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Sätze: | 66 | |
Wörter: | 1.046 | |
Zeichen: | 6.139 |
Langsam bahnte Laurentis sich seinen Weg durch die Reihen. Schritt für Schritt bewegte er sich auf das Ende der Massen zu. Jeder, der ihn erkannte, machte ihm Platz und sah ihn bedächtig an. Laurentis ging so erhaben wie er konnte, die eine Hand auf dem Knauf des Schwertes, welches noch in seiner Scheide steckte. Er griff fester zu. So stellte er sicher, dass seine Hand nicht zu zittern begann. Er wagte es nicht, in die Gesichter der Männer zu sehen, die ihm Platz machten, aus Furcht, dort so etwas wie Mitleid zu erblicken.
Schließlich schob sich auch die Frontlinie auseinander, grade so, dass Laurentis hindurchpasste. Er wollte anhalten, doch nun gab es kein Zurück mehr. Also schritt er erhabenen Schrittes durch die Lücke und hinaus auf das Feld. Vor ihm erstreckten sich die feindlichen Linien. Er sah nur Kämpfer, gut geordnet, mit Schild und Rüstplatten, eine endlose Front, bis zum Horizont. Ihm wurde flau im Magen, doch das war jetzt egal. Nicht einmal die Feindseligkeit, die er in den Augen der Feinde erkannte, konnte jetzt etwas an seiner Entscheidung ändern. Er nahm seinen Mut zusammen und setzte dazu an, den feindlichen Linien etwas entgegenzurufen, da tat sich die feindliche Mauer aus Holz und Stahl auf und aus dem Schatten der Kämpfer trat eine junge Frau, ihr Haar kastanienbraun, ihr Körper hochgewachsen. Dennoch überragten die meisten Kämpfer sie um mindestens einen Kopf.
In Laurentis stieg wieder Furcht und Nervosität hoch, stärker als noch vor wenigen Augenblicken, dabei hatte er schon tausende Schlachten und Gegner geschlagen. Die Rüstung der Frau war ebenso hochwertig wie die seine und bedeckte ebenso nur einige wenige Stellen des Körpers. Mobilität war das A und O des Zweikampfes. Erst jetzt bemerkte er, dass es totenstill war. Nur das Rauschen des Windes in den Baumkronen konnte er noch hören, die vielen Reihen an Soldaten hinter ihm waren anscheinend ebenso nervös wie er, der er einige Meter vor ihrer Frontlinie stand. Laurentis sah in den Gesichtern der Feinde ebenfalls Unsicherheit. Sie fühlten alle genau wie er, und doch stand er alleine auf diesem Feld. Gegenüber einer Kommandantin, die als einzige furchtlos schien. Eine Weile lang standen sich beide nur schweigsam gegenüber. Niemand sagte ein Wort, Vögel waren schon lange vom Schlachtfeld geflohen.
Dann schließlich trat die Kriegerin einen Schritt vor. Sie sagte immer noch nichts, sondern blickte Laurentis nur tief in die Augen. Dieser tat es ihr gleich. Ein Schritt nach vorn, ein Schritt weiter weg von Verbündeten hin zu den Feinden. Mehr war nicht nötig um sein Herz rasen und seine Haut schwitzen zu lassen. Er zog sein Schwert und seine Kontrahentin tat es ihm gleich. Nun schließlich sah auch Laurentis Angst in ihren Augen, doch man hatte sich schon vor Tagen geeinigt. An dem, was nun folgte, führte kein Weg vorbei. Erneut verharrten beide wenige Sekunden lang, beide in Kampfposition, mit gezogenen Schwertern und gebeugten Knien. Dann schließlich nahm Laurentis seinen Mut zusammen und rückte vor, erst einen kleinen Schritt, dann den zweiten, bis er schließlich mit Kraft zustach.
Das Schweigen war gebrochen.
Mit einem Hieb von der Seite wehrte die Kriegerin seinen Hieb ab und setzte direkt zum Gegenangriff an, dabei schrie sie zu jedem Hieb, den sie auf Laurentis ansetzte. Dazu ertönte bei jedem Schlag das Geräusch, das Klingen machen, wenn sie aufeinandertreffen. Laurentis ging in die Defensive, parierte jeden ihrer Hiebe und wich immer schrittweise zurück, nur um dann erneut zuzustoßen. Seine Kontrahentin wich jedoch jedes Mal geschickt aus und schwang ihr Schwert. Sie schien ihn eher auf Abstand halten zu wollen, als ihn zu verletzen. Nach einigen Augenblicken sah Laurentis seine Chance, machte einen großen Satz nach vorne, den man ihm in den schweren Platten nicht zugetraut hätte, und stieß seiner Gegnerin mit Wucht vor die Stahlplatte, die ihre Brust schützte. Für sein Langschwert war nicht genug Platz, deswegen nahm er die bloße Hand. Von dem Ausfall völlig überrascht verlor die Kriegerin ihren Halt und fiel mit einem dumpfen Scheppern nach hinten. Es klang nach dumpf und ernüchternd. Sie war keine sonderlich gute Kriegerin. Laurentis könnte nachsetzen, sie mit einem einzigen Hieb für immer verstummen lassen, doch etwas hielt ihn zurück. Ein taktischer Fehler, für den ihn jeder Kampflehrer verprügeln würde. Er trat einen Schritt zurück und begab sich wieder in Kampfposition. Er gewährte ihr Zeit, um aufzustehen. Erst dann nahm er die Geräusche wahr. Die Stille, die er zu Beginn des Duells vernommen hatte, war nicht mehr. Im Gegenteil riefen unzählige Stimmen hinter ihm. Manche davon seinen Namen. Aber Laurentis fühlte, dass es Verzweiflung war, die sie zum Jubeln antrieb, und nicht etwa Stolz. Sie alle hatten Angst vor einer Niederlage Laurentis‘.
Seine Kontrahentin war wieder auf den Beinen. Ihre Angst wich Verzweiflung und Wut, soviel konnte er erkennen. Vermutlich war der Jubel seiner Männer und das Ausbleiben von Freudenausbrüchen auf ihrer Seite der Grund. Sie stürmte vor, ließ jede Deckung fallen und machte damit den letzten Fehler ihres Lebens. In Wut und Verzweiflung hob sie ihr schweres Schwert zu einem Hieb, der ungehindert Laurentis‘ Kopf genommen hätte. Doch er reagierte schnell, machte einen Schritt auf sie zu, packte ihr Schwert mit seiner eigenen Hand hoch in der Luft und trieb ihr mit der anderen Hand sein Schwert in den, durch die nur wenigen Rüstungsteile, ungeschützten Bauch. Der Stoß hatte so viel Wucht, dass das Schwert ihr bis zur Parierstange in den Bauch fuhr und aus ihrem Rücken wieder hervorbrach. Ihr Hemd färbte sich sofort blutrot. Kurz verharrten sie in dieser Position, dann glitt ihr das Schwert aus der Hand und sie sank auf den Boden. Der Klang der aufprallenden Klinge und seiner Besitzerin war der letzte Ton eines Lebens. Laurentis‘ Ohren jedoch vernahmen erneut das Geschrei seiner Männer, nun noch lauter und aus echter Freude. Ihm stiegen Tränen in die Augen. Er sank auf die Knie. Das Gejohle seiner Soldaten mochte ihnen ihre Todesangst genommen haben, doch seiner Schwester hatte sie die ewige Stille bereitet.
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