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Kapitel: | 4 | |
Sätze: | 1.208 | |
Wörter: | 9.492 | |
Zeichen: | 55.582 |
Das letzte ''Abenteuer'' lag noch gar nicht lange zurück. Die Jahreszahl war zwar auf 2024 umgesprungen. Doch war gewiss noch kein Jahr verstrichen. Auch waren die Straftäter noch nicht verurteilt.
Yis Amander bemühte sich, sein Trauma zu bekämpfen. Er hatte Jild, seinen ernannten Papi, der es sogar akzeptierte, sich diese Rolle anhören zu müssen. Er war nicht sein leiblicher Vater. Dennoch sein Freund, sein Vermieter, sein Arschtreter, sein Lebenslehrer und sein aus der Scheiße Zieher.
Um so mehr ging es dem Jungspund nah, dass der Rentner sein Leben umzukrempeln versuchte und ignorierte, dass er sich in der Wildnis am wohlsten fühlte. In seinen Augen war er weder ''zu alt'' noch zu gebrechlich. Für ihn war er die Verkörperung ''Wildnis'' und genau das wollte er ihm beweisen. Koste es, was es wolle.
Kapitel 7
Vermaledeite Planung, am Arsch!
Endlich war diese Verletzung kein Argument mehr, ihm die Arktis zu verwehren. Und er war so etwas von startklar! Er würde die Arktis zum Schmelzen bringen, so startklar war er, so begeistert war er und so verdammt ungeduldig war er. Sein Blick war wie ein Besessener durch die Glasfront auf das Flugzeug gerichtet, mit dem sie laut Gredo fliegen würde.
„Pinkel dir vor Aufregung nicht in die Hose!“, scherzte er ohne von seinem Handy aufzublicken, dass er beinahe ohne Pause vor sich hielt. „Verdirb du dir nicht die Augen, Herr Papa Aufpasser!“ Er lachte, sah aber immer noch nicht auf, was Yis langsam nervte.
„Hey, kannst du vielleicht deine Arbeit machen?“ „Hast du etwa Angst?“ „Nö aber als kleine Zwischenerinnerung, war meine Behauptung, dass sie mich nicht in der Arktis suchen würden.“ „Und sind wir nicht auf dem Weg dahin?“ „Eigentlich nicht.“ Dies hatte er so gut rübergebracht, dass er mit einem breiten Grinsen feststellen durfte, dass ihm dieser Steinklotz glaubte.
„Das Glü hü hük ist i him mer mi hi hit de e n Do o ofen“, sang er überglücklich. „Brauchst du einen Arzt?“ Sein Blick war eine Mischung aus Witz verstanden und ja, er brauchte definitiv dringend einen Arzt.
„Ich will endlich loslegen!“ Blitzschnell war er auf ein schmollendes Kind umgesprungen. „Brauchst du einen Riegel?“ „Hast du noch einen?“ Bei dieser bettelnden Freude mochte man kaum glauben, dass er vierundzwanzig war. „Klar“, erwiderte man und begann mal wieder mit dem Taschenwirrwarr.
„Pass auf, dass du nicht wieder irgendwo ein Messer findest, nachher schmeißen sie uns hier auch noch raus.“ „Ach, ich hatte doch kein Messer dabei.“ „Nö, war ja nur en metallischer Zahnstocher, der da en bisschen aufgemischt hat. MÄNNLICHKEIT! ... ich glaube, ich sollte ne Beruhigungstablette nehmen.“
Mittlerweile hatte der Freiherr Stifte, Handy, Papiere, Müll, Batterien und ähm ... Hundefell in der Hand. „Doch Flugangst?“ „Ich doch nicht.“ „Hat mir ja nur dein Ziehpapa geschrieben.“ Uninteressiert zuckte er mit den Schultern. „Ich solle achtgeben, dass du vor lauter Panik nicht die Luft anhältst und blau anläuft.“ „Hä, ich kann doch voll lang die Luft anhalten.“ „Ach wirklich?“ „Moment! Du hast mit JILD geschrieben! Ist er hier? Ist er hier? Wo? Wo?“
Als er sich beruhigte, sah er ihn finster an. „Du verarschst mich!“ „Ich habe nie gesagt, dass er hier ist.“ Zu tiefst beleidigt verschränkte er die Arme. „Arschlöcher! Nee, ich meine, Arschloch!“ Das nahm er ihm absolut persönlich und am liebsten hätte er die Änderung von ''Jilds Plan'' zu ''K.F.v.K und G.F.v.K Rettungsplan'' wieder rückgängig gemacht oder zumindest in ''Critacs Abenteuer – voll cool'' umbenannt.
„Kanns jetzt losgehen? Warum ist es hier eigentlich so leer? Fliegen wohl alle in den Süden, was? Memmen!“ Nach seiner Beleidigung kicherte er wieder und entsorgte einfach aus einem Drang heraus alles Unnötige, dass sein adliger Personenschützer bei sich trug.
„Fühlen sie sich ... ey, das Dingsbums Flugdings dingst davon.“ Zweifelnd prüfte er, kaum sichtbar, den Raum, ehe er merkte, dass der bleich gewordene Chaot aus dem Fenster starrte und tatsächlich ihr Flugzeug gerade den Abgang machte.
„Sind wir aufgerufen worden?“ Yis schüttelte den Kopf. „Aber meine Überraschung.“ „Mitkommen! Wir klären das!“ „Aber meine Überraschung! Schon wieder. Das ist doch nicht wahr.“ „Dein Gepäck ist noch hier. Mitkommen!“ Wie befohlen dackelte er ihm niedergeschlagen hinterher.
Dezent aufbrausend wandte sich Gredo an das Personal. Sein Schützling stand außerhalb seines Blickwinkels und marschierte im Kopf den ganzen Weg ab, um ihren Fehler zu finden. Zuerst stieß er nur darauf, dass er beim Einchecken von mindestens zwei Personen wusste, die auch in ihren Wartebereich hätten sein müssen aber nicht waren. Wieder lief er im Kopf alles ab und blieb völlig versteinert vor einer Tafel stehen. Achtundzwanzig! Die Zahl lautete ACHTUNDZWANZIG!
Er atmete tief durch und drängte sich zwischen Gredo und der angestellten Frau. „Gibt es eine Möglichkeit, den nächsten Flug zu bekommen? Es wäre uns sehr wichtig.“ In der Hoffnung, dass diese Sache nicht noch ein viertes Mal scheiterte, setzte er einen Dackelblick auf. Sein Aufpasser fand sein Vordrängeln überhaupt nicht witzig und schob ihn ruppig hinter sich. Eigentlich sollten seine Augen überall sein, im Falle dessen, dass sich hier irgendjemand rumtrieb, der ihm ans Leder wollte aber verdammt, wäre er nicht so ein Schisser, würde er dagegen protestieren aber er tat es nicht und lief unfreiwillig im Kopf noch einmal den gesamten, unnötigen Weg ab.
„So ein elender Dreck!“, murrte der Adlige, nachdem er irgendwie und wahrscheinlich mit noch mehr Getöse, neue Tickets erhalten hatte. Yis selbst hatte sich in seinem Kopf verkrümelt. Verfluchte sich selbst, dass er so überhaupt gar keine Dominanz hatte und dass er sich für seinen Wunsch auf ihn verlassen hatte. Er hätte selbst schauen sollen, er hätte selbst schauen MÜSSEN und jetzt war sein ganzer Plan im Eimer.
„Jemand zu Hause?“ Das am Armpacken riss ihn sofort aus den Gedanken. „MAG DICH NICHT!“, brüllte er seinen Angreifer an. „Danke.“ Davon unterhalten grinste er. „Schreckhaft bist du ja auch noch.“ Es folgten irgendwelche Silben, ehe er das sagen konnte, was wohl auf dem Weg vom Hirn zu den Stimmbändern einen Unfall hatte. „Du machen die Frau verantwortlich für beiner unserer Blendheit! Das ist Vollhödlich!“ „Ich weiß nicht, ob ich mir Sorgen machen sollte.“ „Darum, dass deine Frau jetzt im Flieger sitzt und wir nicht?! Scheiße, jetzt hab ichs auch noch gesagt!“ Verblüfft schwieg der Riese.
„Kann ... Gib mir mal dein Handy. Muss das irgendwie regeln. Wann ist neuer Flug?“ „Morgen 5:55 Uhr.“ „Ich übermittel mal ein voraussichtlich und dass du deiner Frau alles bezahlst.“ „War es nicht deine Überraschung?“ Zwar lächelte er aber es war nicht wirklich ernst, nachdem sie seit zwei Monaten totale Funkstille gehabt hatten.
