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Galaktischer Mezzosopran mit Nebenwirkungen

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01.01.24 21:47
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Ein Konzert am Rande eines schwarzen Loches, welches einen sterbenden Stern verschlingt, war ein annehmbarer Rahmen für eine erste Verabredung. Als das Saallicht erlosch legte Franz-Willem seine Pfote auf Gräfin Gildas rechtestes Knie und seufzte zufrieden. Der Abend würde ein Erfolg werden.

Karten für den Xyxlph-Chor in erster Besetzung zu erhalten, war bekanntermaßen eine der schwierigsten Angelegenheiten des beobachtbaren Universums. Der Chor bestand aus achtundsiebzig Sängerinnen, die fünf verschiedenen Spezies angehörten. Den Hintergrundchor bildeten siebzig Branen, deren Stimmen elf Oktaven abdeckten und die einst vom berühmten Komponisten Arfgul beschrieben worden waren, wie das Gefühl auf der Zunge, wenn man ein frisches Weißbrot mit kalter Butter und handwarmem Honig isst. Solistinnen waren Hanoten, die keine Töne erzeugen konnten, Siten, die Stimmen hatten, die sich weit außerhalb des Hörspektrums der meisten Spezies befanden und Fregatten, die mit ihrem Gesang sogar die Mönche von Fri in Verlegenheit brachten. Attraktion des heutigen Abends waren jedoch sicherlich die beiden Zepten, deren Spezies einen Schlaf von zehn Norm-Jahren hielt und zwischen den Schlafphasen lediglich für drei Norm-Wochen wach war. Es hieß, ein Zepten-Duett zu erleben sei eine transzendente Erfahrung, die den Zuhörenden das Leben mit neuen Augen betrachten ließ.

Der Veranstaltungsort des Konzertes stand dem Erlebnis um nur wenig nach. Der Konzertsaal befand sich auf einer offenen Plattform auf dem Rumpf der Beethoven X. unter einer unsichtbaren Kuppel aus Schutzfeld. Das Schiff hatte sich jenseits des Ereignishorizontes eines Schwarzen Loches positioniert, welches das gesamte Blickfeld des Publikums einnahm. Das Schwarze Loch verschlang einen sterbenden Stern der dabei eine Strahlung aussendete, die für viele der anwesenden Spezies wie ein leichtes Rauschmittel wirkte. Auf Franz-Willem hatten die Strahlen diese Wirkung leider nicht, doch Gräfin Gildas Gesichtsausdruck wechselte im Moment des Andockens von leicht genervt auf selig.

Das Murmeln im Saal verstummte, als die Branen eine ausschweifende Harmonik anstimmten, die klang wie das Gurgeln einer klaren Gebirgsquelle und den Konzertsaal wie etwas Greifbares erfüllte. Die Gespräche verstummten und das Publikum labte sich in den Schallwellen, die sanft zu streicheln schienen.

Franz-Willem war recht zufrieden mit seiner Gestaltung des ersten romantischen Abends mit seiner verehrten Gräfin Gilda. Lange Zeit waren seine Avancen zurückgewiesen worden und Franz-Willem schrieb seinen letztendlichen Erfolg nur seiner gebotenen Beharrlichkeit zu. Nach fünf langen Jahren hatte Sie endlich einem Treffen zugestimmt – einem einzigen Treffen. Dementsprechend hat Franz-Willem seine ältesten Beziehungen spielen lassen und besten Gefallen eingefordert, um bei diesem einen Treffen den erforderlichen Eindruck zu hinterlassen. Dies sollte nur das erste von Vielen werden, Vermählung nicht ausgeschlossen.

Auf der Bühne begannen die Hanoten ihre gewaltigen opalschimmernden Blasebälge zu füllen. Franz-Willem war mit Hanotengesang vertraut und schloss ahnungsvoll die Augen. Er fand sich in einer weißen Leere wieder, nur er, eingehüllt in vollkommenem Frieden. Plötzlich spürte er eine Präsenz und erblickte vor sich ein pulsierendes, goldschimmerndes Licht. Wahrhafte und zärtliche Liebe erfüllte ihn. Das Licht sprang um ihn herum und durch ihn hindurch. Er war so glücklich, dass er kichern musste und hörte dabei, dass es anderen im Publikum ebenso ging. Als das Licht mit einem Mal verschwand ließ es ihn in einer kalten Dunkelheit zurück. Das Licht hatte alle Freude aus seinem Leben mit sich genommen. Unendliche Einsamkeit hatte sein gesamtes Sein vereinnahmt. Es blieb nur Agonie. Er blinzelte und das Phantombild in seinen Augen verblasste. Es begann mit einem Liebeslied, registrierte Franz-Willem zufrieden, als er sich die Tränen vom Fell leckte, das konnte nur ein gutes Zeichen für den Abend sein.

Dann stimmten die Siten ihren lautlosen Gesang an. Franz-Willem hielt seine Augen geschlossen und spürte seine Schnurrhaare erzittern. Sein Herzschlag passte sich an das monotone Gurgeln der Branen an und ein Kribbeln breitete sich von seinen Zehenspitzen ausgehend auf seinen ganzen Körper aus. Mit einem tremolierenden Flöten begann die erste der beiden Fregatten mit ihrem Gesang; und Franz-Willem lief ein Angstschauer über den Rücken. SIE war es, kein Zweifel.

