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Sätze: | 20 | |
Wörter: | 1.304 | |
Zeichen: | 7.682 |
Trisha zog sich in der McDonald's-Filiale, in der sie seit neustem arbeitete, die Jacke an und verabschiedete sich von ihren zwei Kolleginnen, die ab da übernahmen. Ihre Schichten waren meist mitten in der Nacht, da sie es liebte, wenn es ruhig und still war und einen besseren Job hatte sie trotz großer Bemühungen nicht bekommen, deshalb musste sie das Beste aus dem machen, was sie bekam.
Doch sie hasste es, von ihrer Schicht allein, mitten in der Nacht in Berlin, mit der U-Bahn nach Hause zu fahren und die letzten Straßen zu ihrer Wohnung zu gehen.
Jedes Mal drehte sie sich oft um, versicherte sich, dass niemand sie verfolgte und in der U-Bahn ließ sie ihren Blick über ihre Mitfahrer schweifen; ob es dunkle Gestalten waren, ob sie jemand düster musterte oder ob sie vielleicht jemanden kannte, mit dem sie sich hätte unterhalten können.
Meist war sie jedoch allein, wurde aber von den meisten mit nichts weiter als einem kurzen Seitenblick beachtet. Nur hin und wieder spürte sie Blicke, die ihr kalt den Rücken runterfuhren.
Sie lief die Stufen zur nächsten Station runter und huschte vorbei an den zum Teil geschlossenen Läden, betrunkenen Obdachlosen und den ganzen anderen Menschen, die sie nicht weiter beachten wollte.
Als sie sich auf einen der Sitze setzte, spürte sie sofort den Blick von jemandem auf sich; sie sah hoch, nach links und rechts und konnte nur noch sehen, wie eine Person, die einige Meter rechts von ihr stand, den Blick schnell auf das Handy richtete, dass sie vor sich in der Hand hielt und irgendetwas wie Candy Crush spielte, so wie Trisha es sah.
Sie fühlte sich sofort unwohler, aber der Gedanke, dass die Bahn bereits in einer Minute kam, beruhigte sie.
Trotzdem hielt sie ihren Blick weiter stur geradeaus, sodass sie jede Bewegung der Person aus dem Augenwinkel beachten konnte.
Dann endlich kam die Bahn und sie konnte der U-Bahn-Station einer weiteren Nacht entfliehen.
Wieder setzte sie sich mittig, sodass sie links und rechts fliehen konnte, oder zumindest die Gefahr früh genug auf sich zukommen sah, sodass sie von keinem schnauzbärtigen Ekelpaket vergewaltigt wurde.
So verharrte sie starr, blickte auf ihr Handy und checkte ihren Insta-Feed, um sich wenigstens ein bisschen mit der restlichen Welt zu verbinden, und nicht, als wäre sie in dieser kleinen Parallelwelt vollkommen abgekapselt.
Als sie drei Stationen später schließlich ausstieg, merkte wie nur die Person mit Kapuze ebenfalls ausstieg. Der Bahnsteig lag leer und verlassen im pissgelben Licht der Leuchtstoffröhren da und ein gruseliges Licht wurde durch die von Graffiti beschmierten grünen Kacheln erzeugt. Sie spürte, wie sich ihre Umgebung nachts immer in ein komisches Monster, nein, in ein merkwürdiges Universum verwandelte, dass scheinbar darauf aus war, ihr etwas anzutun.
DA! Da waren sie wieder, die dunklen Gedanken, die sie versuchte, sich selbst zu untersagen. Wütend stierte sie vor sich hin und verließ die komplex gebaute U-Bahn-Station, deren Gänge und Korridore sie mittlerweile bestens kannte und wahrscheinlich auch im Schlaf durchgehen könnte. Und dabei merkte sie gar nicht, wie die Person mit der Kapuze ihr immer noch folgte.
Das merkte sie erst, als sie den Schutz des Lichts der Station verließ und auf die spärlich erleuchteten Straßen ging. Sie spürte direkt wieder dieses dumpfe Unwohlsein, drehte sich mehrmals um und dann sah sie, dass die Person, nein, vielmehr die Gestalt die Verfolgung aufgenommen hatte. Adrenalin pumpte durch ihren Körper und sie musste dem Drang widerstehen, sich in die nächste Seitengasse zu flüchten, um abzuwarten, bis die Gestalt vorbeigegangen war. Doch sie zwang sich, einfach weiter ihren Weg zu verfolgen. Aus genau zwei Gründen: Wenn sie in eine der Seitenstraßen einbog in diesem Viertel Berlins, dann würde sie sie nicht ohne sämtliche Hepatitis-Sorten verlassen, dachte sie, ohne näher über das eigentliche Ereignis nachzudenken, und zweitens war die Gestalt, nein, die Person, es war eine Person, keine Gestalt, wahrscheinlich nur auf dem Weg nach Hause.