„Und du willst natürlich deine Ehe retten, nicht wahr? Also ein bisschen mehr Freundlichkeit gepaart mit spendabler Tasche, sind die perfekten Gewürze für den Auflauf.“ „Ich bezweifle, dass du irgendeine Ahnung von Beziehungen hast.“ Trotzdem reichte er ihm sein Handy und strahlte deutlich weniger Haltung aus. Na ja, der Kleine schien es ja immerhin hinbekommen zu haben, dass sie diesen Flug überhaupt antreten wollte.
„Ich ... na, wenn ich schon alles bezahlen muss, dann schlafen wir hier.“ „Hm. Im Schnee wird auch nicht ... Ha ... hallo Frau Freifraufrau ... äh Grips, Crit ...“ „Du heißt Critac.“ „Ja, Critac da ist dran. Sekunde!“ Er nahm das Handy weg. „Kannst du mal aufhören, zu grinsen?!“ „Ich mache überhaupt gar nichts.“ Unschuldig hob er die Hände. „Verzeih, ich hab vergessen, dass wir per du sind. Bist du an Bord? ... Ja, das ist aber Scheiße ... nee, nee weil wir haben es verpasst. Könntest du dich dort ein bisschen verwöhnen lassen? Wir kommen voraussichtlich erst gegen 6:00 Uhr morgens weg. ... Was wir machen? Am äh im Hotel schlafen. ... Ja, dein Mann zahlt. ... Du willst eine Rechnung? Ähm ... weil er knausrig ist. Na, eigentlich lässt er mich ja mit seinem Handy telefonieren. ... Wieso? ... Nee, ich hab noch Guthaben. ... siebenundzwanzig und zweiundzwanzig Cent. ... Ich kann ihn dir leider nicht geben, der holt uns gerade was zu essen. ... Ob ich ihn heilig reden will? Nee das nicht. Weißte, der hat eben ne Angestellte angemeckert, dabei wars unser Fehler, wir waren im falschen Gate ... Zahl verlesen. Eigentlich hätten wir uns ja im Wartebereich sehen müssen. ... Hm. Ist doof gelaufen aber ich freue mich so, dass du zugesagt hast. Wir essen jetzt ne Kleinigkeit und wir sehen uns dann dort. ... Ja, wenn etwas sein sollte, melden wir uns sofort ... Ja, wir nehmen den richtigen Flieger. Komm du gut an. Und ... und genieße die Sauna und alles. Wir kommen. ... Ja. Tschüss.“ Ein bisschen zittrig legte er auf.
„Da merkt man mal deine kriminelle Ader.“ „Glaubst du, ich bin so einfach in die Cliquen gekommen?“ „Vor allem bist du wieder rausgekommen.“ „Das war aber meistens Jild.“ Beim Zurückgeben des Handys zitterte er noch immer.
„Nervös?“ „Nö aber bitte zwing mich nicht noch einmal für deine Frau zu lügen.“ „Ich hab es ja nicht befohlen“, ließ er es hochnäsig verlauten. „Na ja“, stieg er dann um und hatte die Nase wieder im Handy. „Suche ich uns eben ein Hotel.“
Plötzlich huschte Yis hinter ihn und kickte ihm dabei beinahe sein Handy aus der Hand. „Was ist denn jetzt schon wieder?!“ „Blin Duhan“, hauchte er mit kratziger Stimme. Trotz Angst versuchte er sich aber wieder halbwegs zu richten. „Ich hab vergessen, dass er hier arbeitet. Ist en Evils-Mitglied.“ „Atmen und ruhig bleiben!“ „A ... a ... ach du Scheiße, Snake ist auch hier.“ „Mitkommen und ruhig bleiben!“ Es war kein wirkliches Mitkommen, viel eher schob sein Aufpasser ihn vor sich her.
„Du siehst anders aus“, versuchte er ihn zu beruhigen, als er ihn in ein Geschäft geschoben hatte. „Ich weiß. Critac, Critac.“ „Hier, beruhigt die Nerven.“ Es wäre vermutlich besser gewesen, den Schokoriegel auspacken, den Yis war so neben der Spur, dass er es samt Papier runterschlang, bevor er etwas sagen konnte.
„Snake ist komisch!“ „Inwiefern komisch?“ Leicht irritiert griff sein Aufpasser eine Flasche aus einem Regal, schraubte es auf und hielt sie ihm hin. „Er ist kein Snakeheads, brachte mich aber zu den R.Cars, zu denen er aber auch nicht gehört.“ „Er kann nach dir eingetreten sein.“ „Nein. R.Cars sind keine Vandalen und die Snakeheads würden sein Tattoo also Provokation ansehen. R.Cars fahren Autorennen aber ihr Drang sich mit irgendeiner Clique körperlich anzulegen, vor allem die Schlangenköpfe, geht gegen null.“ „Hm aber sie haben dich vermöbelt.“ „Dieser Snake hat mich vermöbelt und ausgeschaltet hat mich ein Unfall. Und wehe du sagst, dass das unwichtig ist, damit ich mich beruhige!“ „Gut, dann sage ich eben, dass du dich beruhigen sollt.“ Immer noch versuchend, an seinem breiten Gegenüber vorbeizuspicken, verschränkte er die Arme vor der Brust, holte kurz Luft und wandte sich dann seinem Gesicht zu. „Schlau! Das hätte ich riechen können. Aus diesem Grund verkacke ich jedes Sudoku. Und Jild meint trotzdem, dass ich mir keine Mühe gebe. Was rede ich da eigentlich?“ Das entgegengebrachte Schweigen zwang ihn, sich zu beruhigen.
Zwei Minuten lang blieben sie so stehen. Langsam nervte es den verfolgten Jungen, dass sein Aufpasser nicht aufpasste. Entweder war das konzentrierte Benutzen seines Handy Show oder aber er tat tatsächlich etwas Nützliches damit. Kein bisschen beunruhigt, zog er eine Augenbraue hoch. „Besser?“, fragte er, sah anschließend auf und wollte sich zur Seite drehen. Allerdings folgte Yis seiner Deckung, weshalb er ihm dann diese Sicherheit noch ein wenig gewährte.
„Es ist niemand mehr hier.“ Es klang wie eine Feststellung, war vermutlich aber auch eine Frage. „Ich seh zumindest keinen mehr. Vielleicht doch nicht so klug, hier in aller Öffentlichkeit zu pennen.“ Unbemerkt hatte er etwas gesagt, das ihn ganz offensichtlich verstimmte. „Ja, war ja auch ein Scherz“, tat er seine Reaktion schnell ab.
Eine halbe Stunde entfernt lag die Unterkunft, die er während seines ''Aufpassens'' gebucht hatte. Nun wusste Yis, was seine Frau mit ''knausrig'' gemeint hatte. Dieses Hotel, welches nur zwei ''bewohnbare'' Zimmer hatte, sollte eigentlich zu einem Lost Place ernannt werden.
Ja, dachte sich der Junge. Immerhin gab es noch Hoffnung, dass der vierte Anlauf klappte und wenn nicht, dann solle er sich eben für einen fünften und vielleicht auch sechsten Anlauf bereit fühlen. Kämpfen! Für Träume musste man kämpfen! Jild würde ihm das sagen aber eine Gehirnhälfte wusste, einen fünften Anlauf würde er nur wagen, wenn ihn Snake direkt in den Flieger trieb. Er war kein Kämpfer, auch wenn er reichlich Scheiße hinter sich hatte, blieb er immer und immer wieder dieser kleine Feigling ohne zu Hause. MIT zu Hause! ... Welches ihm aber in diesem Augenblick ganz besonders fehlte.
Kapitel 9
Abenteuer Tag eins
Nach einer ziemlich nervösen Nacht stellte Jild seinen Schützling noch im Dunklen auf die Skier. „Hihi. Was machen wir? Wo lang? Feuer machen? Verdammt, ich hab Holz machen nicht geübt. Muss ich Holz hacken üben? Holz hacken üben!“ „Beruhigen!“ „Oh, klar. Bin überhaupt nicht ruhig!“ In seinem Kopf hatte er eigentlich das Gegenteil gesagt. Mit Mühe hielt er sich aber solange ruhig, bis ihm sein Profi mit einem Skistock auf den Ski klopfte.
„Finde den Fehler!“ „Hä? Was en für en Fehler? Wo Fehler? Hab ich meine Hose verkehrt rum?“ „Lauwarm.“ „Tiefer oder höher?“ „Warm, kalt.“ Beim Runterbeugen kam er ins Schwanken und rettete sich so halb vor einem schmerzlichen Sturz. „Was ist denn mit meinen Skiern falsch? So was Blödes.“ Abgelenkt von seinen vertauschten Ski kullerte er auf den Rücken und machte den rechten los und legte ihn links von sich.
