gut, er ist der Erzähler, aber ich brauche wirklich nicht über jeden Ständer Bescheid zu wissen, den er in ihrer Gegenwart bekommt. Oder in der von Beverley, auf die er auch steht.
Insgesamt weiß ich mit seinem Charakter nicht sehr viel anzufangen. Seine Erzählweise ist unterhaltsam, er verhält sich zumindest nicht in jeder Situation vollkommen bescheuert und damit begnüge ich mich auch. Er passt perfekt in das Gesamtbild des Buches - wie auch schon der Schreibstil.
Zu Lesley kann ich nicht sehr viel sagen, denn ihr Charakter ist nicht sehr innovativ: attraktiv, taff, konzentriert, schlau, kurzum die typische starke Frau, nur jetzt in einer Uniform. Nightingale wiederum ist nicht ganz so stereotyp, aber nicht viel besser. Er ist ein Mann, den man im mittleren Alter vermuten würde und der altmodisch ist, belehrend, wissend – wenn er da auch mal ein paar Aussetzer hat, was eine nette Abwechslung ist –, etwas wahnsinnig und auch sonst wirkt er wie ein recht durchschnittlicher Fantasymentor.
Die Antagonisten wiederum setzen sich aus Mr. Punch und einem gescheiterten Schauspieler zusammen, beide verstorben. Letzterer scheint nicht einmal mitzubekommen, dass er Leuten Schmerzen zufügt, was auch schon die beste Erklärung für die Mordserie ist, die er zumindest mitzuverantworten hat – ansonsten will er sich an einem anderen Geist für den plötzlichen Mord rächen, aber in die Richtung tut sich nichts. Er wirkt ziemlich bekloppt und losgelöst von der Realität, worauf aber nicht näher eingegangen wird.
Damit hat er zwar keinen überzeugenden Hintergrund, aber immer noch einen besseren als den von Mr. Punch – was daran liegen könnte, dass seiner nicht existiert. Das Beste, das ich von ihm und seiner Grausamkeit sagen kann, ist „es liegt in seiner Natur" – aber da ich diese Möchtegern-Erklärung auch bei den Elfen aus „Die Seltsamen" nicht habe durchgehen lassen, sehe ich keinen Grund, das hier anders anzugehen. Es gibt keine Erklärungen, keine Hintergründe, wie er in diese Welt passt oder wie er so geworden ist, und damit hat sich die Sache.
Warum mehrere Menschen – etwa ein Dutzend – verstümmelt und getötet werden, vermag keiner der beiden Antagonisten wirklich zu erklären. Der gescheiterte Schauspieler bezeichnet die Morde eher als negativer Nebeneffekt, weil er sich an seinem Mörder rächen möchte, nimmt aber genug Rücksicht auf sein letztes Opfer, dass Peter es noch retten kann. Charakterkonsistenz sieht anders aus – zumal ich keine Ahnung habe, wieso er sich so plötzlich um das Wohlbefinden seiner Leute kümmert. Weil er diesen Charakter schon längere Zeit besessen hat? Es wird nicht erklärt.
Was ich den Charakteren in „Die Flüssen von London" zugutehalten muss, ist ihre Diversität. Der Umgang mit der unterschiedlichen Ethnie verschiedener Haupt- und Nebencharaktere wirkt nicht gezwungen und wird auch nicht von Peters Humor verschont – ich würde schon fast sagen, dass man sich hier ein Vorbild nehmen könnte, wie man eine Multikulti-Gesellschaft im Roman thematisieren kann.
Ansonsten finde ich Peters Bestrebungen, die Gesetze der Magie zu erforschen, sehr interessant, aber da der Leser nur so viel weiß wie der Protagonist, werden weder Welt noch Magiesystem näher erläutert. Ich vermute mal, das Ganze wird in den Folgebüchern noch ausgebaut werden, für sich ist das bisher aber noch zu wenig, als dass ich hier Lobeshymnen für die Ansätze anstimmen könnte.
Zusammenfassend wird „Die Flüsse von London" von Spannung und Humor am Leben erhalten, ansonsten ist er ein unterdurchschnittlicher Roman. Die Handlung ist nicht tief, die Charaktere sind keine Neuerfindung des Rades und die Welt wird zwar immer wieder eingefügt und erklärt, aber (noch) nicht genug ausgebaut, um überzeugen zu können.
Persönlich würde ich den Roman als nette Lektüre für den öffentlichen Nahverkehr bezeichnen. Ich denke, ich werde mir den zweiten Band zulegen, sofern mich der Klappentext nicht abschreckt – trotz der ziemlich unnützen Gewalt ist und bleibt der Roman eine nette Unterhaltung, um sich die Fahrzeit etwas zu verkürzen.
Details zum Roman:
Titel: Die Flüsse von London
Autor: Ben Aaronovitch
Verlag: dtv
Erscheinungsjahr: 2016 (15. Auflage)
ISBN: 978-3-423-21341-7
Genre: Fantasy/Kriminalroman
Preis: 10,30€ (s. Datum)
Seiten: 478
Reihe: ja, 1 von 6* (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 1500
Stand: 22.10.2016
*: Es kann sein, dass noch mehr Bücher geplant sind, aber dazu habe ich keine Informationen gefunden.
Ich gebe zu, ich bin mit den Sternen, die ich vergebe, ausgesprochen geizig. Gerade der vierte und fünfte werden bei weitem nicht so schnell verteilt, wie das zu begrüßen wäre. Dementsprechend bin ich ausgesprochen glücklich darüber, endlich mein Jahreshighlight 2016 gelesen zu haben.
Nachdem Shadow aus dem Gefängnis entlassen wird und nichts hat, zu dem er zurückkehren kann, trifft er auf Mr. Wednesday, der ihm einen Job anbietet. Er willigt ein – und lernt die Götter Amerikas kennen; die Götter, die vor Jahrtausenden in die Neue Welt gebracht wurden und an die heute kaum jemand glaubt, und die Götter, denen die Menschen der modernen Zeit huldigen. Zwischen diesen Fraktionen bahnt sich ein Krieg an, in dem Shadow eine größere Rolle spielt und die er erst erkennt, als es fast schon zu spät ist.
Normalerweise würde ich den Absatz über den Schreibstil damit beginnen, dass die Satzlängen ausgewogen sind. Nur stimmt das hier nicht. Zwar gibt es auch kürzere Sätze – gerade in den Dialogen, was sie realistischer macht und sich damit gut ins Gesamtbild einfügt –, aber die meisten erstrecken sich über mehrere Zeilen.
Umgebungen und Handlungen werden sehr gut und sehr detailliert wiedergegeben. Dabei ist interessant, welche Details erzählt werden – durch diese Auswahl wirkt der Roman noch einmal realitätsnaher. Die Emotionen des Protagonisten Shadows sind nicht so intensiv beschrieben, wie ich das erwartet habe, sondern etwas distanzierter, ohne dabei mangelhaft oder entrückt zu wirken.
Die Dialoge sind teilweise von Humor geprägt und wirken lebensecht – das einzige, das ich anzukreiden hätte, sind die fehlenden Sprachfehler, die nur in sehr kleinem Maße erkennbar sind und darauf schließen lassen würden, dass jeder der Handelnden Standardenglisch spricht, was ich bezweifle.
Abgesehen davon habe ich aber kaum etwas zu meckern: Kleinigkeiten, die einmal eingeführt wurden, werden nicht vergessen oder kurzerhand verändert; der Leser hat sehr viel Raum, über die teils hochphilosophischen Gedankenanstöße nachzudenken, über Randbemerkungen und über die Zusammenhänge, bevor sie aufgelöst werden; die Zitate vor den jeweiligen Kapiteln passen zu diesen und sind nicht einfach nur irgendwelche Lebensweisheiten aus dem Internet.
Es ist sogar eine Spiegelszene vorhanden, die absolut nicht klischeehaft ist, wenn sie auch nicht besonders heraussticht: Sie ist nur eine von vielen Szenen und das beweist meinen Standpunkt, dass man auch Spiegelszenen schreiben kann, ohne sofort als Badfic-Autor abgestempelt zu werden.
Die einzelnen Kapitel sind lang und das Erzähltempo gemächlich – außer bei den actionreicheren Szenen, da erhöht es sich im angemessenen Maße –, weswegen „American Gods" definitiv kein Buch ist, das man nur mal schnell liest, um einen kleinen Wälzer gelesen zu haben. Nur die Zwischenspiele sind deutlich kürzer – in den meisten Fällen – und wären, wäre die Geschichte ein Sachbuch, als „vertiefende Lektüre" angeschrieben.
Lässt man sich aber darauf ein, wirkt es an einigen Stellen tatsächlich so, als würde der Autor den Leser an die Hand nehmen und ihn durch die Geschichte führen – etwas, das eigentlich in jedem Buch geschieht, aber hier war es für mich besonders deutlich zu erkennen.
Die Handlung gestaltet sich an einigen Stellen verschlungen und wenig geradlinig, ohne dabei mehr als eine Perspektive zu benötigen – die Zwischenspiele dienen, wie bereits geschrieben, eher zur Vertiefung und erzählen nicht von anderen Protagonisten des Buches.
Besonders gefallen hat mir, dass ich die meisten Plottwists nicht habe voraussehen können. Einige habe ich ein paar Absätze zuvor erkannt, andere habe ich zufälligerweise erraten, aber die meisten haben mich eiskalt überrascht – waren also, um es kurz zu machen, anständige Plottwists, die ihren Namen zurecht tragen.
Die bereits angesprochenen Zwischenspiele dienen zwar nur zur Vertiefung und auch mal zum besseren Verständnis, ich empfinde sie aber als wertvollen Teil des Romans. Dank ihnen hat man mehr Geschichten aus diesem Universum erfahren, als man es nur mit der Haupthandlung geschafft hätte, und in späteren Kontexten hatte man plötzlich eine leichtfüßige Beziehung zu den Charakteren, deren Schicksal in einem Nebensatz abgehandelt wird: Sie werden tatsächlich zu Charakteren, nicht nur zu Lückenfüllern.
Bedauerlicherweise ist „American Gods" nicht perfekt – so gibt es ein paar Kleinigkeiten in der Handlungsabfolge, die sich mir nicht so ganz erschließen. Beispielweise frage ich mich, wie Laura aus ihrem Grab steigen konnte, wenn sie mehrere Meter unter der Erde in einer Kiste liegt. Ich frage mich auch, wieso ein Fitnesscenter schließt, weil der Chef gestorben ist und was mit den anderen Mitarbeitern ist, die die Filiale übernehmen könnten. Außerdem erschließt sich mir Shadows Motivation für die Totenwache nicht zu einhundert Prozent, wobei ich glaube, es halbwegs nachvollziehen zu können.
Etwa einhundert Seiten vor dem Ende des Buches hatte ich ein Lesetief, das sich aber dreißig Seiten später wieder aufgelöst hat – ansonsten kann ich mich noch am ehesten darüber beklagen, dass mich das verdammte Buch vom Lernen abhält und mich einfach nicht in Ruhe lassen möchte.
So seltsam das auch klingen mag, aber zu den Charakteren kann ich nicht viel sagen, da ich sonst sehr viel spoilern würde. Genauer gesagt kann ich nicht einmal die Antagonisten nennen, weil das erst spät aufgelöst wird – ich kann euch aber versichern, dass ihre Motivation glaubwürdig und schlüssig ist.
Shadow als Protagonist ist ein recht eigenwilliger, wenn auch ein sehr guter. Er ist nach seiner Entlassung sehr ruhig und fast stoisch, durchbricht das Klischee der dünnen und klugen Jungs und der starken und dummen Jungs und hat eine sehr ruhige Art, auf Magie und Götter zu reagieren – wenn auch nicht unrealistisch, was mich sehr verwundert und was wohl einer der Gründe dafür ist, dass ich dieses Buch so mag.
Es gibt jede Menge Nebencharaktere, und das Erstaunliche ist, dass die meisten von ihnen tiefgründig wirken. Sie sind Menschen – oder Götter – mit Wünschen, Hoffnungen und Ängsten, und selbst wenn sie nicht sehr lange in der Handlung verbleiben, bekommt man bei vielen von ihnen zumindest Ausschnitte davon mit.
Mein wohl größter Kritikpunkt ist der, dass das Magiesystem nicht ganz geklärt wird – das meiste aber wird weit genug erklärt, dass ich mir den Rest zusammenreimen kann. Persönlich bevorzuge ich es, wenn so etwas dem Leser nicht vorenthalten wird, und obwohl das auch auf diesen Roman zutrifft, kann ich es ihm verzeihen.
Dann wäre da noch die Sache mit dem Sex und dem Gore. Wäre „American Gods" ein Film, hätte er zweifelsfrei eine FSK 18, aber keines von beiden wirkt voyeuristisch – sie dienen zur Veranschaulichung, zur Ergänzung, werden teilweise reflektiert, teilweise später noch einmal aufgegriffen. Neil Gaiman lässt eben kaum Details aus – und das gilt auch für diese beiden Teile seines Romans.
Als letzten Kritikpunkt habe ich noch Shadows Namen. Ich habe mich nur deswegen auf das Buch eingelassen, weil mir der Buchhändler meines Vertrauens versprochen hat, dass diese ganzen englischen Namen – Easter, Wednesday, Town, World, Wood, Stone, um nur ein paar Beispiele zu nennen – einen Grund haben.
Und ja, die meisten davon hatten einen Grund. Nur Shadows Namen kann ich mir höchstens als symbolisch erklären – und das hätte man besser hinbekommen können.
Ansonsten gibt's nicht viel zu meckern, dafür umso mehr zu loben. Ich vergöttere die Enthüllung rund um Katzen, obwohl sie nur einen kleinen Teil des Romans ausmacht, und die Idee mit den Kulissen und dem Feuerwerk ist auch ausgesprochen faszinierend.
(Im Übrigen war das gerade ein Test: Habt ihr nichts von diesem Absatz verstanden, habt ihr das Buch nicht gelesen (oder nur überflogen), und das ist eine verdammte Bildungslücke. Wenn ihr euch irgendwie mit dem, was ich bisher geschrieben habe, anfreunden könnt, dann kauft es euch. Gern geschehen.)
Abschließend kann ich nicht von „American Gods" als perfektes Buch sprechen, aber ich denke, die Fehler sind gering genug, dass es sich den fünften Stern redlich verdient hat. Die philosophischen Ansätze, die vielen kleinen Details des Schreibstils, die Möglichkeiten zum Mitraten und -denken – das und vieles mehr macht den Roman so besonders und so lesenswert, dass ich meine auf Fantasy fixierte Freundin mit einem neuen Exemplar zwangsbeglücken werde. Man muss sich auf das Buch einlassen können – auf das Tempo, auf den Schreibstil –, aber wenn einem das gelingt, steht dem Leseerlebnis nichts mehr im Weg. (Außer das Lernen oder Arbeiten, das plötzlich ausgesprochen wenig schmackhaft wirkt.)
Details zum Roman:
Titel: American Gods
Autor: Neil Gaiman
Verlag: Eichborn Verlag
Erscheinungsjahr: 2015 (Director's Cut)
ISBN: 978-3-8479-0587-5
Genre: Fantasy (u.a.)
Preis: 14,40€ (s. Datum)
Seiten: 672
Reihe: ja, 1 von 2 (s. Datum; unabhängig voneinander lesbar)
Bewertung: ☆☆☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 08.11.2016
Wörter: circa 1400
Stand: 08.11.2016
Selana, Atharu und Pitu kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und haben doch ein gemeinsames Ziel: Tyklahr. Alle drei spielen eine wichtige Rolle im Schicksal ihres Kontinenten, denn ein zerbrechliches System ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Einen Stern Abzug gibt es für diverse Arten von Fehlern, die den ganzen Roman durchziehen, darunter viele in Bezug auf Zeichensetzung, Zahlen und doppelte oder fehlende Worte.
„Erellgorh: Geheime Mächte" lässt sich leicht und schnell lesen, da auf lange Sätze oder höheres Vokabular verzichtet wird. Die Beschreibungen der Handlungen sind gut gelungen, wenn sie auch noch etwas ausführlicher sein dürfen, wohingegen die für Schmerzen, Gefühle, Atmosphäre und Umgebung entweder nur sehr schwach oder gar nicht entwickelt sind. Immer wieder werden Worte verwendet, die nicht in den Kontext passen. Die Übersetzungen der Elfensprache sind ungelenk platziert und in einer Welt, die niemals mit der unseren in Kontakt gekommen ist, gibt es englischsprachige Wörter. Die Kapitel sind kurz, erzählen abwechselnd aus den Sichten der drei Protagonisten und enden oft mit einem Cliffhanger, was vieles der Spannung herausnimmt und der Grund dafür ist, dass ich bei fast jedem Kapitelanfang dagesessen bin und mich gefragt habe, was eigentlich gerade passiert.
Die Handlung ist nicht bis kaum vorhersehbar und hält einige Überraschungen bereit, was aber vor allem der Tatsache zu schulden ist, dass sowohl der Erzähler als auch die Charakter den ganzen Roman über weitestgehend planlos herumirren. Erschwerend kommen in Schweregrad und Art verschiedene Fehler hinzu, die den Leser irritieren.
Die Protagonisten sind weitestgehend austauschbar und dank mangelnder Gefühlsbeschreibungen sowie einiger unschöner Charaktereigenschaften unsympathisch. Obwohl ich alle Hintergrundgeschichten kenne, weiß ich nicht, was diese Menschen bewegt, was sie erreichen wollen oder wovor sie Angst haben. Bei den Antagonisten wurde sich gar keine Mühe gegeben; keiner bekommt einen Hintergrund und nur einer einen Namen; alles bleibt flach und kaum erklärt.
Die Welt mag geographisch weitestgehend durchdacht sein, aber nicht von den Standpunkten der Sprachen, Religionen, Rechtssysteme und ähnlichem überbewerteten Zeug aus, das unsere Welt so komplex macht. Es gibt mehrere Schwachstellen und Ungereimtheiten; am wenigsten konnte ich das Magiesystem nachvollziehen, das sich mit „Magie gleich Leben" einen gigantischen Stolperstein in den Weg gelegt hat.
„Erellgorh: Geheime Mächte" hat Potenzial, das aber nicht genützt wird, und ist von unsympathischen Sympathieträgern, einer löchrigen Handlung und einem kaum logisch begründbaren Magiesystem geprägt. Der Schreibstil vermag nichts zu retten und so bleibt mir abschließend zu sagen, dass ich diesen Reihenauftakt nicht weiterempfehlen kann.
Details zum Roman:
Titel: Erellgorh: Geheime Mächte
Autor: Matthias Teut
Veröffentlicht über: Amazon CreateSpace
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-1533580160
Genre: Fantasy
Preis: 12,95€ (s. Datum)
Seiten: 461
Reihe: ja, Band 1 von 3* (s. Datum)
Bewertung: ☆ (s. Datum)
Stand: 20.12.2016
Wörter: etwa 400
*: Ich vermute, dass es eine Trilogie werden soll, habe dazu aber keine Bestätigung von Seiten des Autors gefunden.
Sieht man mal von der Scheibenwelt und vielleicht den Peter-Grand-Büchern ab, lese ich zurzeit keine Reihen. Das ist etwas, das ich dieses Jahr ändern möchte – und „Flammenwüste" hat sich da als Trilogieauftakt angeboten. Ein wirklich reibungsloser Einstieg in das neue Jahr ist er allerdings nicht.
Der Geschichtenerzähler Anûr stolpert ungewollt in die Jagd nach einem Drachen, der das Land terrorisiert. Während er als Chronist durch die Wüste reitet, häufen sich die Ereignisse, bis schließlich klar ist, dass mehr hinter dem Drachen steckt, als ursprünglich gedacht.
Vorab weise ich auf die sprachlichen Fehler hin, die sich in dem Buch gesammelt haben. Überwiegend betreffen sie die Zeichensetzung, wobei die direkte Rede besonders anfällig zu sein scheint. Gegen Ende vervielfachen sich diese Fehler noch einmal, sodass der eine Stern Abzug eindeutig gerechtfertigt ist.
Der Schreibstil erinnert mich an den eines Märchens oder einer Sage – schmuckvoll und ein wenig entrückt. Besonders lobenswert empfand ich die Einfädelungen von kleinen Alltagsdetails, die jedoch hauptsächlich am Anfang zu finden sind und danach als vermisst gemeldet wurden.
Immer wieder gibt es kleinere Erzählungen innerhalb des Romans, für die sich meiner Meinung nach ein eigenes Unterkapitel durchaus gelohnt hätte. Ansonsten bleiben mir vor allem die Umgebungsbeschreibungen zu loben, die es verstehen, die Umwelt interessant darzustellen – nicht zuletzt mithilf einer großen Portion Metaphern und Vergleichen, wobei sich hierbei eher selten an die üblichen gehalten wird. Stattdessen werden neue Verknüpfungen gesetzt, die dann aber auch mal nach hinten losgehen können:
„Ein kurzes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und ihre grünen Augen blitzten auf wie Saphire." (S. 197)
Und damit komme ich weg von dem Teil, der mir gefallen hat, und wende mich der Liste an Punkten zu, die mir ausgesprochen negativ aufgefallen sind. Am glimpflichsten kommen da noch die Handlungsbeschreibungen weg, die überwiegend in Ordnung sind, manchmal aber eine Sprunghaftigkeit an den Tag legen, die den Lesefluss zu stoppen vermag.
Die Tatsache, dass oftmals auch Ausrufe oder Befehle mit einem Punkt beendet werden, stört ebenfalls, wenn auch nicht so sehr wie die Wortwiederholungen, die sehr unregelmäßig verteilt sind. An einigen Stellen des Buches gibt es fast keine, an anderen scheint jede Seite mindestens ein Lieblingswort zu haben, das dann gleich in drei aufeinander folgenden Sätzen mindestens dreimal verwendet wird. Manchmal wirkt der Satzbau etwas ungewohnt und ebenfalls störend sind die Füllwörter, von denen man einige wirklich hätte entbehren können.
Wie auch „Erellgorh" krankt „Flammenwüste" an direkten Charakterisierungen, die sich nicht nachvollziehen lassen. Beispielweise bezeichnet der Prinz Anûr als verändert, nachdem er einige Stunden allein in der Wüste unterwegs war, während ich davon nichts erkennen kann.
Ein weiterer enormer Nachteil des Stils ist die fehlende Tiefe, die sich besonders bei den Emotionen offenbart. Diese werden zusammen mit den Motivationen und dem Innenleben der Charaktere eher oberflächlich gestreift, sodass ich oft das Gefühl hatte, dass die Handlungen an sich nachvollziehbar sind, mir aber nicht richtig vermittelt werden können. Als Beispiele lassen sich die Wanderung durch die Weiße Wüste, die unfassbar emotionslos geschrieben ist, und Anûrs Streben, seinen Großvater über alles andere zu stellen, nennen.
Dass alles zu schnell abgehandelt wird, findet sich auch bei den Kampfbeschreibungen wieder – wobei ich dazu sagen muss, dass die erste mit den Ghoulas (den Leichenfresserinnen) noch die mit Abstand schlimmste war. Einerseits kann ich kaum nachvollziehen, wer wo was macht und wieso, andererseits scheinen die Einschränkungen und Fähigkeiten der Kämpfenden durch die Gegend zu hopsen wie ein Flummi auf Drogen.
Den Superlativ „schlimmster Cringefaktor des Stils" bekommen von mir die Dialoge verliehen, und das aus gleich mehreren Gründen. Zunächst: Sie wirken gestellt. Einige weniger, andere hingegen so eindeutig und offensichtlich, dass ich mich wundere, wie das bei der Überarbeitung übersehen werden konnte.
Hinzu kommt ein Pathos, den man bei realen Charakteren wohl kaum antreffen würde: hier eine dramatische Pause, dort eine Wortwahl, als würde man diese Szene im Trailer verarbeiten und mit epischer Musik unterlegen wollen. Hinzu kommen einige Stellen, an denen die Figuren – wären sie real gewesen – irgendetwas gesagt hätten, beispielweise als Anûr Shalia aus dem Treibsand zu retten versucht. Alle beide scheinen vollkommen entspannt zu schweigen, während es ja nur um das Leben der beiden geht.
Der größte Kritikpunkt betrifft aber den Infodump. Nachdem mir Igelschreiber mehrmals geraten hat, dass ich bei meinen Romanen aufhören sollte, alles im Text zu erklären und mehr über Dialoge wachsen zu lassen, habe ich hier gesehen, wie ich es nicht machen sollte.
Zu dem Fakt, dass sämtliche Informationen gestellt und nicht so wirken, als würden sie in einem normalen Gespräch vorkommen, gesellt sich die Tatsache, dass Akram El-Bahay seinen Lesern offenbar keinerlei Verständnis zutraut – anders kann ich mir nicht erklären, dass jeder einzelne Charakter jede einzelne Handlung in jedem einzelnen Detail erklärt, als wäre sein Gesprächspartner bescheuert.
Besonders nervig ist das bei den Antagonistin, die, sobald sie einen Protagonisten sehen, reflexartig damit beginnen, ihre bösen Pläne zu erläutern. Es wundert mich ja, dass Sarraka da noch ein paar Details ausspart, aber er ist die einzige Ausnahme. Das fängt bereits bei den Ghoulas an, die Anûr und Shalia in einen Todesschlaf versetzen, aus dem sich unser Herr Protagonist aus unbekannten Gründen befreien kann. Logischerweise hat er keine Ahnung, was mit seinem Love Interest passiert, und just in diesem Moment erklären es ihm die Ghoulas, als wäre es eine Standardprozedur, den Opfern die eigene Vorgehensweise zu erklären.
Womit wir auch schon bei der Handlung wären. Ich muss positiv anmerken, dass mir die ersten einhundert Seiten gut bis sehr gut gefallen haben – was der Grund ist, wieso ich mir das Buch überhaupt gekauft habe –, aber spätestens ab dem Sandsturm und den Ghoulas geht alles den Bach runter. Der große Finalkampf bringt noch ein wenig Spannung rein, aber großartig etwas an der Bewertung ändern kann auch er nichts.
Die Handlung gestaltet sich an vielen Stellen vorhersehbar – beispielweise die Auflösung, wer der Spion im Sultanspalast ist, konnte bereits zu Anfang des Finales erkannt werden – und verweigert sich irgendeiner Form der Komplexität. Nabatea – die Felsstadt der Nori – hat mein Interesse kurzzeitig wieder geweckt, was aber wohl eher daran liegt, dass die Nori die Elfen dieser Welt sind und man mich mit Elfen und Drachen praktisch immer locken kann.
Da ich etwa fünfundvierzig Plotungereimtheiten gefunden habe, sei mir verziehen, wenn ich nicht alle davon aufführe, sondern lediglich die, die ich als am herausragendsten empfinde – in etwa in der chronologischen Reihenfolge, in der sie im Roman auftauchen.
Beginnen wir dort, wo das mit dem Den-Bach-Runtergehen anfängt: der Sandsturm. Anûr reist mit dem Prinzen Masul und der Weißen Garde zu dem Berg, in dem sie den Drachen vermuten. Plötzlich zieht ein Sandsturm auf und sein Kamel rennt in die Wüste – als einziges.
Die drei Rahmenbedingungen dafür muss man sich auf der Zunge zergehen lassn: Anûrs Kamel ist das sanftmütigste unter allen, deswegen hat er es auch bekommen. Es wird von ihm und dem Prinzen gehalten, einem gut durchtrainierten Mann. Und es rennt vor einem Sandsturm weg. Ich weiß nicht, ob Kamele das normalerweise machen, aber zumindest die in den Dokumentationen, die ich bisher gesehen habe, gehen mit solchen Situationen ausgesprochen entspannt um.
Auf diese Szene folgt die, in der Anûr Shalia im Treibsand findet und von einer Leichenfresserin herabgezogen wird, die dafür erstaunlich lange braucht. Er verliebt sich natürlich sofort in das Mädchen und stellt ihr Leben über seines. Ich bin mir nicht sicher, ob das schlechter Stil, Dummheit, Altruismus oder eine abstrakte Kombination aus den dreien ist.
In der Höhle der Ghoulas angekommen rettet Shalia unseren Helden auch gleich, indem sie ohne erkennbaren Grund aus ihrem Totenschlaf aufwacht, nur um gleich darauf wieder einzuschlafen. Dadurch reißt sie ihn aus einer tödlichen Illusion und im Großen und Ganzen ist sie einfach nur ein deus ex machina, ohne dem die Reise sehr früh zu Ende gewesen wäre.
Natürlich treffen wir noch eine eintausend Jahre alte Weissagung an, die prophezeit, dass Protalein der einzige ist, der die Welt vor ihrem Untergang retten kann. Ich kann meine Hand dafür natürlich nicht ins Feuer legen, aber ich würde sagen, dass auch diese Prophezeiung (inklusive erste Anweisungen, wie sie zu erfüllen ist) unserem überforderten Helden einiges an Denkarbeit abnimmt.
Masul – der Prinz, der den Drachen erlegen soll – wird im Laufe der Zeit von Sarraka, dem Anführer der verfeindeten Haschirim, gefangen genommen. Und möchte glatt einen Haschirim retten, als dieser von seinem Anführer geopfert wird. Ich weiß, dass das nur dazu dient, zu demonstrieren, was für ein guter Mensch unser Masul doch ist, aber es ist ausgesprochen unlogisch, dass er einem Feind, den er seit Monaten jagt, plötzlich das Leben retten will.
Shalia stellt sich – Achtung, kleinerer Spoiler – als eine Botin der Nori heraus, die zwischen diesen und den Sa'alin, einem Oasenvolk mitten in der Wüste, Nachrichten überbringt. Sie wird durchgehend als „Mädchen" beschrieben und obwohl der Begriff alle Altersgruppen von null bis dreißig umfassen kann, bin ich mir doch sicher, dass sie höchsten zwanzig ist, eher ein paar Jahre jünger. Ist es wirklich so eine gute Idee, eine solch junge Person mit einer solch wichtigen und gefährlichen Aufgabe zu beauftragen?
Die Nori halte ich im Übrigen deswegen für die Elfen dieser Welt, weil sie die klassischen können alles besser und geschickter-Wesen sind, die sonst „Elfen" genannt werden. Als erstaunlich empfinde ich dennoch die Tatsache, dass die Nori jemandem durch die Wüste folgen können, der einen Tag Vorsprung hat – und zwar, weil sie seinem Geruch folgen. Dem Geruch, der vom Wind und den Sandkörnern, aus denen diese Wüste besteht, aller Wahrscheinlichkeit nach nach einem halben Tag nicht mehr existiert, aber hey. Nori.
Als ausgesprochen hilfreich empfinde ich die Flammen in der Versammlungshalle der Noristadt Nabatea. Diese sind nämlich magische Flammen, die Lügen fressen – ob du nun weißt, dass du einem Irrglauben erliegst oder nicht, ist dabei irrelevant.
Mal abgesehen davon, dass das im Buch nicht konsequent durchgehalten wird, stelle ich mir diese Flammen doch als etwas unfassbar Wertvolles vor. Man überlege doch, was man damit alles machen kann! Selbst wenn man nicht weiß, wie man beispielweise einen übermächtigen Feind besiegen kann, kann man sich einfach ein paar Hypothesen ausdenken, sich vor die Flammen stellen und sie so lange herunterrattern, bis die Flammen mal nicht reagieren – und schon hat man die Lösung.
Außerdem könnte man damit endlich mal Theorien verifizieren. Sonst hat man damit eher Probleme – wenn sich eine Hypothese als falsch herausstellt, ist das recht eindeutig, aber wie beweist man, dass alle Schwäne entweder schwarz oder weiß sind? Ein einziger Schwan könnte da bereits zur Falsifizierung führen.
Man könnte natürlich auch die Frage nach Göttern, überirdischen Mächten und allem anderen klären, das man sich sonst noch so fragen kann. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso es noch irgendwelche Probleme in diesem Roman gibt – die einzige Möglichkeit dafür wäre die, dass man die richtige Hypothese nicht aufstellt und immer nur falsche nimmt, aber da sollte es so etwas wie eine Glückstrefferquote geben.
Als nächstes komme ich zu den Drachen. Eine prominente Rolle nehmen drei verschiedene Drachen ein – einmal ein schwarzer mit roten Augen, der die Stadt des Sultans angreift und angeblich von Sarraka befehligt wird, dann Sarrakas Drache, der allerdings grün, nicht schwarz ist, und zuletzt Meno, ein schwarzer Drache mit gelben Augen, der zwischendurch mal aufkreuzt. Die Farbe der Schuppen bedeutet in dieser Dracheninterpretation tatsächlich etwas, also wird Sarrakas Drache nicht mal eben die Farbe gewechselt haben, um bedrohlicher rüberzukommen – was mich zu der Frage führt, was für ein Drache die Stadt wirklich angegriffen hat.
Kurz möchte ich noch Sarrakas Auffassung von einem „perfekten Gefängnis" ansprechen. Als solches bezeichnet er nämlich ein kleines, hoch gelegenes Felsplateau, auf dem er Masul gefangen hält. Und ich frage mich hier die ganze Zeit, ob noch nie einer seiner Gefangenen an Selbstmord gedacht hat – oder er an einen Sturm oder ungeschickte Menschen, die von einem kleinen, hoch gelegenen Platz in die Tiefe fallen können. Soll es geben.
Gegen Ende des Romans bekommt Anûr den einzigen Pfeil, der einen Drachen töten kann – obwohl er nicht einmal mit einem Bogen umgehen kann. Aber hey, was kann schon passieren, wenn man die einzige Hoffnung darauf, eine feuerspeiende, fliegende Echse loszuwerden, einem unerfahrenen Jungen schenkt?
Einer der Hauptgründe dafür, dass dieser überhaupt zu dem Zeitpunkt noch lebt, ist sein Stab, der vor eintausend Jahren dem mächtigsten Zauberer seiner Zeit gehört hat und der ein magischer Stab ist, der so ungefähr alles kann. Außer natürlich Nathils Fluch beim Romanfinale abzuwehren, das schafft er ja nur an einer anderen Stelle der Geschichte.
Zusätzlich zu dem Makel der Antagonisten, ihre Pläne sofort zu verbalisieren, kommt noch der hinzu, dass sie Hemmungen zu haben scheinen, Anûr zu töten. Sarraka beispielweise hat am Ende die Gelegenheit dazu, doch anstatt ihn zu ermorden und dann zu fliehen, wirft er ihn lieber hoch und flieht. Weiß der Kerl etwa, dass es noch zwei andere Bücher zu füllen gilt?
Bevor ich zum letzten Kritikpunkt komme, möchte ich noch kurz etwas zu Nabatea sagen. Diese Stadt kann man nur durch einen Wächter betreten, der einen tötet, wenn man aus den falschen Beweggründen in die Stadt möchte. Diese wiederum liegt in einer Schlucht und an einigen Stellen befindet sie sich praktisch direkt neben dem Pfad der Blinden, der zwar tödlich zu beschreiten ist, für einen Drachen aber kein Problem sein sollte.
Was mich zu der Frage bringt, ob noch niemand versucht hat, Nabatea fliegend von dieser Seite aus anzugreifen. Möglich wär's.
Abschließend möchte ich noch etwas spoilern. Auf den letzten paar Seiten ist die Stadt des Sultans vom Angriff zerstört und nur wenige Gebäude liegen nicht in Schutt und Asche. Und obwohl diese Stadt mitsamt ihren Menschen gerade jetzt besonders viel Hilfe und Zuspruch braucht, verhalten sich unsere Protagonistin wie die letzten Volldeppen.
Meno etwa, der „gute" Drache, meint, er könne nichts tun, außer im Palast herumzusitzen und zu warten. Ist ja nicht so, dass er beim Wegräumen des Schutts oder Ausheben des Massengrabs helfen oder gar zu den Nori fliegen könnte, um sie über die Lage so schnell wie möglich zu informieren.
Auch scheint es nicht so viel zu tun zu geben, dass unsere Helden nicht ein gemütliches Kaffeekränzchen halten können, während rund um sie herum eine komplette Stadt neu aufgebaut werden muss inklusive einer Menge Menschen, die wahrscheinlich dezent am Verzweifeln sind.
Und um deren Verzweiflung perfekt zu machen, möchte Masul – der jetzt Herrscher über die Stadt ist und dem es somit obliegt, seinem Volk zu helfen und es zu leiten – in ein paar Tagen nach Nabatea aufbrechen, um sich wegen des kommenden Krieges zu beraten. Ich verstehe zwar, dass beide Anliegen wichtig sind, aber da hätte man den inneren Konflikt besser ausarbeiten sollen, der von so etwas hätte ausgelöst werden müssen.
Unbestrittener Protagonist des Romans ist Anûr, der einen wahrlich beschi... bescheidenen Job als solchen macht. Das beginnt mit seiner ausgesprochen naiven, geradezu dämlichen Art, seinem mangelnden Selbstbewusstsein und endet bei seiner Abhängigkeit von irgendwem oder irgendetwas, das ihn wieder aus der Tinte holt, in die er sich geritten hat. Er wirkt ausgesprochen unsicher und unentschieden, heillos überfordert mit der gesamten Situation und scheint spätpubertär zu sein; ansonsten hat seine Fixierung auf weibliche Reize und seine Oberflächlichkeit wirklich keinen Grund. (Schon der jetzige ist mager.)
Ebenfalls fixiert ist er auf seinen Großvater, der in Todesgefahr schwebt – nur wird das schlecht genug beschrieben, dass ich diese Angst um eine Bezugsperson als kleinlich empfinde und nicht als harte Entscheidung, was nun vorzuziehen ist.
Kurzum: Anûr ist ein nerviger und schlechter Protagonist, der keine Eigenschaften zu besitzen scheint, die ihm mehr als nur die Fähigkeit zu nerven verleihen würden.
Als andere Protagonisten könnte man noch Fis und Shalia anführen, die ebenfalls sehr einfach gestrickt wirken: Fis, der sich etwas überschätzt und zu viel auf seine Fähigkeiten einbildet, etwas tollpatschig ist und auch sonst eher ungeeignet als Held erscheint, und Shalia, die ... die Wüste gut kennt, schätze ich. Und taff rüberkommen soll.
Masul hingegen bekommt einige Szenen gespendet und ist mir nicht so unsympathisch wie die restlichen Charaktere, aber auch hier fehlt mir die Mehrdimensionalität. Er ist ein herzensguter, toller Hecht und hat eine blütenweiße (Schuppen-)Weste. Das war's.
Außerdem gibt es einen alten weisen Infodump-Mann inklusive gratis Fragerunde, der mit dem Namen Azif daherkommt und die Protagonisten über die Prophezeiung aufklärt. Mehr gibt es zu ihm nicht zu sagen.
Die Antagonisten sind allerdings noch ärmer dran. Zusätzlich zu ihrem ungesunden Drang, ständig alles zu erklären, kommt noch ihre Seichtigkeit hinzu und dazu wiederum die Tatsache, dass alle einen Faible dafür haben, ihre Opfer in Illusionen einzuspinnen und sie zu beruhigen – aus Gründen, die ihnen selbst unbekannt sein dürften. Sarrakas Motivationen sind zur Fahndung ausgeschrieben und die seines Meisters Nyan können so zusammengefasst werden:
„„War Nyan so grausam?" „Oh ja, er war immerhin ein Mensch."" (S. 260)
Damit wären wir bereits beim ersten Thema, das mir aufgefallen ist: Rassismus gegen jeden und alles und von jedem und allen. Jedes Volk scheint seine drei oder vier Eigenschaften zu haben und an die hat es sich gefälligst zu halten. Die Nori beispielweise sind die Drachenwächter und sie haben eine tolle Baukunst auf dem Kasten und sie sind um Drachen besorgt und sie sind langlebig und erhaben und/oder eingebildet, je nach Interpretation. Die Menschen hingegen sind grausam, kurzlebig, dafür besonders mächtig und ihr eigener Fluch, abenteuerlustig und verräterisch.
Zusätzlich zu diesem allgemeinen Rassismus kommt noch der der einzelnen Charaktere hinzu. Am auffälligsten ist er bei Meno, der sich nicht mit Menschen abgeben möchte, weil er ... schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hat? Irgendwie sowas. Einen konkreten Grund, eine ganze Spezies unter Generalverdacht zu stellen, scheint es jedenfalls nicht zu geben.
Dann habe ich noch ein paar kleinere Anmerkungen – beispielweise dass Bäume nicht unter der Erde wachsen und ich das auch nicht in der Fantasy akzeptiere, solange sie mir dafür keine halbwegs akzeptable Erklärung gibt; eine ziemlich überraschende Zeichnung auf Seite 240, die die einzige im gesamten Roman ist; und gelangweilte Kamele. Viele, viele, viele gelangweilte Kamele.
Ich habe mich an mehreren Stellen an andere literarische Werke erinnert gefühlt – am eindeutigsten ist die Verbindung zum „Hobbit", und um das aufzuzeigen, brauche ich nur „Wanderung", „Berg" und „Drache" zu schreiben. Auch habe ich einen Teil von „Faust" im Verräter gefunden. Man könnte außerdem darüber diskutieren, dass die Verbindung zwischen Mensch oder Nori und Drache die Idee der Drachenreiter von Paolini aufgreift.
Als am schlimmsten empfinde ich aber die Tatsache, dass speziell Anûr praktisch nichts leisten muss, das ihm auferlegt wird. Sämtliche Kämpfe seinerseits mit irgendwelchen Wüstenkreaturen? Übernimmt der verzauberte Stab. Abwehr von Flüchen und Zaubern? Übernimmt der verzauberte Stab. (Bis auf den während des Finalkampfs.) Fast in der Wüste sterben? Die Antwort kann „Vaias" (ein magisches Getränk, das so ungefähr alle deine Probleme lösen wird) oder „Kamel" heißen. Gerade dabei, von irgendwelchen Wüstenkreaturen getötet zu werden und kein Stab in der Nähe? Shalia. Keine Ahnung, wie du deine Prioritäten setzen sollst? Tatkräftige Beratung durch Freunde und eine ausgesprochen zufällige Ereigniskonstellation, die die Entscheidung de facto überflüssig macht. Außer vielleicht die eine, bei der er sich entscheidet, Nabatea zu verlassen – die ihm wiederum nur durch einen Drachen möglich gemacht wird und die er sich nicht selbst erarbeiten muss.
Kurzum: Praktisch nichts verbleibt in Anûrs Händen und praktisch keine Gefahr muss tatsächlich von ihm gelöst werden. Der einzige Grund, warum der Roman nicht innerhalb von dreihundert Seiten zu Ende ist, ist der, dass sämtliche Charaktere gelangweilte Kamele statt Hirn im Schädel zu haben scheinen.
Abschließend bleibt mir zu „Flammenwüste" zu sagen, dass die einzigen Aspekte, die mich überzeugen konnten, die Umgebungsbeschreibungen und die Mehrheit der Metaphern und Vergleiche sind. Ansonsten wurde hier praktisch nichts richtig gemacht: orthographische Fehler reihen sich an Handlungslücken reihen sich an unfähige Protagonisten reihen sich an dumme Antagonisten reihen sich an Rassismus. Dass ich hierzu keine Empfehlung geben kann, muss ich wohl kaum noch einmal erwähnen.
Details zum Roman:
Titel: Flammenwüste
Autor: Akram El-Bahay
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-404-20756-5
Genre: Fantasy
Preis: 10,30€ (s. Datum)
Seiten: 525
Reihe: ja, 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: ☆ (s. Datum)
Wörter: circa 3300
Stand: 08.11.2016
Florian wird unabsichtlich in eine andere Welt gerissen, die von einem bösen Tyrannen regiert wird. Gemeinsam mit Keyla und Gerrik muss er, um jemals wieder nach Hause zu kommen, alles daran setzen, die sagenumwobene Drachenrüstung zu finden und den Herrscher zu stürzen.
Der gesamte Roman weist orthographische Fehler auf, die vor allem gegen Ende überhand nehmen. Dabei gibt es keine „klassischen" Fehler, die immer wieder kehren; vielmehr werden fast alle Bereiche der Grammatik und der Interpunktion bedient.
Der Leser gerät schnell in einen Lesefluss, was dem einfach gebauten Schreibstil zu verdanken ist. Dieser behandelt das Geschehen jedoch in einem zu flotten Tempo, sodass Mehrdimensionalität keine Chance zur Entfaltung hat, und die Beschreibungen lassen auch zu wünschen übrig. Positiv anzumerken sind die Wechsel zu einigen unwichtigeren Charakteren, die mit dem Tyrannen direkt in Kontakt treten müssen.
Inhaltlich wurde das Rad weder neu erfunden noch nett angestrichen, sondern stumpf kopiert und mit ein paar Logikfehlern versehen. Den „Plottwist" am Ende des ersten Teils kann man bereits nach fünf Seiten erahnen und die einzige Überraschung ist letztlich, dass der gesamte Plot überflüssig ist und der Eingriff der handelnde Charaktere in die Geschichte ihrer Welt eher einem Katalysator gleichkommt als einer Aktion-Reaktion-Beziehung.
Diese Charaktere sind ebenfalls so revolutionär wie das Plastikding am Ende eines Schnürsenkels. Keyla ist die typische taffe Frau, Florian der typische pubertierende Jugendliche mit latentem Sexismus, Suarak der typische Bösewicht, nur dass er noch weniger Hintergrund bekommt als die meisten anderen typischen Antagonisten.
Es gibt einige nette Ideen in „Die Saga der Drachenrüstung" zu finden – beispielweise war es für mich sehr reizvoll, der Spurensuche nach längst vergangenen Toten zuzusehen, die es sich gegen Ende jedoch viel zu leicht gemacht hat. Auch ist es ein guter Gedanke, eine Fantasywelt mal nicht mit drei Dutzend neuen Spezies zu bevölkern, sondern den Menschen unterschiedliche Kulturen zu geben.
Demgegenüber stehen Geschlechterstereotype, unlogische Portale und die Tatsache, dass all das, was im Roman passiert, auch ohne die Charaktere geschehen wäre – und im Falle Florians wäre es auch egal gewesen, wenn eine andere Person ihn ersetzt hätte, da er aus eigener Kraft praktisch nichts auf die Reihe bringt.
Zusammenfassend ist dieser Sammelband eine nette Lektüre für zwischendurch, wenn man sich mal nicht anstrengen und in eine simplere Welt abtauchen möchte, ohne sich mit vielen Details aufzuhalten. Nach der Lektüre wird man das Buch aber ebenso schnell wieder vergessen, wie man es kennen gelernt hat.
Details zum Roman:
Titel: Die Saga der Drachenrüstung – Gesamtausgabe
Autorin: Elvira Zeißler
Veröffentlicht über: tolino media
Erscheinungsjahr: 2016
EAN: 9783739335278
Genre: Fantasy
Preis: 4,99€ (s. Datum)
Seiten: 570
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 07.02.2017
Die Daten beziehen sich auf die Angaben von thalia.at.
Kellen und Ben trennen zweitausend Jahre, doch beide werden in den Überlebenskampf der Alben von Galandwyn hineingezogen. Während Kellen von den Alben etwas Besonderes anvertraut bekommen soll, spürt Ben die Auswirkungen dieses Paktes.
Orthographische Fehler diverser Art, darunter besonders gerne bei der Zeichensetzung und der Großschreibung, verunreinigen den Roman und stören den Lesefluss.
Dieser ist dank der einfach gehaltenen Sprache ansonsten gut. Die Beschreibungen halten sich alle im Mittelfeld, sodass sich kaum ein Leser an der Länge oder Kürze dieser wirklich stören dürfte; persönlich war es mir an einigen Stellen aber zu wenig. Für einen Thriller kommt mir die Spannung recht niedrig vor – was bei weitem nicht heißt, dass sie nicht existent ist. Positiv sticht hervor, dass sich so gut wie alles an dem Roman ab der zweiten Hälfte merklich bessert; außerdem sind die Perspektivenwechsel lobend zu erwähnen. Deutlich weniger gut gelungen ist die Einflechtung von Morcants Vorgeschichte und die Stolpersteine im Lesefluss, die auf schlecht oder falsch gewählte Wörter zurückzuführen sind (beispielweise die Verwechslung von Iris und Pupille).
Die Handlung ist bis auf zwei oder drei Ausnahmen fehlerfrei und lückenlos, dafür ist sie aber nicht allzu kreativ. Die Verbindung zwischen den beiden Zeitlinien ist rasch zu erahnen, aber innerhalb der Handlungsstränge wird oft genug auf das Klischee verzichtet, dass die Vorhersehbarkeit nicht zu offensichtlich wird.
Die Protagonisten aus Bens Zeit sind von Anfang an realistisch und lebensnah gehalten, mit Kellen hingegen konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Morcant liefert eine interessante Grundlage, aber so wirklich warm wurde ich auch mit ihm nicht. Die Antagonisten wirken während der ersten Hälfte bedauerlich gestellt und simpel, was sich aber in der zweiten Hälfte deutlich bessert und gerade die Person, die wohl auch in Buch zwei noch vorkommen wird, lässt mich auf eine gute und faszinierende Darstellung hoffen.
Das Volk der Alben ist so ungefähr das einzige, das bei mir weder Faszination noch Interesse hervorrufen konnte – bis zur Enthüllung seiner Herkunft am Ende, heißt das. Bis dahin ist es einfach nur das altbekannte, Vollkommenheit und Schönheit anstrebende Fantasyvolk, das erhaben und klug ist. Deutlich positiver sind mir da die ernsteren Einschläge aufgefallen, die aus dem Roman keine reine Unterhaltungsliteratur machen, wie die meisten anderen kritischen Elemente in diesem Buch aber ebenfalls erst ab der Hälfte wirklich zur Entfaltung kommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Lichtsturm: Die weiße Festung" ein deutliches Niveaugefälle zwischen Anfang und Ende aufweist und gerade mit der guten Zeichnung der Antagonisten und den zum Nachdenken anregenden Einwürfen und Thematisierungen neugierig auf den zweiten Band macht. Es stellt sich bei diesem die große Frage, ob das Niveau der zweiten Hälfte gehalten wird oder ob es wieder abfällt – aber das wird Thema der nächsten Rezension sein.
Details zum Roman:
Titel: Lichtsturm: Die weiße Festung
Autor: Mark Lanvall
Veröffentlicht über: CreateSpace Idependent Publishing Platform
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 9781494360788
Genre: Fantasy
Preis: 9,99€ (s. Datum)
Seiten: 386
Reihe: ja, Band 1 von 4 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆☆ (s. Datum)
Stand: 02.03.2017
Wörter: circa 500
Die Rezension enthält Spoiler zu Band eins.
Während die Elvan-Stiftung versucht, neue Verwandelte zu finden und ihnen zu helfen, taucht ein neuer Feind aus der Anderswelt auf: Sardrowain, der fast so alt wie Geysbin ist und seine Spezies über beide Welten erhaben sieht. Bald schon wird es zum Krieg kommen ...
Erneut finden sich orthographische Fehler, die verantwortlich für einen Stern Abzug sind. Anzumerken ist jedoch, dass es insgesamt spürbar weniger sind als im ersten Roman.
Der Schreibstil hat sich ebenfalls gebessert, denn die Satzlängen sind ausgewogener und die Beschreibungen atmosphärischer. Makel wie Abkürzungen im Fließtext oder Stilblüten werden aber auch hier nicht behoben.
Gerade gegen Ende lassen sich viele Twists vorhersehen und im zweiten Drittel dümpelt der Plot ein wenig vor sich hin, ehe er wieder Fahrt aufnimmt. Es gibt einige Logikfehler zu bemängeln, die sich aber im Rahmen halten.
Von den Charakteren durchlebt nur einer eine nennenswerte Entwicklung und sympathischer ist mir in diesem Buch auch keiner geworden – bei Ben sind sogar Zweifel hinzugekommen. Ansonsten bleibt vieles beim Status Quo und dementsprechend gut tun die beiden Neulinge, die beide vielversprechend sind. Es ist auch zu erwähnen, dass dankenswert wenig Kellen in diesem Buch zu finden ist, da sämtliche seiner beiden Szenen nur noch von liebäugelndem Anschmachten des Liebespaares geprägt sind.
Meine Hoffnung, dass die Gesellschaftskritik beibehalten wird, hat sich nur teilweise erfüllt, und das hauptsächlich am Anfang. Ansonsten gibt es zur Welt nicht sehr viel zu sagen; ich empfinde es als unlogisch, dass die Hautfarbe der Alben so hell ist – wenn ihr dazu eine ausführlichere Begründung lesen wollt, ich werde eine auf meinem Blog veröffentlichen. Ansonsten gibt es hier nicht viel anzumerken.
Zusammenfassend holt der Nachfolger den Vorgänger „Die weiße Festung" nicht so recht ein, zumindest nicht nach den ersten Dekaden Seiten, und nach den Vorschusslorbeeren kommt jetzt die Ernüchterung. Ich bin mir unsicher, ob ich auch Buch drei lesen werde, denn das Potenzial ist nach wie vor da, nur wurde es weniger genutzt als im ersten Band.
Details zum Roman:
Titel: Lichtsturm: Die andere Welt
Autor: Mark Lanvall
Veröffentlicht über: CreateSpace Idependent Publishing Platform
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 9781507746912
Genre: Fantasy
Preis: 9,99€ (s. Datum)
Seiten: 345
Reihe: ja, Band 2 von 4 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Wörter: etwa 400
Stand: 17.03.2017
Der Inspektor Dalon wird mit der Aufklärung eines Diebstahls beauftragt. Rasch führen ihn die Spuren zu einem sagenumwobenen Volk, das hinter dem Ozean lebt – und das er zu finden gedenkt, um das Diebesgut zurückzubringen. Zusammen mit seinem Dienstdrachen Nerol, dem Boten Martandi, dessen Drachen Dragon und dem kleinen Muliks machen sie sich auf den Weg, der sie in ein Abenteuer führt, das ihre Erwartungen übersteigt.
Trotz vierer Lektoren/Korrektoren finden sich weit mehr als genug Fehler, um einen Stern für Orthografie abzuziehen. Hinzu kommen einige Füllwörter, verschluckte oder aus einem vorherigen Satzentwurf vergessene Wörter.
Dennoch gestaltet sich der Lesefluss gut. Die Satzlängen sind ausgewogen, weisen aber eine Tendenz zu kürzeren Exemplaren auf. Den Beschreibungen geht es nicht so hervorragend – die der Handlungen machen ab und an mal Sprünge, die der Umgebung sind mal detailliert, mal konfus, und die der Gefühle bleiben überwiegend beim Tell, anstatt das betitelte Gefühl in Szene zu setzen.
Die Handlung ist in den wesentlichen Plottwists vorhersehbar, aber ansonsten unterhaltsam zu lesen, da viele Kleinigkeiten nicht zu erraten sind. Störend ist die große Zahl an Logiklücken und Ungereimtheiten.
Interessante Charaktere sucht man hier vergebens. Es gibt keine nennenswerten Konflikte, alle sind klar die Guten oder die Bösen, und wenn sie auch überwiegend eine brauchbare Motivation für ihre Handlungen haben, so wirkt diese meistens generisch oder nicht der Rede wert, da die Handlungen nicht der Rede wert sind.
Auffallend ist die passive Rolle der Frauen (hauptsächlich als Namen oder Hausfrauen) ebenso wie die Satire, die sich nach etwa einhundert Seiten sehr unschön dem Ernst zuwendet, der das Buch dann auch mit eiserner Hand regiert, bis es zu Ende ist. Wie die Beziehung zwischen Menschen und Drachen gestaltet ist und vor allem, wieso, ist mir ausgesprochen unklar. Lobend muss ich das Konzept von Aath Lan'Tis erwähnen; hier wurde nicht mit Kreativität gespart.
Zusammenfassend ein zunächst unterhaltsames Buch, das aber bei der Konfrontation mit Lu-Ser offenbar vor seinem eigenen Vorhaben – satirisch zu sein – kapituliert und sich stattdessen aus Dialekt, Slapstick-Humor, uninteressanten Charakteren, löchriger Handlung und einem Schreibstil zusammensetzt, der in Ordnung ist, aber auch nicht unbedingt eine Erleuchtung.
Details zum Roman:
Titel: Xerubian: Aath Lan'Tis
Autor: Andreas Hagemann
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-7386-1668-2
Genre: Fantasy
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 364
Reihe: ja, Band 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: ☆☆ (s. Datum)
Stand: 30.03.2017
Wörter: circa 400
Ahrens Leben scheint verpfuscht, ehe er bei der Lehrlingsprüfung vom Waldläufer Falk aufgenommen wird. Es scheint, als ob es ab jetzt nur noch bergauf gehen würde, als er einen verbannten Gott weckt – und prompt in einem Konflikt steckt, der vor siebenhundert Jahren pausiert wurde.
