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Zerrissenes Band

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27.03.17 19:17
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Für Y.

Zerrissenes Band

Auseinandergerissen – wo gerade ein Anfang entstand. Königskinder aus fernen Welten sind wir, welche neugierig und verlegen, scheu und von Begehren getrieben, sich gegenseitig suchten. Dabei ist die Schwelle so groß und so weit, dass sie kaum kompensierbar, machbar und übertretbar ist. Aber dennoch oder gerade deshalb, bin ich soooo verliebt in dich.

Nun sitze ich hier, erwarte die vielen Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, welche mich von dir trennen. Obwohl ich mich nur einen Herzschlag von dir entfernt fühle, dir doch in jeder Millisekunde so nah bin, trennen uns nun so viele Mauern, Abgründe, Meere. Und ich habe Angst vor einem gegenseitigen Vergessen.

Nun sitze ich hier, zwischen weißen kühlen Wänden, sehe in traurige, gleichgültige, erwartungsvolle Gesichter, höre unbekannte Geräusche, empfange desinfizierte Gerüche. Raum und Zeit sind nun völlig aus meinem gestressten Rahmen gebracht. Vorwürfe machen sich breit, für dich nicht durchgehalten zu haben, mit der letzten Kraft in meinen müden Gliedern.

Nun sitze ich hier, erwarte mein Schicksal, das Urteil, die Konsequenz, die niederschmetternde Diagnose, die Niederlage der räumlichen Trennung voneinander, des Nichtmöglichseins eines Wiedersehens in deine strahlenden Augen beim Aneinander vorbeigehen, um uns die Wolken vom Himmel zu lächeln.

Nun sitze ich hier, wo die Zeit keine Funktion hat, gezwungen zu entschleunigen und du weißt nichts von alledem. Du weißt nicht wo ich bin, was ich mache. Du weißt nicht, wie ich mein zerrissenes Knie auf die harte Unterlage lege, beschaut, von Geräten durchleuchtet und in Scheiben geschnitten, wie ich mit angsterfüllten Blicken die kalten Lampen an der Decke betrachte und sich die mechanischen Geräusche in mein Ohr saugen. Nur der Gedanke an dich, sendet mir einen Lichtstrahl in mein Herz, gibt mir Kraft dieses durchzuhalten.

Nun sitze ich hier, werde wie ein fremdbestimmter Gegenstand von Raum zu Zimmer, von Zimmer zu Raum transportiert.

Nun liege ich hier, betrachte mein geschundenes Bein, welches mich doch eigentlich zu dir tragen sollte. Unfähig nun in eine Bahn oder einen Bus zu steigen, um da sein zu können, wo du und dein Lächeln bist. Was ist mir der Wimpernschlag deiner Augen wert?

Nun liege ich hier und ich kann es dir nicht sagen, nicht schreiben, da das Einzige was wir miteinander teilten, unsere tiefen Blicke waren, so tief, dass du mich in dich und ich dich in mich eintauchen ließ. Ich hole sie mir 2134Mal am Tag zurück, spüre dieses warme Gefühl, um genau im nächsten Moment 2876Mal daran zu sterben. Blicke, die wie Sternschnuppen schon im nächsten Moment am Horizont zerbersten und sich glühend wieder in Erinnerung rufen. Ich bin soooo vernarrt in dich.

Nun liege ich hier, werde behutsam von einer Liege auf einen kalten OP-Tisch getragen. Die vielen Lichter überfordern meine Augen. Stumm schreie ich die Wände an, um Trauer und Wut aus meinem zierlichen Körper zu pressen. Wärme, Dunkelheit und dann Nichts.

Mein erster Gedanke, inmitten des gezwungenen Aufwachens, bist du. Ich bitte die Schwester noch ein wenig im Aufwachraum liegen zu dürfen. Mein Blick auf die großen Bäume hinter großen Fenstern gerichtet. Kahl, trostlos, genau wie die Angst, dich nie wieder sehen zu können.

Ich könnte ertragen, dass du nicht so fühlst. Nicht ertragen könnte ich, dass du nach mir suchst, mich vermisst und ich dir nicht sagen kann, warum ich nicht mehr komme.

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Marthas Profilbild Martha

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