„Kannst du dich konzentrieren?“ „Bisschen, warum?“ Mit der Antwort war auch der Linke gelöst und rechts deponiert. „Weil das ab jetzt deine Aufgabe sein wird.“ „Hihi. Klaro Chef.“ „Anstrengen!“ „Hm. Momentchen!“ Er überlegte kurz, ob er aufstehen konnte oder ob er doch lieber die Skier wieder anzog. Da sie sich aber auf einer festgetretenen Stelle befanden, stellte er sich so auf. „Volle Fokusion.“ „Konzentration oder Fokus! Entscheiden! Drei, zwei ...“ „FOKUS!“ „33 x 7?“ „231!“, kam wie aus der Pistole geschossen. „7 x 33?“ „231, immer noch.“ „Was machen wir?“ „Hast du noch nicht gesagt.“ „Was machst du?“ „Konzentrieren! Sag braves Hündchen, Jildi.“ „Vergiss es!“ „Jap, ich bin ein braves Hündchen.“ „Konfirus!“ „Meinst Konzentration, Fokus und Konfus? Trifft den Nagel auf den Kopf. Das bin ich.“ „Nervensäge!“ „Jawohl Chef!“ Spaßig hob er die Hand und wollte salutieren, verlor dabei aber das Gleichgewicht und landete schmerzlich auf dem Hintern.
„Aua.“ „Heulsuse!“ „Steh ja schon auf. Hihi.“ Sein Blick wurde ziemlich ernst, was dafür sorgte, dass sein Schützling ruhig blieb, sich beziehungsweise sofort wieder runterschraubte. „Was machen wir?“ „Folge mir!“ Dieser Aufforderung folgte er zwei Stunden lang schweigend. Dann kam ein Fluss, den der Junge nicht erkannt hätte, wäre da nicht so eine komische Stelle.
„Jild!“ Er hörte nicht. „JILD!“ Und schon wieder setzte es ihn hin. „Da ist ein Loch!“, schrie er und versuchte sich schnell so zu drehen, dass er mit diesen blöden Ski wieder aufstehen konnte. „Loch, Jild. Da sieht man Eis durch“, probierte er es weiter, sah ihn aber nicht, während er sich aufrappelte „Ji ... Oh, hast mich ja doch gehört.“ Er stand auf einmal völlig entspannt vor ihm. „Das war en Test, oder?“ Natürlich nickte er aber nichts anderes hatte er erwartet.
„Was hast du in deinen Taschen?“ „Nichts“, antwortete er auf einer Weise, die klarmachte, dass er irgendetwas bei sich hatte, dass er vermutlich nicht bei sich haben sollte. „Was hast du in deiner Tasche?“ „Wenn ich Baumstamm sage, kriege ich eine auf den Deckel, weil mir das Dingsbums um den Baum nicht einfällt.“ „Rinde.“ „Ja, Baumbinde, sag ich doch.“ „Baum – RINDE!“ Ein bisschen nervös hibbelte er hin und her. „Baum ... Baumrinde, ja. Und ... und warum fragst du so irgendwie ganz komisch?“ „Weil ich will, dass du auch weißt, warum du DIESE Rinde mitgenommen hast.“ „Äh ... Birke.“ „Das war nicht die Frage.“ „Sicher? Klang aber so.“ Zittrig friemelte er die Rinde hervor.
„Wollte eigentlich was von dem Reisig da mitnehmen. Hat aber nicht so gut in die Jacke gepasst. Und irgendwie glaub ich, du wirfst mich gleich in den See.“ Jild wartete ab. „Was war eigentlich die Frage? ... Jildi, ich bin eine Erbse, jetzt sag schon.“ Nichts. „Was war denn diese verfluchte Frage? Baum, Rinde, Jackentasche, Zunder“, überlegte er laut und blieb an Letzteren haften. Im Stillen suchte er detaillierter weiter.
„Es war etwas wegen der Birkenrinde, die ich gesammelt habe. Und da fällt mir ein, dass wir nichts trinken. Ich habs! Du hast gefragt, ob ich Feuer machen will, um Wasser zu machen. Bin ich nicht klug?“ „Überhaupt nicht.“ „Ach meno, an deiner Nettigkeit müssen wir echt noch arbeiten.“ „Schmoll nicht und probier dich aus.“ „Am FEUER! Freudig hüpfte er hoch, kam gegen einen morschen Ast und landete wieder auf dem Hintern.
„D ... d ... der Critac ist cool! Cool ist der Junge, der Junge mit dem weißen ... Shit! Yay!“ Ohne seinen Auftraggeber zu beachten, rappelte er sich auf, nahm den abgeschlagenen, morschen Ast mit, sammelte Reisig und rumliegende Holz, ehe er dann merkte, er hatte kein Feuerzeug, keine Säge, keine Axt, kein Messer und keine Schaufel.
„Jild, wie funktioniert das, wenn das ein Dummkopf machen soll?“ „Der hat einen anderen, halb mitdenkenden Idioten dabei. Pfote!“ Mühselig näherte sich der Ältere mit einem dicken, angeschrägten Holzklotz. In seiner Faust verborgen lag der kleine Gegenstand mit Bändel, den er ihn überreichen wollte. Als er diesen bekommen hatte, folgte eine kleine Klappsäge. „Hm hm. Jildi hat immer alles und eine besser Ordnung als Gredo.“ „Der hat keine Ordnung“, brummelte man und legte damit los, mit dem schrägen Holzstück ein Loch in den Schnee zu graben. „Eben. Selbst ich bin ordentlicher.“ „Stimmt.“ „Na ja so halb, oder? Bei ihm beschränkt sich das auf Klamottentaschen. Bei mir so ...“ Während er überlegte, schnappte er sich einen der Stämme und begann zu sägen. „Ja, bei mir ist es Wohnung und das Erbsenköpfchen da oben. Stimms?“ „Vor allem dein Gehirn.“ „Hihi. Und, soll ich auch sagen, warum du da runter gräbst?“ „Wenn du dich nicht halten kannst.“ „Feuer schmilzt Schnee. Schnee wird Wasser. Wasser löscht Feuer. Nasses Feuerholz brennt nicht aber man kanns trocknen, wenn man schon ein Feuer hat. Hihi Kreislauf. ... Oh! ... Nee war ja der Harz noch, der leichter macht.“ Das Loch war kaum fertig, da ging sein Mentor nichts ankündigend weg.
Als er wiederkam, legte der Jüngling noch ein paar Sachen zurecht und versuchte sich an den ersten Funken. „ERSTER! Jildi, Jild ich mit die ersten Funken und so, brennt!“ „Füttern, sonst gehts wieder aus.“ „Klar.“ Sofort war er wieder bei der Sache.
„Übertreibe es nicht. Wir brauchen kein zwei Stunden Feuer.“ „Was machen wir als Nächstes? Holen wir die anderen? Die anderen sollen auch!“ „Atmen und ruhig bleiben!“ „Sowas von ruhig!“ „Hast du gut gemacht!“ Begeistert klatschte er in die Hände, bremste sich aber so weit aus, dass er nicht vor Begeisterung hochhüpfte und mit seiner Tollpatschigkeit auch noch im Feuer landete.
„Du darfst die Anderen holen aber brich dir nichts und lass meine Säge hier.“ Blitzschnell reckte er ihm alle bekommen Gegenstände entgegen. Dies abgegeben stand er auf, machte einen sehr deutlichen Bogen um die Flammen herum und gab sein Bestes ohne Skitalent heil zu der Hütte zu kommen.
„La Leute, Feuer Skier machen kommen! Skier anmachen, Feuer machen kommen! Füße machen Feuer kommen! Hirnausfall!“ Die einzige, die auftauchte, war Geisa. Da sie aber nichts hörte, schlürfte sie genüsslich an ihrem Kaffee und schaute verwundert, als sie den Langschläfer in der Tür entdeckte.
„Schlecht geschlafen, Kleiner?“ ''Feuer machen üben draußen'' „Ich hol die anderen, Schätzchen. Halt du unsere Launchen bei Laune.“ Sie lachte und weckte die Anderen mit einem ordentlichen Schlag gegen die jeweilige Tür. Kein Wecker der Welt, hätte so gute Dienste leisten können aber auch denen, die diese Türen eingehängt hatten, gehörte wohl ein Lob.
„Sie kommen!“, rief er Jild zu, während er sich drehte und mal wieder stürzte. Noch bevor er sich berappeln konnte, griff ihm Geisa unter die Arme. „Goldstückchen, du sollst doch auf den Skiern und nicht auf deinem Popöchen laufen. Machst dir doch nur Aua.“ Im Hintergrund kam Katasofeja heraus, die bereits so weit fertig war, dass sie nur noch die Ski anziehen musste. Die ziemlich verschlafene Irisa-Belaila hingegen brauchte erst selbst noch einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen, bevor sie dann auch so weit war.