Mal wieder gräme ich mich, denn die orthographischen Fehler sind eindeutig zu viele, um sie nicht in die Wertung miteinzubeziehen. Kommata, Groß-/Kleinschreibung, Genitivbildung von Namen wie „Likis“, Satzzeichen, Platzzeichen – ein Korrektor wäre hier dringend nötig gewesen.
Schade nur, dass keiner hinzugezogen wurde, denn ansonsten hat „Ahren“ viel zu bieten. Der Schreibstil weist eine Tendenz zu längeren Sätzen auf, reißt mit seinen Gefühlsbeschreibungen nicht nur in einen Lesefluss, sondern den Leser gleich vollends mit, die Umgebungsbeschreibungen zaubern mit wundersamer Regelmäßigkeit Bilder und Atmosphäre in den eigenen Kopf und die Handlungen werden bis auf wenige Ausnahmen flüssig beschrieben. Es gibt genau einen Satz GEBRÜLLE und einzelne Stilblüten oder schlecht gewählte Wörter, ansonsten kann ich mich nicht beschweren.
Die Handlung ist nicht besonders vorhersehbar, da auch Ahren nicht weiß, wohin es gehen soll und wieso, und es gibt mehrere größere Überraschungen. Dennoch lassen sich einzelne Szenen ein paar Zeilen zuvor erschreckend genau vorhersagen. Es gibt überdies ein paar Ungereimtheiten, denen aber positive Aspekte wie die sehr glaubhaft geschilderte Ausbildung Ahrens gegenüberstehen.
Die Charaktere sind gut durchdacht, vielschichtig und ich hatte keine Probleme damit, mit ihnen mitzufiebern. Im weiteren Verlauf der Reihe würde ich mir wünschen, dass mehr auf Selsena und den, der zwingt eingegangen wird, da gerade bei den beiden noch einiges herausgeholt werden könnte, aber auch sie sind keineswegs abschreckende Beispiele einer Figurenzeichnung.
Die Elfen wirken besonders uninspiriert, aber auch bei ihnen gibt es einige Variationen und die Hintergründe sind mir so noch nie untergekommen – ich hoffe, dass sich dasselbe nach Band zwei über die Zwerge wird sagen lassen, denn bisher wurden hier kaum Wagnisse eingegangen. Die nicht unbedingt gut verborgenen Moralen der Geschichte sind alles andere als schädlich und meinetwegen könnte Torsten Wetze gerne noch etwas mehr in die Philosophien hinter diesen eintauchen.
Zusammenfassend ist „Ahren“ ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man auch aus einem altbekannten Stoff etwas Schönes und Eigenes schaffen kann, denn viele der Elemente sind keineswegs neu, sondern wurden teilweise so oft ge- und missbraucht, dass sie sonst leicht auf der Liste mit den Kritikpunkten landen. Torsten Weitze versteht es, seine eigene Geschichte aus ihnen zu spinnen, diese mit interessanten Charakteren und einem angenehmen Schreibstil auszustatten und sich so wenige Schlamperein zu leisten, dass es mir geradezu leidtut, einen Stern aufgrund der Orthographie abziehen zu müssen.
Daher mein Fazit: Die Geschichte ist es allemal wert, gelesen zu werden. Das nächste Mal aber bitte, bitte, bitte mit Korrektorat, damit ich die verdiente Zahl an Sternen vergeben kann.
Details zum Roman:
Titel: Ahren: Der dreizehnte Paladin
Autor: Torsten Weitze
Veröffentlicht über: Amazon CreateSpace Independent Publishing Platform*
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 99781520599762
Genre: Fantasy
Preis: 14,99€ (s. Datum)
Seiten: 432
Reihe: ja, Band 1 von ?** (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Stand: 08.04.2017
Wörter: circa 600
*Bei Amazon steht „independently published“, laut der letzten Seite im Buch wurde es aber von Amazon gedruckt. Ich denke daher, dass es sich um Amazon CreateSpace handelt, stehe aber für Korrekturen offen.
**Zur Zahl der geplanten Bücher habe ich keine Angaben gefunden. Fest steht, es soll eine Fortsetzung geben. (Die „1“ auf dem Cover ist da ein kleiner Wink mit dem Zaumpfahl.)
Ja, es war endlich soweit. Nachdem ich die Existenz des „Herrn der Ringe“ beinahe ein Jahrzehnt lang ungerührt zur Kenntnis genommen habe, hat mich Auc dazu animiert, ihn endlich mal zu lesen. Bis dahin hatte mich der Prolog abgeschreckt – damit war’s das mit den Schrecken aber leider nicht.
Die Rezension bezieht sich auf den ersten Band eines Sammelbuches. Die Seitenangaben in der Rezension sind dementsprechend zu werten.
Nachdem Bilbo sich aus Hobbingen verabschiedet hat, bekommt Frodo den Einen Ring. Ihm wird die Aufgabe übertragen, ihn zu vernichten – was allerdings nur im Feuer des Schicksalsbergs geht. Zusammen mit treuen Gefährten macht sich der Hobbit auf die Reise, um den Krieg gegen Sauron ein für alle Mal zu beenden.
An den Roman bin ich mit gemischten Gefühlen gegangen. Einerseits habe ich mehrere Leute aus meinem Umfeld davon schwärmen hören und einige der Zitate aus dem Englischen wiesen eine sehr schöne Sprache auf – etwas, das ich sehr zu schätzen weiß. Andererseits ist der „Herr der Ringe“ der Fantasyklassiker schlechthin und sowohl mit Klassikern als auch mit beliebt-bekannten Büchern ist das bei mir so eine Sache.
Dementsprechend bin ich froh, dass ich dem Ding letztlich guten Gewissens drei Sterne geben konnte und nicht weniger. Denn ja, stellenweise erschien mir eine durchschnittliche Bewertung als ungerechtfertigt, und das nicht immer im positiven Sinne.
Das beginnt bereits mit dem „Prolog“, und ich setze dieses Wort bewusst in Anführungszeichen. Ein Prolog soll ein Stück der Geschichte erzählen, das entweder räumlich, zeitlich oder personal von der eigentlichen Geschichte distanziert ist – die Vorgeschichte, das andere Ende des Kontinents, der Antagonist. Hinzu kommt noch, dass ein Prolog einen für die Geschichte relevanten Moment einfangen soll.
„Der Herr der Ringe“ öffnet hingegen mit einer Art Exzerpt aus einem fiktiven Sachbuch, das zuerst die Geschichte der Hobbits inklusive irrelevanter Namen und Jahreszahlen durchkaut, dann ein paar Seiten lang dem Rauchen Tribut zollt und zuletzt die Ereignisse aus dem „Hobbit“ wiederholt. Das kann man gerne machen, aber meiner Meinung nach gehört so etwas in den Anhang, dorthin, wo die Leser schauen, wenn sie bereits begeistert sind und nicht dorthin, wo man Leser abschrecken kann, wenn sie einfach nur neugierig auf das Buch sind. Und ja, auch Klassiker sollten sich Mühe um ihre Leser geben.
Was aber bereits in diesem Abschnitt auffällt, ist der Schreibstil. Über ihn kann man viel sagen, aber dass er ein unförmiger, generischer Allerweltsstil ist, zählt definitiv nicht dazu. Er ist … speziell.
Das fängt bei der Satzlänge an. An einigen Stellen gibt es Sätze, die sich beinahe über einen Absatz spannen, und an anderen sind qualvoll zu lesende Parataxe an der Macht, bevor wieder ein Mittelding gefunden wird. Dennoch gelangt man schnell in einen Lesefluss, auch bei den langweiligeren Stellen.
Und derer gibt es genug. Ich bin ein großer Freund detaillierter Beschreibungen, aber ich fürchte, hier habe ich meinen Meister gefunden. Ich bestreite nicht, dass die Beschreibungen der Umgebung und des Aussehens der Charaktere nicht schöne und atmosphärische Bilder hervorzubringen vermögen, aber ich werde auch nicht bestreiten, dass ich an einigen Stellen Kürzungen mit offenen Armen empfangen hätte.
Im Übrigen ist neben der Historie Mittelerdes und einzelner Städte die Umgebung das einzige, das wirklich konsequent detailliert geschildert wird. Die Beschreibungen der Handlung sind in Ordnung; an einigen Stellen gibt es aber eine Menge Tell, was bei den Gefühlsbeschreibungen deutlich überhandnimmt.
Einige werden gut hinbekommen, aber genug würde ich als Beispiel dafür aufführen, wie man es nicht machen sollte. Beweisstück A: Der Abschied Sams von Lutz.
„Sam stand niedergeschlagen neben dem Pony und gab keine Antwort. Lutz schien zu verstehen, um was es ging, schmiegte sich an Sam und legte ihm die Nüstern ans Ohr. Sam brach in Tränen aus, löste die Gurte, nahm dem Pony das ganze Gepäck ab und warf es auf den Boden.“
(S. 342)
Spürt ihr diese Emotionen, speziell im letzten Satz? Ja? Wunderbar für euch, ich spüre sie jedenfalls nicht. Das Emotionalste hier war der zweite Satz, und das war keine Beschreibung von Sams Gefühlen, sondern eine Reaktion von Lutz, meinem einzigen Sympathieträger im ganzen Buch – aber ich greife vor.
Beweisstück B: Die Szenen nach Moria. Ja, kurz heulen alle rum, aber dann gibt’s gleich die nächsten Umgebungsbeschreibungen und viele, viele Seiten später in Lórien gibt es dann endlich so etwas wie eine Reaktion. Dazwischen war … nichts. Gar nichts. Vielleicht ab und an eine Erwähnung, aber mitfühlen kann ich nur, wenn mir beschrieben wird, wie die verdammten Charaktere damit umgehen. Da ist die Beschaffenheit eines spiegelnden Sees vollkommen irrelevant.
Erstaunt war ich über den Einsatz von ein wenig RUMGEBRÜLLE und fetter Schrift. Für zwei Wörter. Ich hab dreimal hingesehen, weil ich geglaubt habe, ich hätte zu wenig Schlaf bekommen, aber nein – für zwei Wörter mitten in einer direkten Rede wird die Fettformatierung genutzt.
Bevor ich zu meinem nächsten Kritikballen komme, möchte ich etwas loben. Dass mir die Sprache an und für sich gefällt – zumindest die, die nicht in den direkten Reden ist – hat sich während des ganzen Romans beibehalten und sowohl Tolkien als auch Carroux – die Übersetzerin meiner Ausgabe – haben ein sprachliches Feingefühl, vor dem ich nur meinen Hut ziehen kann. Wenn ich denn einen hätte.
In die Welt bin ich sehr leicht reingekommen, wenn mir auch die ganzen Namen eindeutig zu viel waren. Am Ende war ich mir nicht einmal mehr sicher, zu welcher Spezies Gimli gehört. Wobei die Vergangenheitsform da nicht ganz angemessen ist.
Ein interessantes Detail ist, dass „Der Herr der Ringe“ in seiner Fiktionalität selbst nur ein Bericht, eine Erzählung eines Charakters ist und damit lassen sich vermutlich einige meiner Kritikpunkte erklären - besser macht es sie aber nicht.
Da ich es offenkundig nicht hinbekomme, zumindest für einen Absatz mal nur zu loben, wende ich mich wieder meinem Fachgebiet zu. Etwas, das man im „Herrn der Ringe“ sehr schnell finden wird, sind Lautmalereien. Sehr, sehr viele Lautmalereien. Problematischerweise bin ich von denen kein allzu großer Fan, aber wenn das das einzige Problem des Textes wäre, wäre ich zufrieden.
Eine ebenfalls nervige Sache sind die Wortwiederholungen an Satzanfängen. Es gibt genug Absätze, bei denen mindestens drei Sätze hintereinander mit demselben Wort anfangen, meistens ein Name oder „sie“. Das liest sich nicht schön. Pfui.
Weiter oben hatte ich geschrieben, dass mir die Sprache abseits der direkten Reden gefällt – das liegt daran, dass mir diese direkten Reden zu gekünstelt altertümlich und pathetisch sind. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand tatsächlich so spricht oder irgendwann einmal so gesprochen hat, und gerade in sehr langen Sprechszenen wie der in Bruchtal wird das wirklich unschön.
Zum Thema Stil sind mir noch zwei Sachen aufgefallen. Zunächst liest sich der Roman stellenweise mehr wie ein Bericht als wie eine Geschichte – was eben auf den fiktionalen Erzähler zurückgeführt werden könnte und es würde die höchst emotionalen Szenen erklären, aber das entschuldigt nicht die Tatsache, dass es mich deswegen nicht oder nur schwer mitreißen konnte.
Meine letzte Anmerkung zum Stil: und. Jede Menge davon. So viele, dass ich mich an die Bibel erinnert gefühlt habe, die an einigen Stellen nur so vor „und“ wimmelt. Vom „Herrn der Ringe“ kann man das ebenfalls sagen – in fast jedem Satz ist mindestens eines dabei.
Die Handlung ist unkompliziert, vorhersehbar und weist nur ein oder zwei Überraschungen auf. Wenn es doch mal ein größeres Problem gibt oder gar eine Situation, aus der die Charaktere von selbst nicht wieder herauskommen, lautet die Antwort meistens „Gott aus der Maschine“.
Gerade in der ersten Hälfte des Romans gibt es ein einfaches Handlungsmuster – die Hobbits essen, dann reiten sie sich selbst in die Scheiße, dann werden sie gerettet, dann gibt’s wieder Futter. Im Laufe der Kapitel weicht dieses Schema etwas auf.
Es gibt ein paar Ungereimtheiten, die mir aufgefallen sind. Ich lasse mich gerne belehren, weswegen ich falsch liege, aber für mich ergibt das bis dato nur wenig Sinn.
Das fängt damit an, dass angeblich noch nie ein Hobbit gegen einen anderen Hobbit gekämpft hat. Ich halte nicht viel von Verallgemeinerungen und Aussagen wie diese sind perfekt dazu geeignet, zu illustrieren, wieso das so ist.
Mehrmals wurde von besagten Personen aus meinem Umfeld unter anderem der Humor gelobt. Bedauerlicherweise bin ich für diesen sehr unempfänglich – aber selbst ich empfand die Geschenke Bilbos an seine Verwandten und Bekannten als amüsant.
Unklar ist mir, wie der Eine Ring, der ja dazu geschmiedet wurde, sie alle zu beherrschen, dennoch die Elbenringe nicht aufspüren kann. Soweit ich das verstanden habe, wurden sie nicht von Sauron angefertigt, aber der Teil mit dem „sie alle zu knechten“ kommt mir da etwas widersprüchlich vor. Später heißt es dann, dass Sauron die Elbenringe aufspüren könnte, sobald er den Einen wieder hat – er hatte ihn aber bereits mal und da haben die Elbenringe ihre Herren vor dem Einen versteckt. Anders gesagt: Es ergibt wenig Sinn.
Auch unklar ist mir, weswegen Gandalf Frodo ohne weiteres erlaubt, noch bis zum Herbst mit seiner Abreise zu warten. Selbst wenn er nicht wüsste, dass Sauron bald Jagd auf den Einen machen wird – kann es so eine gute Idee sein, kurz vor Wintereinbruch loszugehen, wenn dieser Wintereinbruch in der nördlichen Hemisphäre angesiedelt ist? Zumal sie übers Gebirge müssen?
Noch so eine Sache ist der Schicksalsberg, der das einzige ist, das den Einen zerstören kann. Deswegen ist es Frodos Aufgabe, diesen Berg zu finden und den Ring hineinzuwerfen. Problem: Keiner scheint zu wissen, wo er überhaupt nach dem Gesteinshaufen suchen soll.
Was mir sehr komisch vorkommt. Selbst wenn man keine Ahnung hat, wo er sein könnte, müsste man doch logisch denken können – so ein rauchender Vulkan wird den Leuten schon auffallen, und wenn man dennoch nichts von solchen Einwohnern gehört hat, sind sie entweder sehr abgeschieden, existieren nicht oder sie wollen nicht darüber sprechen, weil sie zum Feind gehören.
Damit lässt sich die Suchregion schon mal stark eingrenzen, aber stattdessen wird erstmal munter nach Bruchtal gewandert und dann … irgendwohin. Wohin, weiß keiner so genau; es ist ja nicht so, als würde es hier um das Schicksal der Welt gehen …
Am Ende des Romans findet Frodo auf diesem Berg des Sehens aber heraus, dass der Schicksalsberg in Mordor ist. Streicher wiederum lässt erkennen, dass er weiß, über welche Kräfte der Berg des Sehens verfügt. Wenn man also zu doof für Logik ist, wäre es nicht ein gutes Ziel, irgendjemanden zu diesem Berg zu schicken und ihn damit zu beauftragen, herauszufinden, wo der Schicksalsberg ist? Oder diesen Berg zu einem wichtigen Zwischenziel zu machen? Es scheint mir nicht so, als wäre das der Fall gewesen; die Gefährten rennen zwar durch die Gegend, aber keiner scheint zu wissen, wohin er eigentlich gehen soll.
Dann gibt es noch eine Reihe kleinerer Kontinuitätsfehler und ein Gefühl, das sich mir gegen Ende aufgedrängt hat. Es hat auf mich einige Zeit so gewirkt, als wäre die Quest lediglich eine Ausrede dafür, die Charaktere an möglichst vielen absonderlichen Orten vorbeischauen zu lassen – ein wenig wie ein Reiseführer. Das würde auch erklären, wieso die Handlung so vorhersehbar ist; es geht ja schließlich um den Tourismus, nicht um den Plot.
Zuletzt möchte ich als Überleitung zu den Charakteren eine Frage stellen: Wieso glauben alle, Frodo sei als Ringträger geeignet? Gut, ich kaufe ihnen ab, dass die ganzen Mächtigen lieber nicht in Versuchung geraten möchten. Aber ist das wirklich seine einzige Qualität? Nicht sofort der Versuchung nachzugeben? In dem Fall sollte man ihn zwar als Ringhüter einsetzen und ihn mitschleppen, aber man sollte ihn nicht so viele Entscheidungen treffen lassen.
Denn wenn es eines ist, das mich an den Charakteren Mittelerdes nervt, dann ist es ihre Inkompetenz, allen voran Frodos. Der Kerl bekommt wirklich kaum etwas auf die Reihe – spaziert ein paar Wochen vor Wintereinbruch los, macht eine ausgedehnte Wanderung, kommt erst während dieser drauf, dass es hier um sein Leben geht, verhält sich generell nicht gerade unauffällig oder geschickt, muss ständig von irgendwelchen Leuten gerettet werden und rettet selbst sehr wenig. Selbst dieses „schärfere Sehen“, das ihn am Ende zu prägen scheint, ist nicht von ihm, sondern von den Schwarzen Reitern von der Heilkunst Elronds abzuleiten.
Was also zeichnet diesen Charakter aus? Eine gute Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Sei es durch den entrückenden Schreibstil, aber ich konnte beim besten Willen keine Verbindung zu irgendeinem der Charaktere aufbauen – nur Lutz war mir sympathisch, und der durfte nicht mit nach Moria, weil … Dinge passieren konnten, die nicht passiert sind.
Auch interessant empfinde ich den Umgang mit Morddrohungen, vor allem von Gandalfs Seite, aber Frodo macht da auch lustig mit. Gandalf redet im einen Moment davon, dass er ja so viel Mitleid mit Gollum hatte, dass er ihn nicht tötete – oh, welch gnädiger Herr Zauberer, der sich ja offenkundig im Recht sieht, über Leben und Tod zu bestimmen! –, nur um ein paar Absätze später Sam de facto mit dem Tod zu drohen, weil er gelauscht hat. Ich will ja nicht mit Undertale-Weisheiten daherkommen, aber Gandalf kann nicht erwarten, dass ihm bei so einem Verhalten irgendjemand über den Weg traut.
Und nein, das kann man nicht auf seinen aufbrausenden Charakter schieben. Aufbrausend ist eine Sache, ein Arsch zu allen in deiner Umgebung sein, wenn die mal etwas machen, das dir nicht passt, ist eine andere.
Zu den Nebencharakteren kann ich in erster Linie sagen, dass sie in „Helfer“ und „Feind“ unterteilt werden. Dazwischen gibt es nichts und generell erscheint es mir, als würde hier ziemlich klar zwischen Schwarz und Weiß unterschieden werden. Entweder die Hilfscharaktere sind vollkommen für die Gruppe, oder sie sind es nicht.
Einige von ihnen bekommen ihre eigene Geschichte, aber im Großen und Ganzen wirkt es, als würden sie nur zu Hilfszwecken und Schlemmerfesten existieren, als hätten sie keine eigenen Motivationen und keine Hintergründe, keine Ziele und prinzipiell keine Graustufen. Bei ein paaren könnte man das mit etwas gutem Willen hineininterpretieren, beispielweise bei dem Kerl, der den Hobbits gleich zweimal im Alten Wald den Allerwertesten rettet, aber auch da hat es sich überwiegend nicht so angefühlt, als wäre er mehr als ein unterstützender Nebendarsteller.
Dann hab ich noch eine Frage. Wieso können die Schwarzen Reiter ohne ihre Pferde nicht oder deutlich schlechter kämpfen? Ich dachte, sie könnten zu Fuß gehen? Oder ist das auch nur wieder ein Deus ex machina, damit die Protas eine Verschnauf- und Schlemmerpause bekommen?
Zu den Antagonisten kann ich nichts sagen außer: böse. Zwar wird irgendwann mal kurz erwähnt, dass niemand böse geboren wird, aber es wird danach nicht weiter differenziert. Sauron wird gerne als das Böse im Allgemeinen bezeichnet und auch sonst gibt es wenig Hoffnung, dass daraus ein interessanter Antagonist erwächst. Für die Nebendarsteller des Bösen gilt dasselbe.
Generell habe ich ein großes Problem mit dieser Dualität: die Leute sind entweder gut oder böse, stehen entweder für die Protagonisten ein oder stellen sich gegen sie, und selbst bei Gollum lässt sich das finden: seine gute Seite mag die Sonne, die böse den Schatten und den Boden. Das … ist so deppeneinfach, ich wundere mich gar nicht mehr, dass das so gut ankommt.
Was mich auch verwundert: Wieso haben die Leute ständig Angst, den Namen eines Antagonisten zu nennen oder die dazugehörige Geschichte zu erzählen? Verschreien die sich ihren Standort oder was? Wenn da keine Zauber im Spiel sind, werde ich wirklich grantig, denn das ist Ausrede Nummer eins, um wichtige oder interessante Informationen hinzuhalten. Denn wenn man zu Mittag von Sauron spricht ist das besser als am Abend, weil … weil … weil …?
Wie ich bereits erwähnt hatte, weist „Der Herr der Ringe“ wirklich, wirklich viele Namen auf, die ich mir bei weitem nicht alle gemerkt habe und die ich überwiegenderweise wahrscheinlich nicht einmal wiedererkennen würde. Das beschreibt auch recht gut, welchen Eindruck dieses Buch auf mich hat: voll.
Wirklich gute Bücher – „American Gods“, viele Vertreter der Scheibenweltreihe – wirken auf mich ein wenig wie eine Art Netzwerk, das unfassbar viele Kreuzungspunkte hat und deswegen so komplex ist und so wundervoll. „Der Herr der Ringe“ hingegen wirkt einfach nur … voll. Wie ein Mistkübel, in den man so lange Taschentücher hineinstopft, bis er beinahe übergeht.
Enttäuscht hat mich aber am meisten das Elbenvolk. Es gibt ein paar Stichwörter, mit denen man mein Interesse an Fantasy wecken kann, und Elben – die hiesigen Elfen, Alben, wie auch immer man sie nennen möchte – zählen dazu. In neunzig Prozent der Fälle finde ich auch etwas Besonderes an ihnen, aber hier?
Ja, sicher, sie sind eine Art Im-Herzen-ein-Kind-ansonsten-Weise-wie-sonst-was-Wesen, sie sind schön, können wundervoll singen und tanzen, sind sehr langlebig bis unsterblich, leben in goldenen Wäldern … vielleicht war das in den Fünfzigern etwas Neues und Faszinierendes, aber jetzt ist es das nicht mehr. Jetzt ist es einfach nur … fad.
Zumal sehr wenig auf die einzelnen Völker eingegangen wird, wenn nicht gerade ein Infodump ansteht. Die Elben sind halt die Elben, und die könnten genauso gut „hageres Menschenvolk“ heißen und es wäre kaum etwas Anderes. Sie bekommen ein paar unkreative Eigenschaften aufgedrückt, aber über die Kultur erfährt man praktisch nichts – nur ab und an in irgendwelchen Liedern, die zwar ganz nett sind, da die Seiten dann schneller gelesen sind, ansonsten aber kaum nennenswerten Hintergrund bieten.
Was kann ich abschließend noch schreiben? Meine Befürchtungen haben sich bestätigt, vielleicht. Aber es ist bei weitem nicht so schlecht, wie ich manch anderen Klassiker oder Verkaufsschlager bewertet habe. Im Übrigen bin ich offen für Diskussionen und Korrekturen, sollte ich einfach nur nicht den Genius dieses Buches erkennen, aber fürs Erste bleiben die drei Sterne.
Den zweiten Band werde ich beginnen, aber wenn ich keine Lust mehr auf ellenlange Diskussionen habe, werde ich ihn abbrechen. Mein Herr Papa hat allerdings gemeint, dass jetzt so etwas wie ein Plot in Bewegung kommt – probieren werde ich es also.
Bis dahin: Für einen Klassiker gut ertragbar, aber er ist eben … speziell.
Details zum Roman:
Titel: Der Herr der Ringe (hier rezensiert: „Die Gefährten“)
Autor: J.R.R. Tolkien
Verlag: Hobbitpresse (Klett Cotta)
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-608-93828-9
Genre: Fantasy
Preis: 51,40€ (s. Datum)
Seiten: 1293 (hier rezensiert: 1-454)
Reihe: nein, da Trilogie-Sammelband (s. Datum)
Bewertung: ««« (s. Datum)
Wörter: circa 3000
Stand: 16.04.2017
Spoiler und so. Zweiter Band und so. (Kann man den „Herrn der Ringe“ überhaupt noch spoilern?)
Nach der Lektüre des ersten Bandes war ich im Zweifel, ob das mit mir und dem „Herrn der Ringe“ noch was wird. Umso erfreuter bin ich, hier verkünden zu können, dass die Antwort auf diese Frage „ja“ lautet.
Die Rezension bezieht sich auf den ersten Band eines Sammelbuches. Die Seitenangaben in der Rezension sind dementsprechend zu werten.
Die Gefährten haben sich getrennt. Aragorn, Legolas und Gimli machen sich auf, die entführten Hobbits zu retten, während Sam und Frodo weiter nach Mordor ziehen, um den Einen Ring endgültig zu zerstören.
Insgesamt ist mir der gesamte Roman wesentlich angenehmer vorgekommen als der erste. Woran das genau liegt, kann ich nicht sagen – der Schreibstil hat sich nicht wesentlich geändert, was auch daran erkennbar ist, dass beispielweise die Gefühlsbeschreibungen an vielen Stellen noch immer sehr mau ausfallen. Andererseits haben mich die direkten Reden nicht mehr so sehr genervt, obwohl sie kaum weniger pathetisch ausgefallen sind.
Es könnte auch daran liegen, dass jetzt handlungsmäßig etwas weitergeht, oder aber daran, dass ich mich nicht mehr dazu verpflichtet habe, das Buch zu beenden – was auch immer es letztlich war, es hat sich sehr positiv auf das Leseerlebnis ausgewirkt.
Zum Stil gibt es allerdings nicht viel zu ergänzen: Die Umgebungsbeschreibungen vermögen wunderbare Bilder vors innere Auge zu zaubern, und es gab auch viele Stellen, die sehr atmosphärisch waren. Historische Ausführungen gibt es glücklicherweise deutlich weniger – und wenn, sind sie nicht ganz so ausführlich. Wie geschrieben bleiben die Gefühlsbeschreibungen eher erklärend als beschreibend, wenn es auch einzelne Ausnahmen gibt.
Rückblickend würde ich außerdem sagen, dass es weniger Parataxstellen gibt; zumindest kann ich mich an keine erinnern, die mir negativ aufgefallen wäre. Ansonsten kann ich mich nur wiederholen: viele „und“s, ein eher auf Abstand gehender Stil, und wer es genauer wissen möchte, sollte sich an der Stelle einfach die erste Rezension durchlesen (Nummer sechsundzwanzig).
Ausgesprochen glücklich bin ich darüber, dass ich mir keine größeren Handlungsfehler notiert habe. Ich weiß, dass mir ein paar Dinge während des Lesens komisch vorgekommen sind, aber sie waren zu klein, dass ich sie aufschreibe – und lediglich ein paar Detailfehler sind nun wirklich ein guter Schnitt.
Auch wusste ich während größerer Abschnitte des Buches nicht, wohin die Reise gehen soll, weswegen gerade im ersten Teil die Neugier allein zum Lesen animiert hat. Gegen Ende des zweiten Bandes behaupte ich zwar, den groben weiteren Verlauf zu wissen, aber es gibt in „Die zwei Türme“ ein paar kleinere Überraschungen und man kann nicht alles bereits auf Seite eins vorhersehen. Was eben zu großen Teilen der Tatsache geschuldet ist, dass die Charaktere selbst kaum eine Ahnung davon haben, wohin sie gelangen werden.
Jetzt zu einem Punkt, der mich beim letzten Buch nicht so wirklich packen konnte: die Charaktere. Vielleicht kommt meine bessere Bewertung auch aus diesem Gebiet – denn hier hat sich tatsächlich einiges getan.
Ich vermute, dass es an der Aufteilung der Gruppe liegt, dass ich die Beziehungen zwischen den Charakteren als besser dargestellt empfinde. Beispielweise die Freundschaft zwischen Legolas und Gimli hat sich ausgesprochen angenehm lesen lassen und ich habe sie den beiden abgekauft – auch, dass eine solche Freundschaft zwischen einem Elb und einem Zwerg sehr selten ist, ist gut rübergekommen.
Was mich auch sehr gefreut hat: Es gibt wesentlich weniger Deus-ex-machinas. Während in Buch eins Frodo kaum einen Schritt machen kann, ohne gleich wieder gerettet werden zu müssen, ist er nun zwar ebenfalls auf Hilfe angewiesen, aber er ist merklich selbstständiger geworden. Ähnliches gilt auch für die anderen Charaktere, aber das könnte auch daher kommen, dass es verdammt schwierig ist, bei einer Gruppe von neun Personen jede einzelne gut rüberzubringen, was ja auch nicht geschafft wurde.
Besonders gefallen hat mir Baumbart – und eigentlich fast alles an den Ents. Ich gehe später noch ein bisschen mehr darauf ein. Generell habe ich aber immer mehr das Gefühl, dass ich die Geschichte von Charakteren mit, naja, Charakter lese und nicht nur ein oder zwei Eigenschaften, die das Wesentlichste zusammenfassen. Ein gutes Beispiel dafür ist Sam – auch kann man an ihm gut darstellen, dass die Charaktere zwar nicht mehr vollkommen hilflos sind, aber dennoch Fehler machen.
Noch ein Punkt, der mich gefreut hat, ist die aufgeweichte Dualität. Ich hatte den ersten Band dafür kritisiert, dass er eine sehr einfache Schwarz-Weiß-Schablone für seine Figuren und für seine Welt verwendet, und zu einhundert Prozent bin ich noch nicht davon überzeugt, dass dem nicht der Fall ist. Aber mehrere Charaktere lassen die Grenze nicht mehr ganz so scharf wirken – es hängt jetzt vieles davon ab, wie Sauron im letzten Band dargestellt wird.
Auch positiv ist, dass ich leichter Faszination für Mittelerde aufbringen kann und generell einen besseren Zugang zur Welt habe. Während der ersten 450 Seiten wirkte die gesamte Reise eher wie eine abgearbeitet Checkliste absonderlicher Orte, die die Protagonisten zu besuchen hatten, und die Faszination hat sich dementsprechend in Grenzen gehalten. Bei „Die zwei Türme“ hatte ich dieses Gefühl aber zu keiner Zeit.
Ein Beispiel dafür sind die Ents, und wenn es etwas gibt, das ich an dieser Reihe fangirlen würde, dann wären es wohl die. Das einzige, das ich an ihnen kritisiere, ist die klassische geschlechtsstereotype Zuteilung der Bevorzugungen – die männlichen Ents haben ihr wilden Wälder, die Entfrauen ihre schönen, ordentlichen Gärten.
Aber abgesehen davon bin ich hin und weg. Ich mache kein großes Geheimnis daraus, dass ich Pflanzen schon ziemlich toll finde, und von allen Darstellungen in der Literatur zählen die Ents als vermenschlichte Pflanzen wohl noch zu den besten Darstellungen. Ihre langsame, aber beständige Art, die Tatsache, dass sie sich mit den Bäumen unterhalten können und ihnen sehr ähnlich sind – sie trinken beispielweise nur Wasser, essen aber nichts, ... – und ich würge mich hier mal besser selbst ab, sonst eskaliert das hier noch. Wie gesagt, die Darstellung ist nicht perfekt, aber ich gebe zu, dass eine realistische erzähltechnisch sehr schwierig ist, da Pflanzen nun mal nicht aufstehen und sich gegenseitig mit Schwertern umbringen. Sie bevorzugen es, sich gegenseitig Wasser, Nährstoffe und Licht wegzunehmen, und das in unterschiedlichen Variationen – mit ein paar Abweichungen. Aber, naja, für klassische Fantasy nicht sehr gut geeignet.
Ich bin zufrieden.
Weniger zufrieden bin ich mit der Magie in dieser Welt. Sämtliche Nachfrage wird prinzipiell damit beantwortet, dass das die Sache der Zauberer ist, sodass den Protagonisten nichts wirklich über ihre Funktionalität oder ihre Grenzen erklärt wird. Es könnte alles mit ihr erklärt und gerechtfertigt werden – der Leser weiß ja nicht, wie sie funktioniert. Wenn es hier überhaupt Regeln gibt, die nicht erzähltechnisch bedingt sind.
Und damit bin ich schon wieder am Ende einer eher kurzen und von der Struktur her etwas aufgeweichten Rezension. Insgesamt hat mir „Die zwei Türme“ gut gefallen und ich werde in den nächsten Tagen mit dem dritten Teil beginnen.
Details zum Roman:
Titel: Der Herr der Ringe (hier rezensiert: „Die zwei Türme“)
Autor: J.R.R. Tolkien
Verlag: Hobbitpresse (Klett Cotta)
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-608-93828-9
Genre: Fantasy
Preis: 51,40€ (s. Datum)
Seiten: 1293 (hier rezensiert: 455-820)
Reihe: nein, da Trilogie-Sammelband (s. Datum)
Bewertung: «««« (s. Datum)
Wörter: circa 1200
Stand: 03.05.2017
Obligatorische Spoilerwarnung für einen dritten Teil ist obligatorisch.
Die finale Stunde im Ringkrieg rückt näher. Die Gefährten bereiten sich zusammen mit verschiedenen Königreichen auf die erste große Schlacht vor, während Frodo und Sam in Mordor ihr Schicksal erfüllen.
Und damit begrüße ich euch zu meiner letzten Rezension zu dieser Reihe. Wenn es so wirkt, als würde ich hier die einzelnen Punkte nicht ganz so intensiv behandeln wie sonst, liegt das daran, dass ich mit der Reihe abgeschlossen habe und ich nicht einmal wirklich ein Bedürfnis danach verspüre, diese Rezension zu schreiben. Da meine nächste Lektüre aber auch nicht das Gelbe vom Ei ist und ich es als unschön empfinden würde, ausgerechnet das Fantasyurgestein mit einer fehlenden Rezension beehren, gibt’s hier eine deutlich aufgeweichte Version davon.
Zum Schreibstil habe ich meinen Anmerkungen aus der Rezension zum ersten Buch (Nummer sechsundzwanzig) nicht viel hinzuzufügen. Die Stakkato-Sätze sind seit dem zweiten Band praktisch verschwunden, ansonsten bleibt alles gleich: nervend pathetische direkte Reden, umfassende Umgebungsbeschreibungen, geringe Gefühlsbeschreibungen, …
Die Handlung hat mich entgegen meiner Überzeugung an einigen Stellen überraschen können, am Grundkonzept wurde aber nicht gerüttelt. Es gibt einzelne Detailfehler, die aber keiner Notiz würdig sind.
Lobend möchte ich Éowyns Einsatz in der großen Schlacht erwähnen, der mich nicht nur hat überraschen können, sondern der damit auch die Geschlechtsdualität etwas aufgeweicht hat. Nur, um sie Kapitel später wieder zu zerstören, aber ich gehe gleich näher darauf ein.
Dann noch mein Kommentar zu den „vielen Enden“ des „Herrn der Ringe“. Für mich hat das weniger wie viele Enden als wie ein ewig langgezogenes gewirkt. Nachdem der Ring vernichtet ist und die große Schlacht gewonnen ist, gibt’s viele Seiten über Feierlichkeiten, ein paar Verlobungen/gestandene Lieben, dann Warten auf einen Haufen hochrangiger Elben, dann die Heimreise mit diesen, dann muss das Auenland noch befreit werden, und dann endet das Buch endlich.
Es mag sein, dass diese Anzahl an Ereignissen rein von der inneren Logik her passen – das ist nicht das, was ich kritisiere. Ich stelle lediglich fest, dass ich kein Hardcore-Fan der Reihe bin und J.R.R. Tolkien mir als der Typ in Erinnerung bleiben wird, der zwar wundervolle Bilder vors innere Auge zeichnen kann, aber ebenso gut darin ist, Dinge zu strecken. Sehr, sehr lang zu strecken.
Bevor ich weiter schreibe, möchte ich noch anmerken, dass meine Ausgabe zwar einen Anhang mit einem Haufen zusätzlicher Infos hat, ich diesen aber nicht gelesen habe, da ich an der Trilogie interessiert war und nicht an all die Dinge, die sich Tolkien zwar ausgemalt hat, die er aber nicht in den Romanen selbst inkludiert hat. Sollten sich einige meiner Kritikpunkte also dadurch erklären, dass sie zwar nicht in der Geschichte, aber im Anhang enthalten sind, lautet meine Antwort darauf: Hätt‘ er’s mal in die Geschichte gepackt. Platz genug hätte er beileibe gehabt.
Zunächst Éowyn. Die Teile, in denen sie Aragorn anschmachtet, haben mir absolut keinen Unterhaltungswert offenbaren können – aber gerade in der Schlacht hat sich das deutlich geändert und ich war ein stückweit beeindruckt, dass eine Geschichte, die sonst nicht viel Wert darauf legt, ihre Würstchenparade etwas aufzulockern, einen solchen Twist hatte.
Seien wir ehrlich: Es gibt weibliche Charaktere, ja, aber die wenigen, die genannt werden, werden entweder nur erwähnt oder bekommen sehr einfache bis stereotype Rollen zugeschrieben – beispielweise die eine Heilerin, die nicht nur eine wenig überraschende Tätigkeit ausübt, sondern das auch noch mit einem Hang zum Wasserfallreden macht und auch sonst keinen Charakter gespendet bekommt.
Die einzigen Ausnahmen, an die ich mich spontan erinnern kann, sind Éowyn und die Elbenkönigin (die natürlich nicht alleine regiert) aus dem Goldenen Wald. Letztere hat mich nicht sonderlich beeindruckt, ist aber einer der Gründe, warum ich dem „Herrn der Ringe“ keinen Sexismus vorwerfe.
Éowyn ist deswegen kein Beispiel dafür, weil sie zwar über weite Strecken des dritten Bandes – wenn sie nicht gerade Aragorn hinterherhechelt, natürlich – eine sehr selbstbewusste und aus ihrem eigentlichen Rahmen ausbrechende Figur ist, was so weit geht, dass sie einen von, was, fünf Gegnern tötet, vor dem sich Gandalf in Acht nehmen muss, aber das alles führt zu nichts.
Die Conclusio: Ihre ausgesprochen bemerkenswerte Tat – ich erinnere nochmal daran: Gandalf hätte von dem Kerl getötet werden können! Gandalf! – wird von den restlichen Charakteren bestenfalls in einem „ach ja, das war auch toll“ bemerkt, wohingegen selbst der Hobbit, der sie dabei unterstützt hat, dafür hoch gelobt wird, obwohl er wahrlich nur eine unterstützende Rolle innehatte, und als Éowyn dann ihre wahre Liebe findet, will sie plötzlich nicht mehr kämpfen und sich stattdessen … einen Garten anlegen. Und noch ein oder zwei andere Sachen, die mit den gesellschaftlichen Normen konform gehen, und da gedanklich zu ergänzen, dass sie von jetzt an nicht mehr aus ihrer Rolle ausbrechen wird und das alles ausgelöst wurde von einer plötzlichen und ausgesprochen schlecht entwickelten Beziehung wahrer Liebe, die natürlich schon nach einer Woche in einem Ehegelübnis führt, ist nicht sonderlich abwegig.
Wenn es einen Charakter gibt, der mich wirklich frustriert hat, dann ihrer. Ich würde ihr den Wandel vielleicht sogar abkaufen, wenn daran nicht alles „Klischee!“ schreien würde. Das Bad Girl wird vom ehrwürdigen Gentleman gezähmt und stubenrein gemacht. Muss ich wirklich ausführen, was mich daran so stört?
Die restlichen Protagonisten sind … da, schätze ich. Es gibt sehr rar gesäte emotionale Momente, ansonsten sind selbst die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr so gut illustriert wie im zweiten Roman – vielleicht deswegen, weil ja jetzt alle auf Kampf aus sind. Besonders nahe ging mir jedenfalls kaum ein Schicksal. Sam fand ich da noch am angenehmsten.
Und jetzt zu den Antagonisten. In der Trilogie wird kein Wort darüber verliert, wieso Sauron vielleicht auch nur eine arme Sau ist, und ich bin mir sicher, dass er niemals ein Protagonist werden könnte. Er ist einfach das ultimative Böse, das sich mal normal verhalten hat, und ja. Das war’s. Ein guter Antagonist sieht anders aus.
Seinen Dienern geht es nicht anders, wobei man dazu sagen muss: Sehr vielen wird zugutegehalten, dass sie unter Saurons schlechten Einfluss gekommen sind und er sie manipuliert und sie fest im Griff hat. Was gut und schön wäre, aber Sauron ist ein stereotyper, uninteressanter Antagonist.
Zumal er nie als Person auftritt. Er ist immer nur das Auge, die ominöse Macht, die durch pure Gedankenkraft Leute manipulieren kann. Er ist der Tod, er ist Ödnis, er ist Feuer, er ist das Böse. Er ist keine Person mehr, kein Charakter, sondern ein Synonym für „muss besiegt werden“. Welches Schicksal ihn genau nach der Zerstörung des Rings ereignet hat? Wer weiß? Die Trilogie schweigt darüber, und das stört mich gewaltig.
Zur Welt bleibt zu sagen, dass die Magie noch immer vieles ist, nur nicht erklärt oder strukturiert, sodass sie als Ausrede für so ungefähr alles verwendet werden kann, und die Dualität, die im zweiten Band etwas aufgeweicht wurde, ist wieder stärker geworden.
Dennoch gebe ich diesem Ding drei Sterne, und das aus zwei Hauptgründen. Zunächst: Wenn es auch nicht mehr so interessant wie in „Die zwei Türme“ war, ist der dritte Band doch über weite Strecken zumindest angenehm zu lesen. Zweitens: Das Ding ist in Fantasybegriffen steinalt. Es war zwar nicht der erste High-Fantasy-Roman überhaupt, aber derjenige, der das Subgenre und das Genre bekannt und populär gemacht hat.
Was jetzt als ermüdendes Klischee gelten mag, war damals vielleicht noch neu genug, um nicht weiter das Gemüt zu betrüben. Hierin erklärt sich wohl auch die Darstellung der Frauen – ich gebe zu, ich habe praktisch kein Wissen über diese Jahrzehnte, aber in den Vierzigern bis den Sechzigern könnte es als gewagt gegolten haben, einen Charakter wie Éowyn zu erschaffen. Oder Galadriel, deren Name mir doch noch eingefallen ist. Zumindest bilde ich mir ein, dass die stärksten feministischen Bewegungen erst in den Sechzigern bis Siebzigern angelaufen sind – eine Zeit, in der das Buch bereits veröffentlicht war.
Was kann ich also abschließend über die Fantasyreihe schlechthin schreiben? Dass sie okay ist, schätze ich mal. Ich hatte Schlimmeres befürchtet, nachdem ich mit dem ersten Teil nicht so gut zurechtgekommen bin. Ich würde aber auch nie behaupten, der „Herr der Ringe“ sei nichts Besonderes – das ist er, und nicht nur im Kontext seiner Zeit. Tolkiens Schreibstil ist ein sehr spezieller; ob das nun gefällt oder nicht, ist deutlich subjektiver.
Nachvollziehen kann ich den anhaltenden Hype und die Verehrung für die Reihe nicht, aber das geht mir mit vielen Werken so, sowohl modernen als auch klassischen. Insofern: Gut, dass ich es mal gelesen habe, aber ich werde es sicher kein zweites Mal versuchen.
Details zum Roman:
Titel: Der Herr der Ringe (hier rezensiert: „Die Rückkehr des Königs“)
Autor: J.R.R. Tolkien
Verlag: Hobbitpresse (Klett Cotta)
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-3-608-93828-9
Genre: Fantasy
Preis: 51,40€ (s. Datum)
Seiten: 1293 (hier rezensiert: 821-1140)
Reihe: nein, da Trilogie-Sammelband (s. Datum)
Bewertung: ««« (s. Datum)
Wörter: circa 1500
Stand: 11.05.2017
Der Name „Wolfgang Hohlbein“ stößt bei mir nicht unbedingt auf positive Assoziationen. Im Laufe meines Lebens habe ich vier Romane von ihm gelesen, wobei drei davon in meinen frühen Teenager-Jahren anzusiedeln sind. Dieses Buch war ein Geschenk einer Freundin – entsprechend hatte der Autor die Chance, alle meine vorhandenen Vorurteile zu bestätigen oder zu widerlegen.
Tallys Dorf wurde von Drachen zerstört, als sie noch ein junges Mädchen war. Seitdem richtet sich ihr gesamtes Handeln nur auf ein Ziel: Rache. Bevor sie diese erreicht, vergehen jedoch viele Jahre, und je näher sie ihrem Ziel kommt, desto tiefer wird sie in einen Kampf hineingezogen, der weit größer ist als ihrer.
Macht euch auf eine lange Rezension gefasst, denn hier wird so etwas wie ein Kindheitstrauma aufgearbeitet. (Vorsicht: Irgendwo im vorherigen Satz versteckt sich eine Hyperbel. Wer sie findet: Unter keinen Umständen ernst nehmen! Damit füttert ihr sie nur!)
Dementsprechend möchte ich euch zuerst darlegen, was meine in der Einleitung angesprochenen Vorurteile sind. Wie geschrieben habe ich die drei ersten Hohlbein-Bücher vor vielen Jahren gelesen und nur noch vereinzelte Erinnerungen daran, aber welchen Eindruck ich von den Büchern hatte, lässt sich in drei groben Punkten zusammenfassen:
Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Hat sich alles bestätigt.
Zunächst einmal gibt es einen Stern Abzug für die Rechtschreib-, Grammatik- und Interpunktionsfehler. Besonders letztere, obwohl es auch einige Unklarheiten bei Umlauten gegeben zu haben scheint. Hinzu kommen Formatierungsfehler; beispielweise beginnt mitten im Satz ein neuer Absatz.
Kommen wir aber zu dem Teil der Rezension, der lustiger ist. Vorab noch ein kurzes Lob dafür, dass sich der Roman so leicht lesen lässt – nicht gut, wohlgemerkt, nur leicht und schnell. Wäre er auch noch zäh zu lesen gewesen, hätte ich ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgebrochen.
Das war’s vorerst aber auch mit dem Lob. Ich fange am besten mit einem der größten Vorwürfe an: An vielen Stellen liest es sich nicht so, als wäre „Die Töchter des Drachen“ das mindestens achtzehnte Buch (laut meiner kurzen Zählung auf der Grundlage der Wikipedia-Liste), das Hohlbein geschrieben hat, sondern eher das erste oder das zweite. Um fair zu sein: „Märchenmond“, sein erster Publikationserfolg, ist 1982 zum ersten Mal erschienen, „Die Töchter des Drachen“ 1987.
Meiner Erfahrung nach sind fünf Jahre aber genügend Zeit, um seinen Stil von dem einer durchschnittlichen BadFic abzuheben. Dass das nicht immer gelingt, zeigt dieses Zitat, das einer, aber bei weitem nicht der einzige der stilistischen (und inhaltlichen) Tiefpunkte iat:
„Als sie diesen Weg das erste Mal geritten war, vor zehn Jahren (waren es wirklich erst zehn Jahre? Es kam ihr länger vor. Während dieser Zeit war so viel geschehen, so unendlich viel, und doch so wenig …), da hatte sie geglaubt, sich daran gewöhnen zu können.“ (S. 69)
Die Formatierungen sind eins zu eins aus dem Buch übernommen, und sie sind auch einer meiner Kritikpunkte. Ich habe nicht wirklich ein Muster erkennen können, wann etwas in einer Kursiv-Klammer steht, wann in einer Klammer, wann einfach nur kursiv. Es wird aber sehr viel mit letzterem gearbeitet, so viel, dass sich an einigen Stellen nur noch raten lässt, warum diese Worte konkret hervorgehoben werden sollten:
„Während Hrhon und Essk umständlich aus den Sätteln stiegen und damit begannen, das Nachtlager vorzubereiten, ging Tally auf den Kamm der nächstgelegenen Düne hinauf.“ (S. 72)
Und nein, das ergibt im Kontext der vorherigen Seiten nicht mehr Sinn als ohne diesen Kontext. An einigen Stellen hat es so gewirkt, als wäre die Kursivschrift unabsichtlich eingesetzt worden, was mich zu der Frage bringt, wer das Okay für diese Druckfahne gegeben hat.
Auf der Ebene der Beschreibungen sind die der Handlungen die einzigen, die soweit in Ordnung sind. Die der Umgebung sind mal konfus, mal okay, mal nerven sie durch ihre Wortwahl. Damit meine ich, dass bestimmte Nomen, die generell positiv oder negativ assoziiert sind, verwendet werden, um nicht nur die Umwelt, sondern auch die Atmosphäre und die Stimmung zu beschreiben. Bei „Bahnwärter Thiel“ von Gerhart Hauptmann kann man, wenn man die Beschreibungen des Waldes vor und nach dem Plottwist vergleicht, das sehr eindrucksvoll feststellen, hier aber wird so lange von blutendem Sonnenlicht und wie Mäuler aufklaffenden Türen geschrieben, dass es innerhalb weniger Seiten seine Effektivität verliert.
Die Gefühlsbeschreibungen in den jeweiligen Szenen sind ebenfalls okay – was aber nur ein geringer Trost ist, denn die Charakterentwicklungen, die großen Veränderungen, die schleichenden Prozesse werden nur erklärt, nicht erzählt, was den Handelnden jede Grundlage für Glaubwürdigkeit nimmt.
Die Geschichte ist, sollte ich an der Stelle wohl hinzufügen, im Roman selbst eine Geschichte, die von einer Frau einem Kind erzählt wird. Zwischen den Kapiteln springt die Erzählung kurz zu den beiden zurück, und während sich damit einige der Mängel „entschuldigen“ lassen, halte ich diese Entschuldigung für ausgesprochen schwach, da es sich hier besonders leicht gemacht wurde.
Das erste Kapitel erzählt, wie Tally als Zehnjährige ihre Familie, ihr Dorf, alles verliert und sie von einer Gruppe Söldner aufgenommen wird. Im zweiten ist sie etwa fünfundzwanzig, hat die Führung über die Söldner übernommen, verhält sich wie jemand, dem Empathie ein Fremdwort ist (oder Respekt. Oder Menschlichkeit. Oder irgendetwas Positives, um ehrlich zu sein) und kann superdupertoll kämpfen und Befehle brüllen.
Seht ihr den fließenden Übergang? Verängstigtes Mädchen im ersten Kapitel, sueige Badass-Kämpferin im zweiten. Selbe Person. Eine Entwicklung von fünfzehn Jahren, die einfach übersprungen wurde und die ich mir jetzt einfach selbst ergänzen soll, oder wie darf ich das verstehen?
Bei den Gefühlsbeschreibungen möchte ich noch erwähnt haben, dass die im ersten Kapitel besonders schlecht waren. Ich empfand die Trauer, den Schock der Menschen, die soeben alles verloren hatten, in erster Linie als nervig und wünschte mir, wir mögen doch bitte zum Plot kommen.
Der gesamte Roman ist voll von ihnen, deswegen möchte ich sie nicht unerwähnt lassen: Kampfszenen. Kurz zusammengefasst war ich mir noch nie so sehr der Tatsache bewusst, dass alle wichtigen Figuren (also Tally) überleben würden. Am Beginn von fast jeder Kampfszene habe ich gedacht: „Oh, die werden jetzt kämpfen, und das wird einige Seiten in Anspruch nehmen, und dann geht’s weiter.“ So etwas wie Mitfiebern war dementsprechend schwer.
Jetzt geht das Ranten auf der Detailebene los. Ich beginne gleich mit einer Phrase, die gar nicht so häufig verwendet wurde, höchstens ein Dutzend Mal, eher weniger, und die mich dennoch unfassbar gestört hat: „die Frau in ihr“ (in Tally).
Das erste Mal wird diese Phrase verwendet, als Tally ein zerstörtes Zimmer sieht, in dem ihre Todfeinde gewohnt haben. „Die Frau in ihr“ findet das mit der Zerstörung wohl nicht so toll. Anders gesagt: „Frau“ wird hier mit den gesellschaftlichen Stereotypen gleichgesetzt, von denen ich nicht einmal gewusst habe, dass sie noch existieren. Ich hätte „Weiblichkeit“ jetzt nicht sofort mit einem aufgeräumten Haushalt in Verbindung gebracht.
Mich stört aber ganz abgesehen von diesen Klängen die Tatsache, dass es so etwas wie eine „Frau in jemandem“ geben kann. Im Roman wird meistens noch „die Kriegerin in ihr hingegen“ ergänzt, was mich zu der Frage bringt, ob das einfach nur eine schlechte Darstellung der Tatsache ist, dass eine Persönlichkeit (oder ein gut geschriebener Charakter) vielschichtig ist und mehrere Facetten hat, die man mit unterschiedlichen Rollen in Verbindung bringen kann, und wenn ja, wieso stereotyp-weiblich eine dieser Facetten sein soll. Ich würde beispielweise von mir nicht behaupten, dass es eine „Frau in mir“ gäbe, weil ich eine Frau bin, und ich habe Vorlieben und Abneigungen, die zweifelsfrei zumindest teilweise auch von verbreiteten Vorurteilen mitgeprägt wurden, aber eine eigene Facette mit dem Titel „Frau“ sehe ich in mir nicht. Müsste ich raten, würde ich behaupten, viele Frauen würden mir da zustimmen.
Außerdem auffallend sind die … bemerkenswerten Formulierungen. Beispielweise finde ich es interessant, dass statt „töten“ oder „ermorden“ „niedermachen“ geschrieben wird, zumal ich das Wort in dem Kontext noch nie gehört habe. Dazu gesellt sich ein Feuer, das „phantastisch“ schnell um sich greift, obwohl Tally selbst das als etwas Negatives ansieht, und eine Menschenleiche wird mit „appetitlich“ beschrieben. Ist das noch Stilmittel oder kann das weg?
Und nur am Rande: Groß gewachsene Tiere sind nicht größenwahnsinnig. Sollte das ein Witz sein, wäre es ratsamer gewesen, ihn nicht alle paar Dekaden Seiten anzubringen.
Auch störend sind Adjektive, die dem Leser eine eindeutige Meinung vorschreiben, was besonders dann offensichtlich wird, wenn der Leser – in dem Fall meine Wenigkeit – dieser Beschreibung widersprechen möchte. So wird ein Wutanfall Tallys am Anfang als „gerechter Zorn“ beschrieben, während es für mich ein klarer Fall kindlichen Trotzes ist.
Hinzu kommen eine Reihe von Fehlgriffen, die ich oft kritisiere: Füllwörter, die man hätte herausstreichen können, ohne dass das dem Lesegenuss wehgetan hätte, inhaltliche Wiederholungen und Wortwiederholungen, ein vom Lektorat ignorierter Anfall Multipler Satzzeichen, GEBRÜLLE und Details, die dem Leser vorgekaut werden, als würde Herr Hohlbein seine Leser für bescheuert halten.
