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Eine philosophische Podiumsdiskussion zum Klimawandel

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25.11.19 02:11
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Ich begab mich zu einer Podiumsdiskussion in meinem philosophischen Institut. Das Thema: Klima, Umwelt Protest. Ich bin gespannt, was mich da erwartet, dachte ich mir. Ich hoffe das Ganze bleibt nicht so super theoretisch und es werden auch konkrete Vorschläge zu Möglichkeiten Klimaschutz zu betreiben angesprochen. Ich setzte mich an einen guten Platz in der Mitte des Raumes in der vierten Reihe. Circa hundert Sitzplätze standen zur Verfügung. Nur die Hälfte wird besetzt gewesen sein. Es waren noch zwölf Minuten Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung. Ich sah mich um. Oh, ok, dachte ich mir. So langsam trudeln die ganzen hohen Tiere ein. Professor für praktische Philosophie, Professorin für Logik, die Direktionsleiterin des Instituts. Irgendwie fühle ich mich hier gerade nicht besonders wohl. Ich bin irgendwie sogar ein bisschen aufgeregt, als müsste ich hier gleich selbst einen Vortrag halten. Total affig. Ich beobachtete, wie die neu aufgetretenen Akteure die schon anwesenden wissenschaftlichen Mitarbeiter begrüßten. Das Ganze war weitestgehend ungezwungen und locker. Es wurde gedutzt und gelacht. Zwischen dem Professor für Praktische Philosophie und der Direktionsleiterin gibt es eine gewisse Spannung, dachte ich mir. Ich glaube die können sich nicht leiden. Es waren drei RednerInnen geladen. Eine Professorin von einer anderen Uni, ein frischgebackener Doktor von unserem Institut und ein Mitglied von XR. Anhand der Themen der geplanten Impulsreferate legten die ReferentInnen gemeinsam mit dem Diskussionsleiter die Reihenfolge der Beiträge fest. Die Veranstaltung wurde von der Direktionsleitung mit wenigen Worten eröffnet. Es gäbe nach der Diskussion noch eine kleine Ehrung der AbsolventInnen mit anschließendem Umtrunk, erzählte sie. Oooh maaaan. Da habe ich ja gar keine Lust drauf, dachte ich mir. Ich haue nach der Diskussion auf jeden Fall ab.

Der Diskussionsleiter übernahm das Wort und erteilte es sogleich der ersten Rednerin. Die Professorin von der anderen Universität begann ihr Referat mit zwei Zitaten aus der Zeitung. Auf den Kern heruntergebrochen stellten diese die Meinung dar, dass das Tätigwerden eines Individuums, wie zum Beispiel das „Stehenlassen des Autos“, nur so verschwindend geringe positive Auswirkungen auf das Klima habe, dass es nicht zielführend sei das Individuum ständig und vehement zu moralisieren, sondern dass große Lösungen wie Gesetze und Bestimmungen erlassen werden müssen um das Ziel des Klimaschutzes zu realisieren. Ok, dachte ich mir. Warum soll Ich auch auf etwas verzichten, wenn dies erwiesenermaßen sowieso nichts bringt und die großen Konzerne und Industrien an allem Schuld sind? Sollen die doch ihren Dreck selbst wegmachen! Sie stimme der Notwendigkeit von Großlösungen um das Klima zu retten zu. Jedoch bedeute dies für sie nicht, dass es daher nicht auch notwendig sei das Individuum zu moralisieren, denn Großlösungen zum Klimaschutz würden immer auch Verzichte für das Individuum beinhalten, welches verstehen solle, dass es diese Verzichte aus moralisch richtigen Gründen leisten müsse. Weiterhin sei es wichtig, dass die durch Gesetze hervorgebrachten Verzichte auch gerecht verteilt würden. Zur Illustration bemühte sie die von der Bundesregierung im Klimaschutzpaket vorgelegte CO2-Steuer. Diese belaste, so wie sie derzeit vorläge, einkommensschwächere Haushalte mehr als einkommensstärkere Haushalte. Hinzu komme, dass einkommensschwächere Haushalte gleichzeitig weniger zum Klimawandel beitragen als einkommensstärkere Haushalte, da sie schlicht und einfach gesagt weniger konsumieren. Die CO2-Steuer scheitere also sowohl nach dem Verursacherprinzip (die Verursacher des Problems, sollen für die Lösung aufkommen) als auch nach dem Leistungsprinzip (diejenigen, die die Mittel besitzen das Problem zu lösen, sollen für die Lösung aufkommen). Zusammengefasst sprach sich die Professorin also für Großlösungen über Gesetze aus, stellte sich aber dagegen, deshalb die Moralisierung des Individuums zu vernachlässigen, da diese notwendig sei um die Verzichte, die durch die Gesetze entstehen würden für das Individuum moralisch greifbar und akzeptabel zu machen. Hierfür sei es notwendig Gesetze so zu verabschieden, dass sie einer moralischen Prüfung standhalten würden. Toll, dachte ich mir. Deine Begründung, warum es für mich als Individuum wichtig ist zu verzichten, obwohl dieser Verzicht direkt keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ist also, dass die Gesetze die kommen müssen um das Klima zu retten, sowieso mit Verzicht meinerseits zu tun haben und ich daher doch schon mal üben kann zu verzichten, damit es nicht so schlimm wird. Welch glorreicher Einfall. Ich bin absolut begeistert. Obwohl. So wie es momentan aussieht, wird irgendein Klimapaket eine CO2-Steuer hervorbringen, die tatsächlich für viele zu Verzicht führen wird, außer für diejenigen, die eh schon genug haben. Schöne Scheiße.

