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Kapitel: | 25 | |
Sätze: | 4.382 | |
Wörter: | 47.731 | |
Zeichen: | 279.409 |
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
2022 hatte ich den ersten Band der Trilogie mit Amaris als Hauptcharakter abgeschlossen, während ich bereits begann den zweiten Teil zu schreiben.
Im Laufe dieser Zeit änderte sich die ursprüngliche Fassung zu einer teils neuen. Ich hatte schon vieles voraus geschrieben, um so dieses nicht zu vergessen und doch wurde der zweite Teil etwas umstrukturiert. Es sollten einige ungeklärte Situationen beleuchtet werden, jedoch nicht alle von diesen. Einige davon habe ich nun eingebaut.
Die Lyrik des Liedes „Frozen“ von der Musikgruppe Within Temptation beschreibt die Sicht von Menschen, die sich für jemanden geopfert haben aus Schutz und die bedingungslose Liebe zu ihrem liebsten Mitmenschen.
Im offiziellen Musikvideo „Frozen“ von Within Temptation erzählt man die Sicht einer Mutter, die den Vater ihrer Tochter ermordet, da dieser sehr cholerisch zu beiden war.
Am Anfang sieht man sie in einem Gefängnis und schreibt einen Brief an ihre Tochter, wo sie versucht zu erklären, dass sie ihre Tat aus Schutz für ihre Tochter getan hat, aber auch Angst hat, ihre Tochter würde ihr nicht verzeihen.
Warum ich diese eine Passage aus den Lyrik genommen habe, werdet ihr im Laufe des zweiten Teils erfahren, mit welche die sich auf haben.
Es sind jedoch auch ein paar Trigger Punkte zu beachten in diesem Teil, einer davon ist die sexuelle Gewalt!
Nun ein letztes Zitat, bevor es los geht: „In unseren dunkelsten Momenten müssen wir uns konfrontieren, um das Licht zu sehen.“ (Aristoteles Onassis)
Ever Dream – Nightwish
Rise again – Apocalyptica
Pale – Within Temptation
Walk this Way – Aerosmith
Immortal – Evanescence
Louder than hell – Mono Inc
Time Stands Still - Blind Guardian
Not Strong Enough – Apocalyptica
Labyrinth – Oomph!
When Love Rages Wild in My Heart – Gorgoroth
Griftwood - Ghost
Scratch and Scream – B and the Hive
Ich tu’ dir weh – Rammstein
Fire and Ice – Within Temptation
Goodbye Agony – Black veil Brides
Frozen – Within Temptation
Only Time – Enya
Wait and Bleed – Slipknot
Hardrock Hallelujah – Lordi
Augen auf – Oomph!
Sleeping Sun – Nightwish
On your Shore - Enya
Ashes – Christian Death
Fallen Embers – Enya
Bodom Beach Terror – Children of Bodom
Path – Apocalyptica
Games people play- the Alan Parsons Project
Labyrinth (Reprise) – Oomph!
Banned From Heaven – Children of Bodom
Father of the Wolf – Amon Amarth
Child of Sin - Kovac & Till Lindemann
Children of the Moon - the Alan Parsons Project
Broken Pieces – Apocalyptica
Eifersucht - Rammstein
Thunderstruck – ACDC
Silence and I - the Alan Parsons Project
Bless the child – Nightwish
China Roses – Enya
Memories – Within Temptation
Anywhere is - Enya (Reprise)
Rock and Roll Dreams Come Through – Meat Loaf
Live or die – Apocalyptica & Sabaton
Deep Silent Complete – Nightwish
Master of puppets – Metallica
Season of Change – Stratovarius
Eye of the tiger – Survivor
Feuer frei – Rammstein
Phoenix – Stratovarius
Wishmaster – Nightwish
Zu 90 Prozent war ich sicher, dass ich einen Albtraum hatte. Musik dröhnte und laute Stimmen waren überall. Viele verschwommene Gesichter starrten auf mich. Ich stand in einer kreisförmigen Mitte, umgeben von roten und schwarzen verwelkten Rosenblätter. Eine Spiegelkugel hing an die Wand und drehte schnell und flackernde Beleuchtungen. Laute Stimmen waren in einem Raum.
Die Musik wurde kurz darauf pausiert. Ich stand an der linken Seite und beobachtete einen Mann, der auf die Bühne empor stieg. Es war mein Schulleiter und verkündigte die Nachricht des Ballkönigspaar des Schulballs: „Es kamen zwei Kandidatinnen und drei Kandidaten für den Schulball in Frage. Kommen wir zum Resultat der Kandidaten: Lycidas Ravil, Ozul Gelimer und Ywain Drimortus. Zu 21 Prozent gingen die Stimmen an Ywain, 15 Prozent an Lycidas und unser Gewinner ist Ozul Gelimer mit 64 Prozent der Stimmen. Vivat Ozul! Zu den Kandidatinnen: Die Schülerinnen Tourmaline Silvstone und …“ Wer war nun die zweite Kandidatin?
Mein Wecker klingelte mich gegen Viertel nach sechs wach. Ich war noch viel zu müde und kam nicht so recht auf die Beine. Dennoch verfiel ich ins Grübeln. Schläfrig gähnte und streckte ich mich, bis ich endlich aufgestanden war.
Einen Blick warf ich danach auf meine Pinnwand, an der meine To-Do Zettel und andere wichtige Notizen hafteten.
10. Mai 2007
Die Müdigkeit saß noch tief in meinen Gliedern und ich fühlte mich etwas wackelig auf den Beinen. Meine Augen kämpften gegen die Müdigkeit an, als ich auf den Kalender schaute und das heutige Datum sah: 10. Mai 2007: ein Donnerstag. Ich nahm meine Handtücher und taumelte langsam in Richtung Bad. Eine Wechseldusche tat mir gut. Es war noch keiner hier und das war auch gut so. Ich konnte somit etwas abschalten und meine Morgenroutine etwas ruhiger starten, doch dann erinnerte ich mich wieder an das Datum. Irgendetwas steht heute an, nur was ist es wieder gewesen? Ach egal, ich schaue später nochmal nach in den Notizen meines Hausaufgabenheftes nach. Ich duschte schnell und zog mich an. Hesperia wurde langsam wach und schaute mich mit einem müdem Blick verwirrt an. „Salve! Du bist schon wach?“, begrüßte sie mich gähnend. Ich schaute auf die Uhrzeit meiner Armbanduhr. „Wie spät ist es denn?“, wollte meine Freundin wissen.
„Es ist bereits Viertel nach sieben und ich glaube, du musst auch bald aufstehen“, erinnerte ich sie. Sie seufzte und machte sich fertig. Ich schaute nochmals auf meine Pinnwand und merkte, dass ich das heutige Datum dick und rot umrandet hatte. Dabei hing eine ein gelber Zettel, auf dem stand: Bekanntgabe der Preisverleihung. Ich war aufgeregt.
Stimmt! Mrs Vendetta wird uns heute die Neuigkeiten des Dark Art Institute mitteilen. Ich wartete auf meine Freundin, bis wir gemeinsam frühstücken konnten. Auch sie war noch hundemüde. Auf dem ganzen Weg zur Mensa gähnte sie und steckte mich immer wieder an. Ich nahm mir eine kleine Tüte und legte einige Energiebälle hinein für die Pause. Fürs Frühstück nahm ich mir etwas Porridge mit Kiwi- und Mangostücke und zwei Vollkorntoasts mit Linsen-Paprika Aufstrich. Als Getränk brauchte ich einen frisch gepressten Orangensaft. „Ach, Amaris?“, fragte Hesperia mich mit ermüdender Stimme.
„Ja, was ist los?“
„Weißt du zufälligerweise, wann wir die Englisch Klausur schreiben?“ Ich war etwas verwundert, dass meine Freundin dies nicht wusste. Hat sie es sich nicht aufgeschrieben?
„Heute in zwei Wochen. Hast du es vergessen zu notieren?“, wollte ich von ihr wissen.
„Mmh“, nickte sie gähnend. Ich war mittlerweile etwas wacher und erkannte, dass sie beinahe wieder eindöste. Ich setzte sie in Kenntnis, dass an diesem Tag die Entscheidung der Preise des Kunstwettbewerbs gefällt wurde und aß noch schnell zu Ende. Sie freute sich sehr und hoffte für mich, dass ich unter den Gewinner stehen würde. Ich schaute kurz auf die Uhrzeit. Oh, schon acht Uhr! Wir müssen in einer halben Stunde wieder zum Unterricht!
„Hesperia, wir müssen los. In einer halben Stunde fängt der Literaturunterricht an“, erinnerte ich meine Freundin, „Und ich muss nochmal hoch meine Schultasche holen.“
Schnell rannten wir hoch in unser Zimmer und schließlich zu unserem Klassenraum, um nicht zu spät zu kommen. Wie ihr bereits wusstet, war Pünktlichkeit bei Mr. Segeric sehr wichtig. Ich schaute noch kurz, ob ich alle Schulbücher und mein Schulordner eingepackt hatte.
Alles drin! Nun los. Wir schritten zum Hauptschulgebäude und warteten, bis unser Klassenraum aufgeschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt unterhielten Hesperia und ich uns etwas. Ich teilte ihr meine Aufregung mit, die ich für den Kunstunterricht verspürte, da heute die Bekanntgabe der Gewinner des Wettbewerbes anstand. Doch zuerst musste ich durch den Literaturunterricht. Mr. Segeric eilte zum Saal mit etwas Verspätung und schloss unseren Klassenraum auf. Im Inneren forderte er uns dann auf, augenblicklich hinzusetzen. Eine Woche davor hatten wir eine Klausur geschrieben und er starrte uns dieses Mal sehr streng an. Etwas stimmte nicht, das war klar an seiner Mimik zu erkennen. „Salvete!“, begrüßte er uns ernst, „Ich habe schon einen Blick in eure Aufgaben geworfen und wie ich sehe, haben viele sehr wenig ausformulierte Antworten in den Klausuren gegeben. Kann es sein, dass manche nicht gelernt haben? Hört mir gut zu! Es ist mittlerweile das letzte Quartal, bevor die Sommerferien beginnen und das Schuljahr vorbei ist.“
Hoffentlich habe ich wenigstens alles soweit richtig und in ausführliche Antworten verfasst.
Hesperia zuckte mit den Schultern und wusste nicht, wie die anderen eine Erklärung zu geben.
„Nun lasst uns einen Blick in eins der letzten Kapitel eures Schulbuches werfen. Kapitel Heilzauber aufschlagen auf der Seite 177. Amaris könntest du bitte anfangen, den Abschnitt über die Funktion des Heilzaubers zu lesen?“
Ich nickte und folgte der Aufforderung unseres Lehrers. Hoffentlich ist die Stunde gleich vorbei und dass ich bald im Kunstunterricht bin. Ich muss mich gedulden. Doch eine Englischstunde ist auch noch auf den Plan.
Mr. Segeric führte den Zauber durch und machte uns deutlich, dass dieser Zauber nur in Notfällen gedacht war.
Dann forderte er uns auf, unsere Tarotkarten aus unserer Schatulle zu nehmen und erklärte die verschiedenen Legesysteme, die wir schon etwas in Erfahrung gebracht hatten. Ich tat mich beim Thema Tarotkarten lesen schwer. Das Prinzip war komplex. Zum Glück konnte Hesperia mir etwas dabei helfen. Mr. Segeric verfasste die wichtigsten Punkte auf der Tafel und wir notierten diese ins Heft, bevor die Schulklingel läutete. Wie lange dauert es noch?, fragte ich in mich hinein und atmete tief durch. Bestimmt will unsere Englischlehrerin uns nochmal an die Arbeit in zwei Wochen erinnern oder den Lesestoff mit uns durchgehen.
Ich atmete, wie viele anderen erleichtert aus, als der Literaturunterricht zu Ende war. Wir warteten nun auf unsere Mrs. Wanda.
Es wurde laut im Klassenraum und ich hörte, wie Lycidas sich mit Arsham, einem anderen Klassenkamerad stritt.„Sie empfindet nichts für dich. Ich habe sie doch mit ihm gesehen und ich würde dir raten, dich von den beiden fernzuhalten“, versuchte Arsham unserem Möchtegern Casanova zu erklären.
„Arsham, sie soll verstehen, dass der nichts für sie ist!“, ärgerte sich Lycidas.
Moment mal, redet Lycidas etwa über mich und Ozul? Arsham hat Recht; ich will nichts von Lycidas!
Meine Freundin mischte sich bei den beiden ein: „Über wen redet ihr, Jungs?“
„Es geht um deine Freundin Amaris. Lycidas will seine Liebe ihr gestehen, aber ich habe gehört, dass sie mit …“, versuchte Arsham für Hesperia die Situation zu erklären. Zum Glück wurde Ozuls Namen noch nicht erwähnt.
„Du Vollidiot!“, schrie Lycidas seinen Kameraden an, „Musst du ausgerechnet das heraus posaunen?“ Hat er noch immer nicht verstanden, dass ich mit Ozul zusammen bin? Was für ein Aasgeier! Ich hasse ihn, ich hasse ihn!
„Es reicht jetzt! Und jetzt setzt euch alle hin und seid still!“, regte sich Mrs. Wanda auf, die in unseren Klassenzimmer hineinging. Sie legte ihre Tasche laut auf den Tisch, sodass es schnell still im Raum wurde. Viele schüttelten den Kopf, um dennoch ihren Missfallen auszudrücken. Doch sie sah darüber hinweg und verdonnerte uns dazu, die Kapitel 15 und 16 von unserer Lektüre zu bearbeiten.
Etwas später erklärte sie uns den Aufbau der nächsten Klausur, die wir in zwei Wochen schreiben würden. Ich hoffte so sehr, dass auch diese Stunde schnell vorbei war. Die Aufregung war zu groß, um diese zu kontrollieren und diese Nervensäge von Lycidas, der nichts besser im Kopf hatte, als seine Pläne zu schmieden, wie er Ozul und mich am Besten auseinanderreißen konnte, so wie es Nightshade getan hatte. Die Diva ließ sich schon seit einiger Zeit nicht sehen und wir wussten noch immer nicht, wo sie geblieben war. Hat sie sich an einen anderen Ort gehext oder was war mit ihr? Ich sollte eigentlich froh sein, dass sie weg war, doch meine Neugier war dieses Mal zu hoch. Wo steckte sie bloß? Amaris, es ist nicht wichtig, wo sich die Diva aufhält. Du bist nun die Königin.
Nun abwarten! Ich erinnerte mich zurück an die letzten Monate, wo ich am Kunstwerk für den Wettbewerb gearbeitet und ich sehr viel Energie hinein gesteckt hatte. Mrs. Vendetta schritt ins Atelier herein.„Salvete!“, begrüßte sie uns.
„Salve!“
„Wie ihr bereits ahnt, werden manche heute ihr Ergebnis vom Kunstwettbewerb erfahren. Ich möchte euch ja nicht auf die Folter spannen. Die Direktorin Dame Nasira Capulova des Dark Art Institute wartet vor unserem Klassenraum und wird die Preisverleihung verkünden.“, begann unsere Lehrerin zu berichten. Es wurde laut im Klassenraum. Verschiedene redeten durcheinander.
War es vor Aufregung oder was war die Ursache?
„Nun claudite!“, schrie Mrs. Vendetta, „Nun ich bitte euch Mrs. Capulova zu begrüßen“ Unsere Lehrerin öffnete die Tür. Eine etwas ältere Frau mit schwarzgesträhntem hellblondem Haar schritt in einem dunkelblauen viktorianischen Kleid herein. Sie begrüßte uns freundlich und begann erst mit einer schlechten Nachricht:
„Leider haben es nicht alle geschafft, einen Preis zu gewinnen und eine von euch wurde disqualifiziert. Eine Kopie eines bestehenden Kunstwerkes ist Plagiat. Den Namen dieser Person werde ich nicht erwähnen, da diese es selbst wissen weiß. Ich möchte nun zu den guten Nachrichten und den anderen kommen, die die weiteren Preise verliehen bekommen. Ich bitte nun die folgenden Schülerinnen aufzustehen:, Semyazza Zosima, Amaris Ward und Turaya Vanoushkava. Der dritte Preis geht an Turaya mit der Zeichnung „Time Stream“ im Surrealismus Stil in Aquarell und Surrealismus Stil, der zweite an Turaya mit „Abstract Time“ in Ölfarben und der Hauptpreis geht an Amaris Once upon in childhood times im Acryl. Herzlichen Glückwunsch Amaris!“
Mrs. Capulova überreichte mir das Stipendium. Das Papier, das zu einer Pergamentrolle geformt und mit einer Schleife gebunden war.
Danach teilte sie mir mit, dass mein Kunstwerk im berühmten Kunstmuseum Royal Art Tresor Gallery Museum in Sawblade Nebula ausgestellt wurde. Anschließend gab mir sie mir eine Broschüre der Universität, die mich in zwei Jahren aufnehmen würde. Ich lächelte und freute mich. Meine Kunstlehrerin gratulierte mir und flüsterte mir zu: „Deine Mutter wäre sehr stolz auf dich. Dein Talent hat sich dafür gezeigt." Hoffentlich hatte keiner sie gehört, denn es musste niemand außer meinen Freundinnen wissen, dass meine leibliche Mutter eine sehr gute Freundin von Mrs. Vendetta war. Vermutlich wusste es aber die Leiterin des Kunstinstituts auch.
„Ihr könnt euch wieder setzen!“, forderte unsere Lehrerin uns auf. Wir setzten wieder an den Sitzplatz. Mrs. Vendetta bedankte sich bei Mrs Capulova für den Besuch und sie ging. In diesem Moment läutete die Schulklingel das Ende des Unterrichts und Schulende dieses langen donnerstags ein. Ich holte meine Frühstückstüte mit den Energiebällen heraus, da ich vor ganzer Aufregung etwas essen musste. Hesperia stand neben mir und gratulierte mir auch zu meinem Erfolg. „Das muss gefeiert werden!“, sagte sie entschlossen. Ich schüttelte den Kopf.
„Magst du etwa nicht feiern?“, wollte sie von mir wissen.
„Mir ist nicht danach“, gestand ich ihr, „ich habe schon in den Julferien schlechte Erfahrungen gemacht.“
Sie bettelte mich an: „Ach komm schon, Amaris. Du bist meine beste Freundin. Kannst du nicht da eine Ausnahme machen, bitte?“
„Na gut, aber dann nur mit dir, deiner Schwester und Ione“
„Und was ist mit deinem Schatz?“
„Ja, stimmt, aber an einem anderen Ort“, stimmte ich leise zu. Sie nickte glücklich und war der Meinung, ich sollte Ozul die freudige Nachricht überbringen und sie erzählte mir ihr Vorhaben für die Party. Wir eilten in unser Zimmer und ich schrieb meinen Adoptiveltern eine Nachricht über das freudige Ereignis. Dagegen rief ich Ozul an.
Ich wusste, dass es noch zwei Jahre dauerte, bis ich das Highschool Diploma abschließen würde. Jedoch war ich sehr neugierig und wollte mehr über die Kunstuniversität zu erfahren. Doch zuerst musste ich Ozul anrufen. Er hatte noch etwas Zeit, bevor er wieder los musste. Er ging in letzter Zeit fast jeden Donnerstag nach der Schule zum Boxtraining. Ich rief ihn an: „Wer ist da?“, fragte er scherzend.
„Deine bessere Hälfte“
„Das ist mir klar, mein schöner Mond. Wie geht’s dir?“
„Gut und dir? Ich habe eine gute Nachricht, mein Liebster: Ich habe den ersten Preis für mein Kunstwerk und das Stipendium bekommen, um nach der Highschool auf die renommierte Kunstuniversität zu gehen. Ist das nicht toll?“, erzählte ich glücklich meinem Freund.
„Herzlichen Glückwunsch mein Schatz! Das klingt aufregend. Ja es geht so bei mir“, antwortete er etwas bedrückt.
„Ist etwas passiert?“
„Nein, es geht nur darum, dass ich bald einen neuen Plattenvertrag unterzeichnen muss.“
„Oh wieso das denn? Übrigens wollte ich dich mit meinen Freundinnen einladen, um mein Ereignis von heute zu feiern. Das weitere erkläre ich dir noch.“
„Okay. Ich erzähle dir alles später, meine Liebste. Ich muss nun los zum Boxtraining und rufe dich später an. Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich mehr!“
„Ich liebe dich am meisten! Bis dann.“
„Bis dann, mein schwarzer Panther. RRR!“ Ozul kicherte leise ins Telefon und wir legten auf. Hesperia fing an laut zu lachen: „Schwarzer Panther? Ist das jetzt dein Kosename für Ozul? Willst du mir jetzt erzähle, dass du doch nicht zu schüchtern bist?!“
„Hesperia, ich soll doch selbstbewusster werden oder nicht?“, entgegnete ich mit einer anderen Frage.
„Ja schon, aber das war jetzt eine Seite von dir, die kenne ich nicht“. Ich zuckte die Schultern und wusste selbst nicht so recht, warum ich so reagiert hatte; eine Erklärung dazu hatte ich nicht. Kurz darauf klingelte mein Handy und auf dem Display war die Festnetznummer von meinen Adoptiveltern zu sehen. „Hallo?“
Meine Adoptivmutter war auf der anderen Seite am Hörer: „Hallo Amaris, Liebes, wie geht es dir? Wir haben lange nicht mehr miteinander telefoniert. Wie läuft es in der Schule? Was gibt es Neues?“
Ich erzählte ihnen, dass ich am Kunstwettbewerb der Schule teilgenommen hatte und dafür den ersten Preis bekam, sowie ein Stipendium. Etwas später berichtete ich ihr, dass Ozul seit vier Monaten mein erster fester Freund war. Er war meine erste richtige Liebesbeziehung. Meine Pflegemutter hörte mir aufmerksam zu, freute sich sehr über die guten Nachrichten. Sogar meinen Adoptivvater ruft sie währenddessen dazu. Er sagte dann völlig aufgeregt: „Aus dir wird noch eine wahre Künstlerin! Wir sind stolz auf dich und außerdem möchten wir den jungen Mann kennenlernen. Und in welchem Fach, ist denn der Glückliche gut?“
„Ozul ist Sänger der Schulband und er hat vor ein paar Monaten eine goldene Schallplatte für sein großartiges Album bekommen. Er ist ein brillanter Musiker.“
„Das klingt genial. Ozul heißt er also. Wir würden uns sehr freuen, ihn kennenzulernen und hoffen, dich bald wieder bei uns zu haben.“
„Ich muss nun leider auflegen, weil ich noch viele Hausaufgaben habe. Hab euch sehr lieb!“, erklärte ich meinen Eltern.
„Wir haben dich auch sehr lieb und hoffen, dich bald wieder zu sehen. Wir vermissen dich sehr:“
„Ich vermisse euch auch. Bis dann!“ Ich legte wehmütig mit einem Kribbeln im Magen auf. Das kann ja was werden! Ich muss Ozul meinen Adoptiveltern vorstellen, aber möchte er das? Und wie würden sie ihm begegnen? Würden Thorn und er sich wie richtige Männer verstehen? Richtige Männer?! Was rede ich denn da wieder für ein Quatsch! Ich muss mich doch um andere Dinge kümmern, also nun Laptop einschalten und mehr über die Uni erfahren. In der Internetsuche gab ich den Namen der Universität ein, die mich in zwei Jahren aufnehmen würde: Muriel Rachel Art Darker College.
Die erste Suche führte mich zu der Homepage: muriel-rachel-art-darker-college.snb In einer Slideshow wurden ein paar Bilder des Colleges gezeigt: Das Hauptgebäude wurde im Stil der Hochviktorianischen Gotik gebaut und die Wohnhäuser im Renaissance Stil. Die Universität wurde im 18. Jahrhundert gegründet, aber die Wohnhäuser wurden schon früher für andere Zwecke benutzt. Auch bekannte Künstlerinnen hatten hier studiert und eine dieser bekannten hatte diese Universität ins Leben gerufen. Diese gewisse Muriel Rachel. Sie setzte sich für die jungen weiblichen Studentinnen aus der Mittelschicht ein, die sonst keine Chance gehabt hätten. Hier konnte man sich für die Studien in Bildende Kunst, Freie Kunst, Kunstpädagogik und Kunstgeschichte bewerben. Mein Wunsch war es später als freischaffende Künstlerin zu arbeiten in der Selbstständigkeit. Dies war meine Bestimmung. Ich ging die verschiedenen Unterrubriken der Webseite durch.
Hesperia schaute mir etwas über die Schulter. „Das ist bestimmt der geniale Ort zum Studieren“, war ihre Meinung. Ich zuckte mit den Schultern und wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. In weiteren unteren Rubriken las ich etwas über die verschiedene Bereiche, ihre Voraussetzungen und Ziele. „Glaubst du, dass ich in zwei Jahren dafür bereit bin?“, fragte ich meine Freundin zweifelnd.
„Du schaffst das, meine Schwester und ich glauben an dich und dein Schatz auch.“
Im selben Moment klingelte der Nachrichtenklingelton. Auf dem Display erschien der Kosename von meinem Liebsten. Das Training ist ausgefallen und ich bin nun in der WG. Ich muss nochmal den Plattenvertrag durchlesen und neue Texte schreiben. Um 20 Uhr 30 werde ich dich anrufen. Ich liebe dich meine Schöne. Bitte verzeih mir, dass ich mich nicht vorher melden kann. Ich stieß einen Seufzer aus. Dass Ozul einen neuen Plattenvertrag unterschreiben musste, war nicht das Problem, es stellte sich nur die Frage, warum er dies als schwierig bezeichnete. War der Vertrag etwa mit Klauseln verbunden, die ihm Sorgen machten? Ich musste mich geduldigen, bis er mich anrufen würde. Eilig schrieb ich ihm zurück, dass es kein Problem wäre, später zu telefonieren. Allerdings teilte ich ihm auch mein Gefühl der Sorge mit. Er erwiderte in kurzen zwei Sätzen:
Mach dir keine Sorgen, Liebste! Ich werde mich melden.
Es machte mir doch Kummer, denn das Unwissen quälte mich sehr, sodass Bauchschmerzen einsetzten. „Ist alles in Ordnung, Amaris?“, wollte meine beste Freundin von mir wissen. Ich zuckte mit den Schultern und wusste nicht, wie ich meinen Zustand erklären sollte. Aus dem Fenster beobachtete ich ein paar dunkle Wolken, die vorbeizogen. Vermutlich würde es gleich regnen.
Dann machte ich etwas Hausaufgaben und legte mich etwas später hin bis zum Abendessen.
22. Mai 2007
Es war ein Tag vor meinem siebzehnten Geburtstag. Draußen waren dunkle Wolken aufgezogen und es könnte in jedem Moment anfangen zu regnen. Wir hatten am Morgen die Englischklausur geschrieben, obwohl diese eigentlich auf Donnerstag festgelegt war, aber Mrs. Wanda war der Meinung diese vorzuverlegen. Lycidas hatte sich sehr darüber aufgeregt. Vielleicht hatte er nicht gelernt gehabt. Ich jedenfalls hoffte, dass ich noch alles noch richtig gewusst hatte. Die Klassenarbeit war über unsere Pflichtlektüre und somit die letzte schriftliche Bewertung. Dann wäre die Lektüre abgeschlossen und ein anderes Projekt würde anstehen.
In den letzten Tagen hatte ich öfters Bauchschmerzen und quälte mich durch im Unterricht, ohne dass meine Lehrer dies mitbekamen. Vielleicht war es wie jedes Jahr der Geburtstagsstress, aber dieses Mal war es anders. Vermutlich war ich dieses Mal mit einem Fluch belegt, da die Schmerzen schon zwei Wochen mich zerrissen und das Ritual für die Befreiung eines Fluches nicht erfolgreich war. Hesperia und Eranthe vermuteten schon länger, dass sich eine neue Herausforderung stellte, aber welche? Tausend Fragen zermürbten meinen Kopf und die Erschöpfung sah man in meinen Augen geschrieben. Ich schlief schlecht und Hesperia hörte, dass mein Atem in der Nacht oft für kurze Zeit aussetzte. „Ich glaube, du solltest besser einen Arzt suchen, da du mir sehr viele Sorgen machst.“ Sie hatte Mrs. Hestia Bescheid gegeben. In ihrer Abwesenheit sollte unsere Erzieherin ein Auge auf mich haben. Hesperia musste noch mit Eranthe noch paar Dinge besprechen, bevor sie wieder zurück war. „Gute Besserung. Ruh dich etwas aus.“, sagte sie mir und schloss die Tür von unserem Zimmer hinter sich. Sie meinte es gut mit mir. Ich hatte ihr und ihrer Schwester viel zu verdanken. Die Integration in die Klasse, die Hilfe zum Selbstvertrauen wieder erlangen (auch wenn dies noch nicht ganz gut war) und andere Dinge.
Doch fürs Ausruhen blieb mir keine Zeit. Ich trank drei große Teebecher, um irgendwie die Schmerzen lindern zu können und aß etwas Grießbrei mit Mandelmilch und Banane.
Danach versuchte ich mich auf meine Hausaufgaben zu konzentrieren, die ich für die letzten vier Wochen bis zu den Sommerferien aufbekommen hatte. Ein Referat und eine Übersetzung in Latein. Wir mussten die letzten Seiten des Buches „Utopia“ übersetzen. Ich legte meine Bücher auf den Schreibtisch und las die letzten zwei Seiten durch, bevor ich die Übersetzung niederschrieb.
Kurz darauf schaute ich aus dem Fenster heraus und beobachtete das Wetter. Es waren noch immer dunkle Wolken zu sehen, aber es regnete noch nicht. Tief in meinen Gedanken versunken, ließ ich die vergangenen Monate Revue passieren. Doch ich verfing mich in der Frage, wer meine leibliche Mutter war.
„Deine Mutter wäre sehr stolz auf dich.“ Meine Mutter, die sich nie um mich gekümmert hat. Nennt man die eine Mutter? Eine gewisse Trista Myld; wo ist sie und warum hat sie mich damals weg gegeben? Wieso ist mein Leben eine Lüge? Hat sie eine Erklärung dafür? Ich will jetzt endlich wissen, wer sie ist.
Denk an etwas anderes, komm schon. Nicht zurückspulen, sondern bleib im Hier und Jetzt!
Ich las die letzten Sätze des Buches und vervollständigte schließlich die Übersetzung.
Plötzlich klopfte jemand an meiner Zimmertür und fragte nach mir: „Amaris, hier ist Mrs. Hestia, könnte ich kurz herein kommen?“
Ich stand auf und öffnete die Tür. „Gut, dass du hier bist, denn ich müsste dich sprechen.“, setzte sie mich in Kenntnis. Hatte ich etwas falsch gemacht oder was war der Anlass?
„Gehen wir in mein Büro, dann sind wir ungestört“, sagte meine Erzieherin des Internathauses. Ich folgte ihr und sie öffnete die Tür. Ihr Zimmer war mit einer Schlafcouch, einem Schreibtisch samt einem PC, ein paar Regalen und einem Kleiderschrank ausgestattet. Das Schlafsofa war überzogen mit einem schwarzen dünnen Laken, einer ruß-schwarzen Decke mit weißen Symbolen und drei dazugehörige Kopfkissen.
Ein paar Fotos hatte sie in Bilderrahmen aufgestellt. Eins war von einer norwegischen Waldkatze, vermutlich Mrs. Hestias Haustier. Ein anderer Bildrahmen hatte ein Familienfoto. Sie, ihr Ehemann vermutlich und ihre Tochter, die vermutlich etwas älter als ich sein könnte. Auf einem anderen Foto erkannte man eine etwas ältere Frau, die in einem eleganten, einteiligem Abendkleid, das aus Spitze und Seide betont wurde. Es könnte vielleicht ein anderes Familienmitglied sein.
Mrs. Hestia forderte mich auf, mich aufs Schlafsofa zu setzen. Ich schaute nochmal rundherum ihr Büro an und wurde etwas nervös.
„Amaris, du fragst dich sicherlich, warum du nun hier bist, oder?“, fing sie an.
Ich zuckte mit den Schultern und antwortete leise: „Ich weiß es nicht.“ Meine rechte Hand griff die Decke und schloss sie fester in der Faust. Die Nervosität war kaum zu kontrollieren.
„Ich möchte dich informieren, wegen deiner schulischen Laufbahn und wie es für dich hier im Internat so ergangen ist..“, sprach sie. Ist dies das letzte Gespräch des Schuljahrs?
„Die Zeugniskonferenz stehen in drei Wochen an. Ich habe bereits mit deinen Lehrern gesprochen: Sie sind sehr zufrieden mit deiner Leistung. Von deiner Kunstlehrerin habe ich erfahren, dass du mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden bist. Herzlichen Glückwunsch nochmals! Ich habe beobachtet, dass du dich hier wohler fühlst, als die Wochenenden bei deiner Familie, auch wenn ich am Anfang gesehen habe, dass es dir nicht einfach gefallen ist, diese neue Lebenssituation zu meistern. Ich habe jedoch erkannt, dass du das geschafft hast“, fing sie an zu erzählen. Trotz ihres Lobes verspürte ich einen Stich in meinem Bauch. Der Schmerz rief Selbstzweifel in mir hoch. Ich soll mich verbessert haben? Würde Adrienne sich damit zufrieden geben? Bestimmt wird sie mich weiter kritisieren! Ich bin nicht perfekt, und werde es nie sein können. „Alles in Ordnung?“ Mrs. Hestia bemerkte meine Nervosität und fragte mich, ob ich eine Tasse Tee mit ihr trinken wollte. Ja, das wird bestimmt gut tun und Gedanken, hört jetzt auf laut zu werden. Ich muss mich konzentrieren. Die Erzieherin stand auf und bat mich mit zum Aufenthaltsraum zu kommen. Sie nahm noch ihre Keramik-Teekanne, die mit Silberornamenten verziert war und einen Deckel mit Fledermausflügeln hatte. Zudem holte sie noch zwei Teebeutel aus einer Schachtel. Sie bat mich zwei Tassen, Untertassen und Löffel aus dem linken Regal zu nehmen und ihr dann zu folgen. Mrs. Hestia setzte den Wasserkocher auf. Ein lautes Rauschen erklang und zischte. Das Geräusch war nicht zu ertragen. In der Zwischenzeit legte die Pädagogin die Teebeutel in die Teekanne und goss heißes Wasser hinein. Den Tee konnte man nun etwas ziehen lassen.
Etwas später schenkte Mrs. Hestia Tee in die Tassen, setzte sich mir gegenüber und fuhr weiter mit dem Gespräch fort. Ich hielt meine Hände um die warme Tasse.
„Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte sie mich und ich zuckte mit den Schultern. „Ah ja, ich habe ja erläutert, dass ich finde, dass du dein erstes Schuljahr hier sehr gut gemeistert hast“.
Was redet sie denn da? Hat sie Nightshade nicht über mich lästern hören, oder will sie es nicht wissen? Und jetzt kommen Sie bitte auf den Punkt!
„Jedoch habe ich gesehen, dass du oft nach den Ferien etwas traurig warst. Darf ich dich fragen, was dich bedrückt?“
Wo soll ich nur anfangen? Es geht ja schon mittlerweile etwas besser und ich komme hier soweit zurecht, aber wie soll ich ihr diese Frage beantworten? Das Gefühl von Verzweiflung nistete sich ein und dann überfiel mich wie damals bei Jelvira die Wut und Trauer Und etwas verwirrt war ich schon: Sie hatte doch vorhin erzählt, dass sie über meine Lebensumstände Bescheid wusste und verstand nicht, weshalb sie mich nochmal darüber sprechen wollte, doch viele Emotionen kochten wieder hoch. Ich erzählte Mrs. Hestia von der Tatsache, dass ich genau vor einem Jahr erfahren hatte, dass ich adoptiert wurde und dass ich bei meinen leiblichen Verwandten lebte. Ich trank meine Tasse Tee sehr hastig aus, da ich angespannt war und dachte plötzlich, dass sie diese Informationen eigentlich schon längst wissen sollte. Sie entschuldigte sich aufrichtig bei mir. Die Wunde wurde neu aufgerissen und dann verkündete sie mir eine Nachricht, wo sich noch mehr Fragen sammelten, als schon ohnehin. Wir gingen nochmals in ihr Büro und sie nahm ein Paket aus ihrem Schrank. Sie überreichte es mir und sagte: „Ein Paket ist heute für dich angekommen.“
„Danke, aber von wem ist dieses?“, fragte ich kleinlaut.
Sie konnte mir diese Frage nicht beantworten und sagte nur: „Vielleicht bekommst du die Antwort, falls du es öffnest. Nun ich werde außer Haus sein. Es tut mir nochmal sehr leid, dass ich dich überrumpelt habe, Amaris. Wir werden uns später sprechen.“
***
Ich nickte, nahm das Paket und ging in mein Zimmer. „Wo warst du?“, fragte meine beste Freundin mich.
Ich hatte mich erschrocken, da ich sie nicht sofort gesehen hatte. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken und was ist los, Beste? Ich sehe, dir geht es nicht so gut.“ Ich legte das Paket wütend auf meinen Schreibtisch und ließ mich auf den Stuhl fallen.
Draußen hörte man den Wind laut heulen und man sah die Bäume schaukelten mit der Luft hin und her. Ein Sturm schien sich anzukündigen und etwas Unheilvolles zu geschehen. Ich hatte bereits voraus gesehen, dass tatsächlich ein Fluch auf mir lastete. Warum muss dies ausgerechnet ein Tag vor meinem Geburtstag passieren?
Eine Antwort konnte ich nicht meiner besten Freundin vermitteln. Stattdessen zeigte ich ihr mit dem Zeigefinger auf das Paket und schlug mir die Hände vors Gesicht wegen panischer Angst.
Mein ganzer Körper zitterte. Hesperia kam auf mich zu und versuchte mich zu beruhigen. „Es ist schon gut… Sch..“,sprach sie mit ruhiger Stimme zu mir und legte ihre Arme um mich. „Ist es wegen deinem Geburtstag morgen?“, wollte sie von mir wissen. Ich verneinte ihr diese Frage. Es ist einfach zu viel gewesen und nun dieses Paket. Wer ist der Absender? Meine Gedanken verwandelten sich in einen Teufelskreis, sodass sich immer mehr Trauer und Wut vermischten. Meine beste Freundin fragte mich, ob sie an meiner Stelle das Paket öffnen dürfte, damit ich Gewissheit bekam. Ich nickte schnell mit dem Kopf und gab ihr die Erlaubnis. Hesperia öffnete mit einer Schere die Kanten und plötzlich sprang sich die Pappkartonbox von selbst auf. Ein helles Licht erstrahlte und verblasste rasch.
Hesperia zeigte mir den Inhalt des Päckchen. Ein Briefumschlag, einen versilberten Handspiegel, eingerollte Pergament Schriftstücke, die mit einer schwarzen Lederschleife zusammengebunden wurde, ein Schmuckästchen, das wie eine kleine Schatztruhe aussah. Meine Freundin öffnete das Kästchen und wir entdeckten ein Lederarmband in gleicher Farbe wie die Schleife um die Pergamente mit einer silberner Legierung. Ein Lebensbaum und mein Name mit meinem Geburtsdatum waren auf dieser Legierung hinein graviert. Sie fragte mich, ob sie nun den Knoten der Schlaufe des Pergamentschriftstücke öffnen durfte. Ich nickte wieder schnell mit dem Kopf, um ein „Ja“ zu vermitteln. Sie faltete die Schriftstücke auseinander: Es war ein geschriebener Brief mit einer leichten verschnörkelten Handschrift auf vier DIN A4 Seiten. Sie las kurz das Datum und die erste Zeile:
„...
3. Mai 2007
An meine geliebte Tochter, Mein Kind des Mondes, meine Amaris Eugenia“, Ich glaube, den musst du dir selbst durchlesen, da dieser Brief an dich persönlich ist.“ Sie gab mir die Schriftstücke. Es wurde genau vor 19 Tagen verfasst: „Wenn du mich brauchst, ich bin für dich da und bleibe nun hier.“, setzte Hesperia mich in Kenntnis und wich mir nicht von der Seite. Das ich den Brief nun doch lesen musste, zog mir den Magen zusammen. Ich spürte Stiche, die sich wie scharfe Messerklingen anfühlten.
...
3. Mai 2007
An geliebte Tochter, mein Kind des Mondes, meine Amaris Eugenia,
Zuerst möchte ich mich bei dir entschuldigen, dass es mir sehr leid tut, was ich dir angetan habe. Du wirst wahrscheinlich nun überrascht sein, dass ich dir nun zum ersten Mal schreibe. Nach fast 17 Jahren … Ich habe vieles falsch gemacht und ich mache mir die größten Vorwürfe, aber es war nie der richtige Zeitpunkt, mich dir zu erklären. Deswegen habe ich mich entschlossen es dir zu schreiben, auch wenn es bald 17 Jahre sein werden: Meine Eltern, also deine Großeltern waren sehr streng… In ihren Augen war ich ein Nichts und meine Schwester, deine Tante … Adrienne war und ist ihre Lieblingstochter, da sie ihr Wunschkind ist und die besten Leistungen hat.
Ich war für unsere Familie eine schreckliche Schande. Mein Wunsch war frei zu sein und nicht besessen zu werden. Für meine Eltern bin ich eine Versagerin.
Du fragst dich sicherlich auch, wer dein Vater ist, wie wir uns kennengelernt haben und ob wir noch ein Paar sind. Rox Trishwall ist der Name deines Vaters und nein wir sind kein Paar mehr. Ich war in deinem Alter, als ich mit dir schwanger wurde. Es überforderte mich, weil es auf eine Art und Weise, die ich in keinem persönlichen Gespräch erzählen kann:
Es war an einem Sommertag des Jahres 1989: der 13. August. Dein Vater und ich waren damals erst sieben Monate ein Liebespaar gewesen und ich dachte, er wäre meine wahre erste Liebe und ich würde nach der Schule mit ihm eine gemeinsame Zukunft planen, aber an diesem Tag war alles anders. Dein Vater wurde an diesem besagten Tag siebenundzwanzig Jahre alt und ich war auf seinem Konzert eingeladen, wo auch Adriennes Lebenspartner, also Cadell und sein jüngerer Bruder Balduin auch spielten. Adrienne stand kurz davor die Stelle als Leadsängerin der Flame Snake Musikgruppe zu werden. Die Band spielte damals an dem besagten Abend in Qadiras und meiner Stammkneipe Canon Ball. Dein Vater war der E-Bassist der Band und ein gutaussehender Punker. Die Musik der Gruppe war vor Adrienne in der Punkrock Richtung, bevor sie die Musikrichtung veränderte, was sie scheinbar durchgesetzt hat.
Qadira und ich tranken an der Bar ein Glas Kaktusfeigen-Saft. Wir feierten den Erfolg von Rox, auch wenn Qadira mich vor ihm warnte. Sie hielt nichts von ihm und hatte immer eine Vorahnung. Rox war ein Casanova. Er hat sämtliche Mädchen verführt. Ich war also blind vor Liebe und wollte es nicht wahrhaben.