Zu guter Letzt noch eine von vielen Stilblüten – finde den Fehler:
„Das Abendessen verlief so einsilbig wie das zum Mittag.“ (S. 332)
Sowohl Handlung als auch Charaktere sind so löchrig, dass sie in erster Linie durch die Abwesenheit von Logik und gesundem Menschenverstand hervorstechen. Bevor ich mich darin aber vertiefe, noch einmal zwei kleine Löbchen: Nachdem auf Seite 150 unvermutet die Handlung aufgegriffen wurde, ließ sich die Lesemotivation davon überzeugen, für ein paar Dekaden Seiten aus ihrem wohlverdienten Hawaii-Urlaub zurückzukommen in dem Wissen, dass sie bald wieder dorthin zurückkehren würde können. Und die Twists am Ende sind, ich gebe es ja zu, tatsächlich unvorhersehbar gewesen; blöderweise rauben sie damit dem Fantasyroman die letzte Zuflucht, die die ungezählten Fehler hätte entschuldigen können, wenn man beide Augen fest zudrückt. Aber zu denen später mehr.
Beginnen wir mit Tally, die gerade ihr Dorf verloren hat, das jetzt ein bisschen sehr in Schutt und Asche liegt. Dieser traumatische Verlust lässt die Zehnjährige mit einem Mal erwachsen werden. Inklusiver rhetorischer Reife. Denn so funktionieren Traumas, Kinder.
Aber keine Sorge, das mit dem Erwachsensein bleibt nicht lange, da die freundliche Unzahl an Kontinuitätsfehlern das zu verhindern weiß. Besonders nervig ist das übrigens bei der Angst – Tally behauptet, sie könne nach ihrem Trauma plötzlich keine Angst mehr spüren, ein paar Seiten später hat sie welche, ein paar Seiten später sucht sie in sich vergeblich nach ihr, ein paar Seiten später fürchtet sie sich, ein paar Seiten später …
Einen harmlosen Vorgeschmack auf die Widersprüche mit der Realität möchte ich euch nicht vorenthalten. Eine kurze Google-Suche bestätigt, dass speziell bei Sandwüsten Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht gerne mal dreißig Grad betragen. Aber keine Sorge, im ersten Teil des Romans wird diese Tatsache geflissentlich ignoriert, im zweiten Teil hingegen nicht. Ehrlich gesagt erinnert mich das an einen Schüler, der ständig zwischen „Schneemann“ und „Schnemann“ im selben Text hin- und herspringt.
Dann noch ein grundlegendes Missverständnis gegenüber der Verhaltensbiologie. Zum Mitschreiben: Behandelt man ein Lebewesen wie Scheiße, schreit es an und schlägt es, wird es einem nicht die Treue halten. Das ist auch in den Erziehungswissenschaften mehrfach belegt, aber bei Wagas, einer erfundenen Tier-Menschenart, wird dieses grundlegende Prinzip ignoriert.
Um es ganz einfach zu formulieren: Wenn dir deine heimische Türklinke ständig Mini-Stromschläge verpasst, wirst du dich nicht für sie opfern, wenn sie ausgetauscht werden soll.
Kampf, Gewalt und Gore sind wichtige, geradezu essenzielle Bestandteile des Romans – und oft genug auch auf Kosten biophysikalischer Grundprinzipien. Beispielweise kann das Spinnenvieh am Ende, auf das ich später noch näher eingehe, keine Blutspringbrunnen erschaffen, weil Spinnentiere ein offenes Blutkreislaufsystem haben, was einen hohen Blutdruck wie beim Menschen überflüssig macht, was eine Blutung praktisch verhindert. Physik, meine Damen und Herren.
Ebenfalls Physik ist, dass ein Boden wohl kaum zittern wird, weil viele Kilometer unter ihm Wasser aus vielen Kilometern Höhe auftrifft. Dabei fällt mir auf – Wolfgang Hohlbein wird wohl mit den metrischen Maßeinheiten aufgewachsen sein, da in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber alles wird in Meilen gemessen. Hm.
Tally ist im Übrigen sehr hellsichtig, denn sie weiß, wie Maschinen sprechen würden, beziehungsweise kennt unsere Vorstellung davon, obwohl das maschinenhafteste, mit dem sie aufgewachsen ist, wahrscheinlich ein Rad ist. Nein, kein Fahrrad, ein Rad.
Aber sie ist generell awesome, denn sie kann mindestens drei Tage durchhetzen, ohne dass geringste Schlafentzugserscheinungen zu spüren wären – außer Müdigkeit. Google gibt an, dass Halluzinationen, Gedächtnisverlust, Beeinträchtigung kognitiver Funktionen und noch einen Haufen anderer Dinge, die allesamt nicht besonders schön klingen, eintreten können, aber Tally steht über ihren beeinträchtigen Hirnfunktinen, denn Tally ist speschöll.
Bleiben wir bei ihr, wo’s gerade so lustig ist. Sie ist ein unausstehlicher Charakter, der wahrscheinlich einen Antihelden darstellen soll, dem das mit dem Helden zu anstrengend geworden ist. Was anderes könnte man über eine reizbare, bockige, egozentrische Person sagen, die null Sympathiepunkte einheimst, weil die einzigen Stellen, an denen sie etwas Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zeigt, die sind, bei denen sie unlogisch handelt?
Zu den Antagonisten lässt sich schlecht etwas sagen, weil es mehrere Fraktionen gibt, die gleich generisch sind. Die Drachentöchter sind wahrscheinlich einer Gehirnwäsche unterzogen worden, diejenigen, die diese Gehirnwäsche zu verantworten haben, agieren unlogisch, denn entgegen Hohlbeins Behauptung brauchen Insekten Menschen nicht (und Spinnen sind keine Insekten), und die einzige, der ich so etwas wie eine Entwicklung zugestehen würde, ist Angella, und was genau sie bewegt, ist mir auch schleierhaft.
Kommen wir damit zum finalen Rant: Weltenbau.
Zunächst mal die Krell-Echsen, eine erfundene Tierart, die als „dumm“ bezeichnet wird, denn Differenzierung ist was für Waschlappen, und die gleich zwei Besonderheiten haben. Erstens können sie nicht kontrollieren, wann sie das Gift in ihren Zähnen freisetzen, sodass sie sich selbst umbringen können, denn bekanntlich ist es energetisch überhaupt nicht aufwendig, tödliche Gifte herzustellen, deswegen gibt es auch keine trockenen Bisse oder so, und zweitens besteht ihr Schwanz aus Stahl. Jap, Stahl. Eine Legierung, die Eisen enthält, das erst ab etwa 1.500 Grad Celsius schmilzt. Also etwas, das sich ganz easy wie Kalk einlagern lässt.
Kurz noch eine positive Sache am Weltenbau: die Drachentöchter, bis zur Auflösung natürlich nur, danach waren sie ziemlich langweilig. Und in der Zeit zwischen „der Schlund wird das konkrete Ziel der Reise“ und „der Schlund ist erreicht“ ist der Schlund ein interessanter Ort. Wie gesagt, die Auflösung ist dann eher weniger knorke.
Dann noch die verschwundenen Ozeane. Vor ewig langer Zeit soll der Planet, ohne zu viel zu spoilern, nämlich gigantische Ozeane gehabt haben, an deren Stelle jetzt der Schlund getreten ist. Was mich zu der Frage bringt, ob das Prinzip eines Kreislaufs verstanden wurde. Ja, meinetwegen kann man davon ausgehen, dass irgendwelche Super-Waffen die Ozeane zum Verdampfen gebracht haben, nur regnet es die dann halt irgendwann auch wieder runter. Oder entfliehen die Wassermoleküle in einem spontanen Anfall physikalischer Kreativität der Erdgravitation, was sonst nur Wasserstoff schafft und auch das bei weitem nicht immer?
Dann noch zum Schlund selbst. Zur Erklärung: Das ist sowohl die Bezeichnung des ehemaligen Ozeanbodens als auch des Lebewesens, das diesen dominiert. Die Philosophie dieses Schlunds lautet: Es ist reines Leben, denn es fühlt nicht und es hat keine Schmerzen, sondern ist nur auf Fressen und Vermehrung aus.
Muss ich jetzt wirklich damit anfangen zu erklären, wieso sich Gefühle und insbesondere Schmerzen als eine dem Überleben nur selten schädliche Sache etabliert haben? Und muss ich hinzufügen, dass Fressen zwar sehr wichtig ist, es aber fast immer auch einen gewissen Sättigungspunkt gibt? Und dass diese komische Mischung aus Pflanzenwurzeln und Würmern, aus denen der Schlund angeblich besteht, schon allein aus Nahrungsgründen nie ein Lebewesen sein könnten? Und dass das alles gar keinen Sinn ergibt? Und wie Pflanzenwurzeln ohne die restlichen Teile einer Pflanze überleben können? Und wie die Würmer mit den Pflanzenwurzeln kommunizieren können? Und dass Pflanzenzellen sehr unbeweglich sind, was der Grund dafür ist, dass Pflanzen nicht durch die Gegend laufen …?
Dann die Gegenseite. Ich fürchte, das Konzept einer Schwarmintelligenz wurde grundlegend missverstanden. Kleiner Tipp: Eine Schwarmintelligenz hat kein kognitives Zentrum. Sie entsteht, wenn sich jedes Individuum an ein bestimmtes Set Regeln hält, das meistens sehr simpel ist – so können Fische und Vögel in organisierten Schwärmen fliegen, so können Ameisen über den Ort ihres neuen Zuhauses abstimmen, so bilden sich auf überfüllten Weihnachtsmärkten zumindest ab und zu Ordnungen, die das Vorankommen nicht unmöglich machen.
Dann die Sache mit den Insekten und den Spinnentieren. Mal ganz davon abgesehen, dass sie in einen Topf geworfen werden, frage ich mich, wie zur Hölle die hundert Meter groß werden können, wenn selbst zwei Meter bereits unrealistisch sind.
Das beginnt mit der Sauerstoffversorgung – die Zeit der uns bekannten Erdentwicklung, in der Insekten deutlich größer waren als die heute lebenden, war auch der Zeitraum, in dem die Sauerstoffsättigung der Atmosphäre merkbar höher war.
Überdies verfügen beide, Spinnentiere und Insekten, über offene Blutkreislaufsysteme, was nicht nur den Blutdruck stark herabsetzt, sondern auch die erreichbare Größe einschränkt. Wenn das Blut nicht zu den Stellen geführt wird, an denen es gebraucht wird, ist es dem Zufall überlassen, wohin es fließt – mal ganz davon abgesehen, dass es am Ende wieder vom Herzen angesaugt werden muss und ich mir das ab einer bestimmten Größe als problematisch vorstelle.
Oder ich könnte das Exoskelett als guten Grund für eine Wachstumsschranke heranziehen, denn das Ding wird sehr schnell sehr schwer, erfordert eine enorme Muskelkraft, um beweglich zu bleiben, und da bei Insekten zumindest teilweise der Blutdruck als Muskelergänzung verwendet wird, ist das gleich doppelt unrealistisch. Muskelzellen haben eine gewisse Leistungsgrenze, und ohne Sauerstoff ist die sehr schnell erreicht.
Dann die Philosophie der Drachentöchter. Im Groben wollen sie die Menschheit vor technologischem Fortschritt bewahren, weil dieser mehrmals fast zur Ausrottung der Art geführt hat, da ein paar Leute einfach nicht damit aufhören können, mit den Atomwaffencodes zu spielen. Die Lösung: Technischen Fortschritt als böse deklarieren und jeden Verstoß mit dem Verbrennen des ganzen Dorfes bestrafen.
Nur funktioniert das nicht. Irgendwer wird immer anfangen, Stahl zu schmieden, und der Grund, weswegen das verboten ist, sind die neuen Technologien, die nach diesem Schritt irgendwann erfunden werden können. In dem Sinne frage ich mich, wieso das Rad zugelassen ist; ich meine, wenn wir Pech haben, wird daraus mal ein Panzer.
Die Drachentöchter behaupten außerdem, die Menschen würden in Frieden leben, locker einhundert Jahre alt werden, es gäbe keine Seuchen und auch sonst wäre alles supi. Und jetzt ratet mal, was eine der größten Folgen der wissenschaftlich-technischen Weiterentwicklung war?
Genau. Mehr Menschen konnten mit Essen versorgt werden. Mehr Menschen konnten gegen Krankheiten geschützt werden, im Krankheitsfall versorgt werden. Weniger Zeit ging drauf, um das eigene Überleben zu sichern. Viele Lebensumstände haben sich rapide verbessert.
Anders gesagt: Es war sicher auch den Steinzeitmenschen möglich, älter als zwanzig zu werden, aber die Abwesenheit höherer Technologie war dafür nicht gerade ein Katalysator.
Ich frage mich außerdem – und Vorsicht, sollte sich irgendjemand das ganze Buch antun und sich nicht spoilern wollen, meine Hochachtung und hier den Verweis, zum übernächsten Absatz zu springen –, wieso Angella den Krieg zugunsten des Schlundes weiterführen will. Wenn die Drachentöchter siegen, gibt’s diktaturähnliche Zustände und keinen technischen Fortschritt, aber wenn der Schlund siegt, sehe ich gute Chancen, dass er sein Ding durchzieht und die gesamte Welt in Pflanzenwurzeln und Würmern verwandelt, wie das sein Hobby zu sein scheint. Wieso also ist das besser als Diktatur?
Und wenn ich gerade in der Spoilerzone bin: Der Grund, warum all diese naturwissenschaftlichen Fehlinterpretationen so unverzeihlich sind, ist der, dass der Handlungsort eine postapokalyptische Erde ist. All das hier soll also auf unserem Planeten stattfinden. Mit denselben Naturgesetzen.
Man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen.
Zuletzt möchte ich noch festhalten, dass die menschliche Egozentrik, die aus den letzten Zeilen des Romans spricht, schon beeindruckend ist:
„Und sie wusste, dass sie gewinnen würden. Vielleicht würde er [der Krieg] wirklich noch einmal hunderttausend Jahre dauern, aber am Ende würden sie siegen.
Einfach, weil sie Menschen waren.“ (S. 575)
Zum Thema siegreiche Menschen wenden Sie bitte den Blick über die große Pfütze und auf den Typen mit dem toten Frettchen auf dem Kopf.
Zusammenfassend: Wenn man „Die Töchter des Drachen“ wie Trash liest, kann der Roman wahrscheinlich sehr unterhaltsam sein. Dummerweise nehme ich es mit Logik und Kontinuität etwas genauer als ein Trashfan, sodass ich glücklich beschließen kann, nie wieder ein Hohlbeinbuch auch nur mit der Kneifzange anzufassen.
Details zum Roman:
Titel: Die Töchter des Drachen, Der Thron der Libelle: Zwei Romane in einem Band (hier rezensiert: „Die Töchter des Drachen“)
Autor: Wolfgang Hohlbein
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-404-20848-7
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum)
Seiten: 1294 (hier rezensiert: 1-575)
Reihe: nein, da Dilogie-Sammelband (s. Datum)
Bewertung: « (s. Datum)
Wörter: circa 3600
Stand: 21.05.2017
Nachdem ich vor einigen Jahren mit meinem ersten Scheibenweltroman, „MacBest“, der gesamten Reihe verfallen bin, habe ich mir bereits vor Neujahr vorgenommen, die Reihe mal komplett in chronologischer Reihenfolge zu lesen. Also ab in die Buchhandlung, eine Nicht-Piper-Auflage bestellen, um die damit verbundene Übersetzung zu umgehen, und durch Zufall gleich vier Bände in einem Buch erwischen.
Rincewind, der schlechteste Zauberer der Scheibenwelt, macht durch einen Zufall Bekanntschaft mit Zweiblum, einem waschechten Touristen. Vom Patrizier der Stadt bekommt er den Auftrag, dem Reisenden zur Seite zu stehen, der scheinbar blind für die Gefahren um ihn herum in erster Linie an einer erlebnisreichen Reise interessiert ist.
Und schon wieder muss ich eine Rezension damit beginnen, dass das Korrektorat geschlampt hat. Damit meine ich nicht die alte Rechtschreibung, die hier noch Anwendung findet, sondern so kleine Scherze wie ausgelassene Satzzeichen, Fallfehler (genauer gesagt ein sehr eindeutiger mir/mich-Fehler) und Ähnliches. Hinzu kommen vereinzelt Formatierungsfehler.
Ich hatte einen Ausschnitt dieses Romans bereits in einer Art Kurzgeschichtensammlung gelesen, und obwohl er innerhalb dieser noch immer zu den besten Texten gehört hat, habe ich den Eindruck bekommen, dass dieser Roman seinen Nachfolgern nicht unbedingt würdig ist.
Und ja, so kann man es zusammenfassen. Das fängt bereits beim Humor an. Oh, er ist vorhanden, da besteht überhaupt kein Zweifel, und dort, wo er ist, glänzt er – aber ich hatte mehrmals das Gefühl, dass sich Terry Pratchett mit diesem Auftakt erst noch in seine eigene Welt einfühlen musste. Bei weitem nicht alle Skurrilitäten der späteren Romane finden sich in diesem wieder oder werden nur grob angerissen, wo sie sonst mit wortwörtlich seitenlangen Fußnoten ausgewälzt worden wären. Letztere sind im Übrigen komplett abwesend, oder ich habe die zwei oder drei, die vorhanden waren, schon wieder vergessen.
Was mich an meiner Übersetzung sehr stört, ist die direkte Rede von Tod. „Kapitälchen“ nennt sich die Formatierung, die ich bisher in allen anderen Versionen gesehen habe – GROSSBUCHSTABEN, nur sind sie etwas kleiner und diejenigen, die im Normalfall großgeschrieben werden, sind die größten. [Der Editor macht bei dieser Formatierung nicht mit, daher kann ich sie euch nicht demonstrieren.]
Genau das war aber nicht der Fall – Tods Rede war ein einziges GESCHREIE. Einer der Hauptgründe, wieso ich für die kommenden Romane zum Goldmann-Verlag wechseln werde, womit ich dann von allen Auflagen mindestens ein Buch im Regal stehen habe.
Die direkten Reden sind in klassischer Pratchett-Manier mit wesentlich mehr „äh“ versehen, als das in den meisten anderen Romanen der Fall ist. An Dialekte und Umgangssprachen scheint sich Terry Pratchett aber noch nicht herangewagt zu haben – im Gegensatz zu vielen späteren Scheibenweltromanen.
Ab und zu kommt es auch vor, dass sich die Bedeutung eines Absatzes nicht sofort erschließt – weniger deswegen, weil er zur Raketenwissenschaft geworden ist, sondern weil einzelne Formulierungen die Interpretation erschweren.
Zu den Beschreibungen kann ich nicht viel sagen, da sie sehr durchschnittlich bis angenehm ausfallen. Kein Grund zum Beschweren, aber auch keiner zum Loben.
Etwas gestört hat mich das Wort „unfair“, zumal sonst auf englischsprachige Wörter verzichtet wird – bis auf „Tourist“, aber hier ist bereits das Wort Teil des Witzes, weswegen mich das nicht stört. Ansonsten gibt es aber nichts zu meckern – eine solide Leistung, die aber hinter ihren Sprösslingen hinterherhinkt.
Vielleicht ist euch aufgefallen, dass meine Inhaltsangabe ziemlich vage gehalten ist. Das liegt daran, dass in „Die Farben der Magie“ weniger eine Geschichte erzählt wird als mehrere. Gut kann man das daran erkennen, dass es – im Gegensatz zu so in etwa allen anderen Scheibenweltromanen, die ich jemals gelesen habe – tatsächlich Kapitel gibt, die die Geschichte in mehrere Erzählungen gliedern. Es gibt die eine mit dem Tempel, die eine mit Krull, und noch ein paar dazwischen.
Diese Geschichten wirken eher wie Kurzgeschichten, die direkt aneinander anschließen und in einem Rutsch veröffentlicht wurden, als wie ein einzelner Roman. Jede von ihnen könnte man eigenständig veröffentlichen – was mich insofern gestört hat, als dass ich eine Geschichte erwartet habe, nicht mehrere.
Den Handlungsfortgang kann man an eher wenigen Stellen erahnen, abgesehen natürlich von dem Part, dass Rincewind überleben wird, was schon fast einen Running Gag in sich ist. In dem Kontext bin ich auch schon auf das Deus-ex-machina gespannt, mit der er das Ende des ersten Romans überleben wird, der insofern tatsächlich mit einer Art Cliffhanger endet – ebenfalls höchst untypisch für die Scheibenweltromane. Ich hoffe ja darauf, dass er auf einem Kometen durchs Multiversum reitet.
An Logiklücken habe ich mir nur eine konkret aufgeschrieben, nämlich die, dass Zweiblum und Rincewind einen Fall auf Wasser aus mehreren hundert Metern Höhe überleben. Ansonsten gibt es mehrere Kontinuitätsfehler, so etwas wie in Satz A wird A behauptet, drei Sätze später aber B.
Protagonist ist der schlechteste Zauberer der Scheibenwelt, der ironischerweise einer der Großen Acht Zaubersprüche beherrscht, was auch der Grund dafür ist, warum er sich keine anderen Sprüche merken kann, und da er selbst nicht weiß, welcher der Großen Acht er kennt und was der anstellt, ist er von der Unsichtbaren Universität verstoßen worden.
Auf den ersten Blick habe ich ihn nicht für einen besonders guten Charakter gehalten – sicher, ich mag ihn und ich lese gern über ihn, aber Tiefe hätte ich ihm nicht zugetraut. Zumindest Respekt vor dem Schreibgeschick Terry Pratchetts ist hier aber angemessen, denn streng genommen handelt es sich bei Rincewind um einen Antihelden.
Sein Gimmick mag seine große Furcht vor allem und jedem sein, aber er handelt ausschließlich aus egoistischen Motiven – er lässt Zweiblum im Stich, sobald er mit seinem Gold abhauen kann, und begleitet ihn nur deswegen, weil ihm der Patrizier mit dem Tod droht, sollte er sich weigern oder dem Touristen etwas zustoßen. Das Buch selbst bezeichnet ihn als „gemeinen Schuft“, und ja, das trifft seinen Charakter eigentlich ziemlich gut. Und dennoch mag ich ihn.
Zweiblum ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern. Dabei ist er eine einzige Satire auf den typischen Touristen, der in erster Linie etwas erleben und von allem Fotos machen will, ohne dabei auf die Risiken zu achten, weswegen er sehr optimistisch bis naiv rüberkommt. Gegen Ende erklärt er Rincewind jedoch im Großen und Ganzen, dass sie möglicherweise gerade zur Hölle fahren, aber da er das sowieso nicht ändern kann und es kommen wird, wie es kommen muss, kann er die Fahrt doch auch gleich genießen. Hinzu kommt das mir ebenfalls nicht unbekannte Verlangen, auch nur einen kleinen Bruchteil der Wunder des Universums gesehen und bestaunt zu haben, dem er ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Gefahren nachgibt.
Schwieriger einzuordnen sind die Antagonisten, zumal es je nach Geschichte andere sind. Einige haben Motivationen – so der Patrizier Ankh-Morpoks, wenn ich persönlich auch finde, dass sein Charakter hier noch nicht auf der Höhe ist, der König des Gegengewicht-Kontinents, der Typ von Krull, dessen Bezeichnung ich vergessen habe – Erzmagier?
Auf der anderen Seite gibt es das Monster im Tempel, das ebenfalls nicht weiter erläutert wird, und die Dryaden, denen man durchaus so etwas wie eine Motivation zuschreiben kann, auf die aber nicht näher eingegangen wird.
Abschließend lässt sich sagen, dass ich sehr stark das Gefühl habe, Terry Pratchett würde sich noch in seine eigene Welt etwas einschreiben müssen. Hätte ich dieses Buch als Einstieg in die Reihe gelesen, kann ich nicht garantieren, dass ich sie weiter verfolgt hätte. Vielleicht erscheint mir „Die Farben der Magie“ aber auch deswegen so durchschnittlich, weil ich vor nicht einmal einem Jahr zwei der bisher besten Bücher der Reihe gelesen habe und dementsprechend weiß, zu was Terry Pratchett fähig ist.
Details zum Roman:
Titel: Rincewind, der Zauberer (hier rezensiert: „Die Farben der Magie“)
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2001
ISBN: 3-453-18942-6
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 1069 (hier rezensiert: 1-272)
Reihe: ja; 1, 2, 5, 9 von 41 (hier rezensiert: Band 1) (s. Datum)
Bewertung: 2/5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1300
Stand: 11.06.2017
Tristan wächst in dem Wissen auf, für seinen Ziehbruder als Sklave der Elben in den Krieg zu ziehen. Als der Tag der Ausmusterung gekommen ist, geht jedoch etwas schief und er sowie seine Geschwister Kay und Agnes werden in ein Abenteuer hineingezogen, das den Krieg zu entscheiden vermag.
Besonders gut haben mir die ersten einhundert Seiten gefallen, insbesondere auch vom Schreibstil her – die Gefühlsbeschreibungen lassen einen mitfiebern, die Handlungen werden nachvollziehbar geschildert und man vermag sich immer am Handlungsort zu orientieren. Insbesondere die Gefühlsbeschreibungen lassen jedoch im Laufe des Romans nach, ohne dabei die kritische Untergrenze zu erreichen. Störend kommen Füllwörter, englischsprachige Wörter wie „okay“, seltsam gewählte Vergleiche oder Formulierungen und ein etwas zu ausgeprägter Hang zum Melodramatisieren der Handlung hinzu. Positiv anzumerken ist, dass sich das Buch dennoch leicht und schnell lesen lässt.
Die Handlung ist teilweise vorhersehbar, teilweise nicht. Es gibt einzelne Ungereimtheiten und Kontinuitätsfehler, aber das störendste ist auch hier, dass einige Stellen zu offensichtlich auf altbekannten, unrealistisch-dramatischen Pfaden wandeln.
Keiner der Charaktere konnte mich überzeugen. Tristan blieb weitestgehend farblos, obwohl ich seine Motivationen so halbwegs nachvollziehen kann, und die Eigenschaften, die mir zu ihm einfallen, sind negative wie ein irrationaler Trieb zur Aufopferung für andere. Kay, sein Ziehbruder, gefällt mir bis spätestens Seite 263 sehr gut bis gut, da er realistisch wirkt und handelt, seine Schwächen, aber eben auch seine Stärken hat. Auf gerade erwähnter Seite demonstriert er dann aber, dass er kein Problem damit hat, einen anderen Menschen als einen Gegenstand, als seinen Besitz zu betrachten, und obwohl es ihm mit den Elben nicht besser geht, kommt er nicht auf die Idee, seine eigene Einstellung dazu zu hinterfragen.
Agnes bleibt während der gesamten Geschichte weitestgehend passiv – ihre größten Errungenschaften bestehen darin, nicht in Tränen auszubrechen und ab und an strategisch schlecht gewählte Wörter an die Köpfe ihres Love Interests zu werfen. Dieser zeichnet sich ebenfalls durch Passivität aus, insofern passen sie eigentlich recht gut zusammen, nur ist er sicherlich älter als zwanzig und sie fünfzehn – aber wie gut das moralisch vertretbar ist, sei jedem selbst überlassen.
Die Prämisse von drei Völkern, die jeweils bestimmte Charaktereigenschaften aufgegeben haben, um besondere Stärke zu bekommen – außer die Dämonen, die lediglich ihre Schönheit verloren –, hat mich erst dazu gebracht, „Die Legende von Enyador“ zu lesen, und dementsprechend enttäuscht bin ich, dass diese Prämisse nicht konsequent umgesetzt wird. Eigentlich sind alle Völker genauso wie Menschen, nur sind die Elben etwas sadistischer und die Drachendame schamloser und höriger.
Mein größter Kritikpunkt besteht jedoch daraus, dass es keinerlei Reflexion oder Gegendarstellung zu Kays und Thuls Verhalten gegenüber der Drachendame gibt. Nirgends wird eingeworfen oder angesprochen, dass es unter Umständen falsch sein könnte, einen Menschen wie einen Koffer zu behandeln. Genau diese vermisste Gegendarstellung ist es auch, die mir am längsten und kräftigsten im Gedächtnis bleiben wird, wenn ich „Die Legende von Enyador“ höre, gleich nach der guten, aber faktisch nicht umgesetzten Prämisse.
Details zum Roman:
Titel: Die Legende von Enyador
Autor: Mira Valentin
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 9-783743117600
Genre: Fantasy
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 382
Reihe: ja, Band 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 1 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 25.06.2017
Nach dem ersten Scheibenweltband, der noch nicht auf dem Niveau der restlichen Reihe ist, stellt sich freilich die Frage, ab wann genau dieses Niveau denn erreicht sein wird. So viel kann ich vorwegnehmen: Der zweite Teil nähert sich dem Ziel mit großen Sprüngen, erreicht es aber noch nicht.
Rincewind wird durch eine Änderung der Realität vor dem sicheren Tod gerettet und irrt durch die Scheibenwelt. Rasch findet sich Zweiblum an seiner Seite, und während sie sich auf den Weg nach Ankh-Morpok machen, glüht ein roter Stern am Horizont: ein Stern, der mit jedem Tag näher rückt. Die Stunde des gescheiterten Magiers ist gekommen …
Zunächst einmal spreche ich den Elefanten auf der Schildkröte an: der Humor. Das, was die Scheibenweltromane in meinen Augen so lesenswert und besonders macht – diese durchgehende Satire, die fast keine Gelegenheit auslässt, sich über irgendetwas lustig zu machen.
So ganz ist dieses (Beinahe-)Allumfassende noch nicht erreicht, aber der Humor zieht sich wesentlich konsequenter durch und ich habe das Gefühl, Terry Pratchett hätte sich mit seine skurrilen Welt mehr auseinandergesetzt oder sie schlicht besser in den Roman eingebettet.
Auch sehr erfreulich sind die Fußnoten, die noch weit von den mehrseitigen Anekdoten entfernt sind, zu denen sie sich später entwickeln werden, die aber bereits einen Vorgeschmack auf diese nächste Evolutionsstufe geben.
Zu den Beschreibungen kann ich nur das Übliche schreiben: Man kommt mit der Handlung problemlos mit, kennt sich in der Umgebung aus, kann die Emotionen der Charaktere nachvollziehen, an mehreren Stellen kann man sich auch in die Handelnden hineinversetzen. Alles im grünen Bereich und alles schon fast so, wie es während der restlichen Reihe sein wird.
Positiv anzumerken ist, dass es keine Absätze mehr gibt, deren Sinn sich mir nicht erschließt. Im ersten Roman gab es die vereinzelt – erst nach mehrmaligem Lesen war dann klar, was eigentlich gemeint war, und das lag nicht an philosophischer Tiefe oder fachlicher Komplexität, sondern an der Formulierung. Dieses Manko hat Terry Pratchett aber schnell hinter sich gelassen.
Auch beginnen hier die Dialekte und Umgangssprachen einen größeren Raum einzunehmen. Am Ende bleibt mir nur wieder die eigenwillige Formatierung von Tods Rede zu bemängeln, die ich bisher nur in dieser Heyne-Ausgabe als simples GEBRÜLLE gesehen habe. Jede einzelne andere Version hatte Kapitälchen. Auch die englischen.
Zur Handlung muss ich anmerken, dass das der einzige Scheibenweltroman ist, dessen Verfilmung ich vollständig gesehen habe, und was es mit dem roten Stern auf sich hat, wusste ich dementsprechend schon. Offenbar ist sonst nicht viel in Erinnerung geblieben, denn obwohl sich recht schnell abzeichnet, welche Rolle Rincewind spielen wird, habe ich viele Details und auch einige Subplots, die vielleicht auch gar nicht mitverfilmt wurden, nicht vorhergesehen.
„Das Licht der Phantasie“ weist lediglich eine Geschichte mit einem Spannungsbogen auf, distanziert sich also von der Herangehensweise des ersten Romans, der ja im Prinzip aus mehreren kürzeren Geschichten besteht.
Abgesehen von den obligatorischen Kontinuitätsfehlern habe ich mir nur notiert, woher Cohen Zweiblums Sprache auf einmal kann – es wird sonst penibel darauf geachtet, dass es so viele Verständigungsschwierigkeiten wie nur möglich gibt, wie das mit Touristen eben üblich ist, und die einzige Erklärung, die ich hierfür habe, ist die, dass Cohen nun mal viel herumgekommen ist und so vielleicht diese spezifische Sprache aufgeschnappt hat.
Die Charaktere sind schnell abgehandelt. Rincewind und Zweiblum entwickeln sich nur unwesentlich weiter, sodass ich an dieser Stelle auf meine Rezension zu „Die Farben der Magie“ verweise (Rezension Nummer dreißig).
Die Antagonisten sind rar besetzt; abgesehen von den Kreaturen aus den Kerkerdimensionen, die aber nicht näher beleuchtet werden und auch nur einen kurzen Auftritt haben, fällt mir nur der Zauberer ein, dessen Name mir entfallen ist und der sich letztlich das Oktav krallt. Der Kerl, der seinen Boss in Zauberermanier umbringen möchte. Der mit dem Ordnungswahn und der Zahlenliebe.
Zu ihm gibt es nicht viel zu schreiben – ich kann nachvollziehen, wieso er so handelt, aber wirklich mitfühlen kann ich kaum. Generell scheint es mir, dass eine der größten Schwächen der gesamten Reihe in ihren Antagonisten liegt – es gibt Ausnahmen, keine Frage, aber oftmals sind es die Bösen, die etwas rar gezeichnet sind, aber selten so, dass man ihre Motivationen nicht im Grunde nachvollziehen könnte. Der Bösewicht dieses Romans ist da keine Ausnahme. Wobei die Bezeichnung „Bösewicht“ sich irgendwie falsch anfühlt.
Wie ich bereits angemerkt hatte, wird die Welt in diesem zweiten Teil der Reihe konsequenter skurril umgesetzt, referiert und erwähnt. Der Humor zieht sich ebenfalls besser durch. Beides ist noch nicht auf dem Niveau, das sonst für vier Sterne sorgt, aber – naja, ich wiederhole mich hier, ihr werdet euch also denken können, dass ich mich inzwischen nur noch frage, ob Buch drei die Kurve endgültig kratzt oder ob das erst Buch vier schafft.
Alles in allem für Scheibenweltfans natürlich Pflichtlektüre, aber auch als Nicht-Fan kann man sich den Roman gerne mal zu Gemüte führen, wenn man ihn auch nicht als repräsentativ für die Reihe ansehen sollte. Es gibt deutliche Verbesserungen und ich glaube, der nächste Roman dreht sich um Tod, also könnt ihr euch auf eine euphorische Rezension gefasst machen, zumal ich den Herausgeber wechseln werde.
Kapitälchen, ich komme!
Details zum Roman:
Titel: Rincewind, der Zauberer (hier rezensiert: „Das Licht der Phantasie“)
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2001
ISBN: 3-453-18942-6
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 1069 (hier rezensiert: 273-556)
Reihe: ja; 1, 2, 5, 9 von 41 (hier rezensiert: Band 2) (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 900
Stand: 01.07.2017
Eigentlich hatte ich Blindkäufen abgeschworen, aber in der letzten Juniwoche habe ich dringend ein Buch gebraucht. Nun musste ich erstaunt feststellen, dass meine Buchhandlung ihr Sortiment nach einem Jahr etwas verändert hatte, aber ein Buch wollte ich dennoch nach Hause mitnehmen – und da dieses hier auf der Noch-reinlesen-Liste stand und ich schrägem Humor oft etwas abgewinnen kann, wurde es dieses hier.
Elias Zimmermann muss die Welt retten. Nur hat er davon keine Ahnung – und reist fünfhundert Jahre in die Vergangenheit, um das Leben der Weltretterin Omega zu beobachten und so eine Ahnung davon zu bekommen, wie der Komet abgewendet werden könnte.
Genauer wird die Inhaltszusammenfassung nicht, zumindest nicht innerhalb eines Absatzes – es sei denn, wir reden in „Alpha & Omega“-Absätzen, die oft genug aus wahren Textwänden bestehen, die sich wiederum aus ellenlangen Sätzen zusammensetzen. Das Minimum waren zwei Sätze auf einer voll beschriebenen Seite, womit ich persönlich kein großes Problem hatte, das aber doch bemerkenswert ist. Und ja, es gibt auch kürzere Sätze, nur dominieren die das Gesamtbild nicht.
Die Beschreibungen sind ebenso eigen wie der Rest des Romans. Die der Handlungen sind im grünen Bereich, die der Gefühle vom Stil her eher distanziert, was mich aber nicht daran gehindert hat, an mehreren Stellen mitgerissen zu werden – an anderen hingegen gar nicht. Die Umgebungsbeschreibungen sind wiederum nur selten nennenswert vorhanden, aber dieses Buch ist so … schräg, dass ich mich nicht einmal daran stören kann.
Generell werden hier so gut wie alle Regeln gebrochen, die mir bekannt sind. Mehrmals leidet der Text unter multiplen Satzzeichen, es kommen hin und wieder Smileys, Abkürzungen und diverse Sonderzeichen vor, darunter sowohl welche aus der Mathematik als auch das Yin-Yang-Symbol, und wer großen Wert auf politische Korrektheit legt, wird mit diesem Buch eher suboptimal bedient sein.
Einen gewissen, ausgesprochen eigenen Humor kann man dem Roman nicht absprechen – sei es die durchgeknallte Gesamtsituation oder die Ausführung, wie Gusto den Vertrag mit dem Spieleverlag bekommt, es gibt immer wieder mal etwas zu lachen.
Was mir persönlich sehr zugesagt hat, waren die Sprachspielereien. Man merkt, dass der Autor diesen Roman ursprünglich auf Deutsch verfasst hat, und ich kann mir gut vorstellen, dass die Übersetzung auf eine andere Sprache, egal welche, eine einzige Herausforderung ist. Dabei muss ich festhalten, dass „gefallen“ hier weniger im Sinne von „lustig finden“ verwendet wird – die wenigsten Wortwitze fand ich tatsächlich witzig, aber ich fand es erfrischend, dass mir so viel Sprachverspieltheit auf einem Haufen entgegengekommen ist.
Zur Handlung kann ich noch am sichersten sagen, dass sie kaum vorhersehbar ist, und als klischeehaft lässt sie sich wahrscheinlich auch nicht bezeichnen. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass dieses Machwerk zumindest teilweise satirisch gemeint ist.
Ich muss auch gestehen, dass ich den Überblick über die innere Logik des Romans verloren habe. Dementsprechend ist das einzige, das ich hier zu kritisieren habe, der Erzähler: Der ist sonst sehr darauf bedacht, alles in chronologischer Reihenfolge zu erzählen, aber am Ende löst er diese Regel zugunsten des Spannungsbogens auf. Was ich irritierend finde, denn ich wusste zwar schon vorher nicht, was Elias glaubt, was er da schreibt – ein Bericht ist es nicht, eine Biographie auch nicht, eine Reportage auch nicht, also, ja, was ist das? –, aber dass er jetzt auch noch auf den Spannungsbogen Rücksicht nimmt, was er zuvor nach Leibeskräften vermieden hat, lässt mich glauben, er wollte von vornherein einen Roman schreiben. Oder etwas Ähnliches.
Elias Zimmermann, der Ich-Erzähler und damit einziger konstanter Hauptcharakter, ist eine einzige Quasselstrippe. In einer Rezension auf Goodreads habe ich gelesen, der Verfasser jener Rezension würde es mit Elias nicht lange in einem Zimmer aushalten – und ich stimme ihm da vollkommen zu. Er schafft es nicht, beim roten Faden zu bleiben, muss jeden Furz ausführlich beleuchten, überspringt dabei aber unerklärlicherweise die Hälfte, die er scheinbar zufällig auswählt, schiebt immer wieder kleine Anekdoten ein, kommt vom Thema ab und will unbedingt alles chronologisch erzählen – bis eben dann am Ende, aber das habe ich bereits angeschnitten.
Zu den restlichen Charakteren kann ich nicht viel schreiben, denn es sind sehr viele. Sie alle sind dreidimensional und dadurch, dass praktisch alle mehrere Auftritte an verschiedenen Stellen der Geschichten haben und ein gewisses, recht großes Maß an Aufmerksamkeit bekommen, sind alle gut beleuchtet.
Wirklich konstante Antagonisten gibt es nicht; je nachdem, an welchem Punkt der Erzählung man ist, wechseln die Rollen, und es ist unter anderem das, was die Charaktere so nicht-eindimensional erscheinen lässt. Auch gibt es keine Pappaufsteller oder Klischee-Charaktere, obwohl Themen mehr als nur angeschnitten werden, die in der klassischen (Jugend-)Dystopie sonst dazu einladen: Homosexualität, eine schwarze Protagonistin, ein die eigene Tochter vernachlässigender Opa, ein ehemals religiöser Vater, und so weiter und so fort. An der Stelle also ein Bravo für diese ausgesprochen komplexe Komplexität. Mir tut jetzt schon derjenige leid, der ein Beziehungsnetz der Figuren zeichnen möchte.
Ich hoffe, es ist rausgekommen, dass „Alpha & Omega: Apokalypse für Anfänger“ eine sehr schräge, sehr eigene Geschichte ist, die sich nicht um Konventionen oder Regeln schert und von der ich mir selbst nicht sicher bin, ob oder wem ich sie empfehlen kann. Um einen Einblick in die Art der Schrägheit zu bieten, die wahrscheinlich gut illustriert, ob euch dieses Buch nerven oder gefallen wird, möchte ich ein kurzes Zitat von Seite 129 anführen:
„Bevor ich endlich mit der eigentlichen Geschichte beginne (also der Geschichte Omegas, die, wie ich soeben feststelle, gerade erst geboren ist, obwohl ich mich schon im dritten Teil befinde), muss ich vier vorbereitende Nachträge schreiben.“
Jetzt schon genervt? Dann lieber Finger weg davon. Fasziniert-irritiert? Dann könnte sich ein Versuch lohnen.
Details zum Roman:
Titel: Alpha & Omega: Apokalypse für Anfänger
Autor: Markus Orths
Verlag: btb
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-442-71364-6
Genre: Science-Fiction, Satire*
Preis: 12,40€ (s. Datum)
Seiten: 525
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1000
Stand: 09.07.2017
* Glaube ich.
Reyna ist eine Pharos – sie kann ihre Seele von ihrem Körper lösen und sie an die eines beliebigen Tieres heften. Diese Gabe hält sie jedoch geheim. Elf Monate, nachdem ihr Freund verschwunden ist, findet sie die Leiche ihrer Direktorin. Ein Mörder ist in der Stadt – und die Morde scheinen ebenso eine Verbindung zu ihr wie auch zu ihrer Gabe zu haben.
Einen Stern Abzug gibt es für das nicht vorhandene Korrektorat. Die Fehler beginnen bei einzelnen Rechtschreibfehlern und erstrecken sich über weite Teile der Grammatik, darunter Beistriche, Groß-/Kleinschreibung, das-/dass-Schreibung.
Handlungen werden etwas sprunghaft beschrieben, Umgebungen ausreichend, Gefühle hingegen eher spärlich. Oftmals reagieren die Charaktere aus nicht nachvollziehbaren Gründen oder haben ihre Launen, die sich nicht erklären lassen. Am auffälligsten sind am Stil jedoch die Blüten, die er treibt, und die eine erstaunlich hohe Dichte bis zu dem Punkt aufweisen, an dem ich sie zu einem der größten Probleme von „Pharos“ ansehe. Hinzu kommen kleinere Miseren – GEBRÜLLE, Füllwörter und Wortwiederholungen, um drei davon zu nennen.
Die Auflösung des Kriminalfalls konnte ich (als unerfahrene Krimileserin) nicht vorhersehen und auch abseits der Morde hatten es die letzten fünfzig Seiten in sich. Davor gab es einige Kontinuitätsfehler und direkte Widersprüche, aber keine größeren Ungereimtheiten.
Die Protagonistin, die dank der gewählten Erzählperspektive der ersten Person auch gleichzeitig die Erzählerin ist, handelt dumm, unreif und egoistisch. Regelmäßig manövriert sie sich in furchtbar einfach zu vermeidende Problemsituationen, die in erster Linie dem Zweck dienen, den Plot vorwärts zu bringen, und bei denen man sich nur noch an die Stirn fassen möchte. Sie ist der zweite größte Kritikpunkt an „Phaors“.
Der Antagonist – ich meine hier den Mörder; die Gestaltwandler werden nur angerissen und werden wohl im zweiten Band näher beleuchtet werden – ist nicht aufwändig gestaltet, sondern mit dem Wort „Verrückter“ zu beschreiben. Es wurde keine Energie darauf verwendet, ihn irgendwie dreidimensionaler zu gestalten.
Die Ideen, die dem Roman zugrundeliegen und speziell am Ende nochmal hervorstechen, sind bemerkenswert und haben mich kurz überlegen lassen, ob ich mir Reyna samt Stilblüten nicht doch noch einen weiteren Band lang antue, um zu sehen, wie die Welt und die Dynamik aus dem Dreiergespann Pharos – Gestaltwandler – Menschen weiterentwickelt wird, und wohl auch wegen Leith.
Die negativen Seiten überwiegen jedoch, sodass ich die Reihe an der Stelle abbreche. Die Ideen mögen interessant sein und die Handlung soweit gut durchdacht, aber die Erzählerin und der Schreibstil strapazieren meine Nerven zu sehr, als dass ich mir nochmal dreihundert Seiten davon antun möchte.
Details zum Roman:
Titel: Pharos: Die Unwandelbaren
Autor: Laura Labas
Veröffentlicht über: CreateSpace Independent Publishing Platform
Erscheinungsjahr: 2015 (2. aktualisierte Ausgabe)
ISBN: 9781502410801
Genre: Fantasy/Krimi
Preis: 12,99€ (s. Datum)
Seiten: 434
Reihe: ja, Band 1 von 5 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 16.07.2017
Eigentlich wollte ich ja etwas ganz Anderes lesen. Und eigentlich hatte ich mir dieses ganz Andere auch schon bestellt. Nur gab und gibt es irgendwelche Lieferhindernisse, und nachdem ich zwei Wochen lang unbedingt lesen wollte, ich aber nichts lesen konnte, ist mir eingefallen, dass dieses Buch noch bei einer Bekannten rumliegt.
Mark Watney wird während eines Sturms auf dem Mars zurückgelassen und muss fortan um sein Überleben kämpfen.
Wer meint, ich hätte irgendetwas Wichtiges bei der Zusammenfassung oben ausgelassen – habe ich nicht. Normalerweise bemühe ich mich ja darum, zumindest drei oder vier Zeilen (in der Formatierung meines Dokuments) zum Buch zu verlieren, aber das ist hier einfach nicht möglich. Es geht ausschließlich darum, dass ein Typ auf dem Mars hockt, Probleme löst und zurück zur Erde kommen möchte.
Aber dazu später ein bisschen mehr. Zunächst zum Schreibstil. Die meisten Szenen des Romans sind als Logbucheinträge verfasst, und zwar von Mark persönlich, der uns erzählt, was so passiert ist. Dementsprechend rar fallen auch die Beschreibungen der Umgebung und seiner Gefühle aus. Erstere sind so unterentwickelt, dass ich noch immer kein Bild seiner Wohnkuppel vor Augen habe und bei einigen seiner Improvisationen keine Ahnung habe, was er wie mit was verbunden hat, während letztere immerhin ansatzweise vorhanden sind, wenn Mark kurz mal Gefühle durchblitzen lässt.
Die Handlungen werden hingegen ausreichend beschrieben. Das gilt nicht nur für die Logbucheinträge, sondern auch für die Szenen, bei denen ein personaler Erzähler mal die Ereignisse auf der Erde verfolgt, mal eine Seite lang Mark. Fragt mich nicht, wieso wir für den Mars zwei Erzähler brauchen – meines Wissens nach fügt der personale nichts hinzu, das Mark nicht bereits dargestellt hätte.
Das gesamte Buch stützt sich auf zwei Grundpfeilern: Handlung/Spannung und Humor. Der Humor ist zwar durchweg vorhanden, nur finde ich ihn nicht besonders witzig, wenn er lediglich in Monologen vorgetragen wird. Er ist genau derselbe wie der, mit dem die NASA letztlich konfrontiert wird, aber im Dialog mit dieser ist er wesentlich lustiger. Vielleicht fehlt einfach der Kontext.
Ein weiteres Manko ist, dass sämtliche Einträge sehr theoretisch/technisch verfasst sind. Mark erklärt, wie er Wasser aus Raketentreibstoff und Sauerstoff gewinnt, wie er das mit den Kartoffeln durchgerechnet hat, wie diese und jene Reaktion funktioniert, und, und, und. Ohne dem Humor, der immerhin ein wenig Amüsement reinbringt, wären diese Szenen endgültig langweilig gewesen – was nicht heißen soll, dass sie die ganze Zeit über unterhaltsam sind. Immerhin lassen sie sich schnell lesen.
Die Handlung wirkt wie ein Flickenteppich aus Problemen. Das mag zumindest teilweise auch durch die Natur der Logbucheinträge gegeben sein und im Grunde trifft das auf jeden Plot zu, aber hier ist es mir besonders aufgefallen.
Mark strandet auf dem Mars. Mark muss zurück in die Wohnkuppel. Mars muss Essen anbauen. Mark muss Wasser produzieren. Dieses geht kaputt. Jenes funktioniert nicht. Neues Problem taucht auf. Neues Problem wird gelöst. Nächste Generation an Problemen taucht auf. Neue Probleme werden gelöst.
So geht es die ganze Zeit über weiter, und mich wundert es ehrlich gesagt, dass Andy Weir das Buch an der Stelle beendet, an der es endet. Das Muster hätte sich beliebig lang fortsetzen lassen können.
Um fair zu sein – ich glaube nicht, dass sich das Buch zu hundert Prozent ernst nimmt. Ich bin mir dabei zwar meinerseits nicht zu hundert Prozent sicher, aber es ist letztlich eine leichtfüßige, schnell und einfach zu lesende Geschichte über nen Typen auf’m Mars, der Zeug macht, um wieder runterzukommen, ohne dabei draufzugehen. Die Szenarien, die sich dabei entwickeln, werden von Seite zu Seite abstruser, aber da sich der Roman nicht zu bierernst zu nehmen scheint, trägt diese Absurdität zum Humor bei.
Das Ende ist vorhersehbar. Die einzige Logiklücke, die ich vorzubringen habe, ist eine, die ich von diversen Rezensenten des Films übernommen habe: Soweit ich das verstanden habe, ist die Marsatmosphäre zu dünn, um schwere Sachen durch die Gegend zu schleudern, weswegen das Ausgangsszenario des Unheil bringenden Sturms unrealistisch ist.
Zu den Charakteren vermag ich ebenso wenig zu sagen. Abgesehen von Mark bekommt kaum einer mehr als zwei Seiten Raum und selbst der Protagonist ist nicht wirklich wichtig. Er ist humorvoll und er kann Dinge reparieren – und ja, er versucht sich nicht an Selbstmord. Das war es an Charaktereigenschaften aber weitestgehend; zumindest sind mir nicht wirklich mehr aufgefallen.
Und nun zum letzten Punkt: dem Film, beziehungsweise, was ich mir von diesem erwarte. Denn zum ersten Mal seit – naja, seitdem ich meine erste Buchverfilmung gesehen habe, habe ich eine berechtigte Hoffnung darauf, dass diese Verfilmung besser ist als das Buch.
Die Hauptgründe, weswegen mich dieses nicht so wirklich gewinnen kann, sind: die Einträge sind zu theoretisch; die Beschreibungen sind sehr mangelhaft; in Monologen ist der Humor bestenfalls amüsant.
Alles Dinge, die sich mit dem audiovisuellen Medium leicht beheben oder umschiffen lassen. Zu viel technische Theorie könnte man beim Verfassen des Drehbuchs als zu langweilig wegstreichen, ohne dabei die wirklich wichtigen Teile zu erwischen, Beschreibungen sind bei Filmen überflüssig und können durch einzelne, kurze Kameraeinstellungen behoben werden; so kann man beispielweise innerhalb einer halben Sekunde die Wohnkuppel darstellen und schon ist einer meiner größten Kritikpunkte sehr, sehr klein geworden, und wenn man einen fähigen Schauspieler einstellt, kann der durch Mimik, Gestik und Körperhaltung die Einseitigkeit des Monologs etwas auflockern. Einfach nur Schimpfwörter in Bezug auf Naturwissenschaften zu verwenden ist per se nicht lustig, aber ich kann mir gut vorstellen, dass dem mithilfe der Performance zumindest entgegengesteuert werden kann.
Anders gesagt: Sobald ich eine Chance habe, den Film zu sehen, werde ich sie ergreifen.
Um zum Buch zurückzukommen: Ich verstehe nicht so wirklich, was daran so genial sein soll. Offenbar hält es sich sehr nahe an der Realität und berücksichtigt einen großen Haufen physikalischer und chemischer Gegebenheiten. Okay. Und weiter? Es wird kein Augenmerk auf die Charaktere oder die Beschreibungen gelegt, der Humor ist Ansichtssache und funktioniert für mich nur bedingt und die Spannung ist bei weitem nicht in jeder Szene gegeben. Andererseits hat der Roman definitiv seine Höhen und, wie gesagt, er liest sich sehr schnell – also trotz seiner Länge gut geeignet für zwischendurch.
Details zum Roman:
Titel: Der Marsianer
Autor: Andy Weir
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2014 (3. Auflage)
ISBN: 978-3-453-31583-9
Genre: Science-Fiction
Preis: 15,50€ (s. Datum)
Seiten: 509
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1000
Stand: 04.08.2017
Nachdem ich drei Wochen lang auf diesen Roman warten durfte und zwischenzeitlich bereits eine eher mittelmäßige Rezension gesehen habe, hatte ich nicht mehr erwartet, dass mich „Die Königin der Schatten“ noch wirklich würde mitreißen können. Aber siehe da – Wunder geschehen.
Kelsea wird, kaum dass sie neunzehn Jahre alt ist, von der Garde der Königin abgeholt, denn sie ist die Thronfolgerin Tearlings. Ihr Land ist in schlechter Verfassung, doch die größte Bedrohung liegt im Westen, wo die Rote Königin über Mortmesne regiert.
Der Schreibstil ist flüssig und reißt einen schnell mit. Sowohl die Gefühls- als auch die Handlungsbeschreibungen sind gut bis sehr gut, die der Umgebung schwächeln an einigen Stellen, sind aber immer ausreichend vorhanden, dass ich mich auskenne. Insgesamt sticht der Stil nicht großartig heraus, aber er trägt die Geschichte sehr gut.
Die Handlung dreht sich vor allem darum, wie Kelsea den Thron besteigt und ihre ersten Tage als Königin verlebt. Der Konflikt mit der Roten Königin wird erst aufgebaut; die tatsächliche Konfrontation ist wohl im zweiten Band zu erwarten. Von daher passiert an wichtigen Ereignissen nicht besonders viel, was aber nicht stört. Dementsprechend gibt es noch nicht viel, das man vorhersehen könnte. Das, was sicher ist, ist vor allem der Grundtonus des Endes, der in Richtung Happy End geht – wenn man mal die drohende Konfrontation weglässt, die aber in der letzten Szene kaum aufs Gemüt schlägt.
Nebst kleineren Kontinuitätsfehlern habe ich während des Lesens nur sehr wenige Störungen ausfindig machen können, wurde aber durch andere Rezensionen auf einige ziemlich dumme Aspekte hingewiesen. Beispielweise wird die Garde zusammen mit der Königin von Auftragskillern verfolgt, die wohl bald aufgeholt haben werden, und wie es nur logisch in einer solchen Situation ist, besaufen sich bis auf zwei alle Wachen, singen und erzählen sich Geschichten. Der letzte Teil enthält Informationen, die sowohl für Kelsea als auch für den Leser wichtig sind, aber man hätte da lieber noch eine Nacht einbauen sollen, in der man sich Geschichten erzählen kann, ohne sich wie ein Vollidiot zu benehmen.
Es ist allerdings bezeichnend, dass mir das nicht bereits während der Lektüre aufgefallen ist – gut, das könnte daran liegen, dass ich die ersten einhundertzwanzig Seiten knapp vor Mitternacht gelesen habe und den Rest praktisch in einem Rutsch, aber ich bin gewillt, dem Roman anzurechnen, dass er mich genug bei der Stange halten konnte, dass mir einige Fehler entgangen sind.
Dennoch habe ich ein wenig zu meckern. Fangen wir bei der Lieferung an, die seit Tagen nicht in Mortmesne eingetroffen ist, und niemand weiß, was jetzt eigentlich los ist. Dabei waren doch bei der Verladung auch Soldaten aus Mortmesne anwesend? Was ist mit denen passiert? Wurden die gelyncht? Oder trauen sie sich nicht, zurück nach Hause zu kommen, wenn sie die Ladung nicht bei sich haben?
Die zweite Sache ist per se wahrscheinlich kein Fehler, aber es hat sich wie einer angefühlt. Wie geschrieben muss Kelsea damit rechnen, dass Mortmesne jeden Moment eine Invasion beginnt, aber während der ersten paar Tage ihrer Regentschaft tritt dieses Problem eher in den Hintergrund. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass der General erst noch auf dem Weg zu ihr ist und sie dementsprechend nicht mit dem Verantwortlichen sprechen kann – es hat mich aber ein wenig irritiert. Und ja, natürlich muss sie noch andere Dinge als Regentin eines Landes bedenken.