Das Referat der XR Rednerin drehte sich hauptsächlich um die Notwendigkeit und den Nutzen von Protestbewegungen. Sie seien wichtig um das Problem publik zu machen und zu verbreiten und um Aufsehen zu erregen. Einerseits stehe die Politik im Visier von Bewegungen wie Extinction Rebellion oder auch Fridays for Future, andererseits sollen möglichst viele Mitmenschen von dem Klimaproblematiken erfahren und dabei sollen sich möglichst nicht nur der Klimabewegung schon nähere soziale Gefüge angesprochen fühlen, sondern auch weiter entfernte. Bei Protestbewegungen gehe es außerdem nicht ausschließlich darum die Stimme zu erheben, sondern auch darum, dass gleichzeitig in Diskussionen und Versammlungen an konkreten politischen Vorhaben gearbeitet werde, die zur Beseitigung des Klimaproblems beitragen sollen. Oh je. Die Referentin ist echt unsicher, dachte ich mir. Es ist aber auch irgendwie schon echt hart. Sie hat gerade einmal einen Bachelor in Philosophie. Die anderen beiden sind ihr schon deutlich überlegen, was die Sicherheit bei solchen Diskussionen angeht. Total mutig von ihr das durchzuziehen.

Das Wort wurde an den dritten Referenten übergeben. Er gab die wahrscheinlich konkretesten Vorschläge des Abends, wie gegen den Klimawandel vorgegangen werden könne, oder eher – werden müsse. Er stellte sich klar hinter die Forderungen von Großlösungen um die Erwärmung der Erde einzudämmen. Es sei nötig beispielsweise die für den Klimawandel verantwortlichen Wirtschaftszweige gänzlich zu verbieten, bei der Energiegewinnung auf erneuerbare Energien umzustellen, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und kostenfrei zur Verfügung zu stellen und den Flugverkehr durch Schnellzüge zu ersetzen. Natürlich habe er dabei im Auge, dass diese Forderungen nicht von heute auf morgen umzusetzen sind und es daher noch dringlicher sei die nötigen Prozesse besser jetzt als gleich in Gang zu setzen.

