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Sätze: | 89 | |
Wörter: | 1.427 | |
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Eigentlich war es ein Tag wie immer. Das kleine Teelicht, Leuchti mit Namen, war gelangweilt und genervt. Kein Kunststück, wenn man bedachte, dass Leuchti zusammen mit 99 anderen Teelichtern, deren namentliche Erwähnung zu weit führen würde, in einem doch recht engen Kunststoffsack eingepfercht war und sich kaum bewegen konnte. Ausserdem war es dunkel in dem grossen Schrank, in welchem sie seit Monaten auf ihrem großen Auftritt entgegenfieberten. Jedes einzelne hoffe als erstes erwählt zu werden, um Licht zu spenden. Nicht einmal jemanden zum Reden hatte man hier. Wie auch? Schliesslich hatte keines der anderen Teelichter mehr oder sogar etwas Interessanteres zu erzählen als Leuchti selber. Immerhin hatten sie alle gleich viel von der grossen weiten Welt gesehen, mehr oder weniger zumindest. Diejenigen, die nicht wie Leuchti das Glück hatten, aussen an der Hülle des Kunststoffsacks zu liegen, hatten natürlich nicht ganz so viel mitbekommen. Aber sie hatten nicht viel verpasst. Ein grosses, schwedisches Möbelhaus, ein nicht ganz so grosses japanisches Auto und eine kleine schweizer Spiesserwohnung. Alles in allem nicht so ganz das Leben, dass sich Leuchti anno dazumal gewünscht hatte. Denn als Leuchti noch ein kleines Wachsklümpchen gewesen war, hatte er eine Fackel werden wollen. Eine von diesen richtig grossen, die richtig hell leuchteten.
Er hatte gesehen, wie solche Fackeln verladen wurden. „Amazonas-Expedition Prof. Dr. H. Berg“ stand in grossen Buchstaben auf den mit Sägespänen ausgepolsterten Holzkisten. Leuchti hatte keine Ahnung, was eine Amazonas-Expedition war, aber es klang aufregend. Leuchti seufzte. Keines der anderen Teelichter interessierte sich für Fackeln oder Amazonas-Expeditionen, sondern nur dafür, endlich etwas Licht spenden zu dürfen, aber das einzig helle, was man hier zu sehen bekam, war der schmale Lichtstreifen, wenn der Chef oder die Chefin den Schrank öffnete. Am Anfang hatte sich dann immer Aufregung unter den Teelichtern breit gemacht, dass ihr grosser Tag jetzt endlich kommen würde. Aber der Chef, von dem Leuchti übrigens zu wissen glaubte, dass er „Schatz“ hiess, schob den Kunststoffsack mit den Teelichtern meistens nur noch etwas weiter nach hinten und fluchte über das viele Zeug, dass seine Frau da immer anschleppte. Mittlerweile glaubte nur noch Kerzi aus der rechten, unteren Ecke des Sacks daran, dass sie jemals zum Einsatz kommen würden. Aber Kerzi war auch ein unverbesserlicher Optimist.
Gestern war wenigsten etwas los in der kleinen Spiesserwohnung. Der Chef und die Chefin stritten sich. Das taten sie öfters, aber gestern wurde es besonders laut.
Sie würde bei Elena schlafen, hatte die Chefin verkündet und ihre Worte mit einem lauten Knall untermalt. Leuchti kannte Elena zwar nicht, aber danach war wieder Ruhe. Offenbar hatte das bei Schatz mächtig Eindruck gemacht. Hätte Leuchti durch die Schranktüre sehen können, hätte er gesehen, dass Schatz, nun allein in der Wohnung war und auf und ab tigerte.
Plötzlich ging die Schranktür auf und riss Leuchti aus seinen Erinnerungen. Er konnte sehen, wie der Chef die Regale absuchte.
„Die müssen doch irgendwo hier sein…“, murmelte Schatz. Nervös rückte er seine Brille zurecht. „Ah!“ Er griff nach dem Kunststoffsack und Leuchti wurde unsanft gegen seine Teelichtkollegen geworfen.
„Aua! Jetzt hat meine Schale eine Beule!“, rief eines der unteren Teelichter.