Zuletzt noch zum Love Interest. Hier bin ich zwiegespalten, denn natürlich sucht sich Kelsea einen Mörder, Entführer und Dieb aus, um sich ihn zu verknallen – auf der anderen Seite: Sie hat während ihrer gesamten Pubertät kaum Männer gesehen und in wen man sich verliebt, liegt tatsächlich kaum in der eigenen Hand. Und es ist ja nicht so, als ob sie nicht wüsste, dass das ihr Urteil trübt und dass es rein rational betrachtet eine bescheuerte Idee ist, sich ausgerechnet ihn auszusuchen.
Das Problem ist nur, dass sie nichts mit dieser Reflexion macht. Sie stellt fest, dass es nicht gut ist, dass sie gewillt ist, ihm all seine Taten – inklusive Mord – zu vergeben, nur weil sie in ihn verknallt ist, aber alles, zu dem sie sich zusammenreißen kann, ist, nicht ständig an ihn zu denken.
Generell scheint die Dame ein Problem damit zu haben, über Gewalt ihrer Nächsten zu urteilen. Der Anführer ihrer Garde fackelt an einem Punkt des Romans ein ganzes Gebäude voll von Dienern und Wachen ab, weil deren Herr einen Mordanschlag auf Kelsea verübt hat – und das einzige, was sie denkt, ist, dass es eine Seite an ihm gibt, die sie nicht kontrollieren kann und dass sie nicht weiß, wie sie damit umgehen soll.
Ist ja nicht so, dass sie die Königin wäre. Sie spricht ihn nicht einmal darauf an, was für jemanden, der gerade mehrere Leute mutwillig getötet hat, sowieso noch keine Strafe ist.
Auch hat es mich irritiert, dass Kelsea so schlecht von ihren Adeligen denkt. Sie sagt an einem Punkt sogar selbst, dass sie sich um alle Untertanen kümmern muss – die Armen und die Reichen. Aber weil die Reichen irgendwelche dummen Hüte tragen (ja, das passiert wirklich) und sie sich nicht immer so verhalten, wie Kelsea es gerne hätte, aber noch immer besser als ihr Love Interest oder der Hauptmann ihrer Wache, sind sie verabscheuungswürdig und werden nur toleriert, weil … ähm … das so Usus ist?
Ich meine, wir bekommen sogar von den Antagonisten ein paar Szenen, in denen wir mehr über sie erfahren – übrigens eine der Stärken der „Königin der Schatten“ –, aber die Adeligen sind einfach pfui? Nicht eine Perspektive von denen?
Abgesehen von diesen beiden Punkten muss ich aber sagen, dass Kelsea ein sympathischer Charakter ist. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr die Erfolge nur so zufliegen; sie macht Fehler und geht Risiken ein, aber selten wirken diese dämlich. Auch ergibt es Sinn, dass sie einen überwiegend liberalen Standpunkt vertritt – sie hatte ja praktisch nur Kontakt mit ihren Zieheltern, die diesen ebenfalls vertreten, insofern sehe ich hier kein Problem.
Die Antagonistin, die Rote Königin, ist hingegen einfach nur … okay. Wir bekommen ein paar Szenen, in der der Erzähler um sie herumschwirrt, und in denen stellen wir fest, dass sie nicht vollkommen abgestumpft ist gegenüber Gewalt (letzte Szene von ihr), dass sie sie aber auch nicht scheut (erste oder zweite Szene von ihr). Auch bekommen wir ein paar Gründe dafür geliefert, wieso sie unbedingt in Tearling einfallen möchte – beziehungsweise: es unumgänglich ist. Sie bekommt Schwächen, aber, und das ist wohl ihr größtes Problem, kaum Stärken.
Ich meine, sie kann ein Land regieren, ohne dass es auseinanderfällt. Gut. Davon merkt man aber kaum etwas – zumal selbst sie den Eindruck zu haben scheint, dass die Bevölkerung sich ihr in erster Linie deswegen nicht in den Weg stellt, weil sie wirklich gut darin ist, Magie zu praktizieren – sie folgen ihr also aus Furcht, zumindest in den meisten Fällen.
Außerdem sehe ich keine wirkliche Motivation hinter ihrem Wunsch, Königin zu sein und zu bleiben. Kelsea wird erzählt, es wäre Machtgier, aber abgesehen von dieser zweifelhaften Quelle bekommen wir da keinen Ansatzpunkt.
Und zuletzt noch einmal: Ich finde es super, dass die meisten Charaktere ihre eigene Geschichte bekommen, besonders die Nebencharaktere.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich noch drei Dinge ansprechen.
Erstens: Einer der Gründe, wieso ich den Roman so mag, ist die Welt. Bei vielen negativen Rezension ist genau diese jedoch einer der Gründe, wenige Sterne zu vergeben – es wird mehrfach mehr als nur angedeutet, dass die Welt eine dystopische Version unserer ist, aber wirklich erläutert, was passiert ist, wird es nicht.
Mich persönlich hat das nicht gestört, sondern eher neugierig gemacht. Im zweiten Teil soll der Hintergrund der Welt erörtert werden, und wenn ich auch zustimme, dass Erika Johansen schon ein Kunststück gelingen muss, das Setup nicht an den Haaren herbeigezogen wirken zu lassen, so hat mich dieser Roman doch gut genug unterhalten, dass ich sage: Ich gebe ihr eine Chance.
Zweitens empfinde ich den Umgang mit Sex, Gewalt und Vergewaltigungen als gut gelungen. Um ersteres Thema wird, im Gegensatz zu den meisten anderen Fantasyromanen, kein großer Bogen geschlagen oder unruhig herumgetanzt, sondern es wird als das beschrieben und dargestellt, das es ist: Ein Teil des Lebens, auch in mittelalterähnlichen Settings.
Die Gewalt im Roman wird meist nicht besonders bildlich dargestellt; es wird kein großer Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Körperteile oder dergleichen durch die Luft fliegen. Hinzu kommt, dass alle Szenen, die ein höheres Maß an Gewalt aufweisen, Charaktere entwickeln oder Charakterzüge hervorheben – Gore ist hier also, selbst wenn es mal ansatzweise auftritt, kein Selbstzweck.
Zuletzt noch zu den Vergewaltigungen. Wer in Bezug auf dieses Thema empfindlich reagiert, sollte sich von dem Roman wohl fernhalten, da auch hierum keinen Bogen geschlagen wird. Frauenrechte sind de facto nicht vorhanden, aber auch hier: Im Kontext bleibt es nachvollziehbar, das Anreißen des Themas ist nie pure Effekthascherei und dank Kelseas Weltanschauung haben wir auch in Bezug zur Roten Königin stets einen Gegenpol, der eine klare Meinung vertritt, die auch in unserer Gesellschaft haltbar ist.
Zuletzt noch ein Kritikpunkt: Die Erziehungsmoral am Ende des Romans ist etwas, dem ich so nicht zustimmen kann. Es wird im Großen und Ganzen ausgesagt, dass man ein Elternteil zumindest teilweise hassen muss, um nicht zu einem verzogenen Balg heranzuwachsen. Das war im Kontext von Grenzen setzen gemeint – und während ich zustimme, dass Kinder definitiv Grenzen brauchen und eine vollkommen anti-autoritäre Erziehung wie die meisten anderen extremen Sachen keine gute Idee ist, würde ich doch nicht so weit gehen zu sagen, eines der Elternteile müsse gehasst werden, um den gewünschten Effekt zu erreichen.
Alles in allem sind die problematischsten Teile von der „Königin der Schatten“ die, bei denen Kelsea über Morde hinwegsieht, nur weil sie die Mörder mag und sie trotz der entsprechenden Selbsterkenntnis nichts gegen diese Einstellung unternimmt. Ich bin aber gewillt, das als Charakterschwäche zu titulieren.
Ansonsten kann ich den Roman empfehlen. Ich habe mich durchwegs unterhalten gefühlt und ja, was Emma Watson da über nicht mehr aus der Hand legen können sagt, ist definitiv nicht falsch.
Details zum Roman:
Titel: Die Königin der Schatten
Autorin: Erika Johansen
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2015 (3. Auflage)
ISBN: 978-3-453-31586-0
Genre: Fantasy
Preis: 15,50€ (s. Datum)
Seiten: 543
Reihe: ja; 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1700
Stand: 12.08.2017
David ist der Schüler des Weltenlenkers, der verhindert, dass das Universum unter seiner eigenen Gravitation zusammenbricht. Sein Leben ist allein auf die Erfüllung seiner Bestimmung ausgerichtet, als eine neue Phase seiner Ausbildung beginnt – und gleichzeitig am Rande des Universums ein Feind zum Schlag ausholt.
Einen Stern Abzug gibt es für diverse Grammatik- und Interpunktionsfehler.
Der Schreibstil zieht schnell sowohl in die Welt als auch in einen Lesefluss. Dabei wird die Umgebung an einigen Stellen geradezu poetisch beschrieben, an wenigen anderen bleibt sie hingegen zu verschwommen und lässt mich ratlos zurück, wer genau was wie wo macht. Ansonsten sind die Handlungen bis auf wenige Ausnahmen gut beschrieben und auch den Gefühlen der Protagonisten kann man gut folgen.
Die Handlung wartet mit vielen Plottwists auf, die nur selten aus der Luft gegriffen wirken. Vereinzelt gibt es kleinere Kontinuitätsfehler und Plotprobleme, die dem Lesegenuss aber nur selten etwas abzuziehen vermögen.
Die Antagonisten sind fast alle hervorragend gelungen und während der Lektüre wirkten so auch die Protagonisten; im Nachhinein kann ich mich jedoch nicht daran erinnern, dass irgendeiner von ihnen nennenswerte negative Eigenschaften gehabt hätte.
Insgesamt ein recht gelungener Ausflug (für mich) in ein anderes Genre und dem Themenkomplex Religion, der jedoch nicht vollständig zu überzeugen weiß.
Details zum Roman:
Titel: Jenseits der Götter
Autor: Daniel Krinke
Veröffentlicht über: CreateSpace Independent Publishing Platform
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 978-1-5006-2154-4
Genre: Science-Fiction
Preis: 8,56€ (s. Datum)
Seiten: 349
Reihe: ja, Band 1 von 2 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 300
Stand: 28.08.2017
Auf der Suche nach dem Zwerg, der Ahrens Ernennung zum Paladin vervollständigen kann, brechen die Gefährten rund um den Anwärter zum Silbernen Kliff auf, um die schädliche Verbindung zwischen Ahren und dem schlafenden Gott zu unterbrechen und den Völkern Joraths ein paar Jahre mehr Zeit zu geben, sich auf den Krieg vorzubereiten. DER, DER ZWINGT hat seine letzten Trümpfe jedoch noch nicht ausgespielt.
Einen Stern Abzug gibt es für die Fehler im Bereich der Grammatik und den Irrungen rund um die Frage, wann ein Ausrufezeichen, wann ein Punkt und wann ein Fragezeichen zu setzen ist.
Der Schreibstil reißt schnell in einen Lesefluss und in die Geschichte hinein, ist angenehm und mit allem ausgestattet, was mein Herz begehrt: Landschaftsbeschreibungen, die ein Bild vors innere Auge zu malen vermögen, flüssigen Handlungsbeschreibungen und sehr guten Gefühlsbeschreibungen. Kleinere Störfaktoren gibt es dennoch, darunter ein paar Wortwiederholungen, die aber nicht nennenswert dem Lesevergnügen abträglich sind.
Die Handlung weist weder besonders überraschende Wendung auf, noch ist sie vorhersehbar. Persönlich konnte ich nur zwei Schwierigkeiten mit der Logik finden; ich kann also guten Gewissens sagen, dass sie sehr gut durchdacht ist.
Die Charaktere sind, auch wenn sie nur nebensächlich für den Plot sind, praktisch alle vielschichtig und wirken wie Leute, die so irgendwo auf der Welt existieren könnten. Besonders offensichtlich ist das freilich bei Ahren, aus dessen Sicht die größten Teile des Romans geschrieben sind, und der nach wie vor ein Paradebeispiel eines gelungenen Protagonisten ist.
Einzig DER, DER ZWINGT ist von der Charaktertiefe her auf dem Niveau des ersten Bandes verblieben, was noch deutlich ausbaufähig ist – aber auch hier: Es wird noch zumindest eine Fortsetzung geben, also besteht noch Hoffnung.
Die gesamte Welt ist facettenreich, hervorragend ausgearbeitet und faszinierend, wozu auch die kreativen Auslegungen der Klischees diverser Fantasyvölker beitragen. So wurden die Elfen etwas vertieft, die Zwerge sehr gut ausgearbeitet und die Beziehungen zwischen den drei grundverschiedenen Völkern dargestellt.
Gewürzt ist das Ganze mit einer Prise Humor, die „Die Ernennung“ zusätzlich auflockert.
Alles in allem kann ich auch diesen Roman nur jedem empfehlen, der etwas mit High-Fantasy anfangen kann und sich nicht von Grammatikfehlern verjagen lässt. Dementsprechend tut es mir auch hier wieder weh, einen Stern wegen dieser abzuziehen, aber gleiche Regeln für alle.
Details zum Roman:
Titel: Der dreizehnte Paladin: Die Ernennung
Autor: Torsten Weitze
Veröffentlicht über: Independently published (Amazon)
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 9781522094081
Genre: Fantasy
Preis: 15,99€ (s. Datum)
Seiten: 490
Reihe: ja, Band 2 von ?* (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 31.08.2017
*: Ich konnte diesbezüglich noch immer keine Informationen auftreiben, aber einen weiteren Band wird es wohl sicher noch geben.
Hätte man mich vor einem Jahr gefragt, was ich lese, hätte ich geantwortet: „Fantasy.“ Hätte man mich dann gefragt: „Und was noch?“, hätte ich geantwortet: „Nichts sonst.“ Dem wirke ich in den letzten Monaten etwas entgegen, indem ich nicht nur auf die Science-Fiction ein Auge geworfen habe, sondern auch ab und zu Ausflüge in vollkommen andere Genres machen möchte.
Willow ist ein sonderbares Mädchen und wegen ihrer vielen Ecken kommt sie mit Gleichaltrigen nicht wirklich klar. Dennoch ist sie überwiegend glücklich – bis ihre Eltern eines Nachmittags bei einem Unfall sterben.
Auf diesen Roman aufmerksam bin ich durch eine Rezension geworden, sodass ich mir mal die Leseprobe zu Gemüte geführt hatte. Ich bin nur so durch die Seiten geglitten, und so entschloss ich mich, das Ding auf meine Wunschliste zu setzen, da es angenehm zu lesen ist.
Das kann ich auch nach der Lektüre noch immer bestätigen – der Lesefluss ist sehr schnell da und trotz des teils etwas unüblicheren Vokabulars bleibt er auch; das und die relative Kürze (knapp mehr als dreihundert Seiten) haben es mir leicht gemacht, den Roman schnell zu lesen.
Die Beschreibungen sind allesamt im grünen Bereich. Die der Handlungen sind flüssig genug, dass ich mich auskenne, die der Umgebungen ebenfalls. Der Fokus liegt jedoch auf der Gefühlswelt der Protagonistin Willow, der auch hervorragend gelungen ist, was wohl auch der Erzählperspektive der ersten Person anzurechnen ist, die hier gut umgesetzt wurde. – Was auch notwendig für dieses Romankonzept ist, denn das gesamte Momentum der Geschichte wird aus Willows Innenleben gewonnen.
Die Handlung ist dementsprechend auch unvorhersehbar und gut durchdacht. Ich habe lediglich eine Frage: Wenn Pattie so viel Geld in der Hinterhand hat, wieso lässt sie ihre Kinder dann in einer Garage leben? Sparen hin oder her, ein kleines Apartment hätte drin sein sollen, wenn man es sich so problemlos leisten kann, dass man sich ein ganzes Wohnhaus kaufen kann.
Die Protagonistin ist gut gelungen. Sie hat eine ganze Menge Probleme und Kanten, aber auch eine ebenso große Liste an Stärken, Fähigkeiten und Wissen. Ihre Sicht auf die Welt ist mir so noch nie untergekommen, was auch erklärt, wieso ich von dem Roman überhaupt angefixt war.
Einen Antagonisten gibt es nicht – wie geschrieben, die Geschichte befasst sich mit Willows Entwicklung nach dem Unfall.
Die Wertung mag den einen oder anderen meiner Leser daher irritieren – immerhin habe ich kaum Kritikpunkte an „Glück ist eine Gleichung mit 7“ anzubringen, und dennoch gebe ich nur drei Sterne. Das liegt daran, dass ich zwar nach meinen eigenen Standards kaum etwas zu meckern habe, ich den Roman aber dennoch als nicht mehr als eine nette Lektüre für einen freien Tag ansehe.
Details zum Roman:
Titel: Glück ist eine Gleichung mit 7
Autorin: Holly Goldberg Sloan
Verlag: Carl Hanser Verlag
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-446-24553-2
Genre: Kinderbuch
Preis: 17,40€ (s. Datum)
Seiten: 304
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 17.09.2017
Tja nun. Da bin ich wieder. Nach einer fast dreimonatigen Rezensionspause starte ich in die letzten Zuckungen Zweitausendsiebzehns mit einem Versroman aus der Zeit um etwa 1200, das ich eher unfreiwillig gelesen habe – streicht das „eher“; ich hätte es nach spätestens zweihundert Seiten abgebrochen.
Parzifal, aufgewachsen fernab des königlichen Hofes, von dem er abstammt, verlässt sein Heim, um Ritter am Artushof zu werden. Nach einigen Missetaten gelingt ihm dies auch, doch kurz vor seiner Erhebung zum Artusritter stellt er eine entscheidende Frage nicht, die ihn die nächsten Jahre verfolgt.
Kenner des Romans werden feststellen, dass meine Inhaltszusammenfassung etwas … lückenhaft und gleichzeitig vorausgreifend ist, aber ich habe wirklich nicht die Nerven, mir für dieses Ungetüm mittelhochdeutscher Literatur etwas Besseres auszudenken. Es geht hauptsächlich um Parzifal und ein wenig um Gawan, mit dem er über ein paar Ecken verwandt ist, und der Gral spielt eine Rolle.
Bevor ich mit der eigentlichen Rezension beginne, möchte ich meine Leser vorwarnen, dass diese nicht so strukturiert sein wird wie sonst, da ich mir keine Notizen gemacht habe. Ich versuche, so etwas wie einen roten Faden beizubehalten, kann aber für nichts garantieren.
Außerdem habe ich zwar, insbesondere durch den Kommentar am Ende von Band zwei, ein paar Kenntnisse zum Werk und zu der Zeit, aus der es stammt, aber sie gehen nicht wesentlich über diesen Kommentar hinaus. Ich werde „Parzifal“ auch nicht danach kritisieren, wie ästhetisch anspruchsvoll er sprachlich ist oder welche Rolle er für deutsche Literatur gespielt hat oder dergleichen; ich werde ihn als eine Leserin des einundzwanzigsten Jahrhunderts rezensieren, deren Zahl vernichtbarer Nerven begrenzt ist.
Da das nun aus dem Weg ist, sollte ich kurz auf den Kommentar zu Band zwei eingehen. „Parzifal“ ist, zumindest in der Ausgabe, in der ich ihn gelesen habe (ISBN und weitere Daten wie immer ganz unten), ein Doppelband, der in zwei (physischen) Büchern daherkommt, wobei beide um die 850 Seiten haben, von denen der Großteil des zweiten Buches einem (Stellen-)Kommentar zugerechnet werden muss, der die Übersetzung, den Vorgang der Übersetzung, die mittelalterliche Lebenswirklichkeit und noch ein paar Dinge mehr anspricht.
Beginnen wir mit dem Schreibstil. Wie erwähnt ist „Parzifal“ ein Versroman, das heißt, dass er im Original in Versen verfasst ist und nicht in Prosa, und das wurde auch bei der Übersetzung beibehalten. Obwohl ab und an so etwas wie ein Rhythmus über mehrere Verse hinweg beibehalten wird, wird er doch ständig gestört, sodass das Lesen nicht gerade angenehm war.
Hinzu kommt, dass die damals offenbar (zumindest in solcher Literatur) übliche Ausdrucksweise eine sehr … verworrene ist. Ich habe das Ding gelesen, danach den Stellenkommentar, wo mir erklärt wurde, dass dieses oder jenes eindeutig ironisch oder ziemlich sicher eine ernsthafte Drohung war, was bei mir so rein gar nicht angekommen ist.
Generell fehlte mir beim Lesen das Gefühl für den Roman. Es war ein wenig, als würde ich einen Gegenstand mit einer Hand erfassen wollen, von der mehrere Finger und gute Teile des Handtellers gefühls- und reaktionslos sind. Dinge, die ich als skurril, aber Naja-ist-halt-Parzifal-ergibt-sowieso-nicht-viel-Sinn aufgefasst habe, waren „eindeutig“ humorvoll ganz im Stile von Eschenbachs; Szenen, die ich als lustig empfand, wurden mir im Nachhinein als nicht übermäßig lustig gemeint dargestellt, und so weiter.
Sollte jemand das Ding lesen wollen, empfehle ich dringend, den Stellenkommentar begleitend dazu zu lesen, auch wenn das mit den zwei Büchern etwas unhandlich werden kann. Mir war nicht ganz klar, dass es einen Stellenkommentar gab, daher habe ich ihn erst im Anschluss gelesen. Mit ihm ergibt einiges mehr Sinn und es wird klarer, was der Phantasie von Eschenbachs zuzuschreiben ist, und was damals einfach Usus war.
Bevor ich aber auf den Plot vorgreife: die französischen Wörter. Oh, die französischen Wörter! Menschen mit ein paar Französischkenntnissen werden sich mit der Übersetzung leichter tun als solche ohne, was ich deswegen weiß, weil mein Französisch nicht wesentlich über „Baguette“ hinausgeht.
Das viele Französisch stammt daher, dass der mittelhochdeutsche Text ebenfalls von altfranzösischen Wörtern gespickt ist, da das in der höfischen Literatur (und generell der damaligen höfischen Welt) halt grade in war, und der Übersetzer dieses „Feeling“ so gut wie möglich ins Neuhochdeutsche übertragen wollte.
Und während das ein solider Grund dafür ist, das mit der deutschen Übersetzung nicht ganz so wortwörtlich zu nehmen, hilft mir das ausgesprochen wenig beim Lesen. Die meisten Bedeutungen konnte ich mir im Kontext zusammenreimen, aber schön, angenehm oder etwas, das ich gerne wiederholen würde, war das nicht.
Ich sollte außerdem noch erwähnen, dass Kürze beim Eschenbach nicht so angesehen sein dürfte. Neben der Tatsache, dass etwa die Hälfte der Erzählung aus Beschreibungen von Schönheit und/oder Reichtum diverser Arten besteht, werden Kämpfe, Speisen und Dialoge unfassbar langatmig abgehandelt. Insbesondere die Speisen. Parzifals erster Besuch beim Gral hat gefühlt ewig gedauert; das Essen, das Anrichten des Essens, alles war nicht enden wollend. Mir ist schon klar, dass sich in 800 Jahren sehr viel ändert, aber der einzige Grund, dass irgendein Text mit so etwas durchkommen kann, ist „alt“. Und/oder „klassisch“. Und/oder „künstlerisch“. Okay, es sind drei Gründe.
Zusammenfassend: Nicht angenehm zu lesen. Und das war offenbar noch die angenehmste Übersetzung.
Kommen wir zum Plot und zur Handlung. Nun, beide existieren, wenn sie überwiegend auch eher dahindümpeln als dass sie … irgendetwas Anderes tun. Der Roman startet mit Gahmuret, Parzifals Vater, der einfach Dinge tut und dabei an Orten ist und irgendwann dann stirbt. Spannung kommt keine auf, Interesse ist spätestens jetzt weg, und obwohl ich ein paar Ansätze dafür gehört habe, wieso der Prolog voll wichtig sein soll, hätte man ihn als Ganzes streichen können.
Dann erst geht’s mit Parzifal los, der ab und zu an Gawan, dem Vorzeigeritter schlechthin, abgeben muss. Auch seine Handlung ist eher meh. Er verlässt die Frau Mama, ist ein … naja, als was auch immer man eine Person bezeichnet, die zuerst eine Frau sexuell nötigt, ihr dann das Essen wegfrisst, weggeht und wenig später einen entfernten Verwandten von ihm ermordet, weil der ihm seine Rüstung nicht geben möchte, auf die er sowieso kein Anrecht hat.
„Manieren“ werden ihm erst nach all dem beigebracht, ebenso das Tjostieren (zwei Ritter zu Pferd plus zwei Lanzen plus Frontalkollision, im Großen und Ganzen), was er in geschätzt drei Stunden perfektioniert. Danach lernt er eine Königin kennen, befreit ihre Stadt von der Belagerung (durch Tjostieren, versteht sich), heiratet sie, zeugt Zwillinge, zieht weiter, kommt zum Besitz der Gralsfamilie, deren König an einer giftigen, unheilbaren Wunde an den Hoden leidet und dessen Tod nur durch den Gral verhindert wird, stellt aufgrund seiner „Manieren“ nicht die erlösende Frage, was denn los sei, weswegen alle angepisst sind (die Frage hätte den Typ mit den wunden Hoden sofort geheilt, weil Gott), ihm wird erklärt, dass er keine zweite Chance für diese Frage bekommen würde, er sieht drei Blutstropfen und verfällt in Trance, siegt dabei gegen drei hochrangige Ritter im Kampf, kommt zum Artushof, wird zum Artusritter erhoben, entscheidet sich nach einem Auftritt einer … ansehnlichen Gestalt dafür, dass er den doofen Gral finden und den Hodentypen erlösen muss, reitet durch die Gegend, tjostiert eine Menge, wird nach mehrmonatigem Abfall vom Glauben wieder religiös, kommt schließlich zum Hodentypen und stellt ihm die Frage. Und ja, das Ganze liest sich in etwa so spannend wie meine Zusammenfassung, nur ist es noch unlustiger.
Gawan ist ebenfalls ein Artusritter, wie praktisch jede andere Figur irgendwie mit Parzifal verwandt und der einzige, der kurzzeitig so etwas wie einen Konflikt aufzuweisen hat, aber keine Sorge, der geht schnell wieder weg. Ihm wird – natürlich fälschlicherweise – irgendetwas vorgeworfen, Mord, glaube ich, woraufhin er eine Tjost gegen den Ankläger machen muss, um seine Ehre zu bewahren (neben „Tjost“ und „rot“ und „weiß“ ein sehr, sehr häufiges Wort in diesem Roman), zu der es aber letztlich nicht kommt. Ebenso wie Gahmuret hurt er durch die Gegend, was das Zeug hält, aber das ist offenbar okay. Weil Penis, schätze ich.
Also ja, verdammt zäher Plot, aus dem man aber theoretisch etwas hätte machen können. Sobald man die ganzen Logiklücken bereinigt hat, heißt das. Die Sache mit der Frage, von der zwischen Nichtfragen und Fragen behauptet wird, dieses zweite Fragen wäre ungültig und würde nichts bewirken, ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Oder zum Beispiel die Tatsache, dass Parzifals Halbbruder schwarz-weiß gefleckt ist, „wie eine Elster“, weil Gahmuret weiß war und die eine Königin, mit der er gevögelt hat, schwarz, und so funktioniert Hautfarbe doch, oder? Oder?!
Ne, ernsthaft, es wundert mich, dass das irgendjemand glauben konnte. Sei es, weil braune Menschen bereits ein Ding gewesen sein müssten, sei es, dass durch Zucht von Pflanzen und Tieren bereits bekannt gewesen sein müsste, dass Farbe A plus Farbe B nicht Farbe A+B ergibt, sondern entweder nur eine der beiden oder ein Mischding. Ich weiß, Mendel kam einen Ticken später, aber zu dem Zeitpunkt hatte man mehrere Jahrhunderte Erfahrung mit Kreuzungen, und ich wette darauf, dass man einen gefleckten Menschen noch nie gesehen hat. Aus gutem Grund.
Das sind nur zwei Probleme des Plots, aber ich belasse es dabei und komme lieber zu den Charakteren.
Argh, die Charaktere.
Zunächst: Es gibt keinen Antagonisten. Das könnte einer der Gründe sein, warum so gut wie nie Spannung aufkommt.
Dann noch: Sämtliche Charaktere sind adelig/höfisch, ein paar geistlich. Bürger werden nicht einmal wirklich erwähnt.
Des Weiteren sind alle männlichen Charaktere ehrenhaft und gut und auch, wenn sie Frauen grün und blau schlagen, oder Leute töten, oder Leute fälschlich beschuldigen, oder sie ohne Grund angreifen – letztlich sind sie gut und ehrenvoll und – ritterlich. Weil sie Ritter sind. Ernsthaft, wer nach Grautönen sucht, wird genauso viele finden wie bei Parzifals Halbbruder.
Die einzige Ausnahme, an die ich vielleicht denken könnte, ist eine Nebenfigur, die aus Indien stammt und irgendwie verwandt mit der Gralsbotin ist. Beide sind menschlich, ja, aber mit tierischen Attributen physischer Natur versehen, sowas wie Reißzähne, Fellwuchs, Krallen. Und selbst die sind nicht böse, sondern einfach nur keine Ritter.
Die weiblichen Charaktere sind etwas vielfältiger. Während man insbesondere bei den Protagonisten die Namen beliebig austauschen kann und sich fast nichts falsch anfühlt – weil, naja, sie müssen ja gute Ritter sein, und es gibt nun mal nur ein Ritterideal –, ist das bei den Frauen – teilweise – anders. Es gibt eine zickige Frau, beispielsweise. Ja. Ähm. Mehr … fällt mir eigentlich auch nicht mehr ein; alle anderen sind im Grunde ebenfalls gleich.
Ich denke, dass im „Parzifal“ einige sehr sexistische Ideen enthalten sind, haut niemanden aus den Socken, und dass zumindest ein paar der Charaktere überdies rassistisch sind, sollte ebenfalls keine große Überraschung sein. Mit Pädophilie hat man sich immerhin so halbwegs zurückgehalten; Gawan verspricht zwar einer etwa Achtjährigen den Liebesdienst, sagt aber selbst, dass sie nicht „reif“ genug für den etwas physischeren Teil dafür sei. Besser als nichts.
Im Großen und Ganzen kann ich „Parzifal“ nur Leuten empfehlen, die entweder auf eine für mich nicht nachvollziehbare Weise Faszination/Interesse älterer deutschen Literatur entgegenbringen, oder die das Ding als Trash sehen, der halt schon 800 Jahre auf dem Buckel hat. Solchen, die es lesen wollen (nicht die Trashfans)/lesen müssen, empfehle ich, wie gehabt, den Stellenkommentar begleitend, nicht anschließend zu lesen. Und „Hs.“ bedeutet „Handschrift“, nur für den Fall, dass sich jemand das privat antun möchte. (Genauere Infos zu den Umständen der Literatur gibt es im Kommentar, und sollte jemand wirklich Interesse für die gesamte Epoche haben, kann ich ihm noch ein Büchlein mit einem Überblick über die Epoche empfehlen.)
Ich würde das Ding nicht mal mehr mit einer Kneifzange anfassen, könnte ich mit ihm vor dem Februar abschließen. Ich hoffe, die Rezension ist nicht zu wirr geworden, und ich gehe jetzt etwas lesen, an dem ich mich tatsächlich irgendwie erfreuen kann.
Details zum Roman:
Titel: Parzifal (Band eins, Band zwei)
Autor: Wolfram von Eschenbach
Übersetzer: Dieter Kühn
Verlag: Deutscher Klassiker Verlag
Erscheinungsjahr: 2017 (5. Auflage; erste 2007)
ISBN: 978-3-618-68007-9
Preis: 28,80€ (s. Datum)
Seiten: 1838
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 2000
Stand: 13.12.2017
Meine Beziehung zu diesem Buch ist etwas interessanter als bei den meisten anderen, die ich gelesen habe. Zuerst begonnen habe ich es im September, wobei ich nach etwa 50 Seiten aufgrund einer Leseflaute und dem StoryHub-Award pausieren musste. Da ich diese fünfzig Seiten kaum mehr in Erinnerung hatte, habe ich das Buch im Dezember nochmal von vorne begonnen und es jetzt auch endlich fertig gelesen.
Teklija wird des Mordes bezichtigt aus ihrer Heimat verbannt. In Duremm, der Stadt am Kreuz, fristet sie ziellos ihr Dasein, bis sie sich in eine Schlägerei einmischt und sich zur Beschützerin gleich zweier Menschen macht. Dabei kommt sie Tresten, einem Mann aus ihrer Heimat, in die Quere.
Gleich zu Beginn gibt es einen Stern Abzug für die Grammatikfehler. Hört mal, mir macht das hier auch keinen Spaß, aber wenn mehr als zwei Dutzend Wörter verschluckt werden oder die Fälle nicht aufeinander abgestimmt sind, fällt das eben ins Gewicht. Gleiche Regeln für alle.
Rafaela Creydts Schreibstil ist … ganz nett, schätze ich. Er sticht nach einigen Dekaden Seiten nicht negativ ins Auge und trägt die Geschichte gut, aber er ist nicht das, was diesen Roman so besonders macht.
Die Beschreibungen sind überwiegend solide; bei denen der Umgebung gab es ab und an ein paar Aussetzer, sodass ich mir das Setting nicht mehr wirklich vorstellen konnte, aber die hielten sich in Grenzen. Störender werden da die unzähligen neuen Wörter sein, mit denen man gerade zu Beginn konfrontiert wird – die mir aber nicht sehr viel ausgemacht haben. Es stimmt schon, dass man „Die Stadt am Kreuz“ wahrscheinlich nicht im Halbschlaf lesen kann und einen die Zahl der neuen Begriffe zunächst überfordert, aber nach ein paar Kapiteln hat man das meiste entziffert und etwa ab der Hälfte des Buches kann man es richtig genießen.
Mich haben die englischen Begriffe, die ab und an auftauchen, deutlich mehr gestört als neue Phrasen wie „vell Tjares“. Auch irritierend waren die teilweise sehr kurzen Absätze, und mit „sehr kurz“ meine ich so viel wie „einen Satz lang“, das teilweise auch einige Sätze hintereinander. Im Laufe des Romans wird das zwar seltener, aber in den meisten Fällen kann ich immer noch nicht nachvollziehen, wieso hier nicht ein paar Absatzzeichen gelöscht wurden.
Generell ist das Lesen jedoch recht angenehm und man kommt schnell in die Geschichte rein; da vermögen auch ab und an hervorlugende Stilblüten oder Füllwörter nicht wirklich zu stören. Gerade zu Beginn ist der Stil jedoch recht adjektivlastig – ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich das im Laufe des Romans ändert oder ob ich es einfach nur ignoriert habe; es ist mir jedenfalls nicht mehr wirklich aufgefallen, je weiter die Geschichte voranschritt.
Ein gewichtigeres Manko ist die Angewohnheit, dem Leser Dinge etwas zu oft vorzukauen, als ob er nicht von selbst draufkommen würde. Zugegeben, sehr häufig kommt das nicht vor, beziehungsweise nicht sehr intensiv, aber das ist nur ein kleiner Trost.
Am Rande möchte ich noch anmerken, dass die Kursivformatierung hin und wieder spinnt – in meine Bewertung fließt das jedoch nicht ein.
Die Handlung ist kaum vorhersehbar. Gewiss, sobald die Dinge angedeutet werden beziehungsweise die Charaktere auf sie aufmerksam machen, lassen sich gewisse Plotpunkte erahnen – aber eben nicht wesentlich, bevor sie eintreten, und einiges erfährt man auch erst zusammen mit den Charakteren. Es ist aber nicht so, dass man den Roman aufschlägt und nach zwei Seiten weiß, wie das Ende aussehen wird.
Positiv hervorheben möchte ich den Konflikt zwischen Tek und der Heilerin. Hier kommt eine der besten Seiten des Romans zum Vorschein – man sieht, wieso sich beide im Recht sehen, und sitzt gewissermaßen zwischen den Stühlen, weil beide gute Argumente für ihre Position haben, während gleichzeitig verständlich ist, warum sie negative Folgen haben könnten.
Etwas verwirrt war ich hingegen von Arrians Verhalten, sich mit Wein zu überschütten, um seine Brennbarkeit herabzusetzen. Brennt Alkohol nicht eigentlich ziemlich gut? Oder ist der Gehalt niedrig genug, dass das Wasser seine Wirkung entfalten kann?
Aber ja, sonst habe ich am Plot nichts zu meckern. Die Tat eines gewissen N’Duma Dahns gegen Ende hat etwas gebraucht, bis ich sie logisch nachvollziehen konnte, aber letztlich konnte ich sie logisch nachvollziehen.
Kommen wir zu den Charakteren. Teklija, eine N’Duma Dahn, die ihren Zadih (quasi Meister) umgebracht hat, ist eine der Protagonistinnen. Es wird zwar behauptet, dass sie verrückt sei, aber zumindest am Anfang habe ich das nicht wirklich mitbekommen – wobei ich geneigt bin, das rückblickend nicht als Problem, sondern als Leistung Creydts anzusehen, denn gerade am Anfang erlebt man die Welt vor allem aus Teks Perspektive, die sich nur an wenigen Stellen mit anderen reibt. Später kommt ihr Wahnsinn eindeutig zur Geltung.
Das ist auch der Grund, weswegen mich ihr Geisteswandel gegen Ende etwas irritiert. Nicht so sehr, dass sie ihn vollbracht hat, aber ich würde behaupten, dass es länger hätte dauern sollen. Mildernd sollte ich wohl erwähnen, dass mich das während des Lesens nicht wirklich gekümmert hat, sondern erst im Nachhinein.
Arrian, ein Angeber und damit einer vom Treuen Volk (quasi die Magier dieser Welt), ist ein hervorragender Charakter. Teks Konflikt sowohl mit sich selbst als auch mit ihrer Umwelt sind recht eindeutig und zentral, Arrians können sich aber auch sehen lassen. Ich empfand ihn insgesamt als wesentlich angenehmeren und sympathischeren Charakter als Tek, und obwohl er keinen kompletten Gegensatz zu ihr bildet, ist er ein schöner Gegenpol – der aber auch ohne seinen Partner funktioniert.
Ijana und Ruben sind als Nebencharaktere erwähnenswert, da beide gut ausgearbeitet sind. Generell kann ich ein Lob an so gut wie alle Nebenakteure aussprechen, von denen alle, die etwas wichtiger für die Geschichte sind, einen glaubhaften Charakter bekommen haben.
Zuletzt noch zum Antagonisten, Tresten. Er war mir nicht von der ersten Seite an unsympathisch, was sich jedoch schnell geändert hat. Und dennoch – ich denke, er ist ein guter Antagonist. Er hat zwei sehr starke Motivatoren für seine Taten und speziell die letzte Begegnung mit Tek zeigt, dass er kein vollkommenes Monster ist. Was natürlich nichts daran ändert, dass er ein schlechter Mensch sondergleichen ist.
Raika hingegen ist kaum charakterisiert worden. Sicher, ihre Liebe ist eine Motivation für ihre Taten, aber wenn bei der Dreidimensionalität der Antagonisten ein Problem auftaucht, liegt es bei ihr.
Und damit komme ich zum Hauptgrund, warum ich „Die Stadt am Kreuz“ trotz seiner Makel empfehlen kann: der Weltenbau.
Wie einige der Begriffe bereits angedeutet haben, ist dieser sehr komplex gestaltet und mit unfassbar viel Liebe zum Detail ausgestattet. Die Völker sowohl Relvens als auch des Krüppelkontinenten weisen deutliche Unterschiede auf, die sich in Kleidung, Kultur, Essgewohnheiten und Mentalität niederschlagen – und ja, teilweise wird das, was gerade anschaulich demonstriert wurde, nochmal von Tek oder Arrian erklärt, aber das ändert nichts daran, dass mich das Worldbuildung unfassbar fasziniert hat.
Zudem gibt es kein eindeutiges Schwarz-Weiß. Sicher, dass Tresten und Raika die Antagonisten sind, ist klar, aber es gibt kein ganzes Volk, das böse ist, selbst wenn es den Protagonisten nicht geheuer ist – man bekommt als Leser genug Informationen, dass man sich selbst eine Meinung bilden kann, und ich persönlich finde, dass nicht einmal die Namenlosen als etwas Abscheuliches durchgehen könnten.
Also ja, ich kann „Die Stadt am Kreuz“ empfehlen, sofern man sich von einzelnen Grammatikfehlern nicht abschrecken lässt. Weltenbau und Charaktere sind große Stärken des Romans und die Komplexität und der Ideenreichtum können sich sehen lassen.
Ich sollte dennoch kurz darauf hinweisen, dass das das erste Buch nach einem Vierteljahr Abstinenz von der High-Fantasy ist, womit nicht ausgeschlossen ist, dass ich es etwas positiver auffasse, als ich es sonst tun würde. Aber mit Sicherheit nicht viel positiver.
Details zum Roman:
Titel: Die Stadt am Kreuz
Autorin: Rafaela Creydt
Verlag: In Farbe und Bunt
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3-941864-37-5
Genre: Fantasy
Preis: 13,80€ (s. Datum)
Seiten: 409
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1300
Stand: 17.12.2017
Möglicherweise gibt’s Spoiler für Band eins und zwei.
Ahren ist zum dreizehnten Paladin ernannt worden, doch nun müssen noch die restlichen elf gefunden und versammelt werden. Einer von ihnen, Bergen, befindet sich in der Ehernen Stadt, die vom Sonnenkaiser belagert wird. Es liegt an Ahren und seinen Freunden, den Konflikt zu beenden und das Leben des Paladins zu sichern.
Ein Stern Abzug für die grammatikalischen Fehler. Ja, ich habe die Anmerkung gelesen, dass es jetzt eine Korrektorin gibt.
Der Schreibstil ist noch immer flüssig, aber komplexer als in den vorherigen Büchern. Gerade zu Anfang bringt er die Atmosphäre jedoch nicht so gut rüber wie gewohnt; im Laufe des Romans bessert sich das deutlich. Die restlichen Beschreibungen weisen nur wenige Makel auf und ansonsten gibt es nur Kleinigkeiten anzumerken, darunter sogar eine positive.
Die Plottwists sind zu weiten Teilen nicht vorhersehbar, außer die Sache mit Sven nach dem ersten … „Unfall“. Die Logik wird weitestgehend gewahrt; es haben sich mir dennoch einige Fragen gestellt, die auch den Weltenbau betreffen und vom Buch mit widersprüchlichen bis unsinnigen Antworten gestillt werden.
Die Antagonisten werden nicht ausgebaut; die Nebenfiguren sind nach wie vor hervorragend. Mit Ahren konnte ich dieses Mal weniger anfangen, aber prinzipiell bleibt er sympathisch. Khara hingegen war mir ein Dorn im Auge, insbesondere bis zur Hälfte des Buches, und bis dahin war auch ihre Liebesgeschichte unerträglich.
Die Welt lässt einiges an Faszination vermissen, die für mich nur an einer Stelle aufgekommen ist. Dennoch wird sie mit diesem Roman weiter ausgebaut und es ist nach wie vor klar, dass sie einiges zu bieten hat, aber es wird schlicht nicht mehr so gut rübergebracht.
Zusammenfassend hat mich „Die Eherne Stadt“ nach den ersten einhundert Seiten unterhalten, keine Frage, aber sie hat mich auch ernüchtert, da sie nicht mit ihren Vorgängern mithalten kann. Ich hoffe darauf, dass sich das im nächsten Buch wieder bessert, und werde die Reihe weiterhin verfolgen.
Details zum Roman:
Titel: Der dreizehnte Paladin: Die Eherne Stadt
Autor: Torsten Weitze
Veröffentlicht über: Independently published (Amazon)
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 9781973500773
Genre: Fantasy
Preis: 15,99€ (s. Datum)
Seiten: 444
Reihe: ja, Band 3 von 13 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 20.01.2018
Als ich im Sommer 2017 mehrere Monate nach der Lektüre von „American Gods“,in der Buchhandlung stand, wurde mir gesagt, „Anansi Boys“ wäre gerade nicht verfügbar. Vor ein paar Wochen habe ich mich schließlich wieder daran erinnert und siehe da, jetzt habe ich eine gebrauchte Ausgabe bei mir rumliegen. Die Erwartungen sind hoch.
Charlie führt ein unaufgeregtes Leben, mit dem er nur so halb glücklich ist, als er von dem Tod seines Vaters erfährt. Aufgrund einiger Verstrickungen holt er sich seinen Bruder Spider ins Haus, von dem er bis vor wenigen Tagen noch nichts wusste, und der jetzt Chaos stiftet, wo er auch hinkommt.
Zunächst zwei Dinge, die ich aus dem Weg haben möchte, bevor ich mit der eigentlichen Rezension anfange.
Erstens ist meine Plotzusammenfassung oben unvollständig, was allerdings sehr stark am Roman liegt. Ich gehe später noch genauer darauf ein.
Zweitens handelt es sich bei „Anansi Boys“ offenbar nicht um eine Fortsetzung von „American Gods“, sondern um einen Standalone aus derselben Welt, der einige wenige seiner Charaktere mit denen des Nicht-Vorgängers teilt.
Da das geklärt ist: Der Schreibstil ist hervorragend. Der Sog, den er heraufbeschwört, hat mich dazu gebracht, die über vierhundert Seiten in zwei Tagen zu lesen, was für meine Verhältnisse eine recht hohe Geschwindigkeit ist. Selbstredend habe ich am Lesefluss auch nichts auszusetzen.
Der Erzählstil ist teilweise etwas distanziert vom Geschehen, was einen interessanten Effekt hat, einen aber nicht von der Geschichte loskoppelt. Es hat häufig für Komik gesorgt – Humor wird in diesem Buch auch besonders groß geschrieben. Ich kann mich zwar daran erinnern, dass auch „American Gods“ in die Richtung etwas vorzuweisen hatte, aber das hier war schon fast auf Scheibenwelt-Niveau.
Was nicht heißen soll, es gäbe kein ernsteren Stellen. Gaiman schafft es, auch wenn er die Umgebung nicht immer haargenau beschreibt, teils mit wenigen Sätzen eine Atmosphäre zu schaffen, was mich sehr beeindruckt.
Die Gefühlsbeschreibungen sind hervorragend und die Charaktere machen keine Sprünge in ihrer Entwicklung; die Handlungsbeschreibungen sind immer genau genug, an einigen Stellen waren sie für meinen Geschmack sogar einen Ticken zu ausführlich. Da, ich habe es gesagt. Tragt den Tag im Kalender ein, das wird nämlich für eine lange Zeit nicht mehr geschehen.
Die Handlung ist hervorragend durchdacht – so hervorragend, dass ich keine einzige Anmerkung in puncto Plotlücken vorzuweisen habe. Ich möchte aber betonen, dass „Anansi Boys“, ebenso wie und noch mehr als „American Gods“, surrealistische Züge hat. Wer damit kein Problem hat, wird auch kaum bis gar keine Probleme mit dem Plot erkennen; wem das weniger liegt, dürfte schon deutlich mehr Federn mit ihm zu rupfen haben.
„Anansi Boys“ hat sehr viele Nebenfiguren, die ab und an zu Worten kommen. Die Strategie ist vom Nicht-Vorgänger nicht unbekannt, und ebenso wie bei diesem führen diese Nebenhandlungen und Subplots durchaus wohin, am Ende sogar wesentlich besser zusammen als bei „American Gods“ – und dennoch. Und dennoch.
Ich werde es in der Zusammenfassung noch einmal mehr betonen, aber „Anansi Boys“ liegt für mich in so gut wie jeder Hinsicht eine Ebene unter „American Gods“. Der Schreibstil ist sehr gut, aber nicht grenzgenial, und gerade mit dem Aufbau des Romans und den narrativen Aspekten weiß ich nicht so recht etwas anzufangen. Es gefällt mir, das weiß ich, aber … was zur Hölle war das denn?
Die ersten ein- bis zweihundert Seiten, die ich oben zusammengefasst habe, sind quasi Setup. Das ist die sinnvollste Betitelung, die mir dafür einfällt. Gleichzeitig lesen sie sich wie eine romantische Komödie, die durch Fremdscham-Momente und Mitgefühl mit dem geschundenen Protagonisten punkten möchte. Die ganze Götter-Angelegenheit ist so dermaßen irrelevant, dass sie lediglich als eine Art Dekor dient, nicht wirklich Gegenstand ist.
Dann kommt der erste Trip zum Anfang der Welt, der bereits aus „American Gods“ bekannt ist und auf den ich später noch einmal eingehen werde. Erst danach fühlt sich der Roman wie so eine Art Phantastik-Geschichte an, und nach dem zweiten Trip geht es endgültig los. Zu dem Zeitpunkt ist man halt schon zwei- bis dreihundert Seiten weit gekommen – von etwa vierhundertfünfzig.
Ich hatte lange keine Ahnung, wohin die Geschichte will oder auch nur, in welchem Genre sie sich am wohlsten fühlen würde, wie wichtig der ganze Götterkram jetzt sein soll. Die Nebenhandlungen und zusätzlichen Perspektiven dienten in „American Gods“ nicht nur dazu, die Welt zu vertiefen; viele von ihnen fanden ein tragisches Ende, das durch die kurz angebundene Erzählweise nichts von seiner Tragik einbüßte. Nur dadurch, dass diese Leute ihre eigenen Kapitel bekommen haben, war ihr Ende allerdings beklemmend – ein Schachzug, vor dem ich meinen imaginären Hut gezogen habe.
Die Nebenstränge in „Anansi Boys“ hingegen laufen am Ende schön brav zusammen und lösen sich auf eine gefällige Art auf. Nicht, dass das zwingend etwas Schlechtes gewesen wäre – ich hatte nur ständig „American Gods“ vor Augen, und mit den Griffen, die Neil Gaiman dort verwendet hat, konnte der Nicht-Nachfolger schlicht nicht mithalten.
Charlie ist ein hervorragender Charakter. Er hat seine Ecken und Kanten, macht eine gewaltige Entwicklung durch und ist wunderbar geschrieben. Ja. Das ging schnell.
Die Antagonisten konnten mich nicht mehr ganz so gut überzeugen. Spider ist definitiv der Beste, zumal er nicht zwingend ein Antagonist ist, und durch seine enthüllte Beziehung zu Charlie ist er deutlich tiefschichtiger.
Anansi selbst … Ich bin mir bei ihm nicht so sicher. Auf den ersten paar Seiten wirkt er noch ganz lustig, dann erfährt man, wie Charlie ihn wahrnimmt, zusammen mit ein paar Geschichten, in denen er sich wie der reinste Psychopath verhält. Zwar gibt es auch in der Beziehung eine gewisse Auflösung, aber für mich sind alle seine positiven Eigenschaften, beispielweise sein Charme oder sein Humor, Dinge, die weitgehende Empathielosigkeit und Egoismus nur bedingt aufwiegen können.
Zuletzt noch Charlies Boss, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere – ja, ich habe das Buch vor zwei Stunden beendet, na und? Irgendetwas mit G. Hier muss ich anmerken, dass quasi ausschließlich durch seine Perspektive in den Dingen, die er so von sich gibt, irgendeine Art von Sinn erkennbar wird, und man merkt, dass er sich natürlich nicht als Bösewicht sieht. Insofern könnte ich glauben, dass er der Held seiner eigenen Geschichte sein könnte – aber ob das in mehr als seinem Kopf funktioniert, bin ich mir nicht sicher.
Wenn ich noch einen weiteren Kritikpunkt anbringen müsste, wären es wahrscheinlich ein paar der Namen. „Spider“ kann man nach der Enthüllung rund um seinen Charakter in gewissem Maße nachvollziehen, ebenso Namen wie „Tiger“ oder „Affe“, aber die übrigen Nomen hätten nicht sein müssen.
Und damit endet meine Kritik im Wesentlichen auch schon. Die Idee mit den Liedern und Geschichten hat selbstverfreilich Anklang bei mir gefunden, ebenso die Sache mit den „hinter den Kulissen“, die Wirklichkeit hinter der Realität, wie sie in diesem Roman eher genannt wird – die Quelle des Surrealen. Ich muss an der Stelle aber erneut den Vergleich zu „American Gods“ ziehen – es hat mir dort besser gefallen. Ja, es ist genau dasselbe, aber irgendwie wurde es beim anderen Roman besser rübergebracht.
Zuletzt noch die ganzen Easter Eggs und Referenzen an vorherige Stellen des Buches, Symbole, Motive und Themen, die ein aufmerksames Lesen lohnend machen. Es sei hier mal stellvertretend die Seestern-Metapher genannt.
Alles in allem eine gute Lektüre, die zu unterhalten vermag und zu fesseln. Gleichzeitig bin ich sehr froh, dass es schon etwas länger her ist, dass ich „American Gods“ gelesen habe, denn dieser Roman ist in meinen Augen „Anansi Boys“ klar überlegen. Es war dort einfach alles viel stimmiger, während die Geschichte hier für den Seitenumfang schon fast ein wenig zu … klein wirkt. Was nicht heißen soll, sie wäre voll von Füller.
Ich kann den Roman also klar empfehlen, wenn man mit Dingen wie Surrealismus zurechtkommt. Solltet ihr „American Gods“ bereits gelesen haben und euch nun auch dieses Buch zu Gemüte führen wollen: Tut es. Haltet aber sicherheitshalber einen gewissen zeitlichen Abstand zwischen den beiden ein.
Details zum Roman:
Titel: Anansi Boys
Autor: Neil Gaiman
Übersetzer: Karsten Singelmann
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2011
ISBN: 978-3-453-40834-0
Genre: Phantastik
Preis: 8,89€ (s. Datum)
Seiten: 447
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1300
Stand: 14.02.2018
Als Lynns Vater bei einem Überfall stirbt, erfährt sie zwei Dinge: Sie kann den Toten ein Stückweit ins Nachleben folgen und ihr Vater hat einen Schatz versteckt. Von seinen Mördern in die Sklaverei verschleppt muss sie nun einen Weg finden, zurück nach Hause zu finden, um dem letzten Wunsch ihres Vaters nachzukommen. Eirik flieht währenddessen vor einem Gerichtsurteil, zeiht sich dabei den Zorn seiner Familie und einen Fluch zu und muss sich alleine durchschlagen. Erst als er mit Lynn zusammenarbeitet, scheinen sich die Dinge zu bessern.
Einen Stern Abzug für Fehler im Bereich der Grammatik und Zeichensetzung. Es werden beispielweise Akzentzeichen statt Apostrophen als solche verwendet.
Der Schreibstil ist einfach zu lesen, aber nicht so einfach, dass er negativ auffällt. Im Grunde fällt er gar nicht auf. Die Beschreibungen sind im grünen Bereich, wenn man davon absieht, dass gerade auf den ersten 300 Seiten die Emotionen nicht wirklich zu mir durchgekommen sind, und es finden sich nur wenige Dinge, die ich als kritikwürdig empfinde. Umgekehrt gibt es auch nicht viel, das zu loben wäre.
Der Aufbau des Romans ist überarbeitungsbedürftig. Die ersten 300 Seiten sind das Vorspiel zum Klappentext und aufgrund mehrerer Umstände, darunter der, dass die Charaktere wohl kaum sterben werden, wenn sie nicht einmal den Klappentext erreicht haben, ausgesprochen langweilig. Die restlichen 340 Seiten sind besser; die Handlung wird vorangetrieben und das Beziehungsdrama ist nicht mehr ganz so wichtig. Die Charaktere werden auch etwas sympathischer.
Nicht viel allerdings. Das Höchste der Gefühle war, dass ich nicht mehr geschmunzelt hätte, wäre einer von ihnen gestorben, ganz im Gegensatz zur ersten Hälfte. Ich habe keinerlei Bindung mit irgendeinem der Protagonisten gehabt und ebenso wie diese sind die Antagonisten ziemlich flach ausgefallen. Das Ironische ist, dass ich sehr wohl denke, dass sie in der Theorie gute, dreidimensionale Figuren sein könnten, aber das wurde gründlichst vermieden.
Die Welt ist eine sehr grausame. Ich zähle kurz sämtliche Dinge auf, die diejenigen, die das selbst erleben mussten, vielleicht nicht lesen wollen: Vergewaltigung und versuchte Vergewaltigung, häusliche Gewalt, Suizid. Letzterer wird aufgrund der Eindimensionalität des ihn betreffenden Charakters nicht gerade vorbildhaft dargestellt, aber darauf gehe ich in der Langversion dieser Rezension näher ein. Positiv anzumerken bleibt wohl, dass das magische Element zumindest am Anfang gut in der Welt platziert ist.