Das Wort wurde wiederum der ersten Rednerin erteilt. Freudig stellte sie sogleich eine Gemeinsamkeit zwischen den so unterschiedlich angesetzten Referaten fest. Scheinbar seien sich alle einig, dass es notwendig sei eine große Lösung über die Gesetzgebung zu fordern und sie betonte es sei nur eben dabei darauf zu achten, dass die Moralisierung des Individuums dabei aus vorher gesagten Gründen nicht ausbleibt. Dem dritten Redner schienen diese Begründungen nicht zwingend genug zu sein. Er bezweifle, dass die Notwenigkeit das Individuum weiterhin zu moralisieren aus der Notwendigkeit folge das Individuum auf einen aus den Gesetzen resultierenden Verzicht vorzubereiten. Aus den von ihm vorgetragenen Forderungen können überhaupt keine Gesetze folgen, die den Menschen zu einem Verzicht zwingen. Wenn also das Individuum überhaupt keinen Verzicht zu leisten habe, dann müsse es auch nicht auf einen solchen moralisch vorbereitet werden. Das klingt ja alles schön und gut, dachte ich mir. Doch wie willst du denn in der gegenwärtigen politischen Lage deine Forderungen durchbringen? Die Lobby ebenjener Wirtschaftszweige die für den Klimawandel hauptverantwortlich sind, die du in deinen Forderungen verbieten willst, schaffen es immer noch ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Die Politik ist verstrickt in Abhängigkeiten den Lobbyisten gegenüber. Sie ist einfach handlungsunfähig. Die Lobbyisten haben letztendlich mehr Macht als die Politik. Woher bezieht die Politik eigentlich ihre Macht? Nun ja, laut unserer demokratischen Verfassung liegt die Macht beim Volk. Haha. Aber Moment mal. Wenn das Aufbegehren des Volkes nun aber so groß ist, dass der Druck der davon auf die Politik ausgeht größer ist als der Druck der Lobbyisten, muss die Politik zwangsläufig dem größeren Druck nachgeben und sich gegen die Lobbyisten wenden. Die Politik als Spielball von Mächten ohne wirklich eigene Macht. Wir brauchen also eine Kraft im Volk die stark genug ist das zu leisten. Ja, die Klimabewegung. Ich weiß auch nicht. Wie glaubwürdig ist das Ganze überhaupt? Ich kann mir gut vorstellen, dass es genügend Leute gibt, die nachdem sie schön für den Klimaschutz demonstrieren waren, erstmal zum nächsten Döner gehen. So ein Bullshit. Und wie wollen die überhaupt jemanden überzeugen? Mit einem „Wir sollten Dies und Das tun“, überzeugt man glaube ich nicht wirklich jemanden der keinen Bock auf die ganze Scheiße hat. Ein „Wir“ besteht immer aus einem „Ich“ und mindestens einem „Du“. Also steckt in einem „Wir sollten“ auch immer ein „Du solltest“ und ein „Du solltest Dies und Das tun“ überzeugt glaube ich niemanden, zumindest mit Sicherheit niemanden, der sich vehement weigert überhaupt nur über das „Dies und Das“ nachzudenken, geschweige denn es zu tun. In so einem blöden „Wir sollten“ steckt ja zu allem Übel auch ein „sollten“. Was immer heißt, dass etwas nicht getan wird. Wie überzeugend ist es bitte über etwas zu reden, das getan werden sollte, es aber gar nicht zu tun? Wir müssen es aber schaffen andere zu überzeugen, wenn wir etwas verändern wollen. Wir brauchen so viele Leute, wenn wir den erforderlichen Druck auf die Politik ausüben wollen. Wir müssen etwas tun. Wir müssen ein Vorbild sein. Wenn jemand zum Beispiel auf Arbeit ankommt und so eine Mega Gute Ausstrahlung hat und so richtig glücklich ist, fragen ihn alle warum er so glücklich aussieht. Und wenn er dann antwortet, er macht was für den Klimaschutz, er fährt nicht mehr so viel Auto, sondern nimmt für den Weg zur Arbeit immer das Fahrrad, er fühlt sich durch das Radfahren auch gleich viel fitter und ausgeglichener, viel weniger gestresst als vorher, außerdem spart er sich einiges an Geld beim Sprit, er geht jetzt auch nur noch bei Second Hand Läden Klamotten kaufen, er findet immer etwas, das ihm gefällt, auch dabei spart er sich einiges an Geld, das eingesparte Geld gibt er für gute Ernährung aus, gut, wirklich Klimaneutrale Ernährung ist schon teuer, er muss 100 Euro draufzahlen, das gibt er zu, und Klimaneutrale Ernährung ist auch echt der schwierigste Part, der den meisten Aufwand macht, auch das gibt er zu, es ist nun mal nicht einfach sich wirklich Regional zu ernähren und möglichst Supermärkte zu vermeiden, er muss eben Kompromisse machen, er findet dass jeder für sich selbst entscheiden muss, wie viel er bereit ist zu ändern, solange sich etwas ändert, er ist insgesamt mit seinen bisherigen Umstellungen sehr zufrieden, wie er es mit dem Reisen machen will, hat er noch nicht entschieden. Das wichtige ist nun, dass kein „Ihr solltet das auch mal probieren“ kommt, sondern dass er es bei seinem offenen und ehrlichen Bericht belässt und ihnen kein Urteil darüber abverlangt, oder gar aufdrängt.