Nach dem Konzert trank er noch zwei Bier, vier Schnäpse und drei Wodka. Man bemerkte seinen alkoholisierten Zustand, aber er verlangte von mir, zu sich zu fahren. „Du hast genug getrunken“, erinnerte Qadira ihn. Doch er lallte herum, torkelte herum und hickste. „Das ist mir egal! Komm jetzt Trista, wir gehen!“, sagte er ihr und mir: „Baby, du wirst sehen, es wird keiner fragen, wer du bist und wir sind dann ungestört.“
Seinen Eltern kümmerten sich nicht um seine Angelegenheiten und dachten sich nur vermutlich, dass er wissen musste, was er täte. Sie wollten sich nicht einmischen. Seine Mutter war eine heimliche Alkoholikerin. Über seinen Vater weiß ich nichts. Also ging ich mit Rox zu seinem Zuhause und wir gingen sofort in sein Zimmer. Er torkelte aufs Bett. Ich setzte mich neben ihn. Er schaute mich mit arglosen Augen an. Unerwartet drehte sich dann alles um 180 Grad. Seine Stimme erklang verrucht. Er küsste mich und sagte schließlich: „Ich habe nun lange genug gewartet. Lass uns nun endlich zur Sache kommen!“ Ich fragte mich und dann ihn was er damit meinte. Er versetzte mir mit seiner rechten geballten Hand einen Schlag auf die Brust und setzte sich mit seinem gesamten Körper auf mich. „Lass uns es tun! Ich will jetzt Sex mit dir haben, egal was du nun tust.“ Ich lag wie versteinert da und konnte mich nicht wehren. Ich merkte, dass er nun sein wahres Gesicht offenbarte. Er legte mich auf den Rücken und legte mir Handschellen an. Seine Augen starrten auf mein Dekolleté. Dann zog er den Reißverschluss meines Korsetts herunter und fasste meine Brüste an. Später zog er meine Lederhose aus und meinen Slip. „Du erregst mich, ich will dich jetzt. Aber wehe, du schreist, dann werde ich dir den Mund zu stopfen und dich trotzdem vögeln, egal ob du es nun willst oder nicht! Du gehörst nun mir!“, waren seine Worte und er zog sich ebenfalls aus. Ich lag nackt unter ihm. Ich versuchte zu schreien, doch er wurde wütender. Er beschimpfte und bestrafte mich, indem er dann eine meiner Brüste grob anfasste. Ich weinte und fragte mich, was nur ihn gefahren war, mich so zu behandeln. Ich war wie eine wehrlose Sklavin, die alles mit sich machen ließ. Ich konnte mich nicht befreien.
Ich schrie vor Schmerzen und wollte nur noch weg. „Halt deinen verdammten Mund! Oder willst du, dass meine Mutter dich hört.“ Er öffnete die Handschellenteile und befahl mir, sein Glied anzufassen und daran zu reiben, bis er erregt war. Ich zögerte, aber musste das tun, was er verlangte. Meine Entjungferung war auf reine Gewalt geschehen! Ich konnte noch immer nicht fassen, dass er dies getan hatte und ich dachte, ich wäre in einem falschen Film. „So gefällst du mir, Baby! Besser du tust das, was ich dir sage, oder du siehst, was dir passieren kann, denn der Teufel kennt kein Erbarmen. Er hat dich gequält und da musste ich ihn aus dir herausholen. Das ist meine Aufgabe...allein meine! Ich werde dich nun losmachen und wehe, du erzählst jemanden über diese Nacht. Und jetzt lauf nach Hause! Geh!“ Das waren seine letzten Worte und ich lief zu deinen Großeltern und deiner Tante. „Wo warst du?“, wollte dein Großvater von mir wütend wissen, „ich hoffe, du hast dich bloß nicht mit diesem Rox eingelassen. Er ist ein sehr schlechter Umgang für dich.“ Er sperrte mich für zwei Tage ein.
Eines Tages konnte ich mich von diesem Martyrium befreien und flüchtete sofort zu meiner besten Freundin Qadira. Die nächsten Wochen plagten mich, da Qadira und ihre Familie mich verstecken mussten. Meine Eltern und Adrienne durften mich nicht finden. Die folgenden Monate ging ich nicht zur Schule. Ich wollte Rox nicht über den Weg laufen und mich an die Tat erinnern. Die Qualen wollte ich mir ersparen. Ich aß viel und meine beste Freundin machte sich um mein Essverhalten Sorgen. Sie war der Meinung, ich sollte einen Arzt aufsuchen. „Du machst Scherze!“, lachte ich, aber es ließ ihr keine Ruhe. Sie schlug vor mitzukommen. Zwei Wochen darauf suchten wir einen Arzt auf und dieser fand heraus, dass ich bereits in der siebten Schwangerschaftswoche war. Was sollte ich nur tun? Ich war viel zu jung und so unerfahren. Bitte vergib mir Amaris, ich hatte Angst und wäre nie ein gutes Vorbild für dich gewesen, deshalb hatte ich dich Qadira überlassen.
Eine Frage stellst du ebenfalls: Ob ich deinem Vater von der Schwangerschaft erzählt hatte. Ja, das hatte ich, aber er wollte nichts mehr von mir wissen und ich fand heraus, dass ich nicht die einzige war, die ein Kind von ihm hatte. Es gab noch eine, aber wer, das kann ich dir bis heute nicht sagen. Es tut mir leid, dass ich dir das erzählen musste, aber du hattest bestimmt viele Fragen über mich und nach einem ‚Warum’ gesucht? Ich wünschte, ich wäre für dich da gewesen.
Nun zum anderen Thema: Ich habe dir einen Handspiegel geschenkt, um mit dir Kontakt aufzunehmen. Das Lederarmband ist dein erstes Geburtstagsgeschenk von mir, wo ich dir schon immer geben wollte. Aber ich habe mich nie getraut, mit dir Kontakt zu suchen, da ich Angst habe, du würdest mir nie verzeihen. Hinter dem Spiegel siehst du den Spruch ‚Oculus vitae sapientia’ (die Weisheit ist das Auge des Lebens). Diesen Satz musst du zuerst aussprechen bevor du mich sehen wirst. Und Amaris, ich wünsche mir, dass du mich irgendwann mal besuchen kommst. Pass auf dich auf und ich hab‘ dich lieb.
Deine leibliche Mutter Trista
Ich zitterte nun noch mehr, als vorhin und kämpfte mit den Tränen. Den Brief knallte ich auf meinen Nachtisch. Warum musste sie sich das gefallen lassen? Mein Vater ...NEIN! Mein Erzeuger … dieser Mistkerl! Ich hasse ihn! Wenn ich ihn in die Finger kriege, dann wird er büßen. Das verspreche ich. Hesperia tröstete mich und wollte wissen, was sich ereignet hatte. Ich erzählte ihr kurz, was meine leibliche Mutter durchgemacht hatte, mein Erzeuger ein gewalttätiger war und ich dachte, ich wäre ebenfalls eine Versagerin.
„Das klingt sehr furchtbar und ausgerechnet jetzt musst du das alles ein Tag vor deinem Geburtstag erfahren. Es tut mir sehr leid für deine Mutter, was sie durchgemacht hat. Wie konnte dein Vater, sorry, ich meine dein Erzeuger ihr dies nur antun? Mir tut es auch Leid für dich. Und jetzt nochmal zu dir, meine Liebe: du bist niemals eine Versagerin, Amaris. Du bist mehr: Du bist eine wahre Künstlerin und meine beste Freundin. Du hast viel geschafft und du schaffst noch viel mehr. Ich glaub’ an dich. Süße, wir kriegen das hin“, sprach meine beste Freundin zu mir. Sie wollte mir Mut machen und hatte Recht.
Ich stellte mir jedoch die Fragen, ob ich mich gegenüber meiner leiblichen Mutter stellen konnte oder nicht, sowie wer die andere Frau war, die noch ein Kind von dem Arschloch hatte.
Zumindest stand nun fest, dass er nicht mehr Mister XY war.
22. Mai 2007: 22 Uhr
Ich konnte mich noch immer nicht beruhigen und es nicht fassen, was im Brief von meiner leiblichen Mutter stand. In zwei Stunden war mein Geburtstag. Ein grausamer Gedanke! Ich lag nun im Bett, starrte eine ungewisse Zeit an die Decke und dann wieder auf das Lederarmband, das meine leibliche Mutter mir geschenkt hatte. Ein einziges Chaos in meinem Leben und ein Haufen voller Glasscherben, wo man sich schneiden kann. Innerlich fühlt sich mein Herz an, als hätte man rote Strickfäden herausgezogen oder durchgeschnitten, sodass bloß nur ein kleines schwarzes Loch zu sehen war. Meine Adoptivmutter hatte mir einmal erklärt, dass nicht das äußere wichtig ist, sondern das Licht im Inneren und man dies schätzen soll. Wie komme ich nun auf diese Sache? Ich weiß nicht so recht … Ich weiß nur, dass ich bald 17 Jahre alt sein werde und das frühe Erwachsenenalter sich schwer anfühlt. Ich muss mich vorbereiten … Vorbereiten von nun an selbst Entscheidungen zu treffen. Aber bin ich dazu in der Lage? Ich weiß es nicht …
Ich stand kurz auf und holte mir etwas zu trinken. „Du bist noch wach?“, fragte meine beste Freundin mich mit matter Stimme. Ich nickte. „Hast du Ozul bereits über die Situation informiert? Es wäre sicher gut, wenn du mit ihm sprechen würdest?“, war sie der Meinung. Ich schüttelte dagegen den Kopf und hielt dies für keine gute Idee. Mein Freund mochte es schon selbst nicht alte Kamellen aufzuwärmen. Ich wollte ihn nicht auch noch mit der Wendung meiner Lebenssituation belasten.
„Ich glaube, ich muss eher mit meiner Adoptivmutter reden“, sagte ich Hesperia leise.
„Wahrscheinlich ist das besser!“
***
23. Mai 2007: 0 Uhr
„Alles Gute zum Geburtstag, meine Beste!“, gratulierte mir meine beste Freundin. Ich nickte dankend und sie überfiel mich mit einem Geschenk. Schon wieder ein Geschenk? Wann hat sie dafür Zeit gehabt und ich fühle mich überrumpelt. Was konnte ich ihr nur zurückgeben?
„Pack schon aus!“, befahl sie mir.
„Um diese Uhrzeit noch?“, fragte ich sie und runzelte die Stirn.
„Ja bitte.“ Ich zerriss das Geschenkpapier: Eine Duftkerze in einem Teelichthalter aus Holz war drin. Der Duft war der von Wildrosen. Wieder hatte Hesperia den richtigen Riecher gehabt. Ich mochte diesen Duft sehr.
„Vielen lieben Dank, meine Beste“, sagte ich und umarmte sie zum ersten Mal, „Danke für alles und nun müssen wir schlafen, denn in sechs Stunden klingelt der Wecker.“
Sie nickte gähnend und wünschte „Gute Nacht.“
6 Uhr
Der Wecker klingelte pünktlich. Ich hatte etwas geschlafen und krabbelte mühsam aus dem Bett. Gemütlich ging ich meine Morgenroutine an, doch Gedanken bestimmten erneut den Tag. Hesperia wird wahrscheinlich auch bald wach sein. Hoffentlich weiß nicht jeder, dass heute mein Geburtstag ist und hoffentlich gibt es kein Fest. Es reicht schon, wenn meine Freundinnen und mein Liebster es wissen. Mich macht es allein fertig, dass meine leibliche Mutter mir zum ersten Mal nach 17 Jahren geschrieben hatte und ich nicht weiß, ob ich sie kennenlernen möchte … Schluss jetzt! Ich muss mich fertig machen.
Etwas später packte ich meine Schultasche für die Fächer Literatur, Latein, Englisch und Geschichte.
Hesperias Wecker klingelte normalerweise gegen halb sieben morgens, doch offenbar hatte sie diesen nicht klingeln gehört oder sie hatte vergessen, ihn einzuschalten.
6 Uhr 50 war es nun. Meine beste Freundin wachte langsam auf und stellte mit einem Entsetzen fest, dass sie um 20 Minuten verschlafen hatte. „Oh Mist!“, fluchte sie und wünschte mir gähnend einen „Guten Morgen“. Wir hatten beschlossen, aufeinander zu warten, wenn wir gemeinsam frühstücken gehen würden.
Kurz darauf schaltete ich mein Handy ein und nicht lange danach vibrierte es dreimal: Drei Nachrichten gingen in den Messenger ein. Die erste von Ozul, die zweite von meiner Adoptivmutter und die dritte von meinem Cousin Valerian. Mein Cousin schrieb mir selten, auch wenn wir uns verstanden. Alle drei schrieben mir zum Geburtstag. Na toll, das fängt ja schon gut an! Alles Gute zum Geburtstag oder meiner Liebsten wünsche ich einen besonderen und schönen Geburtstag. Ein großer Kloß bildete sich in mir. Ich wollte keine Geburtstagswünsche mehr hören. Seit ich an diesem Tag 17 Jahre alt geworden bin, wusste ich nun, dass meine Kindheit vorbei war und ich noch knapp zwei Jahre hier auf dem Black Lake Gymnasium verbringen würde. Mitte Juni würden die Sommerferien beginnen. Ich hoffte nur, wieder dann bei meinen Adoptiveltern zu sein. Cadell wollte mir dies versprechen. „Können wir los? Ich habe großen Hunger!“, fragte mich meine beste Freundin aus meinen Gedanken herausreißend. Ich schaute kurz auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass es schon spät war: 7 Uhr 35!
Auf dem Schulhof stand Ozul und winkte mir zu. Er ist schon so früh hier. Bestimmt hat er mich schon vermisst. „Salve Regina Amaris!“, begrüßte er mich rufend. Ich grüßte meinen Liebsten ebenfalls und erklärte ihm, dass ich noch etwas zum Frühstück brauchte. Er schlug vor mitzukommen. Für eine gute Idee hielt ich das nicht, auch wenn Ozul sich nicht mehr verstecken und ich selbstbewusster werden wollte, schlich sich doch wieder das Gefühl von Unsicherheit ein.
Alleine schon wegen dem Casanova Held Lycidas, der nachdem Nightshade weg war (auch wenn keiner von ihrer aktuellen Situation wusste) dumme Sprüche von sich gab, nur weil er in mich verliebt war. Wir gingen in den Esssaal.„Oh, salve Ozul, ich habe dich nicht sofort gesehen!“, rief meine beste Freundin aus der Ecke zu meinem Freund. Er winkte kurz. Ich legte schnell mein Frühstück auf einen Teller: Ein paar herzhafte Süßkartoffelfladen Scheiben und etwas Champignonaufstrich. Einen gepressten Orangensaft in einer fertig abgefüllten Plastikflasche brauchte ich ebenfalls wie jeden Morgen. In meine Frühstückbox packte ich noch etwas Obst und einen Sesambagel mit etwas gebratenem Tofu für die Pause. In meine Tasse füllte ich frisch gebrühten Grüntee. Ich wollte die Sachen zum Tisch bringen, doch Ozul hatte bereits meinen Teller fürs Frühstück in der einen Hand und in der anderen meine Box. „Du kannst nicht alles alleine tragen, meine Schöne. Warte, ich helfe dir“, sagte er. Ich nahm die heiße Teetasse und die Flasche Orangensaft und wir schritten zum Tisch. Er bemerkte meine Freundinnen, legte die Sachen auf unseren Tisch nieder und setzte sich neben mich. Es war das erste Mal, wo er mit mir und meinen Freundinnen zusammen am Tisch saß.
Als ich anfing zu essen, kam kurz darauf Lycidas auf uns zu und das ohne Frühstück.„Na Prinzessin, wirst du nun auch deinen Prinzen füttern?“, fragte er mit frecher Stimme. Ozul stand auf und drängte Lycidas in die Ecke. An der Mauer hielt er ihn fest und griff an den Kragen von Lycidas Oberteil.
„Es reicht, kleiner Casanova! Lass meine Freundin in Ruhe!“, zischte er meinen Klassenkameraden an.
„Ganz ruhig, Großer“, provozierte Lycidas meinen Freund.
„Lass gut sein! Und jetzt hau’ ab!“
„Ist ja schon gut! Geh nur zu deiner verlogenen Prinzessin!“
Ozul ließ Lycidas los und schüttelte gereizt den Kopf. Ich versuchte weiter zu essen, obwohl ich mich beeilen musste, denn in 20 Minuten mussten Hesperia und ich zum Unterricht. „Tut mir sehr leid für diese Unannehmlichkeiten, Darling“, entschuldigte sich mein Liebster. Er küsste meine linke Schläfe und streifte mit seinem Arm meinen Rücken. Ich nickte „Schon gut“.
„Wir müssen langsam zum Lateinunterricht.“, erinnerte ich mich. und packte meine Frühstückbox in meine Schultasche. Dann verabschiedete ich mich von Ozul. Er ging vermutlich in Richtung Proberaum für Musik.
Hesperia und ich schritten ins Schulgebäude zu unserem Klassenraum. „Das war ja sehr mutig von deinem Liebling, dass er zu dir steht und sich gegenüber Lycidas gestellt hat“, flüsterte meine beste Freundin mir zu. Ich nickte. Wir warteten auf Mr Vitus, der scheinbar zu spät war oder war er vielleicht krank?
„Amaris?“, rief eine meiner Klassenkameradinnen. Es war Turaya. „Ich möchte mich nicht einklinken, aber sind Ozul und du ein Paar?“, wollte sie von mir wissen. Ich glaubte, dass nun jeder mittlerweile davon wusste, aber sowie es schien, doch nicht jeder. Wie soll ich dir diese Frage nun höflich beantworten?
„Wer weiß das denn noch nicht?“, mischte sich Lycidas mit einer Gegenfrage ein, „und übrigens, falls ihr euch noch immer fragt, wo sich Nightshade herumtreibt, dann kann ich Euch nur sagen, dass sie in der Irrenanstalt ist. Sie ist sicher nicht ganz dicht.“
Woher hat er diese Information? Von Nightshade etwa selbst? Es ist nicht der Rede wert. Vielleicht will Lycidas sich nur wieder wichtig machen.
Eine Viertelstunde verging. Unser Lehrer war noch immer nicht da und da kam Mrs. Anela um die Ecke. „Salve discipulus! Ich möchte euch mitteilen, dass Mr. Vitus heute krank geworden ist und ich ihn heute vertrete“, erklärte sie uns.
Mrs. Anela schloss unseren Klassenraum auf und wir setzten uns an unsere Sitzplätze. Unsere Spanischlehrerin schlug uns vor, unsere anderen Fächer zu bearbeiten: die letzten Aufgaben. Viele seufzten. Vermutlich, weil sie keine Lust mehr hatten, da in drei Wochen die Sommerferien beginnen würden. Ich dagegen erinnerte mich ohne Grund, dass bald ein weiterer lunarer Festtag anstand: der „Zwei-Einigkeitsmond“ Tag (Dyad Moon).*
Die Schulklingel läutete das Ende der Stunde an. Ich räumte meine Sachen in meine Schultasche und ging dann nach draußen. Hesperia folgte mir. Wir schritten nach draußen. Ich setzte mich auf eine Bank und suchte nach meiner Frühstückbox. Glücklich fand ich sie und aß meinen Sesambagel.
Dann trank ich einen Schluck Orangensaft.
„Du bist so still. Ist etwas passiert?“, erkundigte sich meine beste Freundin bei mir. Ich wusste nicht so recht und schwieg. Es beunruhigte sie. Na ja, der Tag läuft nicht so toll, aber es ist ja immer so. Morgens aufstehen, dann frühstücken, Schule, Mittagessen, nochmal Schule und dann Hausaufgaben. Nachher Abendessen. So läuft doch der Alltag bis jetzt immer ab. Und am Wochenende bin ich dann hier, entweder unternehme ich etwas mit Freunden oder verbringe die Zeit mit Ozul. Was soll man denn großartiges sagen?
Ich starrte auf den Schulhof und beobachtete die anderen Schüler. Viele waren glücklich und ich war an meinem Geburtstag nicht in guter Stimmung, da ich mich wieder an den Brief meiner leiblichen Mutter erinnerte und Lycidas mir auf die Nerven ging. Die Information über Nightshade ließ mich seltsam anmuten. Auf der einen Seite plagten mich Schuldgefühle, da ich dachte, es wäre meine Schuld, dass sie in einer psychiatrischen Klinik wäre, aber auf der anderen sollte ich froh sein, dass sie mich nicht mehr nervte.
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*Dyad Moon: ‚Dyad’ ist ein archaisches Wort, das Paar bedeutet. In vielen Kulturen sind die Legenden von Sonne und Mond untrennbar miteinander verbunden. Manche Mythologien halten sie für Mann und Frau oder Bruder und Schwester. Viele sehen sie als miteinander verbunden und voneinander abhängig.
Mit 17 fühlte sich das Leben noch schwerer an. Alleine, wenn ich an letztes Jahr dachte, stellte ich fest, dass der Schock über die Adoption wieder schlimmer geworden war. Die Nachricht von meiner leiblichen Mutter machte mir noch immer sehr zu schaffen. Mein Kopf war zugeschüttet mit vielen Gedanken und führte dazu, dass ich völlig abwesend war. Selbst in den letzten Unterrichtsstunden war ich im tiefen Gedankenkarussell. Meine Lehrer bemerkten dies, sowie meine Mitschüler. Dumpfe Gesprächsgeräusche hörte ich. Hesperia wollte mir irgendetwas sagen.
Plötzlich verspürte ich einen kleinen Stoß an der Seite. „Amaris?“ Ich zuckte erneut hoch zusammen und seufzte etwas genervt. Nicht schon wieder! Ich hasse das!
„Amaris?“, wiederholte sie sich.
„Äh ja …“, erschreckte ich mich.
„Hast du gerade geträumt?“, fragte sie mich verwirrt.
„Nein“, antwortete ich ihr kleinlaut.
„Hast du doch!“, ärgerte Hesperia mich. Sie hatte mich ertappt. Ich runzelte die Stirn und sagte nichts dazu. Wach auf, kleine Träumerin! Ich kniff dreimal die Augen fest zu.
„Ich hoffe, dass die Sache mit deiner leiblichen Mutter dir nicht zu sehr im Kopf sitzt“, flüsterte sie. Ja, das stimmt! Leider! Ich schaute beschämt zu Boden. Mein beste Freundin verstand sofort, wie das zu deuten war. Es war doch zu schwer, sie zu ignorieren.
„Wolltest du nicht später deine Adoptivmutter anrufen?“
Ich nickte kurz. „Ich werde ins Zimmer hoch gehen und nicht zum Mittagessen kommen. Mir ist es wieder flau im Magen.“, setzte ich sie mit trauriger Stimme in Kenntnis.
„Okay, aber nachher möchte ich dich etwas aufheitern. Bis später.“
Langsam ging ich ins Internat und schloss meine Zimmertür hinter mir. Erschöpft setzte ich mich aufs Bett. Aus meiner Handtasche holte ich mein Mobiltelefon heraus und versuchte meine Adoptivmutter zu erreichen, obwohl sie wahrscheinlich bei meinem Pflegevater in der Kneipe aushalf. Ich brauchte sie und hoffte, dass sie Zeit fand. „Hallo Amaris. Wir, also Thorn und ich wünschen dir alles Gute zum Geburtstag und wollten dich eigentlich nach der Schule anrufen. Ich bin gerade etwas verwundert, dass du mich anrufst“, sagte Qadira auf der anderen Seite des Hörers. Wollte sie mich etwa loswerden?
„Hi! Danke. Ich soll eigentlich jetzt zur Mittagspause, aber mir geht es nicht gut.“, erklärte ich ihr mit niedergeschlagenen Stimmung.
„Was ist passiert, Liebes?“
„Trista hat mir geschrieben, aber ich frage mich, woher sie meine Adresse hat. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin …“, sagte ich und fing an zu weinen. Auf ihre Bitte hin begann ich von dem Inhalt zu erzählen.
Qadira versuchte mich zu trösten, doch ohne Erfolg: „Liebes, Thorn und ich haben uns Vorwürfe gemacht, als du vor einem Jahr über die Adoption erfahren hast. Du wurdest uns dann weggenommen. Wir haben uns ja entschuldigt und nun haben wir gedacht, es wäre eine gute Idee, dass du Trista kennenlernst. Somit du erfahren kannst, woher deine Wurzeln sind.“
Wie jetzt? Ist das der Grund, warum sie mir geschrieben hat? Ich verstehe nur Bahnhof.
„Ich verstehe jetzt gar nichts. Ihr habt sie kontaktiert? Weiß sie deswegen von meinem Aufenthaltsort im Internat und des Black Lake Gymnasiums?“
„Sie hat mich letzte Woche angerufen, es war ein erstes Lebenszeichen, nach so vielen Jahren. Die erste Frage, die sie mir gestellt hat, war, ob du noch bei uns bist. Mit schwerem Herzen musste ich ihr gestehen, dass du bei Adrienne und Cadell lebst. Sie war sehr traurig und enttäuscht, aber ich habe ihr auch gesagt, dass Thorn und ich dafür kämpfen, dich bald wieder bei uns zu haben. Trista will dich kennenlernen und das ist ihr sehnlichster Wunsch, auch wenn es vielleicht ihr letzter sein wird.“ Was? Wie? Letzter Wunsch? Liegt sie etwa im Sterben? Was soll ich nun machen? Halt, stopp!
Meine Hand griff nach dem Handspiegel, den meine leibliche Mutter zum Paket beigelegt hatte. Ich erzählte meiner Adoptivmutter von den zwei kleinen Geschenken, die Trista mir beigelegt hatte. Meine Adoptivmutter versuchte mich zu ermutigen, meine leibliche Mutter kennenzulernen. Doch sie konnte mir ihre Adresse nicht sagen, da nur die wenigsten von dieser wussten, jedoch konnte sie mir nur einen Menschen nennen, der davon wusste.
Sie entschuldigte sich schließlich bei mir, dass sie nun auflegen müsse, da sie kochen musste und später Thorn für ein paar Stunden in der Kneipe etwas aushelfen musste. „Wir haben dich sehr lieb und sind immer in Gedanken bei dir“, versicherte sie mir.
Dann legte sie auf und wieder war ich alleine auf mich gestellt. Glücklich war ich nicht. Ozul mochte ich nicht davon erzählen, auch wenn er meine trübe Stimmung ansehen würde. Ich musste eine Entscheidung treffen: Ich will wissen, woher ich komme und mich nun meiner Vergangenheit stellen. Entweder jetzt oder nie!
23. Mai 2007: 14 Uhr
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Hesperia mich. Ich hatte sie nicht kommen hören, da ich zu sehr in meinen Gedanken vertieft war. Sie tippte mich auf die Schulter. Dann wiederholte sie ihre Frage und ich nickte leicht benommen. „Konntest du mit deiner Adoptivmutter reden?“ Ich nickte wieder und seufzte: „Sie weiß, wo ich nun bin.“
„Meinst du deine leibliche Mutter?“
„Ja“, sagte ich meiner besten Freundin mit leiser Stimme. Hesperia umarmte mich und schlug vor, Musik zu hören. Sie stand auf, holte drei verschiedene CDs aus ihrem Eckschrank und reichte sie mir. „Du darfst entscheiden, welche du hören möchtest“, war ihre Meinung. Ich beäugte die Covers, die Namen und Titel der Alben an. Ekias Ubris-Sulath war die erste CD. Ich kannte diese Musikgruppe gar nicht.
„Du kennst die Musikgruppe Ekias Ubris nicht? Die sind der Hammer! Mein Vater hat Eranthe und mir viele Songs vorgesungen, als wir noch klein waren. Eine perfekte Glam-Metalband und sie sind für seine Zeit eine der Top 10 Rockstars gewesen. Diese Band hat er als ein wilder junger Erwachsener gehört, als er unsere Mom kennengelernt hat. Sie kommen aus Crorom Ember. Unser Lieblingssong ist Coming To Hell. Möchtest du die CD gerne hören?“, schwärmte meine Freundin mir von dieser Band vor.
„Moment bitte, ich möchte noch die anderen CDs ansehen.“ Die zweite und letzte CD kamen mir bekannt vor: Odovakar Vermando und Ozuls Band The dark knight Judas. Ich musste etwas lächeln. Hesperia und Eranthe schienen die zwei Musiker auch zu mögen und ich erinnerte mich daran, als Eranthe Ozuls CD vor ein paar Wochen gekauft hatte. Meine Wahl traf auf das Musikalbum Sulath von der Band Ekias Ubris. Hesperia legte die CD in die Musikanlage und das erste Lied spielte. Der erste Song war Funeral for the Devil und die Band spielte in einem moderaten Tempo. Der Text war allerdings mit dunkler Macht und Reinigung einer Seele geprägt. Ein Mix zwischen Nu-, Glam- und Powermetal. Hesperia begann zu singen und zu tanzen. Sie hatte Spaß.
„Komm, mach mit.“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich muss mich um andere Dinge kümmern. Ich wollte doch das Portal öffnen und endlich meine leibliche Mutter kennenlernen, aber … Amaris! Hesperia möchte, dass es dir besser geht. Sie versucht dich von deinem Kummer abzulenken … Stimme im Kopf, hör auf, mir ständig zu sagen, was ich zu tun habe. Ich möchte endlich Gewissheit und das will ich jetzt! Meine Gedanken hatten mich fest im Griff und ich konnte nicht abschalten. Jedes Mal kreiste die innerliche Stimme in mir herum und sagte mir Wach auf Amaris! Du musst nun in Erfahrung bringen, wer du wirklich bist!
„AAAHHHH!“, schrie ich laut aus und atmete schnell. Hesperia erschreckte sich und schaltete die Anlage sofort aus. „Alles okay? Du machst mir echt Kummer. Seit du diesen Brief von deiner leiblichen Mutter hast, merke ich, dass der Fluch immer noch auf dir lastet und du tief drin steckst. Es muss einen Weg geben, diesen zu brechen. Atme tief ein und aus! Ganz langsam! Atme tief ein und aus!“, versuchte meine beste Freundin mich zu beruhigen. Na ja mit dem Aufheitern ist nichts! Ich muss mich jetzt stellen … NEIN! NOCH NICHT! DOCH!
„Ich will einfach endlich wissen, wer ich wirklich bin“, klagte ich schon wieder.
„Süße, ich verstehe dich, aber diese Situation kostet sehr viel Energie, wie ich sehe. Darf ich dir ein Vorschlag machen?“, fragte meine beste Freundin mich mit ruhiger Stimme. Ich schaute sie mit Tränen im Gesicht an und nickte. „Ich kann auch beim ersten Gespräch mit deiner leiblichen Mutter dabei sein, als eine moralische Unterstützung, falls Ozul nicht dabei sein kann. Ich verstehe, dass du ihn nicht mit diesen Informationen überrumpeln möchtest, alleine wie du schon mal erzählt hast, wegen seiner Vergangenheit“ Ich zuckte mit den Schultern und mochte auch Hesperia nicht mit meiner Lebenslage belasten, auch wenn sie mir diesen Vorschlag machte. Andernfalls war es doch eine gute Idee, die sie vorschlug. Kurz erklärte ich ihr, dass man mit meiner leiblichen Verwandten über ein Spiegelportal kommunizieren konnte. Der Handspiegel lag noch immer auf meinem Tisch.
Schnell griff ich nach diesem und traf nun meine Entscheidung: „Ja, ich möchte, dass du da bist und mich unterstützt, wenn ich mit Trista reden werde.“ Hesperia freute sich und dankte mir wegen dem Vertrauen, das ich ihr schenkte. Sie setzte sich neben mich aufs Bett.
„Einatmen und ausatmen. Ganz ruhig.“, sagte sie mit ruhiger Stimme zu mir. Eine große Stütze waren sie und ihre Schwester für mich. In Stresssituationen versuchten sie mich so gut wie möglich zu beruhigen, auch wenn es nicht einfach war.
Als ich mich beruhigt hatte, sprach ich langsam die Worte Oculus vitae sapientia aus. Ein gleißendes Licht erstrahlte und ein nebliger Strudel umkreiste das Spiegelbild. Dann wurde das Spiegelbild schärfer: Meine leibliche Mutter erschien.
„Wer spricht zu mir?“, wollte sie wissen und suchte schließlich den Blickkontakt. Mein Atem stockte und wieder setzte sich ein Kloß in meinen Hals.
„Amaris“, stotterte ich meinen Namen. Hesperia stellte sich ihr auch vor. Es war das erste Mal wo ich Tristas Gesicht sah. Ich sah ihr tatsächlich ähnlich. Die Gesichtszüge fielen mir auf. Ich erinnerte mich an das Foto, das meine Adoptivmutter mir gegeben hatte und erkannte, dass Trista einst so ausgesehen hatte, wie ich. Trista war etwas verwirrt, dass Hesperia neben mir saß, aber sie sprach zu mir: „Ist das meine Amaris? Meine Amaris, die heute 17 Jahre alt geworden ist?“ Alles kam wieder hoch. Es fühlte sich so an, als würde mich etwas in die Matratze meines Bettes drücken. Ja, das ist deine Tochter, kannst du dich etwa nicht erinnern? Deine Tochter, dein einziges Kind das du weggegeben hast.
Ich nickte mit dem Kopf. „Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, mit dir endlich reden zu dürfen.“
„Und ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll“, sagte ich ihr aufgeregt. Hesperia versuchte mit mir einer Gestik zu erklären, ob sie meiner leiblichen Mutter erzählen dürfte, wie es mir in diesem Augenblick ging. Ich gab ihr mit Augenkontakt zu verstehen, dass sie das tun könnte.
„Mrs. Myld, ich möchte mich nicht einmischen, aber Amaris tut sich noch schwer mit ihrer Lebenssituation. Als ich sie kennengelernt habe, war sie sehr verschlossen und konnte sich nicht jedem anvertrauen, obwohl wir uns schnell verstanden. Ich glaube, sie braucht noch etwas Zeit, sich von dem ganzen Schock zu erholen…“, erklärte Hesperia meiner leiblichen Mutter, aber ich unterbrach sie und alles, was sich die Jahre angesammelt hatte, platzte dann aus mir heraus: „Wer bin ich überhaupt und warum hassen Tiudoricus und Astarte mich? Warum konnte ich nicht bei dir bleiben?“
Trista erschrak und dennoch suchte sie nach einer Möglichkeit, mir es nochmal zu erklären: „Amaris, hör mir bitte zu. Ich habe dir alles im Brief erklärt und weißt du, wie schwer es gewesen wäre, deinen Großeltern zu beichten, dass ich mit dir schwanger wäre? Sie hätten eine Abtreibung verlangt, da sie Rox hassten. Ich konnte noch rechtzeitig zu Qadira fliehen, und ich hoffe, sie hat sich vorbildlich um dich gekümmert. Sie war meine letzte Rettung. Dein Opa hat mich in meiner Kindheit oft geschlagen. Deine Oma hat sich nicht für mich interessiert. Es tut mir so Leid, dass ich nicht für dich da sein konnte … Es tut mir so Leid.“
Tränen sammelten sich auf ihren Wangenknochen. Sie bereute es zutiefst, aber für mich war es ebenso so schwer wie für sie. „Ja Qadira hat sich um mich gekümmert, bis Adrienne kam und alles vorbei war. Zum Glück bin ich jetzt im Black Lake Gymnasium.“
„Wie gefällt es dir dort? Wie läuft es in der Schule? Qadira hat mir vieles aktuelles berichtet, aber ich möchte sie gerne von dir hören.“ Na ja schon irgendwie seltsam, dass sie das Thema so schnell wechselt. Was soll es? Alle Fragen hatten sich in Luft aufgelöst. Tief einatmen, tief ausatmen...Und das fünfmal… Einatmen und ausatmen … Ich wiederholte die Atemübungen und Trista runzelte die Stirn.
„In der Schule geht es super. Wie du siehst, sitzt hier neben mir meine beste Freundin …“, fuhr ich weiter fort, doch Hesperia unterbrach mich: „Amaris hat ja auch einen Freund jetzt.“ „Hesperia! Bitte lass das!“, warnte ich sie. Ich wollte meine leibliche Mutter beim ersten Gespräch nicht zu viele Informationen preisgeben.
„Ich habe in meiner Weisheitskugel gesehen, dass du mit einem begehrten jungen Mann zusammen bist, Amaris. Ich freue mich sehr für dich, Liebes.“ Wie jetzt? Weisheitskugel? Ich verstehe gleich nichts mehr. Beobachtet sie mich? Sie weiß von Ozul. „Oh ja, Ozul …“, seufzte ich und wusste nicht, was ich ihr über ihn erzählen sollte.
„Erzähl mir bitte etwas über ihn“, bat sie mich. Also doch! Sie will Informationen über ihn! Aber jetzt ist nichts mit Thema wechseln, ich möchte mehr über Trista erfahren und nicht über Ozul quatschen.
„Könnte ich nicht mehr über dich erfahren? Ich möchte mehr erfahren, wer du bist.“, schlug ich ihr vor.
Trista schwieg für eine Weile und wechselte wieder das Thema: „Wann sind deine Ferien?“
„Am 20. Juni ist der letzte Schultag und dann hab ich bis zum 22. August frei. Warum?“
„Könntest du mich dann besuchen kommen? Dann könnten wir bei einer Tasse Tee gemeinsam in Ruhe sprechen.“ Warum konnten wir die Sachen nicht gerade besprechen? Warum ausgerechnet dann? Ich zuckte mit den Schultern und sie sagte schließlich: „Du kannst dir es überlegen und Qadira dann Bescheid sagen, wenn du wieder bei ihr bist. Ich muss gehen, mein Kind. Ich habe mich gefreut dich zu sehen. Vale Amaris!“ Ich verstand nicht warum sie gehen musste, aber es war sehr schwer für mich, mich das erste Mal mit ihr zu unterhalten, auch wenn wir uns noch nicht von Angesicht zu Angesicht getroffen hatten.
„Vale!“, verabschiedete ich mich von ihr. Das Bild verschwand und der Spiegel zeigte wieder mein Spiegelbild. Ich saß wie versteinert auf dem Bett. Hesperia stupste mich an: „Ich glaube, es war gut, dass du mal das erste Gespräch zu ihr gesucht hast. Es war die richtige Entscheidung. Klar wird das dauern, ein Verhältnis zwischen euch aufzubauen, aber ich bin davon überzeugt, ihr schafft das.“ Ich zuckte die Schultern und suchte dann nach meinem Mobiltelefon. Schnell tippte ich die Nummer von meiner Adoptivmutter und rief sie an. Leider ging die Mailbox dran. Ich bat sie um einen Rückruf, da ich ihr vom Gespräch von Trista und mir erzählen wollte. Auf der einen Seite hätte ich einen anderen Zeitpunkt wählen sollen, um mehr über meine Vergangenheit zu erfahren, statt an meinem 17. Geburtstag, aber auf der anderen Seite hatte ich es mir doch sehr gewünscht, zu wissen, von welchen Wurzeln ich stammte.
Auf jeden Fall habe ich erkannt, dass ich meiner leiblichen Mutter in vielem ähnlich war, was mir schon prophezeit wurde. Ihr Aussehen, die künstlerische Ader und vielleicht gab es noch andere Dinge. Hesperia tröstete mich und reichte mir einen Schokoriegel mit: „Danach wird es dir besser gehen.“ Ich bedankte mich bei ihr. Dann sagte ich meiner besten Freundin, dass ich etwas an die frische Luft gehen musste, um mich abzulenken. Ich nahm meinen MP3-Player und setzte mir die Kopfhörer auf. Das Lied Ashes von Christian Death lief.
…
He shuned me like a disease, the feathers in my eyes
How I need his light to purify the darkness
deep inside
How I asked for warmth, received snow and sleet
The burns on my feet, white and unsoiled sheets …
Schnell ging ich aus dem Zimmer und nach draußen. Auf und ab lief ich um das Schulgelände. Inzwischen hatte sich das schlechte Wetter etwas verbessert, doch es blieb stark bewölkt. Bald waren Sommerferien. Nur die Frage stellte sich, wohin die Reise gehen würde.
Vier Wochen später: 20.Juni 2007: letzter Schultag vor den Sommerferien
Die letzten Wochen vergingen auf- und abwärts und ich hoffte, dass ich versetzt werden würde. Meine Konzentration hatte in der letzten Zeit etwas nachgelassen, da mein Leben mit Turbulenzen überschattet war, wie bereits am Anfang des Schuljahres. Dennoch war ich auf dem Weg, den ich mir erhofft hatte. Ozul war zum Glück an meiner Seite, Hesperia und auch ihre Schwester Eranthe. Zusammen waren wir ein geschlossenes Band. Auch wenn ich mit meinen Problemen Angst hatte, sie zu verletzen, da manchmal auch Freundschaften daran zerbrechen könnten. Sie waren jedoch die Besten und große Unterstützer.
Ich könnte mich eigentlich darüber freuen, aber Freude stand nicht in meinem Gesicht geschrieben. Auch wenn die Zeugnisse anstanden, sorgte ich mich nicht um meine Versetzung. Mein Hauptproblem war, dass ich die ganzen zwei Monate Sommerferien bei meiner Tante… äh ich meine bei der Kobraschlange Adrienne zu verbringen und Ozul, sowie meine Adoptiveltern nicht sehen zu können.
Wie sollte das nur funktionieren? Ich erinnerte mich plötzlich an die Anrufversuche von meinem Cousin. Es schien sehr wichtig zu sein, aber er würde wahrscheinlich an diesem Tag erneut eh anrufen.
Am Morgen hatte ich meinen Koffer und meine Restsachen gepackt und die Bettwäsche abgezogen.
Ich hatte schnell gefrühstückt und ging mit meinen Freundinnen rasch in die große Aula, wo wir unsere Festtage feierten und andere Termine wahr nahmen. An diesem Tag war die Schulfeier vor den Sommerferien. Sir Mephisto verkündete die Abiturienten des Schuljahrs und überreichte ihnen ihr High School Diploma. Unter ihnen war eine beliebte Schülerin der Schule. Ihr Name war Saira Diamondplume. Sie hatte etwa denselben Status wie Nightshade, aber vom Charakter war sie das Gegenteil. Diese junge Abiturientin war hilfsbereit, akzeptierte jeden und war sehr freundlich zu anderen. Ich hatte diese Informationen von anderen Schulkameraden, aber ich hatte sie nie gesehen.
Unser Schuldirektor sprach ins Mikrofon: „Herzlichen Glückwunsch an Saira Diamondplume! Das High School Diploma mit A und Bravour bestanden“ Sie ging mit einem sanften Lächeln auf die Bühne und nahm das Schriftstück entgegen. „Möchtest du gerne ein paar Worte sagen?“, wollte Sir Mephisto von ihr wissen.
Sie nickte und hielt eine kleine Rede: „Nun ich bedanke mich bei allen Lehrern, die mich stets gefördert haben in dieser Schule und ich freue mich nun meinen eigenen Weg gehen zu gehen, den ich entschieden habe. Ich danke jedem, der mich hier aufgenommen hat und mir die drei letzten Jahre mit Rat und Tat zur Seite stand.“ Alle jubelten ihr zu und klatschten in die Hände. Sie hat Recht! Ich kann das auch schaffen.