"Von den Grenzen der Erde" hat mich mit seinem Titel und einer Schatzsuche gelockt und hat mir, wenn es danach geht, was die meisten Seiten behandeln, Beziehungsdrama, Gewalt, jede Menge Sex und gerade zu Anfang unfassbare Langeweile gegeben. Ich kann diesen Roman daher nicht empfehlen; den zweiten Teil werde ich mir, obwohl mich die versprochene Handlung reizt, aus denselben Gründen nicht kaufen.
Details zum Roman:
Titel: Von den Grenzen der Erde
Autor: Rebekka Mand
Veröffentlicht über: BoD-Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 9783739208589
Genre: Historischer Roman
Preis: 18,99€ (s. Datum)
Seiten: 640
Reihe: ja, Band 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 1,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Stand: 01.03.2018
Wörter: rund 500
Auch dieses Romänchen musste ich erzwungenermaßen lesen, aber immerhin war ich mit der Thematik bereits etwas vertraut. Es sei der Rezension bereits vorweggegriffen, dass sich die Sternewertung fast ausschließlich um die Behandlung ebendieses drehen wird, nicht so sehr um alles andere.
Hannah hat sich das Leben genommen. Zuvor hat sie sieben Kassetten hinterlassen, auf denen sie die Geschichten festgehalten hat, die zu ihrem Suizid geführt haben.
Noch eine Vorab-Warnung: Ich habe nur das Buch gelesen und beziehe mich in dieser, ahem, Romanrezension auf den Roman, nicht auf die Serie. Ich erwähne das extra, weil mir bei vielen Rezensionen aufgefallen ist, dass die beiden in einen Topf geworfen werden, was hier nicht der Fall sein wird.
Die größten Stärken des Romans liegen bei allem, das zum Handwerk des Schreibens gezählt werden könnte, außer Charaktere und Realitätsanspruch der Welt, aber ich bin durchaus gewillt, beides als Absicht anzusehen.
Der Stil passt sich den Erzählern an. De facto haben wir zwei, einmal Clay, der Protagonist des Romans, und Hannah, der Clay über ihre Kassetten zuhört. Man kauft insbesondere ihm ab, dass er ein Jugendlicher ist – zu Anfang ist der Stil sehr simpel und repetitiv, die emotionale Distanz zu Clay groß; im weiteren Verlauf wird letztere verringert und seine Kommentare beginnen nach einiger Zeit ausgesprochen nervig zu sein.
Hannah wiederum ist unfassbar sachlich. Man stelle sich vor, nach Monaten diverser Arten von Erniedrigungen entscheidet man sich dazu, sich das Leben zu nehmen, und zuvor Worte an die Menschen zu richten, die man als Antagonisten wahrnimmt – ja, es blitzen ab und an bei ihr Emotionen durch, und an einzelnen Stellen sind sie recht ausgeprägt, aber dafür, dass sie ihren gesamten Leidensweg noch einmal durchgeht und dieser enorme Auswirkungen auf ihre Gefühle gehabt haben muss, erzählt sie geradezu neutral.
Der Wechsel zwischen ihrer und Clays Sicht ist recht interessant gestaltet; da Clay der Erzähler ist, werden Hannahs Aufnahmen in Kursivschrift wiedergegeben. Clays Gedanken wiederum werden in normaler Schrift gedruckt. Immer wieder kommentiert er Hannahs Aufzeichnungen, und ich gebe zu, dass ich drei-, viermal erst nach ein paar Worten verstanden habe, dass er wieder spricht, weil ich den Schriftwechsel nicht mitbekommen habe. Nennt mich langsam oder übermüdet, was auch immer euch glücklicher macht.
Es werden sehr viele Details eingearbeitet; jede Lokalität wird mit Namen genannt, viele von Hannahs alltäglich Routinen werden explizit formuliert, sodass man das Gefühl bekommt, es könnte sich um eine reale Geschichte handeln – worauf ich im letzten Abschnitt der Rezension zu sprechen komme.
Negativ hat sich bei mir die Vielzahl der Namen ausgewirkt, da ich mir die meisten nicht gemerkt habe und dementsprechend rekonstruieren musste, wer was getan hat. Auch noch anmerken möchte ich die Tastensymbole, die statt den Formulierungen „Ich drücke auf Play“ beziehungsweise „Ich drücke auf Pause“ eingefügt werden und die, wenn ich ehrlich bin, wahrscheinlich eine ganz gute Lösung waren.
Dramaturgisch betrachtet ist „Tote Mädchen lügen nicht“ hervorragend. Nicht nur sind die vielen Geschichten, die auf den sieben Kassetten erzählt werden, fesselnd geschrieben, sie sind auch wenig vorhersehbar und laufen auf einen eindeutigen Höhepunkt hinaus, was dazu geführt hat, dass ich den Roman an einem Tag gelesen habe – für meine Verhältnisse sehr schnell.
Die Erzähler widersprechen sich am laufenden Band, aber das könnte Absicht sein. Einer dieser Versprecher bringt mich auch zu meinem nächsten Punkt: Was genau hat Jenny Hannah angetan? Sicher, sie hat den Verkehr gefährdet, indem sie angetrunken oder betrunken gefahren ist, und die Sache mit dem Stoppschild hat jemandes Leben gekostet, aber was konkret hat sie Hannah angetan, dass sie auf der Kassette drauf ist?
Die Charaktere sind allgemein sehr undifferenziert. Ein Zyniker würde sie Pappaufsteller nennen, in dem Fall könnte man sie wohl auch als Schablonen bezeichnen – Clay ist der gutherzige, empathische Jugendliche, der eigentlich nur helfen will, sich aber leicht beeinflussen lässt, nicht immer genug Mumm aufbringt und sich außerdem unsicher ist, was genau er machen soll, während Hannah ein Mädchen ist, das viel Scheiße miterleben musste, und … nicht viel darüber hinaus. Ja, ihre Person wird mit vielen Details ausgeschmückt, aber nicht ihr Charakter. Vergleichbares gilt für so ungefähr jeden, der einen Auftritt im Roman hat.
Und damit kommen wir zum Zentrum meiner Bewertung, das sich ironischerweise am Ende der Rezension befindet: Hannahs Suizid und alles, was mit ihm zu tun hat.
Zunächst die positiven Dinge. Ich fange mit dem offensichtlichen an: Der Suizid einer Jugendlichen (und damit Mitglied der Altersgruppe, die sich am zweithäufigsten das Leben nimmt, direkt nach der nächsthöheren Altersklasse) ist das Hauptthema des Romans und bringt damit ein wichtiges auf den Tisch, über das sonst kaum geredet wird.
Damit verbunden ist die Besprechung ebendieses Themas in der Klasse Hannahs wohl eine bedauerlich akkurate Spiegelung der Handhabung des Suizids in der Öffentlichkeit: Scham und Unwille, über das Thema überhaupt zu sprechen, dominieren, kombiniert mit der Aussage „du willst doch nur Aufmerksamkeit“, die ebenso auf eine Suizidankündigung zutrifft wie auf jemanden, der um Hilfe ruft, während er am Ertrinken ist.
Zu guter Letzt ist auch die Botschaft des Aufeinander-Achtgebens eine unterstützenswerte. Und damit sind die positiven Aspekte eigentlich abgearbeitet.
Eine kleinere Kritik ist die, dass Suizid beziehungsweise Suizidalität in „Tote Mädchen lügen nicht“ lediglich Mädchen betrifft; Hannah und Skyler am Ende, von der wohl eine ähnliche Geschichte zu erwarten ist. In der Realität nehmen sich mehr Jungen als Mädchen das Leben, was sich auch in den höheren Altersklassen fortsetzt. Ich sage das deswegen, weil bei einem Publikum, das noch keine oder kaum Erfahrung oder Expertise auf diesem Gebiet besitzt, leicht der leider noch vorhandene Mythos, Männer müssten sich selbst durchschlagen, durch diese Herangehensweise nicht aufgeweicht wird. Auch nicht direkt verstärkt, aber was wäre so schwer daran gewesen, statt Skyler einen männlichen Charakter zu verwenden? (Quelle für die bisherigen Behauptungen ist die Statistik Austria fürs Jahr 2016.)
Meine zwei größten Probleme liegen bei den Gründen für den Suizid und dessen Präventionsmöglichkeiten. Erstere sind im Englischen die Titelgeber („Thirteen Reasons Why“) und in der Realität nur sehr selten der Hauptgrund für einen Suizid.
Sicher gibt es Personen, die sich aus rein rationalen Gründen das Leben nehmen oder im Affekt, aber der größte Teil hat eine (schwere) psychische Erkrankung, beispielweise eine Depression. Einer der Gründe, warum Mädchen seltener Suizid begehen als Jungen ist übrigens der, dass die diese Entscheidung wesentlich mitprägende Krankheit öfter entdeckt wird, da sie statistisch gesehen öfter SVV ausüben, das leichter zu erkennen ist als die Kompensationsmechanismen männlicher Jugendlicher, weswegen sie öfter Hilfe angeboten bekommen.
Und nein, die Krankheit ist nicht der einzige Grund, weswegen sich jemand das Leben nimmt, aber in sehr vielen Fällen ist es zweifelhaft, ob ein solcher Schritt unternommen worden wäre, würde sie nicht vorliegen. Das bedeutet eben auch, dass Suizidprävention bereits lange vor den ersten ernsten Suizidgedanken beginnen kann – beim Erkennen und Behandeln der Erkrankung.
Mein zweiter großer Kritikpunkt liegt an den Optionen, die Hannah theoretisch gehabt hätte, um die Konflikte zu lösen oder zu verarbeiten, die sie aber nicht in Anspruch nimmt oder die nach hinten losgehen. Während es löblich ist, dass indirekt dazu ermutigt wird, den eigenen Freundeskreis anzusprechen, ist gerade das dramatische Finale von einer solch toxischen Botschaft durchzogen, dass eine Reflexion nach der Lektüre unbedingt geschehen muss: Der letzte der dreizehn Gründe, der Personen, die Hannahs Suizid besiegelt haben, ist ein Vertrauenslehrer, dem sie zwei- oder dreimal unmissverständlich sagt, dass sie sich das Leben nehmen wird, und der keine großen Anstrengungen unternimmt, sie davon abzuhalten.
Anders gesagt: Die Autoritäts- und Vertrauensperson, die sich eigentlich um Hannah hätte kümmern müssen, hat ebendas nicht getan. In Österreich würde das einem Lieblingslehrer entsprechen, der dieselbe Reaktion zeigt, die aufs Schärfste zu verurteilen ist.
Und ja, es kann sein, dass eine solche in der Realität erfolgt. Das trifft aber auch darauf zu, sich seinen Freunden anzuvertrauen, also kommen wir zum nächsten Unterpunkt: Familie, insbesondere Eltern, werden ebenfalls nicht eingeweiht.
Bei den Eltern könnte man das halbherzig damit begründen, dass sie ja wenig Zeit für ihre Tochter haben und ihre Pflichten generell ein wenig vernachlässigt haben, aber dass ein Ansprechen dieser nächsten Verwandten nicht einmal nennenswert in Erwägung gezogen wird, ist ebenfalls nicht hilfreich. Ich sage nicht, dass jeder Suizidgefährdete seinen ganzen Familienstamm über seine Probleme in Kenntnis setzen muss, aber wenn man nach einem Ausweg, nach Unterstützung sucht und ein halbwegs okay-es Verhältnis zu seinen Eltern hat, sollte man sie als Option in Betracht ziehen.
Außerdem gibt es sowohl allgemeine Seelsorge-Telefonnummern als auch solche, die sich auf Depression/Suizidalität spezialisieren und denen man eine Chance hätte geben müssen. Ganz zu schweigen davon, dass Hannah, hätte sie denn eine psychische Krankheit gehabt, zu einem Arzt hätte gehen können, um von dieser Seite aus Unterstützung zu bekommen.
Abschließend noch einmal: Mir ist klar, dass all diese Vorschläge in der Realität auf Ablehnung stoßen oder es den Betroffenen besonders schwer machen können, sie zu erreichen, aber das entschuldigt nicht, de facto eine Option als positiv und nützlich darzustellen und alle anderen entweder zu negieren oder zu ignorieren.
Mein größtes Problem mit „Tote Mädchen lügen nicht“ ist das, das es eine Reflexion unabdingbar. Findet diese nicht statt, können Suizidgefährdete, in deren Augen das Buch vielleicht eine valide Informationsquelle darstellt, sehr schnell ein sehr verzerrtes Bild der Realität und ihrer eigenen Optionen bekommen. Mir ist klar, dass sich der Roman hauptsächlich an die Mehrzahl der Schüler widmet, die solche Gedanken nicht (ernsthaft) haben und in Clays Schuhen stecken würden, aber in Anbetracht dessen, dass in der Zielgruppe des Romans Suizid die zweithäufigste Todesursache ist, ist es enorm wichtig, dieses Thema so anzusprechen, dass sich auch Gefährdete guten Rat daraus mitnehmen können.
Dementsprechend denke ich, dass „Tote Mädchen lügen nicht“ eine gute Lektüre für den Deutschunterricht wäre: Sie spricht ein wichtiges, sonst wenig beachtetes Thema an; sie braucht Reflexion, die der Unterricht bieten kann, womit man es nicht mehr dem Zufall überlässt, ob die jugendlichen Leser mit diesem Buch zurechtkommen oder nicht; sie bietet sich auch für literar-ästhetische Analysen an; aufgrund ihrer filmischen Adaption bietet sich auch hier Unterrichtsmaterial.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Roman zu unterhalten weiß und ein wichtiges Thema anspricht, aber gerade bei diesem ein paar grobe Schnitzer zu verzeichnen hat, die eine Reflexion unabdingbar machen; findet diese nicht statt, sind die Folgen im absoluten Worst-case-Szenario potenziell tödlich. Ich kann ihn daher nur bedingt empfehlen.
Details zum Roman:
Titel: Tote Mädchen lügen nicht
Autor: Jay Asher
Übersetzer: Knut Krüger
Verlag: cbt
Erscheinungsjahr: 2012
ISBN: 978-3-570-30843-1
Genre: Jugendroman
Preis: 9,30€ (s. Datum)
Seiten: 282
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 1 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1700
Stand: 14.03.2018
Eigentlich stand dieser Roman nicht auf meiner Wunschliste. Eigentlich wollte ich mal in ihn hineinlesen, um ihn vielleicht dieser hinzuzufügen. Aber dann habe ich ihn geschenkt bekommen und habe 350 Seiten an einem Tag gelesen.
Irene ist eine Bibliothekarin, eine Agentin der Bibliothek, deren Aufgabe es ist, besondere Bücher aus den unendlichen Parallelwelten zu stehlen. Direkt nach dem Ende eines langen Einsatzes wird sie zusammen mit einem Lehrling auf eine zunächst scheinbar harmlose Mission geschickt, um eine besondere Ausgabe der Grimm-Märchen zu holen, und gerät prompt in eine Welt voller Leuten, die alle scharf auf dieses Buch sind.
„Die unsichtbare Bibliothek“ ist ausgesprochen fesselnd geschrieben; zusätzlich kommt eine ordentliche Portion Spannung hinzu, sodass es einem wirklich leicht gemacht wird, das Buch in einem Stück zu lesen. An der Inhaltszusammenfassung könnt ihr bereits ablesen, dass es regelmäßige Fettschrift in diesem Roman gibt, und ausnahmsweise sehe ich deren Sinnhaftigkeit ein. Es hätte in meinen Augen zwar elegantere Lösungen gegeben, beispielweise Kapitälchen, aber immerhin wird sie nicht als Ersatz für Kursivschrift verwendet.
Die Beschreibungen sind alle im grünen Bereich, wobei ich dazu sagen muss, dass mir die Umgebungen nicht sehr lange im Gedächtnis geblieben sind – ich habe beispielweise ständig vergessen, dass gesamt London von Smog durchzogen ist. Atmosphäre kommt nur an wenigen Stellen für ein paar Zeilen auf, was zwar ganz nett, aber auch nicht beeindruckend ist.
Es wird dem Leser ab und zu vorgekaut, wie ein bestimmter Umstand nun zu interpretieren ist, obwohl er das wohl in den meisten Fällen selbst verstanden hätte, und an einigen Stellen hätte man Füllwörter streichen können – aber im Großen und Ganzen ist der Schreibstil in Ordnung, ausgesprochen flüssig und darüber hinaus nichts Besonderes.
Zur Handlung muss man sagen, dass sie an einigen Stellen unfassbar absurd ist, aber auf eine gute Art und Weise – ich sage nur „Alligatoren“. Bis zu einem gewissen Grad ist die „Unsichtbare Bibliothek“ auch nicht ernst gemeint, sondern zieht gewisse Tropes ins Lächerliche, was besonders bei den Charakteren zu spüren war.
Die Twists rund um Alberichs Gestalt haben mich nicht wirklich überraschen können, fast alles andere aber schon – insofern gibt’s auch hier grünes Licht.
Drei Fragen habe ich dennoch an das Buch: Warum kann man in der Sprache nicht einfach sagen, dass sich ausschließlich Geheimtüren öffnen sollen? Wieso können Vale und Kai, obwohl sie keine Bibliothekare sind, in der Fettschrift, also in der Sprache sprechen? Und sind Elfen jetzt kalt (erste Szene mit Silver) oder heiß (Festszene mit Silver)?
Wenn überhaupt, sehe ich eine Schwäche dieses Romans bei den Charakteren. Mir ist klar, dass sie nicht vollkommen ernst gemeint sind – Kai etwa ist, und wird auch mit ungefähr diesen Worten beschrieben, genauso perfekt wie manch männlicher Love Interest mancher Fiktion, Irene kommt im Großen und Ganzen wie jemand rüber, der den durchschnittlichen Lesebegeisterten repräsentieren könnte – mit ein paar kleineren Ausnahmen –, und Vale geht in seiner Rolle als Sherlock-Holmes-Abklatsch vollkommen auf, was, erneut, vom Buch auch ungefähr so formuliert wird.
Während ich in einigen Rezensionen gelesen habe, dass man Irene ganz toll fand, kann ich das nicht sagen. Ich finde sie nicht schlecht und sie hat auch definitiv Eigenschaften, aber so wirklich greifbar ist sie für mich nicht. Wie gesagt, für mich ist sie die Leser-Repräsentantin, und nicht wesentlich mehr. Obwohl ich dazu sagen muss, dass es Ansätze gibt, die zu diesem Wesentlich-Mehr werden könnten; immerhin sind noch drei Bücher vorhanden.
Kai finde ich in erster Linie aufgrund der Enthüllung um seinen Charakter interesant und Irenes Einschätzung, Vale wäre „äußerlich stachelig“ (harte Schale, weicher Kern, das Spielchen), kann ich nicht bestätigen. Die einzigen Male, in denen sich Vale angepisst verhalten hat, waren die, in denen er jeden Grund dazu hatte – sonst war er entweder höflich oder freundlich.
Interessanter Weise empfinde ich die Antagonisten als wesentlich interessanter, insbesondere natürlich Alberich. Über dessen Motivation weiß man praktisch nichts, und das Märchen am Ende des Romans teasert wunderbar einige der Geheimnisse um ihn herum an, also hoffe ich darauf, dass er in den nächsten Romanen ausgebaut wird.
Und damit sind wir bei der Welt, neben der Spannung und dem hervorragenden Lesefluss einer der großen Pluspunkte der „Unsichtbaren Bibliothek“. Damit das hier nicht zu lang wird, zähle ich einfach mal stichwortartig alles auf, was mir an faszinierenden Details in den Sinn kommt:
Die Parallelwelt, in der die Bibliothek ist (die unbewohnte Stadt); das Konzept der Sprache; der Einfluss der Sprache und ihre enge Verflechtung mit der Realität; die zig Parallelwelten, die nach Technologie-, Magiestand und Grad der Chaosverseuchung unterschieden werden; die Idee besonders prägender/typischer/spezifischer Werke bestimmter Parallelwelten; die Sache mit den Alligatoren; die von Vale infrage gestellte Moral der Bibliothek; Drachen versus Elfen gleich Fakten versus Fiktion; Drachen als Erhalter der Ordnung; Elfen, Vampire, Zwerge und so weiter als Zeichen der Chaosversuchung; die Natur dieser Chaosverseuchung; die Sache mit Belgien; die Darstellung der Elfen; die Darstellung der Drachen; dass die Bibliothekare ein Tattoo auf ihrem Rücken haben; die nicht ganz geklärte Frage, in welchem Verhältnis die Macht der Bibliothek, die Magie, die Elfenmagie und das Chaos zueinander stehen.
Alles in allem kann ich guten Gewissens eine Empfehlung für „Die unsichtbare Bibliothek“ aussprechen und sogar ins Internet hochladen. Persönlich fand ich den Roman zwar nicht besonders witzig, aber allemal amüsant, absurd und faszinierend, und ich habe bereits darum gebeten, dass mir zu Weihnachten der zweite Band geschenkt wird, also wird es von dieser Rezension ebenfalls eine Fortsetzung geben.
Details zum Roman:
Titel: Die unsichtbare Bibliothek
Autor: Genevieve Cogman
Übersetzer: Arno Hoven
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-404-20870-8
Genre: Fantasy
Preis: 10,30€ (s. Datum)
Seiten: 427
Reihe: ja, 1 von 4 (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 900
Stand: 16.03.2018
Ich hasse dieses Buch. Das ist das Erste, an das ich denken kann, wenn man mir auch nur das Schlagwort „Indianerland“ entgegenwirft. Aber Pflichtlektüre ist nun mal Pflichtlektüre.
Ein Siebzehnjähriger lebt am Stadtrand Berlins, gerät in ein Liebesdreieck, lässt sich vermöbeln und vermöbelt andere.
Zerrissen. Das ist die zweite Assoziation, die ich mit „Indianerland“ habe. Denn, und ich halte das für die wichtigste Information über dieses Buch, die Erzählung ist nicht chronologisch, auch nicht anti-chronologisch im Sinne von rückwärts gerichtet, nicht einmal im Sinne von nach vorne gewandt und mit Rückblenden versehen. Jedes Kapitel beschreibt eine Szene eines bestimmten Tages, und diese Szenen sind wild durcheinandergewürfelt. Das ist die Reihenfolge der ersten fünf Kapitel: Sonntag, Samstag, Mittwoch, Donnerstag, Mittwoch. Und so geht es auch weiter.
Man könnte sich jetzt natürlich denken: Das wird schon seinen Grund haben. Über die Form kann man den Inhalt des Romans sicher besser zur Geltung bringen oder dem Leser irgendetwas zeigen, das sonst nicht möglich gewesen wäre.
Die Antwort auf diese implizite Frage wäre: Er erinnert sich. Das ist die Begründung.
„Das Wort Überfall versetzt die Gedankenmaschine in den Schleudergang: Der Film spult 180 Stunden rückwärts. […] Während der Film scheinbar wahllos zwischen den Kapiteln springt.“ (S. 182f)
Diese Zeilen stehen übrigens am Ende des ersten Teils. Und jetzt ratet einfach mal, wie’s im zweiten Teil weitergeht. Genau. Das einzig Gute, das ich dazu sagen kann, ist das, dass ich die stichwortartige Szenenzusammenfassung am Anfang des zweiten Teils, im Gegensatz zu der am Anfang des ersten Teils, größtenteils ignorieren konnte, entweder weil die Handlung besser rübergebracht wurde oder weil ich mich zu sehr daran gewöhnt habe und zu wenig darauf gegeben habe, überhaupt noch großartig mitzukommen.
Meine primäre emotionale Reaktion auf dieses Herumspringen war übrigens nicht Verwirrung, aus der man eine hanebüchene Rechtfertigung im Stile von „Aber der Prota ist auch verwirrt, und jetzt bist du verwirrt, also passt das schon! Kunst!“ zusammenbasteln könnte, sondern Irritation, dann Wut darauf, dass ein offenkundig chronologisch geschriebener Text im Nachhinein noch zerstückelt wird, weil Kunst!
Dementsprechend wenig überraschend ist es, dass sich kein Spannungsbogen etablieren kann, unter anderem deswegen, weil ein zur Abwechslung mal vorhandener Konflikt im zweiten Teil recht schnell aufgelöst wird, aber wir müssen unbedingt noch ein paar Mal zu den Stunden davor hopsen, weil Kunst!
Ich würde dem Ding ja zugutehalten, dass es sich wenigstens schnell lesen lässt, und während das theoretisch stimmt, ist es praktisch eine geradezu schmerzhafte Erfahrung. Schmerzen Unwille Hass. Was, das erscheint euch random, unsinnig, pseudo-tiefsinnig, oder vielleicht sogar, als hätte sich jemand gedacht: Hm, statt Dinge auszuformulieren, kann ich doch einfach mit Stichworten um mich werfen, weil Kunst?
Gewöhnt euch daran, denn es kommt auf jeder Seite vor. Ganze Sätze sind was für Anfänger.
Zusätzlich gibt es noch Klammern, die man einfach hätte weglassen können, und eine direkte Rede ohne Anführungszeichen, dafür mit einem neuen Absatz und einem Gedankenstrich.
- Weil Kunst!
Natürlich könnte man darüber fabulieren, dass das dazu gedacht ist, dem Leser Distanziertheit aufzudrücken, und das mag ja auch stimmen, aber es war furchtbar zu lesen und meine Distanz zum Geschehen – zu diesem Buch im Allgemeinen – ist sowieso schon viel zu groß, als dass mich das noch weiter wegstoßen könnte.
Eine weitere Frage ist die, warum unser Herr Erzähler – natürlich namenlos, denn habt ihr ernsthaft geglaubt, dieses Buch spielt nach irgendwelchen Regeln, ihr Kunstbanausen? – so unfassbar poetisch ist. Die Metaphern und Vergleiche, die er verwendet, sind eindeutig ausgefeilte Dinge, und an der Stelle möchte ich noch einwerfen, dass das ganze Buch von Pausen-, Play-, Stopp-, Rückspul- und Vorspursymbolen durchzogen ist, was aber natürlich nicht angesprochen oder gerechtfertigt wird, weil Kunst!
Am Rande noch: Dafür, dass die Herren alle in einem Ghetto wohnen, sind sie nicht nur ausgesprochen gebildet, sondern sprechen auch astreines Standarddeutsch. Untereinander. Ausgesprochen realistisch; kann ich nicht kritisieren.
Das einzig Gute, das ich diesem Ding zugestehen kann, ist eine solide Atmosphäre. Hier, hast nen Keks.
[An der Stelle würde ich jetzt über die Handlung schreiben, aber die besteht nur aus einem Liebesdreieck und ein wenig Vater-hat-wen-umgebracht-Drama, das aber keinen nennenswerten Einfluss auf die Handlung hat. Im besten Fall ist das hier eine Charakterstudie.]
Der Herr namenloser Erzähler ist siebzehn Jahre alt, Boxer, greift kleinen Kindern an die Hoden, wenn er ihnen etwas beibringen möchte, hat null Taktgefühl, und geht mir am Arsch vorbei. Nächster Punkt.
Ich würde bei den Aspekten der Welt und der Ideen hinter diesem Roman eigentlich auf die Sache mit dem Indianer eingehen, aber das brauche ich nicht, weil Kunst. Oh, wenn man möchte, kann man irgendwelche haarsträubenden Theorien zum Symbol des Indianers machen und darüber philosophieren, wie deep dieses Buch doch ist, aber das überlasse ich Leuten, die das Ding nicht am liebsten in der Donau ersäufen wollen.
Damit bleibt mir nur noch zu sagen: Ich hasse dieses Buch. Alles hieran schreit „Nimm mich ernst! Ich bin Kunst! Ich behandle voll die wichtigen Themen! Ich bin ein Spiegel der Gesellschaft!“ und alles daran möchte ich an dieser Stelle passiv-aggressiv verneinen.
Ich hasse dieses Buch. Weil „Kunst“!
Details zum Roman:
Titel: Es war einmal Indianerland
Autor: Nils Mohl
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2017 (6. Auflage)
ISBN: 978-3-499-21552-0
Genre: Kunst! Jugendroman
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 346
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 1 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 900
Stand: 21.03.2018
Salis soll für den Kanzler der Drei Planeten die Inkognitoreise der Hochkönigin organisieren. Dabei wird er in Ereignisse hineingezogen, die die Ordnung seiner Welt für immer verändern können.
Einen Stern Abzug gibt es für das schlecht umgesetzte Korrektorat. Beispiele werde ich in der Mammutversion anführen.
Der Schreibstil ist die größte Schwachstelle des Romans; die Beschreibungen sind zwar alle im grünen Bereich, aber er fällt kaum positiv auf. Es gibt keine interessanten Formulierungen oder Stilgriffe. Die ganzen Einschübe stören und einige der Parataxe wirken, als hätte ein Schreibanfänger sie verfasst. Dennoch vermag der Stil in die Welt zu ziehen.
Die Handlung ist hervorragend durchdacht und kaum vorhersehbar. Überdies hat der Roman auch das eine oder andere Maß an Spannung zu bieten.
Jean, der Turmwächter, ist mein Lieblingscharakter. Ebenso wie Salis ist er sehr gut ausgearbeitet und mehrdimensional. Das trifft ebenfalls auf Alfonsius, einen der Bunsa-Mitarbeiter und damit eigentlich ein Antagonist, zu. Alle beteiligten Organisationen (Bunsa, Kanzler, Turmwächter, Hochkönigin) werden so dargestellt, als ob sie eine komplexe Geschichte hätten, auf deren Offenlegung ich gespannt bin. Der einzige Schwachpunkt sind die kaum ausgearbeiteten Nebencharaktere.
Der Weltenbau ist hervorragend gelungen und hat unheimlich viel Potenzial. Die Kombination aus Altertum (die Togen, die Hochkönigin, …) und Moderne (Demokratie, Weltraumreisen, drei Planeten statt einem als (potenziellem) Handlungsort, …) ist besonders reizend. Die Turmwächter und die Bunsa sowie die Quelle und die verbotenen Bücher sind ebenfalls faszinierende Ideen.
Zusammenfassend kann ich den Roman – trotz der eher geringen Wertung – empfehlen, sofern man über das Korrektorat hinwegsehen kann. Der Schreibstil ist die größte Schwachstelle; alles andere ist sehr gut ausgearbeitet und umgesetzt.
Details zum Roman:
Titel: Die Gaben der Quelle: Versiegelt
Autor: Cea Oskolm
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-74485524-2
Genre: Science-Fantasy
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 401
Reihe: ja, Band 1 von ? (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 2200
Stand: 07.04.2018
Es geht fröhlich weiter mit der Pflichtliteratur – wobei ich sagen muss, „Emil“ hat mich positiv überrascht. Es wird außerdem als „Roman für Kinder“ bezeichnet, also passt es in diese Rezensionsammlung hier rein.
Emil soll alleine zu seiner Großmutter nach Berlin fahren, weil seine Mutter arbeiten muss und sich die freien Tage nicht leisten kann. Auf der Fahrt wird ihm sein Geld jedoch gestohlen, woraufhin er sich an die Fersen des Diebs heftet.
Der Schreibstil ist – wie von einem Kinderbuch kaum anders zu erwarten – sehr simpel gehalten. Die Sätze sind kurz oder bestehen aus miteinander verbundenen Hauptsätzen, variieren aber ihren Aufbau genug, dass sie den Lesefluss nicht stören.
Man könnte wohl kritisieren, dass die direkten Reden sehr stark ans Standarddeutsche angepasst wurden und nur in wenigen Fällen davon abgewichen wird – man sollte aber auch bedenken, dass es, wie jetzt schon zweimal geschrieben, an Kinder ab etwa zehn Jahre gerichtet ist, von daher ist auch das verständlich.
Der Roman stammt aus den Dreißigern und weist dementsprechend ein leicht anderes Vokabular auf; hinzu kommen einzelne Wörter, die wohl auch damals neu für die meisten Kinder gewesen sein muss. Insgesamt sollte das Lesen aber keine Probleme bereiten.
Eröffnet wird mit einer Art Prolog, in dem der Erzähler, der sich selbst Erich Kästner nennt, darüber redet, dass er ursprünglich einen Südseeroman für Kinder schreiben wollte. Dabei wird ein unnötig komplizierter Plot beschrieben, bei dem schon ich kaum durchgeblickt habe. Ich vermute, es war Kästners Ziel, mit dieser Ausführung seine Leser zu verwirren – um sie zu froh darüber zu machen, dass es doch nicht der Südseeroman geworden ist?
Gleich im Anschluss werden dem Leser einzelne Teile der Geschichte präsentiert, darunter einige Charaktere und Schauplätze, und er wird aufgefordert, zu versuchen, die Geschichte aus diesen Teilen zu konstruieren. – Was wohl eine gute Möglichkeit ist, die Kinder zum Nachdenken und ihre Phantasie anzuregen und sie während der Geschichte bei der Stange zu halten, um zu schauen, ob sie richtig geraten haben.
Die eigentliche Geschichte hat auch mich, die ich keine zehn mehr bin, gut unterhalten – sie war in erster Linie amüsant und einen Ticken schräg. Immerhin laufen am Ende um die hundert Kinder hinter einem Dieb her.
Das einzige, das ich an der Logik der Handlung zu kritisieren habe, ist dass Emils Mutter die Reinigungskosten erlassen werden, die sie hätte zahlen müssen. Ich bezweifle, dass das so in der Realität funktioniert hätte, aber es passt ins Happy End.
Zu den Charakteren kann ich nicht viel sagen – sie sind recht simpel gehalten und ebenso sympathisch, außer natürlich der Antagonisten und der eine Dorfpolizist. Ansonsten habe ich noch drei Anmerkungen bezüglich des mehr oder weniger subtilen Subtextes.
Erstens die Darstellung von Frauen. Pony, ein Mädchen aus Berlin, wird eine sehr stereotype Rolle zugewiesen; Emils Mama hingegen ist verwitwet, dementsprechend alleinerziehend und betreibt als Selbstständige seinen Friseursalon. Ich würde mal behaupten, für die Dreißiger ist das bereits ein sehr fortschrittliches Frauenbild, und die paar problematischen Stellen lassen sich mit den Kindern sicher gut besprechen (im Stile von „das war früher so, heute ist das aber anders“).
Als Zweites möchte ich darauf hinweisen, dass die Kinder einfach so durch Berlin laufen dürfen, ohne irgendeine Form von Begleitung. Am Ende lädt ein Reporter namens Erich Kästner Emil und ein paar andere Jungen in eine Konditorei ein, wobei er sie ohne Benachrichtigung ihrer Eltern vom Polizeirevier mitnimmt. Was mich zum Stichwort Stranger Danger bringt.
Und zuletzt noch: Von den Kindern wird Hörigkeit eingefordert. Mir ist klar, dass Kinder Grenzen brauchen, und ich bin auch sehr dafür, dass diese durchgezogen werden – aber ich ebenso dafür, dass sie erklärt werden, und das mit mehr als „Mama hat das gesagt, also muss ich das jetzt machen“. Allerdings habe ich keine besonders große Lust, dieses Fass aufzumachen, also belasse ich es dabei.
Insgesamt ist „Emil und die Detektive“ ein unterhaltsames Kinderbuch, an dem sowohl die Hauptzielgruppe als auch Erwachsene ihre Freude haben werden. Mit 170 Seiten lässt es sich schnell lesen, auch wenn einige Dinge (Eisenbahndiebe) angesprochen werden, die in der heutigen Zeit nicht mehr wirklich ein Ding sind und deswegen etwas Erklärung benötigen.
Details zum Roman:
Titel: Emil und die Detektive
Autor: Erich Kästner
Verlag: Dressler Verlag
Erscheinungsjahr: 2017 (167. Auflage; Original 1929)
ISBN: 978-3-7915-3012-3
Genre: Kinderroman
Preis: 13,40€ (s. Datum)
Seiten: 171
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 700
Stand: 12.04.2018
Rico lebt mit seiner Mutter in Berlin, wo Mister 2000, ein Kidnapper, der Kinder entführt, um sie gegen 2000 Euro wieder freizulassen, sein Unwesen treibt. In den Sommerferien trifft er Oskar, einen hochbegabten Jungen, mit dem er sich gut versteht – doch dann wird Oskar entführt.
Der Schreibstil ist deutlich anspruchsvoller als bei „Emil und die Detektive“ (Rezension 49), aber noch immer simpel gehalten – was durchaus verständlich ist; zwar kann ich mich nicht daran erinnern, dass ein Alter für die Protagonisten angegeben wird, aber ich schätze die Zielgruppe auf etwa 12 Jahre.
Rico ist der Erzähler – wir erfahren auch, weswegen er seine Geschichte aufschreibt. Er hat die Angewohnheit, zwischendurch immer wieder abzuschweifen und über Dinge zu reden, die zwar seinen Charakter vertiefen und seine Erfahrungen aufzeigen, aber wenig zur Handlung beitragen. Dementsprechend ist die erste Hälfte recht durchschnittlich und charaktergetragen.
Es werden deutlich saloppere Ausdrücke verwendet als in „Emil“ und es wird Umgangssprache eingebaut – was aufgrund des Erzählers nur positiv zu werten ist. Eine kleine Kritik wären die vielen Nachbarsnamen, aber da die in der Hauszeichnung zu Beginn des Buches aufgeführt sind, kann man sie sich schnell wieder in Erinnerung rufen.
Die Handlung beginnt erst ab etwa der Mitte des Buches – und mit „Handlung“ meine ich den zentralen Konflikt, weswegen meine Zusammenfassung oben wohl ein wenig spoilert, aber davor passiert kaum etwas. Rico stellt uns seine Welt, seine Ansichten und seinen Charakter vor, was zwar ganz nett ist, aber auch nicht besonders interessant.
Die Kriminalgeschichte selbst war in großen Teilen vorhersehbar – wobei ich davon ausgehe, dass die Zielgruppe das anders sieht. Persönlich habe ich nur den Twist rund um die Polizei nicht kommen sehen, der Rest war relativ klar. Sobald der Konflikt eingeführt ist, steigert sich auch die Leselust, da auch Rico jetzt ordentlich anzieht und der Spannungsbogen so etwas wie eine Wölbung aufweist.
Rico ist ein guter Charakter. Ich kann zwar nicht beurteilen, ob seine Tiefbegabung gut dargestellt wurde, da ich darin weder persönlich noch aus zweiter Hand Erfahrungen habe, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in etwa so sein könnte. Beispielweise hält sich Rico nicht für dumm, er hat seine Stärken, aber Orientierung und Resilienz gehören eben nicht dazu. Er ist mir sympathisch, was der Hauptgrund ist, weswegen die erste Hälfte des Romans gut ertragbar war.
Oskar hingegen ist relativ eindimensional; was nicht besonders ist, da Rico ihn zum Zeitpunkt der Erzählung noch nicht so gut kennt. Er ist der Hochbegabte, deswegen Außenseiter, etwas seltsam, aber durchaus nett.
Die restlichen Nebencharakter teilen sein Schicksal, lediglich die Mutterfigur ist mehrdimensionaler. Durch die Wahl ihres Berufs wird außerdem ein weiteres Thema eingeführt, das sonst entweder wenig Beachtung oder extreme Auslegungen in der Literatur kennt.
Kleiner Bonuspunkt ist nach die Tiefbegabung Ricos und dass diese, soweit ich das beurteilen kann, gut dargestellt wird. Es darf ruhig etwas mehr Protagonisten mit einer solchen oder ähnlichen geben.
Alles in allem ist „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ ein Krimi für jüngere Teenager, an dem die meisten zumindest ab der zweiten Hälfte Gefallen finden werden. Es werden Themen angesprochen, über die Kinder sowieso in einigen Jahren stolpern werden, ohne sie überzogen darzustellen.
Für Erwachsene ist es eine nette Lektüre, aber abgesehen von den Themen und der Spannung in der zweiten Hälfte gibt es nicht viel zu holen.
Details zum Roman:
Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten
Autor: Andreas Steinhöfel
Verlag: Carlsen
Erscheinungsjahr: 2011
ISBN: 978-3-551-31029-3
Genre: Kinderroman
Preis: 7,20€ (s. Datum)
Seiten: 220
Reihe: ja, 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 600
Stand: 15.04.2018
Salis ist auch ein Jahr nach der Inkognitoreise noch dem Kanzler verpflichtet, und auch nach einem Jahr noch ist die Königin nicht gewillt, sich in das ihr vorgeschriebene Leben zu fügen. Sich auf ihre Seite schlagend ahnt er nicht, dass sein Leben bald eine rapide Wende nehmen wird.
Ich ziehe einen Stern für das schlecht umgesetzte Korrektorat ab. Beispiele folgen in der Mammutversion.
Der Schreibstil zieht in die Geschichte und lässt sich relativ flüssig lesen; die Beistrich-Manie aus dem ersten Band hat sich außerdem etwas gemildert. Größtes Problem ist, dass den einzelnen Szenen jedes Gewicht fehlt. Salis sieht zum ersten Mal in seinem Leben einen echten Drachen? Wirkt wie nichts Besonderes. Das zieht sich durch die meisten Szenen, was ausgesprochen schade ist, da die meisten Szenen was zu bieten hätten.
Die Handlung tröpfelt während der ersten zwei Akte vor sich hin und erst ab etwa 150 Seiten vor dem Ende passiert etwas, das ich ohne Eselsbrücken oder Notizen im Gedächtnis behalten kann. Der Klappentext ist nicht umsonst so vage gehalten. Hinzu kommen einige Plotlücken, die ich mir nicht habe erklären können.
Jean ist mir komplett unsympathisch geworden und während Salis auch nicht ungeschoren davongekommen ist, ist er als Protagonist noch immer in Ordnung. Aileyia hat Potenzial, sich zu meinem neuen Lieblingscharakter zu entwickeln – der war in diesem Buch aber definitiv Sundris. Antagonisten gab es in dem Sinne keine; man könnte wohl Brackal nennen, aber ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass seine Figur im Fokus von irgendetwas steht.
Die Welt an sich ist nach wie vor interessant, aber der Wow-Faktor ist ihr größtenteils abhandengekommen. Dennoch gibt es ein paar nette Kleinigkeiten – die Interpretation der Auren, beispielsweise.
Alles in allem hat mich der zweite Teil enttäuscht; er hat vieles schlechter umgesetzt als der erste Band. Gleichzeitig hat er es geschafft, dass ich wissen möchte, wie es weitergeht, und ich durchaus noch Hoffnung habe, einzelne Kritikpunkte würden im nächsten Roman verschwinden. Kurzum – ich hoffe aufs Middle-Book-Syndrome, dann wird der letzte (?) Band nämlich wieder sehr unterhaltsam werden.
Details zum Roman:
Titel: Die Gaben der Quelle: Erweckt
Autor: Cea Oskolm
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-7460-1527-9
Genre: Science-Fantasy
Preis: 14,40€ (s. Datum)
Seiten: 401
Reihe: ja, Band 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 1,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 21.04.2018
Als ich mir etwas Zeit freigeschaufelt hatte, die ich nicht mit dem Lesen von Pflichtlektüre oder selbstverlegten Romanen für meinen Blog zubringen wollte, stellte sich kaum die Frage, welchen Verlagstitel ich als nächstes lesen würde – es war wirklich Zeit geworden, herauszufinden, ab wann die Scheibenwelt auf ihr hohes Niveau kommt.
Ein alter Zauberer besucht eine Familie in einem abgelegenen Dorf, um seinen Zauberstab dem achten Sohnes eines achten Sohnes zu vererben – nur findet er dort keinen Sohn, sondern eine Tochter. Er überträgt ihr den Zauberstab – und kein Jahrzehnt später muss sich Eskarina als erste Zauberin gegen die Traditionen der Scheibenwelt behaupten.
Humorvoll. Das ist das erste, das mir in den Sinn kommt, wenn ich an „Scheibenwelt“ denke, und es ist auch das erste, das mir in den Sinn kommt, wenn ich an „Das Erbe des Zauberers“ denke. Wortwörtlich die einzige Abweichung, die ich zu meinen Lieblingsbüchern der Reihe noch sehe, sind die Fußnoten. Hier gibt es lediglich eine – das, was in anderen Romanen zweifelsfrei als Fußnote verfasst worden wäre, war aber im Fließtext zu finden, sodass rein vom Amüsement so gut wie nichts verloren ging.
Terry Pratchett verwendet an mehreren Stellen wunderbare sprachliche Bilder. Er vermag ohne Probleme in seine Welt zu entführen und an sein Buch zu fesseln. Von den Beschreibungen her ist die einzige, die mir negativ aufgefallen ist, die der Handlungen – und auch das nur zwei- oder dreimal, als es kleine Sprünge gab (etwas wird gesehen, im nächsten Moment hat man es bereits erreicht, solche Sachen). Besonders positiv hingegen fällt die Atmosphäre auf, die sehr oft meisterhaft vorhanden ist.
Das Ziel der Handlung ist bis zum Ende nicht ganz klar – ja, Eskarina möchte als Zauberin ausgebildet werden, aber was genau davon jetzt im Fokus stehen soll – die Reise zur Universität, dort angenommen zu werden, zu lernen, eine Prüfung zu bestehen – erfährt man erst gegen Ende des Romans.
Persönlich empfand ich das als kaum störend. Hinzu kommt, dass der Plot soweit sehr gut durchdacht wirkt und ich keine Kritik an ihm zu üben habe. Es gibt nur eine Ausnahme: Am Ende werden Figuren Rollen zugeschrieben, die sie in späteren Romanen der Scheibenwelt nicht mehr innehaben. Allerdings habe ich noch nicht die gesamte Reihe gelesen, also ist das weniger ein Fehler als eine Anmerkung.
Eskarina ist eine sympathische Figur mit ihren Schwächen und Stärken, aber keine besonders einprägsame. (Ich schreibe diese Rezension nach einigen Tagen des Lektüreendes mit sehr wenigen Notizen, von daher kann ich das recht gut bezeugen.) An wen ich mich hingegen hervorragend erinnere, ist Oma Wetterwachs.
Die habe ich schon in späteren Büchern kennen gelernt, aber sie weist bereits jetzt viele herausragende Eigenschaften auf und ist ein ausbalancierter Charakter. Hinzu kommt, dass ihre Einstellungen in Bezug auf Zauberei, Hexerei und Traditionen gut ins allgemeine Thema des Romans passen, auf das ich gleich zu sprechen komme.
Einen Antagonisten gibt es in dem Sinne nicht – die einzelnen Zauberer, die Eskarina den Zutritt zur Unsichtbaren Universität verweigern, werden nicht als solche inszeniert, und die Wesen aus den Kerkerdimensionen sind … naja, nicht mehr als das. Wobei ich dazu sagen sollte, dass begründet wird, weswegen sie so hinter Magie her sind.
Mal wieder ist die Scheibenwelt einfach nur die Scheibenwelt – es gibt viele kleine (fußnotenartige) Anekdoten und Details zu entdecken, zum Beispiel die Ameisen, die aus Zuckerwürfeln Pyramiden bauen. Der L-Raum hat bedauerlicherweise noch keinen expliziten Auftritt hingelegt, wurde aber bereits angedeutet.
Jetzt zu dem, was ich als zentralen Thema des Romans deuten würde: Der Umgang mit Traditionen in Angesicht sich verändernder Bedingungen. Sexismus ist, so meine persönliche Ansicht, zwar ein Teil dieses Themas und das Beispiel, an dem es abgearbeitet wird, aber letztlich wird mindestens so oft, wie auf dem Geschlecht Esks herumgeritten wird, auf die Traditionen verwiesen.
Kurz gesagt: Pratchett gelingt es mal wieder hervorragend, ernste Themen mit einer amüsant-humorvollen Welt zu vermischen, sowohl im großen (Traditionen) als auch im Kleinen (einzelne Zeilen, die man im wachen Zustand lesen sollte, damit einem die Botschaft nicht entgeht).
„Das Erbe des Zauberers“ ist ein Scheibenweltroman, der der Reihe würdig ist – wenn auch nicht ihr bester (bisher von mir gelesener) Vertreter. Er hat beinahe alles, was die Reihe ausmacht, aber der Faszinationsfaktor, der Wow-Moment ist nicht stark genug, um fünf Sterne zu rechtfertigen.
Dennoch sehr empfehlenswert, auch als Einstieg – insbesondere natürlich zu den Hexenromanen.
Details zum Roman:
Titel: Das Erbe des Zauberers
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Wilhelm Heine Verlag
Erscheinungsjahr: 1989 (12. Auflage der dt. Erstausgabe)
ISBN: 3-453-03451-1
Genre: Fantasy
Preis: [nicht mehr in dieser Auflage erhältlich]
Seiten: 281
Reihe: ja, 3 von 41 (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 800
Stand: 10.05.2018
Es könnten sich Spoiler für die ersten beiden Teile in dieser Rezension finden. Ihr seid gewarnt.
Zehn Jahre sind vergangenen und Salis holt Aila von der Erde zurück zu den Drei Planeten. Eine Gefahr nähert sich, auf deren Abwehr die Quelle sie seit nun einem Jahrzehnt vorzubereiten versucht.
Einen Stern Abzug gibt es für das mangelhafte Korrektorat. In der Mammutversion gehe ich näher darauf ein.
Der Schreibstil ist solide. Er zeiht in die Geschichte hinein und sorgt für einen angenehmen Lesefluss, der einer der besten Aspekte des Romans ist. Viel zu bieten hat der Stil darüber hinaus nicht.
Ebenfalls solide gestaltet sich der Plot; abgesehen von drei Kleinigkeiten habe ich keine Probleme in Hinblick auf die Logik finden können. Auch er zieht in die Geschichte, vermag darüber hinaus aber nicht zu überzeugen. Besonders negativ sind der Zeitsprung von zehn Jahren, der die Distanz zu einigen Charakteren enorm erhöht, und die ersten dreißig Seiten Teenagerdrama.
Salis ist der Charakter, der am wenigsten mit seinem zehn Jahre jüngeren Ich zu tun hat; da ich diese Entwicklung nicht beobachten konnte, sieht es für mich wie ein Sprung aus und raubt mir eine Menge Sympathie, die ich für diesen Charakter hatte. Die übrigen Protagonisten liegen im Mittelfeld; sie sind weder furchtbar noch besonders. Eine Ausnahme bildet Jean, den ich nach wie vor verabscheue. Dem Antagonisten hingegen kaufe ich keine seiner Machtbestrebungen ab; es wirkt, als wäre er böse, damit es etwas mehr zu erzählen gibt.
Der Weltenbau weist eine Inkonsistenz zum zweiten Buch auf, einige problematische Ansätze vor allem autoritärer Natur und zwei oder drei Dinge, die mein Interesse wecken konnten.
Insgesamt ist „Entfesselt“ eine Steigerung zum Vorgänger. Ich werde die Reihe weiter verfolgen, da ich mich trotz der Fehler und Probleme unterhalten gefühlt habe und es nach wie vor einzelne Aspekte gerade der Welt gibt, die mich fesseln.
Details zum Roman:
Titel: Die Gaben der Quelle: Entfesselt
Autor: Cea Oskolm
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-7528-5983-6
Genre: Science-Fantasy
Preis: 14,40€ (s. Datum)
Seiten: 428
Reihe: ja, Band 3 von 4 (s. Datum)
Bewertung: 2,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 08.06.2018
Richtig gesehen, es ist mal wieder Pflichtlektürezeit. Die Eröffnungsrunde macht dieses Mal ein recht kurzer Roman, der so sehr darum bettelt, nicht wie alle anderen Bücher zu sein, dass ich das Rezensionsformat anpassen werde.
Brigitte möchte Heinz heiraten, Paula möchte Erich heiraten. Viel mehr passiert nicht.
Was als erstes auffällt, ist die notorische Kleinschreibung. Sicher, wenn ich möchte, könnte ich irgendeine Metaebene hineininterpretieren von wegen die Protagonistinnen werden kleingehalten, deswegen auch alle Nomen, Satzanfänge und generell alles, aber ich denke eher, dass es den Roman von allen anderen hervorheben soll.
Direkte Reden gibt es zwar, sie werden aber nicht mit Anführungszeichen gekennzeichnet. Das wäre ebenfalls so, wie es alle anderen machen, und deswegen muss es vermieden werden.
Hinzu kommt, dass sehr viel wiederholt wird; erst am Ende Wort für Wort zweimal derselbe Satz hintereinander, aber durch das gesamte Buch zieht sich ein konstantes Jammern und Betonen, wie furchtbar alles ist. Darauf komme ich noch einmal zu sprechen.
Das zweite Wichtige, das ihr über dieses Buch wissen solltet, ist, dass die Szenen nicht beschrieben oder erzählt, sondern erklärt werden. Das Sprüchlein „Show, don’t tell“ mag seine Macken haben, aber hier findet genau das Gegenteil Anwendung.
Alles, wirklich alles wird dem Leser bis ins letzte Detail vorgekaut, und wenn das Vorkauen beendet ist, wird es ausgespien und wiedergekäut, denn es geht nicht, dass man einen wichtigen Umstand einmal dem idiotischen Leser näherbringt, man muss ihn alle fünf Seiten näherbringen.
Das geht so weit, dass es nur wenige Szenen im eigentlichen Sinn gibt; meistens redet der Erzähler vor sich hin, erklärt einem die Beziehungen der Charaktere zueinander, und wenn sich doch mal eine Beschreibung findet, wird die zehnmal innerhalb der nächsten vier Seiten wiederholt.
Beispielweise hat es sage und schreibe zwei Seiten gedauert, ehe ich verstanden habe, dass das hier eine feministische Kritik an der Gesellschaft werden soll. Ratet mal, was dem Leser mit einem Brett so groß wie New York City alle weitere zwei Seiten in die Fresse gerammt wird.
Die zweite Kritik, die dieses Werk anbringen möchte, hat immerhin dreißig der zweihundert Seiten gebraucht, um erklärt zu werden. Sie dreht sich um den Unterschied zwischen den Klassen – wobei wir hier von der ärmsten Arbeiterklasse vorstellbar reden und von einer normalverdienenden Mittelklasse.
Jelineks Schreibstil wird auf dem Buchrücken mittels Zitat als „zynisch“ bezeichnet, Wikipedia meint, er sei oft „sarkastisch“ genannt worden. Ich meine, er ist verbittert. Zynismus und Sarkasmus implizieren Humor, den ich lediglich in Ansätzen während der letzten Zuckungen dieses Romans feststellen konnte; über weite Teile des Buches ist es einfach nur bitter.
Die Protagonistinnen haben fast nichts im Kopf außer Heirat und Arbeit, wobei für beide die Arbeit zum lästigen Anhängsel wird, das sie mittels Heirat loswerden wollen; die Männer wiederum haben nichts im Kopf außer Sex und Arbeit. Außerdem gibt es fast keinen, der nicht Alkoholiker ist, die Frauen werden verprügelt und vergewaltigt, und alle hassen alle.
Wer denkt, ich überspitze die Zustände im Buch, um meine Kritik deutlich zu machen, irrt. Ich überspitze gar nichts. Jeder hasst jeden. Die Eheleute hassen sich gegenseitig, brauchen einander aber mehr oder weniger; die Eheleute hassen die Kinder; insbesondere die männlichen Kinder hassen ihre Eltern, die weiblichen brauchen dafür offenbar etwas länger, kommen aber zum selben Ergebnis. Niemand wünscht irgendjemandem etwas Gutes. Paula beispielweise will zu Beginn des Buches einen Aufstieg zu den Normalverdienern hinlegen, indem sie, statt sofort zu heiraten, die Schneiderei erlernt, sich selbst finanziert und nach einigen Jahren des Arbeitens heiratet.
Ihre Mutter verweigert ihr das zuerst, und eine der Begründungen, die sie dafür liefert, ist – paraphrasiert: Warum sollte es dir besser ergehen als mir?
Gleichzeitig kann ich nicht behaupten, alles an diesem Buch wäre schlecht. Der erste große Pluspunkt sie die zweihundert Seiten, die trotz des anstrengenden Schreibstils schnell gelesen sind. Der zweite ist der, dass die beiden Kritikpunkte zwar vollkommen überspitzt dargestellt sind und die gesamte Welt wie ein Drecksloch vorkommen lassen, aber bedauerlicherweise ein Funken Wahrheit in ihnen steckt.
Mein letztes Lob geht daran, dass die beiden Protagonistinnen eine Charakterentwicklung durchmachen. Vergleicht man die beiden Endversionen mit ihren ersten Inkarnationen, ist das unverkennbar.
Zusammenfassend kann ich nicht unbedingt eine Leseempfehlung für „Die Liebhaberinnen“ aussprechen – ich halte es für ein anstrengendes, übertrieben bitteres Buch, dessen größte Funktion die ist, dass es aufrütteln soll. Wer auf so etwas steht, möge es sich zu Gemüte führen; wer aufgerüttelt, aber auch unterhalten werden will, sollte sich lieber davon abwenden.