„Pass doch auf, du zerkratzt mir den Kopf“, beschwerte sich ein anderes.
„Oh nein, mein Docht ist abgeknickt“, jammerte Lysa. Aber die nahm kaum jemand wahr, denn Lysa war eine Heulsuse, die den lieben langen Tag kaum etwas anderes tat, als zu jammern.
„Ach, seid doch still!“, rief Kerzi, der Optimist, dazwischen. „Wisst ihr eigentlich, was gerade passiert? Wir werden gebraucht! Ich hab’s ja immer gesagt!“ Kerzi strahlte übers ganze Gesicht.
Schlagartig verstummten die Teelichter, abgesehen von Lysa, die noch ein wenig weiterjammerte.
„Was ist denn los da draussen? Ich seh’ nichts!“, klang es aus dem Inneren des Sacks.
„Wir sind draussen“, rief Leuchti nach unten.
Hart landeten die Teelichter auf dem Laminatboden neben einen Strauss roter Blumen, die sehr teuer aussahen. Die Unteren stöhnten dabei laut auf und regten sich darüber auf, dass ihre Aluminiumschale nun total verbeult sei. Lysa empfand es als Frechheit, einfach so fallen gelassen zu werden und jammerte noch ein bisschen.
Schatz schien das allerdings nicht sonderlich zu stören. Er riss den Kunststoffsack auf und Leuchti purzelte zusammen mit einigen anderen unsanft hinaus an die frische Luft. Etwas benommen stellt Leuchti fest, dass er auf der Seite lag, aber das war ihm herzlich egal. Hauptsache draussen. Dann kam ihm die Idee, dass er ja so vielleicht doch noch zum Amazonas rollen könnte. Leuchti machte sich gleich auf den Weg. Nicht, dass er Ahnung gehabt hätte, wo der Amazonas lag, aber irgendwie würde er sich sicher durchfragen können.
Aber er kam nicht weit, denn nun wurde er vom Chef eingesammelt und zusammen mit einigen anderen fein säuberlich auf der Kommode im Wohnzimmer aufgereiht. Mit anderen säumte Schatz einen Weg von der Wohnungstür zur Küche, welchen er dann mit den Blütenblättern der teuren Blumen ausfüllte. Er machte offenbar ein richtiges Brimborium, denn nun begann der Chef auch noch zu kochen. Allerdings schien er darin nicht sonderlich gut zu sein. Es begann bald recht unangenehm nach Angebranntem zu riechen und Schatz öffnete schnell die Fenster, so dass Leuchti richtig kalt wurde und er sich langsam aber sicher auch wünschte, dass es endlich losgehe und er etwas Licht und vor allem Wärme verbreiten durfte. Nach dem Kochunfall bestellte Schatz lieber etwas zu essen.
Nervös sah er immer wieder zur Uhr und steckte so die Teelichter mit seiner Nervosität an und sie sahen ebenfalls immer wieder aufgeregt zur Uhr, obwohl keines von ihnen wusste, wie eine Uhr zu lesen war.
Irgendwann legte der Chef langsame, romantische Musik auf und griff dann zum Feuerzeug.
„Jetzt geht’s los“, konnte Leuchti eine der grossen, eleganten Stabkerzen auf dem Tisch sagen hören. Sie klang genervt, offenbar war das nicht das erste Mal, dass sie so etwas erlebte.
„Heute hat er sich ja richtig ins Zeug gelegt“, bemerkte eine andere Stabkerze.
„War ja auch heftig, gestern“, meinte die dritte.
„Na, ob das noch was wird. Würde mich wundern, wenn sie überhaupt noch nach Hause kommt“, murrte die erste wieder.
„Sie ist bisher immer wiedergekommen, also halt den Mund und mach deinen Job!“
Leuchti sah zu, wie der Chef erst die Stabkerzen und dann ein Teelicht nach dem anderen anzündete. Kerzi war derart aufgeregt, als er angezündet werden sollte, dass er von der Kante des Regals fiel und auf dem flauschigen, dunkelblauen Teppich landete.