''Wo ist schlecht gelaunt'' Unwissend zuckte sie zuerst nur mit den Schultern. „Leckt wohl seine Wunden.“ ''Gehe suchen'' Er watschelte herum und bekam es gerade so hin sein Gleichgewicht zu halten. So wie er sich aber von der Tür entfernen wollte, pfiff sein Profi und er musste sich wieder umdrehen.
„Suche den Freiherren!“, brüllte er ihm zu „Herkommen!“, kam streng zurück. „Aber ...“, wollte er widersprechen, gehorchte aber lieber. „Ich wollte nur Gredo suchen.“ „Nichts da! Kümmer dich um dein Feuer!“ „Klaro Chef aber ich dachte, es soll kein zwei Stunden Feuer werden.“ „Du wolltest Wasser gewinnen.“ „Oh, stimmt aber ohne Schale? Dumm, jetzt muss ich nochmal zurück.“ „Nachdenken!“ „Hä. Wieso krieg ich en Bottich, wenn ich daran nachdenke? Oh ... Sofeja! Kannst du Metalldingstopf bringen für Wasserschmelzen?“ Sie nickte und kehrte wieder um.
„Braves Hündchen.“ Natürlich freute ihn das. Mit Mühe konnte er das Hüpfen ausbremsen und klatschte so nur begeistert in die Hände. Danach beruhigte er sich wieder und legte Holz nach. Am zweitschnellsten beim Feuer anmachen war Geisa, danach folgte Katasofeja und mit ziemlich viel Mühe Irisa-Belaila. Gredo selbst blieb verschollen und Jild genoss es, ohne eine Regung hier im Freien herumzustehen und in die Natur zu lauschen.
„Hey Wildnis, hier mein erstes Wasser aus Schnee.“ „Trink!“ „Du! Du kriegst zuerst.“ Zappelig drückte er es ihm in die Hände und hüpfelte zu seiner Mutter weiter. Jeder außer ihm trank etwas. Als er sich dessen sicher war, kehrte er zu Gredo zurück, der seine Abwesenheit nun mit Jild getauscht hatte. Es nicht gleich bemerkend, nahm er ihm den Becher aus der Hand und trank etwas.
„Wo warst du die ganze Zeit? Du musst auch noch ein Feuer machen. Guck haben wir alle gemacht.“ „Seh ich. Habt den halben Wald abgeholzt, hm?“ „Nee, das war alles Umgefallenes. Stehendes bleibt stehen, liegendes darf im Feuer liegen.“ Der Jungspund grinste und hampelte wieder wo ganz anders hin.
„Kleiner, bleib in der Nähe!“ „Nö.“ „Bitte?!“ „Hihi.“ „Junge!“ Mit ein bisschen Anstrengung zog er einen Stamm zu ihm. „Machst du klein? Ich füll nochmal Schnee nach.“ „Wie wäre es, du strengst dich an?“ „Hab schon, hab schon.“ Mit vollem Eifer füllte er alle vier Töpfe nach.
Danach kam er an seine Feuerstelle zurück. „Hey, warum stehst du nur rum? Das ist doch Teamarbeit.“ „Ich sehe hier nur, dass jeder sein eigenes Feuer hat.“ „Ja und ich wollte, dass du auch eins machst. Mach schon mit, komm. Du musst nicht mal mehr das Holz herholen. Ich such dir auch nochmal Birkenrinde.“ Wegschauend steckte man die Hände in die Taschen. „Es brennen genug Feuer.“ „Meno! Dann guck wenigstens nach meinem.“ Dem Spaß ein wenig beraubt, ging er zu Katasofeja zurück, die ihm gedeutet hatte, dass er von ihrem Wasser noch etwas haben konnte.
„Campingurlaub“, murrte Gredo, als er dachte alleine dort zu stehen aber das Wasser, das Yis abgeholt hatte, war anscheinend für ihn bestimmt. „Trinken! Ich mach das schon.“ Da er nicht zugriff, stellte er das Wasser auf den Boden, huschte wieder zurück, holte die Axt bei Geisa und ging damit zu seinem Baumstamm. „Und wusch.“ Ein grandioser Treffer in den Schnee.
„JUNGE! Verdammt nochmal.“ Sofort nahm ihm Gredo die Axt aus der Hand. „Du bist ja eine Gefahr für dich selbst!“ „En bisschen schlecht im Zielen aber sonst.“ „Aber SONST?! Das nächste Mal ist es in deinem Schienbein. Weg da!“ Mit dem letzten Befehl schuckte er ihn um und hackte auf den Stamm ein, als würde er jemanden umbringen wollen.
„Du elender Rüpel!“ Katasofeja kam her und half dem Jungen auf die Beine, von dem nur noch die Beine abwärts der Knie aus dem Schnee geschaut hatten. „Was meckerst du jetzt schon wieder?!“, knurrte Gredo und rammte noch ein letztes Mal die Axt in den Stamm, bevor er sich drehte. „WAS?!“ „Leute, mir ist nichts passiert.“ „SCHNAUZE! Ich rede mit meiner Frau!“ „Du redest?!“ „Ja, ich rede!“ „Du bist wie die Axt im Walde.“ „Er hackt sich fast ins Bein.“ „Der hat schon Holz gehackt, da lagst du noch im Bett!“ „Wers glaubt! Das war knapp.“ „Eigentlich war es nicht knapp“, mischte sich Yis nur halbstark ein, da er ahnte, dass ihn beide anfahren würden, was auch passierte.
„Yis, bitte komm.“ Vorsichtig schob seine Mutter den Arm vor ihn. „Das tut dir nicht gut.“ „Ihr seid so fies!“, schrie und heulte ihr Kind. „Das hier ist richtig cool und ich meine nicht kalt, ich meine COOL und ihr macht das mit euren Missverständnissen kaputt. Du hast mich nicht absichtlich umgeschuckt und du wolltest ihn nur darauf hinweisen, dass es nicht nett ist, jemanden wegzustoßen. Okay? Ihr seid beide zuvorkommend. Geklärt? Das eine ist nicht böse gemeint, das andere ist gut gemeint. Ich sollte Übersetzer werden!“ Schluchzend räumte der Jungspund das Feld und ließ sich den Rest des Tages nicht aus dem Zimmer locken. Auch über die Nacht kam Jild nicht in ihr gemeinsames Schlafzimmer hinein.
Kapitel 12
Abenteuer Tag vier
Noch sehr früh am Morgen kam Jild aus dem Zimmer. Es war bereits das dritte Mal aber das erste Mal, dass Yis darauf reagierte. „Hast du Schmerzen, Papa?“ „Die hast du gleich.“ Stark hinkend erreichte er den Tisch, stützte sich darauf ab und seufzte.
„Du bist nicht alt, Jildi!“ „Wenn ich hundert wäre, würdest du das auch noch sagen.“ „Jap, würde ich.“ Alleine, dass er diesmal davon sprach auch hundert zu werden und nicht nur allenfalls siebzig, machte den Jungspund überglücklich. „Hibbel nicht!“, wurde sein Mentor sauer. Natürlich hatte er seinen kleinen Patzer selbst bemerkt, was ihm absolut missfiel, denn dann musste er sich ja eingestehen, dass er doch noch nicht zu alt war, wenn seine Grenze so weit oben lag.
„Och, ich freu mich halt. Das kann ich nicht steuern.“ Mit einem Murren übernahm man einen der zwei freigegebenen Stühle, die sein Schützling mit einem dritten zusammen als Bett genutzt hatte.
„Kannst du glauben, dass mir dieses Ding gestern Spaß gemacht hat?“ „Du meinst das Wandern?“ Ganz eifrig nickte er und eigentlich wollte er fragen, was heute anstand aber sein Gegenüber strahlte eine Art Gefahr aus. Als wäre es heute eine verdammt tödliche Aktion, das Haus zu verlassen. Deshalb fragte er nicht und sah ihn nur mit schiefem Kopf an. Das genügte, um aufgeklärt zu werden.
„Du steckst in der Scheiße. Der ganze Flughafen ist voll mit Snakeheads.“ Er schluckte ängstlich, verlor aber nicht komplett die Nerven. „Es sind viele, Yis und offenbar kennen sie jetzt dein neues Aussehen.“ „Glatze!“ „Du willst dir eine Glatze machen?“ „Keine Ahnung aber mit gefärbten Haaren war ich sicher.“ „Ja, stimmt. Gredo meinte, dieser ''Snake'' hätte dich nicht erkannt.“ „Obwohl er mich angegriffen hat. Voll bescheuert, oder?“ Ob gleich seine Stimme gar keine Furcht zu erkennen gab, verhakten sich krampfhaft seine Finger ineinander.
