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Sätze: | 77 | |
Wörter: | 943 | |
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Er sitzt auf dem Hausflur und fragt ob ich ihn „nur mal kurz wie einen Menschen behandeln“ könnte. Er stinkt nach Alkohol. Er sagt es mit dem Unterton, der besagt, dass er langsam von meinen kindischen Anwandlungen genug hat. Als hätte er mein ungezogenes Verhalten schon seit Monaten satt und nun wäre es endlich Zeit aufzuhören so zu tun, als wollte ich nicht mit ihm zusammen sein wollen.
Er strahlt Verzweiflung und Ungeduld aus. Diese Verzweiflung ist gefährlich für mich.
Nichts überzeugt ihn davon, dass ich ihn nicht mehr in meinem Leben haben will. Nicht Worte, nicht Handlungen. Nichts. Denn alles wird seiner Realität so angepasst, dass es in seine Wahrnehmung passt. Ich will einfach gerade nicht mit ihm reden. Das ist ein vergänglicher Zustand. Unmöglich die Vorstellung, dass ich ihn wirklich nicht mehr in meinem Leben will. Denn in Wirklichkeit liebe ich ihn. Ich bin nur jetzt sauer. Wenigstens ist es das was er auf mich projiziert und da hält er mit aller Macht dran fest.
Da ich nicht verständlich machen konnte, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein möchte, habe ich den Kontakt völlig abgebrochen. Schon vor Monaten. Egal auf welche Art er versucht an mich ran zu kommen (und er hat viele Varianten ausprobiert), ich habe nicht reagiert.
Bis zu der besagten Nacht.
Ich saß in meinem Keller und habe gearbeitet. Neues Hobby, neue Begeisterung. Es klopft. Schon die ganze Zeit hatte ich Sorge, dass er kommen könnte. Der Keller lässt sich nicht von innen schließen. Ich sage „nein“, doch die Tür öffnet sich trotzdem. Er sagt meinen Namen.
Etwas in mir setzt aus. Vom Adrenalin getrieben springe ich auf und schlage gegen die Tür, um sie zu zuhalten. „ICH HABE NEIN GESAGT“, schreie ich. Ich schlage wiederholt gegen die Tür.
„Ich will dir nur was geben“ sagt er.
„ICH HABE KEIN INTERESSE AN DEM WAS DU MIR SAGST ODER WAS DU MIR GIBST“. Ich kann nicht ertragen, dass er mich dazu zwingen will ihn anzuhören, weil ich keine Barriere aufbauen kann.
„Zum töpfern“, ruft er.
„BIST DU ZU DOOF ZU VERSTEHEN; DASS ICH NICHTS MIT DIR ZU TUN HABEN WILL?“, kreische ich. Die Wut hat sich monatelang aufgestaut.
„Ja“ sagt er und geht.
In meiner Wut reiße ich die Tür auf und schreie ihm nach „Sprich mich nie wieder an, verschwinde und stirb!“ oder etwas in der Art. Ich frage mich, was in mich gefahren ist. Mit rasendem Puls setze ich mich wieder an meine Töpferscheibe. Ich will mich nicht vertreiben lassen, auch wenn ich gerade viel lieber in meiner Wohnung wäre – mit abgeschlossener Tür. Ich stelle eine ausrangierte Wohnzimmertür schräg gegen die nach innen öffnende Kellertür und drehe mit zitternden Händen weiter.
Nach nur ein paar Minuten höre ich ihn wieder die Treppe runterkommen. Es klopft nochmal. Diesmal laut. Fordernd. Als ob er kommt um sein Recht einzufordern. Das Recht mit seinem Eigentum zu sprechen. Schon während ich aufspringe schreie ich schon „NEIN“, gleichzeitig geht die Tür auf. Ich schlage mit meinen Ton-verschmierten Händen auf die Zimmertür ein, die immer noch eine zweite Barriere zwischen mir und ihm bildet. Ich trete nochmal dagegen. Ich bin panisch und wütend zugleich. Das Geräusch ist befriedigend laut – Ohren betäubend.
„ICH WILL DIR NUR WAS GEBEN!“ schreit er und versucht wieder reinzukommen. „ICH HABE KEIN INTERESSE! ICH WERDE ES WEGWERFEN!“ brülle ich zurück, während ich die Tür mit meinem Körper verbarrikadiere. Aufgebracht trete ich nochmal gegen die Tür. Ich fühle mich eingepfercht. Bedroht. In der Falle. Er will wieder was sagen. Ich will ihn nicht sprechen lassen und wiederhole immer wieder „ICH WERDE ALLES WAS DU MIR GIBST WEGSCHMEISSEN – IST MIR EGAL – ICH SCHMEISSE ES WEG“, um ihm nicht die Chance zu geben mich mit seinen Worten zu vergiften. Er stellt es vor die Tür beschimpft mich – ich höre nicht hin – und geht. Ich setze mich wieder zitternd an die Scheibe.
Nach 2 Minuten springe ich wieder auf, nehme die Zimmertür von der alten Holzkellertür, reiße sie auf und sehe den Korb mit den Töpfersachen. Kurz denke ich daran, wie sehr ich diese Sachen gebrauchen könnte. Dann überkommt mich wieder Wut und Übelkeit. Ich schnappe den Korb und ziehe ihn auf den Hausflur. Ich gehe zurück, baue meine Barrikade wieder auf und setze mich wieder an die Scheibe.
Als ich nach einer weiteren Stunde grübeln im Keller wieder in meine Wohnung gehe, ist der Korb weg.
Ich kann dich nicht wie einen Menschen behandeln. Du machst mir Angst. Deine Unfähigkeit an der Realität teilzunehmen macht mir Angst. Seit Monaten geht es so. Du nutzt jede Möglichkeit, jede Manipulation, ziehst alle Register, um mit mir zu reden. Du übertrittst meine Grenzen und nichts und wieder nichts hält dich davon ab meine Aufmerksamkeit, meine Teilnahme zu einzufordern, als würde sie dir zustehen.
Die Bedrohung, die du für mich darstellst, hat dich von Mensch zu Ding mutieren lassen. Ich kann dich nicht behandeln wie einen Menschen. Du benutzt es, um unter meine Haut zu kommen, dich in mein Leben zu schleichen und dich wie ein Parasit festzusaugen.
Du hast kein Recht an mir. Nicht an meinen Gedanken, nicht an meiner Aufmerksamkeit, nicht an meiner Liebe. Du hast diese Interaktion erzwungen. So wie du dir alles nimmst, auch wenn es dir nicht zusteht. Und jetzt hast du das Recht verloren, wie ein Mensch behandelt zu werden.
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