Details zum Roman:
Titel: Die Liebhaberinnen
Autor: Elfriede Jelinek
Verlag: Rowolth Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2016 (36. Auflage; Erstveröffentlichung 1975)
ISBN: 978-3-499-12467-9
Genre: /
Preis: 9,30€
Seiten: 205
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 800
Stand: 06.07.2018
Es können sich Spoiler für die ersten drei Bände finden.
Ahren bricht zusammen mit seinen Gefährten erneut auf, dieses Mal nach Süden, um einen weiteren Paladin ausfindig zu machen. Die Reise führt sie jedoch nicht nur durch den Dschungel, sondern zuvor durch die Namenlose Wüste.
Der Schreibstil ist dem der vorherigen Bände ähnlich: Dank Ahrens Perspektive bekommt der Leser fast alles vorgekaut; Wortwiederholungen, Stilblüten und Füllwörter haben regelmäßige Auftritte. Dennoch stellt sich ein Lesefluss ein und die Geschichte fesselt innerhalb weniger Seiten. Besonders gut ausgefallen sind dieses Mal die Kampfszenen, die ein Genuss sind.
Die Handlung vermag nur unwesentlich zu überraschen, aber dennoch zu unterhalten. Außerdem weist sie keine groben Probleme in Bezug auf Logik auf – dafür gibt es sehr viele kleinere Sachen und ein paar zoologische Ungereimtheiten.
Ahren lässt sich in diesem Band ein Rückgrat wachsen, was auch gut zu seiner restlichen Charakterentwicklung passt; dennoch konnte ich mich mit ihm deutlich weniger identifizieren als noch im ersten oder zweiten Band. Khara ist noch immer meine Nemesis und den Antagonisten werden auch nur wenige Gefallen getan. Dass Sven einen eigenen Handlungsstrang bekommt, verspricht für die folgenden Romane ein gewisses Potenzial, das hoffentlich genutzt werden wird.
Hervorragend ist erneut der Weltenbau, der mich nach der kleinen Flaute der „Ehernen Stadt“ wieder an sich fesseln konnte. Besonders bemerkenswert finde ich, dass Torsten Weitze in der Lage ist, bekannte Fantasyvölker wie Drachen und Elfen mit neuen Eigenschaften zu versehen, die sie aus der Masse ähnlicher Literatur hervorstechen lassen.
Insgesamt vermag „Die Schlafende Mutter“ gut zu unterhalten und das Tief des vorherigen Bandes auszugleichen. Ich werde mir dementsprechend auch den fünften Band besorgen, sobald er erschienen ist.
Details zum Roman:
Titel: Die Schlafende Mutter: Der dreizehnte Paladin
Autor: Torsten Weitze
Veröffentlicht über: Amazon Selfpublishing
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 9781983109614
Genre: High-Fantasy
Preis: 15,99€ (s. Datum)
Seiten: 424
Reihe: ja, Band 4 von 13 (s. Datum)
Bewertung: 3,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 300
Stand: 05.07.2018
Es ist nicht lange her, dass ich den dritten Scheibenwelt-Band gelesen habe, aber nachdem ich mich durch einen Gutteil meiner Pflichtlektüre gequält habe und eine Leseflaute hatte, musste ich mein Ass aus dem Ärmel schütteln. Beziehungsweise Pratchetts Ass.
Mort ist ein Nichtsnutz, der zu viele Ellenbogen und Knie zu haben scheint. Umso überraschender, dass ausgerechnet der Tod ihn als Lehrling akzeptiert und ihn in sein Geschäft einführt. Mit Morts Leben scheint es endlich bergauf zu gehen, als er Prinzessin Keli rettet und damit zwei parallele Realitäten erschafft – und das alles, während Tod sich eine unangekündigte Auszeit nimmt.
Muss ich nach so vielen Rezensionen noch groß hervorheben, wie gut ich den Schreibstil finde? Die Personifikationen, die Metaphern, die Vergleiche machen einen großen Teil des Humors aus. Gleichzeitig ist „Gevatter Tod“ nicht so geschrieben, dass man alles mitbekommt, wenn man im sich geistig im Halbschlaf befindet.
Zu kritisieren habe ich hauptsächlich, dass in meiner Ausgabe Tod nicht in Kapitälchen spricht – das sind Großbuchstaben, bei denen aber eine Unterscheidung zwischen groß und klein möglich ist und die in der kleinen Schrift etwas niedriger sind als normale Capslock – sondern in ebendiesen Capslock. Anders gesagt: ANSTATT DASS TOD WIE EINE MÄCHTIGE, SELTSAME PRÄSENZ RÜBERKOMMT, DEREN ÜBER-REALITÄT MAN SELBST IN SEINER SCHRIFT ERKENNEN KANN, SCHREIT ER VIEL. Und ja, das hat einen Witz ruiniert, in dem Mort sich an Tods Aussprache versucht und dabei wirklich nur rumschreit.
Lobend möchte ich die Fußnoten hervorheben, die zum ersten Mal in der Reihe auftreten und einiges zum Text beitragen haben. Ich meine, Fußnoten!
Der Plot ist soweit gut durchdacht, das Tempo flott angesetzt mit den langsameren Stellen an den Übergängen zwischen zwei Szenen. Ich habe dennoch zwei Fragen: Wenn Seelen nach dem Tod bekommen, was sie wollen, wieso wird der eine Typ dann ständig wiedergeboren und wieso trifft der andere im Jenseits all die Leute, die er dorthin befördert hat? Und wenn die Realität so zerbrechlich ist, dass ein einziger verhinderter Tod dazu führt, dass sie sich selbst heilen muss, wie ist es dann okay, dass beim Showdown locker ein Dutzend Leute vorzeitig ihr Leben lassen?
Gerade die erste Frage ist eine eher wichtige, aber in Anbetracht der amüsanten Stunden, die mir die Geschichte geboten hat, bin ich gewillt, mich nicht auf sie zu versteifen.
Nennenswerte Antagonisten gibt es nicht, weswegen mir nur die Protagonisten zu besprechen bleiben. Das wären Tod, sein Lehrling Mort, und in zweiter Reihe Tods Adoptivtochter Ysabell, sein Diener Albert und Prinzessin Keli. Kurz gesagt sind vielleicht nicht alle Charaktere vollkommen ausgereift, aber allein die Art, wie sie beschrieben werden, macht das wett. Das betrifft vor allem die unzähligen Nebencharaktere, die der Geschichte ausgesprochen guttun.
Morts Charakterentwicklung wird gut rübergebracht und wirkt natürlich. In gewisser Weise scheint er den meisten anderen Scheibenwelt-Protagonisten zu ähneln, aber das stört mich nicht besonders. Er ist zunächst tollpatschig, gleichzeitig pragmatisch; er scheut sich nicht vor jeder kleinen Konfrontation, sucht sie aber nicht unnötig auf – und er ist ein hormongesteuerter Teenager, der dafür sorgt, dass die Realität einen Riss bekommt. Das Übliche halt.
Bei Tod finde ich bemerkenswert, dass in einer Szene, die ich hier nicht spoilern möchte, gut dargestellt wird, dass er eine Personifikation ist – er ist eine Person, ja, aber sein Charakter ist festgeschrieben, wohl durch die Umstände bedingt, die ihm sein Dasein auferlegen. Das ergibt wohl für die meisten meiner Leser, die „Gevatter Tod“ noch nicht kennen, wenig Sinn oder wirkt selbsterklärend, aber nach der Lektüre sollte sich das ändern.
Ich liebe die Scheibenwelt. Die ungeheure Kreativität, die Absurdität, die hervorragenden Beschreibungen und der daraus resultierende Humor, und gleichzeitig die zum Nachdenken einladenden Stellen – auch wenn sie in diesem Roman weniger vertreten sind –, ergeben eine wundervolle Welt, und das meine ich wörtlich.
Der Tod ist wohl einer der einprägsamsten Persönlichkeiten dieser Welt, und ich kann über seinen ersten eigenen Roman wenig Negatives sagen. Es gibt so viele Aspekte an diesem Buch, die mich auch nach der Lektüre noch begeistern, dass ich nur jedem dazu raten kann, ihm zumindest eine Chance zu geben.
Details zum Roman:
Titel: Gevatter Tod
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2016 (2. Auflage)
ISBN: 978-3-492-28064-8
Genre: Fantasy
Preis: 10,30€
Seiten: 328
Reihe: ja, 4 von 41 (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 700
Stand: 02.08.2018
Das ist der letzte Roman, den ich diesen Sommer erzwungenermaßen lesen muss – die nächste Rezension wird also wieder zu einem Fantasybuch kommen. Bis dahin: Was auch immer das hier ist.
Kathrin Röggla interviewt sechs Personen auf einer Messe. Etwa vierzig Seiten vor Schluss passiert was. Davor nicht.
Bei „wir schlafen nicht“ handelt es sich – erneut – um einen Roman, der gerne nicht wie andere Romane sein würde, also werde ich das Rezensionsformat freier gestalten als sonst.
Wie bereits am Titel erkennbar hält es auch dieses Buch für eine gute Idee, alles kleinzuschreiben. Laut Wikipedia soll das beim Leser eine gehetzte Wirkung hervorrufen – ich bin immer zuerst genervt, dann gewöhne ich mich daran und ignoriere die Schreibung nach etwa fünf Seiten. Also ja. Mission accomplished.
Auch bemerkenswert ist, dass der Roman nicht nur keine Geschichte erzählt, sondern auch über so gut wie keine Charaktere verfügt und nur deswegen als Roman durchgeht, weil „Roman“ mit „Prosatext einer längeren Länge“ definiert ist. Etwas überspitzt formuliert, aber nicht viel.
Anstatt eines vernünftigen Textes bekommen wir mehr oder weniger ein Interviewtranskript vorgesetzt, das zu großen Teilen in eine indirekte Rede überführt wurde. Es ist an mehreren Stellen fast unmöglich zu sagen, wer gerade spricht, und es wird nichts beschrieben; was geschieht, muss aus den Reden der Interviewten geschlossen werden.
Ich habe zwanzig Seiten gebraucht, bis ich das kapiert habe, und ab diesem Zeitpunkt war das Buch vor allem „meh“. Durch die stilisierte indirekte Rede kann man die Charaktere kaum auseinanderhalten, da sie alle gleich sprechen und die unterschiedlichen Herangehensweisen und Überzeugungen nicht immer durchkommen – fast nie, um genau zu sein. Dementsprechend gleichgültig bin ich bis zum Schluss gegenüber jedem der sechs geblieben.
Besonders viel habe ich abgesehen davon nicht zu sagen. Ein paar Dinge haben nicht besonders viel Sinn ergeben – zum Beispiel wird die Redakteurin gefeuert, weil sie vor einer Überprüfung etwas aufgedreht war. Ich gebe zu, keine Erfahrung in diesem Bereich zu haben, aber das kommt mir übertrieben vor.
Positiv ist anzumerken, dass der Höhepunkt rund um den Suizid gegen Ende gut aufgebaut wurde und es für kurze Zeit etwas gab, das einer Handlung nahe kommt - aber nur kurz.
Ich bin kein Fan von dem Buch, aber als besonders hassenswert empfinde ich es nicht. Es spricht zwar Themen wie Überarbeitung, Schlafmangel, Burnout, Depression, Suizid, Drogenmissbrauch an, aber es wird kein Kommentar dazu abgegeben, und wenn Kathrin Röggla eine Kritik an irgendetwas anbringen wollte, kann ich sie nicht finden. Außer das Offensichtliche – man sollte ab und zu schlafen.
Ja. Okay. Ich weiß nicht, wie das zweihundert Seiten stilisiertes Transkript rechtfertigen soll.
Mein wohl größtes Problem – nach dem Stil, versteht sich – ist, dass ich nichts von diesem Buch für bare Münze nehmen kann. Soweit ich das verstanden habe, hat Röggla tatsächlich Interviews mit Personen geführt, die dieselben oder ähnliche Stellungen wie die Charaktere innehaben, und diese Interviews haben es in irgendeiner Form ins Buch geschafft.
Allerdings gibt es meines Wissens nach keine Transkripte dieser tatsächlichen Interviews, sodass ich dem Buch nicht über den Weg traue. Ich weiß nicht, was ausgelassen wurde, was übertrieben wurde, was hinzugefügt wurde, welche Formulierungen verändert wurden, und dementsprechend sehe ich „wir schlafen nicht“ als eine missglückte Kreuzung von Fiktion und Realität an.
Abschließend bleibt mir zu sagen, dass ich keinen Grund sehe, dieses Buch zu lesen. Es unterhält nicht, es sagt nichts aus, es ist unangenehm zu lesen und bietet einem keine Grundlage für Vertrauen in Bezug auf die Realitätsnähe der Darstellung.
Details zum Roman:
Titel: wir schlafen nicht
Autor: Kathrin Röggla
Verlag: Fischer Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 2016 (5. Auflage)
ISBN: 978-3-596-16886-6
Genre: /
Preis: 9,20€
Seiten: 220
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 600
Stand: 07.08.2018
Nach der letzten Pflichtlektüre brauchte ich frische Fantasy. Am besten ein Buch, das ein hohes Tempo an den Tag legt, eine mitreißende Geschichte erzählt und dem ich guten Gewissens mehr als drei Sterne geben kann. „Der Fluch des Wüstenfeuers“ war genau zur richtigen Zeit auf meiner Leseliste.
Fünfundsiebzig Jahre, nachdem Iaret die Herrschaft Sechams gebrochen hat, reist eine Geschichtsschreiberin zu den Wüstennomaden, wo sie Ahat findet. Er soll ihr die Geschichte des Ausbruchs aus dem Kerker und der Entmachtung Sechams erzählen, denn sie glaubt, dass Sechams Ruf unverdient negativ ist.
Wie die Zusammenfassung bereits andeutet, handelt es sich beim Roman um eine Geschichte in einer Geschichte – ab und an kommt noch eine Ebene hinzu. Die Perspektive wechselt ständig, ebenso der Erzähler. Meistens gibt Ahat etwas wieder, wobei er einige der Geschehnisse nicht selbst erlebt hat. Es gibt noch andere Erzähler, aber das kann ich hier nicht knapp wiedergeben, ohne dass es kompliziert wirkt.
Der Roman legt ein hohes Tempo an denTag und der Schreibstil unterstützt das an vielen Stellen, indem er ein leichtes und schnelles Lesen ermöglicht, das in die Welt des Wüstenfeuers zieht. Es gibt langwierigere Stellen – Ahats Wahlbruder Yasin übernimmt manchmal die Erzählung, die dann langsamer und meistens weniger spannend wird, aber seine Passagen halten sich in Grenzen.
Alle Beschreibungen sind gut gelungen, die der Emotionen stechen besonders positiv hervor. Bemerkenswert finde ich, wie Informationen nach und nach eingestreut werden, ohne dass sie erzwungen oder unnatürlich wirken. Als einzig negativen Aspekt kann ich ein paar Stilblüten nennen.
Deutlich weniger perfekt gestalten sich die restlichen Punkte, so auch die der Handlung und der Spannung. An letzterer habe ich kaum etwas auszusetzen; es gab keine Stelle, an der ich das Buch aus der Hand legen wollte. Erstere hat ein, zwei gröbere Probleme und viele kleine Ungereimtheiten – insgesamt wurde aber solide Arbeit geleistet.
Auf das größte Problem, das auch den Weltenbau betrifft, gehe ich später noch ein, aber um ein anderes Beispiel zu nennen: Ahat, Tehu und Iaret zögern, den Dschinn freizulassen, weil er die Stadt verwüsten könnte. Wenig später erfahren Ahat und Tehu, dass er Iaret verschonen wird, woraufhin sie sofort damit weitermachen, ihn zu befreien; die Sache mit der Stadt ist vergessen, bis sie wenig später noch einmal aufgezeigt wird und Grund für längeres Zögern ist.
Im Roman werden viele Themen angesprochen werden, die für einige Leser zu viel des Guten sein werden: Immer wieder stirbt jemand, Folter spielt eine Rolle, es kommt zu mehr als einer Vergewaltigung, und an einer Stelle bringt sich jemand um. Im Kontext der restlichen Geschichte wirkt es nicht so, als würde Gewalt nur um der Gewalt willen auftreten, weswegen ich an ihr auch nichts auszusetzen habe, zumal sie nicht kommentarlos stehen gelassen wird. – Auch wenn man mit dem Suizid besser hätte umgehen können.
Ich gehe davon aus, dass „Der Fluch des Wüstenfeuers“ deutlich weniger angenehm zu lesen wäre, wäre der Roman nur aus einer Sicht geschrieben, denn jeder für sich sind die Charaktere wenig mitreißend. Es hat zwar jeder der Protagonisten und auch viele der Antagonisten und Nebencharaktere eine Vergangenheit und daraus resultierende Motive, aber sie werden deswegen nicht sympathischer.
Ahat würde ich als den besten Charakter bezeichnen. Er hat seine Schwächen, die er zu kontrollieren lernt, aber besonders viel Positives fällt mir nicht ein – nicht, weil er ein furchtbarerer Mensch ist, sondern weil mir sein Charakter nebulös erscheint.
Ähnliches lässt sich für Iaret sagen; sie macht eine Entwicklung durch, aber erneut wirkt ihr Charakter oberflächlich, obwohl ihm eine eigene Geschichte gegeben wurde.
Tehu kann ich nicht leiden, da sie Sexistin ist und auch, wenn mir das durch ihre Vergangenheit erklärt wird, rechtfertigt sie nichts.
Ramos – ein Antagonist, der ebenfalls im Kerker sitzt – ist der beste der Antagonisten, was bedeutet, dass Secham, der Bösewicht, ein Reinfall ist. Ja, er hat seine Geschichte, aber als Hauptmotivation dafür, einem ganzen Geschlecht Magie zu verbieten, dient – Neid.
Neid kann zwar ein guter Motivator sein, aber aufgrund einer Unzahl an Personen, die jede Form von auch nur leicht negativer Rückmeldung auf neidvolle Hater und Trolle zurückführen, um sie nicht ernstnehmen zu müssen, kann ich diesem Gefühl als Ursache für einen Konflikt nur etwas abgewinnen, wenn der Charakter sehr gut dargestellt wurde, und das ist mangels Perspektive bei Secham nicht der Fall.
Zwar lassen sich die meisten Charaktere nicht eindeutig als Antagonisten oder Protagonisten zuordnen – nicht sofort und nicht dauerhaft –, was ich begrüße, aber das Hauptproblem sehe ich darin, dass jeder Charakter, obwohl er eine eigene Geschichte bekommen hat, wie ein Klischee wirkt, dem man noch ein oder zwei Details hinzugefügt hat.
Um auf etwas Positives zurückzukommen – das Bisschen, das man von der Welt mitbekommt, ist interessant und schlüssig. Mir gefällt das Konzept der Siegel sehr gut, mit denen man Wüstenfeuer (quasi Magie) bannen kann und die eine eigene Wissenschaft zu sein scheinen. Die Dschinne sind ebenfalls gut gelungen.
Ein wichtiges Thema des Romans ist das Abwägen zwischen zweier Versionen derselben Geschichte, in der Prota- und Antagonisten den Platz tauschen, und was das für Geschichtsschreibung bedeuten kann; auch, wie die Geschichtsschreiber selbst eine Version der Ereignisse bevorzugen und dass das Auswirkungen auf die allgemeine Wahrnehmung haben kann, wird angedeutet.
Ein Problem des Romans sind die vielen Lücken im Weltenbau. Diejenige, die ich am nachvollziehbarsten finde, ist die Frage, wie genau Wüstenfeuer funktioniert, was es machen kann und wo seine Grenzen liegen. Nachvollziehbar deshalb, weil Iaret die einzige ist, die diese Fragen Ahat hätte beantworten können, und sie während eines Großteils der Geschichte keine Ahnung davon hat.
Anderes ist weniger leicht erklärbar. Beispielweise, wie es innerhalb der fünfundsiebzig Jahre nicht zu einem Bürgerkrieg gekommen ist. Ich fasse zusammen: Secham wurde ohne Vorwarnung von Verbrechern entthront, die deswegen damit durchkommen, weil eine von ihnen mächtig genug ist, alle Anwesenden sofort zu töten. Sie zwingt diese und die dazugehörige Gesellschaft über Nacht, Frauen als Männern gleichgestellt anzusehen, und reagiert nicht gerade freundlich auf Widerstand. Die Geschichten und „Begründungen“, Frauen keine Entscheidungskraft zuzutrauen, sind noch immer vorhanden und müssten in großen Teilen der Gesellschaft dominieren.
Wie genau hat ein gewisser neuer König es geschafft, dieses Pulverfass einer Gesellschaft nicht zum Explodieren zu bringen?
Ganz zu schweigen davon, dass Secham ein paar Kriege geführt hat, von denen auch nicht erklärt wird, was mit ihnen geschieht. Ich bezweifle, dass man überall einfach die Truppen zurückrufen und den ehemaligen Gegnern ein entschuldigendes Schulterzucken darbieten konnte und dabei alles gut ausgegangen ist.
Bei all der Kritik habe ich den „Fluch des Wüstenfeuers“ ausgesprochen genossen. Vieles mag hapern oder nur oberflächlich passen, aber die Geschichte hat mich mitgerissen. Sie ist mir zur genau richtigen Zeit begegnet, hat mich hervorragend unterhalten, und enthält einige interessante Ideen – viel mehr kann ich von meiner Lektüre nicht verlangen.
Details zum Roman:
Titel: Der Fluch des Wüstenfeuers
Autor: A.S. Bottlinger
Verlag: Hobbit-Presse
Erscheinungsjahr: 2016
ISBN: 978-3-608-96027-3
Genre: Fantasy
Preis: 17,50€
Seiten: 367
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1200
Stand: 14.08.2018
Über Brandon Sanderson habe ich viel Gutes gehört – ich habe auch noch ein paar mehr Bücher von ihm auf der Wunschliste. „Warbreaker“ ist mein erster Sanderson, und es ist das erste englische Buch seit bald einem Jahr.
Vivenna wurde ihr ganzes Leben lang darauf vorbereitet, den Gottkönig zu heiraten, um ihr Heimatland Idris zu schützen. Als der entscheidende Moment kommt, schickt ihr Vater aber nicht sie, sondern ihre Schwester Siri, die vollkommen unvorbereitet ist. Beide gelangen in ein Netz aus politischen Intrigen, in dessen Zentrum der drohende Krieg zwischen Idris und dem Gottkönig steht.
Ich hatte befürchtet, mein Englisch wäre über das letzte Jahr hinweg eingerostet, aber ich bin sehr gut mit dem Niveau im Roman zurechtgekommen, mit einzelnen Ausnahmen. Dass ich stellenweise sehr schnell durch die Seiten gekommen bin, ist wohl auch dem hervorragenden Schreibstil zu verdanken, der es schafft, innerhalb weniger Sätze einen Lesefluss heraufzubeschwören.
Hinzu kommen hervorragende Beschreibungen, die es schaffen, mir die Emotionen der Charaktere zu vermitteln. Ihre Perspektiven spiegeln sich sowohl im Stil als auch in ihrer Sicht auf die Ereignisse wider; jeder Charakter hat Motive, warum er handelt, wie er handelt. Gleichzeitig wird berücksichtigt, dass die eigene Erwartung die Interpretation der Umgebung beeinflusst, was sich mehrfach im Buch wiederfindet.
An einigen Stellen gibt es Humor, mit dem ich über weite Strecken gut zurechtgekommen bin. Er wird meistens in Form von zwei bis drei Charakteren eingebaut, wobei keiner von ihnen einfach nur der Comedic Sidekik ist, was eine nette Abwechslung ist.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass dem Leser zwar viele Informationen gegeben werden, sodass er viele der Ereignisse, wenn er aufmerksam liest und mitdenkt, vorhersehen oder ohne explizite Erklärung verstehen kann – genau diese explizite Erklärung kommt aber in vielen Fällen ohnehin, sodass man auch gut mitkommt, wenn man nicht selbst miträtselt.
Das hat seine Pros und Kons – ich mochte, dass ich von selbst draufkommen konnte, aber dass es dann trotzdem erklärt wird, hat mir die Freude am Mitdenken genommen. Andererseits gab es ein oder zwei Fälle, bei denen ich die Erklärung wirklich gebraucht habe.
Vom Aufbau her muss ich anmerken, dass „Warbreaker“ etwa sechshundert Seiten lang ist. Grob gesprochen haben mir das erste und letzte Drittel sehr gut gefallen, insbesondere das Finale, das voller Twists steckt, dabei viele Kleinigkeiten aufgreift, die in den vorherigen Drittel nebenbei erwähnt wurden und die die Charaktere im Finale ein paar Minuten länger am Leben lässt.
Das mittlere Drittel hat mir kaum gefallen. Ich habe für die zweihundert Seiten länger gebraucht als für die restlichen vierhundert – alle drei Protagonisten sind in einer Routine, die zwar nicht überflüssig ist, die mich aber nicht gepackt und mich aus dem ganzen Roman rausgeworfen hat.
Abgesehen davon habe ich nicht viel zu kritisieren. Die Handlung ist über sehr weite Strecken sehr gut durchdacht; erneut gibt es nur wenige Schönheitsfehler. Beispielweise: Wenn Vasher so sorglos damit umgeht, ob man ihn bemerkt und erkennt oder nicht, sollte es Denth nicht schwerfallen, ihn aufzuspüren.
Besonders loben möchte ich, wie stark alles miteinander vernetzt ist. Nicht nur hat jeder der Handlungsstränge Auswirkungen auf alle anderen, der Leser bekommt nur durch die Summe der Charaktere ein halbwegs vollständiges Bild der Ereignisse.
Damit zu den Charakteren. Auch hier gilt: Sie sind alle sehr gut aufgebaut, facettenreich, Widersprüche kommen so rüber, als ob sie gewollt wären, ihre Perspektive wird herausgearbeitet und ihre Motive dargelegt.
Das ist wohl die richtige Stelle, um zu erwähnen, wie sehr ich den Titel liebe und die Implikationen, die er mit sich bringt, wer die zentrale Figur in dem ganzen Durcheinander ist. Da das aber auf den letzten Seiten aufgelöst wird, möchte ich nicht näher darauf eingehen.
Stattdessen möchte ich über das Aber schreiben, das mit dem Lob für die Charaktere verbunden ist. Sie sind hervorragend durchdacht und facettenreich, aber sie können die Geschichte nicht tragen.
Das ist zumindest meine Vermutung, warum mir der Mittelteil so wenig zusagt. Weder Vivenna noch Siri noch Lightsong, dessen Running Gag mit den Kopfschmerzen und dem Betrunkenwerden nach dem drölfzigsten Mal nicht mehr lustig war, haben mich nicht genug interessiert, dass ich leicht durch die handlungsarme Phase gekommen wäre.
Ich habe keine Ahnung, wieso, aber ich halte es für die wahrscheinlichste Erklärung.
Der wohl beste Teil des Romans ist die Welt. Alles an ihr ist hervorragend durchdacht – so hervorragend, dass ich keinen Fehler in ihr finde. Sie ist sehr komplex, dennoch werden die Infoformationen gut vermittelt, sodass man sich nur selten ein wenig erschlagen fühlt.
Das Magiesystem ist sehr kreativ, und alles andere ist erstaunlich realitätsnah. Wirtschaft und Politik sind logisch und könnten so tatsächlich funktionieren. Über der Historie erfährt man recht wenig, aber auch diese Informationen sind gut eingebracht und schlüssig.
Alles in allem kann ich „Warbreaker“ eine Leseempfehlung aussprechen. Im mittleren Teil flaut die Handlung stark ab, aber alles hieran schreit, dass sich Brandon Sanderson sehr ausgiebig mit jedem Teil seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Fehlerlos ist der Roman nicht, aber wer mit High-Fantasy etwas anfangen kann, sollte sich ihn näher ansehen.
Details zum Roman:
Titel: Warbreaker
Autor: Brandon Sanderson
Verlag: Orion Publishing Group
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 978-0-575-09746-9
Genre: Fantasy
Preis: 11,99€
Seiten: 656
Reihe: ja, 1 von 2 (s. Datum)
Bewertung: 4 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 900
Stand: 26.08.2018
Soraks Dorf wird von Drachen zerstört, was seinen Hass auf sie noch weiter schürt. Dennoch rettet ihm ein Drache sein Leben und bringt ihn nach Drachenstadt, wo er erfährt, dass er eine Rolle im Krieg der Stadt gegen den Dunklen Herrscher zu spielen hat – und sich für eine Seite entscheiden soll.
Der Schreibstil glänzt mit einem guten Lesefluss, weist darüber hinaus aber wenige Qualitäten auf. Neben Füllwörtern, GEBRÜLLE und unüberlegten Formulierungen gibt es ein paar gestellt wirkende Dialoge und eine Atmosphäre, die durch Abwesenheit glänzt.
Während die Handlung bei den wichtigsten Punkten gut durchdacht und die Geschichte nicht vorhersehbar ist, scheitert sie bei kleineren Details. Es gibt zu viele Kontinuitätsfehler, Spannung kommt aufgrund des Protagonisten kaum auf, Gedanken- und Motivationssprünge bringen die Handlung voran.
Sorak verhält sich wie ein Arschloch erster Güteklasse, taugt aber aufgrund nicht vorhandener Charakterqualitäten nicht zum Antihelden. Wäre seine Geschichte, seine Ideologie besser in Szene gesetzt und nicht nur rational halbwegs nachvollziehbar, sondern spürbar, hätte er ein interessanter bis hervorragender Charakter sein können; so ist er einfach nur ein Arsch.
Rund um die Antagonisten gibt es einige Twists, deswegen hier eine Kürzestfassung, die hoffentlich nichts vorwegnimmt: Sie wirkt nicht gefährlich und ist schlecht in Szene gesetzt, er wirkt sympathisch, der Böse ist dennoch Böse und damit ist all das Anbrechen des Schwarz-Weiß-Denkens zunichte gemacht.
Der Welt kann ich nicht viel abgewinnen. Viele phantasievollere Aspekte haben bemerkenswert kreative Namen (Schicksalsbrunnen, Legendärer Drache, Onyx als Name für den schwarzen Drachen, Rubin als Name für den roten Drachen, Smaragd als …) und obwohl Sorak seine Portion Reisen bekommt, habe ich kein Gefühl für die Welt.
Alles in allem ist „Der fünfte Magier: Schneeweiß“ ein mangelhafter Roman, der dennoch zur kurzweiligen Unterhaltung taugt, da der Lesefluss mitreißt und die Geschichte sich nicht vorhersehen lässt. Wer aber Wert auf einen gut durchdachten und dargestellten Protagonisten legt, sollte lieber wo anders suchen.
Details zum Roman:
Titel: Der fünfte Magier: Schneeweiß
Autor: Christine Weber
Veröffentlicht über: Amazon Selfpublishing
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 9781976732379
Genre: High-Fantasy
Preis: 14,99€ (s. Datum)
Seiten: 444
Reihe: ja, Band 1 von 2 (s. Datum)
Bewertung: 2,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Stand: 09.09.2018
Wörter: circa 400
Dieser Roman musste mehr als eineinhalb Jahre auf meiner Wunschliste ausharren, bis ich mir die Zeit genommen habe, ihn zu lesen. Als High-Fantasy präsentiert er sich, hinzu kommen starke Einflüsse aus dem chinesischen Raum – ein vielversprechender Ansatz.
Kuni ist ein draufgängerischer Taugenichts, der wegen seiner Kritikfreudigkeit aus der Schule geworfen wurde. Erst als er Jia kennen lernt, in die er sich verliebt, beginnt er sich als Beamter im Kaiserreich Mapidérés hochzuarbeiten. Währenddessen wächst Mata heran, der letzte Nachkomme einer fast ausgestorbenen Adelsfamilie, und ihr Mörder ist Kaiser Mapidéré. Als sich ein Bauernaufstand erhebt, nehmen beide, Kuni und Mata, die Gelegenheit wahr, die Geschicke der Sieben Inseln zum Besseren zu wenden.
Als erstes entschuldige ich mich für diese Zusammenfassung, da sie jede Menge Charaktere und Ereignisse nicht abdeckt, aber aufgrund des Romanaufbaus ist es unmöglich, es besser hinzubekommen, und als zweites möchte ich dringend davon abraten, den Klappentext des Buchs zu lesen, da der Teil, den er anteasert, erst nach der 60-Prozentmarke beginnt und er dementsprechend mehrere hundert Seiten spoilert.
Den Eindruck, den ich noch lange von diesem Buch haben werde, auch wenn ich die Namen Kunis und Matas schon lange vergessen habe, ist viel. Sehr viel. Sehr viele Namen, sehr viele Charaktere, sehr viel Weltenbau, sehr viele Details. Ich gehe so weit zu behaupten, dass es mehr sind als in „Herr der Ringe“, sofern man den Anhang wegrechnet.
Als nächstes werde ich mich an den Schreibstil erinnern, der „Die Schwerter von Dara“ aus der Masse der High-Fantasy hervorhebt. Der größte Unterschied besteht in der Distanz zu den Charakteren.
Das soll nicht heißen, man könne keinen Draht zu ihnen entwickeln, aber durch diverse Techniken fühlt es sich nur selten so an, als ob man als Leser quasi neben den Protagonisten steht und die Szene miterlebt. Beispielweise gibt es massenweise Tell – ich würde es nicht direkt als Infodump bezeichnen, und bei der Menge an Details, die Ken Liu Dara verliehen hat, wäre ein Nicht-Ausweichen auf Tell unmöglich, aber das betrifft nicht nur die Städte und Landschaften, sondern auch viele Charaktere.
Es werden sehr viele Zeitraffer eingesetzt – insgesamt umspannt das Buch etwa zwei Jahrzehnte, von einem ersten Mordversuch am Kaiser, den Kuni beobachtet, bis zum Ausgang der Rebellion. Der gesamte Text wirkt leicht entrückt und liest sich stellenweise wie eine Sage, wozu auch beiträgt, dass die Dialoge nur im Ausnahmefall natürlich wirken.
Obwohl der Roman bereits über siebenhundert Seiten fasst, was auch für Fantasy eine eher hohe Zahl ist, wirkt die Geschichte an einzelnen Stellen gehetzt, die Emotionen kommen nicht ganz rüber – was daran liegen könnte, dass der Stoff, der in diesen siebenhundert Seiten verpackt ist, ohne weiteres auf mehrere Bücher verteilt werden könnte. Im Grunde wird weder Matas noch Kunis Geschichte erzählt, sondern die Geschichte einer jahrelangen Rebellion – erst nach der Hälfte des Romans verlagert sich der Fokus spürbar auf die beiden Protagonisten.
Es gibt sehr viele Perspektivenwechsel und Zeitsprünge, gerade in der ersten Hälfte, und visuell abgegrenzt von der restlichen Geschichte gibt es Erzählungen, die die Geschichte eines Charakters oder eines Landes in recht kurzer Zeit wiedergeben. Der Niedergang Rimas ist ein Beispiel dafür.
Dennoch entsteht ein guter Lesefluss, und das Lesen macht an vielen Stellen viel Spaß – Voraussetzung dafür ist, dass ich mich an die Geschichte des jeweiligen Charakters erinnern kann, worauf ich gleich noch näher eingehen werde.
Abgesehen von vereinzelten englischen Wörtern, die nur bedingt in den Roman passen, und ein wenig GEBRÜLLE gibt es einen Aspekt des Stils, der mir sehr zugesagt hat: Die ausgesprochen kreativen Vergleiche und Metaphern. Einer stammt von Seite 28:
Der Junge nickte, erwiderte aber nichts und schaute über die wogende Menge hinweg wie ein Kranich über ein Sandvipern-Gezücht.
Es gibt noch viel mehr gute Beispiele, und ich bereue ein wenig, dass ich mir die schönsten nicht markiert habe.
Zur Handlung habe ich nicht viel zu sagen. Durch die vielen Handlungsstränge der unzähligen Charaktere habe ich kaum einen Überblick, weswegen ich nicht mit Sicherheit sagen könnte, hier oder dort bestünde ein Plotloch . Was ich aber sagen kann: Es gibt nur wenig, das man vorhersehen kann, und das Ende zählt nicht dazu.
Wie bereits am Anfang erwähnt, gibt es sehr viele Charaktere, die eine Rolle im Krieg spielen und auch recht viele Seiten gewidmet bekommen, was den Fokus während der ersten Hälfte von Mata und Kuni ablenkt. Ausgesprochen bewundernswert finde ich, dass viele dieser Nebencharaktere zumindest ein Motiv, die wichtigeren oft eine ganze Hintergrundgeschichte bekommen.
Dazu zählen auch die Antagonisten – von denen es nur deswegen klare gibt, weil es klare Kriegsfronten gibt; den stereotypen Bösewicht, der um der Bosheit Willen böse ist, findet sich hier nicht. Besonders bewusst ist mir das geworden, als ich mich an einer Stelle gefragt habe, wieso um Himmels Willen die Beamten rund um den Kaiser herum das Volk derart malträtieren, dass sie geradezu um eine Rebellion betteln.
Nachdem nicht wenige Seiten darauf verwendet wurden, die Perspektive der Verantwortlichen zu erklären, ist mir ihre Fahrlässigkeit nicht mehr idiotisch vorgekommen – sie ist für diese Charaktere unter diesen Umständen nachvollziehbar. Nicht schlau, aber nachvollziehbar. Das ist schon wesentlich mehr, als die meisten anderen Fantasyromane hinbekommen.
Aufgrund der Seitenknappheit werden aber auch viele Charaktere, die immer wieder eine Rolle spielen, ein wenig übergangen und nicht wirklich ausdifferenziert. Die Brüder, die beim Bauernaufstand dabei sind, sind dafür ein Beispiel.
Um endlich auf die Protagonisten zu sprechen zu kommen: Kuni ist mir sympathisch, aber er hat nicht viele Schwächen und zu seinen feministischen Reden komme ich noch, und Mata wird zwar zu einem menschlichen, gut differenzierten Charakter gestaltet, aber einen Draht hatte ich nur selten zu ihm.
Da ich schon das F-Wort genannt habe, fange ich gleich mit ihm an. Fast alle der sehr vielen Charaktere sind männlich. Zunächst scheint es so, als ob der Roman einfach sein Ding durchziehen würde, und dann beginnt Kuni, seine Reden zu halten. Der Inhalt dieser Reden ist alles andere als verwerflich – Frauen leisten auch Arbeit und sollten nicht so gering geschätzt werden – aber die Exekution hat es offensichtlich gemacht, dass dieser Charakterzug, diese Ansicht Kunis deswegen im Roman ist, weil einem bestimmten Kreativschaffenden bewusst geworden ist, dass nicht fünfzig Prozent der Charaktere eine Vagina haben, nicht einmal annähernd. Es wirkt auf mich, als wollte Ken Liu das ausgleichen, koste es, was es wolle.
Später führt er die Prinzessin von Amu ein, die einen eher kurzen Auftritt hat und für die er noch ein Gespräch einbaut über Schönheit und die Beschränkungen der Gesellschaft für Frauen und dass Frauen dann eben ihre Waffen nützen müssen, wenn sie schon keinen Bogen in die Hand gedrückt bekommen, und auch das finde ich nicht gerade gelungen. Nicht so sehr wegen der Aussage, erneut, sondern weil das offenkundig kein Thema des Romans ist – oder ich zumindest nicht erwartet habe, eine halbe Rechtfertigung des Autors zu lesen, dass er eine patriarchale Gesellschaft erfunden hat. (Das, was die Prinzessin letztlich macht, finde ich im Übrigen gelungen. Hatte allerdings wenig mit Emanzipation zu tun.)
Im letzten Abschnitt des Romans wird eine weitere Frauenfigur eingeführt, eine Kriegerin, und ab da ist das Thema Gleichberechtigung meines Erachtens nach deutlich besser gehandhabt worden – zumindest habe ich nicht einfach nur darauf gewartet, dass der Abschnitt vorübergeht und das Buch zum Plot zurückkommt.
Lobend möchte ich hervorheben, dass es einzelne Details gibt, die im Verlauf des Romans wieder aufgegriffen werden, teils unter komplett anderen Umständen – beispielweise die Sache mit dem Grashalm, bei dem der Kontext die Unterschiede zwischen Mata und Kuni sehr gut hervorhebt. Würde ich das Buch noch einmal lesen, würden mir sicher noch mehr solche Kleinigkeiten auffallen. Auch wenn die Sache mit dem Löwenzahn am Ende zum dreihunderttausendsten Mal ein ganz kleines Bisschen genervt hat.
Hinzu kommt, dass ich immer wieder Ansätze philosophischer Überlegungen im Subtext gesehen habe. Ich tippe darauf, dass sich auch hier einiges herausholen lässt, wenn man den Fokus der Lektüre darauf legt.
Was beim Weltenbau auffällt, ist die Detailliebe, die ich jetzt schon mehrfach angesprochen habe. Auf der einen Seite finde ich sie bewundernswert – Ken Liu hat sich sehr genau mit seiner Welt auseinandergesetzt, mit den Motiven, die Menschen antreiben, mit Ökonomie und Geographie. Direkt magische Aspekte gibt es nur wenige – ein magisches Buch, ein paar neue Tierarten, ein paar Götter, die in die Handlung eingreifen und das Geschick ihrer Schutzbefohlenen zu lenken versuchen, womit sie mich ein wenig an die griechisch-römische Mythologie erinnern.
Auf der anderen Seite, so schön und schillernd und facettenreich die Welt auch sein mag – es ist mir zu viel gewesen. Vielleicht wäre eine Aufspaltung auf deutlich mehr Bücher besser gewesen, vielleicht wären andere Erzähltechniken geeigneter gewesen, aber ich habe bis zum Schluss auf der Karte nachschauen müssen, wo die einzelnen Regionen liegen – ohne die Karte hätte ich noch immer keine Ahnung, wie die Inseln aussehen sollen –, und ich frage mich, was hätte sein können, wenn dem Leser jede Stadt, jedes Land, jede Region langsam und durch viel mehr Show gezeigt worden wäre.
Das ist nicht die Geschichte, die Ken Liu erzählen wollte, und ich finde den Versuch ebenso lobenswert, wie ich die Bezeichnung „episch“ als angemessen empfinde, aber ich persönlich sehe „Die Schwerter von Dara“ als eine Art Leseexperiment an: Gut, dass ich es gewagt habe, und nicht schlecht, aber die Herausforderung ist mir zu groß.
Dementsprechend werde ich die beiden Folgebücher nicht lesen – auch wenn ich die Cover vergöttere.
Um all das zusammenzufassen: „Die Schwerter von Dara: Seidenkrieger“ ist ein High-Fantasy-Roman mit eher wenigen magischen Elementen, der sich klar von der Masse ähnlicher Titel abhebt und über ein herausragendes Worldbuilding und bemerkenswerte Detailverliebtheit verfügt. Eingeschworene High-Fantasy-Fans sollten mal schauen, ob es was für sie sein könnte – wer sich aber davor fürchtet, von Namen und Begriffen erschlagen zu werden, wird mit dem Roman keine Freude haben.
Details zum Roman:
Titel: Die Schwerter von Dara: Seidenkrieger
Autor: Ken Liu
Verlag: Knaur Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-426-51906-6
Genre: Fantasy
Preis: 11,30€
Seiten: 735
Reihe: ja, 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1700
Stand: 17.10.2018
Da dies der dritter Roman meines urtümlichen Sammelbands ist, hatte ich etwas Angst, dass er ebenso ausfallen könnte wie Band eins und zwei dieses Buchs – die Anfänge der Scheibenwelt, die nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut sind.
Ich sollte mir weniger Sorgen machen.
Rincewind führt ein ebenso beschauliches Leben wie die anderen Zauberer der Unsichtbaren Universität – bis der kreative Magus Münze, ein zehnjähriger Junge, die gesamte Welt umkrempelt. Plötzlich findet sich Rincewind auf der Flucht vor der kreativen Magie wieder, die aus gutem Grund vor Jahrhunderten verboten wurde.
Terry Pratchetts Schreibstil ist einfach nur hervorragend. „Der Zauberhut“ weist so viel Witz auf, dass ich ihn allein deswegen zu den besten Scheibenweltromanen zähle, die ich bisher gelesen habe. Die Beschreibungen sind humorvoll und voll von Personifikationen. Fußnoten dominieren die Seitenränder und sorgen für zusätzliche Unterhaltung.
Etwas zwiespältig stehe ich dem gegenüber, dass der Text sehr wohl weiß, dass er ein Text ist, und den Leser mehrmals anspricht – aber es kommt nicht häufig vor und es wird zu komödiantischen Zwecken genutzt, also sehe ich es nicht wirklich als etwas Negatives an.
Die größten Kritikpunkte am Stil richten sich nicht gegen den Stil selbst, sondern gegen meine Auflage des Romans, die Tods Rede freundlicherweise ZU EINEM EINZIGEN GEBRÜLLE werden lässt, anstatt Kapitälchen zu verwenden.
Es ist die meiste Zeit über nicht wirklich klar, wohin Rincewind und mit ihm der Text will – was dafür sorgt, dass ich nicht ständig wusste, was passieren wird, kurz bevor es passiert, und da sich diese Ungewissheit in Grenzen hält und das Buch dadurch nicht vollkommen chaotisch wirkt, habe ich nichts daran auszusetzen.
Mir sind nur vereinzelte Probleme mit der Kontinuität aufgefallen – ein kleines Beispiel ist, dass am Ende des dritten Bands Oma Wetterwachs eine Lehrstelle an der Unsichtbaren Universität angeboten wird, was aber nicht in diesem Roman aufgegriffen wird.
Die Auflösung der insgesamt zwei Katastrophen und einer Semi-Katastrophe am Ende ist meiner Meinung nach zu zwei Dritteln gelungen, beim letzten Drittel frage ich mich, wieso der Riss in der Realität einfach so wieder verschwunden ist, kurz nachdem Truhe hindurchgehupft ist. Die beiden anderen Auflösungen sind zwar in Ordnung, aber im Vergleich zum restlichen Buch bleiben sie etwas hinter den Erwartungen zurück.
Vier- oder fünfmal kommt es außerdem vor, dass Rincewind innere Monologe mit sich selbst führt – seinem Gewissen, seiner Libido, das Übliche eben. Diese Gespräche fallen zwar sehr kurz aus und schlagen ebenfalls in die humoristische Kerbe, haben mir aber nicht zugesagt.
Rincewind ist ein hervorragender Protagonist, da er definitiv kein Protagonist irgendeiner Geschichte sein möchte und dieser Einstellung auch treu bleibt – abgesehen von seiner letzten Tat im Roman, die ich hier nicht spoilern möchte, die aber mit diesem grundlegenden Charakterzug nicht ganz konform geht.
Hinzu kommen andere Details seines Charakters – dass seine Lehrer postulieren, er würde nicht einmal die nullte magische Stufe erreichen, ist dafür ein Beispiel.
Truhe ist ebenfalls mit von der Partie, und obwohl sie weniger ein Charakter als ein Running Gag ist, mag ich sie sehr. Wer könnte schon magischem Birnbaumholz widerstehen?
Der Antagonist – nicht der Junge, sein Herr Papa – ist, wie ebenfalls recht typisch für die Scheibenwelt, zwar rudimentär entwickelt, was heißen soll, dass seine Motive klar sind und er dementsprechend nicht nur wie ein simpler Bösewicht rüberkommt, aber der Fokus liegt eindeutig nicht auf ihm.
Erneut geben die Nebencharaktere das eine oder andere her, und auch die Randdarsteller bekommen einige amüsante Rollen. Ebenfalls am Rande möchte ich erwähnen, dass Lord Vetinari zwar einen Auftritt hat, er aber noch nicht der Charakter ist, den ich als einen meiner Lieblingscharaktere der Scheibenwelt bezeichnen kann.
Was bleibt mir noch zu sagen, außer dass „Der Zauberhut“ ein hervorragendes Buch der Scheibenwelt-Reihe ist und all seine Fehler mich kaum stören, weil sie im Vergleich zu den positiven Punkten beinahe nichtig sind? Dass ich den Roman allen empfehlen kann, die es mal mit der Scheibenwelt versuchen wollen oder auf humorvolle Bücher stehen.
Details zum Roman:
Titel: Rincewind, der Zauberer (hier rezensiert: „Der Zauberhut“)
Autor: Terry Pratchett
Verlag: Heyne
Erscheinungsjahr: 2001
ISBN: 3-453-18942-6
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 1069 (hier rezensiert: 557-918)
Reihe: ja; 1, 2, 5, 9 von 41 (hier rezensiert: Band 5) (s. Datum)
Bewertung: 4,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 700
Stand: 31.10.2018
Nichts erscheint Oskar wertvoller als das Geld, das ihm seine Arbeit liefert, und nichts ist mehr Schuld am Untergang seiner Beziehung. Doch nachdem er die Scheidungspapiere unterzeichnet hat, führt ihn ein Buch in eine Bibliothek, in der die Zeit selbst festgehalten wird – und erwartet wird er von Hermes, der sich in den Kopf gesetzt hat, dass er Oskar zu einer neuen Lebenseinstellung verhelfen will, indem er ihm seine eigene Vergangenheit zeigt.
Ein Stern Abzug für die Grammatikfehler, die gegen Ende mehr werden und sich hauptsächlich in den Bereichen Beistriche, Großschreibung und fehlerhafte Handhabung von Ellipsen niederschlagen.
Der Schreibstil ist sehr füllwörter-, adjektiv- und ausrufezeichenlastig, womit er auf mich pompös wirkt, was mir nicht zusagt. Positiv anzumerken ist das schnelle Tempo, mit dem ich durch den Text gekommen bin.
Die Handlung ist meist vorhersehbar und zu Beginn episodenhaft; erst durch die Antagonistin Avarit kommt etwas Schwung in die Sache und die Übergänge vom einen Buch, das von Oskar und seiner Frau handelt, zum anderen wirken weniger repetitiv.
Oskar hat als Charakter nicht viel her gemacht, obwohl er solide ausgearbeitet ist, und Hermes ist mir nicht sympathisch, auch wenn seine Herkunft das geringfügig abschwächt. Avarit hat weder Motivation noch einen Charakter im engeren Sinne, sodass sie als Antagonistin kaum etwas taugt – und für die Protagonisten zu mächtig ist.
Das größte Problem liegt im Weltenbau der Bibliothek, bei der fast nichts einen Sinn ergibt – und nicht im guten, surrealen Sinn, sondern im haareraufenden Sinn. Das Machtverhältnis zwischen Gestalten (wie Avarit) und Menschen ist unklar, die Motive der Gestalten ebenso, und wie die aufgeschrieben Zeit funktioniert, ist nicht erklärt – kurzum, die Regeln der Bibliothek und ihrer Bewohner sind nicht definiert, erwecken dabei aber nicht den Anschein, dass das Absicht wäre.
Alles in allem weist „Die Sprache der Zeit“ Mittelmäßigkeit bei Schreibstil, Handlung und Charakteren auf, punktet mit einem enorm hohen Lesetempo und versagt bei der Bibliothek. Ich würde das Buch nicht empfehlen, aber es gelesen zu haben, richtet auch keinen Schaden an.
Details zum Roman:
Titel: Die Sprache der Zeit
Autor: Sven Urban
Veröffentlicht über: Books on Demand
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-7528-4129-9
Genre: Low-Fantasy
Preis: 11,99€ (s. Datum)
Seiten: 340
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 400
Stand: 30.10.2018
Nachdem mir der erste Teil der Reihe geschenkt wurde und ich ihn zu meiner eigenen Überraschung gut fand, habe ich mich auf die Fortsetzung gefreut. Mehr als Vorfreude war aber letzten Endes nicht drin.
Irene ist die ansässige Bibliothekarin der Welt, in der sie gegen Alfred gekämpft hat, als Kai, ihr Lehrling, Schützling und Drache hoher Geburt, entführt wird. Überstürzt bricht sie in eine vom Chaos verseuchte Welt auf, wo sie ihn retten muss, ehe es zu einem Krieg zwischen den Elfen und den Drachen kommt, der die Menschen zermalmen würde.
Eine der Qualitäten, die ich an der „Unsichtbaren Bibliothek“ zu schätzen wusste, war der Humor. Nichts Besonderes, nicht auf Scheibenweltniveau, aber gut genug, dass es mich amüsiert hat, und vereinzelt war mehr als ein Schmunzeln drinnen.
„Die maskierte Stadt“ versucht dasselbe und scheitert glorreichst daran. In den meisten Fällen sind die Witze schlicht nicht witzig, und hin und wieder sind sie derart schlecht, dass ich sie nicht einmal als Witz erkannt hätte, hätten die Charaktere nicht auf sie reagiert.
In Bezug auf Filme habe ich die Aussage gehört, dass die wirklich guten So-schlecht-dass-sie-schon-wieder-gut-sind-Filme diejenigen sind, die sich selbst ernst nehmen und daran scheitern; Filme, die witzig sein wollen, es aber nicht sind, sind in der Regel einfach nur schlecht. Nun denn, hiermit sei diese Faustregel auch auf Fantasyromane angewendet.
Hinzu kommt, dass mich der Schreibstil nach recht kurzer Zeit genervt hat. Im ersten Band war er nicht hervorragend, aber auch nicht schlecht. Jetzt aber wirkt der Text nicht nur vereinzelt, als hätte ein Anfänger ihn geschrieben. Wortwiederholungen, Stilblüten, GESCHREIE – alles vorhanden, und abgesehen von letzterem zuhauf.
Zugegebenerweise habe ich bereits schlechter geschriebene Texte gelesen, aber bereits dieses Ausmaß erinnert mich daran, wieso ich dem Schreibstil in meinen Bewertungen so viel Gewicht zuschreibe. Ist er okay, wirkt er neutral; ist er gut, wirkt er hervorragend; ist er schlecht, wirkt er beschissen.
Ein weiteres großes Minus sind Handlung und Struktur, und das beginnt bereits auf Seite eins.
„Die maskierte Stadt“ öffnet zu einem Insider-Dokument der Bibliothekare, das im Grunde aus kurzen Lexikoneinträgen besteht, die dem Leser die Welt erklären soll. Zunächst fand ich das sogar nett – als Einleitung in den ersten Band hätte ich es gehasst, da ich die Welt beim Lesen nicht in Form eines Wikipedia-Eintrags, sondern in Form solid-subtilen Weltenbaus erfahren möchte, aber als Beginn einer Fortsetzung könnte es okay sein. Zugutegehalten sei diesen wenigen Seiten, dass die Witze tatsächlich noch so etwas wie Humor hatten.
Allerdings wird in diesem Dokument nichts gesagt, das man nicht im restlichen Buch gesagt bekommen würde, und als Erinnerung an die vorherigen Bücher kann es auch nicht dienen, da die Teile, die in ihm behandelt werden, auch im restlichen Buch noch einmal erklärt werden. – Wo ich gerade dabei bin: Es hat mich ein wenig irritiert, dass aus den Ereignissen im ersten Buch, was die konkrete Handlung rund um Alfred betrifft, ein Geheimnis gemacht wurde. Ich hatte gute Stücke des Endes bereits vergessen oder nicht detailliert in Erinnerung, und normalerweise machen sich Autoren nicht die Mühe, im zweiten Band Spoiler für den ersten zu vermeiden.
Es geht weiter mit einem Prolog, der aus Kais Sicht die Minuten vor seiner Entführung schildert. Danach folgt ein Zeitsprung und aus Irenes Sicht wird erzählt, was drei Tage zuvor geschehen ist, nur um dann endlich zu dem Punkt zu kommen, wo der Prolog angesetzt hat. Diese Struktur wirkt plump und unüberlegt – Kais Perspektive verrät mir nichts, das ich nicht schon wüsste oder das später nicht noch erklärt wird, also wozu werde ich in medias res versetzt, wenn ich mich nachher mit „Drei Tage vorher“ herumschlagen darf?
An Kais Entführung schließt sich ein ausgesprochen langweiliger Teil an – Irene und der Detektiv beratschlagen, was sie machen sollen, bis der Elf Silver interveniert und Irene die Möglichkeit gibt, mal in die richtige Welt zu reisen. Zwischenzeitlich erstattet sie der Bibliothek Bericht und besucht einen Drachenkönig, was deutlich weniger interessant umgesetzt wird, als es klingt.
Dann endlich setzt sich der Plot in Bewegung und Irene stolpert von einer Situation in die nächste, um irgendwie Kai zu retten, und das innerhalb … zweier Tage, wenn ich mich richtig erinnere. Oder eines Tages. Das Zeitlimit ist jedenfalls lächerlich eng gesetzt, sie hat keinen Plan von irgendetwas, weder von der Umgebung noch von den beteiligten Elfen noch von der Welt im Allgemeinen, und trotzdem gibt’s ein Happy End.