„Brich dir nichts! Lass deine Hände auseinander! Wir können versuchen, ob dir das etwas bringt. Sollten wir jemanden begegnen, ist es vermutlich leichter für dich, wenn du nicht redest, nicht reden kannst.“ „Hm. Blöder sein als man ist, ist schlauer als schlauer sein zu wollen als man ist. Ich hab Angst.“ „Weiß ich. Wir werden ihnen aus dem Weg gehen.“ „Und die Anderen? Ich bring meine Mutter und Gretchen und seine Frau in Gefahr.“ „Gretchen? Wie auch immer. Sie jetzt zum Flughafen zu schicken, ist zu gefährlich. Vorerst sind sie auch noch nicht an dieser Hütte interessiert.“ „Wir müssen irgendwann raus, draußen sein. Sie werden uns nicht draußen vermuten.“ „Hm.“ „Spielt uns in die Hände, dass es die nächsten Tage nicht so heftig werden wird. Jild!“ „Was?“ „Haben wir einen Stift? Etwas wie Filz oder Edding oder so, das Haften bleibt.“ „Ich glaube, ich ahne, was du vorhast.“ „Hm. Ne Glatze bringt nicht viel, wenn ich ne Mütze habe. Mach mir Tattoos! ... Oh aber malen ist nicht so meine Stärke. Jild!“ „Was?“ „Wie viele Tage haben wir, bis die diese Hütte finden?“ „Vermutlich nicht viele. Vielleicht auch nur heute. Wir konnten achtundzwanzig Mitglieder zählen.“ „Scheiße. Snakeheads besteht aus dreihundertsiebenundsiebzig Mitgliedern ... Achtundsiebzig, ich hab den Boss nicht mitgezählt. ... Warte ...“ Er holte tief Luft. „So ... ich atme noch.“
„Fakt ist, Yis, egal wie gut ich oder Gredo sind, gegen achtundzwanzig Kopf können wir dich auch nicht verteidigen.“ „Ist logisch. Könnt auch Geisa nicht. Auch wenn sie verdammt gerne ne ganze Menge Männer in die Eier getreten hätte. Das wäre genau ihrs.“ „Was sie aber nicht darf, wenn sie nicht wieder in die Psychiatrie will.“ „Hm. Ich hab immer noch Angst.“ „Ich weiß.“
„Können wir en Heli kommen lassen?“ „Zu auffällig.“ „Ja, stimmt. Mega laut, viel Windschnee. Ist wie ne Leuchtfackel.“ „Hm.“ Jild streckte die Beine, wodurch irgendetwas knackste. Kurz danach stand er auf und ging sich etwas zu Trinken holen. Er hinkte immer noch aber kaum mehr sichtlich.
„Sollten sie ins Haus kommen, solltest du dich verstecken und schweigen.“ „Hm.“ Hektisch sah sich der Gejagte um aber nichts war wirklich brauchbar. Wäre er gelenkig, wäre das ideale einer der Koffer gewesen aber nö, dafür war er so biegsam wie ein eingefrorenes Hemd ... oder vielleicht doch? Grübelnd machte er ein paar Verrenkungen aber es blieb dabei. Er würde nicht als Handgepäck durchgehen.
„Atmen Yis!“ „Hm. Ich Fell denken.“ „Du denkst an ein Fell?“ „Hä? Ich soll an Fell denken? ... Das da drüben ist das Bärenfell?“ „Rentier.“ „Fuck! Rentiere wirken nicht bedrohlich. Ähm ...“ Hektisch huschte sein Blick umher, um eine Alternative zu finden. „Yis! Ruhe bewahren!“ „Hm.“ „Ich denke, du fühlst dich sicherer mit Tattoos. Beginnen wir damit.“ Ob er die gefakten Tattoos meinte oder die Tasse, die er ihm aufzwang, war etwas schleierhaft.
Kurz danach klopfte er den letzten Mann dieser Gesellschaft aus den Federn. Was er ihm sagte, war nicht zuhören aber dessen Meinung um so deutlicher: „NEIN!“ „Tus oder ich bitte sie darum!“ Dem Arm nach wollte man den Zwingenden wegschieben aber das klappte nicht. Es entstand kurz ein feindliches Blickduell, dann aber trat der Ältere beiseite und ließ den Anderen sauer und irgendwie beschämt zum Zimmer seiner Frau laufen.
Dort kündigte er sein stürmisches Eintreten nicht an. Was ziemlich sicher der Grund war, warum ein Buch an ihm vorbeiflog und das im Gang stehende Regal zum Kippen brachte. Allerdings war immer noch jener da, der zu diesem Zusammentreffen geführt hatte. Er fing das Regal ab und drückte es wieder an die Wand.
„Spinnst du?!“ „Spinnst – DU?! Schon mal was von Anklopfen gehört, du elender Rüpel?!“ „Stell dich nicht so an!“ Es flog noch irgendetwas, dass aber im Inneren des Raumes blieb. „Lass das!“ „Geh oder ich schmeiße dir diese Skulptur an den Kopf!“ „Beruhig dich!“ „Nein, das werde ich nicht! Hau ab!“ „Kann man mit dir mal noch vernünftig reden?“ „Vernünftig?! Wer sagt hier etwas von vernünftig?! Dieses blinde, kleine, ignorante Arschloch?!“ Irgendetwas knallte auf den Boden. „Scher dich zum Teufel! Ich bin es mir so Leid, mit dir, so Leid!“ Bevor man von außen völlig banal in den Streit hineinrief, fiel noch irgendetwas über die Schwiegermutter.
„Critac braucht dich!“ „Ach, schönen Dank auch!“, murrte sie gepresst. Irgendetwas an den Worten behagte ihr nicht. Ruppig schob sie das Ärgernis aus dem Zimmer. Danach schloss sich ruckartig die Tür. Ohne ein Wort stampfte Gredo in sein Zimmer zurück. Etwas später kam sie heraus. Es war gut, dass ein Blick nicht töten konnte, denn so wie sie schaute, würde es kein Lebewesen überleben, ganz gleich was es war.
Zornig fokussierte sie Jild an, der unbeeindruckt blieb, nichts sagte und sich auch nicht dazu bewegen lassen wollte. Also gab sie nach und wandte sich dem Jüngsten zu, der gleich mindestens drei Zentimeter auf seinem Stuhl schrumpfte. Er hatte eine Frauenphobie, hundert Prozent! Er hatte eine Frauenphobie!
Erhaben kam sie auf ihn zu. Sie wollte ein netteres Gesicht auflegen, wirkte aber immer noch so, als würde sie gleich aus irgendeiner Tasche ein Messer hervorziehen und ihn damit attackieren.
„Es gibt ein Problem“, lockerte sein Papi die Stimmung und kam gemütlich näher. Von einem Hinken gab es keine Spur mehr. „Critac ist das Ziel der Snakeheads und sie sind hier. Er möchte, dass du ihm Tattoos aufmalst, damit sie ihn nicht erkennen.“ „Ein bestimmtes Tattoo? Ich könnte dich auch älter machen.“ Irritiert sah Yis auf. Beides, wollte er sagen, fühlte sich aber als wäre das zu viel oder ein Widerspruch. So genau konnte er das Nein nicht erkennen.
„Hält das?“, fragte noch immer derselbe. „Es ist Schminke. Nicht ewig. ... Zudem habe ich nicht das, was ich sonst beim Film verwendet habe.“ „Was? Schau ... Schauspielerin?“, bemühte sich Yis um eine sorglose Haltung und wandte dafür seinen Blick minimal zu der Gelassenheit ab. Nicht zu viel, denn er wusste, würde er sich komplett auf seinen Pfeiler stützen, hätte er noch mehr Angst, als zuvor.
„Fast aber hauptsächlich Kostüm und in ein paar Fällen die Maskenbildnerin. Mein Idiot von Mann weiß es bis heute nicht, da ihn nichts interessiert!“ „Interessiert ihn schon!“ Der, von dem die Rede war, tauchte auf, bog in ihr Zimmer ab und holte einen Koffer. „Blutfaust, Blackman, Grins, Der Daumen. Nur um die wenigen zu nennen.“ „Alles Filme vor unserer Ehe! Schere dich, sonst mache ich den Grins aus dir!“ „D ... das kl ... klin ... klingt nach ...“ „Horror genau“, unterbrach der Freiherr, ohne dabei seine Frau aus den Augen zu lassen.
„Und diese kleine Braut hier, hat mal ne Killerin gespielt, direkt nach unserer Hochzeit.“ „Nicht direkt! Ich hatte zugesagt weil DU über Nacht weg warst. Dann bin ich eben eingesprungen. UND! ... Lüg nicht! Ich weiß genau, dass du zu deiner armen, so furchtbar schwachen Mutter gerannt bist.“ „Ich war bei meiner Mutter aber weil sie sich ausgesperrt hat. Ich war zwei Minuten später wieder da!“ „Du warst KEINE zwei Minuten später wieder da! Es war 9:58 Uhr, als ich zugesagt habe! Um 10:10 Uhr bin ich aufgebrochen und um 12:12 Uhr kam dein Anruf, wo ich denn sei!“ „Ich bin nicht durchgekommen.“ „Durch den Verkehr oder durch deinen Verstand?!“
Jild gab ein Stöhnen von sich und entlastete das Bein, mit welchem er hinkte. Anscheinend kam dies noch von ihrem Adams-Paradise-Abenteuer. Es war zumindest dasselbe Bein. KLAR! Es war immer noch diese Verletzung!
