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Drachen

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28.03.17 22:05
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

30.12.2175

17:22:31

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Hab mir heute das Ergebnis der 4er-Arbeitsverlosung abgeholt. Hab tatsächlich die Stelle in diesem „Geographischen Institut“ ergattert! Izzy hatte recht, ein bisschen Schmiergeld kann Wunder wirken. Hoffe, die Arbeit ist wirklich so entspannt wie Gravity behauptet hat, sonst wars umsonst, dass ich die letzten vier Jahre nichts als Syntha-Flakes gegessen hab.

Übermorgen ist mein erster Tag. Cachu, wenn der Superrail schon wieder ausfällt und ich zu spät komme, bin ich so was von angepisst.

Scheiße – in einer halben Stunde ist Lockdown und ich hab mal wieder vergessen, Atemfilter zu kaufen.

 

1.1.2176

16:41:04

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Erster Tag im neuen Job. Sieht so aus, als hatte Gravity recht. Außer mir arbeiten nur zwei Leute im ganzen Institut: der Wissenschaftliche Leiter und die Militärische Vertreterin. Beide 1er, natürlich. Der erste heißt Joyful Acker, was echt der unpassendste Name aller Zeiten ist. Und alt ist er auch noch, ein so richtig uralter Sack – 40? 45? Redet auch nicht mit mir. Whatever, du asoziale Trantüte.

Und die Army Bitch heißt Drysi Jones. Cachu, was für ne großkotzige Kuh die aber auch ist. Hat mich gleich in der ersten Minute angemotzt dass ich ja nichts anfassen soll, schon gar nicht einen der Rechner, ich bin nur zum Teekochen und Postholen da, etc. Was sollte ich schon anfassen wollen? Überall hängen nur langweilige alte Karten rum, ich wette, auf den Rechnern ist auch nichts Interessanteres.

Filter kaufen, verdammt! Oder willst du jedes Mal die Luft anhalten wenn du ausm Haus gehst, du Idiot?

 

6.1.2176

18:17:04

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Cachu, ist dieser Job langweilig. Und den muss ich die nächsten vier Jahre ertragen. Was für ne Schweinerei dass ich, 16 Jahre alt und auf körperlicher und geistiger Höhe, den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hab als einem grimmigen alten Schwein und einer aufgeblasenen Zicke den Hintern zu küssen.

Ist aber immerhin besser als in der Armee zu sein. Oder im Kraftwerk zu arbeiten. Klar, Krebs bekommen wir 4er alle irgendwann. Aber dann lieber nicht schon mit 22.

Apropos, Izzy war heute zu Besuch. Ihre Freundin hatte bei der Verlosung weniger „Glück“ als ich und ist eingezogen worden. Izzy hat alles vollgeheult und ich wusste nichts Besseres, um sie zu trösten, als ihr zu versichern, dass der Krieg ganz bestimmt bald zu Ende ist. Was für eine jämmerliche Lüge. Wieso sollte der Krieg bald zu Ende sein? Er ist seit 20 Jahren nicht zu Ende, wieso sollte er es jetzt auf einmal sein?

Cachu, was für ne beschissene Welt es doch ist.

Unbedingt Syntha-Flakes kaufen!!

 

15.1.2176

18:02:34

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Hat der alte Scheißer mich heute also doch zum ersten Mal angesprochen! Und rat mal was er gesagt hat – „Du bist aber ein wütendes kleines Ding, oder?“

Was für ein Arschloch.

Wütend?

Ich zeig dir mal wütend.

„Erstens bin ich kein Ding, ich bin ein lebender, denkender, eigenständiger Mensch mit denselben Rechten wie Sie, auch wenn Sie das wahrscheinlich nicht zugeben wollen. Zweitens bin ich nicht klein. Ich bin volljährig. Ich sorge für mich selbst, ich verdiene meinen eigenen Lebensunterhalt und ich bin von nichts und niemandem abhängig. Und drittens habe ich guten Grund, wütend zu sein. Ich hab tausend gute Gründe, wütend zu sein. Die Luft ist verpestet, das Wasser vergiftet und der Boden verstrahlt. Seit ich denken kann, herrscht Krieg. Und in 15 Jahren kriegt mich der Krebs – wenn ich nicht an der Front sterbe. Für Sie ist das natürlich alles kein Problem. Sie müssen nicht da raus in den Dreck und die Kälte und die Verseuchung, Sie müssen nicht alle vier Jahre im Verlosungsbüro Schlange stehen und hoffen, mehr als alles andere auf der Welt hoffen, dass Sie nicht eingezogen werden. Sie dürfen Ihr ganzes Leben in bleiverkleideten, bombensicheren Gebäuden verbringen, mit einer eigenen Wohnung und einem sicheren Job. Und woran genau, glauben Sie, liegt es, dass Sie so verdammt alt geworden sind?“