„Wir danken dir und wir wüschen dir einen offenen Geist, offene Augen , Instinkt und Mut. Eo ipso! (Gerade durch; durch dieses selbst)“
Später forderte unser Schulleiter uns auf, in unsere Klassensäle zurückzukehren. In meiner Stufe wurden die Zeugnisse von unseren Klassenlehrer übergeben. Mrs. Anela war nicht anwesend, dagegen unser Lateinlehrer. Meine Noten waren soweit gut und zum Glück gab es kein Problem mit meiner Versetzung. Ob Adrienne mit meiner Leistung zufrieden sein würde? Das folgende Schuljahr würde besser werden. Hesperia tippte mir kurz auf die Schulter und flüsterte: „Was machst du eigentlich in den Sommerferien?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Vermutlich werde ich leider bei meiner Tante sein“, antworte ich, „und ihr?“
„Eranthe und ich werden zu unserem Vater reisen. Er fährt mit uns wie jedes Jahr nach Sawblade Nebula …“ Mr. Vitus räusperte und hielt noch eine kleine Rede für den letzten Tag dieses Schuljahres. Lycidas reagierte genervt. Es schien nicht so gut für ihn gelaufen zu sein, aber es war nicht der Rede wert. Ich musste mich auf mich selbst konzentrieren. Die Schulklingel erklang und wir verließen alle aufgeregt den Klassenraum. Die einen freuten sich über die Ferien, doch mich ließ der Gedanke nicht los, was auf mich gleich zukam.
„Hast du etwa den Ort Sawblade Nebula erwähnt?“, fragte ich bei Hesperia nach.
„Ja, was ist los?“
„Du gehst jetzt wohl nicht zum berühmten Kunstmuseum, von dem Mrs. Capulova erzählt hat?“
Erst war meine beste Freundin ratlos, doch dann erinnerte sie sich.
„Doch, warum? Ah jetzt, erinnere ich mich. Dein Kunstwerk wird dort ausgestellt. Stimmt es?“ Ich nickte.
„Das ist ja großartig, was du geschafft hast, Süße. Ich muss dann unbedingt ein Foto machen und dir es schicken“ Wenn du meinst, dachte ich still.
„Vater, Eranthe und ich werden in einer Schlossunterkunft übernachten. Oh, ich freue mich so. Ich wünschte, du könntest mitkommen und was ist mit Ozul? Seht ihr euch in den Ferien?“
„Ich hoffe es. Nun lass uns unsere Sachen holen und auf den Schulhof gehen.“
„Das werden wir machen.“ Hesperia und ich gingen unsere Koffer holen und eilten zum Schulhof. Wir verabschiedeten uns.
„Vergiss aber nicht mir zu schreiben oder anzurufen!“, erinnerte meine beste Freundin mich.
„Werde ich machen. Keine Sorge!“, sagte ich ihr mit einem scharfen Unterton.
„Lass dich drücken, meine Beste!“
„Bis nach den Sommerferien, Amaris.“, sagte Eranthe schließlich.
Dann gingen die Schwestern zu den Kleinbussen, wo der Hausmeister sie und andere Schüler zum Bahnhof brachte. Ozul stand kurz darauf neben mir und grüßte mich mit einem Handkuss: „Salve Liebste! Wie geht es dir? Ich habe mir sehr viele Sorgen letztens gemacht, da du nicht auf meine Anrufe reagiert hattest.“, begrüßte mein Freund mich. Ich schaute eingeknickt zu Boden und stammelte die Worte „Es tut mir Leid.“ Er legte seine Hand auf meine Wange und bat mich ihn anzusehen.
„Es ist schon gut.“, sprach er mit leiser und zarter Stimme und küsste mich.
„Du wirst mir jetzt schon wieder fehlen“, sagte ich ihm traurig.
„Ich weiß, Darling, aber ich hoffe, du kommst mal zu mir in die WG. Balvo ist bei seinem Onkel zwei Wochen, ich weiß nur allerdings nicht mehr die Daten und Rajinmar ist zu seiner Schwester eingeladen worden, zu deren Hochzeit. Und soweit ich mich erinnere, wollten deine Adoptiveltern mich mal gerne kennenlernen. Wann würdest du zu ihnen fahren?“
Ich zuckte mit den Schultern und antwortete ihm, dass ich keine Antwort auf diese Frage hatte. „Wir finden schon eine Lösung und wir werden sicher telefonieren, meine Regina. Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch!“ Wir küssten uns und hielten uns noch die Hände.
Kurz darauf hupte ein Auto in der Nähe des Eingangstores und jemand machte den Motor aus. Es war mein Cousin Valerian, der wenige Minuten später aus dem Wagen stieg. Er kam auf uns zu und begrüßte mich: „Salve verehrte Cousine, schön dich wieder zu sehen und wer ist der werte Mann hier?“
„Oh, was für eine nette Begrüßung. Salve! Mein Name ist Ozul Gelimer. Aber nennen Sie mich bitte Ozul.“, stellte sich mein Schatz ihm vor und schüttelte ihm die Hand. Ich löste die Hand von seiner, weil ich nicht wusste, wie Valerian auf meine neue Situation reagieren würde, aber zu spät.
„Du kannst Valerian zu mir sagen.“, bot mein Cousin ihm an, „Wie ich sehe, bist du in guten Händen, Amaris. Keine Sorge, ich werde Mutter nichts davon sagen, es bleibt unser Geheimnis.“ Er machte einen Augenzwinker und ich lächelte verlegen und doch überkam mich die Angst. Angst davor, dass Adrienne mir nachher eine Standpauke halten würde. Mein Cousin nahm mein Gepäck ab und bat Ozul den Kofferraum zu öffnen. Er legte die Sachen hinein und hielt mir dann die Beifahrertür auf. Ich verabschiedete mich von meinem Liebsten.
„Ich vermisse dich jetzt schon, meine Schöne“
„Ich dich auch“
„Komm gut an und bitte gib mir Bescheid!“ Ozul winkte mir zum Abschied. Ich winkte zurück und stieg in den Lotus Evora ein. Valerian fuhr mit mir nach Death Tale.
„Mutter und Vater sind bis übermorgen nicht zu Hause, da sie zwei Wochen auf einer Konzerttournee in Ardabur sind.“ Ich nickte zufrieden.
„Wir haben bis übermorgen die Villa ganz für uns allein. Wir können gerne etwas unternehmen. Wie wäre es, mit einem Dark-Fantasy Videospiel Nachmittag auf der Konsole, oder wir könnten auch ins Kino, den Film Station Dream Hell uns anschauen. Und wir könnten uns am Abend Essen bestellen. Na, was hältst du von diesen Ideen? Es ist mir egal, ich passe mich an, was du möchtest.“
Mit Videospielen kannte ich mich nicht so gut aus, aber es wäre sicherlich eine Erfahrung.
„Ein Videospiel zu spielen wäre eine gute Idee, auch wenn ich davon keine Ahnung habe.“, erklärte ich Valerian.
Er grinste etwas: „Wir werden sehen.“
Zum Glück raste Valerian nicht und wir erreichten eine knappe Stunde später Death Tale. Er nahm meine Sachen aus dem Kofferraum und brachte sie hoch in mein Zimmer. Etwas später gingen wir in sein Zimmer und schaltete die Konsole und den Fernseher an. „Setz dich ruhig!“, bat mir mein Cousin den Platz auf seinem Bett an und gab mir den Controller. Er setzte sich auf seinen Gamingstuhl. In diesem Spiel kamen Drachen, Oger, Zwerge, Magier, Ritter und andere düstere Gestalten vor. Man konnte seinen eigenen Charakter erstellen und ich wählte eine Magierin. Valerian mochte dagegen die Ritter. Wir mussten gegen Monster kämpfen. Mein Cousin erklärte mir die Steuerung vom Controller. Ich verstand schnell und es war interessant mit ihm über fantastische und dunkle Kreaturen zu plaudern. Wir spielten einige Stunden. Das Spiel war faszinierend und doch waren die Bosse sehr schwer zu besiegen. Der Genre gefiel mir.
Kurz darauf setzte der Nachrichtenklingelton bei meinem Handy ein. „Oh, ein Verehrer schreibt dir bestimmt“, scherzte Valerian herzlich. Ich lächelte beschämt, aber ich konnte ahnen, dass er dies nicht böse meinte. Gerade hatten wir gemeinsam einen Drachenboss besiegt und ich schaute auf mein Mobiltelefon: Ozul hatte geschrieben! Mist! Ich habe vergessen ihm Bescheid zu geben, dass ich soweit gut angekommen bin. Er schrieb tatsächlich diese Frage. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht Bescheid gesagt habe, Liebster. Ich liebe dich sehr und bin soweit gut angekommen. Ich seufzte und Valerian erkundigte sich bei mir, ob alles in Ordnung war.
„Ja, es ist alles gut. Es ist nur, Ozul hat sich Sorgen gemacht.“
„Dein Schatz, ich verstehe. Ich wäre da nicht anders, wenn ich eine Partnerin hätte“, sagte mein Cousin mit fröhlicher Stimme.
„Wieso hast du eigentlich keine?“, wollte ich von ihm wissen. Es wurde still und er schwieg eine Weile. Habe ich etwas falsch gesagt?
Valerian schluckte kurz und sagte dann traurig: „Ich habe einmal meine erste Liebe gehabt, aber Mutter hat diese zerstört. Die junge Frau war ein Jahr älter als du. Ihr Name ist Lethia Syctuna und war ein Waisenkind. Ich war bei meinem Onkel Balduin im Urlaub, das sind nun zwei Jahre her. Du erinnerst dich doch bestimmt an ihn, oder?“ Ich nickte und hörte ihm weiter aufmerksam zu.
„Seine Lebensgefährtin Jelvira arbeitet in einem Waisenhaus und einmal hat sie mich gebeten, mitzukommen. Sie hatte vor, dass wir für die Waisenkinder und Jugendliche kochen. Und da war Lethia. Sie war genauso eine stille Person, wie du. Ihre Eltern waren sehr früh gestorben. Wenn ich mich erinnere, starb ihre Mutter nach ihrer Geburt und ihr Vater hatte Selbstmord begangen, als sie sieben Jahre alt war. Lethia hatte niemanden gehabt, bis sie ins Heim kam. Als wir uns das erste Mal begegnet waren, verliebte ich mich sofort in sie. Auch wenn sie kaum Blickkontakt zu mir hielt, lächelte sie immer, wenn ich mit ihr redete. Jelvira erzählte mir später, dass Lethia mich mochte und Angst hatte, mir ihre Gefühle zu gestehen, aber sie gab ihr Mut. Ich war froh darüber, da ich genauso fühlte. Balduins Lebenspartnerin versuchte dann Vater über diese Situation einzuweihen und mir ermöglichen, Lethia besuchen zu dürfen. Mutter wusste nichts davon, bis sie eines Tages einen Knutschfleck an meinem Hals entdeckte. Ich wollte ihr nichts über meine Liebe erzählen, da ich ihre Meinung kannte, aber ich durfte nicht lügen. Als ich ihr schließlich die Wahrheit sagte, wies sie mich darauf hin, den Kontakt zu Lethia abzubrechen, da sie scheinbar kein guter Umgang für mich wäre und ein Trauma dadurch verursachen würde. Ich vermisse Lethia noch immer, noch heute, aber es hätte niemals sein dürfen. Daher verspreche ich dir, Mutter nichts von deiner Liebesbeziehung zu erzählen.“ Eine sehr traurige Geschichte und es war einfach unerhört, was Adrienne getan hatte. Ihrem eigenen Sohn die Liebe zu verwehren.
„Es tut mit Leid, was du durch gemacht hast, Valerian“, entschuldigte ich mich. „Du kannst nichts dafür, Amaris. Was nun mal geschehen ist, ist nun mal passiert. Ich vermisse sie jedoch sehr … wirklich sehr. Jeden Tag. Entschuldige! Ich werde einfach zu sentimental.“
„Ist schon in Ordnung!“ Ich konnte meinen Cousin so sehr verstehen und bemerkte seine sensible Art. Wir schwiegen für eine Weile. Er schaute kurz auf die Wanduhr seines Zimmers und stellte fest, dass es langsam Abend wurde. Ich schlug vor, das Thema zu wechseln und berichtete ihm über meine Hoffnungen, meine Adoptiveltern wieder zu sehen. Er konnte dies verstehen, aber mir nichts versprechen. Mit einmal sah er geknickt aus.
Nach einem kurzen Moment sah er wieder zu mir auf und unterrichtete mich: „Es wäre eine schöne Sache, wenn du meine kleine Schwester wärst. Dann würde ich dich als großer Bruder immer beschützen, obwohl ich bei Mutter oft versage.“ Ich sagte ihm nochmals, wie ihm Jahr zuvor, dass ihn keine Schuld träfe und er sich sehr stark um mich bemühe, auch wenn Adrienne dies nicht gerne sah. Wir umarmten uns und er bedankte sich für mein Vertrauen. Ich war ihm ebenfalls dankbar. Wir standen auf und gingen schließlich ins Wohnzimmer. Valerian suchte nach etwas in einer Schublade des Vitrinenschranks. Er fand, was er suchte. In seiner Hand hielt er ein paar Flyer. Es handelten sich um die Lieferservices fürs Essen. Dann legte er eine CD in die Musikstereoanlage und passte die Lautstärke an. „Falls du fragst, welche Band das ist, ist es Opa Alevos Band, die Ebony Sunbird Musikband. Es ist eines ihrer erfolgreichen Alben“, schwärmte mein Cousin mir vor und ich erinnerte mich an Alevo, der Vater von Cadell und Balduin. Er war sehr nett und sehr zuvorkommend am Julfest bei ihnen gewesen. Etwas Folklore und rockige Rhythmen, die Texte hielten von einigen Sagen. Die Band hatte einen ähnlichen Stil wie den von meinem Lieblingssänger Odovakar Vermando.
Valerian legte die Flyer auf den Wohnzimmertisch. Er schmiss sich auf das Ecksofa. Ich stöberte durch die Flyer: ayurvedische Küche und andere diverse Kulturen. Eine Entscheidung zu treffen fiel mir schwer. Er summte ein Lied nach dem anderen und war in guter Stimmung. Ich entschied mich zuletzt für ein Gericht der ayurvedischen Küche. Valerian war derselben Meinung. Er rief beim Lieferservice an und bestellte das Essen.
„In einer Stunde wir Ihre Lieferung ankommen!“, hörte ich die Stimme der Auftragnehmerin sagen. Er bedankte sich und legte auf. „So, was machen wir jetzt?“, wollte er wissen. Ich zuckte mit den Achseln.
„Vielleicht werde ich mit Ozul telefonieren, wenn das okay ist.“, erzählte ich ihm.
„Natürlich. Das ist in Ordnung. Ich rufe dich, sobald das Essen geliefert ist. Ich werde noch ein paar Räume putzen.“ Oh je, der Arme. Bestimmt zwingt Adrienne ihn dazu! Ich soll ihm eher helfen.
„Ich kann dir helfen, wenn du magst?“, schlug ich ihm vor, aber er verneinte: „Nein danke!“ Ich ging hoch ins Zimmer und wählte Ozuls Nummer.
„Bonum vesperum Regina!“, begrüßte mein Liebster mich förmlich.
„Wie geht es meiner Königin? Ist etwa wieder Stress bei deiner Tante?“ Erst Prinzessin, dann Königin? Ich bin beide nicht, aber es ist so süß, wenn er mich so begrüßt.
„Salve Darling! Nein, noch ist alles gut. Mein Cousin und ich sind alleine in der Villa. Meine Tante und mein Onkel kommen übermorgen zurück.“
„Das klingt doch super!“Und was machst du gerade?“
„Ich werde vermutlich ein paar neue Zeichenprojekte starten. Ich habe vorhin das erste Mal Computerspiele gespielt und es hat echt Spaß gemacht. Wie geht es dir eigentlich?“
„Mir geht es gut. Bin alleine in der WG und arbeite gerade an neuen Texten. Nachher werde ich noch zum Boxtraining gehen. Ich wünschte, du wärst jetzt hier. Welches Spiel habt ihr gespielt?“
„Das wünsche ich mir auch. Oh, ich erinnere mich nicht mehr genau an den Titel, aber es war in einer fantastischen Welt.“
„Das klingt spannend. Ich vermisse dich meine Schöne. Wenn etwas ist, rufe mich an.“
„Ich vermisse dich auch und liebe dich.“
„Ich liebe dich auch.“ Wir verabschiedeten uns. Ich stellte fest, dass es ein kurzes Gespräch war und dachte an Ozul. Ich wollte bei ihm sein, aber es würde kompliziert werden. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich mir erhoffte, dass bessere Zeiten kommen würden, da ich von einem Chaos ins nächste stürzte. Ich hatte in diesem Augenblick wieder ein komisches Gefühl. Es war wieder eine Vorahnung, die in meinem Kopf sagte: Es wird bald wieder etwas geschehen! Ich versuchte jedoch diesen Gedanken auszublenden.
Kurz darauf klopfte mein Cousin an der Zimmertür und kündigte an, dass das Essen geliefert wurde. „Ich komme“, antwortete ich ihm. Ich schritt die Treppen hinunter. Valerian hatte bereits den Tisch gedeckt und unsere Speisen auf die Teller verteilt. „Lass es dir schmecken.“
„Danke verehrter Cousin.“ Das Essen war sehr köstlich und der Duft der Gewürze schwebte durch den Raum der Küche. Man dachte, man wäre in einem Hindutempel.
Nach dem Essen wurde ich müde.
„Möchtest du einen Film mit mir ansehen?“, fragte Valerian mich.
„Tut mir leid, aber nein. Ich bin müde.“, antwortete ich ihm mit leiser Stimme. „Gute Nacht, verehrte Cousine. Schlaf gut. Ich werde mich um den Rest kümmern.“
„Gute Nacht.“
Im Zimmer angekommen, machte ich mich zurecht fürs Bett. Ich stellte den Wecker für den nächsten Tag und ich legte mich hin. Valerian hörte ich nicht mehr. Vermutlich war er auch in seinem Zimmer. Kaum war ich eingeschlafen, hörte ich unerwartet ein paar Stimmen: Es waren Adrienne und Cadell. Sie waren doch schon an diesem Tag zurück gekehrt. Leider hatte Valerian nicht Recht gehabt oder hatte er diese Information wirklich nicht? Ich hörte, dass meine Tante sich wieder aufregte und dann waren noch zwei weitere Stimmen, die ich nicht kannte.
„Ach Rox, du solltest doch etwas mehr Respekt vor Adrienne haben!“, seufzte Cadell etwas genervt.
„Ach papperlapapp! Du kennst doch Rox!“, sagte ein anderer Mann.
„Balduin, ich weiß nicht wie oft Rox schon hier betrunken aufgetreten ist“, erinnerte mein Onkel seinen Bruder. Habe ich etwa wirklich den Namen Rox gehört?
Moment … hatte meine Mutter nicht erwähnt, dass der Vorname meines Erzeugers Rox ist? Das kann jetzt nicht wahr sein! Panik breitete sich in meinem Körper aus und ich schnappte nach einem Papiertaschentuch, das ich mit etwas ätherischem Kamillenduft angefeuchtet hatte. Ich legte es unter meine Nase und versuchte mich zu beruhigen. Diesen Tipp hatte mir meine Adoptivmutter zu geraten.
„Ich willsch mit dir ins Bett … du wilde Katze … du schöne Frau ... äh deine Schwester …“, redete Rox wirr.
„Rox, du solltest dich schämen und deinen Rausch mal ausschlafen“, regte sich meine Tante auf.
„Schrei mich nicht an, du Diva!“, beklagte dieser sich.
„Nenn mich nicht Diva!“ Ich konnte es nicht fassen. Rox war hier und das in der Villa von meinem Onkel! Ich wollte gar nicht daran denken, das Zimmer zu verlassen.
Schließlich hörte ich Cadell sagen: „Schatz, jetzt beruhige dich. Valerian und Amaris schlafen schon, bestimmt. Und jetzt lass Rox seinen Rausch ausschlafen. Bruder, du kommst mit. Ich zeige dir deinen Schlafraum. Wir gehen danach auch ins Bett.“
„Tzz!“, kam aus Adrienne heraus. Kann man hier nie seine Ruhe haben? Ich drehte mich hin und her. Nach langen Stunden wurde es endlich ruhig in der Villa und ich konnte endlich einschlafen.
***
21. Juni 2007
Am nächsten Morgen weckten mich die ersten Sonnenstrahlen vor sechs Uhr. Mein Wecker hatte noch nicht geklingelt, aber ich konnte nicht mehr schlafen. Die Situation mit meinem Vater schlug mir auf den Magen. Er war hier in Cadells Haus. Was soll ich nur tun? Weglaufen kann ich nicht und ihm aus dem Weg gehen geht auch nicht! Es gibt keinen Ausweg! Ich stand auf und warf einen Blick nach draußen. Raben flogen dort verwirrt im Kreis und krächzten laut. Es dauerte nicht lange, als ich jemand in Richtung Bad schleichen hörte. Diese Person seufzte genervt. Ich vermutete, dass es Valerian war, da Adrienne ihn immer sehr früh weckte.
Plötzlich klopfte jemand leise an meiner Zimmertür und fragte flüsternd: „Amaris, ich bin es ...Valerian.“ Ich zog schnell meinen Bademantel über meinen Schlafanzug an und öffnete die Tür.
„Komm rein“, sprach ich mit leiser Stimme, „Guten Morgen.“
Valerian huschte schnell an mir vorbei: „Psst!“, flüsterte er.
„Warum flüsterst du so?“ „Ich weiß, dass es jetzt für uns beide nicht einfach wird, aber wir müssen jetzt dadurch. Mein Onkel und Rox sind hier.“
„Ich weiß, dass der Vollidiot da ist“, regte ich mich auf.
„Wie?“, fragte er verwirrt. Das wirst du bald sehen! Ich fing an zu zittern. „Amaris, was ist los?“, wollte er von mir wissen. Ich konnte mit meinem Cousin nicht über die Geschichte von meiner leiblichen Mutter sprechen. „Ich kann dir das nicht sagen…“, erklärte ich ihm traurig.
„Es tut mir leid!“ Valerian umarmte mich und versuchte mich zu trösten. Kaum hatte ich diese Worte gesagt, hörten mein Cousin und ich plötzlich jemanden sich aufregen. Es war eine Männerstimme. „Pah! Ist das Wasser kalt!“ Es war vermutlich Rox Stimme. Sicherlich meinte er das Wasser der Dusche oder des Waschbeckens. Es geschah ihm recht. Valerian sagte zuletzt, er müsse langsam runter das Frühstück vorbereiten. Er ging aus dem Zimmer und machte sich auf den Weg hinunter in die Küche. Es vergingen eine oder zwei Stunden und ich ging mich zurecht machen. Nachher stieg ich schnell die Treppen hinunter Richtung Wohnzimmer. „Guten Morgen, Amaris. Es freut mich, dich wieder zu sehen“, begrüßte mein Onkel mich. Ich nickte zurück. „Oh, salve Amaris. Schön, dass du auch wieder da bist. Erinnerst du dich noch an mich?“, fragte ein Mann mit langen dunkelbraunen leicht lockigen Haaren. Ich erkannte diesen Mann schon und fragte dennoch nach: „Balduin Merchand?“ Er nickte. Es war schon seltsam, dass nur mein Onkel, sein Bruder und Valerian in der Küche waren und zugleich waren sie froh, dass ich bei ihnen war. Doch dann räusperte sich jemand hinter mir: Es war Adrienne und neben ihr wahrscheinlich der berüchtigte Rox Trishwall. Mein Erzeuger! „Ab ins Wohnzimmer mit euch! Und Valerian, mach Mami einen Brombeertee und für die anderen einen Ingwertee.“ Ich gehorchte ihr und folgten den anderen ins Wohnzimmer. Angst überkam mich und ich versuchte es mit Atemübungen kontrolliert zu bekommen. Doch es war zu spät!
Selber Tag (21. Juni 2007)
Wir versammelten uns im Wohnzimmer. Was wird jetzt noch kommen? Erst die Adoption, dann Adriennes arrogantes Verhalten, später Nightshades dumme Sprüche. Ein Jahr später die Nachricht, dass meine leibliche Mutter noch lebt und den Kontakt zu mir sucht. Dann erzählt sie mir die grausame Tat von Rox und plötzlich stehe ich diesem Monster gegenüber. Ich empfinde einen tiefen Hass. „Na, hast du deinen Kater ausgeschlafen?“, scherzte Balduin zu ihm.
„Oh ja, besonders wenn man ein wildes Kätzchen neben sich hat“, antwortete Rox mit einem frechen Lachen und tiefer Stimme. Was mag dies nun bedeuten? Cadell klopfte seinem Bruder stark gegen die Schulter und war der Meinung, dass dies nicht witzig war. Rox knirschte mit den Zähnen und kratzte sich an seiner Brust. Er schaute mich mit einem grimmigen Gesicht an. Mein Blick richtete ich hasserfüllt an ihm. Er war schlank und muskulös, genau die selbe Körperstatur wie Ozul. Sein Haar war schwarz und zu einem Fransenschnitt frisiert.
Dann zeigte er mir einen eiskalten Blick und. Seine Ausstrahlung wurde bedrohlicher. Er fragte: „Wer bist du?“ Zorn spannte sich in mir zusammen und fing an auf Latein ein Beschwörungsritual durchzuführen. „Umbram maximam, Erebum reconcilio! Legio malus abyssum reliquito! Vos iam incanto exercitum tenebrarum. Evoco daemones, devoce paludamentum! Exorcismus cruore, sanguine advenite! Du bist mein Erzeuger, nicht wahr? Wag es gar nicht zu leugnen!“, zischte ich ihm mit gepressten Worten ins Gesicht. Ein Portal öffnete sich um ihn herum.
„Was machst du denn da, Amaris?“, wollte mein Onkel von mir wissen. Adrienne sang dramatisch wie in einer Oper: „Tu das nicht!“
„Antworte mir!“, befahl ich meinen Erzeuger und schaute tief in seine grün-grauen Augen.
„Eine Gegenfrage: Wer bist du denn, du kleine freche Göre!?“, sprach Rox mit scharfer und wütender Stimme.
„Mach mich nicht wütend, du Verbrecher.“
„Von was spricht sie denn?“, fragte Balduin seinen Bruder (meinen Onkel) ahnungslos. Cadell zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht.“
Ich ließ die Bombe hochgehen: „Rox oder soll ich sagen Mister Trishwall ist mein Erzeuger, der meiner leiblichen Mutter furchtbar weh getan hat. Er ist ein Täter!“, schrie ich allen wütend und enttäuscht allen und vor allem diesem Rox ins Gesicht : „Na “Vater“, freust du dich endlich deine Tochter kennenzulernen?“ Ich lachte schadenfroh dabei.
„Was für eine Tochter? Ich habe keine Tochter!“, verleugnete er mich.
„Doch, du hast eine und die redet gerade mit dir. Siehst du nicht, was du angerichtet hast?“ Es dauerte eine Weile. Balduin, Cadell und Valerian waren erschrocken, nur Adrienne schaute weg. Sicherlich hatte sie etwas zu verbergen. Schlussendlich stellte sich mein Rabenvater: „Na gut, wie du willst, gebürtiges Kind des Mondes einer Teufelin. Du willst es wissen … Dann wirst du es wissen“, entschied er sich zu erzählen, aber ich hatte ihn durchschaut. Er erzählte seine Version der Geschichte: „Deine Mutter war leicht um den Finger zu kriegen. Glaubst du, ich habe sie wirklich geliebt? Fehlanzeige! Ich habe sie mir genommen, sowie ich wollte. Scheiß auf Gefühlsduselei! Aber sieh nur, was aus dir geworden ist. Eine Sünde und eine Bastardin! Du wirst nicht besser als die Schlampe Trista sein!“ Cadell und sein Bruder waren von Rox Verhalten entsetzt. Adrienne zögerte und doch fing sie an zu lachen. Was gibst da zu lachen ... billige Schnepfe! ... Willst du das wirklich witzig finden?. Kurz danach, als sie beruhigte, hörte sie auf und wandte sich zu uns eine Neuigkeit mit ernster Mimik ein: „Meine Herrschaften, es tut mir leid, aber ich muss etwas gestehen. Es tut mir leid, Cadell, mein Liebster und Valerian. Ich muss es tun …“, begann sie. Was hat sie nun zu sagen? Na jetzt bin ich gespannt!
„Was denn Mutter? Vater, was will sie uns sagen?“, unterbrach mein Cousin von seinen Eltern wissen. Mein Onkel schaute eingeknickt zu Boden und sagte nichts. „Ich wollte es dir schon länger sagen mein Sohn“, druckste Cadell herum.
„Was sagen? Mutter, was hat er mir zu sagen oder hast du etwa …“, sprach Valerian und schaute zwischen ihnen hin und her. Ich dachte schon, ich hätte die Bombe hochgehen lassen, doch das sollte erst folgen.
„Dein Vater ist nicht dein Vater“, gestand meine Tante ihrem Sohn. Valerian ließ die Platte mit dem servierten Tee fallen.
„Halt die Klappe, Adrienne!“, regte sich Rox auf, „Valerian ist nicht mein Sohn!“
„Du vergisst wohl, dass wir mal eine Affäre hatten. Und Valerian, kannst du nicht aufpassen, das Geschirr war sehr teuer!“, erinnerte Adrienne ihn und regte sich gleichzeitig über ihren Sohn auf. Mein Cousin eilte schnell, um einen Lappen, Besen und eine Schaufel zu holen.
„Das stimmt nicht!“
„Oh doch!“ Die beiden verstrickten sich in Widersprüche. Ich war geschockt. Was?! Ich glaube, ich habe mich wohl verhört.
„Ich wollte es dir schon länger sagen“, wiederholte mein Onkel seinen Satz an meinen Cousin. Er klopfte ihm auf die Schulter und stellte sich vor ihn. Er stand nun gegenüber seiner Ehefrau und nun bald ehemaligen Freund.
„Jetzt sag es ihm oder muss ich es tun?“, schrie Cadell das erste Mal sie an. Adrienne schaute beschämt zu ihrem Sohn. „Amaris und Valerian, ihr seid Halbgeschwister. Rox ist auch dein Vater, Valerian! Es tut mir leid! Verzeih mir!“, erklärte Cadell schließlich. Das war also Adriennes Geheimnis, was sie lange gehütet hatte. Nun verstand ich, warum Valerian und ich langsam eine enge Bindung hatten. Er war mein Halbbruder und nicht mein Cousin, aber wie konnte Adrienne das nur Cadell und ihrem Sohn, genauso wie mir antun? Wie konnte sie dies alles damals vertuschen? Sowie es aussah, wusste Cadell schon davon, oder doch nicht?
„Wie kannst du es wagen, mich 19 Jahre lang anzulügen? Du bist das Allerletzte!“, verurteilte mein offenbarer Halbbruder seine Mutter. Was hatte sie sich nur erlaubt, in den verdammten letzten Jahren? Ein Kuckuckskind meinem Onkel unterzuschieben und dann noch den schönen Luxus Style leben, trotz ihrer Arbeit als professionelle Sängerin.
Mein Halbbruder war wütend und enttäuscht, ich dagegen überfordert und hilflos. Wir rannten aus der Villa und gingen zum Drachenbrunnen. Wir weinten und versuchten uns gegenseitig zu trösten. Es ärgerte ihn: „Ich hätte es irgendwie wissen müssen …“
„Es ist schon gut, aber jetzt verstehe ich wahrscheinlich, warum unsere Bindung so eng ist.“
„Du hast Recht und ich habe noch gestern meinen Wunsch geäußert, dass ich froh wäre, wenn du meine kleine Schwester wärst. Es ist aber wahr, auch wenn du nur meine Halbschwester bist. Ich habe dich trotzdem sehr lieb!“ Er umarmte mich und dankte Gott dafür, dass ich für ihn da war.
„Ja, jetzt habe ich einen großen Bruder. Und ich habe dich auch lieb.“, gestand ich letztendlich.
„Und gemeinsam werden wir durch dick und dünn gehen“, sagte er fest entschlossen. Ich sah Cadell in diesem Augenblick auf uns zukommen. Er entschuldigte sich bei Valerian.
„Wusstest du es schon lange?“, fragte Valerian ihn wütend.
„Ja, ich wusste es. Eins musst du mir glauben, du warst und bist immer wie mein eigener Sohn, wie mein Fleisch und Blut, den ich aufgezogen habe.“, versuchte sein mittlerweile „nur noch“ Ziehvater zu erklären.
„Und du bist der beste Vater der Welt“, sagte mein Halbbruder ihm weinend. Beide klopften sich auf die Schulter und Valerian wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ich lächelte matt und verstand, dass er nun sich genauso fühlte, sowie ich mich damals gefühlt habe, als ich von meiner Herkunft erfuhr.
„Wirst du dich von Adrienne trennen?“, wollte ich von meinem Onkel wissen.
„Ich weiß es noch nicht.“, antwortete er und wies uns darauf hin, zur Villa zurückzukehren. Mein Halbbruder ging schnell in sein Zimmer, ohne seine Mutter zu beachten. Ich warf meinem Erzeuger und der Ziege einen wütenden Blick zu und ging ebenfalls hoch. Siehst du nicht, was du Valerian angetan und dann noch Cadell betrogen hast. Wie konntest du dies alles uns nur antun? Hast du keine Skrupel? Und der Mistkerl Rox, der sieht in mir eine Bastardin, sowie seinen Sohn auch. Was soll ich tun? Ich bin total überfordert mit der neuen Situation, aber bin froh, dass Valerian mich immer noch als kleine Schwester sieht. Ich verschloss die Tür mit dem Schlüssel. Ich verstand nicht, warum ausgerechnet alles in den Sommerferien ans Licht kommen musste. Vermutlich konnte Adrienne ihr Geheimnis nicht mehr für sich behalten, aber dann Rox, der seine Vaterschaft leugnete. Ein Rätsel nach dem anderen. Ich tendierte mich eher auf andere Dinge konzentrieren. Allerdings beschloss ich die Situation in meinem Tagebuch festzuhalten.
Später las ich ein paar Seiten den 2. Teil meiner Lieblingsbücher.
Plötzlich hörte ich Adrienne wieder durch die ganze Villa schreien: „Glaubst du wirklich, ich wollte den Wurm damals austragen? Du wusstest, dass ich nie Kinder haben wollte. Das allein ist deine Schuld!“
Rox lachte. „Und du Rox … du bist schon lange Geschichte.“ Mit Wurm meint sie bestimmt Valerian.
„Mit uns war nie Geschichte, Primadonna!“, mischte sich Rox in die Unterhaltung zwischen Adrienne und Cadell ein.
„Valerian ist großartig. Ich liebe ihn, wie ich dich eins geliebt habe.“, versuchte mein Onkel sich zu erklären.
„Liebe, was für Liebe? Ich habe dich nie geliebt“, entgegnete sie ihm.
„Du hast mich nie geliebt? Ah, jetzt verstehe ich warum. Nach 20 Jahren habe ich es so satt. Immer wieder deine Eskapaden zu ertragen und mein Geld war dir wichtiger. Eins sage ich dir: Valerian und Amaris werden bei mir bleiben. Ich werde das alleinige Sorgerecht für Valerian und das Teilsorgerecht für Amaris beantragen, da sie noch immer ein Recht hat, ihre Adoptiveltern zu sehen. Du wirst keinen Fuß mehr in dieses Haus setzen. Du kannst dir ein Leben mit Rox aufbauen und da wäre noch eine Sache: Dem Manager unserer Musikgruppe werde ich mitteilen, dass ihr beide aus der Band aussteigen werdet. Das weitere wirst du von meinem Anwalt hören“, erniedrigte mein Onkel sie.
Daraufhin drohte sie ihm. „Das wirst du nicht tun! Sonst wird dir noch etwas schlimmes passieren!“
„Du wirst auch jetzt schon deine Koffer packen und gehen! Ich will dich nie mehr wiedersehen!, schrie Cadell sie an und zu Valerian, der das Zimmer verlassen hatte: „Und du gehst jetzt Mittagessen kochen, aber zack zack!“ Wann hört das Geschrei endlich auf? Und wie es aussieht, wird Cadell die Scheidung einreichen.
***
Zwei Stunden später
Es war bereits Nachmittag. Ein paar Sonnenstrahlen beleuchteten mein Zimmer hell und etwas Wärme strahlte in den Raum.
„Essen ist fertig“, rief Valerian uns. Ich schritt hinunter zum Esszimmer. Balduin und Rox waren noch immer da. Balduin hatte noch nicht viel an diesem Tag gesprochen. Er wollte sich wahrscheinlich nicht in diese ganzen Angelegenheiten einmischen. Mein Halbbruder hatte Zucchini-Linsen-Bolognese-Lasagne gekocht.
„Deck sofort den Tisch, Amaris!“, befahl Adrienne mir. Mein Onkel sah sie entsetzt an und forderte sie mit meiner Aufgabe auf. Sie war empört und holte das Geschirr aus der Küche. Das Geschirr schepperte laut auf. Wie eine Furie deckte sie den Tisch.
„Setzt euch alle hin!“, appellierte sie an uns. Valerian und ich saßen nebeneinander. Adrienne setzte sich gegenüber von Rox am Kopf des Tisches. Cadell und Balduin nahmen Platz nebeneinander in Richtung gegenüber von uns. Mein Halbbruder verteilte das Essen.
„PAH, immer dieses widerliche vegane Futter!“, regte sich Rox auf, „ich brauche ein Stück Fleisch!“
„Du kannst meinetwegen verhungern!“, sagte Valerian unserem Erzeuger die Meinung. Ich versuchte ein Schmunzeln zu unterdrücken. Balduin dagegen reichte seinen Teller und sagte seinem Neffen: „Mal sehen, was mein Neffe heute so feines gekocht hat“ Mit einem schwachen Lächeln nahm er den Teller entgegen und gab ihm eine ausreichende Portion, was Rox noch mehr aufregte. Es schmeckte vorzüglich und es schien Balduin auch zu schmecken. Er fragte nach einer zweiten Portion. Rox regte sich über ihn auf: „Und du frisst diesen Fraß?!“
„Ja im Gegensatz zu dir Fleischfresser!“, entgegnete Balduin ihm. Boah, was war das ein Kontra! Rox stand auf.
„Ich reise ab und auf nimmerwiedersehen. Und Adrienne, du weißt, wie du mich finden kannst“, verabschiedete er sich. Zu Valerian und mir warf er einen Blick herüber, um uns Wir sehen uns wieder! anzudeuten. Mir blieb jedoch eine Frage offen: Kannten Cadell und Balduin auch meine leibliche Mutter?
Ich traute mich nicht diese Frage zu stellen, aber Valerian hatte eine andere Frage: „Onkel Baldi, weißt du eigentlich wie es Lethia geht?“
„Valerian, habe ich dir nicht gesagt, dass dieses Mädchen ein Tabuthema ist?“, regte Adrienne sich auf. Cadell hörte zum ersten Mal von der wahren Liebe seines Ziehsohnes. „Wer ist Lethia?“
„Eine junge Frau, die im Waisenhaus Tidwulf Harmonious lebt. Ich habe sie nie vergessen. Es ist wahre Liebe; Vater. Lethia und ich haben uns geschworen, aufeinander zu warten, bis sie volljährig wird.“
„Als Valerian vor zwei Jahren einmal im Urlaub bei Jelvira und mir war, hat sie vorgeschlagen, Valerian mit zum Waisenhaus zu fahren. Ich weiß nicht mehr, warum sie dies tat. Jelvira hat mir ausgerichtet, ich soll dich von Lethia grüßen. Sie vermisst dich sehr.“
„Oh, bin ich froh, dass sie mich auch nicht vergessen hat.“ Valerians Augen funkelten vor Glück.
„Balduin, kannten Sie Trista?“, rang ich mich schließlich mit meiner Frage durch.
„Ja, Amaris, ich kannte und kenne sie.“ Adrienne erzürnte, als er von meiner Mutter erzählen wollte: „Ich mochte Trista sehr. Früher hätte ich gerne etwas mit ihr angefangen, doch sie hatte nie von meinen Gefühlen geahnt und nur Augen für Rox. Er wusste, wie er es zu verhindern hatte. Ich weiß, wie gefährlich euer leiblicher Vater sein kann. Seine rasende Eifersucht, obwohl er sich nie für Trista interessiert hat.“ Cadell nickte ihm zu.
Wir waren fertig mit dem Mittagessen. Balduin gab mir schließlich ein Zeichen, um nach draußen zu gehen. Ich folgte ihm.
Ich verließ die Villa. Balduin war schon einige Schritte voraus gelaufen und wir gingen spazieren. „Wartet!“, rief ich ihm nach. Er drehte sich um und sprach leise meinen Namen: „Amaris.“ Aus seiner Jackentasche nahm er einen Notizblock und einen Kugelschreiber heraus. Er schrieb etwas auf: Es war eine Adresse.
Dann riss er den Zettel heraus und überreichte mir die Notiz. „Du findest Trista an diesem Ort. Versprich mir, dass du niemanden etwas davon erzählst?“, bat er mich. Ich nickte und doch wollte ich wissen, wie er davon wissen konnte. Vielleicht hatte sich meine liebliche Mutter ihm anvertraut, dass er daher ihre Adresse hatte „Als du auf die Welt kamst, habe ich ihr versprochen, niemanden zu erzählen, dass ich zum Patenonkel von dir ernannt wurde, bis ich dich kennenlernen durfte. Klar war, dass ich es dir auch nicht vorenthalten konnte, als wir uns zum ersten Mal Weihnachten letztes Jahr begegnet sind. Es war aber der falsche Zeitpunkt. Wie du ja nun erfahren hast, mochte ich deine Mutter sehr und ich habe noch mit ihr Kontakt.“ Er machte also vor den anderen gute Miene zum bösen Spiel, sodass Adrienne nicht durchschauen konnte. Könnte es sein, dass meine leibliche Mutter deswegen oder auch wegen Rox untergetaucht war? Balduin notierte mir die Mobilnummer von meiner Mutter und sagte: „Tut mir leid, dass ich dir das alles nicht früher sagen konnte. Ich habe ihr zu einer Aussprache mit dir geraten. Das war der Grund, warum sie dir geschrieben hat. Ich wollte, dass sie endlich den Mut nimmt, dir über sich erzählen und warum, das alles passiert ist. Ich werde nun zu ihr fahren. Du kannst dir es überlegen, ob du mitkommen möchtest.“ Ich war überrascht. Er wollte mich zu meiner leiblichen Mutter bringen, aber war ich dafür bereit?