Als alle Teelichter brannten, ertönte ein leises „klick“ und die Deckenlampe war aus. Leuchti war gar nicht aufgefallen, dass es draussen schon dunkel war. In der kleinen Spiesserwohnung jedoch war nun alles in ein helles, goldenes Licht getaucht.
„Wie schön“, seufzte eines der Teelichter auf dem Regal.
„Es wäre viel schöner, wenn mein Doch nicht geknickt worden wäre“, jammerte Lysa, die Heulsuse.
„Unsinn, du siehst toll aus“, versicherte ihr ein anderes Teelicht.
Kurz darauf war erneut ein leises Klicken zu hören, und dann darauf ein Scheppern.
„Die Chefin ist nach Hause gekommen“, rief eines der Teelichter, das zur Tür sehen konnte.
„Und sie hat ihre Tüte fallen lassen“, ergänzte ein anderes.
Anschliessend ging die Chefin den mit Teelichtern gesäumten Weg zur Küche entlang. Leuchti, der nun auch freie Sicht hatte, konnte ihr ansehen, dass sie das alles nicht so richtig fassen konnte.
Der Chef gab sich dafür umso gefasster. Er bat seine Frau, sich doch zu setzen, stellte das Essen auf den Tisch und entschuldigte sich wegen des Streits vom Vortag.
Sie sprachen über belanglose Dinge und lachten viel.
Leuchti dagegen war gar nicht zum lachen zumute. Langsam aber sicher schmolz er immer mehr, so dass er bald nur noch zuhören konnte, da er nicht mehr gross genug war, um über den Rand seiner Aluminiumschale zu sehen. Aber er freute sich auch, dass der Chef und die Chefin sich wieder verstanden und er hatte das Gefühl, dass er und die anderen Teelichter sehr viel dazu beigetragen hatten. Das war genauso gut wie eine Amazonas-Expedition. Zumindest fast. Trotzdem bekam er immer weniger mit. Auch, dass die anderen Teelichter nach und nach verlöschten bemerkte Leuchti nicht.
Irgendwann wurde es dunkel um das kleine Teelicht und nur noch eine dünne Rauchfahne und ein schwaches Glimmen in der leeren Aluminiumschale zeugten noch von Leuchtis grossem Tag.
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Mausi • Am 25.12.2018 um 12:47 Uhr | |||
Hallo LaurAStern Ich finde deine Geschichte super gut. Es ist ja gerade Weihnachten und die Idee ein kleines Teelicht bis zu seinem großen Tag zu begleiten ist echt prima. Mach weiter so. Grüße Mausi |
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TamSang • Am 16.10.2017 um 13:46 Uhr | |||
Hallo LaurAStern! Wie schön... Passt doch perfekt in die Herbst- und Weihnachtszeit... Tolle Idee, wie auch immer Du darauf gekommen bist... Es war spannen dun durchaus interessant das Leben der Teelichter zu begleiten, aber die Wehmut kam zum Schluss - Leuchti ist tot... aber nicht vergessen... Hab vielen Dank für die tolle Unterhaltung... Muss mal sehen, ob es mehr in die Richtung von Dir gibt... Grüße Tam |
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Bloona • Am 13.06.2017 um 22:50 Uhr | |||
Ach herrlich. ^^ Eine hübsche Story und mit so viel Leben. Ich find jedes einzelne Teelicht sympatisch. Ok außer Lysa vielleicht. ;) Man könnte glatt schwören selbst in dem Plastiksack zu stecken und Tag für Tag darauf zu warten, dass es endlich los geht. Wunderschön erzählt von vorne bis hinten. Viele Grüße Bloona |
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Plumenvahseh • Am 24.02.2017 um 21:10 Uhr | |||||||||||||||||||
Wieso hab ich da mal nur zwei Sterne gegeben?! Gah, das sollte man ändern können! Das war 1 Versehen. Sorry sorry sorry sorry! | ||||||||||||||||||||
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Elenyafinwe M • Am 15.01.2017 um 17:20 Uhr
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Ach, ist das süß! *-* Ich bin versucht, das jetzt zu interpretieren, dass sein Licht ausging und das für das nahe Ende der Beziehung steht. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass das schon wieder fast zu weit ginge. lg Auctrix |
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