Hatte möglicherweise ein kleines bisschen angefangen, ihn anzuschreien. Izzy sagt doch immer, ich rege mich zu leicht auf. Zum Glück war Miss Stock-im-Arsch nicht dabei. Und der alte Knacker, der hat nicht mal mit der Wimper gezuckt.

Aber der hat was ganz Komisches gesagt.

„Du beneidest also, dass ich nicht nach draußen muss. Das kann ich verstehen. Aber was, wenn ich dir sagen würde, dass ich es auch nicht darf?“

Was soll ich jetzt damit anfangen?

Bestimmt schon senil, der Kerl.

 

26.1.2176

17:55:27

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Na, wer hätts gedacht: ich freunde mich tatsächlich langsam mit diesem verschrumpelten Brummbären an! Er zeigt mir gerne seine Karten – naja, die könnte ich auch so jederzeit angucken, hängen ja bloß so rum – aber er erklärt mir dann auch immer, wie sie sich alle vom Schwerpunkt her und so unterscheiden. Manche sind für die Regierung, die haben Verwaltungsbezirke eingezeichnet und so was, und dann gibts die für den Handel und fürs Militär und so weiter. Eine Karte hat er mir gezeigt, da waren alle Fahrwege in der ganzen Union aufgezeichnet. Im Süd-Osten ist aber dann ein riesiges Gebiet, wo es überhaupt keine Straßen gibt. Der Alte erklärte, dass das die South-East Coast Military Zone ist, die nur für militärische Übungen genutzt wird. Typisch – die Fläche könnte man auch für die Landwirtschaft benutzen, aber nein, das Militär ist natürlich wichtiger.

Ist aber manchmal doch ein bisschen langweilig – ich meine, wenn man eine Karte kennt, kennt man sie alle. Hier ist das Anglische Union. Im Westen die Insel. Im Norden die verdammten Schotten, die jetzt ihr Bestes geben, Izzys arme Freundin in Stücke zu schießen. Und ringsum ewiges Meer. Spaaannend.

Mir fällt aber was auf – Großväterchen macht das alles nur, wenn diese lästige Wichtigtuerin nicht da ist.

Cachu, ist es kalt hier drin. Neon, der Vollpfosten, hat heute den Micro-Oven in der Gemeinschaftsküche zu weit aufgedreht und die Sicherung ist rausgeflogen – jetzt hat der ganze Zimmerblock keine Heizung mehr.

 

2.2.2176

18:13:24

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Izzy war wieder zu Besuch. Cachu, sie verkraftet es wirklich nicht, dass Mary weg ist – sie hat noch mehr abgenommen, und ist ziemlich blass. Wünschte, ich könnte irgendwas tun – ich war noch nie gut darin, Leute zu trösten. Als Tad gestorben ist, war ich ja völlig nutzlos. Anscheinend bin ichs immer noch.

Gravity hat auch angerufen. Sein Job ist ziemlich einsam, sagt er, aber ganz okay, er muss den ganzen Tag nur am Funkgerät sitzen und ab und zu ein paar Knöpfe drücken. Was sollte man als Funkbeamter da oben auf der Insel auch sonst tun. Keine Ahnung, wieso er bei der letzten Verlosung nicht versucht hat, meine Stelle – also seine Stelle, aber jetzt ist sie meine – nochmal zu bekommen, wenn sie doch so cool ist. Stattdessen sitzt er jetzt am Arsch der Welt. Tja, selber schuld.

Wurde heute übrigens mal wieder von dieser dummen Primadonna angemault, weil ich mich umgeschaut habe, als ich ihr den Tee ins Büro gebracht hab. Umgeschaut. Ist das jetzt auch noch verboten, oder was? Bitch.

 

7.2.2176

22:50:50

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Cachu, ist es spät, ich muss in fünf Stunden schon aufstehen – aber ich kann nicht schlafen.

Heute ist – etwas passiert.