Diese dreihundert Seiten sind zwar halbwegs unterhaltsam, aber mehr als Zeittotschläger sind sie nicht. Bevor ich zum Finale komme, möchte ich noch kurz anmerken, dass Alfred, dessen Handlungsstrang am Ende des ersten Bandes eindeutig offengelassen wurde, um später aufgegriffen zu werden, ein Dutzend Mal erwähnt wird und im engeren Sinn keine Rolle spielt. Er klang gegen Ende der „Unsichtbaren Bibliothek“ wie ein vielversprechender, vielschichtiger Antagonist, der einen Handlungsbogen über die Reihe spannen könnte, aber stattdessen werden neue Antagonisten eingeführt, die zuvor nie erwähnt wurden und nicht viel hermachen.
Während der zweite Akt der „Maskierten Stadt“ trotz alledem durchaus unterhaltsam ist, ist der dritte eine einzige Katastrophe. Während des gesamten Romans wurden bestimmte Limits eingehalten – Irene kann die Sprache zwar verwenden, aber wegen der hohen Chaosverseuchung führt das schnell zu Erschöpfung, um ein wichtiges Beispiel zu nennen.
Guess what, sobald die Flucht aus Kais Gefängnis beginnt, wird alles aus dem Fenster geschmissen, das einem guten Ende im Weg steht. Unsere Helden rasen in einer Flutwelle eine metallene Treppe hinunter und überleben das nicht nur, sondern ziehen sich nur ein paar Prellungen zu. An dem Punkt sollten zumindest ein paar Knochen gebrochen sein, von mindestens einem das Genick oder der Schädel.
Als nächstes werden die Erschöpfungserscheinungen nach Verwendung der Sprache gestrichen, denn obwohl Irene die letzten Tage über fast nicht geschlafen hat, fast immer von tödlichen Feinden verfolgt wurde und von einer ebenso tödlichen Situation in die nächste stolpert, muss sie es irgendwie noch durch halb Venedig zum Zug schaffen und den Zug befreien, und da die Gegner viel zu mächtig sind, muss sie die Sprache einsetzen, was sie an dem Punkt, an dem sie aufgrund der Sache mit der Flutwelle und der Treppe sowieso schon tot sein sollte, mindestens in eine erschöpfungsbedingte Ohnmacht stürzen sollte. Aber nein, natürlich schaffen es alle zum Zug, und natürlich kann sie den Zug auch befreien, und danach kommt sie auch noch mit der letzten tödlichen Bedrohung innerhalb des Zugs klar, denn an dem Punkt ist sie sowieso unverwundbar, also was soll’s.
Aber das war es immer noch nicht. Die mächtigsten Elfen des gesamten Multiversums sind jetzt hinter ihr her, weil sie, naja, einen Drachen aus ihrer Stadt gestohlen hat, was die Elfen dezent schlecht dastehen lässt, und es ist unvermeidbar, dass diese übermächtigen Verfolger den Zug definitiv einholen werden, und dann gäb’s doch kein Happy End.
Wäre da nicht der freundliche Drachenkönig aus Akt eins, der mal eben alle Elfen bei seinem bloßen Anblick dazu bringt, die Verfolgung aufzugeben. Nur um das klarzustellen: Dieselben Elfen hätten liebend gern einen Krieg gegen die Drachen geführt. Die Drachen, nicht nur den einen Drachenkönig persönlich. Aber all die mächtigsten Elfen überhaupt verziehen sich, sobald sich ein mächtiger Drache zeigt. Mhm.
Genug darüber gerantet, kommen wir zum nächsten Thema, den Charakteren. Ich konnte schon im ersten Buch nicht viel mit Irene anfangen – sie war okay, kam mir aber wie eine klassische Leserin vor, ohne einen wesentlich genauer definierten Charakter zu haben.
In diesem Roman wird es noch schlimmer. Zumal ich mit ihrem Humor nichts anfangen kann, was dazu führt, dass ich ihr gegenüber nicht mehr neutral eingestellt bin, sondern dass ich sie nicht mag. Hinzu kommt, dass sie selbst und alle um sie herum von ihr behaupten, dass sie immer alles durchplant, aber sobald es darauf ankommt, stürzt sie sich ohne irgendeine Form der Vorbereitung in eine Mission, die zum Scheitern verurteilt ist und auch gescheitert wäre, hätte es am Ende nicht Plotholes der Größe des Ärmelkanals gegeben.
Zwar könnte man dieses vollkommen irrationale Verhalten dahingehend interpretieren, dass es ein Zeichen ihrer Liebe zu Kai ist, die bis zur Selbstaufgabe geht, nur würde mich das nicht milder stimmen. Gegenteilig würde es mich an das Liebesdreieck erinnern, das sich zwischen Irene, Kai und dem Detektiv aufzuspannen beginnt, und wenn man dazurechnet, dass Irene, obwohl sie deutlich älter als zwanzig ist, teenagerhaft ständig durchkaut, dass sie ja eigentlich gar nicht in Kai verknallt ist, grämt es mich, dass die Frau nicht bei der Treppe gestorben ist.
Kai und der Detektiv spielen im Buch keine ganz so große Rolle – Kai wird zwar entführt, ist damit aber über weite Teile des Plots ausgeschaltet. Als Charakter taugt er vielleicht am meisten, aber das ist relativ zu den anderen Charakteren gesprochen, und die zählen nur im weiteren Sinne als ernstzunehmende Konkurrenz.
Die Antagonisten bestehen aus einem Elfenpaar, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe. Sie sind böse. Ihre Bosheit hat eine innere Logik, und in ihren Charakteren liegt Potenzial verborgen, aber es liegt sehr, sehr tief, und der Papplöffel, mit dem das Buch nach ihr gräbt, ist dem nicht gewachsen.
Alfred hatte keinen Auftritt. Im besten Fall hat er irgendetwas hinter den Kulissen gemacht, aber da ich die Nachfolgebücher nicht lesen werde, kann ich das nicht beurteilen.
Das wohl größte Lob, das ich dem ersten Buch ausgesprochen habe, ist der Weltenbau, der mich an so vielen Stellen fasziniert hat, dass es mich noch immer beeindruckt. Nicht so sehr allerdings wie die Leistung des zweiten Teils, genau diese Faszination zu nehmen und sie so weit weg zu schleudern, dass sie inzwischen Alpha Centauri passiert hat.
Ich habe absolut kein Interesse für die Welt verspürt, bis auf ein oder zwei sehr kurze, sehr schwache Ausnahmen am Anfang. Dabei sind die ganzen faszinierenden Konzepte noch immer da, werden sogar teilweise illustriert, aber die bestenfalls mittelmäßigen Charaktere, Irenes Erzählperspektive und das lächerliche Finale haben sie so gut verdeckt, dass ich mich am Ende des Buches überrascht daran erinnert habe, dass sie vorhanden sind.
„Die maskierte Stadt“ ist in jeder Hinsicht schlechter als „Die unsichtbare Bibliothek“. Der Schreibstil wirkt plump und ungeübt, die Struktur ungelenk, die Handlung ergibt wenig Sinn, die Charaktere sind nicht ansatzweise interessant und alles Positive, das der Weltenbau rausholen könnte, wird von diesen enormen Fehlleistungen überschattet. Wenig überraschend daher mein Entschluss, die Reihe nicht fortsetzen.
Details zum Roman:
Titel: Die maskierte Stadt
Autor: Genevieve Cogman
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-404-20888-3
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 461
Reihe: ja; 2 von 5 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1700
Stand: 02.12.2018
Ich hatte das Buch bereits einmal auf der Noch-reinlesen-Liste, habe mich nach der Leseprobe aber gegen eine Lektüre entschieden. Auf dringende Empfehlung eines Bekannten habe ich es dann doch gewagt, und wenn ich meinen Sterneschnitt ansehe, kann ich nicht einmal behaupten, das wäre etwas Schlechtes gewesen.
Tavi lebt auf einem von mehreren Wehrhöfen, die die Grenze zwischen Alera, dem Reich der Menschen, und den Gebieten der feindlichen Marat markieren, zusammen mit wenigen Städten. Auf der Suche nach seiner Schafherde begegnet ihm ein Marat – und er ist nur einer von vielen …
Über zwei Drittel des Romans ist der Schreibstil nichts Besonderes, aber auch nicht notwendigerweise schlecht. Es finden sich vereinzelt Wortwiederholungen oder seltsam gewählte Wörter, wobei das vielleicht an der Übersetzung liegt, und Landschaften atmosphärisch zu beschreiben ist nicht Jim Butchers Stärke.
Hinzu kommt ein wenig GEBRÜLLE, der Gebrauch von Ausrufezeichen bei direkten Reden ist teils etwas verwirrend, und die direkten Reden unterscheiden sich nicht zwischen den Charakteren, Faede ausgenommen.
Zugutehalten muss ich Jim Butcher, dass sein Buch schnell zu lesen ist, und bevor ich zu meinem größten Lob komme, möchte ich kurz die Charaktere vorgreifen. Obwohl sie gut angelegt sind, ist mir eine Bindung zu ihnen nicht gelungen, und da sich das im letzten Drittel teils geändert hat, vermute ich, dass der Schreibstil mitschuldig ist.
Dieses letzte Drittel besteht im Grunde aus einer riesigen Schlacht, die hervorragend beschrieben ist. So gut, dass ich behaupte, bisher keine besser geschriebene gelesen zu haben. Es gibt zwar vereinzelte Ausrutscher bei den Formulierungen oder dem Hervorheben von Heldentum, aber das sind eben nicht mehr als Fehltritte, die das Gesamtbild kaum zu stören vermögen.
Nebst der hervorragenden Beschreibungen hat dieses Drittel auch der Struktur der Geschichte gut getan. Sie wirkte nicht unbedingt stereotyp – obwohl einige „überraschende Twists“ ziemlich schnell vorhersehbar waren –, aber konstruiert.
Mir ist bewusst, dass die Geschichte konstruiert ist, aber das ändert nichts daran, dass ich das nicht mitbekommen möchte. Es verhindert, dass ich mich in ihr versenken kann – und in gewissem Maße trifft das auch auf die Charaktere zu, die ein bisschen künstlich wirkten, als hätten sie sich so verhalten, weil das halt ist, wie sie sich verhalten sollen.
Dieser Effekt wird von den Schlachtbeschreibungen fast vollkommen übertüncht. Ich sage übertüncht, weil ich denke, dass das Problem da ist, aber es ist nicht so leicht zu erkennen.
An mehreren Punkten gibt es Wendungen im Plot, die nicht ungerechtfertigt genug sind, dass ich sie als Plotlücke bezeichnen würde, aber zu einhundert Prozent kaufe ich die Entwicklung auch nicht ab – ich spreche hier vor allem über das Verhalten oftmals auch von Nebencharakteren, das den Protagonisten hilft oder sie aktiv behindert.
Obwohl ich oben geschrieben habe, dass einige Plottwists bereits von Ferne zu erkennen waren, sind sehr viele, und oft auch die konkrete Ausführung der Twists, alles andere als vorhersehbar und haben mich überrascht. Beispielweise – kleinerer Spoiler hier, sollte das jemanden stören, bitte zum nächsten Absatz vorspringen – stellt sich heraus, dass Faede, der sich verhält wie eine Person niedriger Intelligenz (keine Beleidigung, eine Beschreibung), eigentlich gar nicht schwachsinnig, sondern schlau und erfahren ist. Nicht vorhergesehen habe ich aber, wer er ist, insofern geht der Punkt halb an Jim Butcher.
Erwähnt haben möchte ich noch, dass es im zweiten Drittel eine Stelle gibt, an der Bernard und Amara derart kurz vorm Ziel noch von einem Nebendarsteller aufgehalten werden, dass ich ausgesprochen frustriert war und schlechte Laune bekommen habe. In gewisser Weise ist das wohl ein Lob an Jim Butchers Fähigkeiten als Autor, aber wenn ich frustriert sein will, habe ich genug Gründe im realen Leben, und ich lese keine High-Fantasy, um mir vor Frustration ein Brett gegen den Kopf hämmern zu wollen.
Zu den Charakteren habe ich bereits gesagt, dass sie im Grunde gut aufgebaut sind, und bevor ich das etwas näher erörtere, möchte ich die Liebesbeziehungen ansprechen. Die gute Nachricht zuerst: Kein Liebesdreieck. Jetzt die schlechte Nachricht: (mindestens) drei Liebesgeschichten.
Wer meine Rezensionen schon etwas länger liest, weiß, dass ich Liebesgeschichten deswegen nicht ausstehen kann, weil sie mich in aller Regel zu Tode langweilen, und siehe da, genauso war es bei den „Elementaren von Calderon“. Zur Verteidigung des Romans lässt sich sagen, dass den Liebesbeziehungen nicht sehr viel Zeit eingeräumt wird, aber wesentlich mehr als ein paar Zeilen pro Beziehung sind für meinen Geschmack bereits zu viel, so there’s that.
Meine Bindung zu den Protagonisten war zwar nie so stark, dass ich sie als normal bezeichnen würde, aber ich wollte die Charaktere nie sterben sehen, was sich bei den Schlachten bezahlt macht. Die Antagonisten sind zwar am Anfang als hassenswert dargestellt, mit Ausnahme von Fidelias, bekommen aber im Laufe des Buches ihre eigene Hintergrundgeschichte.
Zu den Protagonisten zähle ich Tavi, der Hirtenjunge, der unabsichtlich die Invasion aufspürt; Bernard, seinen Onkel, der als erstes drunter leiden muss, als Wehrhöfer aber schnell seiner Verpflichtung nachkommt, das Tal und seinen Hof zu schützen; Amara, die als … nennen wir’s mal Botschafterin der Krone fungiert und die Invasion aufhalten will; und Isana, Bernards Schwester, die eine starke Heilerin und Wasserelementarin ist und die meiste Zeit damit beschäftigt ist, ihren Arsch zu retten. Wobei diese Beschreibung auch auf die anderen drei zutreffen könnte.
Gegen Tavi und Bernard habe ich als Charaktere nichts einzuwenden, außer vielleicht, dass mir zu Bernard keine negativen Eigenschaften einfallen und Tavi, nun ja, ein Jugendlicher ist. Jugendliche machen dumme Dinge, und dementsprechend war es nicht immer angenehm, über seine Taten zu lesen, aber das ist kein allzu großes Problem.
Amara … Tja. Zu ihr habe ich keinen wirklichen Draht bekommen. Ich kann nicht sagen, woran genau das liegt, aber sie reizt mich nicht.
Gegenüber Isana hege ich sogar eine leichte Antisympathie. Sie leidet unter dem Eindruck der Leute, sie wäre unfruchtbar, und sie mag nicht, wie sie aussieht, und dass sie keinen Lebenspartner gefunden hat. Sie ist die Streitschlichterin, hat ein gutes Herz, und kommt meiner Meinung nach in die erniedrigensten Situationen des gesamten Buches. Ich schätze, ich mag diesen über-weiblichen Archetypus nicht wirklich, und obwohl sie sich jedes Mal selbst aus der Patsche hilft, mag ich sie als Charakter nicht.
Zu den Antagonisten: Fidelias, ehemaliger „Botschafter“ (im Buch wird er als Kursor bezeichnet) der Krone, die er zu Beginn verrät; Aldrick, der zweitbeste Schwertkämpfer im Buch; und Odiana, die „Wasserhexe“, Freundin von Aldrick.
Fidelias ist der Charakter, den ich als am grausten bezeichnen würde. Er ist zwar auf der Seite der Antagonisten, die den Ersten Fürsten (quasi den König) stürzen wollen, aber da er mehrere Male die Dinge aus seiner Sicht erzählen kann und auch seine Motive darlegt, habe ich nicht den Eindruck bekommen, dass er ein klassischer Bösewicht ist. Jede Menge Potenzial, ein durchaus vielschichtiger Charakter, und dennoch hat’s nicht gefunkt.
Aldrick hat zwischenzeitlich auch eine Backstory bekommen, aber ich habe schon wieder vergessen, welche. Er bekommt menschliche Züge, indem er beispielweise feststellt, dass er das Töten nicht mag, auch wenn er wirklich gut darin ist, und auch für ihn gilt: Gut aufgebauter Charakter, viel Potenzial, nicht so wirklich zu mir durchgekommen.
Odiana ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern, hat aber gegenüber Fidelias und Aldrick den enormen Vorteil, dass sie nicht nur erklärt, wieso sie zu den Antagonisten gehört, sondern dass sie im letzten Drittel demonstriert, dass sie nicht nur eine durchgeknallte Mörderin ist. Ich schätze, ich kann ihr am meisten abgewinnen, und ja, da ist sogar gegen Ende ein wenig zu mir durchgekommen.
Die titelgebenden Elementare gehören zu dem Magiesystem, das mich etwas irritiert zurückgelassen hat – nicht so sehr in Bezug auf die Elementare selbst, denn obwohl hier einige Fragen offengeblieben sind (Woher kommen sie? Wie binden sie sich an einen Menschen? Sind sie sein Sklave, sein Freund? Wieso kann Tavi als der einziger, der keinen Elementar hat, die Elementare in Lampen und im Wasserhahn nicht benutzen, aber alle anderen, auch wenn sie keine Feuer- oder Wasserelementare haben, können das?), kann man die meisten wohl zur Kategorie „wird in den Folgebüchern ausgebaut“ rechnen.
Wo ich nicht ganz durchblicke, sind die emotionalen Begabungen, die mit den verschiedenen Elementen einhergehen. Feuerleute können Gefühle manipulieren, Erdleute auch, aber nur die niederen, tierischen Emotionen und die von Tieren – sexuelles Verlangen zählt offenbar dazu, aber ich kann mir nichts unter dem Begriff „hohe Emotionen“ vorstellen. Wasserleute können Gefühle spüren, Metallleute unterdrücken, und was ist mit Holzleuten?
Bevor ich zum Fazit komme, muss ich noch eine klare Warnung aussprechen: Der Roman ist nichts für Zartbesaitete, und hätte ich gewusst, wieviel Gewalt in ihm vorkommt und teils auch beschrieben wird, hätte ich wohl von vornherein die Finger von ihm gelassen.
Ich spreche von Kannibalismus (wenn auch nicht direkt beschrieben), der Schlacht inklusiver detaillierter Beschreibungen dieser, Vergewaltigungen beziehungsweise Androhung von Vergewaltigungen und Folter, letzteres detaillierter beschrieben.
Am Rande sei erwähnt, dass auch regulärer Sex vorkommt, wer also nicht auf explizite Szenen dieser Art steht, wird mit dem Buch wenig anfangen können.
„Die Elementare von Calderon“ ist ein Auftakt zu einer sechsbändigen Reihe, der mit kleinen Abzügen für sich stehen, dem ich aber insgesamt nicht viel abgewinnen kann. Der Schreibstil brilliert erst bei den Schlachtbeschreibungen (und weist auch dann noch Problemchen auf), die Charaktere sind zwar gut, aber ich bekomme einfach keinen Draht zu ihnen, der Weltenbau ist ganz okay, aber die Elementarfähigkeiten sind mir nicht ganz klar, und die Handlung ist zwar mitreißend, aber an einigen Stellen vorhersehbar und über weite Teile des Buches konstruiert wirkend. Hinzu kommt noch Gewalt, die im Überfluss vorhanden ist.
Kurz gesagt: Kein schlechtes Buch. Allerdings muss ich so gut wie jedes Lob mit einem „aber …“ beenden, also auch kein besonders gutes.
Details zum Roman:
Titel: Codex Alera: Die Elemente von Calderon
Autor: Jim Butcher
Verlag: Blanvalet
Erscheinungsjahr: 2013, 6. Auflage
ISBN: 978-3-445-26937-2
Genre: Fantasy
Preis: 11,30€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 605
Reihe: ja; 1 von 6 (s. Datum)'
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1600
Stand: 07.12.2018
Für dieses Buch werde ich von meinem üblichen Format abweichen. Satt einer normalen Rezension werde ich eine Contra-Liste und eine Pro-Liste machen.
Zwei Kontinente liegen von einem Meer getrennt nebeneinander. Alle zwölf Jahre erhebt sich eine Brücke aus den Fluten, die zwei Jahre langen Kontakt zwischen den Völkern sicherstellt. Wenig überraschend werden diese zwei Jahre in erster Linie dafür genutzt, sich gegenseitig abzuschlachten.
Auf den Schreibstil werde ich nicht näher eingehen, denn abgesehen von den üblichen Verdächtigen (ERNSTHAFT, MANN!) ist er weder besonders gut noch besonders schlecht, und es gibt wesentlich größere Probleme.
Vollkatastrophe Nummer 1: „Ein Sturm zieht auf“ ist keine Geschichte.
Es hat ein Setup, einen Anfang, der 100 Prozent der Seiten umfasst, aber keinen Höhepunkt, nicht im engeren Sinn einen Handlungsbogen und definitiv kein Ende.
Es ist unzweifelhaft, dass „Die Brücke der Gezeiten“ als Reihe angelegt ist, und dazu noch als lange. Das kann man natürlich so umsetzen, dass dennoch in jedem Buch Geschichten erzählt und teilweise abgeschlossen werden, aber das ist nicht der Fall. Liest man die Reihe nicht vollständig, wird man mit ihr kaum Freude haben. Ich hatte mit diesem Buch fast keine.
Hinzu kommt, dass der Verlag sich bei der Übersetzung aus dem Amerikanischen dazu entschieden hat, das erste Buch in zwei Bücher aufzuteilen. Ja, wirklich. Das erste Buch. Einer Reihe. In dem fast nichts passiert.
Aus diesem Grund würde ich unentschiedenen Lesern abraten, englische Rezensionen zu lesen, da sie oft den deutschen ersten Teil spoilern. Alles an Weiterentwicklung und Spannungsbogen, das „Ein Sturm zieht auf“ im Original hatte, scheint im zweiten Teil zu liegen, anders kann ich mir die positiven Bewertungen nicht erklären.
Vollkatastrophe Nummer 2: Zu viele Charaktere.
Damit meine ich sowohl POV-Charaktere (sechs Stück) als auch Nebencharaktere. Ich fange mit ersteren an.
Man könnte meinen: Sechs Charaktere sind für fünfhundert Seiten nicht wenig, aber Autoren haben Ähnliches gut oder unterhaltsam geschafft, und dieser Aussage stimme ich zu. Sechs Perspektiven sind für fünfhundert Seiten nicht inhärent zu viel.
Für dieses Buch schon.
Meiner Zählung nach begleitet der Leser denselben Charakter höchstens über vier Textabschnitte. Es ist zwar nicht so, dass während dieser nichts passiert, aber es ist nur Setup. Die Geschichte ist eine riesige, und dementsprechend machen die Charaktere in den neunzig Seiten oder was, die sie jeweils bekommen, keine nennenswerte Entwicklung durch.
Neunzig Seiten könnte hinkommen, weil eine der Perspektiven nur einmal aufgegriffen wird für etwas, das eine andere Perspektive hätte übernehmen können. Um noch eine Kirsche obendrauf zu setzen, werden diese sechs Figuren eine nach der anderen eingeführt. Wir kommen nicht zwischenzeitlich zu einer der vorherigen zurück, bis alle sechs ihren Auftritt hatten und wir auf Seite 180 sind. Das sind fast vierzig Prozent des Buches.
Es ist schwer genug, die Namen der Nebencharaktere im Kopf zu behalten, die in jeder der sechs Perspektiven über die Seiten schwirren, denn es sind nicht ein paar, sondern es sind gefühlt alle.
Hinzu kommen nicht nur Freunde, Kollegen, Mitschüler, Feinde, Eltern, Geschwister, potenzielle Liebhaber und Vorgesetzte, sondern auch die Namen unzähliger Adelshäuser und Regionen aus mehreren Kulturen beziehungsweise der zwei Kontinente. Nebenbeigemerkt ist die Karte kaum hilfreich, da ich die Hälfte der Orte nicht gefunden habe, und das Personenregister habe ich erst am Ende entdeckt, also war auch das nutzlos.
Die Begriffe werden dem Leser Seite um Seite um die Ohren gehauen, zusätzlich zu Namen für Kleidungsstücke, Körperteile, Lehnwörter aus erfundenen Sprachen, Kulturpraktiken und Gegenstände. Auch hierfür gibt es teilweise ein Register, aber das bringt mir erneut nichts, wenn es hinten rumliegt und es nirgendwo einen Hinweis darauf gibt.
Mein erster Reflex, wenn ich einen High-Fantasy-Roman aufschlage, ist nicht, nach Registern und Lexikonartikeln zu suchen, sondern mich in die Welt zu versenken und darauf zu vertrauen, dass der Autor fähig ist, mir sie nahezubringen, ohne dass ich eine Wiki gründen muss, um sie zu verstehen. Entsprechend begeistert bin ich von diesem konkreten Machwerk.
Vollkatastrophe Nummer 3: Religionen sind ein sehr dominantes Thema. Mag sein, dass das der subjektivste Punkt der Liste ist, aber ich habe dieses Buch in Erwartung epischer Kämpfe und Kriegsvorbereitungen gelesen. Was ich bekommen habe, ist ein unvollständiges Bruchstück eines Textes und Fantasyversionen vom Christentum, Judentum, Islam und Hinduismus. Hurra.
Hätte man mir das vorab gesagt, hätte ich das Buch nicht gelesen. Auf den ersten zwanzig Seiten war das auch nicht ersichtlich, also ja, ich bin angepisst.
Vollkatastrophe Nummer 4: Die Charaktere sind nicht gut. Keiner von ihnen. Mit möglicherweise einer Ausnahme, die findet sich in der Positiv-Liste.
Man müsste meinen, dass bei sechs POV-Charakteren zumindest einer Sympathie bei mir erweckt. Nun denn:
Der eine (ich werde sicher nicht seinen Namen nachschlagen gehen) ist eine Art General (ich werde sicher nicht seinen Titel nachschlagen gehen), der zusammen mit den Höchsten des Landes, darunter die Königin, einen Plan schmiedet und umsetzt, wie sie sich bei dem anstehenden Kriegszug einen Startvorteil verschaffen können. Er bekommt, wenn ich mich richtig erinnere, zwei Kapitel. Ich wüsste nicht, wie ich ihn beschreiben sollte, und ich habe keine Ahnung, warum ich ihn mögen sollte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ihn mögen sollte, da, und ja, das lässt sich wohl als positiver Aspekt bezeichnen, Grautöne in der Figurenzeichnung vorhanden sind.
Dann gibt es den Vater, der zusammen mit seiner Tochter und dessen Verlobten auf dem anderen Kontinent lebt und seine Tochter an einen reichen Schnösel verkauft. Das ist sein einziger Zweck und er interessiert mich als Charakter in etwa so sehr wie der dritte Band der „Königin der Schatten“-Reihe.
Dann gibt es seine Tochter, die mir zwar nicht unsympathisch ist, aber ich habe auch keinen Grund, sie zu mögen. Sie besetzt die Rolle der braven Tochter, die macht, was ihre Pflicht ist: ihrem Vater gehorchen, ihrer Familie dienen, sich von einem reichen Schnösel vergewaltigen lassen, um als Zuchtstute verwendet zu werden.
Ich kann mir vorstellen, dass sie eine Charakterentwicklung durchmachen wird, die diese Einstellungen hinterfragen werden, spreche nur über diese fünfhundert ersten Seiten, und das ist der Zustand, in dem sie eingeführt wird und in dem sie am „Ende“ des Buches ist.
Aus ihrem Umfeld haben wir noch den Verlobten. Er wird zu einem durchgeknallten religiösen Irren, wenn ich das richtig verstehe. Jedenfalls wird er aller Wahrscheinlichkeit nach als Kanonenfutter an vorderster Front gegen die Weißen aus dem nördlichen Kontinent sterben – ja, ich weiß, es gibt in dieser Welt keine Kanonen, aber seine Rolle wäre realistischerweise dieselbe, auch wenn ich mir bewusst bin, dass er garantiert ein heroischer Held mit tiefen Grauschattierungen wird.
Dann ist da noch der eine Magusschüler. Sein Handlungsstrang war mir der liebste, weil seine Handlungen wenigstens interessante Konsequenzen nach sich ziehen, aber er selbst ist ein gottverdammter Idiot und Naivling, der jeder holden Maid in Not das Wasser reichen kann.
Den letzten Charakter habe ich beinahe vergessen. Der Vollständigkeit halber: Eine Kriegerin, die für den General-Typen arbeitet und die Kinder einer der Königsfamilie abmurksen soll. Sie hatte ein ziemlich beschissenes und von Krieg geprägtes Leben, aber jetzt, da sie die Liebe anderer spürt, weicht sie innerlich auf und will die Kinder nicht töten und hat endlich ein Zuhause gefunden und hier ist ihr Lebenslauf inklusive Jahreszahlen. Und sie kann kämpfen. Hurra.
Bevor ich zu den guten Aspekten komme, hier ein paar weniger gewichtige Dinge, die für meine Bewertung kaum eine Rolle gespielt haben:
Die meisten Charaktere sind stereotyp und uninteressant; es gibt Grauschattierungen; ich bin mir ziemlich sicher, dass „Die Brücke der Gezeiten“ eigentlich wirklich sehr gerne „Game of Thrones“ wäre, aber ohne Thron und Zombies; die Charaktere wirken so, als hätten sie bereits vor Beginn des Buches existiert; die Völker haben sowieso Kontakt miteinander, sei es mittels Luftschiffe oder Botenvögel; das Magiesystem taugt zu etwas.
Interessantes Ding Nummer 1: Im ersten Kapitel wird dem Leser durch General-Typ erklärt, was politisch und militärisch passiert ist und was noch passieren wird, wie also der Plan aussieht. 100 Seiten später bekommt man durch den Magusschüler gezeigt, wie der Plan der Öffentlichkeit präsentiert wird, welche „Argumente“ verwendet und welche Details herausgepickt oder weggelassen werden, um die Leute zu gewinnen. Das war nett.
Interessantes Ding Nummer 2: Wie bereits geschrieben ist der Magusschüler ein Idiot, wie er im Bildwörterbuch steht, aber seine idiotischen Taten haben interessante Konsequenzen. Ich meine, was könnte schon schlimmstenfalls passieren, wenn ein Schüler in seiner Abschlussarbeit einen Teil der offiziell abgesegneten Geschichtsschreibung widerlegt, und das auch noch in Bezug auf die Revolution seines Territoriums, die keine zwanzig Jahre zurückliegt?
Interessantes Ding Nummer 3: Antonis Meiros, der reiche Schnösel, an den die Tochter verkauft wird, ist ein recht interessanter Charakter. Zumindest war er das, bis er sie im Grunde vergewaltigt hat. Aber für eine kurze Zeit …
Ich denke, dass ich nicht zusammenfassen muss, was ich von „Ein Sturm zieht auf“ halte, aber ich tu’s trotzdem: Es ist ein Bruchstück eines viel längeren Textes, der wenig zu bieten hat, vollkommen überladen ist und dessen Charaktere entweder bescheuert, uninteressant oder nicht aktiv sympathisch sind. Der Rest der Reihe wird mir gestohlen bleiben.
Details zum Roman:
Titel: Die Brücke der Gezeiten: Ein Sturm zieht auf
Autor: David Hair
Verlag: Penhaligon
Erscheinungsjahr: 2013, 2. Auflage
ISBN: 978-3-7645-3128-7
Genre: Fantasy
Preis: 15,50€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 511
Reihe: ja; 1 von 8 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1500
Stand: 22.12.2018
Ja, ich weiß, ich wollte die Reihe eigentlich nicht fortsetzen. Aber ich kann mein Weihnachtsgeschenk schlecht wieder zurückgeben. Also, dieses Mal hoffentlich zum letzten Mal, ein mehrere hundert Wörter umfassender Rant zu einem faulen, faulen Buch.
Erinnert ihr euch noch an Alberich aus dem ersten Teil der Reihe? Gut, denn er will die Bibliothek umbringen. Und alle Bibliothekare gleich mit. Irene will das verhindern.
Bevor ich mich zu sehr über den Inhalt aufrege, möchte ich herausarbeiten, wie bestenfalls „okay“ der Schreibstil ist.
Den Anfang macht ein Stern Abzug für diverse Grammatik-, Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Formatierungsfehler. Ich weiß, Formatierung hat wenig mit dem Stil zu tun und viel mit dem Korrektorat, aber dass an der Länge gemessen so viele Fehler im Text vorhanden sind, erweckt den Eindruck, dass sich niemand bei Bastei Lübbe wirklich um ihn gekümmert hat.
Über die Formatierungsfehler könnte ich mich viel zu lange aufregen. Ich meine damit die unzähligen Male, in denen Worte fettgedruckt werden, obwohl sie ganz offenkundig nicht fettgedruckt sein sollten. (Und ein oder zwei Mal, bei dem die Kursivsetzung spinnt.)
Fettschrift wird in der Unsichtbaren-Bibliothek-Reihe für die Sprache verwendet. Sie ist so etwas Ähnliches wie Magie, denn mit ihr kann man die Welt um sich herum (zeitweise) formen, und wenn man in ihr spricht oder schreibt, lesen/hören die Leute, die die Sprache selbst nicht sprechen, die Worte in ihrer jeweiligen Muttersprache.
Ich hatte mich bereits bei der „Unsichtbaren Bibliothek“ gefragt, warum beispielweise Vale, ein Detektiv, der nichts mit der Bibliothek am Hut hat, für wenige Wörter (Bibliothek, Sprache, Bibliothekar) in die Fettschrift wechselt. Das impliziert, dass er für diese kurzen Wörter in die Sprache wechselt, was keinen Sinn ergibt, wenn er sie nicht sprechen kann.
Tja, ich glaube, ich habe des Rätsels Lösung gefunden: Faulheit.
Meine persönliche Vermutung ist, dass anstatt je nach Kontext zu entscheiden, ob „Sprache“ jetzt fettgedruckt gehört oder nicht, einfach die Suchfunktion im Textverarbeitungsprogramm der Wahl angeworfen und alles in Fettschrift gesetzt wurde, das wohl meistens fett gedruckt gehört, ohne dass man auch nur kurz hinschaut, ob das in diesem konkreten Fall angemessen ist.
Es handelt sich hierbei nur um Details, aber auch klein Vieh macht Mist, und es verstärkt den Eindruck, dass sich niemand um dieses Buch gekümmert hat.
Aber zurück zum eigentlichen Thema, dem Schreibstil. In meiner Rezension zur „Unsichtbaren Bibliothek“ habe ich ihn als „simpel, aber flüssig“ bezeichnet, in der zum Nachfolger „Die maskierte Stadt“ habe ich ihn mit einem Anfänger verglichen, der zum ersten Mal eine Tastatur sieht, wenn er auch halbwegs flüssig war, und jetzt bezeichne ich ihn als „sehr einfach, wahrscheinlich ohne Unterstützung eines Lektorats“.
Irene kaut dem Leser fast jeden kleinen Scheiß vor, was es sofort verdächtig macht, wenn sie einen wichtigen Umstand vollkommen ignoriert, und darüber hinaus sehr schnell nervt, wenn jemand A macht und sie sich denkt: Aha, er hat A gemacht! Danke, Sherlock.
Darüber hinaus setzt sich der Trend aus dem zweiten Buch fort, dass die Witze nicht witzig sind. Auch nicht amüsant. Einige habe ich nicht einmal als Witze erkannt, bevor sie als solche gekennzeichnet wurden. Der lustigste Teil war der mit dem Dinosaurier ganz am Anfang, und der gehört nicht einmal zur Geschichte.
Dafür kann der Humor hervorragend ernste Situationen jedweder Ernsthaftigkeit berauben. Fürs Finale wurde das Himmel sei Dank zurückgeschraubt, aber für den Rest des Buches so gut wie gar nicht. Irene kehrt in die Bibliothek zurück, die Notlichter sind an, und sie sieht in ihrem E-Mail-Fach eine Nachricht mit dem Betreff „SOFORT LESEN“? Hm, also ne Spammail ist das nicht, das Bibliothekssystem lässt da ja keine durch.
Oh ja, bitte, erzähle mir mehr über die Arten und Wege, wie die Bibliothek dich vor Spam bewahrt. Die Sache mit der Zerstörung der Bibliothek kann warten. Spammails. Bitte.
Hinzu kommen auch außerhalb dieser direkten Reden GEBRÜLLE und jede Menge Füllwörter. Ein kräftig leuchtender Rotstift hätte hier geholfen.
In Bezug auf die Beschreibungen kann ich auch kein Lob verteilen. Mit den Handlungen kommt man mit, auch wenn die Argumentation der Charaktere lückenhaft im besten Fall ist, jede Form von Atmosphäre wird von Wahrscheinlich kein Spam zermalmt, die Emotionen Irenes kommen so gut wie gar nicht rüber, wohl auch, weil sie noch immer als Charakter kaum definiert ist, und die Umgebungsbeschreibungen sind teilweise so schlecht, dass ich keine Ahnung hatte, wo was in Relation zu wem ist. Ratet mal, wo das am extremsten war? Richtig, beim epischen Kampf gegen Alberich im Finale, wo auch sonst.
Es gibt so viele Kontinuitätsfehler in diesem Ding, dass seine schiere Existenz ein Wunder ist. Gröbere Plotholes sind natürlich auch vorhanden, aber vorher ein paar nette Detailunlogiken:
Zayanna, eine Elfe aus dem letzten Band, sagt, dass sie nicht wusste, wo Irene wohnt. Um Silver nicht fragen zu müssen und ihm etwas zu schulden, hat sie sich einen Hund gekauft, ihn zu Irenes Adresse geführt und von dort aus hat sie sie gefunden. Das war sogar im selben Satz. Im selben Satz. Und nein, Irene ist diese Unlogik nicht aufgefallen, denn das hätte sie kommentiert.
Bei dem Treffen mit Zayanna, die Irene übrigens als Freundin ansieht, denkt sie ohne empathische Regung darüber nach, Zayanna einfach umzubringen. Am Ende des Buches ist Elfen ermorden aber plötzlich ein großes No-Go, und dass sie überhaupt daran denkt, erschreckt sie.
Alberich kann Vales Welt nicht betreten, das ist seit Band eins etabliert. Irene schlussfolgert, dass er auch niemanden angeheuert haben kann, der in Vales Welt gehen kann. Warum? Weil!
Und das alle paar Seiten. Es war wirklich beeindruckend.
Jetzt aber zu den Dingen, die auf einem viel gröberem Level keinen Sinn ergeben. Ich fand es sehr enttäuschend, dass die einzige „Konsequenz“, die Irene wegen ihres Ungehorsams in Band zwei tragen muss, die ist, dass sie jetzt auf Bewährung ist. Sie bekommt also irgendwelche beschissenen Aufträge, darf aber zwischendurch Bibliothekarin vor Ort in Vales Welt spielen. Gott bewahre, dass sie mal Konsequenzen für irgendetwas tragen muss, die de facto eine Rolle spielen.
Die Bibliothek wurde bisher konsequent und durchaus bewusst als eine nicht ganz bierernste Unternehmung dargestellt. Das untermauern sogar die ersten paar Absätze dieses Buches, bevor die Geschichte richtig losgeht. Was bisher in Ordnung war.
Wenn dann aber eine solche Witzveranstaltung versucht, ernst auf die Androhung ihrer Zerstörung zu reagieren, wirkt das, als würden Kleinkinder versuchen, CEO zu spielen. Es ist furchtbar mit anzusehen und läuft in den meisten Fällen auf cringe hinaus.
Obwohl bisher jede einzelne An- und Abreise Irenes jeweiliger Missionen zumindest kurz abgehandelt wurde, wird die, in der sie wieder aus Russland rauskommt, nicht auch nur erwähnt. Nur so zum besseren Verständnis: Sie wurde von der Kaiserin Russlands gefangen genommen, die Polizei und der Geheimdienst kennen ihr und Kais Gesicht und haben ihre Kräfte bereits in Aktion erlebt, und sie sind mitten in einem Fluss und brauchen Zugang zu einer Ansammlung von Büchern, um zurück in die Bibliothek zu kommen. Aber wie sie das machen, ist natürlich unerheblich.
Gegen Ende will Irene in Alberichs Sphäre reisen, und Li Ming, Kais … keine Ahnung, Teilzeit-Babysitter, will sie davon abhalten, weil das dem Drachenkönig nicht passen würde. Warum, wird nicht erklärt. Wieso sollte der Drachenkönig einen Fick darauf geben, ob irgend so eine Bibliothekarin sich auf eigenes Risiko in eine gefährliche Welt manövriert, um die Bibliothek zu retten? Warum sollte ihn das auch nur im Entferntesten jucken?
Alberich enthüllt im Finale, dass er einen Sohn hat, den er zu finden gedenkt, und dass er ihm von der Bibliothek vorenthalten wurde. Er will die Bibliothek zerstören und ist offenbar nur noch Minuten davon entfernt, das auch umzusetzen.
‘Tschuldigung, aber wie genau soll die Zerstörung der Bibliothek hilfreich bei der Suche nach seinem Sohn sein? Entweder er ist im Gewahrsam der Bibliothek/selbst Bibliothekar, dann ist er gleich tot. Oder er wird außerhalb dieser von Bibliothekaren festgehalten, dann wäre es sinnvoller, diese Bibliothekare gezielt auszuschalten, anstatt ihre Organisation und mit viel Glück auch sie umzubringen. Anders gesagt: Sofern die ganze Bibliotheks-Zerstörungssache nicht ein einziges riesiges Ablenkungsmanöver ist, ist Alberich bescheuert. Und wenn sie ein riesiges Ablenkungsmanöver ist, hätte er sich den Kampf gegen Irene sparen und die Ablenkung de facto nutzen sollen, um seinen Sohn zu retten, während sie und alle anderen damit beschäftigt sind, sich selbst zu retten.
Ansonsten gilt für das Finale, was auch schon für das des zweiten Bandes gegolten hat, wenn es dieses Mal auch geringfügig besser war: Sämtliche Bedingungen, sämtliche Regeln, denen die Sprache, die Welt, die Drachen und die Elfen und prinzipiell alles unterworfen sind, werden für die Dauer des epischen Showdowns zwischen Alberich und Irene aufgehoben, ansonsten kann sie unmöglich gewinnen.
Ich verstehe im Übrigen immer noch nicht, wieso sie ausgerechnet zum Zentrum von Alberiches Bibliothek will. Sie wusste nicht, dass dort die wichtigen Bücher sind, die sie letztlich verbrennt, um ihre Bibliothekswelt zu retten, und sie hätte nur in Rufweite sein müssen, damit sie die Bücher verbrennen kann.
Aber sicher, sie hat definitiv einen Plan.
Apropos Plan. Reden wir mal über Irene als Charakter und Protagonistin.
Sie ist furchtbar.
Inzwischen regt es mich auf, dass sie ständig von sich behauptet – und auch so porträtiert wird –, dass sie ja so gut im Planen ist und immer einen Plan hat und dass die spontanen Situationen ja leider immer mehr werden und sie nur deswegen immer weniger Pläne hat. Im nächsten Atemzug bezeichnet sie etwas, das bestenfalls als „Ziel“ zu umschreiben ist, als „Plan“.
In dieser Hinsicht offenbart sich Irenes Idiotie. Beispielweise muss sie ein Buch unter den Augen der russischen Regierung aus deren Palast klauen. Sie hat sogar einen groben Plan, wie sie dahin kommt und in ihn eindringt, und damit habe ich auch kein Problem.
Es stellt sich aber heraus – und jetzt haltet euch bitte fest, denn das ist etwas, das niemand hätte vorhersehen können –, dass das Buch, das sie in dieser kaiserlichen Bibliothek sucht, ausgeliehen ist. Ja. Ich war auch schockiert. Ein Buch wird aus einer Bibliothek ausgeliehen. Wer hätte das nur vorhersehen können? Wer hätte sich da nur einen Plan zurechtlegen können?
Oder ihr „Plan“, wie sie Alberichs Welt zerstören will. Schritt eins: Mittels Zayanna in Alberichs Welt kommen. Schritt zwei: Hoffen, dass sie noch nicht zu chaosverseucht ist, damit sich ein Portal zu Irenes Bibliothek öffnen kann. Was vielleicht hilft. Vielleicht auch nicht. Wahrscheinlich aber gar nicht funktioniert, weil Alberichs Welt eigentlich so chaosverseucht ist, dass es selbst für Elfen schwierig ist, dort zu überleben.
Verzeiht meinen Pessimismus, aber das ist kein Plan, das ist eine ungefähre Vorstellung vom Ziel, ohne dass Irene auch nur den Hauch einer Ahnung hat, wie sie dieses Ziel erreichen soll. Aber sicher, du hast nen Plan, Irene.
Sie überlebt die ganze Geschichte übrigens nur deswegen, weil sämtliche Regeln und Bedingungen aufgehoben wurden und es selbst Kai möglich ist, in diese chaosverseuchte Welt zu gelangen, obwohl er ein Drache ist und als solche dem genauen Gegenteil, der Ordnung, zuzuschreiben ist. Er müsste konsequent darum bemüht sein, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben, aber warum sollte er das, das würde ja innere Kontinuität bedeuten, und das können wir hier nicht haben.
Ansonsten ist Irene nur dadurch definiert, dass sie eigentlich eine eigenbrötlerische Leserin ist, die auf sich selbst aufpassen kann. Was natürlich kein Stück so wirkt, als wäre sie eine leere Projektionstafel, in der sich jede Leserin selbst sehen soll.
In Bezug auf Kai möchte in anmerken, dass zwar behauptet wird, er habe eine posttraumatische Belastungsstörung wegen seiner Entführung in Band zwei, das wird aber an keiner gottverdammten Stelle demonstriert. Er zuckt einmal bei einem Wort zusammen, und ansonsten weiß ich nur, dass es angeblich leidet, weil Irene ständig betont, wie gut er es verstecken kann.
Zayanna ist okay, wenn auch etwas nervig, und Vale ist auch okay. Die Liebesgeschichte hätte man meiner Meinung nach komplett streichen sollen, aber sie ist wenigstens nicht sehr präsent, nachdem die Bibliothek unterzugehen droht.
Ansonsten kann ich nur anmerken, dass dieser dritte Teil deutlich besser mit dem ersten und zweiten verbunden ist, als das für den zweiten Teil der Fall war. Der wirkte so derart losgelöst vom ersten Band, dass ich glatt behaupten würde, man würde nicht viel verpassen, wenn man mit dem zweiten anfängt. Für „Die flammende Welt“ gilt das nicht. Immerhin.
Als positive Randnotiz sei angemerkt, dass der Weltenbau dieses Mal wieder besser vermittelt wurde und man ein paar interessante Details über Paralleluniversen gelernt hat. Beispielweise wie Elfen entstehen oder wie vielleicht die Bibliothek entstanden ist.
Als negativer Fokuspunkt dieses Abschnitts der Rezension möchte ich hervorheben, dass diese Ideen vielleicht ganz nett sein mögen, aber Genevieve Cogman einfach nicht in der Lage ist, sie gut umzusetzen – zumindest, wenn es sich um komplexere Angelegenheiten handelt.
Vale behauptet beispielweise, dass er im chaosverseuchten Venedig des zweiten Bandes gesehen hat, dass Elfen unfähig sind, Entscheidungen zu treffen, abgesehen von der einen, welchem Stereotyp sie entsprechen wollen.
Tja, ich habe zufälligerweise ebenfalls den zweiten Band gelesen, und das war kein einziges Mal der Fall. Die Elfen, allen voran Lord und Lady Guantes, haben andauernd Entscheidungen getroffen, und an Silver kann man sogar im dritten Teil sehr gut feststellen, dass es Momente gibt, in denen er aus seiner Rolle hinausfällt. Ebenso, wie das bei Zayanna am Ende der Fall ist.
Ach ja, das Konzept der unsicheren Sphären war auch ganz nett.
Wortwörtlich die einzigen beiden Dinge, die ich der „Flammenden Welt“ zugutehalten kann, ist ein etwas interessanterer Weltenbau und ein recht hohes Lesetempo. Alles andere ist Mist, und je mehr ich darüber nachdenke, desto größer wird dieser Misthaufen. Ich hoffe, dass mir der vierte Teil erspart bleibt.
Details zum Roman:
Titel: Die flammende Welt
Autor: Genevieve Cogman
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsjahr: 2017
ISBN: 978-3-404-20908-8
Genre: Fantasy
Preis: 10,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 445
Reihe: ja; 3 von 5 (s. Datum)
Bewertung: 1,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 2300
Stand: 07.01.2018
Vor einiger Zeit habe ich "Warbreaker" gelesen, mein erster Sanderson, der mir gut gefallen hat: der Weltenbau, die Charaktere, die Twists in der Handlung. Das zusammen mit Sandersons sehr gutem Ruf in der High-Fantasy hat zu meinen eher hohen Erwartungen an "Kinder des Nebels" geführt. Glücklicherweise ist "Warbreaker" erst nach diesem Buch erschienen.
Vin lebt das Leben einer Straßen-Skaa: Geprägt von Misstrauen und Gewalt versucht sie, in der Diebesbande zu überleben, in der ihr Bruder sie zurückgelassen hat. Erst als sie auf Kelsier trifft, den Überlebenden von Hathsin, wird sie aus diesem Leben gerissen und erfährt, was es mit ihrem "Glück", ihrer besonderen Fähigkeit, auf sich hat. Kelsier und seine Bande planen einen vernichtenden Streich gegen den Obersten Herrscher und das gesamte Letzte Reich, und Vin soll darin eine wichtige Rolle spielen.
Zunächst der Weltenbau, weil ich mich auf ihn so gefreut hatte. Da es noch mindestens drei weitere Bücher in dieser Reihe gibt, kann ich nur über das sprechen, was in diesem hier etabliert wurde. Das gesamte Setting mit dem mehr oder minder konstanten Ascheregen und den dichten Wolken ergibt wenig Sinn. Kelsier führt Vulkane als Ursache für die Asche an, und es sind in der Karte einige eingezeichnet, aber Vulkane gibt es nur dort, wo kontinentale Platten gegeneinanderstoßen und eine davon unter die andere gedrückt wird. Die Aschewolken gibt es seit einem Jahrtausend, also dürfte die Kontinentaldrift dieser Welt eine sehr aufregende Sache sein, die erstaunlich wenige Flutwellen und Erdbeben auslöst. (Ich hoffe hier auf eine magische Erklärung, wenn ich auch nicht sicher bin, wie das mit dem bisher etablierten Magiesystem funktionieren soll.)
Um kurz bei der Magie zu bleiben: Ich mag das System; es hat seine kreativen Seiten und ist konsequent durchgehalten worden. Insbesondere, dass die Allomantie von Tricks geprägt ist und die Kreativität und Reaktionsschnelligkeit der Charaktere eine große Rolle spielt, mag ich sehr.
Als Pflanzenliebhaberin muss ich anmerken, dass die Flora dieser Welt keinen Sinn ergibt. Vor dem Ascheregen soll sie so wie unsere gewesen sein (es gibt beispielweise noch immer Birken), aber seit einem Jahrtausend gibt es keine Pflanzen mehr, die dünne Stängel haben, zarte Blätter oder grüne Blätter, stattdessen sind sie braun. Sofern das Chlorophyll nicht vollkommen verschwunden ist, heißt "braune Blätter" meistens "abgestorbene Blätter", was aber nicht der Fall zu sein scheint. Besonders adrette Pflanzen haben rote Blätter, die also hauptsächlich blaues und grünes Licht verwenden können, da sie dieses nicht zurückwerfen. Die Sonne ist rot, strahlt also viel rotes Licht ab. Das die Pflanzen nicht sehr gut verwenden können, da sie es mit ihrer Färbung reflektieren. Warum.
Die Handlung ist ein Mischmasch aus so vorhersehbar, dass die Charaktere dieselbe Realisierung haben wie ich, nur 100 Seiten später, und Twists, die ich nicht habe kommen sehen. Das Ende konnte einiges rausholen, wobei ich fragen muss, wieso jemand das Tagebuch seines Feindes, eines Mannes, den er gehasst und ermordet hat, in seinem persönlichen kleinen Heiligtum aufbewahrt. Ohne dem hätte die Auflösung nicht funktioniert.
Ansonsten ist anzumerken, dass das Lesen selbst unterhaltsam war, auch wenn sich die Geschichte etwas zieht (bei knapp 900 Seiten kein Wunder).
Die Charaktere sind ebenfalls okay bis nicht gut. Meine Favoriten sind Sazed, der mir mit seinen Religionen allerdings mindestens so sehr auf die Nerven gegangen ist wie Vin, und Elant, bei dem ich nicht viel auszusetzen habe, weil ich nicht sehr viel über ihn weiß. Vin und Kelsier, die beiden Protagonisten, sind mir zwar nicht vollkommen egal, aber besondere Sympathien habe ich am Ende für keinen der beiden gehabt. Beide bringen sich ständig (und meistens unnötig) in Schwierigkeiten, sodass andere sie aus der Scheiße ziehen dürfen. Vins gesamter Hintergrund und wie er vom Erzähler gehandhabt wurde hat mir nicht sehr zugesagt - beständig wurde vorgekaut und daran erinnert, dass sie diese und jene Fortschritte gemacht hat und diese Aktion Gründe A bis F hatte. Das hätte ich lieber selbst herausgefunden, als dass es mir derartig unter die Nase gerieben wird.
Kelsier war mir zunächst sympathisch, dann unsympathisch, dann relativ egal. Unsympathisch wurde er mir nicht einmal durch seinen Hass auf den Adel - der hat mich abgeschreckt, aber ich konnte ihn als character flaw ansehen, der bei einem derart mächtigem und fähigem Charakter durchaus gröber ausfallen darf. Zu viel war allerdings die Szene, in der er einen Mann allomantisch manipuliert, damit er ihn töten kann, nachdem er denselben Mann erst durch Manipulation in die Situation gebracht hat, wegen der er ihn töten will. Wohlgemerkt, das war ein Skaa, kein Adeliger.
Der Twist am Ende, Kells Masterplan, hat ihn dann doch wieder etwas gerettet, zumal er ein wenig von seinem ursprünglichen Plan des Massenmordes abgewichen ist, aber an dem Punkt wollte ich das Buch in erster Linie beenden.
Der Schreibstil war ebenfalls unausgereifter als bei "Warbreaker" - ich bin mir allerdings nicht sicher, wieviel davon der Übersetzung zuzurechnen ist. An einigen Stellen, vor allem in der zweiten Hälfte, gab es ein paar wirklich grobe Wiederholungen, die einem Giganten der High-Fantasy schlecht zu Gesicht stehen - etwa zweimal dieselben Wörter am Satzanfang, ohne dass sie ein Stilmittel sind.
Ingsesamt ist "Kinder des Nebels" nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht. Während der Lektüre ist es unterhaltsam, aber die Charaktere sind nicht wirklich zu mir durchgekommen, der Weltenbau hat einige Probleme, und dasselbe lässt sich auch über Handlung und Schreibstil sagen. Ich werde den nächsten Teil der Reihe nicht lesen.
Informationen zum Buch:
Titel: Kinder des Nebels
Autor: Brandon Sanderson
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2019 (2. Auflage)
ISBN: 978-3-492-70479-3
Preis: 18,50€
Genre: High-Fantasy
Teil einer Reihe: ja, 1 von 3
Sterne: 3 von 5
Nachdem mich der erste Teil der Reihe derart überzeugen konnte, war ich mir relativ sicher, dass ich auch den zweiten mögen würde. Besonders interessant fand ich, dass der Schwerpunkt von Daleina weg und zu einem neuen Charakter namens Naelin hin verlegt wurde – was sich als nur eines der Probleme herausstellte.
Es sind Spoiler für den ersten Band („Die Blutkönigin“) vorhanden.
Daleina ist erst seit einem halben Jahr Königin von Aratay, als ihr Heiler ihr eine schlechte Nachricht überbringt: Sie hat eine tödlich verlaufende Krankheit, die sie innerhalb der nächsten drei Monate umbringen wird. Da sämtliche Thronanwärterinnen während des Krönungsmassakers gestorben sind, muss schnell eine neue her – nämlich Naelin, die sich nur sehr unwillig der Ausbildung unterzieht.
Den Schreibstil als „einfach“ zu bezeichnen, ist ebenso nett wie akkurat. An mehrere Stellen finden sich Füllwörter oder sehr seltsam anmutende Formulierungen, die sich vielleicht durch die Übersetzung eingeschlichen haben. Es gibt ein wenig GEBRÜLLE, aber man kommt schnell und gut durch die Seiten, zumal sie nicht eng beschriftet sind. Es braucht sich also keiner vor den 500+ Seiten zu fürchten.
Das größte Problem ist die Hast, mit der die Szenen vorgetragen werden. Nicht alle, aber sehr viele handeln Plotpunkte und emotional tiefgreifende Szenen immer ein wenig zu rasch ab, sodass sich die gewünschte Wirkung bei mir nicht entfalten kann. Dadurch wirkt das gesamte Buch oberflächlich und lässt sämtliche Tiefe vermissen.
Hinzu kommt ein ständiges Untergraben dieser ernsten Aspekte durch zu viele komödiantische Passagen. Ich bestreite keineswegs, dass sich Humor und Ernst vertragen können – Terry Pratchett beweist das mit beinahe jedem Scheibenweltroman, und genau diese Kombination ist es, die ich an dieser Reihe so mag.