In den letzten Monaten war mehr als genug passiert. Ich sollte besser einen anderen Augenblick suchen. „Wenn du ein anderes Mal zu ihr möchtest, ist das auch kein Problem. Falls du dich umentscheidest, dann gib mir Bescheid. Und in Zukunft kannst du Onkel Baldi sagen.“ Ich nickte. „Ich werde jetzt gleich zu ihr fahren, aber zuerst muss ich mich ja noch bei meinem Bruder und Neffen verabschieden. Und Amaris, vergiss nicht, du bist Teil der Familie und du hast einen Platz in Cadells, Valerians, meinem und meines Vater Herzens. Lass dich nicht von Adrienne unterkriegen! Sie ist und bleibt eine Diva und wird nicht länger Mitglied der Band sein.“
Dann schritten wir in die Villa zurück und mein Patenonkel verabschiedete sich. Er setzte seinen Motorradhelm auf und zog seine Kleidung an. Sein Motorrad hatte er vor dem Eingang geparkt. Kurz darauf setzte er den Gang ein und fuhr los.
22. Juni 2007
Ein Tag war vergangen nachdem sich herausgestellt hatte, dass Valerian mein Halbbruder war. Ich hatte dennoch an den letzten Ereignissen zu knabbern und nur drei Stunden geschlafen. Adrienne und Cadell stritten sich nur noch, sodass mein Onkel schließlich ihre Koffer packte und sie vor die Tür setzte. „Du kannst jetzt zu Rox.“
„Na schön, wie du willst, aber dann will ich Geld für den Unterhalt!“, verlangte meine Tante von ihm.
„Wofür? Dass du im Luxus weiter shoppen kannst? Vergiss es! Rox kann ja deinen Goldesel spielen. Und jetzt geh, verdammt nochmal!“ Adrienne ging bis vor die Tür.
„Ich habe dir gesagt, du sollst nun verschwinden!“, regte sich Cadell auf „Und die Schüssel brauche ich.“ Adrienne war genervt, gab ihm die Schlüssel und Cadell schloss schließlich die Tür. Er seufzte. Seine Nerven lagen blank. Wie gut konnte ich ihn verstehen. Das Geld ist wichtiger als ihre Liebe zu ihm, das ist schmerzhaft!
Mir war alles über den Kopf gewachsen und ich dachte, eine Auszeit wäre vielleicht sinnvoll. Ich saß mit meinem Halbbruder im Wohnzimmer. Kein Wort erklang von einem von uns. Die Situation hatte auch in Valerian tiefe Wunden hinterlassen. Es ließ ihn nicht kalt, dass er nun dasselbe Monster von Erzeuger hatte wie ich. Er schaute zur Decke und flüsterte leise etwas. Ich versuchte mich mit meinem Buch abzulenken.
Im Augenblick sah ich, dass sich Cadell dem Wohnzimmer näherte. Er beobachtete Valerian und mich und sah uns an, was für Gefühle in unseren Gesichtern geschrieben waren. Trauer und Verzweiflung.
Kurz darauf atmete er tief durch und kam auf uns zu. „Amaris, Valerian, wir müssen reden“, begann er mit uns das Gespräch. Er forderte uns auf, uns an den Tisch zu setzen. Ich schloss das Buch und im selben Moment standen mein Halbbruder und ich auf. Gespannt setzten wir uns an den Tisch. „Wie ihr seht, ist es mir nicht leicht gefallen, aber ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich werde mich von Adrienne, also von deiner Mutter scheiden lassen, Valerian“, sagte mein Onkel fest entschlossen. Valerian hob die Hand hoch und wollte wissen, was dann mit ihm und mir geschehe. Cadell schlug vor, dass wir uns alle eine Auszeit nehmen könnten und er sich mit dem Anwalt seines Vertrauens in Verbindung setzte. Mein Onkel kam mir entgegen und ich freute mich darüber. Er hatte wirklich eine einfühlsame Eigenschaft. Er wollte nun wissen: „Amaris, was möchtest du tun?“ Die Gegenfrage stellte sich, wie er es sehen würde, falls ich gerne meine Adoptiveltern besuchen möchte. Es schien nicht lange zu dauern, dass Valerian ihm meine Frage stellte: „Darf Amaris denn ihre Adoptiveltern sehen? Es sind ja immerhin Sommerferien und ich glaube, meinem Schwesterchen würde das bestimmt gut tun.“ Ich verdrehte leicht die Augen wegen dem Wort “Schwesterchen“ und doch fand ich das auch irgendwie süß, wie mein großer Halbbruder sich zu mir bekannte.
„Amaris, möchtest du denn lieber zurück zu deinen Adoptiveltern?“, wollte sich mein Onkel bei mir erkundigen. Klar, will ich das! Immerhin sind sie meine Eltern, auch wenn es nicht meine leiblichen sind. Aber ich muss ja auch wahrscheinlich vor dem Ende der Sommerferien zurück nach Death Tale kehren, bevor ich wieder nach Denicum ins Internat gehe. Ich nickte und fragte, wie lang ich dort bleiben durfte. Er antwortete: „Solange du deine Zeit brauchst, aber es gibt eine Bedingung. Am letzten Freitag bevor die Sommerferien enden, möchte ich, dass du wieder hier bist. Valerian wird dich dann in Wicked Rose abholen. Das ist doch sicher kein Problem für dich, oder?“
„Ich hole doch gerne mein Schwesterherz ab“, sagte Valerian mit einem Lächeln.
Ich war mit der Entscheidung von meinem Onkel zufrieden und dankte ihm: „Ich bin damit einverstanden, Cadell und ich danke dir sehr.“ „Keine Ursache! Valerian kann mit dir morgen oder übermorgen, je wie du möchtest zum Bahnhof von Neroluz fahren, um das Zugticket zu kaufen.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen und zum ersten Mal merkte ich, dass mein Onkel eine warmherzige Familienliebe ausstrahlte, sowie Qadira und Thorn.
Ein Gefühl von Geborgenheit schlich langsam ein. Das Eis in meinem Herzen war gebrochen, seit Adrienne gegangen ist.
Als wir alles soweit abgesprochen hatten, ging ich ins Zimmer hoch und rief meine Adoptiveltern und Ozul an. Auch Hesperia setzte ich über diese Neuigkeiten in einer Nachricht in Kenntnis. Doch eine Frage blieb ungeklärt: Wird es nun besser werden und kann ein Licht der Hoffnung in Sicht sein?
Am selben Tag (22. Juni 2007): am Abend
Ich hatte gerade meine Adoptiveltern erreicht, da fragte mich Qadira, wann ich endlich kommen würde. Ich erzählte ihr, dass ich mit Valerian am nächsten oder übernächsten Tag zum Bahnhof fahren würde, um das Zugticket zu kaufen. Sie freute sich sehr über diese großartige Neuigkeiten und wollte wissen, ob Ozul mitkommen würde. „Ich weiß es noch nicht. Ich glaube, ich muss ihn darauf nochmal ansprechen.“, erklärte ich ihr.
„Wir würden uns sehr freuen, wenn er mit dir kommt. Wir wollen ihn ja schließlich kennenlernen“, sagte sie aufgeregt. „Okay gut, ich werde Ozul dann gleich anrufen. Und freue mich auch, für eine Weile bei euch zu bleiben.“
Einen Moment wurde es still an der anderen Seite des Hörers. „Für eine Weile? Musst du nach den Sommerferien wieder zurück zu Adrienne?“, fragte meine Adoptivmutter ein bisschen verwirrt. Ich hatte ihr noch nichts von den letzten Tagen erzählt und wollte es ihnen eigentlich erst an dem Tag machen, wo ich sie sehen werde.
„Ich werde euch alles erklären, wenn Ozul und ich bei euch sind. Ich werde euch später eine Nachricht schreiben und mitteilen, wie sein Standpunkt ist.“
„Das ist in Ordnung. Wir haben dich sehr lieb und ich muss nun auch los. Thorn braucht mich in der Kneipe. Bis dann, Amaris.“
„Ich hab euch auch sehr lieb. Bis dann!“ Ich legte auf und wählte dann Ozuls Nummer. Es dauerte nicht lange, bis er abhob: „Bonum vesperum, Regina! Ist alles in Ordnung?“, begrüßte er mich mit ruhiger Stimme.
„Oh ja soweit. Und bei dir?“
„Ja, soweit alles gut, habe vorhin noch etwas trainiert. Du weißt ja, ein paar Fitnessübungen und etwas boxen.“ Ich scherzte: „Ja, ich weiß, Darling, aber mach nicht zu viel.“
Ozul lachte: „Ach komm schon! So einen harten Kerl brauchst du doch! Einer, der dich auf jeden Fall vor fremden Männer beschützen kann.“ Wie Recht er doch hatte. Es sah so aus, als wäre Es ihm sehr wichtig, dass mir nichts passierte. Und wehe, einer würde mir etwas antun, dann würde er sich mit diesem anlegen. Ich musste aber selbst lernen, mich zu verteidigen, falls er nicht in meiner Nähe war.
„Können wir bitte das Thema wechseln?“, fragte ich ihn.
„Ja, was ist los?“
„Ich wollte wissen, ob du mit mir am Anfang der nächsten Woche zu meinen Adoptiveltern fahren würdest?“
„Ja, sehr gerne würde ich mit dir zu ihnen fahren, das habe ich dir schließlich versprochen. Ich kann gerne morgen früh nach Neroluz zum Bahnhof fahren und wir kaufen gemeinsam das Zugticket.“ Ich erklärte ihm den Vorschlag von Valerian und er war der Meinung, dass wir uns doch am gleichen Tag dann treffen könnten. Bevor ich zusagte wollte ich mit Valerian darüber sprechen. Ich glaubte jedoch, dass das für ihn passen würde, aber es war mir wichtig, zuerst bei ihm nachgefragt zu haben. Ungern beendete ich das Gespräch mit meinem Schatz und legte auf, da die Zeit fürs Abendessen war. Meine Laune war etwas besser und ich schritt hinunter zur Küche. Man roch schon die unterschiedlichsten Gewürze, aber von welchem Gericht, konnte ich nicht erraten. Ich beobachtete, wie mein Halbbruder in der Küche stand und mein Onkel aus dem Wohnzimmer nach ihm rief: „Valerian, ist das Abendessen bereits serviert?“ „Nein, noch nicht. Es dauert noch fünf Minuten.“
Cadell stand auf und deckte den Tisch. Ich half ihm. „Oh, danke Amaris.“, sagte er verwundert. Er hatte wohl nicht gemerkt, dass ich ihm helfen wollte.
Kurz darauf brachte Valerian eine Auflaufform mit Ofenhandschuhen herein und setzte sie auf den Tisch: Einen orientalischen Linsenauflauf mit Süßkartoffeln. Ich setzte mich an den Tisch. Mein Halbbruder teilte das Essen unter uns drei auf. „Einen guten Appetit wünsche ich“, sprach Cadell aus.
Eine Stille war dann im Raum. Wir schwiegen, während wir aßen. Das Essen schmeckte.
Nach dem Abendessen fragte ich meinen Halbbruder fragen, ob es für ihn in Ordnung wäre, wenn er mit mir am folgenden Tag am Morgen das Zugticket kaufen könnte und bat Cadell um sein Einverständnis. „Natürlich, das ist kein Problem, Schwesterherz“, antwortete er und Cadell war ebenfalls einverstanden.
„Oh ich habe etwas vergessen.“ Schnell huschte er aus dem Wohnzimmer in Richtung seines Schlafzimmers. Was ist jetzt los?, fragte ich mich.
Kurz darauf setzte der Nachrichtenton bei meinem Handy ein und das Display leuchtete kurz auf. Eine Nachricht von Hesperia war eingegangen
„Entschuldigung“, sprach ich zu Cadell.
„Es ist schon in Ordnung!“ Meine beste Freundin hatte mir eine Nachricht geschickt. Sie war mit einer Fotoikone beigefügt. Guck mal! schrieb sie. Schnell schaute ich nach. Ich lud das Foto herunter und erkannte, dass ihre Schwester und sie vor einem Gemälde standen. Nach etwas längerem Betrachten stellte ich fest, dass es meins war, mit dem ich den Wettbewerb im Mai gewonnen hatte und welches nun im Kunstmuseum von Sawblade Nebula hing. Ich lächelte etwas. Ich beantwortete ihre Nachricht: Das ist toll und wie geht es euch? Wie ist es in Sawblade Nebula? Schon bald kam eine Antwort: Uns geht es hervorragend. Wir haben unserem Vater von deinem Kunstwerk erzählt. Er ist begeistert. Du musst unbedingt selbst irgendwann mal dieses Museum besuchen. Die Bilder deiner leiblichen Mutter sind hier auch ausgestellt.
Als ich mich an Trista erinnerte, wurde ich etwas traurig. In diesem Augenblick kam Valerian wieder ins Wohnzimmer. In seiner rechten Hand hielt er eine Geschenktüte. Ich legte mein Mobiltelefon zur Seite. „Hier ist noch etwas für dich“, deutete er, indem er mir die Tüte überreichte. Sein Ziehvater und er gratulierten mir nochmals nachträglich zum Geburtstag. Mein Halbbruder bemerkte, dass ich etwas traurig war. Er klopfte mir auf die Schulter: „Ist alles in Ordnung?“ Ich zog die Nase hoch und schüttelte den Kopf. Mein Onkel war ebenfalls besorgt.
„Ist wirklich alles okay, Amaris?“
„Ja, es geht schon wieder“, antwortete ich ihnen leise. „Ich habe mich nur wieder an Trista erinnert“ „Wir verstehen dich. Es ist ja auch nicht so einfach, was passiert ist, aber wenn du möchtest, kann Balduin dich auch mal zu ihr bringen“, tröstete mich mein Onkel.
„Ich weiß, aber es ist alles so schwierig und ich glaube, ich oder wir müssen mal mit der letzten Situation noch zurecht kommen“, teilte ich ihnen meine Sorge mit. Valerian nickte, aber war so aufgeregt, da er wissen wollte, ob mir die Geschenke gefallen würden. Ich hatte noch nicht in die Tasche geschaut.
„Vielleicht hast du Recht, Amaris.“, fügte mein Onkel hinzu.
„Jetzt pack mal die Geschenke aus“, drängelte mein Halbbruder. Ich bedankte mich bei ihnen und griff in die Tüte: Eine dunkles Päckchen mit einer silbernen Schleife und ein langgezogener querformatiger Umschlag lagen darin. Ich öffnete die Schleife des silbernen Päckchen: Eine rußschwarze Schatulle kam zum Vorschein.
„Öffne mal die Schatulle!“, befahl Valerian mir. Gesagt, getan! Ich öffnete die Schatulle und entdeckte einen marineblauen Kugelschreiber mit einem silbernen Kopfende. Der Halter war mit meinen zwei Vornamen in einer leicht verschnörkelte Schriftart und ein gravierter Vollmond. Er war wunderschön.
Dann öffnete ich den Umschlag. Zuerst erkannte ich eine Geburtstagskarte und las die späten Glückwünsche. Dann lagen drei Tickets dabei. Ich begutachtete die Tickets: Es waren Konzerttickets. Odovakar Vermando-Dannsa teine (Dannsa teine ist Gälisch und bedeutet: Tanz des Feuers) Live Tour in Ardabur am 17. Juli 2007. Um 19 Uhr Eintritt. Beginn des Konzerts um 21 Uhr. Außerdem waren es VIP Tickets mit Backstage. Oh mein Gott! Wie geil ist das denn? Ich kann meinen Lieblingssänger live sehen. Das ist so toll. Ich freue mich so, aber wie konnten das Valerian und Cadell wissen? Ich sprang vor Begeisterung hoch.
„Das ist voll krass. Ihr habt mir so eine große Freude gemacht. Wie wusstet ihr, dass ich mal auf ein Konzert von Odovakar Vermando gehen wollte, aber nie durfte?“
Cadell erklärte mir, dass er vor ein paar Wochen mit meinen Adoptiveltern telefoniert hatte und sich über mich wegen meinem Musikgeschmack erkundigte. Wie es aussah, hatten Qadira und Thorn ihm von meinem Lieblingssänger erzählt, und die zweite Nachricht war ebenfalls überraschend: Mein Onkel kannte Odovakar höchst persönlich. „Wir kennen uns seit Kindertagen“, erzählte er mir, „Ich habe ihn vor ein paar Tagen angerufen und er erzählte mir, dass er nach so langer Zeit wieder in Ardabur sein wird. Natürlich habe ich ihn dann gefragt, ob ich noch Karten für sein Konzert bekommen würde und berichtete ihm, dass du ein großer Fan von ihm bist. Er war der Meinung, dass du mit zwei Personen, sein Konzert besuchen könntest, um ihn später Backstage zu treffen. Du wirst somit unter die VIP gehen und entscheiden, wer mit dir das Konzert besuchen wird.“ Mir blieb der Mund stehen. Ich als eines der VIP-Mitglieder? Das ist kaum zu glauben! Ich werde meinen Lieblingssänger das erste Mal live sehen! Aber wen nehme ich mit aufs Konzert? Es wäre doch schön, wenn Ozul dabei sein werde, aber wer soll die dritte Person sein? Ich bedankte mich sehr für die großartigen Geschenke.
„Amaris?“, rief mein Halbbruder mich, „wäre es okay, wenn wir morgen um 10 Uhr nach Neroluz zum Bahnhof fahren?“
„Sicher, Bruder.“, antwortete ich ihm. Ich stand auf und umarmte das erste Mal meinen Onkel. Er lächelte. „Wir freuen uns sehr, dass wir dir diese Freude machen durften, werte Amaris.“ Er schaut kurz auf die Wanduhr im Wohnzimmer und merkte, dass es schon spät war.
Es war 22 Uhr. Er stand auf und wünschte meinem Halbbruder und mir eine gute Nacht. Ich ging ebenfalls hoch und machte mich zurecht fürs Bett. Ich fühlte großes Glück und schrieb Ozul eine Nachricht. Salve Liebster. Gute Nachrichten: Ich werde morgen um 10 Uhr am Bahnhof von Neroluz sein, um das Ticket nach Wicked Rose zu kaufen und am 17. Juli gibt Odovakar Vermando ein Konzert in Ardabur. Hast du Lust es mit mir anzusehen? Ich liebe dich sehr Darling! Ozul hatte die Nachricht sofort gelesen und rief mich an: „Salve Liebste. Das sind tolle Nachrichten und gerne gehe ich mit dir auf dieses Konzert. Ich“, sagte er mit fröhlicher Stimme, doch ich musste ihn etwas bremsen. „Hör zu, wir haben VIP Tickets mit Backstage! Du weißt doch wohl, was das heißt?“, fragte ich nach. Er schwieg eine Weile. Doch dann schossen seine Fragen geradezu aus ihm heraus.
„Was? Echt jetzt? Du hast VIP Tickets?!“, hakte er erstaunt nach.
„Ja. Ich konnte es auch kaum glauben. Mein Onkel hatte sie als mein nachträgliches Geburtstagsgeschenk besorgt“
„Das klingt großartig!“
„Es sind drei Tickets. Es darf noch eine Person mit, also du, ich und ich hatte gedacht an Valerian, wenn das für dich in Ordnung ist, mein Panther?“
„Ja, das ist in Ordnung mein Schatz. Sag mal ,wie kommst du jetzt auf die Idee mich Panther zu nennen?“
„Magst du es etwa nicht?“, entgegnete ich ihm.
„Doch, aber jetzt machst du mich wild, Amaris!“ Oh oh! Ozul hat wohl Kopfkino. Mist! Das ist nicht geplant gewesen. Warum komme ich jetzt ausgerechnet auf das Thema Sex! Igitt! Ich klärte ihn auf, dass ich noch nicht so weit war. „Es tut mir leid, aber das war nicht so gemeint, Darling. Ich denke, das hat noch Zeit mit dem Thema Sex“
„Ja, vielleicht hast du Recht!“, sagte er traurig. Ich habe ihn wohl nun gekränkt, auch wenn ich das nicht wollte.
„Wir treffen uns morgen um 10 am Bahnhof! Gute Nacht mein Darling, schlafe gut und träume süß! Ich liebe dich.“, verabschiedete er sich.
„Ich liebe dich auch. Dir auch eine gute Nacht. Bis morgen!“ Er legte auf und ich stellte meinen Wecker für acht Uhr. Müde fiel ich in den Schlaf und begann zu träumen.
***
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In der Nacht: 2 Uhr morgens; 23. Juni 2007
Amaris Traum
„Kommt mit mir in den Hinterraum und bitte nicht trödeln!“, rief eine Stimme. Ich hörte andere Stimmen, die lachten und sah, dass sie eine rote Flüssigkeit tranken. Um was es sich für ein Getränk handelte, weiß ich nicht. Ich beobachtete die Menschenmenge, die jubelte und grölte. Sie schrien einen Namen.
„Hier her, hier ...“, hallte eine andere Stimme.
„Hahaha!“, lachte die erste Stimme. Ich erkannte noch immer nicht, wer redete und mit wem? War es Odovakar mit einem anderen Fan?----
Ich wachte auf, schaute auf die Decke und wischte mir die Schweißperlen von der Stirn. Ich schaute auf die Uhrzeit: 2 Uhr 15 morgens. „Ein komischer Traum“, murmelte ich und drehte mich zur anderen Seite des Bettes. Ich versuchte weiter zu schlafen.
***
23. Juni 2007: 7 Uhr 30
Sechs Stunden und fünfzehn Minuten später. Die Sonne war bereits aufgegangen. Ich krabbelte mühsam aus dem Bett und ging zum Kleiderschrank, um frische Klamotten herauszunehmen. Ich wählte eine dunkle Hose und ein T-Shirt mit einem Netzmuster. Für darüber eine Sweatjacke mit Engelsflügel und einem Pentagramm. Dazu passten normale Laufschuhe. Ich zog mein Bademantel über den Schlafanzug an und begab mich in Richtung Bad, um zu duschen.
Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich ein dumpfes Gespräch zwischen Valerian und Cadell. Sie schienen schon etwas länger wach zu sein.
„Ich glaube, ich soll mal einen frisch gepressten Orangensaft für uns machen und einen warmen Porridge mit ein paar Beeren“, hörte ich meinen Halbbruder sagen. Er hatte damit den richtigen Riecher. Ich mochte dies sehr und aß dies oft, als ich noch bei meinen Adoptiveltern lebte. Bald würde ich auch für eine gewisse Zeit wieder bei ihnen sein. Cadell schien seiner Meinung zu sein, da er mit den Worten „Eine gute Idee!“ antwortete. Ich huschte ins Bad und duschte. Ich freute mich auf diesen Tag, da Ozul auch in Neroluz sein würde und Valerian mit mir plante das Zugticket zu kaufen. Endlich konnte ich etwas zur Ruhe kommen. Ich machte mich fertig, stylte noch die Haare und trug etwas Schminke auf.
Dann ging ich runter zur Küche. „Guten Morgen, Amaris!“, begrüßten Valerian und Cadell mich. Ich grüßte sie zurück. Während ich mich an den Tisch setzte, servierte mein Halbbruder mir eine dunkle Schale mit dem gekochten Porridge und ein paar frische Beeren. Lächelnd bedankte ich mich bei ihm. Anschließend legte er ein paar Brote in den Toaster. Mein Onkel trank eine Tasse Kaffee und erkundigte sich bei mir, ob ich gut geschlafen hätte. Dabei las er eine Musikzeitschrift. Ich nickte, war jedoch schon längst gedanklich bei meinem Frühstück. Als der Toaster fertig war, bestrich mein Halbbruder für sich die Brotscheiben mit Humus. Mein Onkel schien keinen Hunger zu haben oder hatte vorher schon gefrühstückt.
Etwas später half ich Valerian beim Abräumen und er beschloss dann, dass wir bald aufbrechen würden, um nach Neroluz zu fahren. Ozul wartete bestimmt sehr sehnsüchtig auf mich am Bahnhof. Ich holte meine Lederjacke mit dem gotischen Kreuz auf dem Rücken und legte meine Handtasche um die Schulter. „Stell dich bitte an die Seite des Garagentors! Ich muss den Wagen herausfahren“, erklärte Valerian mir. Nach einem Nicken trat ich ein paar Schritte zurück.
„Ach Valerian, denk bitte an die Hausschlüssel! Ich werde nicht daheim sein, wenn ihr wieder da seid. Ich werde mit dem Bus gleich nach Sirialflia fahren.“
„Könntest du bitte Opa Alevo einen Gruß ausrichten?“, fragte sein Ziehsohn ihn. Cadell nickte. Valerian nahm die Haus- und Autoschlüssel vom Schlüsselschrank und wir verabschiedeten uns von Cadell. Er fuhr das Auto rückwärts aus der Garage und ließ mich dann einsteigen. Schon ging es los.
***
9 Uhr 30
Ich stellte fest, dass wir eine halbe Stunde früher abfuhren. Es war nicht schlimm und ich war der Meinung, es wäre so besser, denn augenblicklich klingelte mein Mobiltelefon. Ozul rief an.
„Salve Regina. Na bist du schon unterwegs zum Bahnhof?“, fragte er mich aufgeregt.
„Bin auf dem Weg, Darling.“
„Super, ich freue mich! Bis gleich meine Königin!“ Ich legte auf.
Valerian grinste. „Na, macht sich dein Liebster Sorgen?“
„Ich denke schon“, sagte ich leise.
10 Uhr
Wir erreichten das Parkhaus des Bahnhofs von Neroluz. Vorbildlich parkte mein Fahrer auf den einzig freien Platz. Wir stiegen dann aus und schritten zum Hauptgebäude. Bereits aus der Ferne konnte ich Ozul sehen, der seine Zigarette zu Ende rauchte. Abwesend angspannt kratzte ich mich am Arm. „Na, etwas nervös Schwesterherz?“, wollte mein Halbbruder wissen. Während ich antwortete „Es geht schon.“, näherte sich uns mein Freund und lächelte: „Salve Regina!“, begrüßte er und küsste mich auf die Stirn, „Na alles gut? Salve Valerian, wenn ich mich richtig erinnere?“ Ich nickte meinem Liebsten zu. Valerian grüßt ihn ebenfalls mit einem Lächeln: „Lasst uns zum Ticket Empfang gehen!“ Den Vortritt machte mein Bruder. Bevor wir folgten, sah mich Ozul seinen Arm anbietend an. Das Gebäude war relativ groß und zeigte unzählige Schilder mit Gleisnummern an, bei denen mir das Haus fast schon wieder zu klein vorkam. Wir kamen gleich dran. Ein kleines Läuten erklang. Nun waren wir dran und schritten zu dritt vor. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte die Ticketverkäuferin in unsere Runde nach. „Ich möchte gerne ein Monatsticket ab morgen Nachmittag nach Wicked Rose buchen und falls möglich, ohne viel umzusteigen.“ „Zwei Tickets“, korrigierte mein Freund ihn. Über den Einwand verwundert zog er eine Augenbraue hoch. „Zwei?“, fragte er bei Ozul nach, „Ja, ich werde Amaris zu ihren Adoptiveltern begleiten. Ich gebe dir das Geld nachher wieder“, erklärte mein Liebster ihm. Valerian wandte sich wieder zu der Verkäuferin und korrigierte seine Anfrage: „Zwei Monatstickets ab morgen Nachmittag nach Wicked Rose, bitte.“ Die Verkäuferin tippte die Daten in das Ticketsystem des Computers ein und erklärte uns die Zugverbindung: „Ich hätte da eine Verbindung gegen 14 Uhr 30 und diese würde direkt nach Wicked Rose fahren, allerdings dauert diese vier Stunden und 35 Minuten oder sie müssten einmal in Réimse Langston umsteigen und wären fünf Stunden und 15 Minuten unterwegs. Der Preisunterschied wäre 45 Crescent Silver, also die direkte Verbindung mit fünf Zwischenhalten nach Wicked Rose ist etwas teurer als die längere Strecke und dem Umstieg in Réimse Langston. Die direkte Verbindung würde 130 Crescent Silver kosten.“
„Ist das der Preis für zwei Personen oder für nur eine Person?“, wollte Valerian wissen.
„Dieses Monatsticket ist nur für eine Person!“
„Dann machen Sie bitte zwei Monatstickets!“ „Also gut, zwei Monatstickets nach Wicked Rose ab morgen und die direkte Verbindung. Abfahrt ist um 14 Uhr 30. Seien Sie bitte eine Viertelstunde vor der Abfahrt hier am Bahnhof! Und nun zur Bezahlung: Wollen Sie mit Karte bezahlen oder in bar?“
„Mit Karte bitte!“ Valerian bezahlte die Tickets, während die Verkäuferin Ozuls und mein Ticket in eine durchsichtige Hülle packte.
„Dann sind es für 260 Crescent Silver.“
„Vielen Dank!“, dankte mein Halbbruder und überreichte uns die Fahrscheine. „Gut darauf aufpassen. Es sind ja eure Monatskarten. Und Amaris, denk bitte daran, am 15. Juli müsst ihr zurück fahren!“ Ozul bedankte sich bei Valerian und ich nickte „Versprochen“ zu meinem Bruder. Ich packte unsere Ticket in meine Handtasche. „Alles klar. Wenn ihr möchtet, könnt ihr den Tag zusammen verbringen und ich komme dich später abholen, Amaris! Ich werde Jelvira anrufen und nach Lethia fragen. Wir sehen uns später und treffen uns hier am Bahnhof gegen 17 Uhr wieder!“
„Danke Valerian, ich werde noch zur Bank gehen und du kriegst dann nachher das Geld. Ich danke dir außerdem, dass du mir die Zeit schenkst, diese mit meiner wundervollen Prinzessin auszukosten“, erklärte Ozul ihm.
„Gar keine Ursache, werter Ozul! Pass gut auf mein Schwesterherz auf!“ Valerian verabschiedete sich von uns und ging in Richtung Parkgarage zurück. Ich hoffte für ihn, dass er Lethia wiedersehen durfte. Mit der Aufforderung meines Freundes setzten wir unsere Richtung auf der Fußgängerzone fort. Er legte seinen Am um meine Schulter und lächelte. „Wie geht es dir, meine Liebste?“, wollte er von mir wissen. Es war gut, dass er nachfragte, denn auf der einen Seite war ich froh, in seiner Nähe zu sein, aber auf der anderen Seite durchschossen meinen Kopf die Ereignisse der letzten Tag. Ich schmunzelte matt und schaute ins Leere. Die Menschen, um uns herum, nahm ich wahr, aber auch nicht so richtig. Manche waren im Stress, andere redeten, als sie an uns vorbei gingen.
„Darling, ich merke, dass du wieder in Gedanken bist, sonst würdest du ja meine Frage beantworten. Was ist los?“
„Können wir uns irgendwo setzen?“, entgegnete ich mit einer Gegenfrage.
„Ja, wir können gerne ins Obscure Star einen Kaffee trinken gehen“, schlug mein Schatz vor. Ich nickte. Wir schritten zum Caféhaus und nahmen dort Platz an einem Tisch im Innenraum. „Einen Dalgona Kaffee und was möchtest du, meine Prinzessin?“, gab Ozul seine Bestellung beim Kellner auf.
„Für mich ein Latte Macchiato.“
„In Ordnung“, sagte der Kellner und drehte sich um.
„Also, was ist denn passiert, Darling?“, fragte Ozul mich erneut. Schnell bat ich ihn, dass nicht falsch zu verstehen. Es freute mich, nun einen großen Bruder zu haben. Irgendwie jedoch hatte ich es noch nicht ganz überwunden.. „Hauptsache, ihr versteht euch und wisst, warum ihr euch als Halbgeschwister habt. Ich weiß mal nicht, ob ich überhaupt Geschwister habe, seit meine Mutter mich in die Babyklappe abgegeben hat. Dank meinem zuständigen Betreuer des Heims, Mister Junne Léodel bin ich ins Black Lake Gymnasium gekommen, da er mein Talent im Gesang entdeckt hat. Aber lassen wir diese Geschichten vom kleinen Ozul“, lachte er zum Schluss. Ich hörte ihm aufmerksam zu und doch versank ich wieder in Gedanken. Es klingt furchtbar, dass Ozuls Mutter ihn abgegeben hat. Das ist schlimmer, als meine Situation. Wenn ich mir vorstelle, wie es sein würde, in einem Heim aufzuwachsen, würde ich noch unsicherer sein, als jetzt schon. Aber Ozul hat es geschafft. Der Kellner brachte die Getränke. Ich trank einen großen Schluck vom Latte Macchiato und beobachtete Ozul, wie er in meine Augen sah. „Deine Augen sind wunderschön, mein Schatz. Man sagt, dass Menschen mit grünen Augen sehr kreativ sind und das bist du auf jeden Fall.“ Ich schmunzelte leicht.
„Kann sein…“, sagte ich ihm leise und fragte mich doch, warum er das Thema gewechselt hatte.
„Du bist so still. Ich hoffe doch, dass dich meine Situation nicht zu sehr belastet.“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, das ist es nicht Darling! Amaris, hör auf! Er sieht doch ganz genau, dass du viel zu viel nachdenkst.
„Ich sehe doch, dass du die ganze Zeit mit den Gedanken woanders bist. Also was ist los, meine Schöne?“
„Es ist nichts! Ich will nur mit dir hier sein.“ Ich erklärte meinem Liebsten, dass nichts wäre, einfach die Zeit mit ihm genießen wollte und ich mich freute mit ihm am folgenden Tag schon zu meinen Adoptiveltern zu fahren, jedoch ließ mich das Kreisen meiner Gedanken nicht nach.
Wir tranken unseren Kaffee aus und Ozul beglich die Rechnung. Laute Musik erklang aus der Fußgängerzone. Ein Zupfinstrument spielte, ich glaubte, eine E-Gitarre. Die Rhythmen gingen schnell sowie im Song Thunderstruck von ACDC. „Oh, derjenige hat echt was drauf. Komm lass uns schauen, woher der Sound kommt, meine Schöne“, sprang Ozul auf und nahm meine Hand. Wir schauten uns um und entdeckten schließlich in der Nähe der großen Einkaufgalerie von Neroluz die Person, die die elektrische Gitarre spielte und dazu sang. Es war eine junge Frau. Ozul blickte überrascht. Vermutlich war er nicht gewohnt, dass auch eine Frau gut Gitarre spielen konnte oder was auch immer er dachte. Neben ihr hatte sie ein Schild aufgestellt. Das Geld wird an das Waisenhaus Tidwulf Harmonious Orphanage gespendet. Folgt mir auf der Sozial Medien Plattform Flimagey.* (eine fiktive Plattform wie Instagram): lesyc_muse_1089! Ich bemerkte sofort den Namen des Waisenhaus und erinnerte mich, dass die Lebenspartnerin meines Patenonkels in diesem arbeitete. Ich musterte genau die junge Frau, die die Gitarre spielte und war der Meinung, dass sie mir bekannt vor kam, aber ich konnte sie nirgendwo einordnen, wo ich sie einmal gesehen haben sollte.
Plötzlich rempelte uns jemand an. „Oh Amaris, Ozul, sorry! Es war keine Absicht!“ Ich erkannte die Stimme. Es war mein Halbbruder Valerian.
„Hey Bruderherz. Alles gut, kein Problem. Ich dachte, du wärst nach Ulecian ins Waisenhaus gefahren …“, erinnerte ich ihn, doch ich bemerkte schnell, dass er mir nicht zuhörte, da er auf die junge Frau mit der elektrischen Gitarre schaute und Tränen über seine Wangen rollten.
„Ich kann es nicht glauben. Sie ist hier … Sie ist hier!“, weinte und lächelte Valerian gleichzeitig.
„Was ist mit deinem Bruder los?“, wollte mein Liebster von mir wissen. Die Frau mit der Gitarre hörte unerwartet auf zu spielen.
Plötzlich fing sie ebenfalls zu weinen an. Rundherum standen noch andere Passanten, die der Musik zugehört hatten und in deren Gesichter standen Fragezeichen groß geschrieben. Ein paar Sekunden lang beobachtete ich beobachtete ihn. Erst dann wagte ich mich zu erkundigen: „Valerian, ist alles in Ordnung?“
„Es ist Lethia“, sprach er leise und ging dann auf die junge Frau zu. Ich erklärte Ozul die Situation. Er nickte stumm. Valerian deutete mit einer Geste, dass wir ihm folgen sollten. Wir folgten ihm.
„Oh Liebster, was bin ich froh dich zu sehen! Was machst du denn hier? Ich dachte schon, wir würden uns nie mehr wiedersehen!“ Mein Halbbruder küsste sie und hielt ihre beiden Hände. „Ich bin so glücklich, dich nach zwei Jahren wieder gefunden zu haben. Es tut nichts zur Sache. Ich bin nun hier bei dir. Aber schau her, könnte ich dir hier die zwei Menschen vorstellen? Lethia, ich stelle dir hiermit meine Halbschwester Amaris und ihren Freund Ozul vor. Beide gehen aufs Black Lake Gymnasium, wo ich einst gewesen bin.“
„Es freut mich, die Bekanntschaft mit dir zu machen“, sagte ich ihr. Sie nickte ihm zu: „Angenehm, ich bin Lethia.“ Ich weiß, Valerian hat es mir vor ein paar Minuten gesagt. Ozul stellte sich ihr ebenfalls vor. Sie nickte ihm zu und sprach zu meinem Halbbruder.
„Ich packe mal hier die Sachen. Hast du vielleicht Hunger? Könnten wir zu unserem Lieblingsdiner gehen.“, fragte Lethia ihn.
„Ja, können wir gerne tun, mein Schmetterling. Amaris, Ozul, möchtet ihr beide mit?“, wollte Valerian von mir wissen. Ich verkniff mir ein Grinsen. Schmetterling?! Oh Valerian, hast du immer so sonderbare Kosenamen für deine Liebste?! Du bist witzig. Ozul und ich verneinten die Frage und erklärten ihm, dass wir etwas für uns sein wollten. Valerian hatte dafür Verständnis und wir gingen in Richtung Bank. Ozul hob noch Geld ab, um meinem Bruder die Monatstickets zurück zu erstatten. Wir bedankten uns und gingen weiter.
23. Juni 2007: 13 Uhr
Seit drei Stunden gingen wir in ein Geschäft nach dem anderen in der Einkaufgalerie. Ich freute mich für meinen Halbbruder, dass er sein Glück gefunden hat und mit Lethia seinen Tag genoss. „Liebste, könnten wir mal zum Musikgeschäft gehen? Ich muss mir ein paar CDs ausleihen, um ein neues Projekt mit der Band zu starten. Gerade mangelt es mir an Inspiration“, erklärte Ozul mir. Komisch. Ich bin doch eigentlich seine Inspiration, aber warum kann ich ihm dieses Mal nicht helfen? Ach ja, vermutlich wegen Balvo, seinem Bandkollege und Mitbewohner in seiner WG zugleich. Er mag mich nicht sonderlich, da er Angst hat, Ozul würde nur noch schnulzige Lieder schreiben. Naja, es war schon süß, dass Ozul mir jedes Mal aufs neue seine Liebe über Gesang gestand. Im Musikgeschäft suchte er nach Alben von verschiedenen Musikern. Ich schaute über die verschiedenen Cover der CDs. Die meisten Bands im Sortiment waren im Bereich des Hardrocks, Death Metal, Metal Rock und Symphonic Metal. Ozul konzentrierte sich auf die Death Metal Bands und tippte Notizen ins Handy. Vermutlich die verschiedenen Musikgruppen und Sänger, die ihn vermutlich inspirierten, was Neues zu erschaffen.
„Na hast du etwas gefunden mein Schatz?“, wollte ich von ihm wissen.
Er schüttelte den Kopf. „Nicht so ganz. Ein paar Gruppen kommen schon in Frage, aber ich stelle mir die Frage, ob ich nicht eine Mischung von allen Arten Metals reinbringen soll für die nächsten Songs?“ Puh, schwere Frage und noch schwieriger die Antwort. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete ihm, dass ich diese Entscheidung nicht abnehmen könne. „Schon okay, ich finde schon das Richtige, meine Liebste“, meinte er und küsste mich auf die Wange, „Ich glaube, ich mach mal weiter die Musikrichtung wie bisher, nur mit ein paar Balladen mehr.“ Ich fügte nichts weiter hinzu, nickte stattdessen lächelnd. Es war immerhin eine Entscheidung, die er treffen musste oder zumindest mit seinen Bandkollegen.
Wir wendeten uns in Richtung Ausgang des Geschäfts und verabschiedeten uns beim Ladenbesitzer.
„Und was machen wir jetzt, meine Regina?“, wollte mein Schatz wissen. Ich zuckte mit den Schultern. „Oh, ich glaube, mein Magen knurrt“, wendete er ein und fragte mich, ob ich nicht auch Hunger hätte. Wieder einmal zuckte ich mit den Schultern und ließ ihn entscheiden. Eine CD hatte er jedoch nicht gekauft. Wir schritten in eine bekannte Richtung. Er wollte zum Vertigo Restaurant, wo wir im Januar unsere erste Verabredung hatten. Wie immer hielt er mir die Tür auf und ließ mich hinein. Er war gleich hinter mir und derselbe Kellner begrüßte uns, wie letztes Mal und erläuterte dieses Mal, dass Virgin Summer Cocktails auf dem Plan standen. „Ein idealer Cocktail für den Sommer“, fügte dieser hinzu und wies uns zu einem Tisch.
„Möchtest du auch den Sommercocktail, Darling?“, wollte Ozul von mir wissen. Ich nickte.
„Dann mach uns zwei“, forderte er den Kellner auf. „Mit Vergnügen.“ Wir setzten uns an den Tisch. Mein Liebster warf einen Blick auf die Speisekarte. Ich beobachtete ihn und schaute dann in die Leere. Aus der Ferne sah ich den Kellner kommen, der unsere Getränke servierte.
„Darf ich schon die Bestellung für die Speisen aufnehmen?“ Ozul erkundigte sich bei mir, ob ich schon entschieden hätte, was ich essen mochte. Ich verneinte seine Frage. Hunger verspürte ich kaum. Oh Gott, er fragt jetzt sicher gleich, weil ich nichts sage. Vielleicht lag es am Porridge, den ich gefrühstückt hatte. „Ich habe heute genug gefrühstückt“, teilte ich meinem Liebsten mit. Er war überrascht, sagte jedoch nichts dazu und wählte seine Speise aus: Ein Gericht mit Spinat und Kichererbsen. „Die Nummer 28 möchte ich bitte“, sagte er dem Kellner, „aber ohne Kichererbsen!“
„Ich danke“, antwortete der Kellner, nahm die Speisekarte wieder mit und drehte sich in Richtung der Kasse. Ich hob das Glas und stieß mit Ozul auf unsere Zeiten an. Ein wenig bedrückt gestand er mir, dass er hoffe, meine Adoptiveltern würden ihn akzeptieren, da wir schon am nächsten Tag zu ihnen fuhren.. Ich hoffte ebenfalls auf ein positives Treffen. Aufregung nistete sich in meinen Körper ein. Etwas überrascht war ich schon. Er sehnte sich nach Akzeptanz von meinen Adoptiveltern. Vermutlich, weil seine Eltern ihn damals nicht haben wollten. Sicher war ich nicht.
Kurz darauf brachte der Kellner Ozul die bestellte Speise. „Bonam orexin, Darling!“, sagte ich meinem Freund. Er bedankte sich. Bevor er anfing zu essen, wollte er nochmals wissen, ob ich nichts von seinem Gericht haben wollte. Ich verneinte wieder seine Frage.