So besteht zumindest eine kleine Chance das Interesse einer Person zu wecken, die sich bisher nicht mit dem Klimawandel auseinandergesetzt hat, oder sogar die Aufmerksamkeit einer der schwierigeren Patienten. So kann eine glaubwürdige Bewegung entstehen, die auf dem Austausch von Erfahrungen bei dem Versuch ein Problem zu lösen, welches Alle angeht, beruht. Eine solche Bewegung könnte es schaffen. Sie wäre glaubwürdig und dadurch konsistent. Sie hätte die Macht die Welt ein weiteres Mal mit weitreichenden Folgen auf globaler Ebene zu verändern. Ja, Ja. Schöne Gedanken hast du da wieder. Die Realität ist bitter. Du bestellst ständig alles bei Amazon. Du kaufst bei Lidl das billigste Hühnchen. Ja gut, du ernährst dich eigentlich ganz gut und kochst viel, aber deine Produkte kommen trotzdem aus anderen Teilen Europas und sind nicht umweltfreundlich. Viel zu viel Plastik noch dazu. Gut, du fährst auch Rad, aber das eigentlich auch nur, weil du kein Auto hast. Ach, lass das darüber nachdenken. Der Anfang liegt bei mir.

Autorennotiz

Ich bin stilistisch etwas vom Standard abgewichen bei dieser Geschichte. Kommentare und Kritik - auch zum Inhalt - gerne gesehen.

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MisterYs Profilbild
MisterY Am 26.11.2019 um 19:24 Uhr
Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir die Story nicht wirklich gefällt. Die Zeitform, lässt die Kurzgeschichte irgendwie unrealistisch wirken, weil sie in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit geschrieben wurde. Mit der Rechtschreibung hatte ich nicht wirklich Probleme, aber vielleicht trotzdem nochmal nachschauen. Die Wörter, die in der Umgangssprache geschrieben wurde, fand ich einfach nur stumpf-- keine Power. Was den Inhalt der Story betrifft; da konnte ich schon sehen, dass jemand davon gelangweilt wird und es einfach nur aufhört. Das liegt daran, dass sie, zumindest in meinen Augen, keinen Spannungsbogen besitzt. Ich habe diese Story nicht ganz gelesen, da ich teilweise, wirklich jetzt und es tut mir sehr Leid wenn ich jetzt so ernst bin, gegähnt habe. Großes Sorry. LG Goth. P.S. Willkommen auf StoryHub. Mehr anzeigen
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OtsLit (Autor)Am 27.11.2019 um 13:24 Uhr
Vielen Dank für deine Kritik.

Die Zeitform, beziehungsweise die wechselnde Zeitform, war ein kleines Experiment. Danke für deine Rückmeldung. Über die Verwendung der Umgangssprache muss ich mir auch noch einmal Gedanken machen. Vermutlich war es einfach nicht gezielt genug.
Und ja, wenn ich mir die Geschichte noch einmal anschaue nimmt sie sehr spät an Fahrt auf. Eigentlich erst ganz zum Schluss. Das Reproduzieren der Aussagen der Diskussion zieht sich dann doch sehr hin und kann einschläfernd wirken. Das Vorgeplänkel vor der Diskussion ist im Prinzip auch nicht wichtig für die Geschichte. Ich hatte versucht durch die Kontraposition des lyrischen Ichs zu den Aussagen der ersten Rednerin einen ersten Reiz in die Story zu bringen. Dies hat bei dir wohl nicht gezündet. Da muss ich mir wohl noch etwas eindringlicheres Überlegen.

Nochmals vielen Dank für deine ehrliche Kritik. Ich konnte dadurch noch einen anderen Blickpunkt auf die Story bekommen und das ist sehr hilfreich.

@Alle
Weitere Kommentare und Kritiken sind sehr gern gesehen. Danke!
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Sätze: 114
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Kurzbeschreibung

Der Leser wird mitgenommen in die Gedankenwelt eines Zuhörers bei einer philosophischen Podiumsdiskussion.

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