Das bedeutet allerdings nicht, dass automatisch jede Kombination von Ernst und Humor funktioniert. Wenn alle paar Seiten ein Charakter einen Witz macht oder der Schreibstil dem Drama einen Riegel vorschiebt, indem eine humorvolle Beschreibung die Spannung unterbricht, vermindert das die Ernsthaftigkeit, die dem Text gut zu Gesicht stehen würde. Immerhin stehen tausende Menschenleben auf dem Spiel, und das einer der Protagonistinnen ist nur eines davon.
Hinzu kommen einige kleinere Probleme. Sarah Durst scheint einen Faible für zusammenzuckende Charaktere zu haben, so oft, wie Naelin, Daleina, Daleinas Meister und Heiler genau das tun.
Des Weiteren fließen die Dialoge nicht. Kein Mensch spricht so.
Es gibt einige Probleme mit der internen Logik, die mir das Notieren nicht wert waren, aber auch nicht vollkommen unbeachtet bleiben sollten. Das größte Problem liegt aber beim Verräter, den es zu finden gilt. Nach einigen Dekaden Seiten findet der Heiler heraus, dass die Krankheit durch ein Gift verursacht wurde, das nur jemand, der Daleina nahe ist, ihr verabreichen konnte.
Im besten Fall ist eine derartige Enthüllung der Startschuss zu einem Rätselraten, bei dem der Leser nicht bereits nach der Hälfte des Buches weiß, wer der Verräter ist. Ebenfalls hilfreich wäre es, wären die politischen Beweggründe aufgrund des Mangels an Alternativen nicht nach geringfügigem Nachdenken erratbar.
Eines der kleineren Probleme ist die nicht vergeigte Prüfung Naelins vor Hanna. Die Situation sieht folgendermaßen aus: Naelin möchte wieder nach Hause zurück und von den Geistern vergessen werden. Hanna und Daleinas alter Meister möchten, dass Naelin stattdessen ihre Gabe nutzt und zur Thronanwärterin wird, damit Aratay nicht in wenigen Wochen ohne Königin dasteht. Hanna macht den Vorschlag, dass Naelin ihr ihre Kräfte demonstriert, und wenn sie zu schwach für eine Thronanwärterin sind, darf sie nach Hause gehen; wenn sie ausreichen, wird Naelin ausgebildet.
Was Naelin dazu bringt, eine der stärksten Beschwörungen durchzuführen, die die gesamte Akademie Hannas je gesehen hat. Meine Frage sollte offensichtlich sein: Wenn Naelin unbedingt nach Hause möchte, wieso versagt sie nicht absichtlich? Wieso streift sie nicht einmal der Gedanke, dass das eine Option ist? Zu diesem Zeitpunkt ist sie davon überzeugt, dass es das Beste ist, nicht zur Thronanwärterin zu werden, also wieso setzt sie nicht alles daran, sich ihren Wunsch zu erfüllen?
Da ich gerade bei den Motiven für Handlungen der Charaktere bin: Sie sind zwar vorhanden, aber nicht sonderlich gut umgesetzt. Die Beziehungen zwischen den Charakteren, insbesondere im ersten Teil zwischen dem Meister, Naelin, Alet und Naelins Kindern, sind da, aber sie existieren nur vor sich hin. Obwohl man das Eine oder Andere über alle Charaktere lernt, wirken ihre Beziehungen nicht natürlich oder als wäre etwas von Substanz hinter ihnen. Stattdessen wirken sie wie der Rest der „Todeskönigin“: Oberflächlich.
Ebenfalls nervtötend ist die Liebesbeziehung zwischen Naelin und dem Meister. Ich vermute, dass sie auch wegen der Oberflächlichkeit nicht funktioniert, aber da ich mich bei fast allen Liebesgeschichten langweile, empfinde ich auch diese hier als nichts Besonderes. Man hätte sie streichen können und bis auf ein oder zwei kleinere Sachen hätte sich nicht viel geändert.
Das zweite riesige Problem ist, dass mir zu jedem der Charaktere der Draht fehlt. Obwohl ich Daleina im ersten Teil mochte und sie nur wenige Monate älter geworden ist, habe ich sämtliche Verbindung zu ihr verloren – ebenso zu ihrem Meister und Heiler, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, obwohl ich das Buch vor wenigen Tagen beendet habe.
Naelin und ihre Kinder waren allerdings am schlimmsten, da sie so viele Szenen bekommen haben – was für Protagonisten nicht unüblich, in diesem Fall aber ungünstig ist. Mit keinem von ihnen bin ich warm geworden. Die Kinder sind zwar für Naelins Charakter wichtig, ansonsten aber ein Klotz am Bein, der ständig humorvolle Einwürfe macht, wo sie wenig zu suchen haben – und sonderlich sympathisch finde ich die Kinder nicht.
Sympathien habe ich auch für Naelin bis zum Schluss nicht entwickelt. Zwar hat sie in gewisser Weise einen Charakter, aber keinen besonders ausgeprägten – und diese wenigen ausgeprägten Aspekte beziehen sich fast ausschließlich auf ihre Mutterschaft und ihre Liebe zum Meister. Beides Dinge, mit denen ich nicht viel anfangen kann, obwohl ich behaupten würde, dass eine entsprechend gute Umsetzung selbst zu mir durchdringen würde.
Der am besten ausgewogene Charakter ist wohl der Verräter. Auch mit ihm habe ich nicht sonderlich sympathisiert, und die Manipulationsversuche waren nicht sehr subtil – sind sogar den Manipulierten aufgefallen, auch wenn sie das nicht gehindert hat, nicht noch einmal über die Motive des Verräters nachzudenken. Er reiht sich allerdings in die Liste der Charaktere ein, die in der Theorie gut durchdacht sind, in der Umsetzung aber nicht funktionieren.
Merecot kann ebenfalls als Antagonistin genannt werden. Im Epilog wird zwar enthüllt, dass auch sie ihre Gründe hat und sich im Recht sieht, aber auch sie geht nicht über dieses Fundament hinaus, sondern bleibt eine relativ uninteressante Gegenspielerin.
Der einzige Charakter, der für wenige Kapitel interessant war, ist die Mutter des Heilers. Sie wird gut in Szene gesetzt und als vollkommen empathielos dargestellt. Das führt dazu, dass die Szenen, in denen sie ein neues Gift an Alin testet, de facto Spannung aufweisen. Endlich befindet sich ein gefährlicher Charakter in einer Art Machtposition; ein Charakter, den man nicht wirklich einschätzen kann, auf den man angewiesen ist, obwohl er einem ein Messer in den Rücken jagen würde. Zu schade, dass dieser Quell an Konflikt sehr rasch aufgelöst wird, indem Arin zur Mary Sue wird und plötzlich nicht nur die Wirkung des Gifts durch eine Handvoll Gefühle aufhebt, sondern auch zu einer begnadeten Toxikologin wird. (An der Stelle die kurze Anmerkung, dass weder Gifte noch Chemie noch Toxikologie so funktionieren, wie sie in der „Todeskönigin“ dargestellt werden, aber das ist im Verhältnis zum Rest des Buches nur ein untergeordnetes Problem).
Zuletzt würde ich gerne ein paar Zeilen zum Worldbuilding verlieren. Stattdessen muss ich sie dazu verwenden, mich über dessen fast vollständiges Fehlen zu beschweren. Einer der Aspekte, der mir an der „Blutkönigin“ so gut gefallen hat, war die Welt – das Portrait der Geister, ihre Beziehung zum Land und zu den Menschen. Beim Gedanken daran, wieviele Geschichten sich aus den anderen Ländern erzählen ließen, freue ich mich noch immer auf diese Welt.
Abgesehen von zwei oder drei Fun Facts wird dieser Aspekt jedoch vollkommen ignoriert – und diese zwei oder drei neuen Informationen fügen sich den bisher etablierten nicht gerade elegant ein.
Zusammenfassend ist „Die Todeskönigin“ ein leicht und schnell lesbares Buch, das oberflächlich bleibt und sowohl beim Plot als auch bei den Charakteren nichts Neues oder auch nur nicht Vorhersehbares wagt. Fürs nächste Jahr habe ich Rereads meiner bisherigen Fünf-Sterne-Lektüren geplant, darunter auch „Die Blutkönigin“. Je nachdem, wie gut mir der erste Teil beim zweiten Lesen gefällt, gebe ich dem dritten Band doch noch eine Chance oder die Reihe auf.
Details zum Roman:
Titel: Die Todeskönigin
Autor: Sarah Beth Durst
Verlag: penhaligon
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-7645-3200-0
Genre: High-Fantasy
Preis: 15,50€ (s. Datum)
Seiten: 557
Reihe: ja; 2 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1.400
Stand: 28.07.2019
Aus Erfahrung erwarte ich nicht viel von meiner Pflichtliteratur. „Der Fliegenpalast“ machte diesen Sommer den Anfang – und stellte sich prompt als das zweitbeste Buch der Leseliste heraus.
Hugo von Hofmannsthal, nur H. genannt, kehrt ins Bad Fusch zurück, einem Ort seiner Jugend. Früher konnte er hier kreativ sein und schreiben, heute wirkt alles blockiert, alles anders, alles fremd. In einem jungen Arzt, der einige Jahre in den USA gelebt hat, findet er einen Leidensgefährten.
„Der Fliegenpalast“ ist bei Weitem kein plotorientierter Roman, und dementsprechend stark treten Charaktere und Schreibstil hervor. Letzterer ist angenehm zu lesen und versetzt gut in den Geisteszustand H.s. Zwar gibt es eine Erzählinstanz, die hin und wieder das Geschehen kommentiert, allerdings sehr zurückhaltend.
Der Text wirkt oft assoziativ, es kommen auch wortwörtliche Wiederholungen vorheriger Passagen vor, was die Distanz zu H. verringert. Gleichzeitig gibt es Elemente, die erst gar nicht versuchen, sich an die Lebensrealität anzunähern. So bestehen Dialoge im Grunde aus zwei Partnern, die sich gegenseitig absatzweise Monologe halten und sich abwechseln, wer gerade monologiert.
Die psychische Verfassung H.s, die Verwirrtheit und Desorientierung, werden sehr gut eingefangen.
Wie bereits zu erkennen sein dürfte, ist der Roman nicht gerade von Freude durchzogen. Hofmannsthal wirkt deprimiert, zu Beginn auch weinerlich: Das Alter bringt ihm nicht bessere Texte, die er mit mehr Erfahrung leichter schreiben kann, sondern eine Schaffenskrise, die noch hervorgehoben wird, da er sich an mehrere Sequenzen aus seiner Jugend erinnern kann, während derer er auf genau demselben Waldweg einen Einfall hatte oder in genau demselben Hotel eifrig geschrieben hat.
Hinzu kommen Sensibilitäten (wie beispielweise, dass er schönes Wetter braucht, um halbwegs schreiben zu können) und die physischen Effekte des Alterns (Wanderungen, die er in seiner Jugendzeit ohne Probleme bewältigen konnte, sind jetzt nicht mehr denkbar).
Weitere Charaktere sind der junge Arzt, der H.s Werke mag, darüber hinaus aber nicht viel Charakterisierung erfährt, die Baronin, für der der Arzt arbeitet, und diverse Freunde sowie Kollegen H.s, mit denen er sich teils zerstritten hat und die er wiederzusehen fürchtet.
In gewisser Weise kann ich den Roman als Zeitkapsel wertschätzen. Er spielt in den 1920ern, also in der Zwischenkriegszeit, und baut dessen Charakteristika gut ein: etwa die strombetriebenen Lampen, die jetzt auch im Hotel verlegt sind, allerdings noch regelmäßig ausfallen und durch Laternen ersetzt werden, oder die ersten Autos, die eine derartige Neuheit sind, dass H. zum Parkplatz runtergeht, um sich eines der Modelle anzusehen. Da mein Geschichtswissen recht mager ausfällt und sich mein Interesse für entsprechende Fachliteratur in Grenzen hält, sind solche Texte für mich besonders bemerkenswert.
Zeit ist auch im Roman selbst ein wichtiges Thema, konkreter: die verstrichene Zeit, und die Unterschiede, die sich dank ihr angesammelt haben. Das Dorf verändert sich mit den Jahren, ohne wie ausgetauscht zu wirken, und genau dieser Effekt wird im „Fliegenpalast“ sehr gut eingefangen.
Ebenfalls bemerkenswert: Der Roman eignet sich definitiv für mehrfache Lektüren und Interpretationen. Beispielweise könnte man das Verirren im eigentlich bekannten Wald gegen Ende des Romans als Verirren im eigentlich bekannten Schreibprozess deuten.
Alles in allem ist „Der Fliegenpalast“ eine angenehme Lektüre, die ihren Zeitaufwand wert ist und mit einer gelungenen Charakterstudie und einem Einblick in die 20er entlohnt. Obwohl eine zweite Lektüre wahrscheinlich noch mehr Gelungenes hervorheben würde, werde ich es wahrscheinlich bei diesem einen Mal belassen.
Details zum Roman:
Titel: Der Fliegenpalast
Autor: Walter Kappacher
Verlag: Residenz
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 9783701742516
Preis: 8,99€ (s. Datum)
Seiten: 160
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 3,5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 600
Stand: 08.09.2019
Vor der Lektüre dieses Romans habe ich von Winkler nur Kurzprosatexte gekannt, hauptsächlich aus der Sammlung „Leichnam, seine Familie belauernd“. Seit diesen unschuldigen Zeiten ist mein Respekt gegenüber Winkler deutlich gesunken.
Im Grunde handelt es sich beim Roman um eine Sammlung von Briefen an den bereits verstorbenen Vater, die man auch als „Anklageschriften“ bezeichnen könnte. In ihnen behandelt Winkler seine Kindheitserinnerungen, die sich vor allem um das Heimatdorf in der Nähe zur italienischen Grenze und um den Vater drehen.
Da es weder einen Plot noch wirklich Charaktere gibt und der „Roman“ (a.k.a. Prosatext einer bestimmten Länge, womit geklärt sein dürfte, wie sinnlos diese Definition ist) aus lose aneinandergefügten Erinnerungen besteht, funktioniert meine übliche Rezensionsstruktur hier kaum. Deswegen vorneweg die Aspekte, die ich am Text mochte, damit ich mich nachher ungestört aufregen kann.
Gut, damit zu meiner ausführlichen Begründung, weswegen ich „Lass dich heimgeigen, Vater“ hasse.
Das erste grundlegende Problem, aber noch nicht der Grund für meine Abneigung, ist die Tatsache, dass es sich um eine Autobiographie handelt. Ich habe es bereits an anderen Stellen gesagt und ich werde es gerne wiederholen: Sei jemand interessantes oder mach etwas interessantes, dann habe ich eventuell Interesse für dein Leben übrig. Winkler ist nichts von beidem.
Mayröcker hat zwar bewiesen, dass mir auch die Autobiographie einer unbekannten Person schmackhaft gemacht werden kann (dazu kommt später noch eine Rezension), aber Mayröcker unterscheidet sich in einem wichtigen Aspekt von Winkler: Sie macht sich mir nicht unsympathisch.
Da ich ab jetzt den Autor und den Ich-Erzähler gleichsetzen werde, hier ein kleiner Disclaimer: Wenn ich „Winkler“ schreibe und über ihn Behauptungen aufstelle, behaupte ich nicht gleichzeitig, ihn zu kennen. Ich beurteile ihn aufgrund meiner Interpretation seines Selbstporträts, aus dem „Lass dich heimgeigen, Vater“ besteht. Normalerweise würde ich davon absehen, in irgendeiner Weise Rückschlüsse auf den Autor eines Werkes zu ziehen, aber wenn der Autor ein Werk erschafft, in dem es um ihn selbst geht, halte ich es nicht für sinnvoll, um den heißen Brei herumzutanzen, um ja niemandem auf die Zehen zu treten.
Kurzum: Wenn du nicht möchtest, dass Leute ein falsches Bild von dir bekommen, weil du offen deine Mordphantasien beschreibst, beschreibe sie nicht. Danke.
Und damit zur Figur Josef Winkler, wie sie von Josef Winkler in diesem Roman gezeichnet wird: Ich kann sie nicht leiden.
Zunächst ist anzumerken, dass sich Winkler bereits als Kind wie ein Arsch verhält. Nicht die ganze Zeit über, versteht sich, und es gibt auch Beispiele, die zu seinen Gunsten sprechen, aber in mehreren Fällen verhält er sich rücksichtslos gegenüber seinen Mitmenschen und auch gegenüber Tieren.
Des Weiteren überlegt er an zwei Stellen, seine Eltern zu töten: Einmal beziehen sich diese höchst sympathischen Überlegungen auf seinen Vater, mit dem er eine sehr problematische Beziehung hat, und einmal sowohl auf seinen Vater als auch auf seine Mutter, die im Schlaf sterben sollen, erschlagen von dem schweren Bild über ihrem Bett. Herzerwärmend.
Zuletzt weist Winkler bestenfalls drei selbstreflexive Momente auf. Ansonsten geht er davon aus, dass alle seine Kindheitserinnerungen genau so stattgefunden haben und ihm keinerlei Informationen fehlen, um sie nicht nur selbst zu beurteilen (lies: alle Beteiligten außer ihm zu verurteilen, bevorzugt seinen Vater), sondern es auch keine gibt, die dieses Urteil als vorschnell entlarven könnten.
Ein recht harmloses Beispiel: Winkler streitet sich mit seinem Bruder. Sein Vater stürmt rein und beschuldigt Winkler statt seines Bruders, für den Streit verantwortlich zu sein. Winkler sieht das als eindeutigen Beweis, dass der Vater etwas gegen ihn hat.
Vollkommen ausgeschlossen, dass Winkler in letzter Zeit der war, der die meisten Streitereien begonnen hat, oder dass er seinem Vater mehr als üblich auf die Nerven gegangen ist in den Tagen vor diesem konkreten Streit. Nein, es kann ausschließlich am Vater liegen.
Anderes Beispiel: Winkler hat im Rahmen einer Feierlichkeit von seinem Paten einen Baum geschenkt bekommen, den er fortan als „seinen“ Baum sieht, obwohl er technisch gesehen dem Vater gehört. Winkler mag diesen Baum sehr. Eines Tages holzen Vater und Bruder den Baum ab und funktionieren ihn zu Brennholz um.
Vollkommen ausgeschlossen, dass Winkler nie richtig kommuniziert hat, wie sehr er an dem Baum hängt. Nein, es muss am Vater liegen, der mit voller Absicht diesen random Marillenbaum abgeholzt hat.
Als Randnotiz: Ich komme gleich noch auf den Vater zu sprechen, und während seine Misshandlungen Winklers Verhalten (und seine psychischen Probleme, inklusive Suizidgedanken) erklären mögen, entschuldigen sie es nicht.
Da ich mich ewig lang über Winkler aufgeregt habe: Fast keiner der Dorfbewohner wirkt in diesem vollkommen neutralen und objektiven Erlebnisbericht besser als der Ich-Erzähler. Allen voran der Vater, der Winkler zu zumindest einer Gelegenheit schlägt, aber auch die Eltern als Gesamtpaket, die Prügel als brauchbares Erziehungsmittel ansehen. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Vater zu Zeiten Hitlers nicht gerade zu den Widerstandkämpfern gezählt hat und seine Zeiten an der Front als aufregendste und wahrscheinlich auch schönste seines Lebens ansieht. (Und sich hin und wieder über „die Juden“ aufregt, auch deutlich nach dem Krieg.)
Ebenfalls erwähnt werden sollten die unzähligen Wiederholungen, bei denen Winkler einfach Wort für Wort vorherige Zeilen kopiert. Bevorzugt drehen sie sich um einen Massenmörder, der ein KZ beaufsichtigt hatte, nach dem Krieg nahe des Dorfes gefunden, sich selbst getötet und dann auf der Fläche verscharrt wurde, die später die „Sautratten“ wurde (ein Feld, auf dem später Getreide, Kartoffeln und dergleichen angebaut wurde).
Über dieses Bild des von einem inzwischen vollkommen bewusstseinsleeren sich zersetzten Körper, dessen imaginäres Nazi-Gift ins Essen gelangt und dann vom Dorf verspeist wird, scheint sich Winkler nicht hinwegsetzen zu können, denn er betont es wieder und wieder und wieder und wieder und wieder, zu dem Punkt, wo man eine Dreiviertelseite überspringen kann, ohne irgendetwas zu verpassen, da nur dieselben zehn, fünfzehn Zeilen hineinkopiert wurden. (Es gibt natürlich noch andere „Refrains“, aber die Nazi-Kartoffeln sind schon wichtig.)
Neben diesem repetitiven, entnervenden Stil und dem unsympathischen Protagonisten verabscheue ich „Lass dich heimgeigen, Vater“ auch für die Art von Buch, die es ist: Anklageschriften, die sich alibihalber an einen Toten richten, und die nicht dazu dienen, irgendeinem der Angeklagten eine faire Chance auf ein Gespräch zu bieten, sie davon zu überzeugen, dass sie schlechte Menschen sind, sondern im besten Fall, eine traumatische Kindheit zu verarbeiten – und wenn man schon dabei ist, kann man daraus gleich noch Profit schlagen und zig Bücher schreiben, sogar speziell mit dem Vorsatz, ein Buch über den heimgekehrten Sohn zu verfassen, zurück ins Dorf und zum Vater gehen, um aus der Schreibkrise rauszukommen.
Das hier ist das literarische Äquivalent zu einem YouTuber, der sein privates Drama ausnutzt, um Klicks zu machen. Es richtet sich an die bereits etablierte Fangemeinde von Personen, die von den bisherigen Aufarbeitungen schwärmen, und nicht an die Personen, um die es in den Büchern geht. Sie werden nicht aufhören, Nazis zu sein, weil ihr Nazisein fünfzigmal Wort für Wort in einem 150-seitigen Text betont wird. Sie haben keine Chance, sich gegenüber diesem belesenen Publikum zu verteidigen, sollte der vollkommen neutrale Erzähler etwas falsch dargestellt haben, denn sie sind keine Literaten.
Wohlgemerkt: Einige Dinge, die er den Dorfbewohnern und seinem Vater vorwirft, sind unverzeihlich und verdienen Verachtung. Der Nationalsozialismus steht hier an vorderster Stelle, aber ebenso die Misshandlungen. Das ändert aber nichts an der Natur von „Lass dich heimgeigen, Vater“. Two wrongs don’t make a right. Auch auf diesem verabscheuungswürdigen Niveau nicht.
Details zum Roman:
Titel: Lass dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe
Autor: Josef Winkler
Verlag: Suhrkamp
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 9783518757178
Preis: 18,99€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 200
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 1 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1400
Stand: 08.09.2019
Was als harmlos-langweilige Lektüre begann, stellte sich nach Beendigung und etwas Nachdenken als eines von zwei Werken heraus, die aus dieser Sommer-Pflichtliteratur durch eines herausstechen: Stilistische Kompetenz.
Darius Kopp ist durch mehr Glück als Verstand gut durchs Leben gekommen. Er arbeitet für ein internationales IT-Unternehmen, das Hardware verkauft, und versucht in Teilen Europas Kunden zu finden. Bedauerlicherweise lässt er sich sehr leicht ablenken, was ihm bald zum Verhängnis zu werden droht.
Am herausragendsten sind die vielen Details, mit dem „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ angereichert ist. Kleines Beispiel? Kopp geht zur Arbeit. Dazu muss er kurz zu Fuß gehen, dann mit der Straßenbahn fahren. Für diesen Weg werden mehrere Seiten verwendet, da jeder Jogger, jeder rüpelhafte Straßenbahnfahrer beschrieben wird, und was sich Darius zu ihnen denkt.
Dementsprechend werden Zeitraffer sehr sparsam eingesetzt, Zeitsprünge kommen hauptsächlich dann vor, wenn Darius schläft. Daraus folgen zwei Dinge: Nicht nur kann der Text sehr schnell sehr langweilig werden, da jede plotrelevante Entwicklung gefühlte Jahrzehnte dauert, sondern es entsteht auch ein sehr lebensnaher Eindruck. Erstaunlicherweise kommt man trotz der vielen Details beim Lesen gut voran, wenn es auch etwas zäh wirken mag.
Sämtliche durch die Details hervorgebrachten Distanzverringerungen zu Kopp werden durch einen weiteren Stilgriff unterbunden, der die direkte Rede betrifft. Diese wird nicht in Anführungszeichen gesetzt, aber wörtlich wiedergegeben.
Hinzu kommen unvermittelte Wechsel des Erzählers (von der dritten Person, was der Standard für den Roman ist, zum Wir- oder Ich-Erzähler, wenn Kopp mit sich selbst spricht, und das teils mitten im Satz). Ähnliches gilt für Tempuswechsel. Gedanken werden dementsprechend unvermittelt und ohne gesonderte Kennzeichnung eingebaut, sieht man von Person und Tempus ab. Die Gedanken anderer Personen, wie zum Beispiel von Darius‘ Frau Flora, werden in Klammern eingeschoben.
Ebenfalls ein Lob verdienen die emotionalen Szenen, insbesondere die um Flora herum.
In Bezug auf Aufbau und Handlung gibt es nur wenig anzumerken, da der Plot vor sich hinkriecht und dementsprechend wenige Fehler unterlaufen können. Bemerkenswert ist das Spiel mit Klischees, aus dem einige Leser wohl Humor gewinnen können: Beispielweise „rettet“ Darius bei seinem ersten Treffen mit Flora diese vor einem umknickenden Strommasten. Nur dass der sie gar nicht getroffen hätte, selbst wenn Darius nur Däumchen drehend daneben gesessen hätte.
Kopps große Charakterschwäche ist das Ablenken-Lassen. Er kommt kaum zum Arbeiten, da ständig etwas dazwischenkommt: sein Lieblingslied im Radio, ein Massageangebot im Einkaufszentrum, das firmeninterne soziale Medium, die Nachrichten, der Börsengang. Besonders gut illustriert dieses Problem, dass Kopps Steuerberater ihm kündigt, nachdem er seine Papiere nach mehreren Monaten noch immer nicht erledigt hat und mit dem Zahlen hinterher ist. Ebenso wie seine Firma ihm nicht das zahlt, was eigentlich vereinbart war, und er seit Monaten nicht versucht, das zu ändern, obwohl es durchaus in seiner Macht liegt.
Diese große Charakterschwäche wird im Finale offenbar überwunden, und genau das funktioniert zu reibungslos. Solche tiefschürfenden Probleme kann man nicht mal eben überwinden. Die Besserung sollte gradueller verlaufen, mit Rückfällen. Aber wer weiß, vielleicht wird das in den Folgebüchern zumindest angerissen.
Da ich bereits beim Ende bin: Es ist ausgesprochen abrupt.
Zu den Charakteren gibt es, obwohl sie den Text dominieren, nicht sehr viel zu sagen. Darius Kopps wichtigste Eigenschaften habe ich schon oben erwähnt. Flora ist Übersetzerin, die sich mit Kellnern überm Wasser hält. Weitere Nebencharaktere sind Darius‘ Schwester und kranke Mutter, die er ebenso wie seine Frau vernachlässigt, da er „arbeiten“ muss, Bill und Anthony, die seine Chefs sind, Gaby, Floras Freundin, die recht technikkritisch eingestellt ist und bei Darius deswegen nicht gut ankommt, und eine Auswahl seiner Freunde.
Nebst der stilistischen Raffinesse finde ich es beachtlich, dass Mora, ohne jemals den mahnenden Zeigefinger zu heben, zum Nachdenken über den eigenen Medienkonsum anregt. Auch nach der Lektüre fragt man sich, ob man mit dem Zeittotschlagen auf Twitter und Ähnlichen nicht im Grunde dasselbe macht wie Darius, nur weniger extrem.
Zusammenfassend: „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ ist nicht gerade die unterhaltsamste aller Lektüren, aber sie gibt einem den Leseaufwand zurück.
Details zum Roman:
Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent
Autor: Terézia Mora
Verlag: Luchterhand
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 9783641037154
Preis: 8,99€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 384
Reihe: ja; 1 von 3 (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 700
Stand: 08.09.2019
Was macht man mit einem Doktor in Philosophie? Richtig, zum AMS gehen. Da Gerhard in Deutschland lebt, hat er sich stattdessen in einem Wäschereiunternehmen eingenistet, wo er nicht besonders glücklich ist, aber auch nicht besonders unglücklich.
In den meisten Inhaltszusammenfassungen steht an dieser Stelle, dass sich das ändert, nachdem sich seine Freundin ein Kind von ihm wünscht, aber das kann man höchstens als den letzten Tropfen bezeichnen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Gerhard hat eine Depression und haftet sich an Kleinigkeiten, die er im Alltag aufschnappt, um den irgendwie zu überleben.
Da der Roman in der Ich-Perspektive von einem fachkundigen Autor verfasst wurde, bekommt man Gerhards Gemütszustand volle Kanne auf den Sehnerv gepfeffert: etwas zwischen Müdigkeit, Desinteresse und Abgestandenheit, durchmischt von pseudointellektuellen Überlegungen.
Prinzipiell sind Sprache und Vokabular gewählt, als würde ein Akademiker reden – was auch der Fall ist –, bedauerlicherweise fangen die meisten Sätze aber mit dem Subjekt an, sodass häufig „Ich“ oder „Sie/Er“ am Anfang steht, was sehr schnell sehr repetitiv wird.
Wie es generell hip in der ernsten Literatur zu sein scheint, wird auf Anführungszeichen verzichtet. Ebenfalls erwähnenswert sind die vielen Details, mit denen Gerhard den Alltag übersteht und die er in gewisser Weise als Selbsttherapie nutzt, die aber schnell ein Schuss in den Ofen werden kann: Statt sich an einer alltäglichen Szene zu erhellen und aufzuheitern, tritt genau der gegenteilige Effekt ein. An einigen Stellen verrennt sich Gerhard in seinen Gedanken und merkt selbst, dass er seine Kommunikation dadurch beeinträchtigt.
Besonders plotorientiert ist der Roman nicht, sodass mir nur festzuhalten bleibt: Wenn du die Hälfte deiner Arbeitszeit über nicht arbeitest, aber für sie bezahlt wirst, solltest du dich nicht wundern, wenn du deswegen gefeuert wirst.
Erwähnenswerte Themen sind der Tod, auf den ich gleich zu sprechen komme, offenkundigerweise Depression, damit verbunden die Sinnlosigkeit des Lebens und aus irgendeinem Grund die Brüste von Gerhards Mutter. Freud freut sich grad, will ich wetten.
Der Hauptgrund, weswegen mir der Roman nicht zusagt, ist Gerhard selbst. Er ist die schlimmste Variante eines klischeehaften Philosophie-Absolventen, der sich für geistreich hält. Hinzu kommen die ständigen Abschweifungen, die geschlechtsstereotypen Vorurteile, und einige Widersprüchlichkeiten, die man wohl als facettenreichen Charakter auslegen kann, mich aber nur irritieren und Gerhard noch unsympathischer werden lassen.
Kleines Beispiel: Er redet lang und breit darüber, wie er sich dem Tod nahe fühlt und mit dem Tod auf Tuchfühlung geht, was die meisten Menschen ja vermeiden, weil er ein zerrissenes Hemd trägt, aber den Geruch von welkenden Rosen oder den Anblick von, man halte sich fest, Rentnern kann er nicht leiden, weil sie ihn an den Tod erinnern.
Wieviel dieser Eigenschaften auf die Depression zurückzuführen sind/zurückgeführt werden sollen, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass ich Gerhard nicht mag, und dass ich ihn sehr wahrscheinlich auch nicht gemocht hätte, hätte er keine Depression.
Alles in allem ist „Das Glück in glücksfernen Zeiten“ nicht furchtbar, aber da mir der Protagonist nicht sonderlich sympathisch ist und er in jeder Hinsicht das Zentrum der Geschichte darstellt, kann ich mit dem Roman nicht viel anfangen.
Details zum Roman:
Titel: Das Glück in glücksfernen Zeiten
Autor: Wilhelm Genazino
Verlag: Carl Hanser Verlag
Erscheinungsjahr: 2009
ISBN: 9783446233713
Preis: 9,90€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 160
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 15.09.2019
Noch ein Roman, der autobiographische Elemente enthält. Man kann ihm viel vorwerfen: Er ist anstrengend zu lesen, da höchst unkonventionell geschrieben, und es wird wenig explizit erklärt. Dennoch kann ich eine gewisse Wertschätzung für diesen elend langen Titel aufbringen.
Die Ich-Erzählerin gibt einen Einblick in ihren Kopf und Alltag. Eine Handlung gibt es nicht wirklich, auch wenn gelegentlich Dinge passieren; der Roman ist wohl eher als Charakterstudie zu sehen.
Mir ist nicht ganz klar, ob die Ich-Erzählerin mit Mayröcker ident ist – vollständig nicht, aber gleichzeitig bin ich mir relativ sicher, dass es einige autobiographische Elemente im Text gibt. Da die Erzählerin keinen Namen hat, werde ich sie nur „die Erzählerin“ nennen. Welche Teile ihrer Wahrnehmung auch auf die Autorin übertragen werden können, darüber kann ich nur spekulieren, und als das Folgende ist diese Rezension zu lesen: Eine Interpretation, denn dem Leser vorbuchstabiert wird hier fast nichts.
Generell wirkt der Roman wie ein Puzzle. Erinnerungen und Szenen werden miteinander vermischt, verschwimmen ineinander, und die Beziehungen zwischen den Figuren wird nicht immer explizit genannt. Auch gibt es keine Handlung, nur wiederkehrende Themen: das Altern und dessen physische Folgen, das Schreiben (genau des Buches, das „mein Herz mein Zimmer mein Name“ ist), Kleinigkeiten und Details aus dem Leben der Erzählerin, die wiederholt werden. Jede diese Wiederholungen ist höchstens zwei Zeilen lang und wird bei jeder Wiederholung in einen neuen Kontext gesetzt, sodass nicht absatzweise genau derselbe Text kopiert wurde.
Absätze gibt es nicht, ebenso wenig Punkte, nur einen am Ende. Grammatikalisch betrachtet wäre an mehreren Stellen einer angebracht, aber mit der Grammatik wird in einem gewissen Ausmaß ebenso sehr gespielt wie mit der Lexik.
Dadurch ist der Text aufwendig zu lesen, und ein Teil meiner niedrigen Wertung ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass ich das Buch bis zu einem bestimmten Datum gelesen haben musste. Hätte ich mehr Zeit gehabt und die Lektüre nicht vorangepeitscht, wäre die Wertung wohl besser ausgefallen. So viel sei aber gesagt: Das Lesen von diesem Roman macht müde. Sehr schnell.
Es ist schwer zu sagen, was das Hauptthema ist. Die Dreierbeziehung zwischen der Erzählerin, ihrem Liebhaber und dessen Liebhaberin kehrt oft wieder, aber ebenso Details, die im Kopf der Erzählerin enorm aufgeblasen werden, die psychischen Probleme der Erzählerin, ihr Alltag und Arbeitsrhythmus, und damit das Schreiben, das sie in von den vielen negativen Emotionen nährt.
Sprachlosigkeit in Angesicht überwältigender Emotionen, meist der negativen Art, und das Schreiben übers Schreiben spielen ebenfalls eine große Rolle. Einige Beispiele für letzteres: Auf den letzten Seiten wird darüber sinniert, wie man das Buch wohl zufriedenstellend beenden könnte, an anderer Stelle liest der Liebhaber die bisherigen Entwürfe des Romans gegen und kritisiert sie, an wieder anderen Stellen schreibt die Ich-Erzählerin nach einer Aussage des Liebhabers, dass sie hier im Text einfügen könnte, er hätte bitter gelacht.
Also ja: Ein anstrengendes Buch, das stilistisch gesehen ausgesprochen faszinierend ist und sicher viel für Analysen hergibt, aber nicht minder für Interpretation, eben weil so vieles offen oder halboffen gelassen und dem Leser überlassen wird.
Details zum Roman:
Titel: mein Herz mein Zimmer mein Name
Autor: Friederike Mayröcker
Verlag: Suhrkamp
Erscheinungsjahr: 1988
ISBN: 3518401270
Preis: [vergriffen]
Seiten: 336
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 500
Stand: 15.09.2019
Dieser Roman stand am Ende meiner Pflichtliteratur-Liste, und im Vergleich zu dem einen oder anderen Buch, das ich bedauerlicherweise genießen musste, ist es absolut harmlos. Beispielweise hat es vollständige, normallange Sätze.
Der Klappentext hat bei mir die Erwartung geweckt, dass sich der größte Teil der Handlung auf dem Fest finden wird, anstatt dass das Fest zum Finale gehört. Hier also eine zutreffendere Beschreibung: Ein Kunsthistoriker soll einen jugoslawischen Künstler recherchieren und eine Ausstellung zu ihm vorbereiten, kurz bevor Jugoslawien im Krieg versinkt. Am Ende gibt es das Blutbuchenfest, das nichts mit der Ausstellung zu tun hat.
Erneut handelt es sich um einen Roman, der in der Ich-Perspektive erzählt wird; erzählende Figur ist der Kunsthistoriker. Gleichzeitig erzählt er in der dritten Person auch die Geschichten der anderen Beteiligten, und das mit einer Detailfülle, dass sich zwingend die Frage auftut, woher der Kerl so viel weiß. Zumal wir hier über teils sehr intime Kleinigkeiten reden.
Der Stil ist gestelzt, vernarrt in seitenlange Beschreibungen der Äußerlichkeiten weiblicher Figuren (die männlichen werden deutlich kürzer abgehandelt) und offenbart dabei so kreative Vergleiche wie „Taille wie ein Schwanenhals“. Hinzu kommen Phrasen, die nichts aussagen, wenn man eine Sekunde über sie nachdenkt, und vereinzelte Vorgriffe – der Kunsthistoriker erzählt also nach den Ereignissen, nicht währenddessen.
Da ich mich gerade über ihn aufrege: Letztlich trägt er so gut wie nichts zum Plot bei, der hauptsächlich aus den Wirrungen von Affären besteht, und nebenbei den Beginn des Kriegs abhandelt. Für diesen letzten Teil ist vor allem Ivanas Familie wichtig. Ivana stammt aus Jugoslawien, ihre Familie lebt auf bosnischem Gebiet, ist aber kroatisch. Ivana ist offenbar die einzige Putzfrau der Stadt, denn sie putzt bei wirklich jeder der relevanten Figuren.
Winnie, Kunsthistorikers Liebhaberin? Jap, sie putzt bei deren Tante.
Wereschnikow, der Kunsthistoriker mit der Ausstellung beauftragt? Jap, sie putzt bei seiner Freundin.
Herr Breegen, der mit Wereschnikows Freundin eine Affäre hat? Jap, sie putzt in dessen Haus.
Doktor Glück, in dessen Garten das Fest stattfindet? Jap, auch hier.
Ebenso wie der Rest der Charaktere ist auch Ivana unsympathisch. Kleines Beispiel: Eine der ersten Sachen, die der Leser über sie erfährt, ist ihre Angewohnheit, in dem Haus einer Klientin ein ausführliches Bad zu nehmen, weil sie diese Frau nicht mag. Manchmal.
Ebenfalls erwähnenswert: Ivana ist ein Supermensch, genauer gesagt eine Superfrau, die gesundheitlich nie angeschlagen ist (abgesehen von einer Grippeanfälligkeit im Winter) und dementsprechend am Ziehen ihrer Brüste erkennt, dass sie schwanger ist. Weil sie wahrscheinlich die einzige Frau auf dem ganzen Planeten ist, die nie Regelbeschwerden hat.
Der Kunsthistoriker macht sich mir nicht nur durch seinen Erzählstil unsympathisch, sondern auch durch seine verallgemeinernden Aussagen basierend auf dem Aussehen oder dem Geschlecht einer Person. Und natürlich dadurch, dass er es okay findet, Frauen anzustarren, wohlgemerkt für eine lange Zeit, denn es ist nicht creepy, wenn sie es nicht bemerken.
Ich möchte auch kurz darauf eingehen, dass der Anfang des Romans strukturell ganz geringfügig schwächelt. Zuerst wird eine Nebenperson eingeführt, danach Ivana, die ebenfalls nicht zu den Protagonisten zählt, wenn sie auch schon eine größere Rolle spielt (und wenn ihr ernsthaft glaubt, dass sie ein Bad nehmen kann, ohne dass Kunsthistoriker-Erzähler sie im Detail beschreibt, werdet ihr dieses Buch wahrscheinlich nicht mögen), und erst danach kommt endlich der Ich-Erzähler in die Geschichte.
Ebenfalls erwähnenswert ist das Schildkrötenkapitel, das von einigen anderen Rezensenten gelobt wird als der einzige Teil des Buches, der nicht langweilig ist. Zu dem habe ich zu sagen: ja, es ist einer von zwei guten Teilen, nein, das Finale ist der beste Teil und nicht langweilig, und nein, das Schildkrötenkapitel hat im Buch nichts zu suchen, da es für Plot und Charaktere vollkommen irrelevant ist und nur dreimal kurz eine Schildkröte im weiteren Verlauf des Buches erwähnt wird.
Womit mir nur noch eine Frage zu stellen bleibt: Ist dieses Buch ironisch gemeint? Oder soll ich es ernst nehmen? Die Schrecken des ausbrechenden Krieges im Finale kommen gut rüber, aber alles davor ist derartig überzeichnet, plot convinient und langweilig, dass ich mich ernsthaft Frage, ob ich die Pointe übersehen habe. Zum Beispiel die Rede Wereschnikows darüber, dass gerade in solch angespannten Situationen die Würde des Menschen ja zentral und als gemeinsamer Grund zum Verhandeln anzusehen ist – und selbst ich Historikallergikerin weiß, dass im Jugoslawien-Konflikt die Menschenwürde nicht existiert hat.
Also: Ironie oder Idiotie?
Details zum Roman:
Titel: Das Blutbuchenfest
Autor: Martin Mosebach
Verlag: Carl Hanser
Erscheinungsjahr: 2014
ISBN: 9783446245389
Preis: 12,99€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 424
Reihe: nein (s. Datum)
Bewertung: 2 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 800
Stand: 15.09.2019
High-Fantasy ist seit Jahren mein Lieblingsgenre. Obwohl ich ihr viel abgewinnen kann und ich sie häufig lese, hatte ich bisher kein klassisches High-Fantasy-Buch, das sich fünf Sterne verdienen konnte. Nun – das Warten hat ein Ende.
Simon ist ein Nichtsnutz. Er lebt, von den Dienstmägden des Hochhorsts großgezogen, auf dem Schloss, das das Zentrum des Hochkönigreichs ist. Als jedoch der Hochkönig im hohen Alter stirbt, zeichnet sich ein neues Zeitalter ab – das nicht nur vom Kampf um den Thron gekennzeichnet ist.
Mit fast tausend Seiten ist „Der Drachenbeinthron“ ein nicht unbeachtlicher Wälzer, und der Grund, weswegen ich auch während der ersten 140 Seiten gerne weitergelesen habe, ist hauptsächlich der Schreibstil. Ich bestreite nicht, dass er teils eigen ist – er zieht wunderbar in die Erzählung, aber er hat eine Tendenz zum Poetischen. An einigen Stellen ufert das ins Blumige aus.
Da die sehr lebhaften Beschreibungen einen gewissen subtilen Humor in den Textstellen haben, in denen nicht viel Handlung vorangeht, und sich dieser leicht poetische Stil durchs gesamte Buch und auch in seinen Bann zieht, haben mich diese blumigen Passagen nicht gestört – obwohl ich sonst nicht zwingend ein Fan davon bin.
Es wird viel mit Atmosphäre gearbeitet, auch indem die Umgebungen ausführlicher beschrieben werden. Dabei entstand mir mehrmals ein recht lebhaftes Bild vor Augen, obwohl gerade bei diesen Szenen die Beschreibungen nicht gerade ausufernd waren.
Bei Handlung und Aufbau gibt es wenig zu sagen, ohne zu spoilern – und da ich das Buch jedem High-Fantasy-Fan dringendst ans Herz lege, möchte ich hier so wenig wie möglich vorwegnehmen. Es sei aber gesagt, dass das Buch seine Zeit braucht, um in die Gänge zu kommen – mich hat es ab etwa Seite 140 gefesselt, der Plot hat sich etwas vor Seite 200 in Bewegung gesetzt.
Beim Ende habe ich nur zu bemängeln, dass einige der positiveren Wendungen nicht unbedingt zufällig oder unverdient sind, aber ein wenig suspension of disbelief voraussetzen – wenn auch noch im Rahmen. Es sei auch angemerkt, dass sich „Der Drachenbeinthron“ definitiv nicht als Einzelband lesen lässt, da noch auf den letzten Seiten neue Stränge begonnen werden, die ihre Fortsetzung in den Folgebüchern finden dürften.
Simon macht bereits auf diesen neunhundert Seiten eine Charakterentwicklung durch – auch motivisch lässt sich das eine oder andere finden. Ich habe es sonst nicht gerade mit naiven Charakteren, die nicht wissen, was sie wollen oder wohin sie sollen, aber Tad Williams hat es geschafft, dass ich mich für einen solchen Charakter erwärmen konnte. Nicht unbedingt während dieser Phase, aber es gab keinen Moment, während dessen ich mir gewünscht hätte, Simon würde endlich verschwinden.
Hinzu kommen einige gut ausgearbeitete Nebencharaktere und ein besonders gut dargestellter Antagonist. Womit ich ironischerweise beim größten Schwachpunkt des Buches bin: Die eigentlichen Antagonisten. Einerseits ist ihre Hintergrundgeschichte eine wirklich erzklassische, der mir das gewisse Etwas fehlt, andererseits wurden sie nie gut als böse Macht dargestellt. Insbesondere der Sturmkönig ist derart abstrakt und hintergründig, dass es mir lieber ist, Simon möge sich mit ihm rumschlagen, als mit einer Marionette seiner Marionette.
Allerdings hat dieser Makel keinen Lesespaß geraubt. Ich hätte mir nur gewünscht, mich mehr um das Wohl der Protagonisten zu sorgen, sobald der Sturmkönig oder seine direkten Gesandten auf den Plan treten.
Die Welt von Osten Ard ist eine ausgesprochen facettenreiche. Es gibt einen Grund, wieso nicht nur sämtliche Figuren im Anhang aufgelistet sind, sondern auch die Karte wichtig ist, um gut durch das Buch zu kommen. Ich formuliere es mal so: Wer sich nicht gerne in fremde Welten mit einer Unzahl an Namen stürzt oder sich noch nie wirklich an eine herangewagt hat, sollte trotz aller Großartigkeit dieses Romans vielleicht nicht mit ihm anfangen.
Zumal nicht nur die Geographie sehr umfassend ist, sondern auch der Historie und der Politik etwas Raum geschenkt wird. Insbesondere von letzterer hoffe ich, dass da noch mehr kommen wird. Ansätze sind jedenfalls da.
Ich weiß, dass sich meine Rezension nicht wie eine für ein Fünf-Sterne-Buch liest. Das Problem ist, dass ich zwar endlos über den „Drachenbeinthron“ reden könnte, diese Begeisterung jedoch nicht gut ins recht starre Format der Rezension passt. Deswegen eine Quick-Fire-Runde, wieso jeder, der High-Fantasy mag, sich an dieses fast tausendseitige Monstrum wagen sollte:
Es liest sich verdammt schnell. Ist man mal über diese initialen hundert bis zweihundert Seiten hinweg, passieren sehr viele Dinge sehr schnell, und der Plot setzt sich nicht einfach nur träge in Bewegung, er springt abrupt auf und rennt, als wären Nornenhunde hinter ihm her.
Vielen Charakteren glaubt man, dass sie ihre eigene Geschichte haben und für ihre eigenen Ziele kämpfen, auch wenn das Buch bis zu einem gewissen Grad durch Simons Perspektive gefiltert ist, die sich in erster Linie um ihn selbst dreht.
Die Welt ist nicht nur umfassend, sie gibt auch wirklich viel her und erlaubt jede Menge Komplexität, von der ich sehr hoffe, dass sie in den Folgebüchern noch weiter ausgebaut wird. Jedes Land hat seine Geschichte, die es bis in die Gegenwart beeinflusst, und auch auf linguistischer Ebene sind viele der Ortsnamen und Charakternamen davon geprägt.
Der Roman scheut sich nicht davor, dass die Aktionen der Charaktere Konsequenzen haben. Hinzu kommt, dass jeder eingeführte Charakter ein Teil des Puzzles ist – es gibt niemanden, der nur doof in der Gegend rumsteht; alle erfüllen eine Rolle in der Geschichte.
Set-Up und Pay-Off würde ich zu Tad Williams‘ Stärken zählen. Einzige Ausnahme ist bisher der Sturmkönig, aber alles andere ist ausgesprochen dicht.
Nur weil man das Buch jetzt gerade nicht weiterliest, heißt das nicht, dass man nicht an die Rätsel denkt, die einige der Plotelemente aufgeben. Ausnahmsweise meine ich das sogar positiv.
„Der Drachenbeinthron“ ist ein erzklassischer High-Fantasy-Reihenauftakt mit Elfen, Träumen, Prophezeiungen, einer facettenreichen und komplexen Welt und sogar einem Drachen. Das Besondere an dem Buch ist, dass es diese typischen, inzwischen recht klischeebelasteten Elemente auf eine Weise umsetzt, die selbst mein 2,6-Sterne-durchschnittlich-pro-Buch-gehen-eigentlich-noch-Leserherz für sich gewonnen hat. Und zwar mit Fanfaren und Trompeten.
Wenn alles nach Plan läuft, werde ich die restlichen drei Bücher bis Jahresende gelesen haben.
Details zum Roman:
Titel: Der Drachenbeinthron
Autor: Tad Williams
Verlag: Hobbit Presse
Erscheinungsjahr: 2018 (vierte Auflage; Original: 1988)
ISBN: 978-3-608-9616-4
Genre: Fantasy
Preis: 15,00€ (s. Datum; deutscher Preis)
Seiten: 976
Reihe: ja; 1 von 4 (s. Datum)
Bewertung: 5 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 1000
Stand: 04.01.2020
Seitdem ich Bücher schnell genug lese, dass ich mit dem Schreiben von Rezensionen nicht mehr hinterherkomme, überlege ich mir genauer, zu welchem Text ich eine schreiben soll. Gut bieten sich die besonders schlechten und die besonders guten an. Und dann ist da noch „Alcatraz“, ein Buch, das genau in die Mitte fällt – und dabei viel für eine Besprechung hergibt.
Alcatraz ist ein Teenager, der ein Talent dafür hat, Dinge kaputtzumachen. Als Waise wechselt er dementsprechend oft das Zuhause. Zu seinem Geburtstag bekommt er einen Beutel voll Sand – und wird prompt in den Kampf um den Sand von Rashid hineingezogen und in eine Welt, die von bösen Bibliothekaren kontrolliert wird.
Wer es sich nicht bereits denken konnte: „Alcatraz vs. the Evil Librarians“ ist ein humorvolles Low-Fantasy-Buch für Kinder und Jugendliche zwischen acht und dreizehn Jahren, und es ist auf Englisch. Nun ist es schon einige Zeit her, dass ich auf Englisch gelesen habe – da es sich aber um ein Kinder-/Jugendbuch handelt, ist die Sprache entsprechend einfach gehalten, und die großzügig formatierten Seiten erleichtern ein rasches Vorankommen.
Generell habe ich am Schreibstil nicht viel zu meckern: In ihm kommt viel des Humors heraus, der sich durch große Teile des Buches zieht und den ich tatsächlich amüsant fand. Die Ich-Perspektive wird gut umgesetzt; man merkt, dass die Erzählung von Alcatraz‘ Wahrnehmung gefärbt ist – was teilweise auch zu Problemen führt, aber dazu bei den Charakteren mehr.
Auch interessant ist die umgedrehte Herausgeberfiktion: Anstatt dass der Autor so tut, als wäre er der Ich-Erzähler, bestreitet der Ich-Erzähler explizit, nicht Brandon Sanderson zu sein, der angeblich das Buch geschrieben hat. Glücklicherweise wird das bis zu den Informationen über den Autoren durchgezogen, sodass das Buch humorvoll endet.
Mein größtes Problem ist Alcatraz‘ Bestreben, den Leser zu nerven – unter anderem mit den Monologen, die er zu fast jedem Kapitelanfang hält. Denn ja, nach einiger Zeit ist man wirklich davon genervt. Insbesondere, wenn man recht viel an einem Stück liest.
Bedauerlicherweise war’s das auch schon mit den meisten Stärken des Buches (zum Weltenbau komme ich noch). Plot und Charaktere kann ich schnell und recht einfach zusammenfassen: Sie sind archetypisch, teilweise auch stereotyp. Was für eine junge Zielgruppe vielleicht noch gut funktioniert, aber ich bin eine dieser Personen, die bei einer Rezension bespricht, wie sie das Buch fand, also sehe ich das als Negativpunkt an.
Besonders schlimm ist es beim Antagonisten, der keinerlei Mehrdimensionalität erfährt. Bei den Nebenfiguren lässt sich leicht behaupten, dass durch Alcatraz‘ Wahrnehmung viele der vertiefenden Details zurücktreten oder erst gar nicht aufscheinen.
Um wieder zu Positiverem zurückzukommen: Wie für Brandon Sanderson üblich, kann sich das Magiesystem sehen lassen. Es ist zwar etwas … eigen, und komplett ernstnehmen lassen sich die Glas-Linsen nicht. Insbesondere nicht, wenn beschrieben wird, dass ein Duell mit diesen Linsen daraus besteht, möglichst viele hintereinander vor ein Auge zu halten.
Der humorvolle Ton des Buches erlaubt aber eine gewisse Lächerlichkeit, von daher ist sie nicht weiter störend. Die Talente sind ebenfalls erwähnenswert: Wie oben bereits geschrieben umfassen sie beispielweise das Kaputtmachen von Dingen und anderes, das manch Normalsterblicher als Problem ansehen würde.
Damit vermittelt Sanderson eine nette Botschaft: Auch Nachteile können, wenn sie schlau eingesetzt und kontrolliert werden, zu einem Vorteil gemacht werden.
Ebenfalls ein Denkanstoß ist die umfassende Verschwörung, die Alcatraz‘ normale Welt betrifft. Auf der einen Seite kann dieser Anstoß in Richtung „Woher wissen wir, was wir wissen? Was ist wirklich wahr?“ gedeutet werden, auf der anderen Seite ist er eine Verschwörungstheorie. Ich hoffe einfach darauf, dass die jüngeren Leser nicht wegen diesem Buch zu Anhängern der flachen Erde werden.
Alles in allem ist „Alcatraz vs. the Evil Librarians“ ein okay-es Buch. Da es in der zweiten Hälfte mehr auf Charaktere und Plot fokussiert und diese in meinen Älter-als-dreizehnjährigen-Augen die Schwachstellen des Romans sind, hat mir die erste Hälfte deutlich besser gefallen. Aber der Humor kehrt noch auf den letzten Seiten wieder und lässt zumindest einen angenehmen Eindruck zurück. Dennoch werde ich die Reihe nicht fortsetzen. Wer mit dem Humor etwas anfangen kann und sich an simplerem Plot und einfacheren Charakteren in Kinderbüchern nicht stört, sollte aber mal reinschauen.
Details zum Roman:
Titel: Alcatraz vs. the Evil Librarians
Autor: Brandon Sanderson
Verlag: Starscape
Erscheinungsjahr: 2016 (Original: 2007)
ISBN: 978-0-7653-7894-1
Genre: Fantasy
Preis: 16,99€ (s. Datum)
Seiten: 320
Reihe: ja; 1 von 5 (s. Datum)
Bewertung: 3 von 5 Sternen (s. Datum)
Wörter: circa 700
Stand: 12.01.2020
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EagleWriter • Am 16.01.2017 um 22:02 Uhr | |||
Und noch jemand bekanntes. Ich glaube langsam ist halb Wattpad hier vertreten. Zumindest die gute Seite ^^ | ||||
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Strati • Am 24.12.2018 um 0:00 Uhr | |||||||||||
Schöne Rezensionen! :D Bei "Die Legende von Enyador" kann ich dir nur zustimmen. Es kam mir an einigen Stellen einfach nur wie ein schlechter Porno vor xD Ich bin auch nur darauf gestoßen, als ich nach einen "Eragon" Ersatz gesucht habe, den ich vielleicht mit "Die Saat des weißen Drachen" bereits habe (soweit gefällt mir die Stroy ^^ (bin bei 46%)). "Dreamwalker" und "Der Drachenflüsterer" habe ich schon gelesen, aber keines konnte mich zu 90% begeistern. Kennst du vielleicht noch andere gute Drachengeschichten? :D Mehr anzeigen |
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