"Wenn Sie wieder diese Angstzustände bekommen, dann geben Sie dem Objekt Ihrer Furcht einfach einen Namen. Namen lassen sie schwächer und besiegbarer erscheinen", hörte sie die Stimme ihres Therapeuten und sie dachte nach, wie sie die Person nennen konnte.
James. James war ein schöner Name, er würde ihr keine Angst machen.
Trisha lief jedoch trotzdem schneller und war wieder so tief in ihren von Panik und Furcht geprägten Gedanken, die noch dazu ständig die Richtung wechselten, dass sie nicht mitbekam, dass auch die Person ihren Schritt verschnellerte.
Grübelnd lief dieses merkwürdige Duo durch die Straßen des Viertels, eine Frau, die ihren Blick nachdenklich zu Boden gerichtet hatte und wie eine Maschine lief, und einige Meter hinter ihr, eine Person, ganz in schwarz, Kapuze über den Kopf gezogen und den Blick ebenfalls nach unten gerichtet.
Ein Außenstehender, der die Szenerie verfolgt hätte, hätte vielleicht gesagt, dass das Raubtier seine Beute nicht aus den Augen verlor, auch wenn es den Anschein hatte, als wäre es gar nicht auf Jagd.
Nachdem Trisha in ihre Wohnstraße eingebogen war, erblickte sie bereits den angenehm beleuchteten Eingang und ihr Wohnungsfenster, direkt neben dem, in dem zu jeder Tages- und Nachtzeit das bläuliche Licht eines Fernsehers schimmerte.
Erleichtert lächelte sie auf, lief die letzten Meter schnell ab und öffnete schon die Tür, zog sie hinter sich fest zu und lehnte sich an die steril wirkende weiße Wand, blickte auf die dunkle Straße und war heilfroh, ihrem persönlichen Horror entkommen zu sein.
In ihrer Wohnung angekommen schaltete Trisha die Lichter ein, zog die Jalousien herunter, machte den Wasserkocher an, um sich eine 5-Minuten-Terrine zu machen und öffnete Netflix auf ihrem SmartTV.
Nachdem sie das Wasser in den Behälter geschüttet hatte, wählte sie ihre Lieblingsserie aus und spielte die nächste Folge ab.
Doch noch als das Intro lief, hörte sie irgendetwas klicken, woher das Geräusch kam, konnte sie nicht ausmachen. Sie schüttelte den Kopf und nahm an, dass sie mittlerweile schon etwas zusammen fantasierte, was überhaupt nicht da war.
Doch dann hörte sie es ein zweites Mal, diesmal deutlicher, es kam aus dem Flur. Sie war irritiert und glaubte, dass einer der Nachbarn klopfte oder reinkommen wollte.
Sie dachte nicht daran, dass sich jemand von außerhalb Zutritt zu ihrer Wohnung verschaffen wollte; so paranoid und vorsichtig, wie sie außerhalb des Hauses war, so unvorsichtig und naiv war sie in ihren eigenen vier Wänden, vielmehr im ganzen Mehrfamilienhaus.
Sie ging, weiterhin die brühheiße Terrine in der Hand haltend, aus dem Wohnzimmer und betrat den Flur, als sie nur noch die offene Wohnungstür und eine dunkle Gestalt (sie war sich doch nicht mehr sicher, ob es eine Person war!) bemerkte und dann wurde ihr die heiße Terrine ins Gesicht geschüttet.
Die rote Sauce verbrannte ihre Augen und ihre restlichen Gesichtspartien und sie schrie einfach auf, kniff die Augen fest zusammen und war so kurzzeitig gezwungen, blind zu sein, als sie spürte, wie eine Faust in ihren Magen gerammt wurde, ihr die Kotze hochkam, aber sie gerade noch eben so hinunterschlucken konnte.
Doch vor dem Sturz auf den Boden konnte sie sich nicht retten. Mit dem Becken kam sie hart auf die weißgekachelten Fliesen auf und ihr Kopf war bereits taub, als er aufprallte und sie sich Gehirnerschütterung und Platzwunde zuzog.
Von den nachfolgenden Tritten in Magen und Seite spürte sie nichts, ebenso wenig, wie sie aufgehängt wurde, ihr die Kehle durchgeschnitten wurde und sie dort hing, über ihrer Badewanne, wie ein Schwein, das erst ausbluten sollte, bevor es zu Fleisch verarbeitet werden konnte...
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