„Verletzung Jild muss nicht mutig und aufhören Streiten vertragen bitte hören auf.“ „HALT jetzt sofort deine Schnauze!“, fuhr sie trotzdem ihren Mann an und stach mit ihrem Finger auf seine Brust ein. „Du hörst ihn doch, er verträgt keine Streitereien“, spottete er blöd grinsend und es war kaum zu glauben, Katasofeja konnte noch wütender werden, was ihm wiederum mehr Spaß als Sorge bereitete.
„Gut, du weißt ja anscheinend nicht, dass ich am längeren Hebel sitze. Viel Spaß dabei, ohne Geld noch zu reisen. Ach und da dich die Kinder ja nur so furchtbar schlimm nerven, ... ich werde dafür sorgen, dass du sie nie wieder siehst!“ „Schatz, wir können darüber reden.“ „Mit dir ''reden''?! Das hat denselben Effekt, als würde ich mit der Wand reden. Critac ... Yis, oder wie auch immer, ... Jild, ... ich werde mit dem nächsten Flug zurückfliegen. Ich wünsche mir keine weiteren Unternehmungen mehr wegen meines baldigen Ex-Mannes.“ Sie drehte sich ihrem verwirrten Mann zu. „Wir beide, ... wir werden nur noch über Anwälte ''reden''.“ „Du redest Mist!“, entgegnete dieser knurrend aber mit gesenkter Stimme. Er wusste, dass es purer Ernst war. Dennoch reckte er seine Haltung und strahlte eine große Menge Selbstsicherheit aus.
„Du kannst nicht weg“, verkündete er erhaben. „Zu gefährlich.“ „Als würde dich das interessieren!“ Die überlegene Haltung brach. „Natürlich interessiert mich das! Du bist meine Frau!“ „NOCH!“ „NEIN!“ „DOCH!“ Yis sprang so schnell auf, dass der Stuhl umfiel. Durch den Krach hatte er die Aufmerksamkeit der beiden aber diese Wut, die er in sich verspürte, kam nicht hervor. Seine Stimme machte das nicht mit. Lediglich ein unverständliches Krächzen brachte er über die Lippen und rammte sich dann an den beiden vorbei.
„Yis!“, rief Jild. „Halt es aus und sag es den beiden ins Gesicht!“ Diesen Befehl bekam er wahrscheinlich nur, weil er nicht hinterher konnte. „Kann jemand sagen, was mit seinem Bein ist?!“ Das hatte sein Arschtreter nicht gemeint und versuchte es zu verbergen. „Kann es jemand, oder kann ich gleich zu den Snakeheads laufen?!“ Das Lachen von Gredo wurde mit einem schmerzhaften Schlag in die Seite beendet. „Gut, dann wecke ich meine Mutter. Sie ist ja Altenpflegerin.“ Es missfiel demjenigen, dem es zu Gute kommen sollte aber entgegen seiner Abneigung, widersprach er nicht. Nur half er ihm auch nicht die richtige Zimmertür zu finden. Sie dann aufzuwecken, war die nächste Schwierigkeit. Sie schlief tief, wie ein Fels aber mit viel Mühe bekam er sie wach und auf Jild gehetzt.
Als nächstes beorderte er Katasofeja in das Zimmer, welches sie alleine belegt hatte. „Ich brauche eine Tarnung. Dein Mann auch.“ Sie brummte missgünstig, zog aber beim Hinsetzen einen Koffer zu sich. „Was stellst du dir vor?“ „Weiß nicht so ganz. Vielleicht das Snakehead-Tattoo. Kann man dreihundertachtundsiebzig Mitglieder wirklich alle im Kopf behalten?“ „Schätze nicht.“ „Gut, dann werde ich ein Snakehead, weil ich den eher spielen kann. Hoffe ich.“
Er beschrieb ihr fein säuberlich das Tattoo, welches er brauchte. Als Nächstes borgte er sich Gredos und Jilds Rasierer aus, ohne dass die beiden wussten, dass er sich einen geliehen hatte. Im Zimmer von dem Freiherren begann er damit, seine Augenbrauen zu schmälern. Zumindest war das sein Vorhaben. Er traute sich nicht so wirklich. Mut musste her! Da es notwendig war.
Mit Hilfe des Spiegels warf er einen Blick hinter sich. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen. Gredo saß da. Vor ihm und dem Bett hatte sich Katasofeja auf ihren ''Schmink''-Koffer gesetzt und wechselte die Klinge des Rasierers. Eigentlich hatte ihr Opfer noch ungute Sätze parat gehabt aber inzwischen meinte Yis, dass er irgendetwas gemerkt haben musste.
„Li ... liebst du ihn noch?“, war das einzige, was ihm auf die Schnelle einfiel. Die Antwort darauf war ein zügiges Nein. „Aber du hast an ... angenommen wegen deiner Kin ... Kinder.“ „Hm.“ Gredos Haltung versteifte sich ein wenig. Sie hatte den Rasierer angemacht und kam seinem Hals näher.
„Was ... äh ... ist, wenn ich eure Probleme lösen kann?! Wenn ich euch eure Missverständnisse auf die Hand lege? Lasst es mich versuchen. Gredo nicht zucken, du hast den Rasierer am Hals. Katasofeja, dein größtes Problem ist doch deine Schwiegermutter. Ihr habt euch noch nie gemocht und weil dein Mann das weiß, nimmst du ihm das von Tag zu Tag übler.“ „Stimmt!“, erwiderte sie nur knapp und setzte ab, um die Batterien zu wechseln. Yis derweil ließ von seinen Augenbrauen ab und rasierte sich einen Sidcut auf der linken Seite, da man rechts sonst seine Narbe sehen würde.
„Was ändert die Tatsachen daran, dass diese Urlaube eigentlich Arbeit waren? Wie fühlst du dich, wenn du erfahren würdest, dass er im Personenschutz arbeitet?“ „Auch das war eines seiner Versprechen.“ Fast hätte sich Yis verschnitten. Das lief nicht in die Richtung, die er haben wollte. Dann fiel ihm aber auf, dass das gar nicht aggressiv gesagt war, noch nichtmal wirklich enttäuscht.
„A ... aber du nimmst ihm nicht übel, dass er trotzdem weiter gearbeitet hat?“ Darüber dachte sie kurz nach, bevor sie ein, nein, täte sie nicht, antwortete. „Was der Fakt wäre, dass du sehr genau weißt, was er gerne und mit Leib und Seele macht.“ Aufgeregt trippelte er minimal auf den Beinen rum, beruhigte sich aber schleunigst wieder und setzt nun auch bei seinen Augenbrauen an. „Was ist, wenn ich dir sage, dass er dir das genau aus diesem Grund nicht sagen wollte?“ „Dass ich so etwas eigentlich geahnt habe.“ „Und wenn er auch geahnt hat, dass es für dich so leichter ist?“ Sein breites Grinsen hörte man seiner Stimme an.
Gredo war fertig, weshalb sie sich umwandte. „Woher willst du so etwas wissen?“ „Er hat recht. Ich wollte nicht, dass du besorgt zu Hause sitzt.“ Hektisch beendete man die Augenbrauen und setzte wieder am Sidcut an. Nur ruhig und unauffällig sein. Das läuft jetzt genau in die richtige Richtung und er würde garantiert nicht durchdrehen. Schließlich hob er sich Klingen an den Kopf.
„Das bin ich allerdings!“ „Vielleicht hätte ich es besser machen können.“ „Besser lügen, meinst du?!“ „Nein!“ Er sah in die Ecke. Eine Zeitlang sagte und rührte sich niemand, bis sich Yis neben Katasofeja setzte und Gredos Knie anstieß.
„Wie gesagt, ich wollte, dass zu Hause keine Probleme entstehen.“ Schweigen und Starren. Irgendwann begann der ''Therapeut'' mit dem Bein zu trippeln, woraufhin ihn beide ausbremsten. „Du weißt, wie ich das meine.“ „Ich will gar nicht wissen, wie du immer was meinst!“ Mit einem Seufzen wendete er den Blick ab und zog eines seiner Beine an.
„Was willst du hören?“ „Nichts.“ „Leute, das ist doch nicht so schwer!“ Mit ein bisschen Gezerre legte er ihre beiden Hände zusammen. „Warum habt ihr geheiratet? Gredo, du antwortest!“ Es kam nichts, also trat er ihm gegen das Schienbein. Zwar tat es mehr ihm selbst weh aber die Wirkung war erzielt.