Während Ozul seine Speise verzehrte, stellte ich mir vor, wie das Kennenlernen mit meinen Adoptiveltern am nächsten Tag verlaufen würde. Einen positiven Eindruck erhoffte ich von meinem Liebsten. Meine Pflegemutter würde mich mit Freudentränen empfangen, die Bekanntschaft mit Ozul positiv bewerten. Natürlich würde sie wie Hesperia sicher viele Fragen stellen, wie ich mit ihm zusammen kam. Auch andere Fragen könnten aufkommen, wie auch das unangenehme Thema Sex. Dies könnte mir peinlich werden, obwohl Ozul wusste, dass ich noch nicht dafür bereit war. Thorn, mein Adoptivvater würde ihn vermutlich kritisch beäugen. Ob Ozul der Richtige Partner für mich wäre, oder ob sie ebenfalls gemeinsame Interessen hätten oder die üblichen Männergespräche. Schluss jetzt! Amaris, lass den Rest morgen einfach auf dich zu kommen, wenn du mit Ozul zu ihnen fährst und genieße die Sommerferien! Ich ließ Ozul in Ruhe essen und beobachtete ihn schweigend, während ich an meinem Glas nippte. Ozul war nach geschätzten zwanzig Minuten fertig mit dem Essen. Der Kellner kam zeitgleich entgegen und räumte seinen Teller und Besteck ab. „Möchten Sie noch einen Nachtisch?“, wollte dieser von Ozul wissen. Mein Freund verneinte die Frage, stattdessen bat er um die Rechnung. „Alles klar. Ich bringe sie sofort.“ „Vielen Dank“, sagte Ozul und erkundigte sich bei mir, ob alles in Ordnung war. Ich nickte.
***
14 Uhr 15
Wenige Minuten später kam der Kellner mit Ozuls Rechnung. Mein Schatz bezahlte diese. Ich wollte gerade aufstehen, aber er war schnell hinter mir, um mich in meine Jacke einzukleiden. „Danke Liebster.“, sagte ich ihm und küsste ihn lieblich. Er erwiderte. „Keine Ursache, Darling. Wo möchtest du gerne jetzt hingehen?“ Ich suchte nach einer passenden Antwort: „Könnten wir zum Buchladen Spooky Somber Library And Staionery bitte gehen?“ Mein Freund nickte. Wir schritten die Fußgängerzone weiter gerade aus, bis wir den Buchladen erreichten. „Ich werde zur Biografie Abteilung gehen. Vielleicht haben sie dort etwas über einen meiner Lieblingsmusiker. Wir treffen uns an der Kasse, meine Liebste.“ Die Biografie Abteilung war nur ein paar Meter weiter in der linken Ecke. Ich schaute mich nach etwas Schreibmaterial um: zwei Tintenfässer für meine Feder, ein paar Bleistifte und ein Skizzenbuch brauchte ich für die nächsten Tage, doch die Zeit um das Material an der Kasse zu bezahlen, hatte ich nicht.
***
14 Uhr 25
Plötzlich gab Ozul einen wütenden Schrei von sich. Ich ließ alles stehen und liegen, hörte dann eine weitere Stimme, die vermutlich zu ihm sprach. Erst erkannte ich sie nicht „Du hältst dich wohl immer für den Superhelden. Jedoch wirst du irgendwann sehen, dass sie dir das nicht wirklich geben kann, was du willst. Ich denke, du weißt, dass ich besser bin, aber lass dir das gesagt sein! Ich werde sie mir auch nehmen. Du wirst den Kürzeren ziehen. Ich fordere dich zum Boxkampf heraus. Und das am Anfang des Schuljahres“ Mein Herz begann schneller zu schlagen und mein Atem stockte.
Als ich mich näherte, erkannte ich schnell, wer mit meinem Liebsten sprach. Der Möchtegern Casanova Lycidas! Was zum Teufel will er noch?! Wie kann er es wagen mit Ozul so zu reden? „Gibt es irgendeine Bedingung, wenn jemand verlieren soll?, fragte mein Liebster ihn zornig. „Das werde ich dir am Anfang des Schuljahres mitteilen und jetzt geh zu deinem Liebchen!“, vermittelte mein Erzfeind meinem Freund mit bissigem Ton und ging ihm aus dem Weg. Beide warfen sich einen wütenden Blick zu. Ihre Augen sprachen eine deutliche Sprache.
„Oh, Amaris, ich habe dich nicht kommen gesehen. Na, wie fühlt es sich an, mit dem berüchtigten Weiberheld eine offene Beziehung zu führen?“, zog Lycidas weiter über Ozul her.
„Von was sprichst du?“, fragte ich die Tratschposaune wütend und schaute zu Ozul: „Offene Beziehung?“
„Ja, ich denke, das soll der liebe Ozul dir selber sagen!“, lästerte mein Klassenkamerad. Ozul setze seinen finsteren Blick auf und antwortete Lycidas die Zähne zusammen gepresst: „Am besten, du verschwindest jetzt, aber eine Sache sage ich dir: Ich gebe Amaris nicht auf und hör auf solche Lügen zu verbreiten! Den Termin für den Kampf sag ich dir! Hau ab!“ Lycidas verschwand. Eine Antwort auf meine Frage hatte ich nicht bekommen, stattdessen verabschiedete er sich von mir mit lästerndem Klang.
Ozuls Augen wichen meinem Blick aus. Lieber bat er mich mit leiser Stimme, ob wir uns nach draußen begeben könnten. Ich nickte und griff nach seiner Hand. In langsamen Schritten machten wir uns auf dem Weg in die kühle Sommerluft. Wir stellten uns vor die Ladentür. Dann legte ich meine rechte Hand an seine Wange. Dabei suchte ich den Blickkontakt. „Was meinte Lycidas mit offene Beziehung? … Ist dir unsere Beziehung nicht ernst? … Sprich mit mir!“, sprach ich mit verzweifelter Stimme zu meinem Liebsten. Ich legte meine andere Hand auf seine Brust. Sein Herz raste noch schneller, als meins. Wie sollte ich ihn nur beruhigen? Überforderung stieg in mir hoch, sodass mein Kopf drohte zu explodieren, mit dem, was sich wieder alles ansammelte. Es stand auf jeden Fall fest, dass ich eine Erklärung brauchte. „Möchtest du mir irgendetwas sagen?“, fragte ich wiederholt meinen Freund.
„Es ist nichts wahres dran! Lycidas redet immer so eine Scheiße!“, sagte er wütend, „Ich verspreche dir, den Kampf zu gewinnen, koste es was es wolle. Dafür wird er bezahlen! Und hör nicht auf sein albernes Geschwätz!“
Mit dieser Antwort kamen Zweifel in mir, doch wollte ich diese meinem Liebsten verbergen, da es vermutlich ein schlechtes Zeichen für ihn wäre, auch wenn es mir sofort anzusehen wäre. Er hätte wahrscheinlich Bedenken, dass ich ihm nicht mehr vertrauen könnte. Doch konnte er mir dieses Versprechen wirklich halten? Es stand fest, dass Lycidas unsere Beziehung mit allen Mitteln zerstören wollte, um mich als seine Partnerin zu haben. Oder hatte er doch einen anderen Plan? Was war sein Ziel?
Trotz den ganzen Fragen hatte ich mich etwas seelisch gesammelt, auch wenn es nicht einfach war. „Lass uns in den Park gehen, wo wir im Januar waren!“, schlug ich Ozul vor. Ozul atmete einmal tief durch und ich legte seine Hand in meine. Wir schritten zum Shadow Angel Park und überquerten die Brücke, wo wir unseren ersten Kuss hatten.
Im Sommer nun blühten hier die Löwenmäulchen und Dahlien in aller Pracht. Wir beobachteten das klare Wasser.
Kurze Zeit später beobachtete ich meinen Freund und bemerkte, dass er die Augen geschlossen hatte. Vermutlich versuchte er sich zu beruhigen und hielt meine Hand weiterhin fest. Er atmete tief ein und aus.
Dann öffnete er die Augen. Wir setzten uns auf eine Bank. „Danke für alles, meine Liebste. Danke für alles! Ich muss das zu schätzen wissen, dass du mir vertraust und glaubst“, sagte er schließlich. Ich nickte und legte meinen Kopf kurz auf seine Schulter ab. Er küsste meine Schläfe, als ich mich wieder gelöst hatte.
Das Gespräch zwischen Lycidas und meines Liebsten wollte ich vergessen und bat ihn sich nicht provozieren zu lassen, doch er blieb bei seiner Entscheidung. Er wollte Lycidas bei einem Boxkampf herausfordern. „Ich habe Angst und möchte nicht, dass du verletzt wirst“, erläuterte ich meinem Freund ängstlich. „Hab keine Angst. Ich werde Lycidas zeigen, dass er sich mit mir anlegen soll“, versuchte Ozul mich zu beruhigen. Ich schluckte und nickte ihm zu.
16 Uhr 10
Wir saßen noch immer im Park und ich schaute kurz auf meine Armbanduhr. Zwei ganze Stunden waren wir dort gewesen. Vielleicht hatte Ozul sich nun beruhigt. Vorsichtig hakte ich bei ihm nach, ob es ihm besser gehen würde. Er nickte matt. Wir standen auf und Ozul flüsterte nochmals „Danke.“ Wofür bedankte er sich nun? Ich wollte mich erkundigen, aber beließ es.
Wir schritten wieder zurück in die Stadt. Kurz darauf fiel meinem Freund ein, dass er fast vergessen hatte, noch einkaufen zu gehen und erkundigte sich bei mir, ob ich noch schnell mit ihm zum Bulwark Discounter gehen mochte. Ich nickte ihm zu, da ich selbst noch ein paar Getränke brauchte. Wir stiegen auf eine Rolltreppe, die in eine Unterführung führte. Dort war der Supermarkt zu finden. Ich war dort noch nicht gewesen. Die Ausmaße waren beeindruckend und ihre Sortiment war gigantisch. Ozul schob den Einkaufswagen. Zuerst holten wir die Getränke, dann wollten wir die anderen Lebensmittel suchen. Ich suchte nach meinem Lieblingsgetränk.
Fünfunddreißig Minuten später bezahlten wir an der Kasse und Ozul nahm die Einkaufstaschen. Ich wollte ihm helfen, aber er war der Meinung, dass ich nicht zu schwer heben sollte. Ich seufzte. „Du bist nicht meine Sklavin“, meinte er mit diesen knappen Worten lächelnd. Ozul ist stark und schafft das schon allein!, sagten meine Gedanken.
Wir schritten zurück in Richtung Bahnhof, da mein Halbbruder mich bald abholen würde. Es dauerte nicht lange, da parkte Valerian an der Seite vor dem Parkhaus. Ein kurzes Hupen ertönte. Ich wusste, dass dieser Ton von Valerians Wagen stammte. „Wir sehen uns morgen, meine Liebste. Ich werde um 13 Uhr 55 am Bahnhof sein. Ich freu’ mich schon“, sagte Ozul, während er mir die Beifahrertür öffnete. „Ich freu’ mich auch mit dir zu meinen Adoptiveltern zu fahren. Ich liebe dich.“ Mein Freund wollte gerade die Tür schließen, als er Valerian anbiet, ob er ihn nicht nach Hause fahren könnte. Ozul machte eine Handgeste, um zu verneinen. Er wollte meinem Halbbruder keine Umstände machen. Wir verabschiedeten uns. Lange würde es sicherlich nicht mehr dauern, bis Ozul und ich uns wiedersahen. Weniger als 24 Stunden später.
***
17 Uhr 20
Zwanzig Minuten später erreichten Valerian und ich Death Tale. Ich stieg vor dem Garagentor aus und wartete, bis mein Halbbruder den Wagen eingeparkt hatte. Zusammen gingen wir in die Villa zurück.
„Wo ist Cadell?“, hakte ich bei meinem Halbbruder nach.
„Er ist bei Opa Alevo.“ Stimmt, mein Onkel hatte das vor ein paar Stunden erläutert. Ich hatte es leider nur wieder vergessen.
„Ach ja, stimmt“, seufzte ich. „Ist doch nicht schlimm“, sagte Valerian und wollte wissen, wie das Treffen mit Ozul gelaufen war. Ich zuckte kurz zusammen. „Alles gut, Schwesterherz? Ich wollte dich nicht schon wieder erschrecken. Tut mir Leid“, versuchte er mir zu versichern. Vielleicht war mir das Treffen und der Gedanke an das Gespräch von Lycidas und Ozuls doch noch nicht so schnell entschwunden. „Es ist alles gut und es ist nichts“, sprach ich schnell. Halt! Valerian sieht doch, dass du dich erschrocken hast. Bleib bei der Wahrheit! „Amaris, ich sehe doch, dass etwas passiert ist. Deine Mimik verrät es mir. Spuck es aus!“ Wie Ozul und mein Adoptivvater, mochte Valerian es nicht, dass ich um den heißen Brei redete. Aufgeregt rang ich mich doch dazu durch, ihm von dem Streit zu erzählen. Valerian versuchte mich zu beruhigen und füllte mir ein Glas mit Wasser. Ich trank einen Schluck und beruhigte mich.
Kurz darauf wollte ich von ihm ebenso wissen, wie sein Treffen mit Lethia verlaufen war. Er strahlte über das ganze Gesicht. Es schien so, als hätte er einen schönen Tag mit ihr gehabt. „Es war wundervoll Amaris. Lethia und ich haben beschlossen, unserer Beziehung nochmals eine zweite Chance zu geben. Es fühlt sich so wunderbar an.“ Ich lächelte und freute mich zugleich über diese gute Nachricht von ihm. „Geht es dir nun etwas besser, Schwesterherz?“, wollte er von mir wissen. Ich nickte. „Gut, ich werde mal mich um das Abendbrot kümmern. Wenn du möchtest, kannst du mir gerne dabei helfen.“ „Einverstanden!“
Aus dem Kühlschrank holte Valerian das Gemüse heraus. „Wir werden eine Auberginen Lasagne kochen. Hoffe, du magst dieses Gericht.“ „Wieso soll ich es nicht mögen?“, fragte ich ihn lächelnd, während ich nach den Schneidebrettern und großen Messern suchte. Ich schnitt die Aubergine in feine Streifen und würzte sie etwas mit Meersalz. Mein Halbbruder kümmerte sich um die anderen Zutaten und die Zubereitung. Er benötige keine weitere Hilfe.
Später ließ er die Lasagne im Ofen fertig backen. Er stellte den Timer ein. Ich half ihm beim Abwasch, während dem Cadell heim kehrte und uns begrüßte. „Oh, das riecht ja wieder mal nach sehr vorzüglichem Essen!“, sagte mein Onkel mit freudiger Stimme. Er hing gerade seinen Mantel aufs Mantelbrett auf.
Als er die Küche betrat, fragte er nach uns beiden: „Ach, Amaris und Valerian? Einen herzlichen Gruß möchte ich euch von Alevo ausrichten.“ Wir bedankten uns herzlichst bei Cadell und Valerian erkundigte sich neugierig über seinen Opa, wie es ihm erginge und besonders gesundheitlich. Immerhin würde Alevo bald 73 Jahre alt werden, doch für sein äußerliches Erscheinungsbild würde man ihn zehn Jahre jünger schätzen. Er hielt sich fit für sein Alter. Offenbar sein Erfolgsgeheimnis. Allgemein in Cadells Familie sahen viele jünger aus, genauso wie Thorn, mein Adoptivvater, jedoch waren sie nicht von der selben Abstammung.
„Es geht ihm ausgezeichnet und er ist bei bester Gesundheit. Er wird in zwei Wochen auf Tour gehen. Es sind 8 Shows in Piyehue geplant und komplett ausverkauft. Leider ist sein bester Freund Corbin,der Lead Gitarrist seiner Band krank geworden und ich muss ihn ersetzen. Na ja ... Und du Amaris? Freust du dich, morgen zu deinen Adoptiveltern zu fahren?“ Ich nickte. Cadell verstand sofort und brauchte keine weitere Erklärung.
Der Timer ertönte und ich legte zwei Untersetzer auf den Esstisch. Danach deckte ich vollständig, für uns alle Drei weiter. Valerian holte die Lasagne aus dem Ofen und stellte sie auf die Untersetzer. Mein Onkel holte die Gläser aus dem Glasvitrinenschrank. „Was möchtet ihr zwei gerne trinken?“, erkundigte er sich bei uns. „Habt ihr vielleicht Mangosaft?“, fragte ich nach.
„Natürlich, ich gehe mal in den Keller eine Flasche holen“, meinte Valerian. Cadell teilte während dieser Zeit die Lasagne unter uns drei auf. Danach warteten wir darauf, dass wir wieder vollzählig waren. Ich aß schweigend mein Stück Lasagne. Die anderen Beiden unterhielten sich über Alevo. Allerdings nicht lange, da meinem Halbbruder die Neuigkeit über ihn und Lethia herausplatzte. Sein Ziehvater freute sich und schlug vor: „Ich möchte Lethia auf jeden Fall kennenlernen. Sie könnte gerne mal zum Abendessen kommen.“ Valerian freute sich sehr darüber. „Ich danke dir Vater.“
Als wir aufgegessen hatten, deckte ich den Tisch ab und legte das Geschirr in die Spülmaschine. „Danke Amaris!“, strahlte mein Onkel glücklich. Ich nickte und begab mich zur Wendeltreppe, um in mein Zimmer zu gehen. „Möchtest du uns nicht noch etwas Gesellschaft leisten?“, fragte er nach. „Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte gerne alleine sein“, versuchte ich ihm schonend zu erklären. Ich brauchte etwas Ruhe und wollte den ersten Band der Trilogie Bücher beginnen, die ich von meinem Patenonkel Balduin und seiner Lebensgefährtin zu Weihnachten bekommen hatte.
„Ich bin dir auf keinen Fall böse, Amaris. Nimm dir die Zeit, die du brauchst! Falls es später wird, dann wünsche ich dir jetzt schon mal eine gute Nacht und schlaf gut! Ich wünsche dir für morgen eine schöne Zeit bei Qadira und Thorn!“, baute er mich auf.
„Vielen Dank Onkel. Gute Nacht.“
Im Zimmer angekommen, packte ich meine Reisetasche und meinen Rucksack. Diese zwei Taschen stellte ich neben die Zimmertür. Bei meinem Handy musste ich noch den Akku vollladen. Der meines MP3 Players war ebenfalls leer.
Erst dann holte ich den ersten Band der Buchreihe aus dem Regal und legte es neben das Kopfkissen. Ich warf mich aufs Bett und begann zu lesen.
Dann machte ich mich später zurecht fürs Bett, schaltete die Nachttischlampe an und las.
Letztendlich schlief ich ein.
***
24.Juni 2007: 9 Uhr 30
Am nächsten Tag klingelte mein Wecker gegen halb zehn. Ich hatte etwas länger geschlafen, als die Wochen zuvor. Ich stand gähnend auf, streckte mich und begab mich zum Kleiderschrank um frische Klamotten zu holen. Doch bevor ich das machte, schaute ich aus dem Fenster, wie das Wetter draußen war. Die Sonne schien durch den leicht bewölkten Himmel. Scheinbar stand die Aussicht auf schönes Wetter gut. Ich öffnete das Fenster. Eine Brise wehte durch mein Haar. Einmal tief einatmen und dann wieder ausatmen … Fünf Mal wiederholte ich die Übung.
Dann suchte ich nach einem passenden Outfit für den heutigen Tag: ein schwarzes Kurzkleid mit den passenden drei Viertel Armstulpen, die mit Ketten und Schnallen ausgestattet war und einer Strumpfhose mit Schädel-, Fledermaus, Mottenmotiv. Dazu noch meine Kunstleder Stiefeletten, die mit Ketten, Schnallen und mit einer Mondsichel ausgestattet waren. Dabei eine Punk Rave Gothic Victorian Vintage Bolero Jacke. Ich entschied mich, später nach passenden Accessoires zu suchen. Nun eine Wechseldusche und entspannen!, dachte ich still und duschte.
10 Uhr
Nach einer halben Stunde schlug die Uhr zehn. Ich trocknete mich ab und zog mich an. Dann föhnte ich meine Haare und glättete sie später. Als ich die Badezimmertür hinter mir schloss, hörte ich Valerian reden: „Ja, ich weiß. Ich schaue mal, was ich tun kann.“ Vielleicht redete er mit Cadell oder er telefonierte mit jemanden , da ich keine Antwort hörte. Eigentlich ging mich das überhaupt nichts an. Ich schritt nochmal ins Zimmer, um meine Sachen vor das Treppengeländer zu stellen. Dann suchte ich nach den Accessoires, die zu meinem Outfit passen könnten. Meine Armbanduhr trug ich immer. Zudem ergänzte ich das Obsidian-Perlen-Armband, das Lederarmband von meiner leiblichen Mutter, sowie die Mondsichel-Kette. Mein Magen knurrte kurz darauf und ich begab mich nach unten in Richtung Küche. „Guten Morgen!“, murmelte ich leise vor mich hin. Valerian kümmerte sich um die gebackene Schwarzbrot-Brötchen und hatte das Telefon zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt. Ich nahm schon an, er hätte mich gar nicht gehört.
„Liebste, sei mir nicht böse, aber ich muss mich nun um meine Schwester kümmern. Ich liebe dich bis zum Mond und zurück“, sprach er ins Telefon und legte auf. „Oh guten Morgen, Amaris. Ich hab dich gar nicht kommen hören.“, sagte er verlegen, als er sich zu mir umdrehte. Ich nickte und machte eine Handgeste, um „Schon gut“ auszudrücken. „Entschuldige. Ich habe mit Lethia telefoniert“, entschuldigte er sich bei mir. Ach Valerian, es ist alles gut, mach dir keine Sorgen! Und klar, Lethia braucht dich! Ich setzte mich an den Esstisch und grübelte nach, was ich essen mochte. Valerian stellte noch ein Glas mit frisch gepressten Orangensaft auf den Tisch und schnitt dann noch die Brötchen in der Mitte durch. Die anderen Zutaten waren bereits fertig. Ich nahm zwei Hälften von den Brötchen und belegte das eine mit Pilzaufstrich und das andere mit Kaktusfeigen Marmelade. Dabei aß ich noch ein paar Stücke “Charentais“ Melone und trank ein Glas frisch gepressten Orangensaft. „Und schmeckt es dir?“, fragte mein Halbbruder bei mir nach. Mit vollem Mund nickte ich zufrieden und stellte fest, dass er für sich nichts aufgedeckt hatte. Verwirrt fragte ich ihn, ob er nicht mit frühstücken wollte. Er verneinte die Frage, da er schon gegessen hatte und stellte die nächste Frage mit gespannter Stimmlage: „Und bist du schon aufgeregt deine Adoptiveltern wieder zu sehen?“
„Ja allerdings. Ich habe sie ja leider seit letztes Jahr Ende August nicht mehr gesehen …“, sagte ich schnell, als ich aufstand und den Tisch abdecken wollte.
„Das kann ich gut verstehen, Schwesterherz. Wie wäre es, wenn ich dich jetzt schon zu deinem Freund fahren würde? Ich muss nämlich noch einkaufen fahren und Vater ist zu Alevo gefahren, um die Musikstücke zu proben, falls du dich fragst, wo er ist.“
Valerian verstand sofort, dass ich aufgeregt war.
„Das klingt super, aber ich muss zuerst Ozul anrufen.“
„Ach Amaris, wenn du möchtest, kann ich deine Reisetasche und Rucksack schon mal in den Kofferraum legen, wenn du diese fertig gepackt hast. Stehen die beide schon neben der Zimmertür?“, wollte er von mir wissen.
„Ja alles schon erledigt. Ich muss kurz hoch, noch ein paar Sachen holen und rufe Ozul an.“ Ozul wird sich freuen, dass wir uns paar Stunden vorher sehen werden. Das Problem allerdings ist, ich hatte seine Adresse der WG nicht. Die wird er mir aber sicher sagen. Ich rief meinen Liebsten an. Es klingelte, aber es dauerte lange, bis er endlich den Hörer abnahm. Vermutlich hatte er noch geschlafen.
„Hallo?“, fragte er verschlafen nach.
„Guten Morgen, Liebster“, begrüßte ich ihn glücklich.
„Amaris, bist du es?“
„Ja, wer soll es sonst sein?“, fragte ich verwundert und hörte ihn auf der anderen Seite des Hörers gähnen.
„Niemand“, sprach er leise mit rauer Stimme. Im Hintergrund hörte ich einen seiner WG Mitbewohner sprechen: das Wort Prinzesschen hatte er ausgesprochen, aber den ganzen Satz hatte ich akustisch nicht verstanden. Vermutlich war das Balvo. Einer seiner WG- und Bandkollegen, der nicht viel von mir hielt.
„Halt doch einfach mal die Klappe!“, regte sich Ozul auf.
„Meinst du mich jetzt?“, fragte ich ihn.
„Nein! Ich meinte den Don Juan Balvo. Entschuldige, was wolltest du sagen, meine Regina?“
„Ich wollte fragen, ob wir uns nicht jetzt gleich sehen könnten?“
„Ja natürlich Liebste, aber zuerst muss ich noch duschen und mich zurecht machen. Deine Adoptiveltern sollen doch keinen schlechten Eindruck von mir bekommen. Fährt dein Halbbruder dich zu mir?“
„Gut und ja. Ich bräuchte nur allerdings deine Adresse der WG und welches Stockwerk du wohnst.“, erklärte ich Ozul. Mein Freund gab mir seine Adressdaten durch und ich notierte sie schnell auf ein Post-it.
„Ich freue mich so sehr und ich liebe dich. Bis gleich!“
„Ich liebe dich auch. Bis gleich.“, sagte er gähnend und wir legten auf. Ich holte noch meine Handtasche, wo ich mein Ladekabel, mein Portemonnaie und MP3-Player einsteckte.
Zum Schluss warf ich mir noch meine Sommerjacke um.
Dann ging es endlich los. Hoffentlich geht alles gut! Amaris, das wird es schon. Mach dir keine großen Sorgen!
„Amaris, Schwesterherz, bist du bereit?“, hörte ich Valerian nach mir rufen.
„Ich komme!“ Schnell ging ich die Treppen herunter. „Ich bin Einsatz bereit“, sagte ich lächelnd zu ihm. Mein Bruder holte die Auto- und Hausschlüssel und wir setzten uns in Richtung Garage fort.
„Amaris, könntest du mir noch sagen, wo ich dich absetzen soll?“ Ich überreichte ihm die Notiz, wo die Adresse von Ozuls WG notiert war. Er musste diese noch ins Navigationssystem eingeben.
„Hast du schon meine Sachen in den Kofferraum hinein gelegt?“, hakte ich bei ihm nach.
11 Uhr
Er nickte und fuhr den Lotus aus der Garage. Ich setzte mich an die Beifahrertürseite und wieder fuhren wir gemeinsam los. Dieses Mal war unser Ziel Crypt Qibe, ein Vorort vor Neroluz. Auch hier lang würden wir nicht so lange brauchen. Etwas zehn Minuten dauerte die Fahrt, bis wir Ozuls WG erreichten. Das Gebäude war ein viktorianisches Apartment Haus das drei Stockwerke hatte, das mit rußschwarzer Farbe gestrichen war und abgedunkelte Fenster hatte. „Da wären wir!“, sagte Valerian und hielt an. Ich stieg aus und holte meine Sachen aus dem Kofferraum. Mein Bruder ließ die Fensterscheibe herunter und wünschte mir viel Glück. „Vergiss bitte nicht, mir eine Nachricht zu schreiben, dass du bei deinen Adoptiveltern angekommen bist.“ Ich dankte ihm und atmete tief durch. Es wird alles gut, Amaris. Nur keine Panik! Ich schaute auf die Klingelschilder und wurde schließlich fündig: Gelimer, Rianum und Ashtekar; 2. Stock. Nummer 25.
Dann klingelte ich und eine Stimme ertönte aus dem Lautsprecher: „Wer ist da?“ Es war nicht Ozuls Stimme, sondern einer seiner Kollegen. Vermutlich Balvo. „Amaris Ward. Ich möchte gerne zu Ozul Gelimer“, antwortete ich mit schüchterner Stimme. „Ja dann komm rein“, sagte er und ein Ton erläutete, um mir das Zeichen zu geben, dass ich die Tür öffnen konnte.
11 Uhr 30
Balvo stand vor der Tür der WG. Genervt verdrehte er die Augen und mit verschränkten Armen rief in den Raum: „Wo bleibst du denn, Ozul? Das Prinzesschen ist hier.“
„Amaris darf rein kommen. Ich komme gleich“, hörte ich Ozul sagen.
„Salve Balvo“, begrüßte ich ihn. Ein mulmiges Gefühl schlich sich in mir hoch. Alleine, weil ich wusste, dass er mich nicht mochte. Er machte ein Zeichen, um mir zu deuten, dass ich rein gehen soll. Ich ging vor und da stand schon Rajinmar vor mir. „Salve Amaris, welch’ eine Freude dich hier zu sehen. Wie geht es dir?“, fragte dieser mich höflich.
„Ja, alles gut und bei euch?“, log ich, da ich sicher sein wollte, dass Ozuls Freunde mich nicht durchschauten.
„Prima! Was glaubst du denn?“, sagte Balvo sarkastisch. Ozul kam aus der rechten Ecke und lächelte.
Da stand er nun in einer Hose im Punk Stil mit vielen Gürtelschlaufen und hatte seinen Nietengürtel schräg von der einen Hüfte zum anderen Knie laufend angebracht. Zum ersten Mal sah ich seinen nackten, muskulösen Oberkörper. Auf den linken Rippen hatte er ein kleines Tribal-Schlangen-Tattoo. Auf anderen Körperstellen waren Narben. Erschreckend fand ich es, die auf seinem gesamten Oberkörper verteilten Narben zu sehen. Alle waren gerade Linien. Deshalb vermutete ich, dass sie von Operationen stammten. Berühren könnte ich ihn nicht oder noch nicht. Ich beobachtete ihn mit stockendem Atem. „Salve Liebste“, grüßte mein Freund mich. Er näherte sich mir und küsste mich. Tief in meine Augen schaute er, als ich seine Narben berührte.
„Es ist alles in Ordnung“, flüsterte er mir, sodass Balvo und Rajimar ihn nicht verstanden, doch Balvo räusperte: „Ich möchte nicht das sehen, was du vielleicht denkst, Kumpel“, sagte er genervt.
„Balvo, halt doch mal die Klappe. Du sollst akzeptieren, dass Ozul mit Amaris glücklich ist!“, regte sich Rajinmar über ihn auf.
„Ja, das bin ich“, stimmte Ozul zu. Ich sagte nichts, da ich mich nicht einmischen wollte. Er legte seinen Arm um mich und versuchte mich vor seinen Freunden zu schützen.
„Trotzdem müssen wir uns auf das nächste Schuljahr vorbereiten. Wir brauchen düstere und keine schnulzigen Lieder für die “Heilige“ Amaris“, seufzte Balvo genervt.
„Jungs, es ist schon gut, aber macht Ozul nicht dafür verantwortlich!“, versuchte ich die Lage zu entschärfen.
„Was weißt du schon, Mädchen?! Wäre er doch nur mit Nightshade zusammen, dann“, wollte er sagen, doch Rajinmar unterbrach ihn. „Lass gut sein, Balvo! Das ist Ozuls Entscheidung gewesen und Amaris und er geben ein viel schöneres Paar ab. Nightshade war eine sehr verwöhnte Ziege und hat ihn …“, deutete er mit dem Kopf in die Richtung seines Freundes, „so die Narben. Tut mir Leid Amaris.“
„Oh, magst du Amaris etwa?“, fragte sein Kumpel sarkastisch. Ozul äußerte sich nicht dazu und konzentrierte sich auf mich. Es machte mich wütend und traurig, dass einer seiner Kumpel mich schlecht machte.
„Ja, ich mag sie, aber nur freundschaftlich“, gab Rajinmar zu. Mein Freund atmete auf einmal sehr schnell.
Obwohl ich selbst mit diesem Gespräch überfordert war, schrie ich wütend, dass beide dieses Thema nun beenden sollten. Mein Liebster mochte es nämlich nicht, dass sein Kumpel Rajinmar so über mich sprach. Es machte ihn eifersüchtig. Schnell hielt ich Ozuls Hand und er drückte meine. Mir tat er dabei nicht weh. „Unterlasst es das nächstes Mal! Amaris ist die Freundin, nach der ich mich gesehnt habe. Und mein Glück werdet ihr nicht kaputt machen! Verstanden?“, gab Ozul seinen Freunden erzürnt zu verstehen. Seine Freunde antworteten nichts mehr darauf. „Das haben wir nun geklärt. Geht mal in die Küche und füllt ein Glas mit Wasser für meine Schöne. Ich muss noch ein T-Shirt anziehen. Kommst du mit in mein Zimmer, Liebste?“, fragte Ozul mich, „Deine Sachen kannst du hier neben den Bücherschrank im Wohnzimmer legen.“ Gesagt, getan. Wir gingen in sein Zimmer und er schloss die Tür hinter sich.
Dann suchte er ein passendes T-Shirt. Ich setzte mich auf sein Bett und beobachtete ihn. „Mist! Wo habe ich denn mein Tank Top mit der Kettenverzierung hingelegt?“, redete er mit sich selbst. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, dass du mir diese Fragen nicht beantworten kannst, meine Schöne“, sagte er mir lächelnd. Ich nickte still und schaute mich um. Zwei Fotorahmen hatte er auf seinem Schreibtisch. Eins von mir und eins, wo er mit seinen Kollegen auf einer Konzerttournee war. Zwei Figuren hatte er auf einem Bücherregal stehen. Eine Drachenfigur und ein Todesengel. Im Regal waren ein paar Bücher im fantastischen Horror Genre, ein anderes war im Science-Fiction Romantik Stil. Beim Betrachten fiel mir das Buch Black Diamond auf. Es überraschte mich, dass er dieses Buch ebenfalls mochte. „Endlich“, murmelte Ozul vor sich hin und schloss den Kleiderschrank. Er zog das T-Shirt über seinen Oberkörper und setzte sich dann neben mich. Wieder suchte er den Blickkontakt zu mir.
„Es ist so schön, dass du da bist“, flüsterte er mir mit rauer Stimme zu. Ich lächelte: „Ja, endlich bist du wieder bei mir.“ Er legte seine Hand auf meine linke Wange und streichelte sie. Wir schauten uns lange in die Augen und schwiegen. Meine Hand legte ich in seine andere. Eine ruhige Atmosphäre umhüllte uns, bis jemand an Ozuls Zimmertür klopfte.
12 Uhr 20
„Was ist denn jetzt? Kann ich nicht mal meine Ruhe haben?“, fragte Ozul gereizt nach und stand auf, um die Tür zu öffnen, „Ach, du bist es Rajinmar. Tut mir Leid.“
„Schon gut, Kumpel. Ich wollte das Glas Wasser für Amaris bringen und dich nicht weiter nerven. Falls du nach Balvo fragst, der ist Gott sei Dank zu seinem Onkel gefahren. Ich habe noch etwas vom Essen gestern übrig: Blumenkohl Curry. Wenn ihr zwei Hunger haben solltet, könnt ihr es ruhig essen. Ich muss nämlich auch bald weg und das zum Flughafen“, erklärte sein Kumpel freundlich. Neugierig fragte ich Rajinmar, ob er verreisen wollte, aber er verneinte: „Es ist nicht wirklich eine Reise. Ich fliege nur für zwei Wochen zu meiner Familie. In drei Tagen heiratet meine Schwester.“ Ich richtete ihm meine Glückwünsche aus. Er freute sich sehr darüber und verschwand dann schnell.
„Danke Rajin!“, sagte Ozul und fragte mich, ob ich Hunger hätte.
„Keine Ursache!“ Ich schüttelte den Kopf, da ich genug gefrühstückt hatte und wollte von Ozul wissen, ob er schon seine Tasche gepackt hatte, um mit mir die Reise zu meinen Adoptiveltern antreten zu können. Er bejahte die Frage und zeigte mit dem Finger, wo diese lag. Diese lag neben dem Schreibtisch. Ich trank einen großen Schluck Wasser und schluckte laut auf.
„Ich bin dann nun weg!“, verabschiedete sich sein netter Kamerad von uns und schloss die Tür hinter sich. „Endlich sind wir allein“, grummelte Ozul. Er legte seine Reisetasche um die Schulter. Ich stand auf und wir gingen in Richtung Küche. Ozul holte sich einen Teller und das passende Besteck. Danach nahm er die Tupperware aus dem Kühlschrank. Als er es öffnete, um es für das Aufwärmen in der Mikrowelle auf den Teller zu schütten, stieg mir der Curry Geruch in die Nase. Ich setzte mich an den dunkel gestrichenen Mahagonitisch mit Löwenkopfbeinen. Nachdem die Mikrowelle abgeschalten hatte, setzte sich mein Liebster mir gegenüber. Meinen Kopf ließ ich in meine Hände sinken. „Ich freue mich schon, meine Adoptiveltern wieder zu sehen.“, murmelte ich leise.
Ozul blickte zu mir und fragte mich mit kauendem Mund: „Hast du etwas gesagt, Darling?“ Ich wiederholte meine Aussage. Er stimmte mir zu und schaute auf die Wanduhr: 12 Uhr 50.
„In einer halben Stunde müssen wir den Bus nach Neroluz nehmen. Dann sind wir in etwa 20 Minuten am Bahnhof“, setzte mich Ozul in Kenntnis. Ich nickte. Er stand auf und räumte den Teller und das Besteck in die Spülmaschine.
13 Uhr 10
Zwanzig Minuten später nahmen wir unser Gepäck und machten uns auf dem Weg zur Bushaltestelle. Diese war ungefähr fünf Minuten von Ozuls WG entfernt. Ich wusste nicht, wie viel die Fahrkarte nach Neroluz kostete, also beschloss ich bei meinen Liebsten nachzufragen. „5 Crescent Silver“, antwortete er. Im 20 Minuten Takt fuhr der Bus mit der Nummer 13 von Primmuld Grove nach Neroluz. Auch stellte ich fest, dass dieser Bus eine Haltestelle in Denicum hatte, die einzige Haltestelle vom Ort, wo unsere Schule sich befand. Neroluz Bahnhof war die Endstation dieses Busses. Perfekt! So kann man diese Station nicht verpassen.
Es dauerte nicht lange, bis der Bus an der Haltestelle ankam. Wir stiegen ein und bezahlten unser Busticket. Auf dem Display sah ich, dass wir ungefähr eine halbe Stunde brauchten. Ozul und ich nahmen Platz in einer Vierer Reihe. Ein älteres Pärchen saß uns gegenüber. Es beobachtete uns mit etwas ängstlichen Blicken. Vermutlich, weil wir so dunkel angezogen waren, aber Ozul beachtete sie nicht und schaute aus dem Fenster. Er legte seinen linken Arm über meine Schulter. Ich strich sanft über seine Hand. Es stiegen noch weitere Passagiere an anderen Haltestellen ein und aus den Lautsprecher erklang immer die Ankündigung der nächsten Haltestellen.
13 Uhr 40
Wir erreichten die Endstation, holten unser Gepäck und schritten in den Eingang des Bahnhofs in Neroluz. Ich schaute auf die Anzeigetafel, wo die verschiedenen Zugverbindungen markiert waren. Etwas unübersichtlich war es schon. „Suchst du nach der Verbindung des Zuges nach Wicked Rose, Darling?“, wollte Ozul von mir wissen. Ich nickte. Er versuchte mir zu helfen und wurde fündig: „Der Windyblow Express fährt nach Wicked Rose. Abfahrt um 14 Uhr 30 auf Gleis 9“, sagte Ozul.
„Möchtest du noch etwas zu trinken haben? Ich wollte gerade noch schnell in den Kiosk hier drüben etwas kaufen“, fragte ich ihn nach.
„Wenn es dir keine Umstände macht, könntest du mir gerne ein Blue Wolf Energy mitbringen. Ich gehe noch kurz nach draußen eine Zigarette rauchen.“ Ich nickte und küsste ihn. „Bis gleich. Ich warte dann auf dich bei der Anzeigetafel.“
Dann begab ich mich zum Kiosk und holte noch ein paar Getränke und Snacks für die Fahrt. Schließlich gingen wir zusammen langsam in Richtung des Gleises. Der Zug war schon eingetroffen. Ich schaute nochmal kurz auf den Fahrplan: Es war nun 14 Uhr. Wir stiegen in den Zug ein und schauten, wo wir unsere Taschen abstellen konnten. Vor der Tür waren links und rechts ein paar Abstellpalette.
14 Uhr 30
Danach setzten wir uns an unseren reservierten Sitzplatz. Ich gab Ozul sein Zugticket. Die halbe Stunde verging schnell und wir fuhren nun ab. Vier Stunden und 35 Minuten würde nun die Fahrt dauern. Ich schaute zum Fenster hinaus, während mein Liebster sich während der Fahrt ausruhte. Ich schrieb noch schnell eine Nachricht an meine Adoptivmutter, dass wir nun im Zug saßen und auf dem Weg zu ihnen waren. Sie schickte die Emojis Daumen hoch und ein Smiley mit lächelndem Gesicht zurück. Dazu schrieb sie mir noch, dass sie und Thorn sich freuten.
Draußen schimmerte die Sonne auf dem Donnader Strom und die Farben der Fassade der Häuser strahlten in ihren Farben sehr hell. Die verkarsteten kleine Landschaften prägten die Zwischenhalte und Orte in ein einzigartiges malerisches Konzept. Mein Heimatort Wicked Rose war mehr eine kleine Stadt. Er befand sich am linken Ufer des Nebenflusses Alces. Auf dem höchsten Hügel Ptuockat von Wicked Rose befand sich die Burgruine Jersellaim. Diese wurde im 13. Jahrhundert erbaut. Nicht weit von der Burg entfernt befand sich das Haus von Qadira und Thorn, wo ich aufwuchs. Der Ort war mir lange vertraut und ich spürte, dass dieses Gefühl von Vertrautheit dieses Ortes noch immer in meinem Herzen schlug. Es tat so gut, dass ich nun für eine Zeit dorthin zurückkehren konnte.
Die Fahrt verging soweit entspannt. „Einmal die Fahrscheine bitte!“, hörte ich jemanden sagen. Überrumpelt beugte ich mich zu meinem Freund und klopfte ihn sanft aus seinem Dösen. Wir zeigten dem Schaffner die Tickets. Er runzelte die Stirn, bedankte sich bei uns und gab uns unsere Fahrkarten zurück. Als er weg war sah ich auf meine Armbanduhr: 16 Uhr 50. Noch zwei Stunden und 15 Minuten, dachte ich still. Ja, es war eine lange Fahrt, aber genauso lang hatte auch die Fahrt gedauert, als ich das erste Mal nach Death Tale gefahren war, wo Adrienne und Valerian mich abgeholt hatten. Eigentlich wollte ich keine Gedanken an diese Schlange verschwenden, aber es erinnerte mich an diesen Tag, wo sie mich von meinen Adoptiveltern weggerissen hatte.