Die hässliche Hexe war unterwegs und der alte Muffel hat mir mal wieder die Karten gezeigt – es gibt echt so viele, an der Wand, in Schränken, in Schubladen, überall – und dabei sind wir auf eine ganz alte, kleine gestoßen, da war am Rand, im südlichen Meer, so ein kleines Monster gezeichnet, und darunter war geschrieben: „Hier sind Drachen“. Drachen, das sind solche fliegenden Monster, die in alten Geschichten vorkommen, hat er mir erzählt. Und vor richtig langer Zeit, haben das die Leute auf Karten geschrieben, um zu sagen, dass das Gebiet unerforscht und gefährlich ist und so.

Hab also gefragt, wieso das da steht. Also, die Karte sah schon alt aus, noch älter als der grantige Greis selbst sogar, aber, naja, ich meine, es ist ein verdammtes Meer. Wasser. Da ist nichts, 40000 km weit, bis man auf der anderen Seite wieder zurückkommt. Was soll da schon unerforscht sein?

Der Typ hat nur gesagt, das ist halt so (suuuper Antwort, echt) und wollte die Karte ganz schnell zurückhaben, um sie wieder in die Schublade stopfen, aber da ist mir was aufgefallen: Die Karte hatte keine richtige Umrandung und nicht einmal eine Legende – sie war ausgeschnitten aus einer größeren. Und die Farbe war am unteren Rand so komisch und uneben.

Es sah aus, als wäre etwas entfernt worden. Und der Drache – der hat was überdeckt.

Etwas, was nicht ausradiert werden konnte?

Cachu, was rede ich überhaupt. Bin bloß müde. Zeit, ins Bett zu gehen.

 

8.2.2176

18:22:08

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Dieser launische Arsch ignoriert mich mal wieder. Hab ich ihn gestern irgendwie beleidigt? Hab ihn gefragt, ob er mir wieder die Karten zeigen will, aber er hat gesagt, er hat keine Zeit dazu. Als ob du sonst irgendwas zu tun hättest, du griesgrämiger Opa.

Vermisse Gravity, er konnte mich immer zum Lachen bringen. Wünschte, ich könnte mit ihm reden, ihn vielleicht fragen was ich mit Mr. Acker falsch gemacht hab – aber er bekommt nur ein Telefonat im Monat. Cachu.

Filter kaufen! Nicht vergessen!!

 

11.2.2176

17:57:34

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Wieder versucht, auf den alten Miesepeter zuzugehen. Wieder die kalte Schulter gezeigt bekommen.

Hab Izzy besucht. Sie ist in letzter Zeit wirklich sehr blass geworden. Aber noch hat sie nicht gehustet. Man sagt ja, wenn du erst mal gehustet hast, dann weißt du, dass du ihn hast. Dann gehts ganz schnell. Aber Izzy hat ihn nicht, ganz sicher nicht. Sie ist viel zu jung, um ihn zu haben.

 

16.2.2176

18:11:24

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Ignoriert mich immer noch, dieser Arsch.

Und Neon hat meine Fruit Bars aus der Küche geklaut.

Alles ist schrecklich.

 

21.2.2176

18:19:43

51°33'17.1"N 3°10'40.3"W

Endlich! Hab mich mit diesem mürrischen Sauertopf doch noch versöhnt! Hab mich schon tausendmal bei ihm entschuldigt (obwohl ich nicht einmal weiß, wofür), hab ihn angebettelt, mir zu sagen, was los ist. Ich dachte schon länger, das könnte was mit dieser alten Karte zu tun haben, also hab ich ihn heute endlich darauf angesprochen, ob ich da was Falsches gemacht hab – und er hat mich gleich unterbrochen und gesagt, ich soll nicht mehr – nie mehr – davon reden. Meinte, es sei nicht gut, zu viel über die alten Karten zu reden, und der Letzte, der das getan hat, sei „gebeten“ worden, zu gehen.

Er meinte Gravity.

Gravity, der vor mir diese Stelle hatte.

Gravity, der jetzt an dem einsamsten Flecken auf der ganzen Erde sitzt.

Schätz mal, dass er diesen neuen Job nicht wirklich zufällig zugelost bekommen hat.

Das hab ich dem Alten gesagt, dass ich mit Gravity befreundet bin, dass er mir diesen Job sogar empfohlen hat. Hab nicht erwähnt, dass er mir sogar Geld geschenkt hat, um den Verlosungsbeamten zu bestechen, als meine Ersparnisse nicht gereicht haben – kann man so was einem 1er gegenüber überhaupt erwähnen?