„Kommst du auf den Grund nicht selbst?“ „Ihr sollt da drauf kommen! Also! Ich bringe euch dazu, dass ihr noch ein zweites Mal vor den Altar tretet.“ Seiner Haltung nach würde er das ganz sicher tun wollen. „Um Himmels willen! Die Hochzeit war ein einziges Desaster!“, brach sie unerwartet in Gelächter und Tränen aus. „Ich erinnere mich an deinen armen Vater mit seinem Schluckauf“, stieg auch er belustigt ein. „Je mehr er versucht hat, es loszuwerden, desto lauter ist er damit geworden.“ „Und ich mich an deine Mutter, die mit irgendwelchen angeblichen Arztberichten erschienen ist und allen Leuten weismachen wollte, dass das Kind nicht von dir sein kann. Mein Vater musste sie sich über die Schulter werfen und hinaustragen. Ich glaube, er hatte sie sogar im Auto eingeschlossen. Damit unsere Rechnung nicht noch höher wird.“ „Ja und wir hatten in Schwarz und Weiß geheiratet.“ Irritiert runzelte der Zuhörer die Stirn. Waren weiß und schwarz für Braut und Bräutigam nicht die klassischen Farben? Würde er mal heiraten, dann in Grün, ... vielleicht neongrün, so richtig knallig, damit sich keiner mehr ein falsches Wort trauen würde und Grün stünde für die Hoffnung, eine Hoffnung auf eine lange glückliche Ehe.
Während er darüber nachdachte, tippte ihm Gredo auf das Knie. „Ehrlich Kleiner, was bist du eigentlich von Beruf?“ „Schwimmlehrer. Warum?“ „Ein Schwimmlehrer klärt uns über unsere Ehe auf?“ „Es wäre vorwurfsvoller gewesen, du hättest gewusst, dass ich noch Jungfrau bin. Hihi. ... Moment nicht ablenken!“ Ein bisschen ruppig fügte er die Hände wieder zusammen.
„Ihr gebt euch noch einmal eine Chance. Ihr fangt von null an und nichts der alten Dinge wird angerechnet. Von null, verstanden? Und dass klein Yis tollpatschig ist, ist kein Trennungs- und Streitgrund, verstanden?! Der kann halt ... äh zumindest nicht viel.“ Dass sie loslassen wollte, um ihn ein wenige aufzubauen, unterband er sofort. „Vertragen!“, forderte er, musste dies aber dreimal wiederholen und die Hände wieder verhaken.
„Irgendwann brauche ich meine Hand mal wieder.“ „Erst, wenn ihr es versucht! ... Ihr könnt das!“ „Schatz, ich glaube wir sitzen hier noch eine Weile.“ Sie sagte nichts und sah ihn nur an. „Das Problem“, zischte ihr ''Paartherapeut'' einen kleinen Hinweis. Nichts geschah.
Sie wollte schon aufspringen, als er sich endlich dazu loslöste, sein Handy zu verlangen. In kaum mehr als zwei Sätzen stellte er seine Mutter vor vollendete Tatsache. „Zufrieden?“ „Nein.“ „Was noch?“ „Das hier wirst du mir vorhalten. Du wirst mir vorhalten, dass du deine Mutter für mich ins Heim gebracht hast.“ „Ich ... ich übersetze mal. Du hast keinen Vater. Darum seit ihr ziemlich eng, stimms?“ „Was geht dich das eigentlich an?!“ „Fahr ihn nicht an!“ „Ach und warum?!“ „Weil er mehr von allem versteht, als du es jemals könntest!“ „DER?!“ „JA!“ „Das ist noch mehr ein Kind als ein Erwachsener! Der weiß ja noch nicht mal, wo sein Arsch ist!“ „HINTEN!“, schrie der Junge aufgesprungen dazwischen.
„Über den Beinen unter dem Rücken und hört auf wegen mir zu streiten, verfluchte Donnerkacke!“ „Donnerkacke?“ „Ich fluche, wie ich will! Ich fluche so wie ich BIN!“ „Willst du es wieder buchstabieren?“ „P – R – O – V – O – Z – I – E – R – E – N – D – E – S ... und ... I – G – N – O – R – I – E – R – E – N – D – E – S ... A – R – S – C – H – L – O – C – H ... Komma ... du ... T – R – A – M – P – E – L – S – T ... A – U – F ... G – E – F – Ü – H – L – E – N ... und ... B – I – S – T ... B – L – I – N – D ... W – I – E ... E – I – N ... S – T – O – C – K – F – I – S – C – H ... Ausrufezeichen!“ „Ich habe nicht ein Wort verstanden!“ „PECH! UND WEISST DU WAS?! Du bist in deinem BERUF, der MISERABELSTE! Ich kann dir überhaupt nicht vertrauen. Ich meine, bei dir habe ich das KM 2000 im Hals, bevor ich überhaupt nach irgendjemanden brüllen kann!“ „KM?“ „Ja, Kampfmesser! K – M – E – S – S – E – R!“ Hektisch griff er sich unter die Nase, da er vorlauter Aufregung Nasenbluten bekommen hatte.
„Sakradi!“, fluchte der Personenschützer und stand schwerfällig auf. Er wühlte in drei Taschen nach Taschentüchern, ehe er eines, dem eigentlich ausweichenden Jungen, unter die Nase und in die blutigen Hände drückte. Die Packung schob er in dessen Hosentasche und platzierte ihn vor seiner Frau.
„Wir probieren es nochmal aber draußen und du rührst dich nicht von der Stelle!“ „Schriftlich!“ „Was schriftlich?!“ „Ihr schreibt euch jeweils zwei Briefe!“ „Schwachsinn!“ „Machen! ... oder ... oder bist du ein Yis? ... Also ein Brief über die schlechten Dinge und ein Brief über die guten Dinge des Partners.“ „Habe ich dann nicht schon längst verloren?“ „Sie ist hergekommen. Und jetzt streng dich mal an. Ich blute hier mal eine Weile“, meinte er und warf das blutgetränkte Taschentuch in den her getretenen Mülleimer. „Danke.“ „Hm!“ Beide verließen den Raum.
Später kam Jild ohne zu hinken herein aber es war nur verborgen und nicht wirklich weg. „Ein KM 2000, also. Auch andere Waffen?“ „Schlagringe.“ Kurz drückte er seinen Kopf in den Nacken, um ihn anzusehen. Das Nasenbluten hatte aufgehört, auch wenn er immer noch verschmiert war. Danach drückte er ihn wieder runter.
„Keine Schusswaffen?“ „Normalerweise nicht. Sie prügeln sich. Bei keiner ihrer Mitgliedsbeseitigungen wurden Dings benutzt.“ „Hm.“ Überlegend lief er auf seine andere Seite rüber. „Wäre es möglich, dass sie mit den Evils zusammenarbeiten?“ „Nie im Leben. Sie haben sogar Prämien, wenn sie einen der anderen erwischen.“ „Würdest du die Bosse erkennen?“ „Den Snakeheads-Boss nicht. Er würde allerdings auch nicht zwingend mit prügeln. Da müssten seine Anhänger schon auf zwei Leute schrumpfen.“ „Okay. Wir nehmen also mal an, der Boss bleibt in seinem Versteck.“ „Brauchst du den, der das Versteck kennt?“ „Kommen wir an den ran?“ „Vielleicht.“ „Hm. Interessant und dieses Versteck kennt nur er, kein anderes Mitglied?“ „Nur er, der Boss und ein Dritter, der seit sieben Jahren im Koma liegt.“ „Für dieses Koma ...“ „War der schwarze Hund des Evils Boss verantwortlich. Ein Kampfhund, der auf einen Pfiff und dieses Zeichen reagiert.“ Das Zeichen war eine simple Faust, die kurz mit der Handunterseite nach oben gedreht wurde. „Hm.“ Er setzte sich.
„Würdest du dich trauen, dich in die Nähe zu schleichen?“ „Und der Schnee?“ „Was sollen sie schon mit Fußspuren anfangen können? Du darfst nur nicht die Nerven verlieren.“ „Ich ... ich will dann aber dich mitnehmen.“ „Ich werde mitkommen.“ „A ... aber?“ „In Entfernung. Hiermit. Und Gredo wird in deiner Nähe bleiben. In Kampfkunst ist er stärker als ich.“ „Hm und du zielst wie ein Gott.“ „Stimmt. Ich hatte aber auch eine Scharfschützenausbildung.“ Als hätten sie eine ganz banale Unterhaltung, lehnte er sich zurück und ließ den Jungspund sich die Sache überlegen.