19 Uhr
„Nächster Halt, Wicked Rose City. Endstation. Ausstieg in Fahrtrichtung links!“, ertönte es aus den Lautsprechern. Ozul wurde gerade wach und fragte, ob wir unser Ziel erreicht hatten. Ich nickte und wir nahmen unsere Sachen. Knapp fünf Minuten später hielt der Zug an. Wir stiegen aus. „Kommen deine Adoptiveltern uns abholen oder müssen wir mit den öffentlichen Verkehrsmittel fahren?“, fragte Ozul mich. Lange war ich nicht mehr hier gewesen und musste mich wieder etwas eingewöhnen. Mehr als sechs Monate war ich nicht mehr hier gewesen. „Lass uns mal zum Busschalter gehen und nachfragen! Lange bin ich nicht mehr hier gewesen und muss mich wieder zurechtfinden.“
Er folgte mir und ich fragte den Herr am Empfang, welcher Bus zur Haltestelle Mirascy fuhr. Diese Haltestelle war knapp sieben Minuten Fußweg von meinem Geburtshaus entfernt. Der Herr vom Empfang sagte uns: „Auf der Bushaltestelle 5. Der Bus mit der Nummer 51 fährt genau in die Richtung, wo Sie hinwollen. Um 19 Uhr 25 wird dieser abfahren.“ Wir bedankten uns und schritten zur Bushaltestelle. Ich schaute nochmal kurz auf den Fahrplan. Etwa 12 Minuten würden wir bis zu unserem Ziel brauchen. Fünf Haltestellen standen uns bevor. Ozul rauchte noch schnell eine Zigarette und ich rief Qadira an.
„Wir werden so um viertel vor acht bei euch sein“, kündigte ich ihr mit freudiger Stimme an.
„Oh, wir freuen uns so sehr. Bis gleich“, verabschiedete sie sich. Der Bus mit der Nummer 51 hielt an und wir kauften die Tickets beim Fahrer. Danach setzten wir uns hin.
Als Bus den Berg hoch fuhr, dauerte es nicht lange, bis ich mein Zuhause entdeckte. Ich drückte die den Stopptaste und der Bus hielt an der Haltestelle Mirascy aus.
19 Uhr 37
Wir stiegen aus dem Bus aus. Aufgeregt und glücklich schritt ich schnell zum Haus. „Nicht so schnell, Liebste!“, versuchte Ozul mich zu bremsen. „Ich kann nicht!“, erwiderte ich ihm leicht genervt. Es fiel mir schwer, meine Aufregung zu bremsen, da ich immerhin meine Adoptiveltern lange nicht mehr gesehen hatte. Noch 850 Meter. Dann haben wir es geschafft.
19 Uhr 45
Ich klingelte an der Haustür. Es dauerte nicht lange, bis Qadira uns die Tür öffnete. Mit Freudentränen empfing sie uns.
„Oh Amaris, oh, bin ich froh dich endlich nach so langer Zeit zu sehen.“ Wir umarmten uns. „Ich bin auch so froh, dich zu sehen, Mama.“
„Und hallo Ozul, ich freue mich ebenfalls. Kommt herein!“, begrüßte Qadira meinen Freund sehr herzlichst. Wir schritten die Treppen hoch und hinein. Meine Adoptivmutter nahm unsere Sachen entgegen.
„Vorsicht, die Taschen sind schwer, Mama!“, wies ich sie hin.
„Ach, das macht doch nichts. Ich lege sie mal hierhin. Ihr könnt schon mal gerne ins Wohnzimmer gehen. Papa kommt auch gleich. Er kocht gerade eines deiner Leibgerichte. Wir haben noch übrigens eine Überraschung für dich“, verkündete sie mit freudiger Stimme. Wir zogen unsere Schuhe aus, gingen dann ins Wohnzimmer und setzten uns auf das große Sofa.
„Es ist wieder schön zuhause zu sein“, sagte ich ihr. „Und danke, dass Ozul hier sein darf!“ „Kein Problem, das ist doch selbstverständlich. Wie geht es euch denn?“, wollte sie wissen.
„Ach, es ist sehr schwierig, dies zu beurteilen, Mutter.“
Ozul beantwortete ihre Frage: „Mir geht es gut, dank Amaris.“
Bei meiner Frage wirkte Qadira besorgt: „Das freut mich sehr Ozul, aber … aber Schätzchen, was ist denn los?“
Ich erzählte ihr vom Besuch meines leiblichen Erzeugers, dann, dass Valerian mein Halbbruder war und nicht mein Cousin und dass Cadell sich von Adrienne scheiden würde. Ich berichtete ihr aber auch von den guten Nachrichten. Von meinen besten Freundinnen und Zwillingsschwestern Hesperia und Eranthe, vom 1. Preis meines Kunstwerkes und das Stipendium, was ich erlangt hatte, sowie wie ich mit Ozul zusammen gekommen bin und dass er mich unterstützte.
Auf der einen Seite wirkte sie traurig und auf der anderen freute sie sich sehr.
„Wolltest du mir nicht die Überraschung zeigen?“, fragte ich sie.
„Ach ja, stimmt! Moment, ich gehe mal zu deinem Vater“, erinnerte sie sich.
Qadira ging zu meinem Vater und plötzlich hörte ich einen Katze miauen. Es war tatsächlich eine Katze, und diese schlich sich ins Wohnzimmer hinein. Eine schwarze ägyptische Mau Katze sprang auf meinen Schoß. „Tadaa! Das ist die Überraschung!“, präsentierte Qadira stolz.
„Wo ist Coco?“, rief Thorn aus der Küche.
„Im Wohnzimmer.“
„Die Katze ist die Überraschung?“, wollte ich wissen. „und ihr Name ist Coco?“ Qadria nickte. Damit habe ich nicht gerechnet, dass ich einmal ein Haustier zur Überraschung bekomme und der Name Coco passt zu ihr. „Sie ist voll süß. Danke!“, bedankte ich mich und sprach zu ihr: „Hey Coco!“ Sie miaute und ich streichelte sie. Qadira sprach noch mit Ozul, während ich mich mit unserem neuen Familienmitglied beschäftigte. Thorn kam anschließend ins Wohnzimmer und rief uns zum Abendessen. Die ägyptische Mau Katze folgte vor und in die Küche. Ozul und ich gaben uns einen innigen Kuss und wir deckten den Tisch. Es gab frittierter Blumenkohl in Terjaki Sauce und dazu Reis mit Mangostücken.
20 Uhr 15
Beim Abendessen plauderten wir über unser Schuljahr. Auch andere Themen kamen zu Tisch: Freundschaften, Lehrer und viele anderen Sachen. Qadira und Thorn waren sehr stolz über meine schulische Leistung. Während ich mit meiner Adoptivmutter gesprochen hatte, zeigte sich mein Adoptivvater interessiert an Ozuls musikalischen Künsten. Coco fraß in ihrer Ecke aus dem Napf und miaute ab und an glücklich.
Dann wendete mein Adoptivvater ein anderes Thema ein und fragte Ozul und mich, ob wir etwas am folgenden Tag vorhatten. Wir antworteten ihm, dass wir es noch nicht wüssten. Er überreichte uns eine Plastikfolie, worin vier ausgedruckten Tickets lagen. Es waren Tickets für das Kunstmuseum Sawblade Nebula von Okurnoc. Das Museum, wo mein Kunstwerk ausgestellt wurde. „Ich dachte, du würdest dich freuen. Qadira und ich dachten, wir könnten zu viert einen Tagesausflug dorthin machen und die Kunst deiner leiblichen Mutter bestaunen“, schlug er vor. Voll krass, grummelte ich still und versank in Gedanken zu meiner leiblichen Mutter. „Wir danken euch sehr. Ich denke, da wird Amaris sich auch freuen“, sagte mein Freund in meinem und seinem Namen.
„Toll! Das freut uns und gern geschehen. Morgen geht es früh los. Also um halb acht morgen fahren wir los.“ Wir beendeten das Abendessen und Thorn und Ozul trugen unsere Taschen hoch in mein Zimmer.
„Du wirst sehen, dass sich nichts verändert hat. Ich habe es genauso gelassen, sowie es war. Ich habe nur noch zwei neue Bettwäschen gekauft, die zweiteilige Bettbezüge haben. So habt ihr beide Decken und Kissen.“, äußerte sich meine Ziehmutter. Es war schön zu sehen, dass meine Adoptiveltern unsere Bedürfnisse erkannten und akzeptierten. Die Bettwäsche war mit einem Ouijabrett Motiv versehen und den Schritt für Schritt zunehmenden Mond. Ozul setzte sich aufs Bett. „Wir werden euch jetzt alleine lassen.“, sagte Qadira und schloss die Tür hinter sich. Ich holte aus meinem Kleiderschrank einen passenden Schlafanzug und ging schließlich ins Bad Zähne putzen.
Dann legte ich mich hin und Ozul legte sich dann mit freiem Oberkörper auch hin. Ich kuschelte mich an ihn heran und er legte seinen einen Arm um meine Taille. Er streifte sanft mit seiner Hand über meinen Arm. Meinen Kopf legte ich an seine Brust. Meine Hand auf seinen flachen Bauch. „Und fühlt es sich gut an?“, fragte er. „Ja“, antwortete ich ihm leise.
„Das ist schön! Ich freue mich mit dir dieses Museum zu besichtigen. Bestimmt denkst du gerade an deine leibliche Mutter, oder?“
„Ja das tue ich und gleichzeitig genieße ich die Zeit mit dir, mein Liebster.“
„Ich genieße es auch. Du bist das erste Mädchen, wo alles besonnen auf sich nimmt und das finde ich gut. Ich weiß nicht, was Nightshade sich damals gedacht hat.“
Ich schaute ihn verwundert an und fragte mich Wie kommt er ausgerechnet jetzt auf Nightshade? „Was meinst du genau?“, wollte ich von ihm wissen.
„Nightshade wollte sofort mit mir schlafen. Und ich sah mich dazu gezwungen, ihren Willen damit zu befriedigen. Ich glaube, sie hat mich nicht geliebt und ich weiß, dass es feige war, mich in eine Beziehung mit ihr zu stürzen. Ich merke jetzt, dass das mit dir eine ganz andere Art von Beziehung ist. Nightshade wollte nur Sex. Unsere Beziehung ist dagegen, eine, die ich mir sehnlichst gewünscht habe und jetzt, dank dir, bin ich sehr glücklich. Du bist das Beste, was mir je passiert ist, Amaris! Ich liebe dich und ich will mit dir bis ans Ende der Welt gehen. Das verspreche ich dir!“
„Vergiss Nightshade! Ich liebe dich auch und das wünsche ich mir auch.“
Ozul küsste mich sanft und streichelte kurz meine Wange.
Kurz darauf miaute Coco vor der Tür. Ich stand auf und ließ die Katze herein. Sofort sprang sie auf das Bett und roch an meinem Freund. Amüsiert begann er sie zu kraulen. Zufrieden schnurrte sie, als hätte sie die ganze Zeit nichts anderes gewollt. „Süß ist sie“, sagte er. Mit einem kurzen Miauen schien sie ihm zuzustimmen. Unwillkürlich musste ich lächeln „Du bist so eine Süße, Coco. Und dein Name passt!“, redete ich zu ihr. Mein Handy vibrierte kurze Zeit später. Valerian rief an. „Schatz, Valerian ruft gerade an. Ist das ok?“, wollte ich von Ozul wissen.
„Mach‘ das ruhig!“
„Hallo?“, fragte ich nach.
„Hallo Schwesterherz, na alles gut bei dir? Ich hoffe, ich störe nicht und bist du gut angekommen in Wicked Rose? Ich dachte, du wolltest mir eine Nachricht schicken“, sagte Valerian bekümmert.
„Sorry Brudi, ich habe es vergessen. Mir geht es sehr gut und bei Cadell und dir auch alles in Ordnung?“
„Nicht schlimm, alles gut. Ach, wie soll ich sagen? Meine Mutter hat heute vor der Tür randaliert mit unserem Erzeuger und Rox Anwalt. Cadell ist fertig mit den Nerven. Die Polizei hat schon versucht, die beiden weg vom Grundstück zu bringen. Es ist echt schwer, das Ganze auszuhalten“, erzählte mein Halbbruder traurig und wütend zugleich.
Oh nein, tut mir Leid. Ich habe vergessen eine Nachricht zu schicken. Mist! „Es tut mir außerdem sehr leid, was bei euch los ist. Hat Cadell schon seinen Anwalt erreicht?“, fragte ich ihn verzweifelt. Wie konnte Adrienne nur so viel Stress machen? Sie soll doch glücklich sein mit dem Arschloch Rox!
„Cadell muss noch sehen. Mr. Owens möchte einen Termin vor Gericht vereinbaren, bevor es noch mehr eskaliert“, erklärte Valerian. „Ich kann leider gerade nicht viel dagegen tun. Ich drück dir und Cadell die Daumen, dass er zu unserem Recht kommt. Ich bin in Gedanken bei euch. Leider müssen Ozul und ich jetzt schlafen gehen, da wir morgen früh los müssen.“
„Wohin geht’s denn?“, fragte mein Bruder überrascht.
„Wir fahren zum Kunstmuseum nach Sawblade Nebula. Mein Kunstwerk wird dort ausgestellt.“
„Das hört sich super an! Ok gut, ich wünsche dir dann mal eine gute Nacht und richte bitte einen Gruß von mir an Ozul aus! Ich richte Cadell ebenfalls einen von dir aus! Ich wünsche euch viel Spaß morgen und falls was ist, schreib ich dir eine Nachricht. Bis dann Amaris! Eine gute Nacht euch und ciao!“
„Ciao!“
Ich richtete Ozul den Gruß von Valerian aus. Er sah mich etwas kritisch an. „Gibt es Schwierigkeiten?“, wollte er wissen.
„Rosenkrieg zwischen meiner Tante und meinem Onkel. Und dieser zehrt an Valerians Nerven. Ich weiß nicht, wie ich ihm helfen soll.“
„Da kannst du auch nicht viel tun. Nun Schatz, ich glaube, wir müssen langsam schlafen, da morgen ein großer Tag, besonders für dich ansteht.“
„Du hast Recht.“
„Gute Nacht, Darling.“
Gute Nacht, meine Königin. Träume süß!“
25. Juni 2007 6 Uhr morgens
Der Wecker klingelte mich früh wach. Mein Freund war allerdings schon wach. Er stand mit nacktem Oberkörper und Boxershorts beim geöffneten Fenster, um eine Zigarette zu rauchen. Vermutlich wollte er nicht nach unten gehen, da er meine Adoptiveltern nicht wecken wollte. Oder waren sie auch schon wach? Die Sonnenstrahlen reflektierten auf seinem Oberkörper. Er pustete den Qualm in die Luft und grüßte mich dann förmlich: „Salve, meine Schöne.“
Währenddessen versuchte ich wach zu werden und entdeckte dann Coco. Sie hatte die ganze Nacht bei uns auf der Bettdecke geschlafen. Es schien so, dass sie sich in unserer Nähe wohlfühlte. Ich streckte mich und Ozul näherte sich mir. Es war schön mit ihm aufzuwachen.
„Na, hast du gut geschlafen?“
„Ja, da habe ich sehr und du?“
„Ebenfalls“ Ozul lächelte.
6 Uhr 30
Ich begab mich in Richtung Bad. Gemütlich begann ich meine Morgenroutine. Nun konnten die Sommerferien beginnen. Ich war angekommen, wo ich mich wohl fühlte, obwohl ich meinem Onkel und Valerian versprechen musste, bevor die Ferien endeten, wieder zurück kommen würde. Jedoch wollte ich nicht mal daran denken. Allerdings ging mir nicht aus dem Kopf, warum Adrienne ihnen noch mehr Probleme nun bereitete wollte. Was wollte sie denn noch? Ich hoffte, dass der Anwalt die richtigen Schritte einleitete. Ich hatte Angst, dass sie beiden weh tun würde. Auf der anderen Seite war ich aufgeregt, da ich das Museum besuchen würde, das Hesperia und ihre Schwester vorher schon besichtigt hatten. Außerdem war es die Arbeitsstelle von meiner leiblichen Mutter. Ich fragte mich, ob ich ihr begegnen würde und packte noch schnell ein Skizzenbuch und Stifte in einen Rucksack.
Nachdem ich und Ozul uns zurecht gemacht hatten, gingen wir frühstücken. Qadira und Thorn hatten ein großes Frühstück zubereitet: Energiebällchen, Mohn-und Dinkelbrötchen, weiche Waffeln mit heißen Kirschen, Porridge Brei, selbst zubereitete Matcha-Latte, Cashew Milch und Grüntee, dann verschiedene Aufstriche und Obstsorten. Es war echt viel.
„Guten Morgen ihr beide“, begrüßte Thorn uns. Qadira kam etwas später. Sie machte schon einen Teil des Abwasches.
„Guten Morgen.“
Wir setzten uns an den Esstisch. Ozul wählte gerne ein paar Energiebällchen, um so in den Tag zu starten und zwei Brötchen mit Aufstrich. Ich aß an diesem Tag zwei weiche Waffeln und einen Porridge Brei mit ein paar Obststücke. Wir frühstückten in aller Ruhe.
Als wir fertig waren, räumten wir alle gemeinsam die Sachen weg. „Und bist du aufgeregt?“, wollte Qadria von mir wissen. „Und wo ist Coco?“
„Coco schläft noch. Sie hat die ganze Nacht bei uns gelegen. Und ja, etwas bin ich aufgeregt“, antwortete ich ihr.
„Ach Amaris, es ist noch Post für dich gekommen. Warte, ich hol dir den Brief.“ Überrascht schaute ich zu ihr und runzelte die Stirn. Wer hat mir denn geschrieben? Könnte es sein, dass es Trista gewesen ist?
Meine Adoptivmutter übergab mir den Umschlag. Dieser war an mich adressiert, nur war kein Absender zu finden. Ich öffnete den Umschlag und begann zu lesen:
21. Juni 2007
Liebste Tochter, meine Amaris Eugenia,
ich hoffe dir geht es gut und du hast deinen 17. Geburtstag prächtig gefeiert. Vor ein paar Tagen hatte ich mit Qadira telefoniert und sie sagte mir, dass du in den Sommerferien bei ihr und Thorn sein wirst. Ich habe ihr vorgeschlagen, dass ihr mal das Kunstmuseum in Sawblade Nebula besuchen solltet. Dort habe ich sieben Jahre gearbeitet und ein paar Kunstwerke von mir sind dort ausgestellt. Ich habe zudem erfahren, dass auch ein Kunstwerk von dir in meiner Galerie hängt. Ich bin sehr stolz auf dich. Es steht dir Großes bevor. Das wirst du in Zukunft sehen.
Ich habe allerdings auch schlechte Nachrichten erfahren: Adrienne wohnt nun bei deinem leiblichen Vater. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis die mich wieder finden werden, sowie einst in der Vergangenheit, aber es gibt eine kleine gute Nachricht: Balduin ist jeden Tag bei mir und er kümmert sich gut um mich.
Ich denke oft an dich, Amaris und das habe ich jeden einzelnen Tag, seit 17 Jahren getan. Vergiss nicht, dass ich dich lieb habe und ich nur wollte, dass du in Sicherheit gebracht wirst. Ich werde Qadria und Thorn ausrichten, dass Balduin dich folgenden Samstag, den 30. Juni abholen kommen wird und du mich kurz besuchen kommst. Ich habe noch eine Kleinigkeit für dich zum Geburtstag und möchte mehr über dich erfahren.
Bis bald, meine Amaris und pass gut auf dich auf!
Deine leibliche Mutter Trista
Gemischte Gefühle stiegen in mir hoch. Ich habe es geahnt. Ich schüttelte den Kopf und legte den Brief auf den Tisch. „Ist alles in Ordnung, Schätzchen?“, hakte meine Adoptivmutter vorsichtig bei mir nach. Ozul schaute mich besorgt an. Er wiederholte ihre Frage an mich und legte seine linke Hand auf meine Schulter.
„Amaris, mein Darling ist alles gut?“ Ich schaute zum Tisch und reagierte nicht, aber gestikulierte nervös. Ich war überfordert. Der Brief hatte wieder vieles in mir aufgewühlt. Trista … Schmerz… Ganz ruhig Amaris, du schaffst das! Tief einatmen und dann wieder aus.
„Hast du vergessen, mir etwas zu sagen?“, fragte ich Qadira, nachdem ich mich soweit beruhigt hatte. Wütend war ich nicht, aber der Gedanke an Trista riss wieder eine Wunde in mir auf, obwohl ich eigentlich bereit war, auch sie mal persönlich kennenzulernen und meinen Patenonkel darüber in Kenntnis zu setzen. Ich wusste jedoch noch nicht, wie ich meine Adoptivmutter darauf ansprechen sollte.
Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und sagte mit trauriger Stimme: „Es tut uns leid, wir wollten dir nicht wieder weh tun, aber Trista hat vor ein paar Tagen bei uns angerufen. Sie hat uns gesagt, dass sie einen Brief an dich schicken möchte. Ich hoffe, du bist jetzt nicht wütend auf uns.“
„Nein, ich bin nicht wütend. Ich bin nur wieder in Gedanken bei ihr. Ich habe auch von Balduin erfahren, dass er mein Patenonkel ist. Er hat mir vorgeschlagen sie zu besuchen. Ich weiß nicht, wie ich es euch sagen soll, aber ich habe mir in letzter Zeit Gedanken gemacht, meine leibliche Mutter beziehungsweise Trista kennenzulernen, falls ihr mir dies gestattet“, versuchte ich schonend meinen Adoptiveltern zu erklären. „Außerdem ist es eine gute Idee in dieses Museum zu fahren. Meine beste Freundinnen und Mrs. Vendetta meinten, es wäre einen Besuch wert.“
„Es wäre wirklich gut, wenn es zu einer Aussprache kommt zwischen dir und deiner leiblichen Mutter. Immerhin würde sie sich freuen, dich nach so vielen Jahren zu sehen und du weitere Antworten von ihr bekommst. Von meinen Eltern werde ich das nicht mehr erwarten“, versuchte Ozul mich ermutigen. Thorn stimmte Ozuls Ideenvorschlag zu.
„Vielleicht hast du Recht, Darling“, flüsterte ich meinem Liebsten zu.
„Schätzchen, wenn das dein Wunsch ist, Trista kennenzulernen, unterstützen wir dich. Egal was kommen wird, wir stehen hinter dir. Wir lieben dich und das werden wir immer.“, wirkte meine Adoptivmutter beruhigend auf mich ein.
„Amaris, du bleibst immer unsere Tochter, auch wenn du ja von uns adoptiert worden bist, sind wir schließlich eine Familie. Und Trista ist auch ein Teil von dieser, auch wenn wir nicht oft von ihr hören“, erklärte Thorn.
„Papa, es ist schon gut. Ich hab’ euch lieb.“
„Wir haben dich auch lieb.“
Eine Stunde später
„Na, seid ihr soweit startklar?“, fragte mein Adoptivvater uns.
„Ich hole noch meine Handtasche“, sagte ich.
„Ich auch!“, stimmte meine Adoptivmutter ebenfalls zu.
„Ich habe deine Handtasche schon geholt“, richtete Ozul mir aus.
„Oh, danke Schatz!“, bedankte ich mich bei ihm und küsste ihn auf seine Wange. Er dachte immer mit.
„Keine Ursache!“
„Hast du die Tickets?“, fragte Thorn Qadria.
„Die sind in meiner Handtasche.“
„Super und los geht‘s.“ Mein Ziehvater fuhr den Wagen aus der Garage und wir stiegen ins Auto ein. Es ging los …
Qadria stellte das Ziel in das Navigationssystem ein. „Sie erreichen ihr Ziel in vier Stunden und 45 Minuten.“, schallte es aus dem Lautsprecher des Geräts.
„Das ist eine lange Strecke. Wäre es möglich ab und zu eine Pause einzuplanen, da ich eine Zigarettenpause brauche. Und ihr bräuchtet vielleicht eine Toilettenpause in diesen Momenten.“, fragte Ozul nach.
„Das ist kein Problem Ozul. Sag uns Bescheid, wann du deine Pause brauchst. Jedoch kann ich nur an einem Rastplatz anhalten.“, setzte Thorn meinen Freund in Kenntnis.
„Das werde ich tun.“
„Möchte jemand eine bestimmte Musik hören?“, wollte Thorn wissen.
Ich verneinte die Antwort. „Was ist mit dir, Ozul?“, fragte mein Adoptivvater meinen Liebsten. „Hören Sie zufällig den Radiosender Death Mitch Black?“, entgegnete mein Freund ihn mit dieser Frage. „Nicht so oft, aber ich kann gerne einschalten, wenn das dir auch recht ist mein Schatz“, erklärte Thorn Qadira. Qadira nickte einverstanden. Der Radiosender strahlte Rock und Metalmusik aus und Neuigkeiten von Musikstars und neuen Musikalben. Auch Interviews mit bekannten Musikern wurden gesendet. Gerade erklang Musik einer Power-Metal Band und Ozul schien die Musik zu kennen. Er summte ein bisschen vor sich hin.
Ich nahm mein Sketchbook aus meiner Tasche und begann zu zeichnen: einen Drachen in düsterer Darstellung.
„Na was zeichnest du, meine Maus?“, fragte Ozul. Scheinbar hatte ich nichts gehört, da meine Ziehmutter etwas lauter „Amaris?“ rief. Ich erschreckte mich leicht.
„Ja?“
„Ozul hat dich etwas gefragt.“
„Ich zeichne einen Drachen, der ein Dorf angreift. Sein Qualm umschlingt die ersten Berghäuser.“
„Das klingt toll, Liebste.“
Zwei Stunden und 15 Minuten später: 9 Uhr 45
Ich fragte meinen Ziehvater, wie lange die Fahrt noch ging, da ich auf die Toilette musste. Qadira war der gleichen Meinung. „Noch zwei Stunden und 30 Minuten. Aber es kommt eh jetzt gleich ein Rastplatz, dann werde ich anhalten.“
„Danke.“
Etwa zehn Minuten später erreichten wir den ersten Rastplatz.
Dann ruhten wir uns etwas aus und fuhren dann weiter. Ozul rauchte noch eine Zigarette. Innerlich wurde ich zunehmend nervöser, aber ich kannte den Grund nicht. Was es auch immer zu bedeuten hatte …
Nachdem der Song der Power-Metal Band endete, kam eine Durchsage des Radioreporters: „ Das war’ s mit unserem Song Master of the hell von Hades Memory. Und nun Dark Ladies und Inky Gentlemen wird der Song Show me your bright side von einer jungen Schulband, deren Name The dark Judas priest eingespielt. Der Sänger der Band hat mich vor ein paar Tagen darum gebeten, diesen Song freizugeben und ich eine Amaris Ward herzlich in unserem Zuhörerpublikum begrüßen darf, die nun wahrscheinlich diesen Song hören wird. Eine Mano cornuta geht an Amaris Ward und nun der Song Show me your bright side… Viel Spaß beim Zuhören!“ Diese Durchsage verblüffte mich. Ozuls Song war das erste Mal im Radio zuhören. Den Song, den er mir gewidmet hatte. Ich schaute zu Ozul. „Oh, dann lass uns mal hören“, meinte Thorn erstaunt. Ach Ozul, du bist so süß, seufzte ich lächelnd. Qadira stellte die Lautstärke etwas lauter ein. Ich verdrehte die Augen. Muss das sein? Klar, es ist offensichtlich, aber es ist ja schon gut. Der Refrain ergriff mich:
„ … Show me your bright side
Child of moon, you are the one
To heal my wounds of the shadows
My eternity of evening sky
I would like facing you every night eye to eye
Now I shall protect you
You are ready to share this love with me
I don‘t wish to feel the shame anymore …“
„Show me your bright side von der Band The dark Judas priest, ein unbeschreiblicher Song über schmelzende Liebe. Ja, meine Dark Ladies und Inky Gentleman, vielleicht sucht ihr auch eure Hälfte zu eurem Herzen oder habt sie schon gefunden. Nun kommen wir zu den Neuigkeiten der neuen Musikalben“, sagte der Radioreporter.
„Das war aber ein sehr schöner Song, Ozul. Und außerdem sehr süß von dir, dass du diesen für Amaris geschrieben hast.“, verkündigte Qadira mit freudiger Stimme.
„Mama …“, sagte ich ihr genervt. „Es ist gut jetzt!“
„Jetzt hab’ dich doch nicht so, ich kann ihr nur zustimmen“, stimmte mein Adoptivvater zu. „Ich danke Ihnen, Mrs. und Mr. Ward. Amaris ist das schönste Geschenk, was mir je passiert ist“, bedankte sich mein Liebster bei meinen Adoptiveltern.
„Ja, das ist sie.“ Ich schaute verlegen meine Drachenskizze an und merkte, dass ich ihn leider schief gezeichnet hatte.
„Mist!“, schimpfte ich laut.
„Was ist los, Darling?“, fragte Ozul mich. Grrr! Ich hasse das wieder neu anzufangen. Warum ist mir das nicht vorher aufgefallen?
„Schau doch, der Drache ist schief geworden“ , regte ich mich auf.
„Lass mich mal sehen!“ Ich gab meinem Liebsten das Sketchbook und schaute kurz zum Fenster heraus.
„Ich finde, es sieht nicht so schlimm aus, aber ich glaube, ich überlasse es dir.“ Ich seufzte.
Zwei Stunden und 30 Minuten später: 12 Uhr 30
Dann erkannte ich das Ortsschild, wo Sawblade Nebula Orkunoc gekennzeichnet war. Wir hatten unser Ziel erreicht. Eine Hansestadt mit einem gotischen Dom der am Wasserufer lag und einem historischen Rathaus. Es schien ein historischer, künstlerischer und multikultureller Ort zu sein. Ein paar Plattenbauten standen noch und gewöhnliche Häuser im gotisch-viktorianischen Architekturstil und ich glaubte, das Museumsgebäude erkannt zu haben. Es sah, wie ein gotischer Königspalast aus teils ottonischen Merkmalen der Architektur gebaut. Ein paar schwarze Naturstein-Arabesken verzierten die Mauern.
Thorn parkte den Wagen in einem urbanen gotischen Haus, das alleine und verlassen stand. Andere Autos nutzten diese Anlage auch.
Wir stiegen aus und schritten zum Museum. Dort gingen wir die vorderen Treppen hoch und zum Eingangsschalter, um die Tickets vorzulegen.
„Willkommen im Royal Art Tresor Gallery Museum!“, begrüßte uns die Dame vom Empfang, „Möchten Sie einen Audioführer?“
„Nein danke!“
Ich entdeckte eine silberne Tafelpalette: Im Erdgeschoss befanden sich Skulpturen eines Künstler, dessen Name Teimuraz Gvasalia war; im ersten Stock waren die Kristallfiguren von der Künstlerin Loa zu sehen und im zweiten Stock die Kunstgemälden von Trista Myld (meiner leiblichen Mutter).
Alles wollten wir nacheinander sehen und bestaunen. Dieser Teimuraz stellte sehr viele Skulpturen aus, die die Mythologie darstellten. Neben den ganzen Skulpturen hatten sie auch Buntglasfenster auf Vitrinen ausgestellt. Sie zeigten gefallene Engel, unteranderem auch eins der berühmtesten: Die Fahrt in die Hölle. Ozul bestaunte genau dieses. „Der Teufel weiß, was er tut und er weiß, dass ich kein Engel bin“, sagte er.
„Quatsch! Was redest du denn?“, erwiderte ich ihm und legte meinen Kopf kurz auf seine Schulter. Ozul entschuldigte sich. „Schon gut.“
Im ersten Stock faszinierten wir uns für die Kristallfiguren von der Künstlerin Loa. Sie hatte eine besondere Wahl an Motiven. Mrs. Vendetta hatte sie einmal kurz erwähnt. Diese erschuf Kobolde, Drachen und andere fantastische Geschöpfen. Mrs. Vendetta kannte sie persönlich und erzählte, dass Loa zwei Jahre zuvor gestorben war. Sie hatten eine sehr gute Freundschaft gepflegt. Ich machte ein paar Fotos. Mich faszinierte der Phönix und er war in meinen Augen ein Geschöpf, das sich aus der Asche wiederbelebt. Irgendwie spürte in meinem Inneren ich eine tiefe Verbindung zu dem Wesen.
Im zweiten Stock erwartete mich endlich die malerische Kunst von meiner leiblichen Mutter. Sehr düstere Gemälde, die sehr viele Lebensabschnitte zeigten. Kurz darauf entdeckte ich eine Leinwand, deren Silberpaletten-Beschriftung rechts den Titel Die Tragödie einer Geburt hinter schreienden Seelen trug. Das Gemälde wurde 1990 gezeichnet. Genau in dem Jahr, als ich geboren wurde. Meine Mutter stellte einen Sarg dar, in der eine Frau lag. Man erkannte ihren Schwangerschaftzustand. Jedoch erkannte man, dass diese Frau einen schmerzerfüllten Blick hatte. Ein paar rote Pinselstriche waren wie Schläuche dargestellt. Ich interpretierte da Blut hinein.
Im Hintergrund waren schreiende Seelen zu erkennen, die versuchten, diese Schläuche an sich zu ziehen. Die ganze Szenerie war Nacht getaucht. Hinter Wolken versteckte sich teils der Vollmond. Es war ein schauriges Gemälde und ich versuchte mir es vorzustellen, wie meine Mutter gezeichnet hatte. Die Technik war ganz klar: Sie benutzte Ölfarben. Die Farbkombinationen waren dunklere Töne und die wenigen Details in leichten Schichten. Das Werk erzählte von Schmerz und Trauer.
Ein anderes Gemälde war La princesa gitana y el diablo. Es war ein Selbstporträt von ihr als Zigeunerprinzessin. Leicht hinter ihr, wie ein Schatten stand der Teufel. Seine Gesichtszüge kamen mir sehr menschlich vor und ich dachte, dass es entweder meinen Erzeuger oder meinen leiblichen Großvater verkörperte. Ozul stand neben mir auf einmal. „Es sind wirklich sehr emotionale und düstere Gemälde, die deine Mutter gezeichnet hat“, sagte er. Ich nickte und schluckte.
„Trista hat wirklich sehr Talent gehabt, ihr Leben samt der Narben in die Malerei umzusetzen. Einfach unbeschreiblich, wie sie diese im Surrealismus Stil umgesetzt hat, obwohl dieser Stil eher mehr in den 1920er stark ausgeprägt war“, bemerkte meine Adoptivmutter.
Nach fünf Bilder meiner Mutter folgte meines. Ich entdeckte es weiter hinten. Ich griff nach Ozuls Arm. „Komm mit! Ich möchte dir etwas zeigen“, befahl ich. „Liebste, du reißt mir fast den Arm heraus. Schön ruhig, ich komme ja.“ „Tut mir leid, das wollte ich nicht.“ „Wo geht ihr hin?“, wollte meine Adoptivmutter von uns wissen. „Kommt mit! Ich möchte euch etwas zeigen!“, sagte ich ihr, meinem Adoptivvater und Ozul aufgeregt. Ich zeigte ihnen das Kunstwerk. Qadira las die Beschriftung und der Name des Künstlers: Once upon in childhood times von Amaris Ward. (1. Artiuculpins-Preis der Kunst)
„Das ist ja deins … Du hast wirklich einen ähnlichen Stil wie Trista. Es ist gigantisch und sehr schön. Und du hast sogar den 1.Preis bekommen. Wir sind so stolz auf dich“, sagte sie und zu Thorn: „Schau mal, Thorn. Das ist das Werk unserer lieben Amaris.“
Thorn begutachtete die Leinwand und freute sich: „Nicht jeder kann von sich dies behaupten. Ich habe in der Internetseite dieses Museums gelesen, dass nicht jeder Künstler hier die Chance erlangt, sein Werk zu präsentieren. Denn nur die besten werden hier ausgestellt. Du kannst stolz auf dich sein, Amaris.“ Mein Adoptivvater umarmte mich. „Es ist wirklich wundervoll und genau mein Geschmack.“, sagte Ozul und schien von meinem Bild in den Bann gezogen.
„Du hast definitiv das Talent von Trista im Blut!“, stimmte mein Adoptivvater zu.
„Ja, gut möglich.“, vermerkte ich leise. Wir bestaunten noch etwas mein Kunstwerk.
Zwei Stunden später: 14 Uhr 30
Wir beendeten den Besuch im Museum und gingen zum Ausgang. „Ich hoffe, dass es euch gefallen hat.“, vergewisserte sich meine Adoptivmutter. „Ja, es war aufregend. Die Kristallkunst hat mir sehr gut gefallen. Trista Kunst löste offene Fragen aus, doch nach längerem Betrachten kann man viele Hypothesen zu ihren Werken finden. Ich sehe dies sehr bei ihr. Vielleicht lässt dies auch meine Kunst sprechen“, sagte ich ihr. Sie lächelte gerührt. Ozul rauchte eine Zigarette. Ich wiederholte die Frage meiner Adoptivmutter, da ich nicht wusste, ob er sie gehört hatte. „Mir hat Amaris Kunstwerk gut gefallen, sowie die Werke ihrer leiblichen Mutter. Ich mag das Düstere“, sagte Ozul und küsste meine Schläfe. „Hat hier irgendjemand von euch Hunger?“, fragte mein Adoptivvater unerwartet. Wir alle nickten. „Ohja, großen Hunger verspüre ich.“, stimmte Ozul ein. „Wir können zum Knight Bulgadwin Restaurant gehen.“, schlug Thorn vor. Qadiras Augen strahlten. „Schatz, war das nicht das Restaurant, wo du mir den Heiratsantrag gemacht hattest?“, fragte sie. Er nickte glücklich und Ozul und ich freuten uns. Qadira hatte mir einmal von ihrem unvergesslichen Tag erzählt und dass Trista dabei war. Nach meiner Geburt war sie damals für immer verschwunden.
Qadria schwärmte uns von der besten Kräutersuppe vor, die sie je gegessen hatte. Aufgeregt sprang sie auf die Musik um, die man in dem Restaurant spielte. Es war Mittelalter Folklore. Thorn strahlte. Sie waren mit Ceredig, dem Restaurantbesitzer, befreundet. Er hatte ihm mal einen Tanz beigebracht, erzählte er weiter. Sie waren so glücklich. Jeden ihrer Hochzeitstage hatten sie dort gefeiert. Irgendwie war diese Tatsache schön.
Ozul hatte ja zumindest auch einen guten Freund, der ja im Vertigo Restaurant arbeitete. Bei meinem Adoptivvater war es Ceredig. Es gab wirklich Zufälle, oder täuschte ich mich?
Das Restaurant war ein mittelalterlich angehauchtes Haus. Wir betraten es. Das Ambiente war sehr geschmackvoll mit seinen romantischen Bögen und der Freskenmalerei. Die Taverne war mit Holztischen und Holzstühlen ausgestattet. Geschmiedete Kerzenhalter waren mit gelben Kerzen gesteckt. Vorne war der Barbereich und es sah zuerst aus, als wäre man in einer Gastwirtstätte. Viele Männer saßen an der Bartheke, tranken Bier aus ihren Holzkrügen und redeten laut.
„Salve Thorn, du altes Haus“, begrüßte Ceredig ihn mit etwas tieferer Stimme. Er war ein mittelgroßer Mann mit mittellangem dunkelbraunen Haar, der einen braunen Hut Barett mit grauer Feder auf dem Kopf trug und Kleidung, die wie aus den Zeiten des Mittelalters. In seinem Gewand nahm er die Gestalt eines Minnesängers. In seinen Händen hielt er ein Musikinstrument: eine Kurzhalslaute. „Salve Ceredig, mein guter Freund! Ich soll ein altes Haus sein?! Und was ist mit dir, altes Eisen?“, scherzte mein Adoptivvater. „Oh ja, du sagst es. Hallo Qadira und wer seid ihr beide? Bestimmt wollt ihr etwas essen. Qadira, bei dir brauche ich nicht lange zu fragen, du möchtest bestimmt die hausgemachte Kräutersuppe“, sprach Ceredig mit einem unbekanntem Akzent.
„Das stimmt.“, sagte Qadira.