Tja, da hat der Kerl aber aufgehorcht.

„Er hat dir den Job empfohlen?“

Hat dann angefangen, vor sich hinzumurmeln. „Der Junge, er weiß was er tut. Er gibt nicht auf. Ach, er ist doch ein Kluger… Er gibt nicht auf.“ Glaub, er hat fast gelacht.

Durchgeknallt, der Typ. Aber wenigstens ist er nicht mehr sauer auf mich.

Izzy musste ihren Besuch heute absagen, sie muss total viel arbeiten und ist ziemlich müde. Wir haben stattdessen telefoniert.

Noch hat sie nicht gehustet.

 

28.2.2176

23:55:41

51°28'01.7"N 3°11'46

Cachu.

Cachu cachu cachu.

Ich weiß nicht was ich tun soll.

Ich weiß nicht, was ich überhaupt gerade tu.

Ich hatte Recht. Mit der Karte.

Es ist etwas entfernt worden.

Ein – ein -

Es ist alles zu viel. In der letzten Woche war doch alles wieder gut. Immer wenn diese blöde Nervensäge nicht da war, hat mir der Alte die Karten gezeigt und mir was darüber erzählt. Und dann kamen wir irgendwie wieder auf die South-East Coast Military Zone zu sprechen.

Hab ihn gefragt – was mich schon seit einiger Zeit wundert – wie es sein kann, dass es in der ganzen Zone keine Fahrwege gibt, ich meine, was nützt schon ein riesiges Übungsgelände, wenn man innerhalb davon nirgendwo hinkommt.

Und er hat mich ne Weile lang mit so nem ganz seltsamen Gesichtsausdruck angeguckt und hat dann angefangen, ganz schnell und leise zu sprechen.

Es gibt keinen Übungsplatz. Das gesamt Gebiet ist abgesperrt und wird von niemandem betreten.

Nicht weil dort irgendetwas Schreckliches ist.

Sondern weil von dort aus etwas Schreckliches sichtbar wäre.

Land.

Es gibt andere Inseln außer der Union und der Insel. Er sagt, er weiß nicht wie viele, oder wie groß sie sind, aber es gibt sie.

Sie sind auf keiner Weltkugel zu sehen und keiner Karte. Alle Abbildungen wurden nach der Revolution vor vierzig Jahren durch die neue Regierung zerstört.

Oder sie wurden abgeändert.

Von wegen „Hier sind Drachen“. Ein, zwei Striche oder Buchstaben, die sich nicht ganz wegradieren lassen wollten, aber es wäre doch schade um die schöne Karte…

Es gibt andere Inseln, und andere Menschen. Und Mr. Acker will, dass ich dort hinfahre.

Er kann es nicht selbst, sagt er. Er weiß zu viel, er wird beobachtet und darf das Institut und seine Wohnung nicht verlassen. Er hatte mit Gravity schon einen Plan ausgemacht, als diese neugierige Ziege beschloss, dass die zwei zu viel miteinander tuschelten, und die Regierung Gravity an einen Ort versetzte, wo er aber auch niemanden mehr zum Reden hätte.

Aber Gravity hatte schon einen Nachfolger gefunden.

Keine Ahnung, wieso er mich gewählt hat. Bin gut darin, wütend zu sein, aber das wars auch schon.

Heute Abend bin ich aber nicht wütend. Ich glaub – ich hab Angst.

Cachu, ich hab richtige Angst.

Der Alte hat mir den ganzen Plan erklärt, den Plan, den Gravity hätte durchführen sollen.

Und anscheinend will Gravity, dass ich es tu.

Es muss heute losgehen. Jones hat Verdacht geschöpft, sagte Mr. Acker, es ist unsere letzte Chance.

Er hat alles ganz gesagt, bevor Miss Jones zurückkam, und ich hab stumm zugehört und genickt und hab ihm nicht einmal gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich es machen kann. Oder will.

Einerseits – die Chance, dieses verdammte Land zu verlassen. Ein neues Leben zu haben. Und der Union ein riesengroßes Ihr-könnt-mich-mal zu verpassen.

Andererseits – cachu, wo fange ich bloß an.

Ich. Alleine. In einem kleinen Motorboot auf hoher See. Das wird ja garantiert gutgehen. Und wenn sie mich erwischen – naja, wenigstens brauch ich mir keine Sorgen mehr über Krebs zu machen.