„Was machen wir mit meiner Mutter und Katasofeja?“ „Was du für schlauer hältst. Mitnehmen würde ich sie aber nicht.“ „Hm aber Haus könnte riskant sein, so ohne Schutz. Sie suchen ja gerade die Häuser ab.“ „Dann werden wir sie wohl in den Wald schicken müssen.“ „Hm.“ Mit der mulmigen Antwort kam sein ernannter Papi und Schutzpatron nach vorne.
„Nur wenn du dir selbst sicher bist, dass es dich nicht übermannt. Es ist ein Risiko. Drei gegen achtundzwanzig.“ „Du zählst mich mit?“ „Klar.“ „Wow. Das war aber ne klare Antwort.“ Wieder ließ er ihm Zeit, sich das Ganze genau zu überlegen.
„Gut. Ich krieg das hin!“ „Wer, wenn nicht der Junge, der aus dem Nichts heraus ein Segelboot fahren konnte.“ Wegen des Lobs wurde er ein wenig rot. Er vergaß so häufig, dass er auch eine Granate sein konnte, wenn er wollte. Er konnte das. Er konnte eine ganze Menge, wenn er nur einmal nicht auf die Stimme hörte, dass er Müll sei.
Ohne jeglichen Zweifel hielt er sich an Gredos Seite, während sich das Dreiergespann getrennt auf den Weg zum Flughafen machte. An einer sicheren Stelle zogen sie sich zurück und beobachteten dreieinhalb Stundenlang, den Komplex. Dann hatte Yis endlich jemanden entdeckt. „Siehst du den da, mit seinen Eiszapfen in dem langen Bart? Verschüttet gleich sein Getränk, wenn er nicht hinsieht.“ „Ist er das?“ „Ja. Brünett, undercut, Ziegenbart, Narbe in der Augenbraue und an der Oberlippe. Seine Fingerknöchel sind verschrammt. Er hat sich frisch geprügelt.“ „Gut. Das genügt. Machen wir einen Abgang.“
Bevor dies passierte, hielt er ihm die frisch gemachte Fotografie hin. „Ja, ist der Richtige. Ich weiß nicht mehr wie rum sein Name war. Klaus Johann oder Johann Claus.“ „Originell.“ „Wie originell?“ „Nichts! Sehen wir, dass wir dich hier wegbringen. Geh da rechts vorbei!“ Diese Worte scheinbar nicht wahrnehmend, ging er links am Baum vorbei. „Hast du eine Rechts-Links-Schwäche?!“ Darauf antwortete man nicht und lief weiter. Wahrscheinlich war er mit ''nicht hinfallen'', ''in Deckung bleiben'' und ''Nerven behalten'' ausgelastet. Zumindest lief er links, als man dies antäuschte, um ihn eigentlich nach rechts zu lotsen. Genervt wappnete man sich auf den Moment, wo sie auffliegen würden und ließ den vor sich einfach machen.
Als sie zu ihrem Scharfschützen aufschlossen, war es bereits dunkel. Glücklicherweise hatte es keine Zwischenfälle gegeben, was den Adligen allzu offensichtlich überraschte. Trotzdem hatten sie zusammen noch ein ganzes Stück zurückzulegen, bevor sie im Lager der beiden Frauen ankamen. Sofort wollte die Freifrau, dem streng Bewachten die Kartoffelsuppe abgeben. Doch er lehnte mit einem bestimmendem Blick ab und verlangte, dass sie es ihrem Mann abgab. Sie seufzte und tat ihm den Gefallen. Dieser grinste folglich auf eine Weise, als wäre wieder alles in Ordnung und sein Verdienst.
Die dicker werdende Luft nicht beachtet, kniete sich der Junge neben seine Mutter, die felsenfest in einem Schlafsack schlummerte und einen Arm, mit einer angebissenen Karotte heraushängen hatte. Behutsam zog er ihr diese aus der Hand und sorgte dafür, dass sie vollständig warm eingepackt war.
„Besorgen wir etwas Holz?“, fragte der Älteste, der normalerweise eigentlich gleich losgegangen wäre. Doch er wartete, was irgendwie dafür sprach, dass er ihn von hier weg haben wollte. „Geht das mit deinem Bein?“, entgegnete er abwesend. Er wollte keine Angst haben. Sein Blick schweifte über Gredo zu Katasofeja und endete auf dem Feuer. „Stell keine dummen Fragen. Du kennst die Antwort.“ „Hm.“ Beim sich zu ihm wenden, biss er in die Karotte. „Ich weiß, dass du selbst laufen würdest, während andere längst auf den Rollstuhl angewiesen sind aber ich schätze, du würdest es nicht anbieten, wäre es so schlimm, also denke ich mal, ist es okay.“ „Dann nimm die Pulka mit und wer... lege die Axt drauf, ohne dich zu verletzen.“ „Mach ich, Chef.“
Während des Suchens biss er die Karotte bis zum grünen Endstück ab. „Ups, jetzt hab ich ihre Möhre gegessen. Ich wollte sie doch nur weglegen.“ „Ist das etwa wichtig? Das da wirst du ihr wohl nicht wieder geben wollen.“ Jild ging ein paar Schritte, bemerkte aber dass sein Schützling erstarrt stehen blieb.
„Heilandzack“, fluchte er und rammte die Stöcke in den Boden. Kurz überlegte er und sagte dann: „Lass dir von einem Unfreundlichen sagen, dass das hier, dieses hässliche Stück zurückzugeben, nicht höflich ist. Und jetzt komm in die Gänge!“ „Hm. Ist aber Ansichtssache, wenn auch irgendwie plausibel aber hier nicht plausibel.“ „Wir sind in keiner Notsituation!“, konterte er und riss ihm das Stück aus der Hand. „Stell dich unter den Baum da!“ „W ... warum? Ach so. Hihi ... ich ahne es.“ Freudig hibbelte er dorthin und zog sich die Kapuze über den Kopf, ehe Jild mit der Karotte in den Baum zielte. „Abgekühlt?“ „Hihi.“ „Gut. Holz holen! Nützlich sein!“ Beide liefen, wie zwei Gegensätze, irgendwo in die Ferne hin.
„Eigentlich ist er dir doch ähnlich“, sagte die Freifrau mehr zum Boden als zu ihrem Mann. „Höchstens darin, dass er sich in die Scheiße reitet.“ „Vielleicht hat er auch deine Taschenkrankheit.“ „Er hat nicht mal Taschen an sich dran. ... Schatz?“ „Hm?“ Er zögerte. „Ich nehme dir überhaupt nichts übel.“ „Du wirst es mir übel nehmen!“, hielt sie dagegen und legte etwas in das Feuer nach. „Ich sagte doch, dass ich das nicht werde! Es ist halt so.“ „Nein, ich kenne dich! Und ich werde mir nicht sagen lassen, dass ich dich dazu gezwungen habe, deine Mutter abzuschieben. Du weißt ganz genau, wie das ablaufen wird.“ „Hauptsache, du bist nicht zufrieden, was?“ Abwesend hob er einen dünnen Ast ins Feuer und schaute eine Zeitlang zu, wie sich eine Flamme daran bis runter zu seiner Hand züngelte. Dies machte er so lange, bis er sich tatsächlich verbrannte, es aber überspielte und so tat, als hätte es nur seinen Handschuh erwischt.
„Dreh dich nicht gleich um.“ Davon alarmiert, starrte er sie an. Sie zog sich einen Rucksack her, aus dem sie einen Spiegel entnahm. Diesen hielt sie dann so, dass eine Gruppe aus acht Leuten zu sehen war, von denen sich einer genervt wieder anzog. Eine Jacke lag zu seinen Füßen. „Der im T-Shirt hat dieses Tattoo, welches ich deinem Sohn aufmalen sollte.“ „Na, perfekte Sahne!“ Wenig gekonnt unterdrückte sie ein Lacher, gab dem fragenden Blick jedoch keine Antwort.
Als er im Augenwinkel erkannte, dass Yis ihn sah, forderte er seine Frau auf, mit ihm anzustoßen. Es war kein wirklich verständliches Zeichen. Dennoch freute sich das Ziel und machte seine Begleitung auf seinen vermeintlichen Erfolg aufmerksam. In aller Seelenruhe fuhr sein Mentor weiter fort und brachte ihn wieder in die Runde zurück. Dem Jungspund fiel es nicht weiter auf, dass er von den beiden Männern abgeschirmt wurde. Fröhlich schob er etwas ins Feuer und wärmte sich. Seinem Summen nach hatte er auch wieder komplett verdrängt, dass er gesucht wurde.
Über die Schlafenszeit schob Gredo alleine Wache. Nicht wirklich konnte man sehen, dass er nach der Begegnung das Umfeld noch viel gründliche im Auge behielt. Allenfalls fiel es bei genauer Betrachtung an seinen Händen auf, die etwas verkrampft bei ihrem Tun waren.
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Kapitel: | 4 | |
Sätze: | 1.208 | |
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