„Mein Name ist Amaris und bin die Adoptivtochter von Qadira und Thorn. Und das ist mein Freund Ozul“, stellte ich mich und Ozul vor. „Ha...Ha...freut mich euch kennenzulernen!“, sagte der Restaurantbesitzer mit Freude zu uns, „Kommt hier entlang, meine Lieben und herzlich willkommen im Knight Bulgadwin.“ Ceredig führte uns hinter die Bar. Dort war eine große Holztür. Links und rechts standen ein paar Ritterstatuen in ihren Rüstungen und mit Schwert. Sie sollten hier die Wachposten darstellen. Die Ziegelwand waren mit Knochenschädel dekoriert. Ceredig öffnete die Tür. „Folgt mir!“ Eine Treppe führte uns unten zu der Restaurant Räumlichkeit. Dort war eine kleine Bühne, wo auch ein paar Kunststücke aufgeführt wurden. Gerade führten zwei Männer in einer Art Gaukler Verkleidung ein Stück auf. Einer jonglierte mit Kegeln, der andere war ein Feuerschlucker. Dabei war eine Gruppe von Frauen die einen Tanz aufführte. Auch ein paar Musiker spielten Musikinstrumente der Mittelalter Zeit. Ozul mochte die mittelalterlichen Folklore nicht sehr, aber er ließ sich auf die Einladung von meinem Adoptivvater ein. Ein anderer Kellner zündete sie mit einem Streichholz an und überreichte uns schließlich die Speisekarten. „Was darf’s denn zum Trinken sein?“, fragte dieser bei uns nach. Meine Wahl fiel auf den alkoholfreien Würzwein. Ozul schloss sich dem an. Ceredig kam kurz dazu und schlug meinen Adoptiveltern vor: „Haus gebrautes Bier kommt auf jeden Fall auf den Tisch. Das steht fest.“ Qadira bestellte jedoch zwei Mineralwasser. „Möchte denn heute niemand Bier?“, wunderte sich Ceredig etwas enttäuscht. Thorn antwortete ihm: „Nein danke, Ceredig. Wir haben ja nachher noch eine lange Strecke vor uns , um zurück zu kehren.“ „Also gut: Zwei alkoholfreie Würzweine und zwei Mineralwasser.“ „Stimmt!“ Ozul und ich stöberten in der Speisekarte. Ozul entschied sich für die Biersuppe und ich für vegetarische Rahmfladen. Mein Adoptivvater traf seine Wahl auf pikante Teigtaschen. Der andere Kellner brachte uns die Getränke und nahm die Bestellung der Speisen auf. Im Hintergrund spielte Ceredig die Laute und sang Lieder in alten Sprachen. Das Thema Liebe war stark im Fokus. Ich ließ mich von der Musik treiben. Ich dachte dabei an Ozul und mich, unseren gemeinsam ersten Tanz, der am Julfest war, an meine leibliche Mutter, was sie mir erzählen wollte und ich ihr zuhören würde, sowie dass wir uns verstehen würden. Es gab so viele Dinge, die in mir schlummerten. Auch an meine beste Freundin dachte ich. Was würden die Schwestern gerade tun? Und wie würde das folgende Schuljahr werden? Der Kellner brachte unsere Speisen. Wir aßen, während die Musik weiter klang. Ceredig betörte uns alle mit Liebeslieder, in dem er die Laute spielte. „Die Biersuppe musst du mal unbedingt probieren, Liebste. Die schmeckt wundervoll“, schwärmte mir mein Freund von der Suppe vor und hielt mir einen vollen Löffel hin. Ich probierte von der Suppe und ja sie war köstlich. 16 Uhr Wir machten uns auf den Heimweg. Thorn fuhr los. In diesem Augenblick klingelte plötzlich mein Mobiltelefon. Ich schaute aufs Display und erkannte, dass es Cadells Nummer war. Bestimmt ist etwas passiert, dachte ich. „Hallo? Cadell?“ „Salve Amaris, wie geht es denn meiner verehrten Nichte?“, wollte er von mir wissen. Ich hörte seinen besorgten Ton in der Stimme. „Mir geht es gut und dir Onkel? Was ist los? Du hörst dich bedrückt an.“ „Ach Amaris, was soll ich dir erzählen oder was soll dir ein verbitterter Mann in Scheidung erzählen, dass er alles dafür bereut, dass die Frau, die er einst geliebt hat, ihn lange hintergangen hat und die Liebe seines Lebens eine einzige Lüge war?“ „Amaris, mit wem sprichst du?“, unterbrach mich Qadira neugierig. „Ich habe verstanden, dass Amaris gerade mit ihrem Onkel telefoniert“, erklärte Ozul ihr. „Mama, ich kann nicht euch beiden zuhören. Ich erkläre euch alles gleich… Entschuldige Cadell“, sagte ich meinem Onkel. „Amaris, bitte vergiss nicht, ich verspreche dir und Valerian, dass alles in seine richtigen Wege kommen wird.“ „Ich weiß Onkel. Valerian hatte mich gestern schon angerufen und mir schon erzählt, was Adrienne veranstaltet. Versprich mir, dass du auf meinen Halbbruder Acht gibst, auch wenn er zwar schon erwachsen ist.“ „Ich verspreche es dir. Apropos, Valerian ist schon seit gestern nicht nach Hause gekommen. Ich mache mir Sorgen. Ich habe schon versucht ihn zu erreichen, aber sein Handy ist ausgeschaltet. Bei Jelvira habe ich auch schon angerufen, weil ich dachte, er ist vielleicht zu seiner Freundin gefahren, aber auch da ist er nicht. Wenn du etwas von ihm hören solltest, dann schick mir bitte eine Nachricht.“
„Das werde ich tun, Onkel. Bis dann!“
„Bis dann Amaris.“
Wo steckt Valerian bloß? Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Auf Cadells und seinen Schultern lastet dieser Rosenkrieg und es geht ihnen nicht gut dabei…
20 Uhr 45
Wir erreichten endlich Wicked Rose nach langer Autofahrt. Ich entdeckte den schwarzen Lotus Evora. War Valerian hier oder führte Adrienne etwas Böse im Schilde?
Dann entdeckte ich Valerian.
„Was macht denn Valerian hier?“, wollte Qadira wissen.
„Das frage ich mich auch“, stimmte Ozul zu.
Ich wollte alle nicht mit meiner leisen Vorahnung belasten, daher antwortete ich: „Ich weiß es nicht… noch nicht.“ Thorn hielt vor unserer Garage. Wir stiegen aus.
Ich freute mich, meinen Halbbruder zu sehen, aber auf der anderen Seite musste ich Cadell Bescheid sagen, dass Valerian hier war. Was sollte ich nur tun?
„Oh, hey Schwesterherz. Ich bin so froh dich zu sehen …“, überfiel mein Halbbruder mich.
„Was ist denn los? Cadell hat mich verzweifelt angerufen und nach dir gefragt. Er macht sich Sorgen!“, berichtete ich ihm sehr aufgeregt.
„Kann ich heute Nacht zu euch kommen?“Auch wenn er wirklich geknickt aussah, musste ich ihn noch einmal auf mein Gesagtes hinweisen. Ich nahm die Amre hoch und formte ein ‘‘Hä, hast du mir nicht gerade zugehört?‘‘ Zugegeben es war ein bisschen harsch aber die Situation hier, überforderte mich. „Ja, ich rufe an, aber erst später“, gestand er mir zu.
„ … das kann ich dir leider nicht entscheiden. Und nein Valerian, du rufst ihn jetzt an!“, forderte ich ihn auf, „oder ich rufe ihn an.“ Ich wollte nicht, dass mein Onkel sich noch mehr aufregte. Er hatte schon genug mit der Scheidung um die Ohren.
Ozul schaute meinen Halbbruder verwirrt an und Qadria fragte, was sich ereignet hatte.
Thorn schlug ihm vor: „Komm erstmals rein, Valerian und dann sprechen wir in Ruhe!“
„Gute Idee“, stimmte meine Adoptivmutter ihm zu. Mein Adoptivvater schloss den Wagen ab.
Als wir zur Tür herein gingen und in Richtung Wohnzimmer, erzählte mein Halbbruder aufgeregt: „Es geht um die Scheidung von meinem Ziehvater und Adrienne. Ich halte es kaum aus. Cadell versucht schon alles zu tun, was er kann. Meine Mutter macht uns echt viele Schwierigkeiten. Bei Amaris wollte er euer Einverständnis, dass er ein Teilsorgerecht von ihr bekommen könnte. Ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll …“, platzte es aus Valerian wütend und enttäuscht heraus. Er wusste nicht, wie er es sonst erklären sollte. Seine Nerven zerrten an ihm. Es war ein dünner Faden, der gerade gerissen war. „Unser Einverständnis?“, fragte Qadira überrascht nach. Sie dachte, sie und Thorn hätten das Sorgerecht nicht mehr, als Adrienne mich damals ihnen weggenommen hatte.
Währenddessen miaute Coco vor der Gartentür. Ich holte sie herein und nahm sie auf den Arm. „Na, Coco, hast du uns vermisst?“, sprach ich zu unserer Katze. Sie schnurrte und miaute. Ich ging in die Küche, während die anderen im Wohnzimmer auf der Couch saßen. In der Küche schaute ich in unsere Schränke nach Futter. Sie hatte bestimmt großen Hunger. Das Kätzchen wartete ungeduldig, bis ich das Nassfutter aus der Dose in den Napf gefüllt hatte. „Na Coco, gehen wir ins Wohnzimmer?“ Sie miaute. Ich nahm ihren Napf und wir gingen ins Wohnzimmer.
Ich legte ihren Napf neben ihr Katzenbett, das neben unserem Ecksofa stand, aber als ich mich zu Ozul und meiner Familie aufs Sofa setzte, wollte sie unbedingt auf meinen Schoß. „Na komm!“, flüsterte ich zu ihr und sie sprang hoch. „Au!“, klagte ich mit ihr. Cocos Krallen waren scharf. Mit großen Augen beobachtete sie Ozul und roch an seiner Hand. Sie schleckte seine Finger, während er versuchte sie zu streicheln. Mein Freund hörte die ganze Zeit dem Gespräch zu und sagte nichts. Wie meistens mochte er nicht gerne von seinem eigenen Lebensabschnitt erzählen.
Valerian erzählte in diesem Augenblick von unserer Begegnung mit Rox und dass dieser auch sein leiblicher Vater war. Qadira war erschrocken. „Ihr seid also Halbgeschwister“, stellte sie fest. Ich nickte.
„In der Tat, Mrs. Ward“, sagte mein Halbbruder an meiner Stelle.
„Rox ist schon immer ein Aufreißer gewesen. Er meint, er müsste sich jede Frau ins Bett holen“, sagte sie mit wütender Stimme. „Es tut mir leid Amaris, mein Schätzchen, aber ich hatte Trista, deine Mutter vor ihm gewarnt und das mehrmals.“
Später versuchte ich meinen Adoptiveltern zu erklären, dass mein Onkel ihnen ein Recht einräumen wollte, dass sie mich jede Ferien und jedes zweite Wochenende sehen könnten, wenn ich das ebenfalls möchte, solange ich noch das Black Lake Gymnasium besuchte.
„Wir würden dich gerne wieder wie früher bei uns haben und das mit allen Rechten“, sprach meine Adoptivmutter mit trauriger Stimme zu mir.
„Mrs. Ward, ich kann Sie gut verstehen und ich weiß, dass Sie und Amaris sich sehr nah sind, aber Amaris hat ja noch 2 Jahre, bis sie das Abitur in der Tasche hat und dann kann sie entscheiden, wie sie ihre Zukunft gestalten möchte, aber Cadell, mein Ziehvater möchte, dass sie ihre Schule im Black Lake Gymnasium beendet. Und ich denke, sie hat dort auch eine große Chance“, erklärte mein Halbbruder ihr.
„Valerian, du kannst deinem Ziehvater gerne ausrichten, dass Qadira und ich dies mit Amaris noch zusammen besprechen müssen, bevor wir ihm unsere Entscheidung mitteilen werden. Bis wann muss er Bescheid wissen und das verstehst du bestimmt“, wollte Thorn von ihm wissen.
„8. Juli spätestens, da er am 9. Juli einen Termin beim Gericht hat und dort alles berichtet werden muss.“
„Also gut, Valerian. Wir werden Cadell anrufen. Du kannst nun für heute Nacht hier schlafen, aber morgen fährst du wieder zurück“, sagte mein Adoptivvater meinem Halbbruder ernst.
„Ich werde mal hochgehen und das Gästebett zurecht machen“, erklärte Qadira und ging hoch.
„Bruderherz, rufe Cadell jetzt bitte an.“ erinnerte ich meinen Halbbruder.
„Amaris hat Recht! Ruf deinen Vater zurück!“, wiederholte Ozul. Valerian war sehr dankbar, dass meine Adoptiveltern ihn für diese Nacht aufnahmen und übernachten ließen: „Ich danke Ihnen, Mr. und Mrs. Ward vom ganzen Herzen, dass ich heute Nacht hier schlafen kann.“
Valerian rief schließlich meinen Onkel an.
„Valerian … Endlich… Junge, wo steckst du denn?“,fragte Cadell an der anderen Seite des Hörers.
„Vater, ich bin in Wicked Rose bei Amaris und ihren Eltern. Ich brauche etwas Abstand von der ganzen Situation zwischen Mutter und dir. Wäre es ok, wenn ich heute Nacht bei ihnen bleibe?“
„Das kann ich dir nicht beantworten, Valerian. Frag am besten Amaris Adoptiveltern, ob das für sie in Ordnung wäre?“
„Vater, ich habe mit ihnen schon gesprochen und sie haben es eingewilligt. Ich bin morgen zurück. Ich verspreche es dir“, gab Valerian seinem Ziehvater sein Versprechen.
„Dann ist es für mich auch in Ordnung, mein Sohn, aber bitte versprich mir wirklich, dass du morgen wieder zurück bist. Gute Nacht!“
„Gute Nacht, Vater und danke!“
Qadira hatte inzwischen das Bett frisch bezogen und zeigte Valerian seinen Schlafraum. Am nächsten Morgen fuhr mein Halbbruder wieder zurück nach Death Tale.
5 Tage später: 30. Juni 2007 halb sechs morgens
„Denkst du, du kannst entkommen?“
„Ich glaube nicht, dass du das kannst.“
„Du bist hier nicht sicher. Lauf weg, soweit du kannst, lauf weg! Hier kannst du nicht bleiben oder willst du weiter unterdrückt werden?“ Die Sicht ist verschwommen und ich kann nichts erkennen.
„Pass auf dich auf und lerne zu erkennen, wem du vertrauen kannst und wem nicht! Du kannst nämlich auch Reinfälle riskieren!“
„Wo immer du auch bist, ich kann und werde Euch finden!“
„Du bist ein Nichts und weißt gar nichts!“ Schwindel macht sich bemerkbar! Und die Alarmstufe rot strahlt das Signal aus! Was ereignet sich? Und wer spricht hier? Aaaah!
Mit Tränen im Gesicht wurde ich wach. Ich hatte einen erneuten Albtraum. Schnell versuchte ich die Tränen vom Gesicht weg zu wischen, doch Ozul wurde im selben Augenblick ebenfalls wach und streifte eine Haarsträhne, die in mein Gesicht fiel und eine Träne über meine Wange rollte. „Hast du geweint?“, wollte er wissen.
„Nein.“
„Doch,, das hast du! Amaris, mich brauchst du nicht anzulügen. Also, was ist los, meine Schöne?“
Ich zog kurz die Nase hoch und erzählte ihm von meinem Albtraum. In diesem Traum waren vier Personen: Rox, Adrienne, Valerian und Thorn. Rox und Adrienne, die mich und Valerian einschüchtern wollten, Valerian, der mich bat wegzulaufen und Thorn, der mir den Ratschlag gab, auf mich aufzupassen. Jedoch verstand ich nicht, warum mein Adoptivvater in diesem Traum vorkam. Ozul hörte mir zu, versuchte mich zu trösten und fragte mich, wie viele sich schon bewahrheitet hatten. Es waren bereits einige. Er nahm mich in den Arm und flüsterte: „Ich lasse dich nicht allein. Und Valerian wird auch auf dich achten. Dein Licht ist stark und es wird irgendwann ausbrechen …“
„Danke, dass du für mich da bist und das wünsche ich uns auch.“
Ozul küsste mich und hielt mein Gesicht mit seinen Händen fest. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.“, sagte er mir und streckte dann seine Arme nach mir. „Lass uns nochmal hinlegen."
Ein paar Stunden später
Plötzlich klopfte es an meiner Zimmertür.
„Ich bin es, Thorn. Darf ich hereinkommen?“, fragte mein Adoptivvater nach.
„Einen kleinen Moment bitte!“, rief ich ihm zu.
„In Ordnung. Ich warte.“
Ozul zog ein T-Shirt über sich.
„Du kannst herein kommen.“, rief ich zu meinem Adoptivvater.
Er kam herein und erkundigte sich nach unserem Wohlbefinden. „Es geht schon wieder.“, sagte ich benommen. „Amaris hatte einen Albtraum.“, klärte mein Liebster ihn auf. Ich verdrehte die Augen. Ozul, bitte, ich möchte nicht, dass alle sich Sorgen machen müssen. „Was hast du geträumt? Amaris, was ist passiert?“ Ich erstarrte in meinen Gedanken wieder und versuchte das Thema zu wechseln: „Ist Mama schon wach?“ „Ihr geht es nicht so gut. Sie hat eine Migräne und muss sich ausruhen. Kommt ihr nun frühstücken? Aber Amaris, was ist los?“
Ich beantwortete die Frage nicht.
„Ja, wir kommen oder hast du keinen Hunger, Schatz?“, fragte ich bei Ozul nach.
„Doch.“ Wir schritten hinunter zur Küche und Coco miaute uns zur Begrüßung. „Hey Coco!“
Ozul und ich wuschen uns die Hände.Mein Adoptivvater frühstückte mit Ozul und mir und lies die Musik etwas leise laufen, damit wir Qadira nicht aufweckten. Es war eine entspannte Musik und nachdem Essen räumten Ozul und ich ab.
„Ach Amaris, Balduin hatte gestern Abend angerufen. Er wollte dich wissen lassen, dass er dich gegen 14 Uhr abholen kommt, weil er dich zu Trista für ein paar Stunden bringen wird.“ Ich hatte mich beinahe verschluckt. Stimmt, das wollte sie an diesem Tag, erinnerte ich mich nach einer Weile. Ich hatte es schon fast vergessen. Aber würde Ozul mitkommen oder was würde er in dieser Zeit machen?
„Oh ja, das hat sie ja geschrieben“, gab ich abgehakt rüber. Thorn wollte gerade mir noch etwas sagen, doch in dem Augenblick klingelte unser Festnetztelefon.
„Ward?“, fragte er nach.
Ich hörte Tristas Stimme und wie sie hustete.
„Ich bin‘s Trista. Hat Amaris meinen Brief bekommen?“
„Ja, das hat sie. Entschuldige, dass wir dich nicht zurück gerufen haben, um dir Bescheid zu geben. Balduin hat uns nämlich gestern schon angerufen, dass er sie abholen kommt, um zu dir zu fahren.“
„Ist es denn für dich in Ordnung?“
„Ja schon, aber Amaris Freund ist auch bei uns.“
„Meine kleine hat einen Freund? Das hat sie mir noch nicht erzählt.“
„Sie wird dir das dann bestimmt erzählen.“
Während mein Adoptivvater mit meiner leiblichen Mutter telefonierte, schaute Ozul mich überrascht an. Nicht jeder wusste von meiner Liebesbeziehung zwischen ihm und mir. „Möchtest du nicht, dass ich meiner leiblichen Mutter von dir erzähle?“, fragte ich Ozul etwas unsicher. „. Du bist sicherlich wegen diesem Treffen nervös, aber es ist ganz normal. Du hast sie vorher nicht gekannt und nun nach 17 Jahren auf sie zu treffen muss bestimmt für dich zumindest aufregend sein. Doch eine Formel kann ich dir auf den Weg geben: Sei stark und mutig! Sei mir bitte nicht böse, aber es wäre besser wenn ich nicht mitkommen werde. Ich denke, du willst zuerst mal mit ihr alles alleine besprechen, alleine weil du Antworten auf deine ganzen Fragen hast. Vielleicht kann ich hier deinen Eltern helfen.“ „Tut mir leid Trista, aber Qadira geht es nicht so gut. Sie hat Migräne … Natürlich werde ich ihr ausrichten, dass du angerufen hast. Wir hören uns bald. Pass auf dich auf!“ Thorn legte auf und schaute auf die Wanduhr: Halb elf! „Ich muss in einer halben Stunde zur Kneipe fahren und alles aufrichten.“, sagte er laut in seinen Gedanken.
„Papa?“, rief ich nach ihm.
„Ja, Amaris, mein Schatz?“
„Ozul möchte nicht mit zu Trista und hat mich gefragt, ob er euch helfen könnte und daher meine Frage, dürfte er dir in der Kneipe heute aushelfen?“
„Das wäre toll.“, stimmte Ozul zu. „So einen starken Burschen wie Ozul kann doch gerne mit anpacken“, scherzte Thorn.
„Wirklich?“, fragte Ozul mit freudiger Stimme.
„Ja. Du kannst mir zum Beispiel helfen, die Getränke ins Lager einzuräumen, ich kriege nämlich heute eine große Lieferung gegen Nachmittag.“
„Gut, ich denke, dann werde ich mich mal frisch machen. Doch davor gehe ich noch eine rauchen.“, wirkte mein Freund entschlossen. Ich ließ ihn zuerst das Badezimmer benutzen, danach duschte ich mich und beschloss ein weißes-schwarzes Lolita-Kleid anzuziehen mit einer weißen drei Viertel Leggings und schwarzen Ballerinas, die ein Pentagramm abbildeten. Ozuls Kette trug ich jeden Tag und das Armband meiner Mutter ebenfalls. Ich schminkte mich etwas dezenter und benutzte den leichten „Smokey Eyes“ Effekt.
Später glättete ich meine Haare und cremte sie mit etwas Mousse ein.
Dann kämmte ich sie auf die Seiten gleichmäßig und war dann fertig. Ich ging in mein Zimmer zurück, während Thorn kurz darauf nach Ozul rief.
„Ich komme. Meine Liebste, ich wünsche dir viel Glück beim Treffen mit deiner leiblichen Mutter. Wir sehen uns später!“, verabschiedete er sich von mir und küsste meine Stirn. „Bis später, Darling. Viel Spaß!“, wünschte ich ihm.
14 Uhr
Nach dem Mittagessen, klingelte jemand an der Tür. Balduin schien angekommen zu sein. „Oh … salve Balduin, wie geht es dir? Amaris wird gleich kommen. Wie ist Tristas gesundheitlicher Zustand?.“, hörte ich Qadira ihn begrüßen.
„Salve Qadira , mir geht es gut und euch? Amaris soll sich kein Stress machen. Ach, wie soll ich es sagen: Trista geht es von Tag zu Tag mal besser, dann wieder schlechter.“, antwortete er.
„Möchtest du noch vielleicht einen Tee oder einen Kaffee?“, wollte meine Adoptivmutter von ihm wissen.
„Oh, wäre es möglich einen Dalgona Kaffee zu haben?“
„Natürlich. Folge uns hier in die Küche.“
Ich schritt langsam die Treppen hinunter und ging zur Küche. Meine Adoptivmutter bereitete gerade diesen Kaffee für meinen Patenonkel zu und ich machte mir einen Tee. „Hallo Baldi!“, begrüßte ich ihn mit seinem Spitznamen. Er grüßte mich herzlich zurück und umarmte mich.
„Wie geht es Trista?“, wollte ich wissen.
„Amaris sowie es ihr immer geht. Menschen mit Depression haben immer mal gute und schlechte Tage. Sie hatte heute Besuch vom Therapeuten bekommen. Er soll sie ja wegen ihren Leiden behandeln, jedoch freut sie sich sehr dich wieder zu sehen.“, beantwortete mein Patenonkel meine Frage, „ich habe hier etwas für dich. Alles Gute zum Geburtstag nachträglich. Das ist von mir.“ Er überreichte mir sein Geschenk.
„Danke.“ Ich zerriss das Papier und dann war noch ein Karton. Ich öffnete diesen und in diesem war eine kleine versilberte Statue mit Drachen und einer Glaskugel mit weißem Glitzer.
„Ich hoffe, sie gefällt dir.“, hoffte mein Patenonkel.
„Ja, sie ist wunderschön. Danke Baldi!“, sagte ich ihm und er fragte, ob wir nun losfahren könnten. Ich bejahte, holte meine Tasche und es ging los. Qadira nahm die Statue mit nach oben und suchte für sie einen geeigneten Platz. Wir verabschiedeten uns noch und mein Verwandter übergab mir den Helm, da er wieder mit dem Motorrad da war.
„Sagst du Trista einen lieben Gruß von uns?“, fragte meine Adoptivmutter.
„Ja, das werde ich tun. Ich habe dich lieb. Bis später.“, sagte ich ihr und umarmte sie.
„Ich hab dich auch lieb und passt gut auf euch auf!“
„Machen wir!“
Der Motor lief an und Balduin und ich fuhren nun zu meiner leiblichen Mutter nach Vithimiris. Der kürzeste Weg von Wicked Rose bis dorthin betrugen knapp zwei Stunden. Der Wind wehte sanft und es war warm draußen. Ein typischer Sommertag halt nur halt mit milden Temperaturen.
16 Uhr
In Vithimiris waren nicht viele Gebäude. Knapp sieben Häuser und eine kleine gotische Kapelle waren hier in einer Straße. Balduin hielt bei einem gotischen Haus im Viktorianischen Architektur Stil an. Es war ein sehr kleiner Ort. Es kam nicht mal an ein Dorf heran. Der Ort war viel mehr von der Natur umgeben.
„Willkommen in Vithimiris. Hier lebt deine Mutter.“, setzte mich Balduin in Kenntnis. Das war also Tristas Haus. Es war mittelgroß und lag an einer kleiner Grünanlage. Die Fassade war mit Bretter in weißer Farbe gestrichen und das Dach war mit dunkelbraunen Ziegelsteinen belegt. Balduin stellte den Motor seines Motorrads aus und stellte es unter den Carport. „Das Dorf ist noch viel kleiner als Wicked Rose!“, stellte ich fest.
„Da hast du Recht.“, stimmte mein Patenonkel mir zu. Wir nahmen die Helme ab und schritten vor die Haustür. Balduin nahm den Schlüssel aus seiner Lederjackentasche heraus. Ich fragte ihn, warum er einen Schlüssel hatte. Er bemerkte: „Trista hat nur mir diesen Schlüssel überlassen, da ich jeden Tag vorbei komme, um nach ihrem Gesundheitszustand zu fragen, ihre Einkäufe und Medikamente zu bringen. Ich bin der einzige zurzeit, der sie hereinlassen tut, mit Ausnahme der Ärzte und Krankenpflege. Deine Mutter hat eine schwere Depression und Multiple Sklerose. Bitte bewahre Ruhe und gib ihr etwas Zeit, wenn du jetzt auf sie zugehst!“
Er öffnete die Tür und sah ein brennendes Licht in einem Raum. Ich folgte ihm und er bat mich kurz vor dem Raumbetreten, dass ich kurz warten sollte. Ich nickte und blieb vor der Tür stehen.
„Trista? Ich bin’s Balduin. Ich wollte dir Bescheid sagen, dass wir nun da sind.“, rief er nach meiner leiblichen Mutter.
„Salve, Baldi Liebster.“, begrüßte sie ihn flüsternd und nuschelnd zu ihm.
„Salve. Ich habe eine Überraschung für dich. Du wirst dich sicher freuen, diese zu sehen ...nach so einer langen Zeit!“
„Was ist denn diese Überraschung?“, fragte sie irritiert. Vermutlich hatte sie wieder vergessen, dass ich sie besuchen kommen sollte.
„Moment!“ Balduin winkte mir zum hereinkommen und ich betrat den Flur. Trista rollte in einen anderen Raum.
Dann folgte ich ihm in den Raum, wo Trista sich befand. Es war das Wohnzimmer und meine Mutter saß in einem Rollstuhl. In diesem Raum stand ein Krankenbett. Daneben stand eine Infusion und der anderen Seite ihr Nachttisch. Auf diesem lagen ihre Medikamente in einem kleinen Plastikbecher und zwei Flaschen Wasser. Sie rollte in meine Richtung und sah mich an. „Amaris, bist du das, mein Kind?“, fragte sie mich mit zitternder Stimme. Ja, ich bin es. Deine Tochter, murmelte ich vor mich hin, sodass sie mich nicht verstehen konnte, da keine Worte aus meinem Mund kamen. Mein Gehirn wurde mit so vielen Fragen überrannt. Zum Beispiel warum meine Mutter im Rollstuhl saß, machte mir Gedanken und ob ich der Grund für ihre schwere Depression war, sowie vieles andere ging mir durch den Kopf. Ich beobachtete sie, wie sie aussah und biss mir auf die Unterlippe. Sie biss sich in diesem Augenblick ebenfalls auf ihre Unterlippe. Sie hatte wie ich früher langes dunkelbraunes Haar, war sehr schlank und dünne Wangenknochen. Grüne Augen hatte sie ebenfalls. Eine sehr krasse Ähnlichkeit sah ich von ihr in mir. Mein Hals fühlte sich plötzlich wie eng zugeschnürt an. Das Gefühl von Hilflosigkeit nistete sich ein. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Situation nun umgehen sollte. Sie streckte ihren Arm nach mir aus. Ihre zitternde Hand griff nach meinem linken Arm, wo ich das Armband von ihr angelegt hatte. „Amaris … Mein Kind des Mondes … ich freue mich so sehr … Lass dich mal ansehen!“, sprach sie mit gebrochener Stimme. Eine Träne rollte über ihre Wange. Ich wusste nicht wie geschah, aber ich beugte mich vor sie und umarmte sie. Worte fand ich nicht, doch Tränen kamen hoch. Mit leiser und weinender Stimme flüsterte ich das Wort „Mutter“ vor mich hin. Ein emotionaler Moment war es für uns beide. Für meine leibliche Mutter, eine gefühlsmäßiger Moment, da sie mich, ihr Kind, das erste Mal nach siebzehn Jahren wieder in ihren Armen hielt. Ich, die das erste Mal auf sie traf und mit vielen gemischten Gefühlen und Sorgen, die ich nicht beschreiben konnte, weil es einfach zu viele waren.
„Endlich sehe ich dich wieder … nach siebzehn Jahren. Mensch, bist du groß geworden. Wir haben letztes Mal über das Portal gesprochen, nicht wahr Amaris? Setz dich bitte zu mir!“, wollte sie wissen und entdeckte das Armband an mir, was sie mir geschenkt hatte, „Du trägst es und es freut mich, dass es dir gefällt.“
„Ja, das haben wir und ja es ist schön. Danke nochmals.“ Ich setzte mich auf einen Stuhl und in Richtung gegenüber ihr und Balduin blieb stehen. Sie setzte ihn in Kenntnis, dass er noch ein paar Einkäufe für sie erledigen werden würde und erkundigte sich bei ihr, ob sie ein neues Rezept für ihre Medikamente bekommen hatte. Sie bejahte und übergab ihm das Schriftstück des Arztes. Er ging dann wieder los: „Ich lasse euch mal alleine. Ihr habt sicherlich vieles zu erzählen. Bis später.“
„Bis später Baldi!“
„Ich habe Apfeltee für uns gekocht und habe noch eine Geburtstagsüberraschung. Alles Gute und Liebe nochmal. “, sagte sie mir aufgeregt. Ich wollte ihr helfen, doch sie lehnte meine Hilfe ab. Noch mehr? Sie hat mich doch schon beschenkt.
Ich hob eine Augenbraue hoch und meinte: „Du hast mir doch schon genug Geschenke gemacht.“
„Amaris, ich bitte dich. Diskutiere nicht mit mir!“ Sie goss Tee in die Tassen ein und hatte drei Pakete auf dem Tisch liegen. Hatte sie nicht ein Geburtstagsgeschenk erwähnt?
„Du bist immerhin siebzehn geworden und dieses Alter ist eine magische Zahl.“, meinte sie. Eine magische Zahl? Ich wollte sie nicht mit komischen Fragen nerven. Amaris, nutze jetzt den Zeitpunkt für deine Antworten!
Sie überreichte mir einen Umschlag und eine schwarze Karte mit einer Katze und einem Pentagramm im Hintergrund stich in meine Augen und der schaurige Schriftzug: Es ist dein Geburtstag! Sie schrieb mir alles Gute und etwas Geld war ebenfalls drin.
„Wofür das Geld? Ich brauche das doch nicht oder hattest du es für etwas Besonderes für mich gedacht?“, wollte ich von Trista wissen und trank einen Schluck Tee.
„Ja es ist ein Teil von meinem.“, sagte sie. Was meinte sie damit?
„Was meinst du?“, fragte ich sie und verschluckte mich beinahe.
„Das wirst du bald wissen und nun packe bitte die anderen Sachen aus!“, forderte sie mich auf.
Ich packte das andere Paket aus und es war ein Schlafanzug drin. Eine Nachtstimmung von Symbolen (Sterne, Mondsichel und Fledermäusen) und das Oberteil mit einer Fledermaus und Aufschrift Not A Morning Person in Großbuchstaben. Es gefiel mir.
Das letzte Geschenk war ein Buch, das an eine Enzyklopädie erinnerte. Es war jedoch etwas dünner als ein Lexikon. Es war selbst gebunden. Der Titel war „Sad Dances of Past- Eine Erzählung in malerischen Bilder und der Autor war meine Mutter selbst. Es waren ihre Zeichnungen und ihre dazu passende Geschichten, die sich in ihrem Leben wieder gespiegelt hatten, sowie ein paar dieser bekannten Zeichnungen, die sie im Museum von Sawblade Nebula ausgestellt hatte.
„Du hast soviel Liebe hier reingesteckt und es ist toll. Danke! Danke für alles“, sagte ich ihr und ich sah ihr an, dass eine Träne über ihre Wange rollte, „bitte weine nicht! Ich werde die Sachen in Ehren halten. Das verspreche ich dir.“
„Ja, das habe ich. Amaris, du bist mein einziges Kind und höre mir bitte jetzt gut zu! Bleib sowie du bist und gut, so werde ich immer in deinem Herzen sein.“
„Tut mir Leid, aber ich verstehe nicht. Was möchtest du mir damit sagen?“, wollte ich von ihr wissen. Auf diese Frage antwortete sie nicht und schwieg.
Ich schaute etwas um mich und betrachtete die Kunstgemälden, die an der Wand hingen. „Hast du diese gezeichnet?“, wollte ich von ihr wissen. Sie bejahte meine Frage.
„Diese sind wirklich gut.“, sagte ich ihr. „Ich wollte dir erzählen, dass ich das Kunstmuseum besucht habe, wo du gearbeitet hattest und ich habe deine Werke gesehen. Sie sind sehr …“ Tristas Augen gingen weit auf. Hatte ich nun etwas falsch gesagt?
„Sie sind wahrscheinlich sehr grauenvoll, oder?“, unterbrach meine leibliche Mutter mich.
„Nein! Sie sind sehr faszinierend. Deine Selbstporträts haben mir viel von deinem Leben erzählt, ohne dass du es mir erzählen musstest. Ich habe verstanden, dass dein Schicksal auch ein schweres war.“, erklärte ich ihr. Ich bemerkte, dass sie zitterte. Hatte ich etwas in ihr ungewollt ausgelöst? Dieses Verhalten erkannte ich auch an mir und wir hatten diese selbe körperliche Reaktion zu unangenehmen Dingen.
„Ist alles okay?“, erkundigte ich mich bei ihr., „Ich wollte nicht, dass du dich nachher an deine Vergangenheit erinnern tust. Es tut mir Leid“, entschuldigte ich mich.
„Es ist schon gut, mein Kind.“, meinte und fragte darauf: „Aber nun erzähl mir, wie es dir geht und ob Qadria und Thorn sich gut um dich kümmern. Von Adrienne möchte ich gerne nichts hören. Wie ist denn die Schule? Thorn hat mir außerdem von deinem Freund berichtet. Wer ist denn der Glückliche? Und du weißt ja nun, dass Balduin dein Patenonkel ist, nicht wahr? Erzähl mir alles!“, fragte sie aufgeregt.
Ich versuchte mit ihr nur das Wesentliche zu plaudern: „Qadria und Thorn geht es soweit gut. Ich soll dir ganz liebe Grüße von ihnen ausrichten. Am Anfang war es schwierig in dieser Schule seinen Platz zu finden, nachher habe ich mich gut eingelebt. Ich habe dieses Jahr den ersten Preis in Kunst bekommen. Und ja wie Recht du hast, ich habe einen Freund. Ozul heißt er. Balduin hat mir vor ein paar Tagen erzählt, dass er mein Patenonkel ist.“, berichtete ich ihr.
„Und warum ist Ozul denn nicht mitgekommen? Und wieso hast du mir nichts von ihm erzählt letztens“, fragte sie leicht wütendem Ton.
Eigentlich wollte sie nicht mit den schlechten Nachrichten konfrontieren, da ihr Gesundheitszustand halt sehr kritisch war. Die Nachrichten über Rox, dass Valerian mein Halbbruder war, Adrienne Cadell nun viel Missgunst ausübte und mehr Informationen über Ozul wollte ich ihr ersparen.
Ich versuchte sie zu beruhigen. „Ich wollte nicht, dass du dich nachher an deine Vergangenheit erinnern tust, aber ich schwöre dir, Ozul ist liebevoll und er hat mir diese Kette geschenkt zu unseren sieben Monaten und er liebt mich, sowie ich ihn sehr liebe.“
„Mag sein, aber ich möchte nicht, dass dir das selbe passiert, als mir früher. Kannst du mich irgendwie verstehen, Amaris? ich weiß, dass du viel durch gemacht hast und wegen mir sehr viel Kummer hast und hattest. Nun bist du für ein paar Stunden hier und ich danke Balduin sehr, dass er dich hierher gebracht hat. Das ist die wunder schönste Überraschung, die ich je bekommen habe. Meine Tochter zu sehen nach siebzehn Jahren.“
„Ja ich verstehe dich, Mutter. Du warst auf der Flucht vor Rox und meinen Großeltern und hast mich Qadria übergeben … Und ..“
„Erinnere mich bitte nicht mehr daran! Es war die Hölle auf Erden gewesen!” Hastig trank sie den bereits abgekühlten Tee aus der Tasse.
In diesem Augenblick kam Balduin zurück und brachte die Einkaufstüten und die Tüte, wo die Medikamente meiner Mutter sich befanden. „Danke Balduin für alles! Kannst gerne die Sachen in den Kühlschrank und in den Keller legen.“, bedankte sich meine Mutter bei meinem Patenonkel.
„Das tue ich doch immer gerne.“ Er umarmte sie kurz und sie küsste ihn auf die Wange. Mag sie ihn doch? Balduin hat erzählt, dass sie nichts von ihm früher gehalten hat und jetzt?. Ist dies ein Kuss fürs „Bedanken“ gewesen? Eine Liebe zwischen den beiden ist es nicht. „Na, habt ihr euch gut unterhalten?“, wollte er von uns beiden wissen. Trista nickte. Ich schluckte kurz und versuchte die Gedanken zu verdrängen, als Trista mich darauf fragte, ob ich zum Abendessen bleiben würde. Ich antwortete ihr, dass diese Entscheidung bei ihr lag. Sie bestand darauf, dass ich mitessen sollte. „Dann lasst uns mal in die Küche gehen und das Essen zubereiten.“, sagte mein Patenonkel fest entschlossen. Ich führte meine Mutter im Rollstuhl und wir beide folgten Balduin. „Na, was haltet ihr davon, wenn wir gefüllte Süßkartoffel mit Knoblauch Dip und einen Salat zubereiten?“, fragte er nach unserer Meinung.
„Ohja, das wäre toll!“, wirkte Trista begeistert. Ja, das hörte sich gut an. Meine leibliche und ich halfen ihm bei der Zubereitung und Mutter legte eine CD in den CD-Rekorder, der auf einer Schrank Ablage gestellt war. Ein Musikinstrument, eine Schlüsselfidel spielte lief im Hintergrund. Balduin mochte ebenfalls ihren Musik-Geschmack.
Etwas später aßen wir zu Abend auf der kleinen Terrasse und nach dem Essen bedankte ich mich bei Mutter nochmals für die tollen Geschenke und wir verabschiedeten uns. „Alles Gute für das nächste Schuljahr!“, wünschte sie mir noch und Balduin und ich fuhren zurück nach Wicked Rose.
„Danke!“, nickte ich ihr knapp zu.
20 Uhr 15
Als wir Wicked Rose erreichten, sprach Balduin mich kurz auf Trista an: „Ich muss dir etwas sagen: Trista war glücklich, dich heute zu sehen, aber ihre seelische Kraft hat sich sehr stark verschlechtert, trotz dass die Medikamente ihr ein paar klare Momente geben. Das Geld sollst du anlegen für deine Zukunft, das ist ihr Wunsch und außerdem tut sie dafür alles, dass du später ihr Erbe zugesprochen bekommst. Sie hat bereits das Testament aufgesetzt ...“
„Meinst du, dass sie bald sterben wird? Das darf sie nicht! Ich habe sie siebzehn Jahre nicht
gekannt und jetzt? Das kann nicht sein! Nein!“, fing ich an zu weinen. Balduin versuchte mich zu trösten, aber der Schmerz saß nun tief.
Warum hat sie mir nichts gesagt? Ich verabschiedete mich von Balduin und ging zu mein Zuhause. Leise öffnete die Tür, wischte schnell die Tränen aus dem Gesicht und lief beinahe die Treppen hinauf, doch Qadira kam auf mich zu. Die Tränen konnte ich doch nicht mehr zurück behalten. „Amaris … oh Gott Amaris. Was ist denn passiert? Ist es nicht gut gelaufen?“, versuchte sie mit ruhiger Stimme zu sprechen. Ich schüttelte den Kopf und weinte an ihrer Schulter.
„Komm, weine dich erstmals aus und dann erzählst du mir in Ruhe, was passiert ist.“ Trauer und Schmerz waren in mir und der Gedanke, dass meine leibliche Mutter viel kranker war, als gedacht, machte mir Angst und Sorgen.
„Zuerst soll ich dir liebe Grüße von Trista zurück geben. Ihr geht es nicht so gut und Antworten auf meine Fragen hat sie mir keine Antworten gegeben, da es sie schmerzt, auch na so langer Zeit. Könntest du mir nicht einmal mehr von Trista und das alles erzählen, trotz, dass sie es mir schriftlich verfasst hat?“, bat ich meiner Adoptivmutter traurig.
„Amaris, ich wünschte, sie hätte mal endlich den Mut gefunden, dir nun alles zu sagen, denn es wäre besser, wenn Trista, dir die Antworten geben würde. Sie ist immerhin deine richtige Mutter. Ich als deine Adoptivmutter kann dir dies leider nicht, da ich ihr diesen Part überlassen wollte. Ich verstehe nun jedoch, dass sie kaum Kraft dazu hat. Was hältst du denn davon, dass ich dir mal Fotoalben von damals, also wo deine Mutter und ich uns kennengelernt und Sachen unternommen hatten und mit dir mal zum Ort fahre, wo ich mich mit ihr früher getroffen habe und abends die Fotos anschauen? Wie wäre es, wenn wir beide morgen dahin fahren?“
Ich nickte, bat sie jedoch um einen Gefallen: „Das wäre schön. Vielleicht kann ich das dann besser verstehen. Wäre es ok, wenn Ozul mitkommt, so hab’ ich euch beide an meiner Seite.“
„Natürlich, wenn er das möchte.“
„Ist Papa noch mit ihm in der Kneipe?“, fragte ich meine Adoptivmutter später. Sie nickte und fragte mich, ob ich noch etwas essen mochte.
„Nein danke, ich habe bei Trista gegessen.“
„Alles gut, kein Problem, Amaris. Ich denke, wir schauen uns mal einen lustigen Film an, so kommen wir beide mal auf andere Gedanken.“
„Gute Idee“, murmelte ich.
Sie rief mir zu: „Du kannst schon mal gerne zu unserem Videothek Schrank und dir eine DVD aussuchen. Ich muss noch Coco ihr Futter in den Napf geben. Sie ist noch draußen. Bin gleich wieder da.“
Ich ging ins Wohnzimmer und schaute nach einem Komödie Film. Ich fand einen Film, der über eine alleinerziehende Mutter handelte und diese auf der Suche nach einem Stiefvater für ihre Kinder war und die Kinder sich aber wünschten, sie käme mit ihrem Vater wieder zusammen. Es war lustig, da die Kinder dem sogenannten Stiefvater Streiche spielten. Meine Ziehmutter und ich lachten beim Filmschauen, als Thorn und Ozul ein paar Stunden später das Wohnzimmer betraten.
22 Uhr 35
„Na, was habt ihr euch angeschaut?“, fragte Thorn. Ozul stand still neben ihm. Qadira drückte auf Stopp und antwortete an meiner Stelle, welchen Film wir angeschaut hatten. Mein Freund wollte wissen, wie das Treffen mit meiner leiblichen Mutter verlaufen war. Auch erklärte sie ihm in knappen Worten, dass er mir Zeit geben sollte und es mir nicht gut ging. „Ozul, es wäre schön, wenn du Amaris und mich morgen begleiten tust. Ich möchte euch etwas zeigen.“, sprach sie leise zu ihm. Thorn fragte sie, was sie meinte. Qadira gab ihm mit einer Handgeste zu verstehen, dass sie ihm dies gleich berichten würde. Mein Adoptivvater nickte ihr zu.
„Gute Nacht, Mama und Papa“, sagte ich ihnen.
„Gute Nacht Liebes“, sagten beide und ich umarmte beide.
„Gute Nacht Mr. und Mrs. Ward“, wünschte Ozul ihnen ebenfalls.