Und Izzy. Arme Izzy. Sie hat Tad verloren, und Mary auch schon mehr oder weniger. Und jetzt noch mich?

Aber so wie sie gestern am Telefon geklungen hat, würde ich ihr nicht mehr allzu lange fehlen.

Cachu, was für ein schrecklicher Gedanke! Noch hat sie nicht gehustet. Ihr geht es gut.

Ihr geht es gut.

Und selbst wenn es ihr nicht gut geht, braucht sie mich doch umso mehr. Dazu sind Geschwister da, oder?

Ich weiß nicht, was ich tun sollte. Ich weiß es nicht. Ich hab Scheiß-Angst.

Ich bin am Hafen. Als ich nach Hause gekommen bin, habe ich noch wie in Trance Mr. Ackers Anweisungen befolgt. Kleidung und Essen einpacken, bis 11 warten, durch ein Fenster herausklettern, zum Hafen gehen. Es ist längst Lockdown, aber er hat mir eine Karte gegeben, die die Routen der Ordnungswächter zeigt. Er hat für alles eine Karte, die Stadt, den Hafen, die Küste – und für alles, was darüber hinausgeht, die kleine, alte Karte, die diesen ganzen Scheiß angefangen hat, auf der er versucht hat, die Küste der anderen Insel grob nachzuzeichnen. Und außerdem ein altes Gerät, irgendwie soll ich damit navigieren können, und Schlüssel –

Ist bestimmt nicht klug, hier so lange rumzustehen, aber ich muss meine Gedanken sortieren. Ich muss überhaupt eine Entscheidung treffen. Wenn ich dieses Bootshaus aufsperre und hineingehe, wenn ich den Motor anwerfe – dann kann ich es nie wieder rückgängig machen. Dann werde ich Izzys Stimme nie wieder hören, sie nie wieder lächeln sehen.

Aber ich werde sie auch nicht sterben sehen.

Ich muss mich entscheiden.

Ich muss mit ihr sprechen. Ich rufe sie an, vielleicht das letzte Mal in meinem Leben.

Selbst um diese Uhrzeit hebt sie ab.

„Was ist denn, Cariad?“

„Izzy – Izzy, ich muss eine Entscheidung treffen. Izzy, ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Sie ist besorgt. „Worum geht es denn? Ich werd dir helfen.“

„Ich kann es nicht sagen. Aber, egal, wie ich mich entscheide, ich will, dass du das weißt: Ich hab dich lieb, und du bist die beste Schwester, die man sich wünschen könnte. Ich hab dich über alles andere auf der Welt lieb.“

Jetzt bekommt sie Angst. „Worum geht es denn überhaupt? Was für eine Entscheidung? Geh doch wieder ins Bett und schlaf erst mal drüber, was auch immer es ist! Mach bitte nichts Dummes –“

Ich muss sie beruhigen. „Keine Sorge, Izzy. Es geht nur – es geht nur um was Kleines, was Unwichtiges, ich habs viel dramatischer wirken lassen als es wirklich ist. Du weißt doch, es geht doch nichts über ein kleines bisschen Melodrama.“ Lache sogar, fast authentisch, damit sie es mir glaubt.

Sie lacht mit mir, und ich mit ihr.

Ihr Lachen ist hell, mädchenhaft, der schönste Klang, den ich kenne.

Aber dann ist es kein Lachen mehr.

Erst nach einiger Zeit ist es wieder still am anderen Ende der Leitung. Ich flüster noch einmal, Izzy. Und dann leg ich auf.

Ich spüre die Schlüssel in meiner Hosentasche. Die Luft ist kalt, das Meer bestimmt noch kälter.

Ich habe mich entschieden –

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Simons Profilbild
Simon Am 21.03.2018 um 12:15 Uhr
Nicht so mein`s aber der Text ist gut verfasst und gut geschrieben was ich las. :)
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Larlysias Profilbild
Larlysia Am 29.03.2017 um 12:42 Uhr
Endlich hast du auch mal was hochgeladen ^^ Ich bin froh, dass es meine Wunschgeschichte geworden ist, denn ich mag die Geschichte echt gerne! Eine Fortsetzung hätte ich gerne, falls du mal dazu kommst!
(btw, weißt du woher ich den Prompt hatte? Der steht auf meinem Pulli aus Tintagel!)

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Sätze: 185
Wörter: 3.011
Zeichen: 17.240

Kurzbeschreibung

30.12.2175. Frohes neues Jahr!