Fregatten sahen alle haargenau gleich aus, doch in ihren Stimmen unterschieden sie sich. Und diese Stimme würde Franz-Willem auch im Vakuum des Weltalls wiedererkennen. Als seine Begleitung einen leisen Schrei ausstieß, merkte er, dass er seine Krallen in ihren Oberschenkel gebohrt hatte und ließ von ihr ab. Er sank in seinem Sessel hinunter und rollte seine Ohren ein, da er fürchtete, dass SIE die markanten weißen Spitzen darauf von der Bühne aus sehen konnte. Die Musik, dieses multisensorische Kunstwerk, verstummte zu einem bloßen Geräusch, wie das plumpe Brummen des Überlichtantriebes.

Gräfin Gilda neben ihm, die augenscheinlich den kurzen Schmerz nicht ihm zuschrieb, sondern als Reaktion auf den Gesang interpretierte, hatte die Augen fest geschlossen und war – wie der Rest des Publikums – trancengleich in die Musik vertieft. Franz-Willem dagegen war hellwach, als hätte er beim hinübergleiten in einen sanften Schlummer eine schallende Ohrfeige bekommen. Zusammengekauert saß er in seinem Sessel – verfluchter Logenplatz mit bestem Blick auf die Bühne. Selbst wenn SIE ihn nicht sah, Fregatten hatten einen ausgeprägten Geruchssinn. Würde SIE seinen Angstschweiß wittern, diesen Geruch, den SIE so gut kannte? Bei dem Gedanken brach Franz-Willem in zusätzlichen Angstschweiß aus. Es war zu heikel, ihm blieb nur die Flucht – falls es noch nicht zu spät war. Mit einem sehnsuchtsvollen Blick auf die Zepten murmelte er Gräfin Gilda eine Entschuldigung zu, die sie nicht hörte, sank auf den Boden und krabbelte die Sitzreihe entlang Richtung Ausgang. Unbemerkt von allen schob er sich durch den schweren burgunderfarbenen Vorhang hinaus.

Betrübt, und doch erleichtert über seine hoffentlich unbemerkte Flucht, sank er in einer entfernten Ecke im Foyer in einen damastenen Sessel. Er blickte in das Schwarze Loch, das über ihm hing und versank in dunkle Erinnerungen an die Zeit mit IHR. An Morgenstunden in denen er mit handgefrästen Liebesbekundungen in seinen Krallen erwacht war. An ganze Mittage, die er eingeschlossen in seinen privatesten Räumen verbracht hatte, nur um IHREN Liebkosungen zu entgehen. An Abende, an denen er sich gegen IHRE Versuche verwehrt hatte, sein Fell zu lecken und seine Fellpflege zu IHRER Aufgabe zu machen. Das Universum war kaum groß genug, um einer Frau wie IHR zu entkommen.

Trostsuchend drückte er sein Gesicht in den edlen Stoff des Foyersessels. Hier war er fürs Erste sicher. Die Sängerinnen mischten sich niemals unter das Publikum; ihre Unnahbarkeit trug zu ihrem Mythos bei. Hier würde er auf seine Gräfin Gilda warten und sie mit einer Ausrede vertrösten. Ihren romantischen Abend würden Sie auf dem Restaurant-Deck fortführen, wo er ein Dîner aus erlesensten Speisen aus allen bewohnten Galaxien hat zusammenstellen lassen. Der Abend war noch zu retten.

Ein Klappern von Hufen, Krallen und Schuhen weckte Franz-Willem aus seinem Schlummer, in den er beim Warten gefallen war. Sofort war er hellwach und durchsuchte das Publikum, das nun nach der Vorstellung ins Foyer strömte, nach seiner Herzensdame. Nach und nach leerte sich der Saal und füllte sich das Foyer. Achtarmige Aranen-Kellner verteilten frischgezapftes, noch dampfendes Vein. Doch seine Gräfin Gilda war nicht unter den fröhlich plaudernden Gästen zu entdecken. Vielleicht wartete sie noch im Konzertsaal auf ihn. Er ging zur doppelflügeligen Tür und hielt sich dabei vorsichtig hinter dem schweren Samtvorhang versteckt. Gräfin Gilda war nicht mehr auf ihrem Platz, vorsichtig lugte er Richtung Bühne. Sein Fell stellte sich vor Schreck auf, als er auf der sonst verlassenen Bühne, seine Gräfin Gilda mit IHR sah. Im gemeinsamen Gespräch. Eine Hand von Gilda auf IHREM Arm. Ein Lachen. Ein Kichern. Ein Hinüberbeugen. Franz-Willem wendete den Blick ab; Fregatten hatten keine Hemmungen bezüglich der Auslebung ihrer körperlichen Lust. Als er sich umdrehte, spielten ihm seine Augen einen Streich und fuhren noch einmal zurück über die Bühne. Gräfin Gilda, wie es schien, auch nicht.

Franz-Willem kehrte zurück in das Foyer, wo ein rauschendes Geplapper und Gläserklingen herrschte. Er steuerte den nächsten Aran an und nahm sich eine große Amphore Vein. Er kam nicht umhin zu denken, dass jetzt vielleicht ihre Körper ineinander verschlungen sein könnten, hätte er Gräfin Gilda in sein Schloss über den Wolken zu einem bescheidenen neun-gängigem Supper eingeladen. Der Abend war zu einem Desaster geworden.

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Kurzbeschreibung

Sängerinnen, die keine Töne erzeugen können. Und solche, deren Stimmen klingen, wie das Gefühl auf der Zunge, wenn man ein frisches Weißbrot mit kalter Butter und handwarmem Honig isst. Dazu ein romantischer Abend der nicht so verläuft, wie gehofft…

Kategorisierung

Diese Story wird neben Humor auch im Genre Science Fiction gelistet.

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