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Sätze: | 50 | |
Wörter: | 852 | |
Zeichen: | 5.198 |
Wie ausgestorben wirkte die Autobahn zu dieser frühen Morgenstunde, seit sie Aachen passiert hatten, war ihnen kaum ein anderes Fahrzeug begegnet. Noch war es dunkel, aber bald würde es dämmern. Ab und zu tauchte ein Hinweisschild aus der Dunkelheit auf. Hier könnte man leicht doppelt so schnell fahren, dachte Georg im Stillen. Er würde das nicht versuchen, dazu ist er einfach zu vorsichtig und in dem Land, in dem sie unterwegs waren, sind sowieso nur hundertzwanzig Kilometer erlaubt. Sein Blick streifte Helga auf dem Sitz neben ihm, sie hatte die Augen offen und starrte in die Dunkelheit. Er hatte vermutet, sie sei eingeschlafen, da sie sich lange nicht mehr bewegt hatte. „Alles klar?“, fragte er zu ihr hinüber und konzentriert sich dann wieder auf die Straße. „Möchtest du Musik?“, fragte sie zurück. Er antwortete, „Nein, später hinter Lüttich, wenn es hell geworden ist.“ Gleichmäßig rollte der Wagen dahin, bei eingeschaltetem Tempomat saß Georg bequem und entspannt hinter dem Steuer und dachte daran, wie der Tag verlaufen würde. Das Wetter sollte bitte trocken bleiben. Vielleicht leicht bewölkt, dann stach ihm die Sonne auf der Fahrt in Richtung Süden nicht so in die Augen. Aber bitte kein Regen. Eine lange Fahrt im Regen, den ganzen Tag nur in nassen den Dunst starren, etwas Unangenehmeres konnte er sich kaum vorstellen. Noch über tausend Kilometer lagen vor ihnen und beide hofften, die Fahrt möge ohne größeren Stau verlaufen.
Sie fuhren durch eine leichte, lang gezogene Rechtskurve und es ging nun bergab. Er dachte sich, es ist wohl der Anfang des Gefälles, das beim Abzweig nach Lüttich endet. Im fahlen Licht der Laternen tauchte vor ihnen ein Lastwagen auf, dessen dröhnender Motor übertönte das eigene Fahrgeräusch als sie näher kamen. Kurz bevor der Sattelschlepper erreicht war, setzte dessen Fahrer den Blinker, um einen langsamer vor ihm fahrenden Schwertransporter zu überholen. Georg guckte zu Helga und die murmelte etwas, das wie Idiot klang. Er lächelt leicht, setzte seinerseits den Blinker und wechselte auf die dritte Spur, überholte den Lastwagen zügig – was dann geschah, ging alles sehr, sehr schnell und die beiden sollten es nie wieder vergessen.
Im trüben Licht der Laternen tauchte wie aus dem Nichts ein dunkler unbeleuchteter Personenwagen auf, der ihnen auf der gleichen Fahrspur entgegenkam. Helga sagte nur, „Geisterfahrer“. Georg reagierte instinktiv. Fast lehrbuchmäßig trat er mit voller Kraft auf das Bremspedal und betätigte gleichzeitig die Kupplung. Ihre Geschwindigkeit, die ihnen moderat vorgekommen war, erzeugte bei ihnen jetzt den Eindruck, sie rasten mit dem Tempo eines Rennwagens auf ihren Untergang zu. Keine hundert Meter mehr, der Zusammenstoß schien unvermeidbar. Es war als würde sich ihre Geschwindigkeit kaum verringern, dabei spannten sich unter der Wucht des heftigen Bremsens bereits die Sicherheitsgurte vor ihren Körpern. Endlich, endlich der Wagen wurde langsamer – immer noch viel zu schnell einen um Zusammenprall zu vermeiden. Georgs Hände verkrampften sich am Lenkrad, weiß schimmerten die Knöchel im fahlen Licht der Laternen. Er versuchte vorsichtig nach rechts auszuweichen, konnte aber nicht ausmachen, ob der Sattelzug noch hinter ihnen auf der mittleren Spur war und ob dessen Fahrer ihre Notlage erkannt hatte. Ihm war unklar, wie dieser auf seine Fahrmanöver reagieren würde.
Dann, der Aufprall schien unvermeidbar, gab es plötzlich eine Reaktion des Falschfahrers. Der entgegenkommende Wagen wich ein wenig nach rechts in Richtung der mittleren Leitplanken aus. Noch einmal lenkte Georg leicht nach rechts, zentimeternah schossen die Fahrzeuge aneinander vorbei; fast berührten sich die Rückspiegel. Noch paar Meter fuhr Georg weiter, dann wechselte zurück auf die linke Fahrspur. Ihm war immer noch nicht klar, wo genau sich die eben überholten Fahrzeuge befanden. In diesem Moment donnerten der Lastwagen und der Schwertransporter an ihnen vorbei. Georg schaltete die Warnblinkanlage ein, nahm den Fuß von der Bremse. Er brauchte einen Moment, um es zu bemerken, der Wagen rollte auf dem Gefälle gemächlich weiter und sie befanden sich völlig allein auf der Autobahn. Der Falschfahrer war hinter der Kurve verschwunden und die beiden Lastwagen waren weitergefahren.
Georg legte den zweiten Gang ein, um wieder zu beschleunigen. Als er genügend Fahrt aufgenommen hatte, schaltete er die Warnblinker aus. Er setzte den rechten Blinker, fuhr auf die rechte Spur und suchte im trüben Licht die Zufahrt zur nahen Tankstelle. Schwer atmend stieg er aus dort dem Auto, ging zum Kassierer und fragte diesen, ob er Deutsch verstehe. Als dieser das bejahte, bat er ihn, die Polizei zu benachrichtigen, weil ein Falschfahrer unterwegs sei. Er ging zurück zum Auto, Helga wirkte in der ersten Morgendämmerung furchtbar bleich – Tränen rannen aus ihren Augen. Er setzte sich neben sie und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Irgendwann hob Georg die Augen, das Licht des Tages vertrieb die Dunkelheit der Nacht und erhellte den öden Platz. Er startete den Motor und fuhr zurück auf die Autobahn, Helga schluchzte ab und zu leise. Noch zehn Stunden Fahrt und endlos erscheinende tausend Kilometer lagen vor ihnen.
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Silly • Am 15.06.2021 um 23:35 Uhr | |
Lieber Bernd. Ein Erlebnis, das nicht kalt lässt, sondern das Adrenalin hoch treibt. Puhhh.... wer das erlebt, weiß, wie nah der Tod sein kann... Liebe Grüße, Silly. |
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Sätze: | 50 | |
Wörter: | 852 | |
Zeichen: | 5.198 |