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Kapitel: | 2 | |
Sätze: | 64 | |
Wörter: | 1.555 | |
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In Woffleben wurde fast 290 Jahre lang ein helles, kräftiges Bier gebraut, das sich Broihan1 nannte, und da das Bier in Kannen mit einem Leed transportiert wurde, bekamen die Woffleber den Spitznamen “Kannenleeter”, den sie bis heute mit Stolz tragen. Doch wie kam es, dass gerade dieses Bier in Woffleben gebraut wurde? Und warum wurde die Braukunst eingestellt? Ich möchte mit meiner kleinen, auf historischen Daten basierenden Geschichte der Vergangenheit etwas Leben einhauchen.
Am 18. November 1503 (Anno domini millesimo quingentesimo tertio in vigilia sancte Elizabet.)2 erwachte das Leben in einer kleinen Stadt an der Leine. Und just mit den ersten Sonnenstrahlen, an diesem kühlen klaren Morgen, erblickte ein kleiner Bub laut schreiend das Licht der Welt. Geboren in eine Zeit, in der Kinder schon von klein auf arbeiten mussten, wenn die Eltern dem niederen Stand angehörten. Doch egal wie schwer die Kindheit auch sein sollte, mit viel Mut und einem Quäntchen Glück konnte viel passieren. Und so wuchs Cord, wie er von seinen Eltern3, dem Schankwirt Johann Broyhan und seiner Frau Ida, genannt wurde, wie alle anderen Kinder mit einem straffen Tagesablauf in Stöcken4 unweit von Hannover auf.
Als erstes Kind der Broyhans war Cord umhegt und stets gut versorgt. Als er laufen konnte, fing er an in der Schankwirtschaft zu spielen und durfte auch schon kleine leichte Tätigkeiten erledigen; und wenn es nur das Hüten der zwei Gänse im Garten hinter dem Haus war. Da es zu dieser Zeit üblich war, trug Cord ein knielanges weites Leinenkleidchen5, mit einem geflochtenen Gürtel um die schmale Taille.
Doch nun stand sein sechstes Wiegenfest bevor und er war schon ganz aufgeregt, als die Mutter ihm seine erste Hose anzog und er lief vergnügt durch die kleine Stube. Wie unbeschwert sich das Leben an diesem Tag auch anfühlte, es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass nun bald der Ernst des Lebens beginnen wird.
Wenn es die Zeit aber erlaubte, dann spielte Cord mit den anderen Kindern auf der Straße Fangen, Hüpfen und Verstecken und natürlich rauften sich die Jungs auch mal. Bei Geschicklichkeits-, Kraft- oder Wurfspielen6 wurden die Kräfte gemessen und es zeigte sich, dass Cord ein sehr geschickter pfiffiger Bub war, der sich auch durchzusetzen verstand. Und so vergingen die Jahre der Kindheit fast wie im Flug.
Da Cord nun sechs Jahre alt war, ging er auf eine Grundschule, ein Privileg seines Standes, wo er Lesen und Schreiben lernte. Nach der Schule rannte er sofort nach Hause, um bei den Eltern im Haus zu helfen. Für kleine Botengänge war er schon groß genug und auch auf seine beiden jüngeren Geschwister7 Hans und Anna musste er aufpassen. Waren es vorher nur kleine leichte Aufgaben, die man ihm auftrug, folgten nach der Grundschule strenge Lehrjahre in der Schankstube des Vaters. Doch sein Traum war eine Ausbildung zum Braumeister, denn je älter er wurde, schmeckte ihm das Bier köstlicher und er wollte seinen eigenen Weg gehen. Und so zog Cord, gerade 14 Jahre8 alt geworden, als Knecht nach Hamburg, um sich dort in der Kunst des Bierbrauens ausbilden zu lassen.
In dieser beschwerlichen Zeit als Brauknecht erlernte Cord das Herstellen von Hamburger Weißbier und Pils. Die langen Jahre in der Fremde waren nicht immer einfach, aber er hatte auch viel Vergnügen. Gemeinsam mit den anderen Knechten wurde auch zünftig gefeiert. Bei ausgelassenen Trinkgelagen landete er im Arm so mancher Dirne. Nachdem er seine Gesellenprüfung abgelegt hatte, ging er im Jahre 1524 nach Hannover und erwarb dort das Bürgerrecht sowie ein Haus in der Stadt. Er hatte es weit geschafft und durch das erlernte Handwerk war er nun im Stande, das flüssige Brot des Mittelalters zu brauen. Mit seinem Wissen über das gewinnbringende Gewerbe des Bierbrauens war er zunächst für einen Brauherrn, den Patrizier Hans vom Sode9, tätig.