„Dir auch eine gute Nacht, Ozul und vielen Dank, dass du mir in der Kneipe geholfen hast.“, sprach Thorn an meinen Freund aus. Ozul nickte und wir gingen hoch in mein Zimmer, machten uns fertig, um schlafen zu gehen. Schweigend legte ich mich ins Bett. Ozul drehte sich zu mir und legte seine rechte Hand auf meinen linken Arm. Er beugte seinen Kopf zu mir und küsste meine Schläfe.
„Ist alles in Ordnung, Darling?“, hakte er bei mir nach. Ich schüttelte den Kopf und antwortete nicht auf seine Frage. Stattdessen kamen wieder Tränen hoch und weinte bitterlich wieder.
30. Juni 2007: 23 Uhr 30
„Liebste, schsch … es wird alles wieder gut ...Komm in meine Arme!“, sprach Ozul mit sanfter Stimme auf mich ein. Ich drehte mich zu seiner Seite und er nahm mich tröstend in seine starken Arme. Sein Körper war warm und seine Haut sehr weich über seinen trainierten Bauchmuskeln. Meinen Kopf ließ ich auf seine Schulter sinken. „Was soll ich nur tun? ...Was ...soll ich … nur tun?“, fragte ich ihn weinend zugleich.
„Ich würde sagen, fang am besten ganz von vorne an. Ich vermute, dass deine Traurigkeit etwas mit dem Treffen mit deiner leiblichen Mutter zu tun hat, oder ich irre mich …“, begann er zu sagen und dann platzte mein ganzes Chaos aus mir heraus. Ich berichtete ihm alles, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte. „Liebste, der Tod gehört im Leben dazu. Falls es passiert, dann muss man dadurch und die Person in seinem Herz lassen, falls man sie liebt …“, meinte er. Seine Reaktion wirkte kühl, aber er verstand, dass es für mich nicht einfach war. Er wischte mir sanft die Tränen von den Wangen und schaute mich mit seinen funkelnden braunen Augen an. „Amaris, ich verspreche dir, dich in guten, sowie in schlechten Zeiten zu unterstützen und an deiner Seite zu stehen. In Freude und Leid, ich möchte mit dir …“, wollte er ein Versprechen an mich ablegen. Ich schrak leise in mich hinein, da ich diese Worte und Sätze schon mal irgendwo gehört hatte.
Ozul hob eine Augenbraue hoch und wollte wissen: „Hab ich etwas falsches gesagt?“
Ich schwieg und flüchtete in meine Gedanken. In guten, sowie schlechte Zeiten, in Freude und Leid … Ich möchte mit dir eine gemeinsame Zukunft planen, ich möchte deine Muse sein, die Liebe deines Lebens auf ewig sein, dein Anker im weißen Herzen… der Pfeil in deinem Herz. ... Ich erinnere mich … In meinem Lieblingsbuch Black Diamond legte Striga der Imperatorin Sidhi ein Versprechen ab und zwar den Frieden zu wahren.
Hier wollte Ozul mir ein Liebesversprechen aussprechen und änderte es leicht. Es klang mehr nach einem Versprechen, das sich ein Paar bei ihrer Hochzeit gab. Wollte Ozul mir dies in diesem Augenblick schon andeuten, dass er sich in seinen Gedanken, eine Hochzeit mit mir plante?
Auf jeden Fall wäre dieser Gedanke nicht real: Zum ersten Punkt war ich noch minderjährig, obwohl Qadira auch noch minderjährig war, als sie Thorn geheiratet hatte, doch dies waren andere Zeiten und andere Beweggründe standen bevor. Der zweite Punkt, wir führten erst seit sechs Monate eine Beziehung und es könnte sich vieles noch verändern. Ich konnte selbst dies nicht vorhersehen, aber vielleicht konnten meine beste Freundinnen Hesperia und Eranthe mir dabei helfen. Sie konnten die Zukunft lesen, anhand von Tarotkarten. Dritter Punkt … Egal, ich wollte wissen, was es mit dieser Ansage auf sich hatte, aber die Angst es falsch herüberzubringen war groß. Mein Freund wiederholte stattdessen seine Frage noch einmal.
„Nein, du hast nichts falsches gesagt, aber es klingt so, als wolltest du mir ein Eheversprechen andeuten“, stellte ich ihn mit meiner Hypothese.
Er schmunzelte verlegen und meinte scherzend: „Ja, da hast du mich wohl erwischt.“ Also doch! Wie konnte er sich nur sicher sein, dass ich die Richtige für ihn war? Immerhin war ich das Mädchen, das sich zuerst in ihn verliebt hatte, bis er mit seinen Gefühlen ins Reine ging und sich später klar wurde, dass er sie mir erwidern wollte.
Natürlich machte ich mir Gedanken um meine Zukunft, aber würde die erste wahre Liebe alles gemeinsam schaffen? Für mich waren es immerhin zwei Jahre, bis ich den Highschool Diploma Abschluss in der Tasche haben werde und dann mein Studium ins Kunstcollege dieser Muriel Rachel absolvieren sollte. (Drei Jahre würde dies dauern) Würde Ozul solange auf mich warten wollen? Oder was wäre, wenn er eine andere Entscheidung traf?
Unsicherheit kroch in meinem Herzen.
„Wir haben ja noch Zeit, meine Liebste.“, meinte er dann. Ich flüchtete wieder in meine Gedanken, dachte an den Vorschlag meiner Adoptivmutter und fragte meinen Freund, ob er am folgenden Tag mit mir und meiner Adoptivmutter mitkommen mochte, da ich eine moralische Unterstützung brauchte, um mich mit meinem Schicksal auseinanderzusetzen.
Ozul bejahte meine Frage: „Ich habe es versprochen.“
Schließlich schlief ich in seinen Armen ein.
Sechs Tage später: 7. Juli 2007 -zwei Tage vor dem Gerichtstermin
An diesem Tag besprachen meine Adoptiveltern und ich das Verfahren des Sorgerechts, worum mein Onkel sie darum gebeten hatten. Ich äußerte meinen Wunsch, meine Adoptiveltern in den Ferien zu besuchen, solange ich meine Schule und das Internat absolvierte und wünschte mir zudem, sie auch mal an Wochenenden sehen zu können. Qadira und Thorn waren damit einverstanden und hofften, dass Cadell ebenfalls einverstanden wäre. Mein Adoptivvater musste ihm Bescheid geben, da mein Onkel zwei Tage später einen Gerichtstermin für die Scheidung bekommen hatte. Ozul und ich saßen am Tisch mit meinen Adoptiveltern und aßen zum Mittagessen. Meine Adoptivmutter hatte gebratene Maultaschen und grüner Salat mit ein paar Scheiben roter Beete, ein paar kleine Stücke Apfel und Cocktailtomaten mit einem Balsamico-Dressing.
Kurz darauf klingelte unser Festnetztelefon. Wer wohl um diese Uhrzeit stört, dachte ich still. Thorn stand auf und griff nach dem schnurlosen Gerät und ging dran. „Ward?“, hakte er nach und wenige Minuten darauf hörte ich Cadells Stimme an der anderen Seite des Hörers. Qadira schaute mit betrübten Blick zu meinem Adoptivvater und flüsterte leise ein Gebet in sich hinein.
„Ja, das wäre gut,wenn das klappen würde“, hörte ich Thorn weiter.
„Es wird alles in seine richtige Bahnen laufen“, versuchte Ozul mich zu ermutigen, „ich hoffe, dass dein Onkel einen guten Anwalt hat.“ Ich stimmte seiner Aussage zu. „Ich werde Sie weiter verbinden. Einen kurzen Augenblick bitte.“ Thorn übergab mir das Telefon.
„Hallo?“
„Hallo Amaris, meine werte Nichte, wie geht es dir?“
„Oh hey Cadell. Ja soweit alles in Ordnung und bei dir?“
„Viel zu tun. Mr. Owens, mein Anwalt tut alles dafür, dass ich Recht bekomme. Er hat mir zu einer Härtefallscheidung geraten, sodass Adrienne keinen einzigen Cent von mir bekommt und das ich das alleinige Sorgerecht von Valerian bekomme. Ich habe mit deinem Adoptivvater besprochen, wie wir uns einig werden mit deinem Sorgerecht. Ich finde es eine gute Entscheidung, dass auch du deinen Wunsch geäußert hast. Ich werde es auf jeden Fall mit Mr. Owens besprechen, da ich in wenigen Stunden einen Termin bei ihm habe. Stell dir vor, Adrienne ist tatsächlich zu Rox gezogen.“
„Cadell, versprich es meinen Adoptiveltern und mir, dass alles gut verlaufen wird!“, bat ich ihn darum.
„Amaris, Mr. Owens wird alles tun, was in seiner Macht steht. Wir sehen uns am 15. Juli wieder. Bis dahin wünsche ich dir noch ein paar schöne Wochen bei deinen Adoptiveltern. Auf Wiedersehen, werte Amaris!“, sagte mein Onkel mir formell.
„Bis dann, Cadell!“ Ich legte auf und seufzte. Ich wusste es: Adrienne war relativ alles gleichgültig und sie wollte Valerian eh nicht zu sich holen. Sie war der Meinung, dass sie soviel in ihrem Leben verpasst hätte. War dies eine Ausrede oder wirklich so? Es war schon schlimm genug, dass Valerian von seiner Mutter geohrfeigt wurde. Es musste etwas passieren.
***
9. Juli 2007: der Gerichtstermin
Am Tag der Gerichtsverhandlung kam es zu einem lasterhaften Wiedersehen. Adrienne kreuzte mit Rox auf, der vor dem Saal warten sollte. „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“, waren ihre Worte. Cadell nickte nur. Er wollte sie nicht provozieren. „Mrs. Myld, Sie haben genug angerichtet.“, mahnte Cadells Anwalt meine Tante.
Der Richter Mr. Zeoderex trat vor und sprach die Situationslage an. Mr. Owens erklärte Cadells Situationslage und seine Rechte für ihn. Später wurde Adriennes Anwalt befragt und Adrienne zog eine sehr große Show ab. Sie erzählte das Gegenteil. Mr. Owens legte die Beweise gegen meine Tante beim Richter offen: die Aufnahmen von Gesprächen, die auf dem Anrufbeantworter aufgezeichnet wurden, wo Adrienne eindeutig meinen Onkel und Valerian drohte und Fotos von Valerians Verletzungen. Über die Verletzungen hatte mein Halbbruder mit mir nie wirklich gesprochen. Ich hatte nur die Ohrfeigen in Erinnerung. Auch zu Valerians und meinem Wunsch zum Sorgerecht äußerte der Rechtsanwalt sich beim Richter. Der Brief, den Adrienne damals anscheinend von meiner leiblichen Mutter hatte wegen meinem Sorgerecht, war eine Fälschung, nachdem ein Graphologe das Schriftstück untersucht hatte und es für eine Fälschung hielt. Balduin hatte nämlich ein Schriftzug von Trista gehabt und Cadell es zur Sicherheit gegeben. Adrienne hatte die Handschrift meiner leiblichen Mutter tatsächlich gefälscht. Wie konnte sie nur damals damit durchkommen? Sie versuchte mit allen Mitteln jeden seelisch zu zerstören, sowie Rox einem körperliche Schmerzen zufügte im Fall zu Trista. Ihr Anwalt baute Gegenargumente auf, die Cadell belasten sollten, aber nichts davon konnte sie beweisen.
Mein Onkel wurde unruhig und beide schrien sich gegenseitig an. „Ich bitte um Ruhe, meine Herrschaften!“, forderte der Richter sie laut auf. Mr. Owens versuchte Cadell zu beruhigen und schlug sich tapfer für ihn durch den Prozess. Der Richter hörte ihm zu und beschloss schließlich, dass Cadell Recht bekam. Der Brief mit den folgenden Punkten und der Rechtsprechung würden man ihm per Post schicken. Cadell war froh, dass alles gut soweit gelaufen war und dass das Recht auf seiner Seite war. Er dankte Mr. Owens für die großartige Unterstützung.
Adrienne war außer Wut und stürmte schließlich aus dem Saal heraus: „Komm, lass uns gehen Rox! Wehe, Valerian oder du kommt in meine Nähe. Und Amaris kann auch meinetwegen verrotten! Die kleine Göre soll sich daran noch gewöhnen!“
„Ach auf einmal? Soweit ich weiß, wolltest du sie ja noch vor einem Jahr zu uns holen und jetzt nicht mehr? Tja, ich sage nur, dass das Pech für dich ist, denn ich habe heute mein Recht bekommen. Und jetzt auf nimmer wiedersehen!“, verabschiedete sich mein Onkel von ihr sarkastisch. Von Rox ließ er sich nicht bedrohen. Ich werde Amaris und Valerian vor euch schützen, koste es, was es wolle!, dachte er still für sich.
Rox brüskierte sich und drohte Cadell: „Die zwei Bastarde werde ich mir noch holen. Du weißt, was denen brühen wird!“„Tzz!“, stieß Adrienne von sich seufzend. Sie stapfte mit Rox die Treppen herunter mit ihren Absatzschuhen.
Nun waren die beide auf sich allein gestellt und Cadell hatte seine Ruhe.
10. Juli 2007: ein Tag nach dem Gerichtstermin: 11 Uhr morgens
Ich schlief mit ein paar Unterbrechungen bis kurz vor Mittag, öffnete meine Augen und sah leicht verschwommen, dass Ozul vor dem Fenster auf meinem Schreibtischstuhl saß. In seinen Händen hielt er ein Notizbuch und bewegte seine linke Hand nervös mit einem Kugelschreiber. „Was soll ich denn heute für einen Song schreiben?“, fragte er sich selbst mit gereizter Stimme. Er notierte etwas hin und riss wieder eine Seite aus dem Heft: „Nicht schon wieder!“ Er zerknüllte das Papierstück und warf es in den Mülleimer. Ich bemerkte, dass er unruhig war und schlich mich vorsichtig an ihn an, um ihn nicht zu verunsichern und legte meine Hand auf seine Schulter.
„Ist alles in Ordnung, Darling?“, hakte ich bei ihm nach. Er seufzte und schilderte mir die Situation. Mein Liebster wollte unbedingt neue Songtexte schreiben, um so schon ein paar Ideen mit seinen Kollegen zu besprechen und reichte mir seinen Block und fragte mich nach meiner Meinung. Ich las mir die ersten Zeilen durch: The snow is falling down, Her heart is made of stone, Trying to reach her on the phone, But she can’t be here …
„Es klingt doch gut, aber von wem sprichst du in diesem Song?“, wollte ich von Ozul wissen.
„Liebste, dieses Lied hat nichts mit dir zu tun und falls du fragst, ob es mit meiner Ex zu tun hat, kann ich dir versichern, auch mit ihr hat dies nichts zu tun. Mich macht es nur fertig, dass ich nicht weiter komme“, seufzte er.
Ich nickte ihm zu, stellte mich hinter ihn und massierte seine Schultern. Vielleicht konnte er sich so etwas entspannen. Mein Freund tastete nach meinen Händen und streifte sanft über deren Rücken. Er seufzte noch einmal und atmete einmal tief ein und aus. Wir schwiegen uns eine Weile an.
Eine knappe halbe Stunde später beschloss ich duschen zu gehen. Ich wollte gerade meinen Bademantel ausziehen, da bemerkte ich, dass Ozul direkt hinter mir war. Ich hatte mich erschrocken. „Wolltest du auch gerade duschen gehen?“, fragte ich ihn mit verschreckter Stimme.
„Ja“, flüsterte er und schloss die Tür vom Badezimmer. Er näherte sich mir und lächelte. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Seine Augen fokussierten sich auf meine. „Entschuldige, dass ich dich erschreckt habe. Es war nicht meine Absicht. Ich habe gedacht, dass wir doch gemeinsam duschen gehen können“, sprach er leise, als er seine Lippen auf meine sanft legten. Ich zeigte mich nicht gerne nackt und schämte mich etwas.
„Schatz, es ist alles gut“, sagte er mit ruhiger Stimme, um mich in Sicherheit zu wiegen. „Du brauchst dich nicht zu schämen." Ich überwand mich bemühend. Wir zogen uns aus und gingen gemeinsam unter die Dusche. Ich stellte noch schnell die Temperatur ein und ließ das Wasser auf unsere Körper prasseln. Ozul war hinter mir. Er küsste sanft auf meine Schultern, während er mich leidenschaftlich berührte. Auch meine Brüste berührte er und drückte mit seinen zwei Zeigefinger leicht auf meine mittlerweile harten Brustwarzen. Es kribbelte in mir und ich ließ es mich doch darauf ein, drehte mich doch wenig später in seine Richtung und berührte seinen Oberkörper. Ich versuchte nicht auf sein Glied zu schauen, da dies mir noch etwas unangenehm war. Ich wollte mir später Gedanken über mein erstes Mal machen, auch wenn er schon ein kleines Vorspiel gerade andeutete. Dabei wollte ich es bei dieser Situation erstmals belassen. „Du bist wunderschön! Du bist einzigartig, Liebste“, sagte er mit leicht stöhnender Stimme und stahl sich einen Kuss.
„Darf ich deinen Rücken und Oberkörper einseifen?“, wollte er kurz darauf von mir wissen. Ich nickte ihm zu.
„Dann dreh dich bitte zu meiner Seite!“
Ich drehte mich zu ihm um, sodass mein Rücken an ihm war und er cremte meinen Rücken mit Körperseife ein. Ein Duft von Beeren und Lavendel stieg in meine Nase. Ozul küsste meine Schläfe und ich versuchte mich zu entspannen. Ich spürte die Muskeln seiner Hände auf meinem Rücken. Mein Kopf malte sich eine atemberaubende Situation aus und die sanften Berührungen. „Alles gut?“, erkundigte sich Ozul nach meinem Wohlbefinden.
„Ja, es ist alles gut.“
Ich wusch mir die Haare und massierte Ozuls Kopfhaut mit Shampoo.
„Das gefällt mir“, sprach er und doch ging er leicht in die Knie, da er ja sehr groß war. Immerhin war ein 30 cm Körpergröße Unterschied zwischen uns. Wir beendeten unser Bad und trockneten uns ab.
„Ich habe gesehen, dass dir mein kleines Vorspiel gefallen hat oder ich täusche mich, aber ich möchte dir sagen, dass du jede Zeit der Welt hast, dir Gedanken zu machen, wann du mit mir schlafen willst. Es ist immerhin deine Entscheidung“, versuchte er mir zu versichern.
„Ja, es wäre gut, wenn du mir noch Zeit gibst“, stimmte ich ihm zu. Wir schlüpften in unsere frischen Klamotten. Ich schaute auf die Uhr im Bad. Es waren 10 Minuten vor Mittag.
11 Uhr 50
„Ich denke, wir sollten mal nach unten zu deinen Adoptiveltern“, schlug er vor. Ich nickte ihm zu und wir gingen aus meinem Zimmer heraus. Wir gingen die Treppen herunter und da hörte ich meine Adoptivmutter sagen: „Was ist denn Coco? Raus willst du nicht und Hunger hast du auch nicht. Also, was möchtest du dann?“
Offensichtlich sprach sie mit unserer Katze. Wir schritten in die Küche.
„Hallo Mama!“, grüßte ich Qadira. Sie drehte sich zu mir um und wirkte benommen: „Oh hallo Amaris, Schätzchen. Ich habe euch gar nicht kommen hören. Entschuldigung! Ihr habt aber lange geschlafen. Thorn ist gerade im Wohnzimmer und sucht gerade nach den Fotoalben, die ich dir zeigen wollte. Ich denke, es wäre gut, wenn du zuerst die Fotos ansehen würdest. Wir können noch immer irgendwann nach Smitten fahren. Würde es dich stören, wenn Ozul die Fotos mit ansehen wird?“, fragte sie mich aufgeregt. Sie hatte entschieden die Fahrt auf ein anderes Mal zu verschieben, da sie mich vielleicht nicht zu sehr überfordern wollte. Es tat gut zu wissen, dass sie akzeptierte, mich nicht mit noch weiteren vielen Dinge zu überfallen, da ich die letzte Zeit genug Situationen hatte, die mich in ein Gedankenchaos gebracht haben.
„Nein, außer du möchtest sie nicht ansehen, Darling“, sprach ich zu Ozul.
„Liebste, ich habe dir versprochen, dass ich dir meine Stütze gebe. In guten sowie schlechten Tagen.“
„Oho Ozul, höre ich etwa daraus, dass du Amaris den Hof machen möchtest?“, fragte meine Adoptivmutter meinen Freund mit einem Lächeln.
„Mrs. Ward, ich liebe Amaris sehr und ich merke, dass sie die Richtige für mich ist.“
Zweifel kamen jedoch hoch, doch warum nun ich wusste es nicht genau.
Wie kannst du dir sicher sein? Für mich bist du es, aber warum ich deine? Du könntest so viele andere haben. Warum hast du mich gewählt?
Vor paar Stunden war doch alles in Ordnung und daher verstand ich dies nicht, doch ich wollte nicht auf dieses Gespräch eingehen. Jedoch sprachen meine Gedanken Zweifel. Eigentlich sollte ich doch glücklich sein, aber vielleicht war diese Angst wieder da, dass ich das selbe Schicksal wie meine leibliche Mutter erleben könnte.
Plötzlich hörte ich meinen Adoptivvater aus dem Wohnzimmer nach uns rufen: „Ich habe die Fotoalben gefunden.“
12 Uhr 15
„Wir kommen“, rief Qadira an unserer Stelle. Wir alle 3 begaben uns in Wohnzimmer. Mein Adoptivvater befahl uns, sich aufs Sofa hinzusetzen und sagte mir: „Amaris, nimm dir die Zeit, die du brauchst. Du kannst uns nun die Fragen stellen, auf denen du die Antworten haben möchtest. Es tut uns auf jeden Fall sehr leid, dass Trista dir diese nicht geben wollte. Wir haben es versucht, ihr es ins Gewissen zu reden, aber es sind zu viele Wunden, die in ihr aufgehen, trotz dass sie versucht ihre Traumata in einer Therapie zu verarbeiten, aber den Schmerz können wir ihr nicht weg nehmen.“ Ich nickte ihnen zu. Enttäuscht war ich schon, da meine leibliche Mutter mir schon beim ersten Treffen keine Antworten geben wollte, aber ich musste ihren Wunsch respektieren.
Ich rang mich mit meiner ersten Frage durch. Ich wollte wissen, wie sich meine Adoptiveltern unter sich kennengelernt haben, indem Thorn uns das erste Fotoalbum überreichte. „Ich hatte das schon irgendwie im Gefühl, dass du mit dieser Frage zuerst kommen würdest, Amaris“, äußerte er sich mit einem kleinen Schmunzeln. „Oh Schätzchen. Schaue mal in dieses Album und wir erzählen euch von unserem Kennenlernen.“ Ich schlug das Album auf und las die Überschrift dieses Album: Accompanied by dreams and memories. Das Album war mit Fotos und mit verschiedenen Tickets oder Karten bestückt. Vermutlich hat Trista hier ein paar Erinnerungen auch hier hinterlassen., dachte ich still, doch wollte meine Adoptiveltern nicht damit überrumpeln.
Auf der ersten Seite erkannte ich einen Stammbaum, der von Qadiras Familie und auf der anderen Seite Thorns Familie. Ich las alle Namen durch. Selvaggia und Béla Ace-Feva waren die Eltern von meiner Adoptivmutter Gatsendis und Eriulf Ward-Kobe meines Adoptivvaters. Meine bisher unbekannten Adoptivgroßeltern, von denen ich nie etwas gehört hatte. „Das sind die Namen von deinen Großeltern. Es tut uns leid, dass du die beide Seiten nicht kennenlernen konntest.“, entschuldigte sich Thorn bei mir.
„Warum nicht?“, wollte ich von ihm wissen.
Thorn erklärte es kurz: „Amaris, wie sollen wir dir dies erklären? Du musst dir unsere Liebe, wie die von Romeo und Julia vorstellen, dass beide Elternteile von beiden Seiten sich nicht ausstehen konnten, und wir beide für unsere Liebe kämpfen mussten.“, erläuterte meine Adoptivmutter mir.
Ich verstand nicht, wie er das meinte. Und die Geschichte von Romeo und Julia kannte ich bis dato auch nicht.
„Romeo und Julia?“
„Eine große Tragödie, wenn du verstehst, was wir meinen, Liebes. Romeo und Julia ist eine Tragödie von William Shakespeare. Die Geschichte bzw. Theaterstück handelt von zweier Liebenden, deren Familien verfeindet waren. So ähnlich kannst du nun Qadiras und mein Schicksal vorstellen. Unsere Mütter waren verfeindet, obwohl Qadiras Vater bei meinem Vater in der Firma als Angestellter arbeitete, Was der wahre Grund war, wissen wir beide noch heute nicht, da wir den Kontakt zu unseren Eltern abgebrochen haben. Ich wurde damals von meinen Eltern mit einer anderen Frau verlobt, deren Name Auschra of Cartun war, die ebenfalls mit mir früher auf die Uni ging, um Medizin zu studieren. Wir kannten uns seit Kindertagen und waren eher gute Freunde, doch eine Partnerschaft kam für uns nicht in Frage. Auschras Vater hatte mit meinem Vater eine Firma aufgebaut und daher war sie für meine Mutter eine bessere Partie. Also gingen meine Ex-Verlobte und ich diesen Deal ein.
Jedoch wollte ich unabhängig von meinen Eltern sein. Um mein Studium zu finanzieren, jobbte ich damals in meinem letzten Jahr des Studiums im Modesty Restaurant als Kellner in Prieminçoi.
Und an diesem besagten 14. Februar 1988 besuchte mich Qadira in diesem Restaurant mit Trista. Ich wusste nicht, dass sie die Tochter von Béla Ace war. Ich war wie vom Blitz getroffen, als ich sie gesehen habe. Ihre Stimme war so rein und klar und ihr Charme hatte mich mit voller Magie bezwungen. Tausende Schmetterlinge ließ sie in mir fliegen“, begann mein Adoptivvater zu erzählen und von meiner Adoptivmutter zu schwärmen.
„Denke daran Amaris, ich war damals noch 14 Jahre alt und dein Vater ist ja immerhin 10 Jahre älter als ich, aber er gefiel mir vom ersten Augenblick her. Du kannst dir unsere Begegnung vorstellen wie die von Elvis Presley und Priscilla Beaulieu, in der Situation wegen dem Altersunterschied. Ich war also drei Jahre jünger als du Amaris. Thorn ist mir sofort aufgefallen, als ich mit Trista in diesem besagten Modesty Restaurant war, da er unsere Mäntel in die Garderoben brachte und uns zu unserem Tisch führte. Er erkundigte sich mehrmals nach unserem Wohlbefinden, doch besonders zu mir sprachen unsere Blicke der Liebe.
Jedoch hatte ich Zweifel und dachte mir, so ein Mann will mich nicht, alleine da er viel älter als ich war“, fügte Qadira hinzu.
„Und du mit deinem bezauberndem Lächeln … Allerdings, Darling, du hattest dich nicht getraut nach meiner Nummer zu fragen und daher hab ich dir meine Nummer auf die Serviette geschrieben und die Nachricht: Würde mich freuen, mit dir ausgehen zu dürfen. Ruf mich bitte an! Ich glaube, Trista hat da nachgeholfen, sonst wären wir nie miteinander ausgegangen und sie war dein Alibi, als du dich mit mir heimlich getroffen hattest. Du hast mich jedoch 3 Monate warten lassen. Und hier meine liebe Amaris, hier siehst du ein Foto von Qadira und meinem ersten Date. Qadira, Schatz, kannst du dich noch daran erinnern?“
Ozul hörte ihnen aufmerksam zu, während ich meine Adoptiveltern fragte: „Also ihr habt euch im Jahr 1988 getroffen, stimmt’s? Es fällt mir ein, dass das auch Ozuls Geburtsjahr war. Nicht wahr, Liebster?“, fragte ich und schaute zu Ozul. Ozul streifte mit seiner Hand über meinen Arm. „Das stimmt“, wendete er kurz ein.
„Ach wie schön, euch glücklich zu sehen. Es fühlt sich genau so an, als wäre es auch erst gestern gewesen, als Thorn und ich zum ersten Mal miteinander ausgingen ... Hier schaut uns beide an. Unser erstes Date war am 7. Mai 1988 in einem Autokino.“
„Und was haben Sie sich angeschaut?“, wollte Ozul von ihnen wissen.
„Ich erinnere mich nicht mehr, was der Name des Films war, aber es war auf jeden Fall ein Actionfilm.“, sagte Thorn.
„Ohja, ich erinnere mich genau, wo noch der Kassierer meinte, ob du mit deiner kleinen Schwester einen Kinderfilm anschauen mochtest. Und du hast gemeint „Nein, sie mag lieber Actionfilme.“ Und dieser Blick des Kassierers, das hättest du sehen sollen, Amaris, der war einmalig. Thorn und ich mussten uns so zusammenreißen, um den Kassierer nicht auszulachen“, meinte Qadira und versuchte die Grimasse nachzuahmen. Ozul und ich lachten und ja es war ein schönes Foto von den beiden in einem MG MGB V8 Cabriolet. Sie waren glücklich.
Man könnte sagen eine unbeschwerte Zeit. Weitere Fotos zeigten beide von sich einzeln. Ein paar verrückte Fotos. Thorn war etwas in der Mode im New Wave in seinen Teenager Jahren angezogen, außer in seinen Zeit während seines Studiums nahm er die Gestalt eines Bankers an, obwohl er Medizin studierte. Qadira dagegen war im Stil von Steampunk bis in die Dark Wave Zeiten gekleidet. Auch ein paar Fotos von meinen Verwandten waren zu sehen, aber ich wollte keine Fragen weiter zu ihnen stellen, da ich mehr Fragen zu meiner leiblichen Mutter hatte.
Bevor ich diese Fragen stellen wollte, wollte ich wissen, wie ihre Eltern herausgefunden hatten, dass sie miteinander ausgingen.
„Aber wie haben eure Eltern herausgefunden, dass ihr in einer Beziehung seid?“, wollte ich von meinen Zieheltern wissen.
„Unsere Treffen zwischen ihr und mir fanden immer an einem anderen Ort statt und dies einmal im Monat bis Qadira sechzehn war. An einem Abend suchte ich das Gespräch mit Auschra, um ihr mitzuteilen, dass ich die Verlobung auflösen wollte. Für sie war es eine Erleichterung, da sie wusste, dass nur unsere Eltern uns verkuppeln wollten. Als meine Ex-Verlobte und ich vor meinen Eltern die Verlobung auflösten, waren sie empört. Sie empfanden dies als eine Schmach, auch als ich ihnen offenbarte, dass ich mein Studium abbrechen werde. Für mich war es jedoch wichtig, glücklich nun endlich frei sein für Qadira.
Ich nahm einen Kredit auf, um unser Haus in Wicked Rose zu kaufen. Viele Sachbearbeiter kamen vorbei, um nachzusehen, ob wir gemeinsam zurecht in unserem neuen Heim kamen, obwohl ich zwei Jobs annehmen musste, um uns ein gutes Leben zu finanzieren. So kämpften wir gemeinsam gegen unsere Eltern, dass wir früher heiraten und auch, dass wir dich später adoptieren konnten. Zum Glück hatte uns der Richter die Rechte zugesprochen, obwohl es auch ein schwerer Kampf war. Etwas später begann ich auch meine Umschulung zum Gastwirt, als du bereits auf der Welt warst. Qadira und ich heirateten am 15. Dezember 1990. Da warst du noch sehr klein, knapp sechs Monate warst du gewesen.“, erzählte Thorn.
Ganz so einfach war es jedoch doch nicht gewesen. Meine Adoptivgroßmütter waren im Streit, meinen mütterlicherseits Adoptivgroßvater konnte ich nicht einordnen. Selbst Qadira sprach nie von ihren Eltern. Ich wusste auch nicht, ob ich ihr Fragen über sie stellen mochte. Vielleicht war es besser so, da ich sie nicht beunruhigen wollte, da ihre und Thorns Eltern halt ein schwieriges Familienverhältnis hatten. Daher tat Thorn selbst alles dafür, dass meine Adoptivmutter und er sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen konnten.
12 Uhr 50: 35 Minuten später
Qadira überreichte Ozul und mir das zweite Album und sprach: „Nun kommen wir zum zweiten Album: Das Album haben deine Mutter und ich gemeinsam angefertigt. Besties for life! T+Q <3. Amaris, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich dir so gut es geht, die Antworten zu deinen Fragen zu geben, die dir gefehlt haben.“
Da kamen wir auf die Fotos von Trista und ihr.
Auf ein paar dieser Bilder schnitten meine leibliche Mutter und Adoptivmutter witzige Grimassen mit Getränken in der Hand. Unter diesem Bild waren ihre beiden Namen aufgeschrieben und Sie saßen gemeinsam in einem Zelt. Unter dem Foto stand die Jahreszeit und das Jahr: Sommer 1986. Am Rande waren ein paar kleine Motive gezeichnet „Da scheint sie sehr glücklich gewesen zu sein. Was ist vor meiner Geburt für ein Mensch gewesen? Hast du sie auch im Black Lake Gymnasium kennengelernt?“, wollte ich von Qadira wissen. Sie erzählte mir von meiner leiblichen Mutter: „Trista und ich lernten uns im Jahr September 1985 auf der Aufnahmezeremonie vom Black Lake Gymnasium kennen. Meine ehemalige Schuldirektorin war der Meinung, ich könnte dort eine bessere Schulausbildung bekommen.“
„Bei Hesperia und Eranthe und mir ist es genauso passiert. Aber warum hast du mir nie erzählt, dass du auch auf dieser Schule warst?“
„Da haben wir eine Parallele gemeinsam. Es tut mir Leid, dass ich dir dies nie erzählt habe. Ich hatte Angst, du würdest mich dafür hassen, weil du uns ja weg genommen wurdest“, erklärte meine Adoptivmutter lächelnd fest und doch etwas traurig. Sie fuhr fort: „Trista war eine Rebellin in ihrer Teenager Zeit. Sie ist auf der einen Seite eine sehr sture Persönlichkeit gewesen und hatte meist auch andere Meinungen zu Themen. In ihren Augen sollte deine Mutter gehorsam und ehrgeizig sein, genauso wie Adrienne. Sie hatte sich ihnen jedoch widersetzt. Sie suchte nach Abenteuer und hatte Träume, denen sie folgen wollte und riss öfters von Zuhause aus. Im Black Lake Gymnasium fand sie in Mrs. Uleaven, unsere Kunstund Vertrauenslehrerin das Vertrauen und Maleah und ich die besten Freundinnen von Trista. Und ja deine Mutter war die beste Künstlerin in unserer Schulzeit. Sie hatte wie du den Kunstpreis erhalten in der 10. Klasse. Unser Thema für den Wettbewerb war jedoch Schmerz und Leid. Das war im Anfang des Jahres 1989...“
Qadira zeigte mir das Foto, wo Trista ihren Preis erhielt und ich erkannte eine weitere Frau auf diesem Foto. Ich dachte erst, ich würde mich täuschen, aber es sah so aus, als wäre es Mrs. Capulova in jüngeren Jahren, die meiner Mutter eine Pergamentrolle überreichte. „Ist das nicht Mrs. Capulova?“, fragte ich bei meiner Ziehmutter nach. Sie nickte und hob eine Augenbraue überrascht hoch: „Ja, das ist sie. Hat sie etwa dir auch den Preis überreicht?“ Ich nickte ihr zu. Bevor wir weiter die anderen Fotos ansahen, fragte Thorn, ob wir nicht eine kleine Pause machen wollten, da es immerhin viele Fotos waren. Mein Freund brauchte tatsächlich eine, da er auf der Terrasse eine Zigarette rauchen gehen wollte. Qadira holte uns etwas zu trinken.
Ozul kam wieder in Wohnzimmer und hielt meiner Ziehmutter die Tür auf, als Qadira mit einem Krug Eistee herein schritt.
Ich schaute noch mal genau ein Foto von meiner leiblichen Mutter an. „Du hast wirklich sehr viel Ähnlichkeit mit deiner leiblichen Mutter, aber du bist noch viel hübscher“, machte Ozul mir als ein Kompliment. „Darling, bitte lass das! Du weißt doch, dass ich mit Komplimenten nicht gut umgehen kann!“, erinnerte ich ihn. „Tut mir leid“, flüsterte er die Wörter. Mein Gedanke sagte mir: Du bist mutiger als du glaubst, Amaris und stärker als du scheinst. Du musst anfangen, um großartig zu werden. „Ich werde die Longdrink-Gläser aus dem Schrank in der Küche holen. Ihr könnt schon mal ruhig weiter Fotos anschauen. Ich bin gleich zurück.“, sagte Thorn.
„Ich habe für euch hier Hibiskus-Eistee gebracht, es ist Amaris Lieblingsgetränk“, erläuterte Qadira zu Ozul. „Danke Mama! Ich habe diesen schon lange nicht mehr getrunken.“, bedankte ich mich glücklich bei ihr. Es freute mich sehr, dass sie mein Lieblingsgetränk zubereitet hatte und sie auch, dass sie mir damit eine Freude machen konnte. „Ich habe ihn mit etwas Honig gesüßt“, fügte sie hinzu. „Vielen Dank, Mrs. Ward, das passt schon“, sagte Ozul. Thorn kam mit den Gläsern und im inneren ein paar Eiswürfel.
Dann schenkte meine Adoptivmutter uns etwas Hibiskus-Eistee ein. Ich trank einen Schluck und fragte meine Adoptivmutter, ob Trista es bereut hatte, mich abzugeben. „Amaris, du musst wissen, dass ihr es schwer gefallen ist, aber sie hatte Angst, dass Rox dir etwas antun würde, sowie deine leiblichen Großeltern. Seit du auf der Welt warst, hatte sie diese Angst, daher mussten Thorn und ich ihr versprechen, dich in einer sicheren Umgebung aufwachsen zu lassen, trotz dass auch unsere Eltern dich nie kennenlernen würden.“
„Ich verstehe, aber ich habe Tiudoricus und Astarte letztes Jahr am ersten Weihnachtstag gesehen. Und Rox dieses Jahr, aber ich dachte Balduin hätte Trista zu einer Aussprache geraten“, sagte ich ihnen mit aufgeregter Stimme.
„Ich erinnere mich und ja Balduin hat sie durch gerungen, dass die Zeit gekommen wäre, dir endlich zu schreiben, was sie getan hat. Auf jeden Fall tut es uns sehr Leid, dass wir dich die nächsten Jahre leider weiter bei Cadell und Valerian wohnen lassen müssen. Wir mussten das deinem Onkel versprechen, aber wir hoffen, dass Adrienne nicht mehr zurückkommt. Ozul, was ist eigentlich mit deiner Familie?“, erklärte Qadira ängstlich. Mein Freund erzählte ihr die Kurzversion, dass seine Mutter ihn in die Babyklappe gelegt hatte und in Kinderheimen aufwuchs, da er keine Bindung zu Pflegefamilien aufbauen konnte. Meine Adoptiveltern waren verblüfft, da sie dies nicht nachvollziehen konnten, da er sich wie ein erwachsener und selbstständiger Mann verhielt, dem man seine traurige Kindheit nicht ansah. „Das hat auch viel Energie gekostet“, sagte er mit einem matten Lächeln auf seinen Lippen und wollte nicht weiter auf seine Lage eingehen und bat sie dies zu respektieren. „Also dann möchten wir dich gerne hier willkommen heißen. Immerhin bist du ein sehr sympathischer junger Mann und als Freund unserer Ziehtochter bist du hier jederzeit willkommen, auch wenn ihr noch nicht lange zusammen seid. Wie lange seid ihr nochmal zusammen?“, erklärte meine Adoptivmutter in ihrem und meinem Adoptivvaters Namen.
„Seit dem 6. Januar“, antwortete ich ihr und war überrascht, dass meine Adoptiveltern Ozul in diesem Augenblick schon in unsere Familie einbeziehen wollten. Wenn er der Richtige ist, dann soll es so sein, rieten mir meine Gedanken und trank einen Schluck Eistee. „Ich danke Ihnen sehr und ich versichere Ihnen, dass ich Amaris nicht verletzen werde. Sie ist meine Königin des Mondes.“, setzte mein Freund ein weiteres Kompliment darauf. Ich hatte mich beinahe verschluckt und seufzte genervt: „Ozul!“ „Ozul ist wirklich ein großer Charmeur, nicht wahr?“, stellte Qadira fest. Er nickte. „Ihr wisst doch, dass ich Schwierigkeiten habe, Komplimente anzunehmen.“, erinnerte ich alle drei. „Amaris, ich denke wirklich, dass Ozul keine Witze macht!“, sagte Thorn mir ernst, „es ist doch schön, wenn du ein solches Kompliment bekommst, besonders als eine heranwachsende Frau.“ Ja, sie hatten Recht und doch, es wäre besser, es würde nicht öfters vorkommen. Oh Ozul, seufzte ich still in mich hinein. Wir schauten noch eine ganze Stunde andere Fotos an, wie die von mir und was ich in meiner Kindheit erlebt hatte. Es waren viele Fotos, wo ich auf Qadiras Armen lag oder Thorn mich auf den Schultern hielt.
Kurz darauf entdeckte ich Fotos von einem Tierpark, den wir mal besucht hatten und das war im Jahr 1995. Ich fragte sie, ob ich von diesem Tierpark meine Narbe am linken Unterarm hatte. „Ja, da hatte ein Wolfshund dich gebissen, als du ihn streicheln wolltest, obwohl der Tierschützer und wir dich vor diesem gewarnt hatten, aber du warst zu jung, die Gefahr zu verstehen.“ Bei meinen Kindheitserinnerungen kamen doch ein paar Erinnerungen zurück, die lange in Vergessenheit geraten waren.
Dann entdeckte ich ein Foto von meinem siebten Geburtstag (23.Mai 1997), als ich einen Wassertank, ein Papierblock und eine Palette Wasserfarben geschenkt bekommen hatte. „Du hast Malen immer geliebt, sowie Trista.“
„Ja, das stimmt. Auf der einen Seite sind wir froh, dass du auch im Black Lake Gymnasium bist, da wir finden, dass diese gute Zukunftsperspektiven mit einem qualifizierten Schulabschluss bessere Chancen für deine Zukunft bieten“, erklärte Thorn in seinem und Qadiras Namen. „Du wirst großartig sein Amaris und bedenke, dass du ein Licht der Hoffnung für deine Zukunft in dir trägst. Du bist unser großer Stolz“, fügte meine Adoptivmutter hinzu. Ozul stimmte beiden zu. Ja, es waren viele Fotos und viele Erinnerungen und das löste viele unterschiedliche Emotionen aus, auch wenn es schwierig war, damit umzugehen. Doch ich musste bereit sein, bereit ich selbst zu sein und meinen Weg für meine Zukunft gehen. Und das würde ich tun, wenn die wichtigsten Menschen mich auf diesem Weg begleiten würden.
Schließlich sagte Thorn, dass er und Qadira nun das Mittagessen zubereiten würden. Wir halfen alle mit.
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Sätze: | 4.382 | |
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