Am 31. Mai 152610 sollte die Stunde des Broihan-Bieres schlagen, wodurch Cord Ruhm und Wohlstand erlangte und zu einer großen Persönlichkeit in Hannover wurde. Viele Monate arbeitete er nun schon in der Brauerei des Patriziers, aber der Gedanke, ein so gutes Bier wie in Hamburg zu brauen, ließ ihn nicht los. Immer wieder suchte er das Gespräch in geselliger Runde. Mit Volkmar von Anderten und Engelke aus Hamburg hatte er über lange Zeit gute Verbündete und viel Rat gefunden und nun war es soweit.
Auf seinem Weg zum Brauhaus ging er die Leine entlang und atmete die frische Luft an diesem frühsommerlichen Vormittag ein. Es vergingen gefühlt unendliche Stunden bis das Bier fertig war, doch Broyhan gelang der Versuch und er hatte eine hellbraune, obergärige und süßlich wohlschmeckende Variante aus Weizen- und Gerstenluftmalz, sowie ohne Hopfen gebraut. “Diese war so vorzüglich, dass Engelke auf die Straße lief und rief: Halet guden frischen Broyhan ut Hans von Soden Huse!”
Von da an eroberte das Hannoversche Broihan die Bierstuben und es wurde unter anderem auch in “Wolfleben11 in der Grafschaft Hohnstein” gebraut. Es war ja auch nicht verwunderlich, dass auf dem Rittergut Bier gebraut wurde, denn als gute Einnahmequelle verhalf es der Grafschaft, die Schatzkammer aufzufüllen.
Im Amtsbezirk der Grafschaft Hohnstein herrschte zu dieser Zeit Graf Ernst V.12 von Hohnstein über die zugehörigen Ländereien, darunter auch dem Rittergut in Woffleben mit dem gräflichen Vorwerk (siehe Chronik 1541) und seinen Getreidefeldern. (Ernst quod quintus autem hohenstein dominata habere comitatus quae includit terram. Ille scelus Hilmar ex wernrode quod manerio apud waffeleben administrare in fidelitate servanda et honore.)13 Als Lehnsherr war er darauf bedacht, seine Güter gut bewirtschaften zu lassen und so verpflichtete er den Ritter Hilmar von Wernrode14 (gebürtig vom Rittergut Wernrode) als Lehnsmann nach Woffleben (siehe Chronik 1550), wo der als gestreng bezeichnete Adlige bis weit nach 1550, vermutlich bis zu seinem Tode, lebte. Und dieser wurde hellhörig, als er von dem neuen Biere aus Hannover hörte.
Und so geschah es um das Jahre 1526 herum, dass das Hannoversche Broihanbier in den Südharz kam und dort zuallererst in Woffleben auf dem Rittergute gebraut wurde. Eingeladen von den adeligen Herrschaften der Grafschaft Hohnstein, verkaufte Cord Broyhan an selbige die Rezeptur und braute, ausgehend von einem Grut15 aus Schafgarbe, Bilsen- und Johanniskraut, sowie unter anderem unter Zugabe von Fichtenspäne und Kiefernwurzel, im Brauhaus des Ritterguts das hopfenfreie, obergärige Bier. Cord Broyhan wurde nach der Verkostung hoch lobend gefeiert und ein prächtiges Fest auf dem Gute krönte diesen historischen Tag. Fortan durfte in den kleinen privaten Braukesseln in Woffleben vorwiegend nur noch dieses köstliche, leicht süßliche Broihanbier hergestellt werden. Der Handel in der Grafschaft und den umliegenden Ortschaften verhalf so zu wirtschaftlichem Vorteil gegen die Stadt Nordhausen.
Wieder in Hannover angekommen, ging Cord seinem Handwerk als Braumeister nach und gründete 1546 mit den Hannoverschen Brauern eine eigene Gilde. Seine Ehe mit einer wohlhabenden Bürgerlichen aus Hannover blieb kinderlos und so konnte er sein Wissen über die Braukunst nur an Gesellen und Knechte weitergeben. Er starb 1570 in Hannover als berühmter Bürger und wurde mit hohen Ehren beerdigt; jedoch wo sein Grab liegt, bleibt für immer unbekannt.
Ob es sich so oder so ähnlich zugetragen hat, kann ich nicht sagen, doch eins ist Fakt:
Nach 1526 und bis ins 19.Jahrhundert hinein wurde in Woffleben das Hannoversche Broihanbier gebraut und bis nach Nordhausen gehandelt. Jedoch der Handel in Nordhausen wurde 1715 von König Wilhelm I. untersagt. (siehe Chronik Frühe Neuzeit) Als am 28. Juli 1814 Braumeister Krebs starb, wird die Herstellung von Broihanbier eingestellt.
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